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St.il Steiermarkillustrierte

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STeIeRMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Das Magazin für Kenner und Liebhaber<br />

Nr. 6 | Sommer 2010<br />

Fest<br />

verwurzelt<br />

In der <strong>St</strong>eiermark wird auf Holz geklopft .<br />

Unter anderem. > Seite 36<br />

Bierverkostung<br />

Wie das Lieblingsgetränk der <strong>St</strong>eirer wirklich schmeckt.<br />

Und warum. > Seite 14<br />

Wellness, die auf der Wiese wächst<br />

Die Almwiesen der <strong>St</strong>eiermark sind ein Wandermekka.<br />

Aber auch Apotheke, Wohlfühl- und Gewürzlieferant. > Seite 22<br />

www.steiermark.com


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / www.bigshot.at<br />

BEWEGUNG<br />

TELLER & GLAS<br />

WELLNESS<br />

KULTUR & VOLKSKULTUR<br />

TREND & TRADITION<br />

INHALT<br />

SeITe 04 > Kurzaufenthalt<br />

Große Geschichten in kleinen Happen<br />

SeITe 06 > Das Schweigen der Lämmer<br />

Tierische Freude: Dank vierbeiniger<br />

Bergkameraden wird Wandern auch für Kinder<br />

zum einmaligen Abenteuerurlaub.<br />

SeITe 10 > Die Mur – <strong>St</strong>eiermarks Rückgrat<br />

Die kommt als Gebirgsbach und geht als Fluss:<br />

Dazwischen ist die Mur Lebensraum,<br />

Arbeitsplatz und Erholungsgebiet.<br />

SeITe 14 > Schaumkronen-Contest<br />

Man kann auch Bier professionell verkosten.<br />

Das ist komplexer, als man glaubt.<br />

Auch für geübte Gaumen.<br />

SeITe 18 > Für die Fisch’<br />

Dem Saibling gefällt es in den erfrischenden<br />

Alpenseen des Ausseerlands besonders gut.<br />

Er hat eben Geschmack – auch am Teller.<br />

SeITe 20 > Freie Marktwirtschaft<br />

Bauernmärkte: Seit Jahrzehnten versorgen<br />

sie Graz mit erntefrischen Lebensmitteln<br />

und einem ganz besonderen Charme.<br />

SeITe 22 > Lass es uns wie die Tiere tun<br />

Die Blumen, Gräser und Kräuter der<br />

Almwiesen liefern nicht nur den Tieren frisches<br />

Fressen. Sie sind auch für den Menschen gesund.<br />

SeITe 26 > Wellness am Frühstückstisch<br />

Jeder Bissen zählt – und wirkt: Wie man<br />

seinen Körper schon am Morgen mit<br />

gesunden Lebensmitteln anregt und pflegt.<br />

SeITe 28 > Geschichte zum Umblättern<br />

In Graz produziert der größte Faksim<strong>il</strong>e-Verlag<br />

der Welt wertvolle Nachdrucke noch wertvollerer<br />

Originale der jahrtausendealten Geschichte<br />

von Schrift und B<strong>il</strong>d. Ein Werkstattbesuch.<br />

SeITe 32 > Blasmusik zum Einstecken<br />

Traditionelle Blasinstrumente, te<strong>il</strong>s kuriose<br />

Miniaturen, te<strong>il</strong>s knorrige Riesen, erfüllen die<br />

steirische Volksmusikszene mit Klang und Leben.<br />

SeITe 36 > Holz vor der Hütte<br />

Bäume haben die <strong>St</strong>eirer mehr als sonst ein<br />

österreichisches Bundesland. Und sie sprühen auch<br />

vor Ideen, was man alles aus dem Holz machen kann.<br />

SeITe 40 > Design made in <strong>St</strong>yria<br />

Ob als Kleidung, Inneneinrichtungen oder Architektur,<br />

Luxus-Accessoires oder Gebrauchsgegenstände:<br />

<strong>St</strong>eirische Gestaltungsideen sind weltweit erfolgreich.<br />

SeITe 42 > Museums-Extravaganzen<br />

Okay, kein Louvre, MoMA oder Guggenheim:<br />

Die steirische Museenlandschaft spart aber<br />

auch nicht mit kuriosen Einzigartigkeiten.<br />

SeITe 44 > Hinweise und Impressum<br />

W<strong>il</strong>lkommen im ST.IL-Leserclub!<br />

Melden Sie sich bitte unter info@steiermark.com an und Sie erhalten<br />

die nächste Ausgabe im Oktober 2010 druckfrisch gratis zugeschickt.


STEIRISCHE MISCHUNG<br />

W<strong>il</strong>de Wasser<br />

Es war eine Premiere: Im August vergangenen Jahres kürte das renommierte Reportage-Magazin „National Geographic“ seinen<br />

ersten offi ziellen Wanderweg – und er liegt in der Region Schladming-Dachstein. „W<strong>il</strong>de Wasser“ ist eine 17 K<strong>il</strong>ometer lange<br />

Route, die vom Ortsrand von Schladming bis zum Riesachsee im Untertal führt. Unterwegs informieren 14 besch<strong>il</strong>derte <strong>St</strong>ationen<br />

über die Vergangenheit des Tales, in dem einst 40 Mühlen standen (heute gibt es nur noch eine zu sehen), und über die vielen<br />

Besonderheiten der Natur. So nistet entlang des Bachs die an ihrer hellen Brust erkennbare Wasseramsel, der einzige Singvogel,<br />

der schwimmen und tauchen kann. Am Weg nach oben liegen kurze, tosende Kaskaden und ruhig fl ießende Bachabschnitte,<br />

<strong>St</strong>e<strong>il</strong>stufen und fl ache Böden wechseln einander ab, bevor ein spektakulärer Alpinsteig über Leitern, Treppen und Brücken den<br />

Riesachwasserfall erschließt. Mit insgesamt 140 Metern ist er der höchste Wasserfall der <strong>St</strong>eiermark. Oben, beim smaragdgrün<br />

schimmernden Riesachsee, kann das Ziel liegen. Muss aber nicht. Ein kleines <strong>St</strong>ück weiter b<strong>il</strong>det die Urgesteinslandschaft der<br />

Klafferkessel mit ihren 30 Seen das eigentliche Quellgebiet der „W<strong>il</strong>den Wasser“. Eine Gegend, die nicht zufällig der Beiname<br />

„Spiegel Gottes“ ziert. www.schladming-dachstein.at<br />

Alte Meister treff en<br />

neuen Beat<br />

E-Musik muss nicht zwingend etwas mit den<br />

erhabenen Sinfonien, feinstimmigen Konzerten<br />

und knisternden Solostücken historischer Großmeister<br />

zu tun haben. Es können auch schräge<br />

Beats, verquere Riffs, freigeistige Rhythmen und<br />

abgefahrene Visuals sein, die gesammelt unter<br />

dem Pseudonym E-Musik daherwummern –<br />

„E“ steht in diesem Fall für elektronische Kunst<br />

und Musik, wofür in Graz das mittlerwe<strong>il</strong>e<br />

größte einschlägige Festival Österreichs über<br />

die Turntables groovt. „springten“ nennt es<br />

sich, wobei das Praktische an dieser Namensgebung ist, dass immer die aktuelle Jahreszahl<br />

zur zweiten Worts<strong>il</strong>be mutiert und dass diese auch verrät, zum wievielten Mal die<br />

Sause eigentlich abgeht. Die also zehnte Aufl age ist wohl Grund für eine auf XL-Format<br />

aufgeblasene Party-Zone, die sich durch die einschlägigen Locations der <strong>St</strong>adt zieht.<br />

Auch das andere „E“ feiert in Form der „styriarte“ heuer ein Jub<strong>il</strong>äum: Bereits zum<br />

25. Mal wird rund um „Local Hero“ Nikolaus Harnoncourt ein Sommermusikfestival-<br />

Programm zusammengestellt, das seit Beginn weit über die steirischen Grenzen für<br />

Anerkennung und Aufmerksamkeit sorgt. Neben <strong>St</strong>ar-Dirigent Harnoncourt stehen beim<br />

diesjährigen Generalmotto „Heimat, bist Du“ Künstler wie der bei Graz geborene Barockkomponist<br />

Johann Joseph Fux im Mittelpunkt.<br />

www.springfestival.at: 12. bis 16. Mai 2010<br />

www.styriarte.at: 25. Juni bis 25. Juli 2010<br />

Vorwärts Leute, wir müssen zurück …<br />

… und das so schnell wie möglich. Immerhin geht es bei der dritten<br />

Rückwärtslauf-Weltmeisterschaft am 7. und 8. August im obersteirischen<br />

Kapfenberg um Edelmetall und Titel. Die Regeln klingen<br />

logisch und einfach: Die Athleten haben sich mit dem Rücken voran<br />

zu bewegen, die Zehenspitzen müssen immer entgegen der Laufrichtung<br />

nach hinten zeigen. Mehr als einhundert Te<strong>il</strong>nehmer aus<br />

zwölf Nationen werden erwartet. Im Rückspiegel haben sie die<br />

Weltrekorde – beispielsweise hurtige 13,6 Sekunden im 100 Meter-<br />

Sprint der Männer oder beachtlich fl inke 42 Minuten über 10.000<br />

Meter, was bei „normalen“ steirischen Meisterschaften immerhin<br />

für Platz 12 gereicht hätte. www.kapfenberg.at<br />

4 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Freier Fall<br />

An ein Gummise<strong>il</strong> gebunden oder mit<br />

einem Fallschirm kann ja bald wer von<br />

Bauwerken, Geländekanten oder Brücken<br />

springen. Wahrer Mut outet sich,<br />

wenn es darum geht, sich ohne technische<br />

H<strong>il</strong>fsmittel der Erdanziehung auszuliefern<br />

– noch dazu, wenn die Landung<br />

ungebremst in einem Fluss vorgesehen<br />

ist. Man kennt das aus Mostar in Bosnien-Herzegowina,<br />

wo sich Angstlose<br />

von einer 21 Meter hohen <strong>St</strong>einbrücke<br />

in die Neretva wuchten, oder aus Rom,<br />

wo traditionell zum Jahreswechsel Erfrischungshungrige<br />

von der Ponte Cavour<br />

in den Tiber hüpfen. Auch in der <strong>St</strong>eiermark<br />

hat das Brückenspringen Tradition.<br />

Bereits vor einhundert Jahren kamen<br />

Holzfl ößer aus Murau nach Judenburg,<br />

um sich dort die Zeit mit Sprüngen von<br />

der 14 Meter hohen Postbrücke in die<br />

Mur zu vertreiben – einerseits als Mutprobe,<br />

andererseits um den Frauen zu<br />

imponieren. Vielleicht sind es ähnliche<br />

Motive, die die Akteure beim „Murcapulco“<br />

antreiben. Jedenfalls werden sie sich<br />

auch am 31. Juli 2010 wieder vor bis<br />

zu 3000 Besuchern von der alten <strong>St</strong>einbrücke<br />

in die darunter sieben Meter tiefe<br />

Mur schmeißen. Bei Wassertemperaturen<br />

von prickelnden 16 Grad eine wirklich<br />

coole Sache. www.murau.at ©<br />

Andi Kuechenmeister, TV Kapfenberg, TVB Murau-Kreischberg, <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Symbol, Lanxx, Hans Wiesenhofer, Gemälde von Nicolaus Buck


Botschafter des<br />

guten Geschmacks<br />

Flecksuppn, Breinwurscht, Spagatkrapfen oder Türkntommerl: Wer mit solchen kulinarischen<br />

Fachausdrücken um sich wirft, outet sich an jedem Wirtshaus-<strong>St</strong>ammtisch<br />

als Insider der steirischen Gastronomie. Deren Vielfalt einzufangen, ist beinahe unmöglich.<br />

Dennoch liegt jetzt ein von Tourismuslandesrat Hermann Schützenhöfer (re.<br />

neben dem steirischen Genuss-Botschafter und bekannten TV-Koch Johann Lafer)<br />

herausgegebenes „Kulinarium <strong>St</strong>eiermark“-Booklet vor, in dem exakt einhundert<br />

ausgesuchte Adressen bester steirischer Gastronomie kompakt und informativ vorgestellt<br />

werden. Was die Landgasthäuser, Hotel-Restaurants und Haubenlokale eint,<br />

ist eine sture Begeisterung für hochwertige regionale Produkte als Basis raffinierter<br />

Speisekreationen. www.steiermark-kulinarium.at<br />

Wasser für Wien<br />

Ohne die <strong>St</strong>eiermark würde Wien verdursten.<br />

Rund 400.000 Kubikmeter Wasser liefern<br />

die beiden Hochquellwasserleitungen aus<br />

dem obersteirischen Hochschwab-Gebiet<br />

nach Wien. Täglich! Bereits 1873 wurde die<br />

erste der beiden Leitungen von W<strong>il</strong>dalpen<br />

Richtung Bundeshauptstadt gebaut. In den<br />

Folgejahren wuchs Wien schnell, der Bedarf<br />

an Trinkwasser stieg. Und so erfolgte am 11.<br />

August 1900 – dem 70. Geburtstag Kaiser<br />

Franz Josephs I. – die Grundsteinlegung für<br />

die zweite Leitung auf der Poschenhöhe in<br />

W<strong>il</strong>dalpen. Zehn Jahre später, am 2. Dezember<br />

1910 – dem Jahrestag des Regierungsantritts<br />

des Kaisers – wurde sie eröffnet.<br />

Über einhundert Aquädukte und Rohrbücken<br />

und 36 <strong>St</strong>unden ist das Wasser durch durchschnittlich<br />

1,7 Meter dicke Leitungen unterwegs,<br />

bis es in Wien aus der Wasserleitung<br />

ins Glas tropft. Es sind Karst-Gebirgsstöcke,<br />

aus denen das Wasser der beiden Hochquellenleitungen<br />

stammt. Niederschläge, die auf<br />

diese durchlässigen Gesteinsschichten fallen,<br />

versickern innerhalb kürzester Zeit, fließen<br />

unterirdisch durch das Bergmassiv und treten<br />

als Quellen zutage. Als größte g<strong>il</strong>t die<br />

Kläfferquelle am Fuß des Hochschwabs im<br />

Salzatal, die es bei Schneeschmelze zu einer<br />

Schüttung von bis zu 10.000 Liter pro Sekunde<br />

bringt (das sind ca. 860 Mio. Liter pro Tag)<br />

und damit zu den größten Trinkwasserquellen<br />

Europas zählt. www.w<strong>il</strong>dalpen.at<br />

Fest für Fux<br />

Er gehört zweifelsohne zu den bedeutendsten österreichischen<br />

Komponisten des Barock und g<strong>il</strong>t als einflussreicher Musiktheoretiker<br />

und -lehrer. Dennoch hat er mit seinen Opern und<br />

sakralen Werken nie die Popularität seiner Kollegen Mozart,<br />

Beethoven, Bach oder Haydn erreicht. Dabei war Johann Joseph<br />

Fux zu seiner Zeit auch kaiserlicher Hofkapellmeister<br />

und verfasste mit „Gradus ad Parnassum“ eine wegweisende<br />

Kompositionslehre rund um das Thema Kontrapunkt. 350<br />

Jahre nach seinem (vermuteten) Geburtstag – das genaue<br />

Datum ist unbekannt – sind dem in Hirtenfeld bei Graz geborenen<br />

Bauernsohn (gestorben 1741 in Wien) heuer einige Jub<strong>il</strong>äumsveranstaltungen<br />

gewidmet. So wird es Ausstellungen und<br />

sowohl an der Grazer Kunstuniversität als auch bei der „styriarte“<br />

musikalische Fux-Schwerpunkte geben. Höhepunkt: Ein „Fest für Fux“<br />

am 9. Juli in der Grazer Innenstadt.<br />

Wer braucht Meer?<br />

26 Grad warmes Wasser? Es muss nicht<br />

immer die Karibik sein. Sandstrand? Dafür<br />

muss man nicht nach Griechenland. Exquisite<br />

Wellness-Angebote? Dafür braucht es<br />

kein südostasiatisches Luxushotel. Rutschen-<br />

Wellenbad-W<strong>il</strong>dbach-Entertainment für die<br />

Kinder? Kanada, Italien und Spanien können<br />

warten. Das gesamte Angebot gibt es nämlich<br />

kompakt verpackt entlang einer geologischen<br />

Warmwasser-Linie in der Südoststeiermark.<br />

Seit mehr als drei Jahrzehnten hat sich dort<br />

zwischen Bad Blumau, Bad Waltersdorf, Loipersdorf,<br />

Sebersdorf bis nach Bad Gleichenberg<br />

und Bad Radkersburg ein florierender<br />

Thermentourismus entwickelt. Als „Außenstellen“<br />

sind in den vergangenen Jahren noch<br />

moderne Anlagen in der West- (Köflach) und<br />

Obersteiermark (Fohnsdorf, Bad Mitterndorf)<br />

dazu gekommen. Auch im Sommer bieten<br />

sie uneingeschränktes Badeerlebnis für alle<br />

Altersgruppen, garniert mit ausreichend Möglichkeiten<br />

sich sportlich zwischen Golfplatz<br />

und Bergtour zu verwirklichen.<br />

www.thermenland.at<br />

www.steiermark.com/wellness<br />

5


BEWEGUNG<br />

6 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Zickenalarm<br />

Tierische Se<strong>il</strong>schaften: Wer mit Ziegen wandern geht,<br />

muss sich auf charakterfeste vierbeinige Bergkameraden einstellen.<br />

Das garantiert Spaß und Abwechslung. Auch we<strong>il</strong> in anderen Ecken der<br />

<strong>St</strong>eiermark Schafe und Rinder darauf warten, besucht zu werden.


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / bigshot.at und ikarus.cc, Atelier Cremsner, Reinhard Lamm; shutterstock / Daniel Goodch<strong>il</strong>d<br />

Im Hochgebirge des Himalaya gelten<br />

Ziegen ebenso als traditionelle Lasttiere wie<br />

in den karstigen Bergregionen am Balkan.<br />

In der <strong>St</strong>eiermark werden die geduldigen<br />

wie eigenw<strong>il</strong>ligen Tiere zu treuen<br />

Wanderkollegen.<br />

Wer geht da jetzt mit wem spazieren? So<br />

ganz klar scheinen die Rollen nicht verte<strong>il</strong>t.<br />

Ruckartig wird Hanna von einer Seite des<br />

Waldwegs auf die andere gezogen. Pflichtbewusst<br />

lässt die Sechsjährige die Leine aber nicht<br />

aus, an deren anderem Ende L<strong>il</strong>ly ihrer Neugier<br />

und einem scheinbar unst<strong>il</strong>lbaren Hungergefühl<br />

folgt. L<strong>il</strong>ly ist eine kleine Ziege mit großem<br />

Charakter. Das unterscheidet das s<strong>il</strong>bergrau gescheckte<br />

Tier nicht wesentlich von seinen Artgenossen.<br />

Auch Mausi, deren kakaobraunes Fell an<br />

den vier Beinen in eine sockenartige, sportlich<br />

wirkende schwarz-weiße Beinbehaarung ausläuft,<br />

kann und w<strong>il</strong>l eigentlich pausenlos fressen.<br />

Das macht die Tiere dann doch wieder irgendwie<br />

berechenbar. Man braucht ihnen nur einen Ast<br />

mit frischen Blättern vor die Schnauze zu halten,<br />

um sie zu dirigieren und zu motivieren weiterzumarschieren.<br />

Das funktioniert – fast immer. „Der<br />

heißt Maximus, we<strong>il</strong> er immer nach Hause muss“,<br />

kichert Jakob, während ihn sein vierbeiniger Wanderkollege<br />

mit sturer Deutlichkeit zeigt, wohin es<br />

zu gehen hat. In die falsche Richtung nämlich.<br />

Der Spaßfaktor beim Ziegentrekking profitiert<br />

von derartigen kleinen Pannen, sie machen den<br />

Nahkontakt der Kinder mit den Paarhufern zu<br />

einem echten Abenteuer. Unbewusst werden bei<br />

den Kindern gegenseitige Rücksichtnahme, Verantwortungsgefühl<br />

und das Gespür für die Natur<br />

sensib<strong>il</strong>isiert. Schneller, als man glaubt, wird<br />

so unter der Regie von Jutta Ochsenhofer und<br />

Hannes Nievoll aus dem chaotisch anmutenden<br />

Haufen eine organisierte Karawane, die gemütlich<br />

durch den Wald, den Bach entlang auf die<br />

Almwiese hinauf marschiert. Kleine Zweibeiner<br />

neben kleinen Vierbeinern.<br />

Rund drei <strong>St</strong>unden dauern die Trekkingtouren,<br />

die Ochsenhofer und Nievoll rund um ihren „Naturspielraum<br />

Schloss Oberkindberg“ im obersteirischen<br />

Mürztal anbieten. Davor gibt es direkt<br />

am Bauernhof „Tschips<strong>il</strong>änd“, wo auch Hühner,<br />

Esel und das Hängebauchschwein Meki auf<br />

<strong>St</strong>reicheleinheiten warten, eine lehrreiche wie<br />

kindgerechte Einführung über die Tiere. Dann<br />

werden sie gestriegelt und die Nachwuchs-<br />

hirten dürfen ihre Lieblingsziege auswählen.<br />

„Jedes Kind sucht sich instinktiv das Tier aus,<br />

das zu ihm passt“, weiß Jutta Ochsenhofer mittlerwe<strong>il</strong>e.<br />

So entscheidet sich der quirlige Jakob<br />

eben für den spitzbübischen Maximus, L<strong>il</strong>lys brave<br />

Zielstrebigkeit spiegelt sich in Hanna wider<br />

und Mausis selbstbewusster Führungsanspruch<br />

passt auch irgendwie zu ihrer zweibeinigen Aufpasserin<br />

Larissa.<br />

Aufgeregt, aber konzentriert helfen die Kindergartenkinder,<br />

die Tiere reisefertig zu machen.<br />

Das heißt in diesem Fall, dass ihnen eigens<br />

angefertigte Tragtaschen auf den Rücken geschnürt<br />

werden, in denen die Jause der Kinder<br />

Platz findet. Dann noch einen kleinen Ast mit<br />

frischen Blättern als Navigationsh<strong>il</strong>fe gesucht –<br />

und auf geht’s. In welche Richtung die Tiere auch<br />

immer wollen …<br />

7


BEWEGUNG<br />

Ebenso sanft, aber gezielt läuft im Ennstal ein ganz<br />

anderes Projekt mit Paarhufern ab. In diesem Fall<br />

sind es Schafe, die auf den Almwiesen am Hauser<br />

Kaibling in der Nähe von Schladming die Hauptrolle<br />

in einem EU-weit einzigartigen Beweidungsprojekt<br />

spielen. Die Tiere und ihr Fressverhalten<br />

werden nämlich wissenschaftlich observiert. Via<br />

stündlich aktualisierter Satelliten-Ortungen werden<br />

die Routen nachgezeichnet. Auf den Wiesen<br />

selbst wird untersucht, welche Grasarten in welcher<br />

Zeit von den Schafen abgefressen werden.<br />

Die Daten werden mit Gewichtskontrollen bei<br />

den Tieren und der späteren Fleischqualität gekreuzt<br />

und fl ießen in Modellberechnungen für die<br />

<strong>St</strong>euerung künftiger „Abgraseinsätze“ ein. Durch<br />

eine gezielte Beweidung soll nämlich nicht nur die<br />

Qualität des stark nachgefragten Lammfl eisches<br />

verbessert werden, sondern sollen vor allem auf<br />

naturnahe und schonende Weise die winterlichen<br />

Skipisten rekultiviert werden. Kamen zuvor zum<br />

Mähen, Düngen und Befestigen noch Maschinen<br />

8 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

zum Einsatz, erledigen jetzt die Schafe diesen<br />

Job. Ihre im Vergleich zu Kühen kleinen Hufe und<br />

das geringere Gewicht eignen sich dafür besonders<br />

gut, da die Grasnarbe nicht beschädigt wird.<br />

Fast 900 Tiere waren zuletzt über die Sommermonate<br />

auf der Alm unterwegs, betreut und<br />

begleitet von Brigitte und Georg Resch und<br />

einem Quartett aufmerksamer Hirtenhunde. Es<br />

ist ein nur vordergründig idyllischer, in Wahrheit<br />

ziemlich luxusfreier Job. Der Arbeitstag beginnt<br />

gegen fünf Uhr morgens. Von ihrer Almhütte<br />

auf 1800 Meter Seehöhe geht es für die Schäfer<br />

jeden Tag, bei jedem Wetter los. „Wir sind<br />

meist dort, wo sonst niemand ist.“ Da sich die<br />

schlappohrigen Tiere, die wie weiße Wollbälle in<br />

den saftig grünen Wiesen kleben, mittlerwe<strong>il</strong>e<br />

aber zu einer sommerlichen Touristenattraktion<br />

entwickelt haben, wurde für Bergwanderer und<br />

Spaziergänger ein eigens angelegter besch<strong>il</strong>derter<br />

Rundweg im Weideareal angelegt.<br />

Im oststeirischen Almenland herrscht an Wanderwegen<br />

schon jetzt kein Mangel. Die Routen<br />

durch das größte zusammenhängende Almweidegebiet<br />

Europas gehen mitten durch die Heimat<br />

von knapp viertausend Almochsen,<br />

die hier unter nationalparkähnlichen<br />

Bedingungen die<br />

Vielfalt an saftigen<br />

Gräsern und<br />

würzigen Kräutern genießen. Es sind Voraussetzungen,<br />

die eine intakte Almbewirtschaftung<br />

garantieren und am Ende ob seiner Qualität<br />

zum beliebtesten Rindfl eisch Österreichs führen.<br />

Aber an die Endlichkeit des idyllischen Lebens<br />

denkt im Sommer zwischen Plankogel, Teichalm,<br />

Brandlucken und Sommeralm auf Seehöhen zwischen<br />

800 und 1720 Metern ohnehin niemand.<br />

Die Wanderer nicht, und die ALMO-Rinder schon<br />

gar nicht. www.steiermark.com/wandern


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / ikarus.cc, bigshot.at; Atelier Cremsner; shutterstock / Duncan Payne<br />

Großer<br />

Name<br />

Ing. Peter <strong>St</strong>elzl:<br />

„Unsere Kellerei in<br />

Ehrenhausen, dem Tor<br />

zur südsteirischen<br />

Weinstraße, freut sich auf<br />

Ihren Besuch. Genießen<br />

Sie mit unseren vielfach<br />

prämierten Weinen die<br />

gesamte Sortenvielfalt<br />

der <strong>St</strong>eiermark!“<br />

Verkostungen und<br />

Führungen durch den<br />

Schlosskeller nach<br />

Vereinbarung<br />

Fr. Tschernko,<br />

+43(0)664/380 42 04<br />

Erzherzog Johann Weine<br />

Weinkeller- u. Handels GmbH & Co KG<br />

Hauptstraße 34 • 8461 Ehrenhausen<br />

Tel.: +43(0)3453/2423 • Fax: DW 6<br />

office@erzherzog.com • www.erzherzog.com<br />

Großer<br />

Wein<br />

Öffnungszeiten<br />

Vinothek:<br />

Mo. bis Fr.:<br />

7.30 bis 12.00 Uhr<br />

13.30 bis 17.00 Uhr<br />

9


BEWEGUNG<br />

Veranstaltungstipp:<br />

KlettersteigfestiVal Via ferrata<br />

in Ramsau/Dachstein: 8. - 11. Juli 2010<br />

Alles<br />

senkrecht<br />

Auf 16.392 Quadratk<strong>il</strong>ometern breitet sich die<br />

<strong>St</strong>eiermark aus. Das ist zwar knapp ein Fünftel<br />

der Fläche Österreichs – aber noch immer zu<br />

wenig, um den ganzen Vorrat an landschaftlichen<br />

Schönheiten unterzubringen. Die Natur hat sie<br />

deshalb einfach übereinandergestapelt. Das ergibt<br />

alpine <strong>St</strong>ockwerke, die zwischen Dachstein-<br />

Massiv und Hochschwab-Gruppe als Kletter-<br />

routen te<strong>il</strong>weise senkrecht Richtung Himmel<br />

wachsen – ein idealer Spielplatz für Helden,<br />

denen es nie ste<strong>il</strong> genug nach oben gehen kann.<br />

www.steiermark.com/klettern<br />

10 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Mitten<br />

durchs<br />

Herz<br />

Nach anderen Flüssen werden<br />

Walzer (Donau), ganze Sinfonien<br />

(Moldau), Bundesstaaten (Mississippi),<br />

Tiere (N<strong>il</strong>pferd) und dem ersten Hinhören<br />

nach auch Körperte<strong>il</strong>e (Po) benannt.<br />

Die Mur ist einfach nur die Mur.<br />

Gerade das macht sie unverwechselbar.


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Leo Himsl, photo-austria.at, Eisenschink, Schiffer-Symbol<br />

Eine gewisse Nebensächlichkeit ist die<br />

große <strong>St</strong>ärke der Mur. Der steirische<br />

Hauptfluss erspart sich eine Bedeutung<br />

als großer überregionaler Verkehrsweg,<br />

er verzichtet auf eine staatstragende Aufdringlichkeit,<br />

er verkneift sich alles, was<br />

nach Superlativen aussieht – trotz einer<br />

stattlichen Länge von 453 K<strong>il</strong>ometern zwischen<br />

Ursprung in Salzburg und Mündung<br />

in die Drau an der kroatisch-ungarischen<br />

Grenze. So gibt es breitere, längere, tiefere<br />

und selbst in der <strong>St</strong>eiermark schneller<br />

fließende und w<strong>il</strong>dere Flüsse – die Mur<br />

beschränkt sich auf eine sympathische<br />

Mischung aus solider Unaufgeregtheit<br />

und ausgetüftelter Allmählichkeit.<br />

Nur einmal reihte sie sich ins Spitzenfeld<br />

eines Rankings: Bis in die späten<br />

1980er Jahre gehörte die Mur dank industrieller<br />

Abwässer zu den am stärksten<br />

verschmutzten Flüssen Österreichs. Aber<br />

selbst dieses Extrem wurde in einer beispiellosen<br />

Anstrengung abgestreift. Heute<br />

gurgelt, glitzert und fließt das Murwasser<br />

in den amtlichen Güteklassen I bis II<br />

dahin. Sensible Fischarten kehrten in ihre<br />

angestammten Reviere zurück, Wasservögel<br />

siedelten sich an, der Mensch begann<br />

vermehrt, den Fluss wieder als Lebensraum<br />

für Freizeitaktivitäten zu nutzen.<br />

Das beginnt gleich in ihrem Quellbereich<br />

in den Niederen Tauern, von wo sie sich<br />

bis zu ihrer Grenzüberschreitung schon<br />

zu einem w<strong>il</strong>dromantischen Alpenfluss<br />

ausgewachsen hat, der sich seinen Weg<br />

durch eine stellenweise fast canyonartige<br />

Kulisse gräbt. Auf diesem Abschnitt ist die<br />

Murtalbahn (1), eine Schmalspurstrecke,<br />

auf der unter anderem die älteste Dampflok<br />

der österreichisch-ungarischen Monarchie<br />

für regelmäßige Nostalgiefahrten<br />

unterwegs ist, ein treuer Begleiter des<br />

Wasserlaufs. Parallel schlängelt sich auch<br />

der Murradweg dahin. Die 365 K<strong>il</strong>ometer<br />

lange „Tour de Mur“ ist der längste steirische<br />

Radweg.<br />

11<br />

1


BEWEGUNG<br />

Nicht nur auf den ersten Etappen durch die obersteirische<br />

„Holzwelt“ (2) können die Radler auf ortstypische Elektrolytversorgung<br />

zurückgreifen: Murauer Bier hier, Gösser Bier eine Tagesetappe<br />

weiter flussabwärts rund um Leoben, bevor im Großraum<br />

Graz das Hoheitsgebiet der hier gebrauten Marken Puntigamer<br />

und Reininghaus beginnt.<br />

Aber auch kulturell ist entlang der Mur einiges los. Der Campan<strong>il</strong>e<br />

in Judenburg (3), Österreichs höchster <strong>St</strong>adtturm, in dem das modernste<br />

Kleinplanetarium Europas untergebracht ist, die großen<br />

Ethnoausstellungen in der Kunsthalle Leoben (4) – in diesem Jahr:<br />

Alexander der Große –, die schmucke „Skyline“ des historischen<br />

<strong>St</strong>adtkerns von Frohnleiten oder die Mischung aus alter Bausubstanz<br />

und zeitgenössischer Architektur im <strong>St</strong>adtgebiet von Graz, wo<br />

mitten in der Mur eine weitere Einmaligkeit wartet: eine künstliche<br />

Insel aus <strong>St</strong>ahl. (5)<br />

Eine besondere Perspektive auf diese architektonische Extravaganz<br />

bietet sich aus einem Kajak oder auf dem Surfbrett beim<br />

Wellenreiten. Mitten in der <strong>St</strong>adt? Im Zuge der Arbeiten für die<br />

Murinsel entstand durch Gesteinsbewegungen unter der Hauptbrücke<br />

eine surf-taugliche Welle, eine weitere findet sich flussabwärts<br />

unter der Radetzkybrücke. So war Graz nach München die<br />

zweite größere <strong>St</strong>adt Europas, in der sich in den letzten Jahren<br />

eine Flusssurferszene etabliert hat.<br />

50 K<strong>il</strong>ometer südlich gibt es die Mur dann beschaulicher. Zwar<br />

schon längst zu einem ordentlichen Fluss angewachsen, strömt<br />

sie gemütlich Richtung sanfte Hügellandschaft des südsteirischen<br />

Weinlands und biegt nach einem scharfen Linksknick in jene<br />

Ackerland-Region ein, in der der Kürbis zu Hause ist, aus dem das<br />

typisch steirische Kernöl gepresst wird. (6) Ab hier spielt die Mur<br />

auch eine kleine staatspolitische Nebenrolle als Grenzfluss zu Slowenien<br />

– direkt aus den wohlig warmen Becken der Therme in Bad<br />

Radkersburg (7) kann man ins benachbarte Ausland blicken. Das<br />

schaffen weder Mississippi noch N<strong>il</strong>, auch der Po nicht, von der<br />

Moldau ganz zu schweigen.<br />

www.mur-radweg.at<br />

12 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / ikarus.cc, Harry Schiffer, Gery Wolf, Schiffer-Symbol; <strong>St</strong>ernenturm<br />

2 3


4 5 6 7<br />

13


TELLER & GLAS<br />

Schluck auf!<br />

Das Leben kann manchmal ganz schön ungerecht sein. Auch zu Bier.<br />

Während der Wein als elegant-nobles, lieblich-leichtfüßiges, biswe<strong>il</strong>en<br />

pfiffig-prickelndes, immer aber total trendiges Savoir vivre-Elixier gelobt,<br />

gepriesen und genossen wird, g<strong>il</strong>t Bier gemeinhin als ordinäres Baustellen-,<br />

Fußballplatz-, Gartengr<strong>il</strong>l- und Tankstellen-Getränk. Prost! Und ex!<br />

Fair ist das nicht. Bier verdient eine differenziertere Zugangsweise –<br />

wie eine Verkostung beweist.<br />

14 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Markus Leodolter; shutterstock / Matthew Benoit<br />

Wein-geschulte Winzernasen<br />

und die Hopfen-sensib<strong>il</strong>isierten<br />

Gaumen der Bier-Spezialisten riechen<br />

und schmecken sich sachkundig<br />

durch die steirische Biervielfalt.<br />

Österreich ertrinkt im Bier. Mit einem jährlichen<br />

Pro-Kopf-Verbrauch von knapp 110<br />

Litern belegt die Alpenrepublik in einer weltweiten<br />

Bestenliste den stolzen zweiten Rang (hinter<br />

den Tschechen, aber noch vor den Deutschen).<br />

Mit Gösser, Puntigamer oder Murauer sind drei<br />

wesentliche Versorgungsquellen in der <strong>St</strong>eiermark<br />

zu Hause. Neben diesen, aufgrund der<br />

Ausstoßmengen und Verarbeitungstechnik, sogenannten<br />

Industriebieren blüht aber auch eine<br />

bunte Vielfalt kleiner und kleinster Gasthausoder<br />

„Privatbrauereien“. Meist bleiben es lokale<br />

bis regionale Spezialitäten, nie aber müssen sie<br />

den Vergleich mit den Großen fürchten. Oder?<br />

Wie beim Wein bleibt es eine individuelle Geschmacksfrage.<br />

Wie beim Wein lässt sich aber<br />

treffl ich über Duftnoten, Gaumenreize, Aromaspektren<br />

oder Nachtrunk-Charakteristika<br />

dozieren, ph<strong>il</strong>osophieren und debattieren. Wie<br />

beim Wein folgt eine professionelle Verkostung<br />

gewissen Regeln. So sollte man sich auch beim<br />

Bier einer – was den Alkoholgehalt angeht –<br />

sanft ansteigenden Linie entlang trinken: von<br />

den leichten, süffi gen Bieren durch die naturtrüben,<br />

we<strong>il</strong> unfi ltrierten Sorten bis zu den schweren<br />

Bock- und Doppelbock-Varianten. Zwischen den<br />

maximal zehn bis 15 Proben sollte nur leichtes<br />

(kein mineralreiches) Mineralwasser getrunken<br />

werden.<br />

Für sämtliche Biersorten g<strong>il</strong>t es, zunächst Aussehen<br />

und Geruch zu beurte<strong>il</strong>en. Die exklusiven<br />

ST.IL-Tester erweisen sich dabei als deta<strong>il</strong>verliebte<br />

Spürnasen: „Zitrusfrische“ w<strong>il</strong>l da die Wein-<br />

geschulte Nase von Winzer Hannes Harkamp<br />

beim ersten Bier erkennen. „Bananig“ fällt ihm<br />

zu einem anderen ein.<br />

„Vollfruchtig-exotisch“, bestätigt Bier-Sommelier<br />

W<strong>il</strong>libald Wolf. Auch „süßliche Kakao- und<br />

Schokonoten“ w<strong>il</strong>l der Profi später in seiner<br />

Nase spüren, im Gegenzug dafür nur einen<br />

dezent in den Hintergrund gedrängten Hopfen<br />

ausmachen. Ganz ohne geht es fre<strong>il</strong>ich nicht,<br />

we<strong>il</strong> man die Aromen der Kletterpfl anze für<br />

Haltbarkeit, <strong>St</strong>ab<strong>il</strong>isierung und Schaumb<strong>il</strong>dung<br />

braucht. „Es geht um die Bitterstoffe im Hopfen“,<br />

erklärt Hopfenbauer Richard <strong>St</strong>elzl und<br />

verweist auf den Unterschied zwischen<br />

Bitter- und dem höherwertigen, aber<br />

teureren Aromahopfen beispielsweise<br />

aus Leutschach in der Südsteiermark.<br />

Der Experte:<br />

W<strong>il</strong>libald Wolf ist<br />

Bier-Sommelier und<br />

weiht an der renommierten<br />

Tourismusfachschule<br />

im südoststeirischen Bad<br />

Gleichenberg den Nachwuchs in<br />

die Geheimnisse von Reinheitsgebot<br />

und gepfl egter Trinkkultur ein.<br />

150 Jahre<br />

Gösser Bier<br />

Tag der offenen Tür:<br />

26. Juni 2010<br />

Murauer<br />

Bierstadtfest:<br />

3. Juli 2010<br />

15


TELLER & GLAS<br />

„Weinbauer trifft Bierbrauer“<br />

August 2010 Bierschwerpunkt an<br />

der Südsteirischen Weinstraße<br />

Biergarten im Weingarten, Lange Nacht<br />

des Bieres, Bier-Frühschoppen,<br />

Krönung der Hopfenkönigin, geführte<br />

Wanderungen durch Hopfenfelder<br />

und zum Hopfenbauern, ...<br />

www.suedsteirischeweinstrasse.at<br />

Nach dem Riechen folgt die Geschmacksprobe.<br />

Der Eindruck am Gaumen gehört dabei möglichst<br />

facettenreich und nuanciert klassifi ziert.<br />

Anders als beim Wein muss Bier beim Verkosten<br />

aber geschluckt werden, um den sogenannten<br />

„Nachtrunk“, also jenes mollige, brotige bis<br />

malzig-süßliche „Mundgefühl“ nach einem<br />

Schluck, entstehen zu lassen.<br />

Dabei gerät Winzer Wolfgang Maitz ins Schwärmen:<br />

„Sehr klar strukturiert“, w<strong>il</strong>l er eine „kernig-straffe<br />

Pfi rsich-Note“ ausgemacht haben.<br />

Bei späteren Proben überrascht er mit kreativverwegenen<br />

Geruchsvergleichen „wie Shrimps,<br />

wenn man sie gr<strong>il</strong>lt“ oder „sauberer Kuhstall“.<br />

Auch Maitz’ Kategorisierungen „Kinobier“<br />

(„wegen der Popcorn-Aromen“) und „Karton-<br />

Schwenken, riechen, schauen, vergleichen:<br />

Die peniblen ST.IL-Tester (von oben)<br />

Hopfenbauer Richard <strong>St</strong>elzl, Winzer Hannes<br />

Harkamp, Haubenkoch Hans-Peter Fink,<br />

Winzer Wolfgang Maitz, Hopfenkönigin<br />

Marlies I. im Nahkampf mit Hopfen-<br />

Bitterstoff en, Hefe-Aromen, Malz-Röstnoten<br />

und <strong>St</strong>ammwürze-Ante<strong>il</strong>en. Spontane<br />

Begeisterung (Maitz: „Das Ding lebt.“) mischt<br />

sich mit interessanten Einsichten (Harkamp:<br />

„Dahinplätschernde Bitterness.“) und<br />

praktischen Küchentipps (Fink: „Beim<br />

Kochen Bier erst ganz zum Schluss beimengen,<br />

we<strong>il</strong> es sonst bitter wird.“).<br />

geschmack“ für zwei andere Testbiere bleiben<br />

alltagsnah und nachvollziehbar, während das<br />

Herausfi ltern von Aldehyd-Noten den jungen<br />

Winzer als olfaktorischen Freak outet.<br />

Auch Haubenkoch Hans-Peter Fink bettet seine<br />

Beurte<strong>il</strong>ungen in ihm vertraute Kulissen. „Bauernschmaus<br />

pur, Vollgas Sauerkraut“, beschreibt er<br />

eines der naturtrüben Biere aus einer Kleinbrauerei,<br />

die in jüngster Vergangenheit verstärkt auf<br />

den Markt drängen. „Karamellig“, lobt Fink einen<br />

weiteren Testkandidaten. „Da ist am Gaumen<br />

alles rund eingepackt – wie ein gutes Essen am<br />

Abend“, solidarisiert sich Hopfenkönigin Marlies<br />

mit dem Urte<strong>il</strong> des Küchenchefs. Hopfenbauer<br />

<strong>St</strong>elzl fi ndet schließlich zum ultimativen Urte<strong>il</strong> an<br />

der schaumigen Grenze zwischen Prost-Pragmatismus<br />

und Sommelier-<strong>St</strong>andards: „Das beste Bier<br />

gibt es dort, wo es am liebsten getrunken wird.“<br />

Ein Auszug aus der reichen steirischen Bier-Landschaft : Die „Goliaths“ der großen<br />

Brauerei-Konzerne treff en auf die „Davids“ aus kleinen, innovativen Privatbrauereien.<br />

Wie beim Wein kann man sich das für Verkostungen notwendige Rüstzeug im<br />

Rahmen einer eigenen (Bier-)Sommelier-Ausb<strong>il</strong>dung aneignen.<br />

Verkostet wurden: Murauer Hopfengold, Gösser Märzen, Puntigamer Panther,<br />

Reininghaus Märzen, Haringer Gold, Flamberger Hausbier, Schladminger Bio-Zwickl,<br />

Mariazeller Zeller Gold, Lavabräu Luna und Rossa, Herzogbräu Männer- und<br />

Damenbier, Reininghaus Jahrgangsp<strong>il</strong>s, Frohnleitner Hausbier.<br />

16 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Markus Leodolter, Harry Schiffer; shutterstock / Matthew Benoit


Alles unter<br />

einem Hut<br />

Das Beste an den 24 steirischen Golfplätzen?<br />

Man hat immer eine passende Ausrede, warum man<br />

gerade nichts getroffen hat: die Aussicht auf spektakuläre<br />

Bergketten, den Blick über sanfte Hügelwellen, die<br />

Gedanken an gemütliches Thermalwasser. – Da ist schon<br />

einmal ein Schlag über Par drinnen. Mit der auf den Greens<br />

des „Grünen Herzens“ gültigen „<strong>St</strong>eiermark Golf Card“<br />

ist ohnehin noch ein Versuch möglich.<br />

Golfland <strong>St</strong>eiermark – Der Sommer ist zu kurz,<br />

um ihn auf weniger schönen Plätzen zu verbringen.<br />

www.steiermark.com/golf


TELLER & GLAS<br />

Liebling<br />

Saibling<br />

In den Seen des Ausseerlands tummelt sich eine<br />

Fischart, die das kühle Wasser besonders schätzt<br />

– und die von einheimischen Kochkünstlern<br />

besonders geschätzt wird: Der Saibling g<strong>il</strong>t im<br />

obersteirischen Salzkammergut als Spezialität.<br />

Wenn man ihn kostet, weiß man warum.<br />

www.steiermark-kulinarium.at Das Maul des Saiblings ist deutlich kleiner als das der mit ihm<br />

verwandten Bachforelle. Aber zum Unterschied zur Forelle, die<br />

als Raubfi sch auch kleine Tiere frisst, muss der Saibling ja auch<br />

nur Plankton „zerkauen“.<br />

Saibling in steirischem Riesling<br />

Zutaten für 4 Personen:<br />

2 Saiblinge<br />

4 Thymianzweige, 2 Peters<strong>il</strong>ienzweige<br />

2 Lorbeerblätter, 1 Zitrone, Salz, Pfeffer<br />

30 g Butter<br />

40 g Schalottenwürfel, 1 Lauchstange<br />

30 g <strong>St</strong>angensellerie, 3-4 Champignons<br />

1/4 l (Welsch-)Riesling<br />

100 ml Fischfond<br />

1 cl Vermouth, 1 cl Zitronensaft<br />

50 g Salzbutter<br />

150 g Tomatenwürfel<br />

2 EL D<strong>il</strong>l gehackt, Salz<br />

18 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Gefi scht werden darf der Saibling zwischen Mai<br />

und Mitte September, wobei als beste Zeit die<br />

Sommermonate Juni und Juli gelten, wenn der<br />

über die kalte Jahreszeit ausgehungerte Fisch<br />

wieder so richtig gut genährt ist.<br />

Zubereitung:<br />

Die Saiblinge mit Thymian, Peters<strong>il</strong>ie und Lorbeerblättern<br />

füllen. Mit dem Saft der Zitrone beträufeln und<br />

mit Salz und Pfeffer würzen. Butter in einem großen<br />

Topf erhitzen. Schalotten, Lauch und <strong>St</strong>angensellerie,<br />

in <strong>St</strong>ücke geschnitten, darin dünsten. Champignons in<br />

Scheiben schneiden und hinzugeben. Die Saiblinge daraufl<br />

egen und mit dem Saft der Zitrone nochmals beträufeln. Mit dem Riesling und dem Fischfond<br />

aufgießen. Nun die Saiblinge abgedeckt ca. 15 Minuten bei ganz schwacher Hitze weichdünsten<br />

lassen. Die Saiblinge aus dem Topf nehmen und auf einer großen Platte anrichten, den Sud<br />

abpassieren. Vermouth, Zitronensaft, Salzbutter, Tomatenwürfel und D<strong>il</strong>l in den Sud geben und<br />

nochmals mit Salat abschmecken. Den Sud nun über die Saiblinge geben. Dazu empfi ehlt Johann<br />

Lafer Peters<strong>il</strong>kartoffeln, Rahmkren und Häuptelsalat.<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Pixelmaker; Ausseerland - Salzkammergut; shutterstock / ifong


Die Saiblinge aus dem Altausseersee sind größer und schwerer<br />

(durchschnittlich 400 Gramm) als seine Artkollegen im Grundlsee<br />

(330 Gramm). Der Grund liegt im Plankton-Angebot, das wiederum<br />

mit der Wassertemperatur zu tun hat. Durch die wärmende Sonne<br />

und seine Lage wird der Grundlsee zwei Mal pro Jahr vollständig<br />

durchmischt. Und das mindert jenes Planktonaufkommen, das der<br />

Saibling so schätzt.<br />

Die Schuppen des Saiblings sind<br />

im Vergleich beispielsweise zum<br />

Karpfen relativ fein.<br />

Das Fleisch des Saiblings zeichnet unter anderem<br />

ein hoher Gehalt an ungesättigten<br />

Omega-3-Fettsäuren aus.<br />

Zutaten für 4 Personen:<br />

1 große Salatgurke<br />

Salz, weißer Pfeffer<br />

einige <strong>St</strong>iele Kräuter<br />

(z.B. Kerbel, D<strong>il</strong>l, Schnittlauch)<br />

2 EL stichfester Sauerrahm<br />

1 EL Crème fraîche<br />

4 geräucherte Saiblingfi lets (ersatzweise Forellenfi lets)<br />

1 kleines <strong>St</strong>ück Kren (ca. 20 g)<br />

Zwischen Schwanz- und Rückenfl osse<br />

haben die sogenannten Salmoniden<br />

eine typische Fettfl osse. Den Körper<br />

des Saiblings zeichnet eine schnittige<br />

<strong>St</strong>romlinienform aus.<br />

Der Fischbestand im Grundlsee wird mittels Echolot-<br />

Messungen mit GPS-Unterstützung festgestellt. Man<br />

erhält deta<strong>il</strong>reiche Auswertungen bezüglich Arten, Größe<br />

und Anzahl der Fische – und weiß, wie viele Saiblinge<br />

gefi scht werden dürfen: 1600 K<strong>il</strong>o pro Jahr sind es<br />

alleine am Grundlsee.<br />

Geräucherter Saibling auf Rahmgurkensalat<br />

Zubereitung:<br />

Gurken schälen und in dünne Scheiben hobeln.<br />

Salzen und ca. 15 Minuten ziehen lassen. Kräuter<br />

waschen und, bis auf etwas zum Garnieren,<br />

fein schneiden. Mit Sauerrahm und Crème fraîche<br />

verrühren. Mit Pfeffer würzen. Gurken abtropfen<br />

lassen und unter den Sauerrahm rühren. Saibling<br />

in <strong>St</strong>ücke schneiden und auf dem Salat anrichten.<br />

Kren schälen, reiben und darüber streuen.<br />

Rezepte Rezepte aus: aus: „Johann „Johann Lafer Lafer – – Meine Meine Leibspeisen Leibspeisen aus aus Österreich“, Österreich“, Johann Johann Lafer Lafer © © 2000 2000 by by Haymon-Verlag, Haymon-Verlag, Innsbruck Innsbruck<br />

19


TELLER & GLAS<br />

20<br />

ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Der heimliche<br />

Hauptplatz<br />

Bauernmärkte liegen an einer Nahtstelle zwischen städtischer Konsumgesellschaft<br />

und ländlicher Versorgungstradition. Der Duft von erntefrischen Lebensmitteln<br />

wird zum Aphrodisiakum für die Sinne.


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Markus Leodolter; shutterstock / Nataliya Hora<br />

Es riecht nach Frühling. Und man kann ihn auch kaufen. K<strong>il</strong>oweise und<br />

ganz frisch. „Schöne Apferl hätt’ ma“, lockt eine Marktfrau. „Nehm’<br />

ma etwas mit?“, gurgelt eine andere. „Ein <strong>St</strong>rauß Blumen für die Gattin“,<br />

startet eine dritte einen Frontalangriff aufs schlechte Gewissen. Gegenüber<br />

lachen die erntefrischen Salatköpfe in ihrem strahlendsten Grün.<br />

Die Grazer sagen, den Kaiser-Josef-Platz, ihren Kaiser-Josef-Platz, kann<br />

man nicht beschreiben. Den muss man erleben. Ganz unrecht haben sie<br />

damit nicht. Es ist eine permanente Versuchung und Verführung. Nachdem<br />

sich der ehemalige Holzhandelsplatz im Schatten von He<strong>il</strong>andskirche<br />

und Opernhaus vor rund hundert Jahren in einen Lebensmittelmarkt verwandelte,<br />

hat er sich zu einem freundlichen Treffpunkt von Einheimischen,<br />

Eingebürgerten, Eingeladenen und einfach nur Eingetroffen entwickelt.<br />

Selbst produziertes Obst und Gemüse. Kartoffeln und Kernöl. Hasen-,<br />

Hühner- und Selchfleisch. Frischgebackenes Brot, hausgemachte Butter.<br />

Üppig blühende Schnittblumen. Alles feinsäuberlich aufgetürmt und<br />

nebeneinander gestapelt auf kniehohen Verkaufstischen. Tisch an Tisch,<br />

eine Reihe hinter der anderen. „Saftige Pfirsiche, der Herr?“<br />

Der größte und traditionsreichste der 14 Grazer Bauernmärkte ist ein<br />

überzeugter und überzeugender Kontrapunkt zu den von Eigenheiten<br />

befreiten Einkaufszentren und Supermärkten. Sein Charme liegt im Kontrastierenden.<br />

Der Platz gleicht einem nostalgischen Reservat, in dem eine<br />

ländliche Versorgungstradition mit ihrer herzlichen, aber zielgerichteten<br />

Offenheit auf eine ster<strong>il</strong>-anonymisierte städtische Konsumgesellschaft<br />

trifft. „Noch ein paar Karotten, gnä’ Frau?“<br />

Zugeständnisse an das Moderne aber auch hier: Computergesteuerte<br />

Waagen, Handy-Geläute, italienische Szene-Aperitifs ergänzen das<br />

Leberaufstrich-Frühstück, dunkelhäutige <strong>St</strong>raßenzeitungsverkäufer versuchen,<br />

das sauerkrautorientierte Marktpublikum für demokratiepolitische<br />

Probleme ihrer Heimat zu begeistern. Dazwischen je nach Jahreszeit<br />

Adventkränze, Blumengestecke, Osterbuschen, Bienenwachskerzen oder<br />

Weidenkörbe. Es ist eine Alltagsästhetik, die man nicht inszenieren kann<br />

und die zum Platz gehört, wie der Platz zu Graz. Ein Tipp: „Graz zum<br />

Verkosten“ gibt’s bei den geführten kulinarischen <strong>St</strong>adtspaziergängen.<br />

Schlendern und Schlemmen lautet dabei das Motto.<br />

www.graztourismus.at<br />

21


WELLNESS<br />

22<br />

ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE


Grasgefl üster<br />

Almwiesen sind mehr als nur die Frisur eines b<strong>il</strong>dschönen Landschaft sgesichts. Wie<br />

ein grüner Teppich legen sie sich über Hügelketten, schmiegen sich in Täler, klettern<br />

auf Berghänge und säumen Waldränder, begleiten Asphaltbänder und rahmen Felskanten<br />

ein. Wobei man die Kräuter, Blumen, Gräser und <strong>St</strong>räucher nicht nur bewundern,<br />

sondern auch in Medizin oder Mahlzeiten mischen kann. Die <strong>St</strong>eiermark zum<br />

Aufessen oder zum Auf-die-Haut-Schmieren sozusagen.<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Popp-Hackner<br />

23


WELLNESS<br />

24 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Vegetarisches im ganzen Land:<br />

knackfrische Pfl anzenkost steht<br />

auf der täglichen Speisekarte<br />

der grasenden Tiere im<br />

Almen- wie im Apfelland,<br />

im alpinen Norden wie im<br />

mediterranen Süden.<br />

Aber nicht nur das Vieh langt<br />

zu. Auch der Mensch nascht<br />

mit. Mit dem Ziel, gesund<br />

zu bleiben, schöner zu werden,<br />

oder einfach nur, um sich<br />

zu entspannen.<br />

Es gibt kein Wehwehchen, gegen das kein<br />

Kraut gewachsen ist. Sagt der Volksmund.<br />

Und keine Speise, die mit frischen Kräutern<br />

nicht noch eine Spur besser schmeckt. Fügen<br />

die Küchenmeister hinzu.<br />

Man muss nur wissen, welche Pfl anze wofür<br />

– und wie sie eigentlich aussieht. So leicht<br />

das bei „Berühmtheiten“ wie Löwenzahn,<br />

Gänseblümchen, Brennnessel oder Kam<strong>il</strong>le ist,<br />

so herausfordernd wird die Identifi zierung bei<br />

„Exoten“ wie Goldrute, G<strong>il</strong>bweiderich, Spitzwegerich,<br />

Beifuß, Ysop oder Zinnkraut. Und<br />

selbst Tee-Bekanntschaften wie Arnika, Schafgarbe,<br />

Melisse oder Tausendgüldenkraut kennt<br />

man zwar vom B<strong>il</strong>d auf der Verpackung, aber<br />

wohl weniger als vitale Pfl anze. Dagegen ist die<br />

Küchengewürz-Brigade von Rosmarin über Thymian<br />

und Anis bis zu Lavendel oder Liebstöckl<br />

dank balkontauglicher Züchtungen mittlerwe<strong>il</strong>e<br />

der optischen Anonymität entrissen. Würde<br />

man sie aber auch in freier W<strong>il</strong>dbahn erkennen?<br />

Lohnen würde es sich, denn im Gegensatz zu<br />

kultivierten Pfl anzen zeichnet W<strong>il</strong>dkräuter ein<br />

deutlich intensiveres Aroma aus. Auch der<br />

Mineralstoff- und Vitamingehalt ist höher.<br />

So stecken allein in frisch geschnittenen<br />

Brennnesseln, die man zu<br />

Spinat oder Blattsalat verarbeitet,<br />

hohe Dosen an Mineralsalzen,<br />

Aminosäuren oder Vitamin C.<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Gery Wolf, Lanxx; shutterstock / Sergey Chuskin, Robyn Mackenzie


Also, ab auf die Wiese!<br />

Um unliebsame Überraschungen zu vermeiden,<br />

empfehlen Experten aber, grundsätzlich nur<br />

Pflanzen zu sammeln, die man eindeutig zuordnen<br />

kann. Ansonsten kann es durchaus lebensgefährlich<br />

werden, wie das Beispiel Bärlauch<br />

zeigt. Eine weitere Fallgrube sind regional divergierende<br />

Bezeichnungen für ein und dieselbe<br />

Pflanze, weshalb Profis die Beachtung des uniformen<br />

lateinischen Namens empfehlen. Bezüglich<br />

Erntezeit und -art gibt es ebenfalls fachmännische<br />

Vorgaben: Als bester Zeitpunkt empfiehlt<br />

sich demnach der Vormittag, da die Kräuter da<br />

am saftigsten sind. Als Ernteinstrument sollte<br />

auf Messer oder Schere zurückgegriffen werden,<br />

damit die Pflanze nachwachsen kann. So<br />

braucht man kein schlechtes Gewissen zu haben,<br />

den Kühen ihr Fressen wegzuschnappen. Es<br />

ist genug für alle da. Denn die <strong>St</strong>eiermark g<strong>il</strong>t<br />

mit ihren bewirtschafteten Almen, die ein Fünftel<br />

der Landesfläche bedecken, als das almreichste<br />

Bundesland der Republik. Die alpinen Wiesen<br />

und Weiden dienen nicht nur fast 100.000 <strong>St</strong>ück<br />

Vieh – neben den Kühen auch Schafen und<br />

Pferden – als Sommerfrische-Destination, auch<br />

Wanderurlauber schätzen die sanften Hügel und<br />

lauschigen Hochplateaus als Urlaubsziel.<br />

Daneben dienen die saftigen Grünflächen aber<br />

nicht nur als überdimensionaler Kräutergarten<br />

für kulinarische Genussverfeinerungen, sondern<br />

auch als Natur-Apotheke. Die Anwendungspalette<br />

ist breit und beinahe endlos: Ringelblumensalbe<br />

gegen Hautentzündungen, Arnika und Lavendel<br />

gegen Herzmuskelschwäche, Brennnessel<br />

gegen Haarausfall und Blutarmut, Kam<strong>il</strong>le gegen<br />

Angina, Löwenzahn gegen Blasenleiden, Rosmarin<br />

gegen zu niedrigen Blutdruck, Bärlauch<br />

gegen zu hohen, und so weiter …<br />

Neben diesen pharmazeutischen Anwendungen<br />

werden die auf den Almen wachsenden und<br />

wuchernden He<strong>il</strong>pflanzen aber längst auch zu<br />

modernen Wellness-Salben, -Ölen und -Wickeln<br />

veredelt. So kann sich der Körper durch zahlreiche<br />

Massageanwendungen und Packungen entspannen.<br />

In der Therme Bad Waltersdorf schwört<br />

man beispielsweise auf Ganzkörpermassagen<br />

mit Efeu-Zinnkrautöl, die den Körper entgiften.<br />

Ergänzend wirken Zinnkrautwickel dank hoher<br />

Kalzium-, Eisen- und Kieselsäure-Ante<strong>il</strong>e positiv<br />

auf Bindegewebe und Knochen. Auch auf der<br />

Teichalm setzt man bei Kräuter-Massagen auf<br />

die vitalisierende Wirkung der Wirkstoffe von<br />

Ringelblumen, Zitronenmelisse, Pfefferminze<br />

oder Hopfenblüten. Am Zirbitzkogel oder in der<br />

Therme Loipersdorf wiederum kommen tischtennisballkleine<br />

Kräuterstempel zur Anwendung,<br />

um verhärtete Rückenmuskulatur zu lockern und<br />

den <strong>St</strong>offwechsel anzuregen. Auch heiße Kräuterkompressen<br />

im Bereich der Wirbelsäule und<br />

Schulter lösen Verspannungen. Eine anschlie-<br />

ßende Massage mit Arnika- oder Johanniskraut-<br />

Öl oder Bienenhonigpackungen sorgen für neuen<br />

Esprit.<br />

Und selbst der Enzian ist nicht nur <strong>St</strong>ammgast in<br />

einschlägigem Alpin-Liedgut und hochprozentigem<br />

Schnaps. Er zählt zu den ältesten Wiesenhe<strong>il</strong>pflanzen.<br />

Die Wirkstoffe seiner Blüten und<br />

Wurzeln können durch die Haut sehr gut aufgenommen<br />

werden. Einem Enzian-Solebad wird<br />

daher eine entgiftende Wirkung zugeschrieben,<br />

das den Körper noch dazu mit wichtigen Mineralstoffen<br />

und Spurenelementen versorgt. Als ultimative<br />

Kampfansage an Botox, Fettabsaugen,<br />

Antidepressiva und Co. bietet man in Mühlen<br />

zudem einen eigenen „Anti-Aging“-Salzwickel.<br />

Die Inhaltsstoffe Salz, Honig, Zirbe und Johanniskraut<br />

wirken nicht nur zellregenerierend,<br />

stoffwechselanregend und gewebestärkend,<br />

sondern generell stimmungsaufhellend.<br />

So mutiert die Kräuterwiese zu einer Mischung<br />

aus Wundertüte und Alchemistenküche. Angesichts<br />

der Fülle an kulinarischen An- und Verwendungen,<br />

he<strong>il</strong>enden Rezepten und stressbremsenden<br />

Wirkungsmustern wird klar, warum<br />

die auf den steirischen Almen grasenden Kühe<br />

alle gesund sind und ziemlich relaxt und zufrieden<br />

wirken. Obwohl ihnen die Menschen Te<strong>il</strong>e<br />

ihrer Nahrung streitig machen.<br />

www.steiermark.com/wellness<br />

25


WELLNESS<br />

26<br />

ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE


© shutterstock / DUSAN ZIDAR, Alessio Cola<br />

Wellness<br />

zum Kauen<br />

Das Frühstück g<strong>il</strong>t als wichtigste Mahlzeit des Tages.<br />

Es wäre also schade, auf die wahlweise anregend-aktivierende oder<br />

entspannende Wirkung von frischem Obst, knusprigen Cerealien,<br />

sämigem Honig und duftenden Vollkornprodukten zu verzichten.<br />

Carpe diem – vom ersten Biss an.<br />

Müde schleppt sich der Körper an den Frühstückstisch.<br />

Viel zu früh, um die Organe in<br />

den Aktiv-Modus zu schalten. Viel zu träge, um<br />

die Muskeln für sportliche Bewegung begeistern<br />

zu können. Was aber auch egal ist. Schließlich<br />

hat man einen Wellnessurlaub und kein Überlebenscamp<br />

gebucht.<br />

Wellness also. Das hat aber nicht nur mit Nichtstun<br />

zu tun. Massagen da, Kosmetikbehandlungen<br />

dort, Entspannungsübungen jetzt, Geistanregendes<br />

später. Das kann den Tag ganz schön<br />

ausfüllen. Aber zumindest während der Mahlzeiten<br />

hat man seine Ruhe. Möchte man meinen …<br />

Das Gegente<strong>il</strong> ist der Fall. Denn Wellness made<br />

in <strong>St</strong>yria kann man auch essen. Die „Behandlung“<br />

beginnt schon am Frühstückstisch. Zum<br />

In-Schwung-Bringen des Kreislaufs und als<br />

Aufguss für das Nervensystem gibt es zunächst<br />

einen anregenden Kräutertee. Die eigens komponierten<br />

Mischungen hauchen jedem noch<br />

so laschen Organismus ausreichend Energie<br />

ein, um sich dem nächsten Wellness-Modul<br />

hinzugeben.<br />

Die Haferflocken im Müsli prof<strong>il</strong>ieren sich da<br />

als <strong>St</strong>immungsmacher, die Omega-3-Fettsäure<br />

in den Walnüssen als Gedächtnistrainer. Und<br />

während frisches Obst und Gemüse ihrer Rolle<br />

als „Jungbrunnen“ für Körper, Geist und Seele<br />

gerecht werden und massenweise Mineralstoffe<br />

und Vitamine in den (nun schon aufgeweckten)<br />

Organismus pumpen, kann sich der Verdauungsapparat<br />

schon auf wohltuende Massagen<br />

durch die Ballaststoffe diverser Vollkornprodukte<br />

vorbereiten. Parallel wirken die Körndl selbst im<br />

Darm wie ein reinigendes Peeling.<br />

In der Zwischenzeit sind auch die Muskelpartien<br />

des Körpers bereit für ein kleines Fitnesstraining.<br />

M<strong>il</strong>ch höchstpersönlich und andere M<strong>il</strong>chprodukte<br />

geben als Personaltrainer für die Knochen<br />

ihr Bestes und das krönende Frühstücksei sorgt<br />

für zusätzliche Energie. Zum hart verdienten Entspannungstraining<br />

empfiehlt Diätologin Daniela<br />

Grach dann echten steirischen Honig, bevor mit<br />

dem Training gleich wieder von vorne begonnen<br />

werden kann. Schließlich ist es ein Wellnessurlaub<br />

– und keine Hungerkur. Außerdem kommen<br />

so Kau- und Schluckmuskulatur in konditionelle<br />

Bestform, die mitgebrachten <strong>St</strong>ress oder Burn<br />

out-Syndrome einfach auffressen.<br />

www.steiermark.com/wellness<br />

27


KULTUR<br />

28<br />

ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE


Wertpapiere<br />

In Graz ist der größte Faksim<strong>il</strong>e-Verlag der Welt zu Hause.<br />

Er beliefert Päpste, Könige und Präsidenten mit originalgetreuen<br />

Duplikaten wertvollster historischer Schriftstücke.<br />

Jahrtausendealte Kultur wird so wieder angreifbar.<br />

Sagen Sie niemals Fälscher zu ihnen. Sie können<br />

zwar jedes Schriftstück bis ins kleinste<br />

Deta<strong>il</strong> und dem Original zum Verwechseln ähnlich<br />

nachmachen. Noch dazu mit einer Präzision,<br />

die in der einschlägigen Szene weltweit als<br />

Benchmark g<strong>il</strong>t. Aber fälschen? Nein … Obwohl<br />

es dezidiertes Ziel der Arbeit ist, am Ende Vorlage<br />

und Duplikat nicht mehr voneinander unterscheiden<br />

zu können. Ob Schriftzeichen, vor mehr<br />

als dreitausend Jahren in Ägypten auf Papyrus<br />

gemalt; ob Gebetsbücher, in den Schreibstuben<br />

mittelalterlicher Klöster entstanden, jüdische<br />

Handschriften, byzantinische Buchrollen; ob Noten,<br />

von Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart<br />

oder Ludwig van Beethoven persönlich auf<br />

handgeschöpftes Papier geschrieben … – alles<br />

wird in Graz nachgemacht. Exakter: faksim<strong>il</strong>iert.<br />

Nicht gefälscht! Der feine Unterschied? „Wir<br />

haben die rechtliche Erlaubnis, es zu tun“, erklärt<br />

Christopher Schaffer bei der Akademischen<br />

Druck- und Verlagsanstalt (ADEVA).<br />

Tatsächlich wird bei jedem Original genau nachgefragt,<br />

ob eine Faksim<strong>il</strong>ierung genehmigt und<br />

möglich ist. Und wie viel die Bereitstellung eigentlich<br />

kostet, denn die Bibliotheken stellen<br />

ihre historischen Schätze nicht immer unent-<br />

geltlich für eine Vervielfältigung zu Verfügung.<br />

Dazu liefern die hauseigenen ADEVA-Experten<br />

einen Mix aus hehren wissenschaftlichen und<br />

kühlen betriebswirtschaftlichen Argumenten (Finanzierung,<br />

Auflagenhöhe, Verkaufsziele). Gibt<br />

es am Ende grünes Licht, kommt ein zeitintensiver,<br />

logistisch aufwendiger und handwerklich<br />

wie wissenschaftlich komplexer Arbeitsprozess<br />

ins Laufen.<br />

Zunächst rücken die Digitalisierungsexperten der<br />

ADEVA mit ihrem mob<strong>il</strong>en „Fotostudio“ an, da<br />

die Originale nur selten Reisestrapazen ausgesetzt<br />

werden sollen beziehungsweise manchmal<br />

ihre Heimatbibliothek gar nicht verlassen dürfen.<br />

Das Alu-Gestänge, in das Digitalkamera, Kabel,<br />

die m<strong>il</strong>limetergenaue Einstellungsmechanik und<br />

die Spezialauflagefläche für die historischen<br />

Druckwerke eingebaut werden, erinnert konstruktionstechnisch<br />

an eine Mischung aus Fitnessgerät<br />

und Gu<strong>il</strong>lotine. In Verbindung mit exakt abgestimmten<br />

Spezialleuchten, die die lichtscheuen<br />

Originale für nur wenige Sekunden einem schonenden<br />

Kaltlicht aussetzen, füttern die Aufnahmegeräte<br />

einen angeschlossenen Computer mit<br />

kleinstte<strong>il</strong>igen Datensätzen von den abfotografierten<br />

Seiten. Dann beginnt die Feinarbeit.<br />

© ADEVA<br />

29


KULTUR<br />

Anhand eines ausgedruckten Prototyps werden<br />

die farblichen Abstimmungen der digitalisierten<br />

Daten korrigiert und verfeinert. Immer Immer wieder. wieder.<br />

Aus Sperrholzplatten werden von jedem jedem einzeleinzelnen Blatt die Umrisse gesägt, um auch die Ränder<br />

– egal ob eingerissen, schief gebunden oder<br />

ungleichmäßig beschnitten – originalgetreu Blatt<br />

für Blatt nachstanzen zu können. Parallel wird<br />

nach einer der historischen Vorlage entsprechenden<br />

Papierqualität gesucht. „Nicht nur Druck,<br />

auch Haptik und Akustik des Papiers sollen möglichst<br />

nahe am Original sein“, setzt Schaffer bei<br />

ADEVA hohe Ansprüche an die eigene Expertise.<br />

So entstehen zum Beispiel Faksim<strong>il</strong>es, die sich<br />

angreifen, als bestünden sie aus altem, unregelmäßig<br />

dickem, zerdrücktem bis gewelltem<br />

Papier, dem die Feuchtigkeit der Jahrhunderte<br />

schon zugesetzt hat. Auch im Druckb<strong>il</strong>d glaubt<br />

man te<strong>il</strong>weise, Buchstaben und Noten der Rückseite<br />

durchschimmern zu sehen. – Alles nur Trug.<br />

Das Papier ist Ergebnis von verspielten, aber<br />

hochkomplexen Experimenten und das „Durchschimmern“<br />

ist ein in zartesten Nuancen auf der<br />

Vorderseite bewusst mitgedruckter „Fehler“.<br />

Auch nachträglich eingefügte handschriftliche<br />

Notizen, Anmerkungen, Auslassungen oder Ausbesserungen<br />

werden gnadenlos ins Faksim<strong>il</strong>e<br />

„kopiert“. Nichts wird geschönt, geliftet oder<br />

weggelassen. „Es geht darum, eine Momentaufnahme<br />

des Originals zu schaffen“, lautet das<br />

Unternehmenscredo. „Den Betrachter sollen erst<br />

beim dritten oder vierten Blick Zweifel beschleichen:<br />

Ist es das Original oder nicht?“<br />

Auch Bindetechnik, Umschlaggestaltung und et-<br />

Der Papyrus Ani (London, British Museum, Nr. 10.470, gegen 1300 v. Chr.,<br />

frühe 19. Dynastie) ist eine der ältesten Handschrift en, die je faksim<strong>il</strong>iert wurden.<br />

30 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

waige Schutzhüllen werden in Handarbeit deta<strong>il</strong>getreu<br />

imitiert. So bekommen verwendete Goldfolien<br />

für Einbandbeschriftungen te<strong>il</strong>weise eine<br />

künstliche Patina, um entsprechend antiquiert<br />

auszusehen. Die ADEVA-Werkstätten sind so ein<br />

Treffpunkt von altem Buchbinder-Handwerk und<br />

modernster Computertechnologie.<br />

Das war schon immer so. Der Grundstein für<br />

den heute größten Faksim<strong>il</strong>e-Verlag der Welt<br />

wird vor 60 Jahren in einem Grazer <strong>St</strong>adtpalais<br />

mit einer kleinen Druckmaschine gelegt. Der<br />

gelernte Schriftsetzer Paul <strong>St</strong>ruzl nutzt damals<br />

ein durch den Zweiten Weltkrieg entstandenes<br />

Vakuum: Viele Bibliotheksbestände waren im<br />

Krieg zerstört worden. An den mittellosen Universitäten<br />

steigt so zu Beginn der 1950er Jahre<br />

die Nachfrage nach Nachdrucken. Mit einer in<br />

Amerika entwickelten Offset-Drucktechnik setzt<br />

<strong>St</strong>ruzl auf eine relativ kostengünstige Methode,<br />

die er in Kombination mit einem von Anfang an<br />

hohen Qualitätsanspruch zur international anerkannten<br />

Perfektion veredelt.<br />

Die Kundenliste wächst schnell und um prominente<br />

Namen. Bereits 1950 überreicht <strong>St</strong>ruzl<br />

dem damaligen Papst Pius XII. die ersten ADE-<br />

VA-Werke. Es sollte nicht der einzige direkte<br />

Kontakt zum He<strong>il</strong>igen <strong>St</strong>uhl sein. Zwölf Jahre<br />

später bekommt Papst Johannes XXIII. bei einer<br />

Privataudienz eine 59-bändige Reprints-Sammlung,<br />

<strong>St</strong>ruzl dafür 1969 von Papst Paul VI. den<br />

angesehenen S<strong>il</strong>vesterorden. Im selben Jahr erhält<br />

Queen Elizabeth II. von England anlässlich<br />

ihres <strong>St</strong>aatsbesuchs in Österreich ebenfalls ein<br />

ADEVA-Faksim<strong>il</strong>e (das <strong>St</strong>undenbuch der Maria<br />

von Burgund) überreicht. Auch andere Königshäuser<br />

sind neben Privatsammlern Exklusivkunden<br />

der Grazer Spezialisten.<br />

© ADEVA


B<strong>il</strong>d links: Der Ingeborg-Psalter (Chant<strong>il</strong>ly,<br />

Musée Condé, Ms. 9 olim 1695, Nordfrankreich,<br />

um 1200) weist großfl ächige<br />

Goldaufl agen auf; die Wiedergabe derselben<br />

im Faksim<strong>il</strong>e erfolgte durch Foliengold.<br />

B<strong>il</strong>d rechts: Einbände von Faksim<strong>il</strong>e-<br />

Editionen werden dem Original in Material<br />

und Aussehen nachempfunden: Leder oder<br />

Samt kommen zum Einsatz.<br />

Insgesamt 145 verschiedene Vorlagen wurden<br />

bei ADEVA in den vergangenen 60 Jahren faksim<strong>il</strong>iert;<br />

darunter unter anderem die „Goldene<br />

Bulle“ (Handschrift des Reichsgrundgesetzes<br />

von Karl IV.), Handschriften aus der Russischen<br />

Nationalbibliothek in <strong>St</strong>. Petersburg (auf die die<br />

ADEVA als erster westlicher Verlag Zugriff hatte)<br />

oder die Wenzelsbibel (die älteste deutsche<br />

Prachthandschrift der Bibel), deren Faksim<strong>il</strong>ierung<br />

fast zwanzig Jahre gedauert hat. Ergänzt<br />

werden die Arbeiten jewe<strong>il</strong>s durch wissenschaftliche<br />

Kommentare, die in der Fachwelt als<br />

<strong>St</strong>andardwerke anerkannt sind. Ebenfalls in der<br />

ADEVA-Bibliothek fi nden sich das Gesamtwerk<br />

von Martin Luther, eine mehr als 150-bändige<br />

Notenband-Serie über „Denkmäler der Tonkunst<br />

in Österreich“ sowie eine Reihe von Faksim<strong>il</strong>ierungen<br />

bedeutender mittelamerikanischer<br />

Handschriften und der erste Reprint der größten<br />

jemals in Europa geschaffenen Enzyklopädie von<br />

Ersch und Gruber aus dem 19. Jahrhundert. Trotz<br />

ihrer 168 Bände reicht sie nur bis zum Buchstaben<br />

„P“ – selbst in Zeiten der unendlich sprudelnden<br />

Nachschlagequellen von Wikipedia und<br />

Google eine respekteinfordernde Dimension.<br />

Der Vorte<strong>il</strong> der Duplikate: Die Nachwelt kann<br />

ohne Limit in den alten Dokumenten schmökern<br />

und blättern, ohne das empfi ndliche historische<br />

Original zu strapazieren. Manchmal wird der<br />

Nutzen noch wesentlich größer: So ist beim<br />

Einsturz der Kölner Bibliothek im Frühjahr 2009<br />

wertvolles Archivgut verschüttet worden beziehungsweise<br />

unwiederbringlich im Grundwasser<br />

versunken. Alles für immer weg? Nicht ganz.<br />

Die ADEVA hatte davor bereits die Daten einer<br />

Fechthandschrift aus dem 16. Jahrhundert für<br />

eine Reproduktion gesichert. Glück im Unglück<br />

also. www.adeva.com<br />

31


VOLKSKULTUR<br />

Wer sagt, dass eine Flöte Grifflöcher<br />

braucht? Wer sagt, dass man eine Flöte<br />

nur mit dem Mund blasen kann?<br />

Nasenflöten (großes Foto) beweisen,<br />

dass es auch anders funktioniert.<br />

32 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Ist es ein altertümliches Beatmungsgerät? Eine<br />

Art Maulkorb? Ein Inhaliergerät? Die Blicke<br />

Nichteingeweihter bleiben ungläubig, wenn aus<br />

dem wenig schmückenden Holzstück, das man<br />

sich zwischen Lippen und Nasenlöcher presst,<br />

auch noch samtige, einer Blockflöte nicht unähnliche<br />

Töne fließen. Die Antwort auf die mit individuellem<br />

Verwunderungsgrad, aber inhaltlich serienmäßig<br />

gestellte Frage („Was ist denn das?“):<br />

Eine Nasenflöte! In diesem Fall made in <strong>St</strong>yria.<br />

„Ein paar Hundert“ hat der Oststeirer Heinrich<br />

Handler eigenen Angaben zufolge schon gebaut.<br />

Als Rohstoff dienen verschiedenste Obstbaumhölzer,<br />

aber auch Ahorn oder Eiben – je nach Angebot.<br />

Zwischen zwei und drei <strong>St</strong>unden braucht<br />

Handler, um die fein verarbeiteten Instrumente<br />

spielfertig zu haben. Dann kann man sich den<br />

Holzte<strong>il</strong> unter die Nasenlöcher drücken. Durch<br />

den oberseitigen Schlitz wird die Luft aus der<br />

Nase in das Instrument geblasen – oder besser:<br />

intensiver ausgeatmet; die Mundhöhle dient als<br />

Resonanzkörper: Je weiter man Lippen und Wangen<br />

aufspannt, desto tiefer klingt der Ton, spitzt<br />

man die Lippen, wird er höher. Mit der Zunge<br />

kann man die Klangfarbe zusätzlich verändern.<br />

Das klingt alles komplexer, als es ist. Tatsächlich<br />

handelt es sich um ein binnen Minuten erlernbares<br />

Instrument, dem Könner ein Klangspektrum<br />

von zwei bis drei Oktaven entlocken können. „Es<br />

ist in X-Dur gestimmt“, fügt Handler augenzwinkernd<br />

hinzu.<br />

Kennengelernt hat es der heute 80-Jährige<br />

schon in seiner Jugend. Auf den Jahrmärkten<br />

der 1930er Jahre waren damals Nasenflöten aus<br />

Blech im Umlauf. Über seine Tochter und einen<br />

bayrischen Harfenbauer ist Handler ein halbes<br />

Jahrhundert später wieder auf die außergewöhnlichen<br />

Instrumente gestoßen. Anhand von<br />

Fotos, Tipps und alten Vorlagen reanimierte der<br />

Oststeirer dann die Handwerkskunst und perfektionierte<br />

sie bis zur Eigenkreation „Weizer<br />

Nasenflöte“. Deren „Vorfahren“ stammen aus<br />

Südamerika und Südostasien. Dort wurden die<br />

Nasenpfeifen unter anderem zur Vogeljagd verwendet,<br />

we<strong>il</strong> sich Vogelstimmen mit dem Instrument<br />

sehr gut imitieren lassen.<br />

Mit eher nichts zu vergleichen ist dagegen die<br />

Klangfarbe der Maultrommel. In einer sehr eindimensionalen<br />

Interpretation könnte man sie als<br />

idealen Soundtrack-Geber für das Gehüpfe des<br />

Heuschrecks bei Biene Maja beschreiben, wahre<br />

Akrobaten schaffen aber auch an Synthesizer<br />

und E-Gitarren erinnernde Beats. Dazwischen<br />

bleibt viel Raum für andersartige Spielst<strong>il</strong>e. Und<br />

das alles nur mit einem geschmiedeten kleinen<br />

Eisenbogen, der in seiner Form an den Umriss<br />

eines P<strong>il</strong>zes erinnert, und einer zwischen die Au-<br />

© <strong>St</strong>eirisches Volksliedwerk, Kurt Prein


ßenschenkel gespannten sogenannten „Zunge“<br />

aus <strong>St</strong>ahl, die angezupft wird. Als Klangkörper<br />

dient auch hier die Mundhöhle. Die Wurzeln<br />

dieses exotischen, aber weltweit bekannten<br />

und gespielten Instruments liegen irgendwo<br />

in Sibirien. Aber auch im obersteirischen Aigen<br />

im Ennstal war die Maultrommel schon früh in<br />

Verwendung, wie alte Funde aus dem 13. Jahrhundert<br />

beweisen.<br />

Deutlich jünger ist dagegen die Okarina. Erst<br />

1853 wurde sie in der Nähe von Bologna in Italien<br />

erfunden. Dort wird sie noch immer als klassisches<br />

Instrument (auch für Opern) verwendet,<br />

während in steirischen Breiten fast ausschließlich<br />

Volksmusik mit dem aus Ton<br />

gebrannten, vier- bis zwölflöchrigen<br />

Blasinstrument (im Original:<br />

zehn Löcher) gemacht wird.<br />

„Der Klang der Okarina ist sehr<br />

dumpf und obertonarm und vermutlich<br />

deshalb auch in extremer Höhe<br />

noch für das menschliche Ohr erträglich“,<br />

erklärt Simone Prein, die für<br />

das <strong>St</strong>eirische Volksliedwerk immer<br />

wieder Okarina-Bau- und<br />

-Spielkurse abhält. Gemeinsam<br />

mit der Maultrommel und der<br />

Mundharmonika wird die Okarina<br />

aufgrund ihrer handlichen<br />

Musik<br />

aus dem<br />

Hosensack<br />

Retrokult nach Noten: Da wird gepfiffen, geblasen und<br />

gezupft, dass die Ohren Kirtag feiern. Auf Instrumenten<br />

von anno dazumal, mit der Begeisterung von heute.<br />

Dimensionen volkskundlich den „Hosensack-<br />

Instrumenten“ zugerechnet.<br />

Der praktische Transport in der Hosentasche<br />

geht sich bei den Wurzhörnern und den etwas<br />

kleineren „Flatschen“ größenbedingt nicht<br />

aus. Hinter diesen Bezeichnungen verbergen<br />

sich steirische Spezialvarianten des bekannten<br />

Alphorns, das vor allem in der Schweiz auch<br />

als Kommunikationsmittel zwischen den Almen<br />

verwendet wurde. Mit Längen zwischen einem<br />

und dreieinhalb Metern gehören sie zu den<br />

eher unhandlicheren Instrumenten. Dafür wurde<br />

ihnen wegen ihres magischen Klangs (die gewaltige<br />

Klangfülle eines Blech- verschm<strong>il</strong>zt mit<br />

den weichen Klangfarben eines Holzblasinstruments)<br />

im Volksglauben sogar eine böse Geister<br />

vertreibende Kraft nachgesagt. Nach einer<br />

Hochblüte zwischen dem 17. und dem Beginn<br />

des 20. Jahrhunderts ist es heute eine exklusive<br />

Kunst von wenigen Wurzhorn-Bauern geworden.<br />

Der Kunsttischler Robert Obergruber aus<br />

der Ramsau am Fuße des Dachsteins ist einer<br />

davon, auch in Gaishorn im Paltental erlebten<br />

die archaisch wirkenden Instrumente ab Ende<br />

der 1960er Jahre eine Revitalisierung. Dort wurden<br />

die knorrigen, biswe<strong>il</strong>en krumm gebogenen<br />

Hörner aus Tannenholz gefertigt.<br />

In Italien auch in Opernhäusern eingesetzt,<br />

hat die Okarina in steirischen Breiten einen<br />

Fixplatz in der Volksmusikszene.<br />

33


VOLKSKULTUR<br />

Sch<strong>il</strong>f dient(e) dagegen als „Baustoff“ für den<br />

Urahnen der heutigen Mundharmonika, den<br />

„alpenländischen Fozhobel“. Viel ist von dieser<br />

speziell im Alpenraum entstandenen Panfl öte<br />

mit ihrem streng symmetrischen Aufbau – zum<br />

Unterschied zu den südamerikanischen Panfl öten,<br />

bei denen die Klangröhrchen längen- und<br />

damit tonhöhenmäßig aneinandergereiht sind –<br />

nicht mehr erhalten. Ebenfalls nur noch von alten<br />

Fotografi en aus dem Kammerhof-Museum in<br />

Bad Aussee bekannt war das „Brucker Almpfeiferl“,<br />

das in seinem zarten, behauchten Klang an<br />

eine irische Tin Whistle erinnert. Eine Handvoll<br />

Nachbauten ergänzen heute die große Fam<strong>il</strong>ie<br />

der Schwegelpfeifen, eines der ältesten Volks-<br />

34<br />

ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

ILLUSTRIERTE<br />

musikinstrumente. Schon vor der Renaissance<br />

haben Vorgänger dieser Sechs-Loch-Querfl öte<br />

im Alpenraum existiert. Später entwickelte sich<br />

daraus die heute bekannte Konzertquerfl öte. Vor<br />

allem im Ausseerland gehören die aus Ahorn-,<br />

Eiben-, Zwetschken-, Birnen- oder Dirndlbaumholz<br />

gefertigten Schwegel- oder Seit(e)lpfeifen<br />

aber noch zu jeder Brauchtumsveranstaltung.<br />

So wird seit 1925 jährlich am 15. August in der<br />

Region ein eigener „Pfeifertag“ veranstaltet, ein<br />

Volksfest mit strengen Regeln: So ist die Zeit bis<br />

zwölf Uhr mittags den Seitlpfeifern, Trommlern<br />

und Maultrommlern vorbehalten, erst danach<br />

darf dann mit allen Instrumenten durcheinander<br />

musiziert werden, vornehmlich mit Gitarren oder<br />

der Schwegelpfeifen, eines der ältesten Volks- musiziert werden, vornehmlich mit Gitarren oder<br />

Was den Schweizern ihre Alphörner, sind den <strong>St</strong>eirern ihre Wurzhörner. Bis zu dreieinhalb<br />

Meter lang können diese urigen Blasinstrumente sein, mit denen man nicht nur musizieren,<br />

sondern angeblich auch böse Geister vertreiben kann. Unterstützung kommt von wesentlich<br />

handlicheren Schwegelpfeifen, den Urahnen der Konzertquerfl öte.<br />

der im Salzkammergut „Rumpel“ genannten<br />

Ziehharmonika. Vielleicht aber auch mit einer<br />

Nasenpfeife oder man versucht sich in der ebenso<br />

elitären Kunst des Birkenblattblasens. Wobei<br />

„Blatt“ hier nicht als Laub missverstanden werden<br />

darf, sondern sich eher auf ein aus einem<br />

Rindenstück geschältes und geknicktes kleines<br />

Mundstück bezieht, mit dem man Töne und<br />

Melodien fabrizieren kann. Und wenn es nicht<br />

funktioniert? Pfeif’ drauf!<br />

www.steirisches-volksliedwerk.at<br />

Das <strong>St</strong>eirische Volksliedwerk bietet<br />

viele Instrumenten-Spielkurse an:<br />

Okarina-Bau- und -spielkurs mit simone Prein:<br />

5. - 6. März 2010, Übelbach<br />

schwegelpfeiferkurs mit simone Prein:<br />

4. September 2010, <strong>St</strong>. Benedikten<br />

alphorn-spielkurs:<br />

10. - 11. September 2010, Oppenberg<br />

feine Note:<br />

12. - 14. November 2010, Krakauebene<br />

© <strong>St</strong>eirisches Volksliedwerk, Kurt Prein


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den »Berg der Schätze«<br />

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35


TREND & TRADITION<br />

36<br />

ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE


Auf Holz<br />

klopfen<br />

61 Prozent der <strong>St</strong>eiermark sind bewaldet.<br />

Da kann es schon passieren, dass man vor lauter Bäumen<br />

die Menschen nicht mehr sieht. Immerhin bewohnen 400 Mal<br />

mehr Bäume als <strong>St</strong>eirer das „Grüne Herz“ Österreichs.<br />

Man muss sich nicht unbedingt in der <strong>St</strong>eiermark aufhalten, um auf steirischem Boden zu<br />

stehen. Paris, Helsinki, London, San Francisco oder Berlin tun es auch. In allen Metropolen<br />

findet man ein <strong>St</strong>ück Made in <strong>St</strong>yria – auch wenn es buchstäblich mit den Füßen getreten wird.<br />

Denn ob in einer Boutique direkt im „Fuß“ des Eiffelturms in Paris, der Nokia-Zentrale in Helsinki<br />

oder Luxushotels in England, USA oder Deutschland: Überall hat der oststeirische Fam<strong>il</strong>ienbetrieb<br />

Weitzer Parkett hochwertige Fußböden verlegt. Aus Holz. Insgesamt entspricht die von Weitzer<br />

pro Jahr produzierte Parkettfläche rund 400 Fußballfeldern. 400.000 Kubikmeter Holz werden<br />

dafür jährlich verarbeitet.<br />

Bemerkbar macht sich das in der forstwirtschaftlichen <strong>St</strong>atistik des Landes nur bedingt. So<br />

wächst in Österreich alle 40 Sekunden so viel Holz nach, dass daraus ein Einfam<strong>il</strong>ienhaus gebaut<br />

werden könnte. Das ergibt pro Tag Holz für 2160 Häuser – ohne dass ein einziger Baum geschlägert<br />

werden müsste. Anders ausgedrückt: Jährlich nimmt die österreichische Waldfläche um 20<br />

Quadratk<strong>il</strong>ometer zu – das entspricht 3700 Fußballfeldern.<br />

Allein in der <strong>St</strong>eiermark breitet sich der Wald über eine M<strong>il</strong>lion Hektar aus, was 61 Prozent der<br />

Landesfläche entspricht. Es ist im Vergleich mit den anderen Bundesländern der mit Abstand<br />

höchste Wert (ganz Österreich ist zu 47 Prozent bewaldet, davon sind 87 Prozent Nadelbäume),<br />

was der <strong>St</strong>eiermark den schmückenden Beinamen „Grünes Herz“ eingebracht hat. 26 verschiedene<br />

Baumarten sorgen in den heimischen Wäldern für eine Biodiversität, die allen Ansprüchen<br />

gerecht wird. Holz wird als Brennstoff verwendet, zu Papier und Pellets weiterverarbeitet und als<br />

Baumaterial für Haus und Möbel immer beliebter.<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Wolfgang Hummer<br />

37


TREND & TRADITION<br />

Aussicht(en) wie aus einem Vogelnest:<br />

Der Wipfelwanderweg eröffnet neue<br />

Perspektiven auf gewachsene und<br />

verwurzelte Wald-Idylle. Auch als<br />

Baustoff hat Holz eine lange und vielfältige<br />

steirische Tradition, ob im Weingebiet<br />

der Südsteiermark oder an den<br />

Gebirgsseen des Ausseerlandes.<br />

38 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Entsprechend bedeutend war und ist auch der<br />

Wirtschaftsfaktor Holz für den <strong>St</strong>andort. Über<br />

die historische Dimension kann man sich im<br />

Österreichischen Forstmuseum S<strong>il</strong>vanum im<br />

obersteirischen W<strong>il</strong>dalpen einen Überblick verschaffen.<br />

Anschaulich wird dort unter anderem<br />

Holzgewinnung, -transport und -verarbeitung<br />

als wichtiger Faktor bei der Eisen-Produktion am<br />

Erzberg dargestellt. Heute bietet allein die steirische<br />

Holz- und Forstwirtschaft mehr als 50.000<br />

Personen einen Arbeitsplatz. Die 5600 Betriebe<br />

dieser Branche erwirtschaften einen Bruttoproduktionswert<br />

von vier M<strong>il</strong>liarden Euro. Neben<br />

den großen Industrieunternehmen sind es auch<br />

kleine, feine Manufakturen, die mit hochqualitativen<br />

Produkten Nischen besetzen.<br />

So zimmert Erwin E<strong>il</strong>etz in Knittelfeld aus steirischem<br />

Eichenholz Weinfässer und beliefert<br />

damit österreichweit Winzer. Sie können Fässer<br />

nach Maß bestellen und die Holzbearbeitung exakt<br />

auf die Bedürfnisse und Anforderungen des<br />

jewe<strong>il</strong>igen Weins abstimmen. Es reicht nämlich<br />

nicht, ein paar gebogene Bretter aneinanderzuleimen.<br />

Die handwerkliche Leistung von Erwin<br />

E<strong>il</strong>etz, einem der letzten hauptberuflichen Fassbinder<br />

der <strong>St</strong>eiermark, beginnt bei der Auswahl<br />

des Holzes. Ist es gefunden, muss es erst einmal<br />

rasten. Nach ausreichend langer Lagerung werden<br />

die <strong>St</strong>ämme gespalten, zugeschnitten und<br />

gehobelt, danach die „Dauben“ über offenem<br />

Feuer erhitzt, gebogen und schließlich „getoastet“.<br />

Das klingt nicht nur nach Frühstückstisch,<br />

es folgt auch dem gleichen Prinzip: Je länger das<br />

Holz erhitzt wird, desto intensiver wird die Geschmacksrichtung.<br />

Die Winzer können entsprechend<br />

den Ansprüchen ihrer Trauben zwischen<br />

leicht, mittel und stark getoasteten wählen.<br />

Und während später unten im Keller der Wein<br />

im edlen Barrique-Fass von E<strong>il</strong>etz reift, klappert<br />

oben zwischen den frischen Rebstöcken ein Klapotetz,<br />

jenes typisch südsteirische Weingarten-<br />

Möbel, das Fremden als Kreuzung aus Windrad<br />

und Vogelscheuche recht treffend beschrieben<br />

wird. Tatsächlich besteht der eigentliche Sinn<br />

des Geräts darin, Vögel durch das Klappern des<br />

windbetriebenen kleinen Hammerwerks aus<br />

Holzklöppeln aus den Weingärten zu vertreiben.<br />

Als „Klopótec“ (slowen.: klopotati = klappern)<br />

ist er eigentlich ein Importgut aus Slowenien,<br />

wird aber mittlerwe<strong>il</strong>e als steirische Spezialität<br />

auch hier produziert. Beispielsweise von Erich<br />

S<strong>il</strong>berschneider in Arnfels. Seit 30 Jahren sägt,<br />

bohrt, hämmert und fe<strong>il</strong>t er in der kleinen, mit<br />

Spezialwerkzeug vollgeräumten Kellerwerkstatt<br />

an seinen Meisterwerken.<br />

Verarbeitet wird dabei ausschließlich heimisches<br />

Holz. Bis zu sechs verschiedene Arten sind es,<br />

die für die Baute<strong>il</strong>e eines Klapotetz benötigt<br />

werden: Während die Flügel des Windrads, im<br />

Volksmund „Federn“, aus Fichte sind, wird für<br />

den Block Eschenholz verwendet. Die Kurbelwelle<br />

des Hammerwerks, die „Grindel“, besteht aus<br />

Akazienholz, das Schlagbrett aus Vogelkirsche<br />

oder Ahorn, dessen Halterung aus Birn- oder<br />

Apfelbaumholz. Der sogenannte „Besen“, also<br />

die <strong>St</strong>ange, die zusammen mit den daran befestigten<br />

belaubten Ästen als <strong>St</strong>euerung dient, wird<br />

wiederum aus Birkenholz gefertigt. Für einen<br />

mittelgroßen (Spannweite: 80 Zentimeter) benötigt<br />

S<strong>il</strong>berschneider rund einen Tag. Der größte<br />

von ihm gebaute Klapotetz hatte eine Spannweite<br />

von mächtigen sieben Metern, der kleinste<br />

schmächtige 25 Zentimeter.<br />

© <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Harry Schiffer, Hans Wiesenhofer, Gery Wolf, Popp-Hackner; TV Rachau; Weingut Tement; shutterstock / Freerk Brouwer, Sebastian Knight


Noch eine Spur bitzliger geht es in der Werkstatt<br />

von Herbert Rust in Thörl am Fuße des<br />

Hochschwabmassivs zu. Rust hat sich vor acht<br />

Jahren dem Bau von Hackbrettern verschrieben.<br />

Seine Kunden können neben <strong>St</strong>immlage<br />

und Klang auch verschiedene Designs dieser<br />

vor allem in der Volksmusik eingesetzten Instrumente<br />

auswählen. Ebenfalls Musikgeräten<br />

aus Holz widmen sich Alois Weißnar, Edmund<br />

Resch und Rupert Hofer. Im Schatten der Grazer<br />

Kunstuniversität fertigen sie in ihren Werkstätten<br />

Geigen und andere Saiteninstrumente aus<br />

feinen Hölzern. Um die elegant geschwungenen<br />

Rundungen entstehen zu lassen, wird das Holz<br />

angefeuchtet, erhitzt und noch feucht gebogen<br />

(zum Unterschied zu Decke und Boden des Instruments,<br />

deren Wölbungen herausgeschnitzt<br />

werden). Ist der Korpus fertig, wird er lackiert,<br />

der Hals, auf dem später die Saiten liegen, angeleimt<br />

und die Löcher für die „<strong>St</strong>ellschrauben“<br />

der Saiten (Wirbel) in die Schnecke gebohrt. Fehlen<br />

noch der <strong>St</strong>eg, über den die Saiten gespannt<br />

werden, und der <strong>St</strong>immstock im Inneren des Korpus,<br />

der für die notwendige <strong>St</strong>ab<strong>il</strong>isierung und<br />

Klangübertragung sorgt. Durchschnittlich 150<br />

<strong>St</strong>unden dauert die akribische Arbeit an einem<br />

Instrument vom <strong>St</strong>art bis zum ersten Ton.<br />

Etwas mehr Zeit hat der Bau des Wipfelwanderwegs<br />

in Rachau im obersteirischen Murtal in<br />

Anspruch genommen. Binnen eines Jahres entstand<br />

mitten in einem typisch steirischen Nadelwald<br />

auf 850 Meter Seehöhe Europas höchstgelegener<br />

derartiger Lehrpfad. Als ein Fünftel<br />

des insgesamt 2,7 K<strong>il</strong>ometer langen Rundwegs<br />

wurde dabei zwanzig Meter über dem Waldboden<br />

und „in Augenhöhe“ mit den Wipfeln eine<br />

Lärchenholzkonstruktion in die Baumkronen<br />

gezimmert. 1300 <strong>St</strong>ufen führen über <strong>St</strong>ege, auf<br />

Türme und über Plattformen mit Aussicht auf die<br />

umliegenden Hügel, Berge und Wiesen zu einer<br />

abschließenden 32 Meter langen Rutsche. Angeschlossen<br />

ist ein Tiererlebnisweg.<br />

Auf Animalisches setzt man auch auf der anderen<br />

Seite der Niederen Tauern. Am Gipfelplateau<br />

der Riesneralm bei Donnersbach tummeln sich<br />

auf 1800 Meter Seehöhe sieben überdimensionale<br />

Tier-Holzfiguren. Bis zu vier Meter groß sind<br />

Fuchs, Dachs oder Auerhahn, deren Innenleben<br />

auch als kindergerechte Kletterkulisse dient.<br />

Die 1300 steirischen Tischler verarbeiten das<br />

heimische Holz aber auch für Baukonstruktionen<br />

und zweckdienliches Wohninterieur. Spektakuläre<br />

architektonische Überspannungstechniken,<br />

modernes Möbeldesign und kreative Produktin-<br />

novationen mischen sich mit exquisitem Traditionshandwerk.<br />

Wobei die Grenzen des Hochleistungsbaustoffs<br />

Holz noch lange nicht erreicht<br />

sind, wie der Obmann von proHolz <strong>St</strong>eiermark,<br />

Heinz Gach, betont. An Universitäten und in<br />

Forschungslabors der Unternehmen werden die<br />

Grenzen in den Bereichen Akustik, Tragfähigkeit<br />

oder Energieeffizienz permanent ausgedehnt.<br />

Mit einem wesentlichen ökologischen und ökonomischen<br />

Vorte<strong>il</strong>: Der Rohstoff wächst in rauen<br />

Mengen nach. So breitet sich der Wald allein in<br />

der <strong>St</strong>eiermark pro Jahr um eintausend Hektar<br />

aus. Schon jetzt entfallen auf jeden <strong>St</strong>eirer 0,5<br />

Hektar Wald oder hochgerechnet 421 Bäume.<br />

Die Kombination von Mensch und Holz hat das<br />

Potenzial für eine Weltkarriere, wie die „steirische<br />

Eiche“ Arnold Schwarzenegger beweist.<br />

39


TREND & TRADITION<br />

Von Hartberg<br />

bis Hollywood<br />

Man kann darin wohnen, es sich auf die Nase setzen, damit auf dem Meer herumfahren<br />

oder es in den Kasten hängen: <strong>St</strong>eirisches Design tritt vielseitig in Erscheinung. Verbindend<br />

sind eine klare Formensprache mit hoher Funktionalität, ein ausgeprägter Wiedererkennungswert<br />

– und der Erfolg, der an den Grenzen der <strong>St</strong>eiermark nicht halt macht.<br />

40 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE<br />

Der Tradition verschrieben hat sich die Grazer Modedesignerin<br />

Julia Jeschek. Wobei das Alte aus seinen Wurzeln herausgelöst<br />

und zur Basis für eine witzig-freche, cool-sexy Neuinterpretation<br />

wird. Alte Schnittmuster werden aufgespürt, in Vergessenheit geratene<br />

Verarbeitungstechniken kommen zum Einsatz, edle Materialien<br />

werden – ausschließlich in steirischen Werkstätten – zu trendigen<br />

Kreationen verarbeitet. „Inspiriert von der Ausdruckskraft der Tracht,<br />

lasse ich mich auf ein Spiel mit der österreichischen Tradition ein“, erklärt<br />

Jeschek ihren Zugang. „<strong>St</strong>ark, pur, geradeaus“, so beschreiben<br />

auch S<strong>il</strong>via Riediger und Elke <strong>St</strong>effen-Kühnl ihre <strong>St</strong><strong>il</strong>richtung. Unter<br />

dem Namen „ardea luh“ sorgen sie seit 2007 für aufsehenerregende<br />

Kleiderkreationen, die individuelle Geschichten erzählen, in denen<br />

die Trägerinnen stets die Hauptrolle spielen. Dafür sorgt nicht zuletzt<br />

die gelernte Bühnenb<strong>il</strong>dnerin <strong>St</strong>effen-Kühnl. www.juliajeschek.<br />

at, www.ardea-luh.at<br />

Als Auftritts- und Repräsentationskulisse bietet sich ebenfalls<br />

Design aus der <strong>St</strong>eiermark an. In der <strong>St</strong>eiermark muss<br />

es nicht zwingend sein. So hat beispielsweise der Fam<strong>il</strong>ienbetrieb<br />

Kamper aus Hart bei Graz abseits der Heimat schon<br />

auf der ganzen Welt mit exquisiter Innenraumgestaltung seine<br />

Spuren hinterlassen. In der Shoppingmall des Plaza-Hotels in<br />

New York, bei Harrods in London, in Hotels in Brüssel, im Disneyland<br />

bei Paris, in vielsternigen Adressen in Wien oder Berlin<br />

– bis hin zu Casinos, Krankenhäusern oder privaten Residenzen<br />

reicht die Palette. Das kreative Unternehmen ist längst<br />

dem engen Korsett einer einfachen Tischlerei entwachsen und<br />

hat sich zu einem Komplettanbieter vernetzter Baugewerbe-<br />

Dienstleistungen entwickelt. www.kamper.at<br />

© juliajeschek.at, www.kamper.at, www.andywolf-eyewear.com, www.motioncodeblue.com, www.markmack.at


Zumindest Wahl- und Urheimat sind dieselben. Beide stammen aus der <strong>St</strong>eiermark,<br />

beide leben in Kalifornien. Beide haben es, wie man so schön sagt,<br />

„geschafft“. Nur die Erfolgskonzepte folgen gegensätzlichen Mustern. Während<br />

Arnold Schwarzenegger in seinen Actionfi lmen meist kleinere Landstriche<br />

und größere <strong>St</strong>ädte in Schutt und Asche legte, ist Mark Mack den umgekehrten<br />

Weg gegangen. Er baut Häuser. Der gebürtige Judenburger wanderte nach<br />

seinem <strong>St</strong>udienabschluss in Graz in den 1970ern Richtung Übersee aus. Mit<br />

seiner „Easy living“-Architektur, die alltagstaugliche Funktionalität abseits<br />

vorgestrickter Normen und plumpen Luxus-zur-Schau-<strong>St</strong>ellens formschön in<br />

Szene setzt, schaffte er es schon in den 1980er Jahren, sich als <strong>St</strong>ar-Architekt<br />

zu etablieren. In doppeltem Wortsinn: Denn Mack g<strong>il</strong>t nicht nur selbst als glänzender<br />

<strong>St</strong>ern seiner Zunft, sondern hat auch schon den Wohnraum vieler anderer<br />

<strong>St</strong>ars entworfen. Weltweit. Beispiele fi nden sich unter anderem in den USA,<br />

Korea, Japan, Italien und der Schweiz. Heute unterrichtet Mack an der University<br />

of Los Angeles, nicht weit von Hollywood. www.markmack.com<br />

In Los Angeles kann man mit<br />

Glück auf einen anderen<br />

steirischen Design-Export stoßen. Zugegeben,<br />

es müsste eine XL-Portion Glück<br />

sein, F<strong>il</strong>mstars wie Hugh Grant oder Danny De-<br />

Vito über den Weg zu laufen. Aber wenn, könnte<br />

es sein, dass sie eine Br<strong>il</strong>le des Design-Labels<br />

„Andy Wolf“ auf ihrer Nase spazieren führen.<br />

Jedenfalls würde man sie sofort erkennen – die<br />

Br<strong>il</strong>len. Denn seit der ersten Kollektion 2006 setzt<br />

das nach den Vornamen seiner Gründer Andreas<br />

Pirkheim und Wolfgang Scheucher benannte Label<br />

auf eine unübersehbare Formensprache aus<br />

großzügig überdimensionierten und relativ dickrandigen,<br />

retrokultigen Rahmengestellen. „Andy<br />

Wolf“-Br<strong>il</strong>len verstehen sich nämlich nicht nur<br />

als Sehbehelf, sondern als modisches Accessoire.<br />

Das überzeugt mittlerwe<strong>il</strong>e Optiker in 38<br />

Ländern, die abseits großer Modemarken und<br />

Massenware von Diskontanbietern die in aufwendiger<br />

Handarbeit gefertigten Br<strong>il</strong>len made in<br />

<strong>St</strong>yria im Programm haben. Auch auf Modemessen<br />

zwischen New York, Hongkong, Ma<strong>il</strong>and,<br />

London, Paris und Tokio ist man <strong>St</strong>ammgast.<br />

www.andywolf-eyewear.com<br />

Taiwan ist Zielhafen von zwei jungen Bootsdesignern aus Graz, die unter dem Namen „motion<br />

code: blue“ in der Jachtszene für hohe Wellen sorgen. Die Geschichte von Christopher<br />

Gloning und Christian Gumpold, beide Absolventen des Grazer Fachhochschulstudiengangs „Industrial<br />

Design“, hat durchaus etwas Märchenhaftes. Denn Ausgangspunkt ist eine im Internet<br />

veröffentlichte Diplomarbeit, die schließlich einen taiwanesischen Investor an Bord bringt. Die in<br />

seinem Auftrag entworfene Modellreihe „Sentori“ besticht durch eine aufgeräumte und dadurch<br />

edel wirkende Linienführung für ein junges, fi nanziell potentes Publikum. Für die Außenhautgestaltung<br />

ihrer Motorjachten nehmen die beiden Jungdesigner Anleihen in der Autoindustrie, im<br />

multifunktionalen Innenraum erinnern große Fensterpartien eher an ein luftiges, transparentes<br />

Loft. www.motioncodeblue.com<br />

41


STEIERMARK – MUSS SEHEN: 8 UNGEWÖHNLICHE MUSEEN<br />

Es ist <strong>St</strong>eiermarks höchstgelegenes<br />

Museum: Auf 1638 Metern klebt<br />

das alpinmuseum in der Südwand<br />

des Dachsteins. In der Austriahütte<br />

des Alpenvereins werden neben der<br />

erdgeschichtlichen Entstehungsgeschichte<br />

von <strong>St</strong>eiermarks höchstem<br />

Gipfelmassiv auch die Tier- und<br />

Pfl anzenwelt des Dachsteingebiets<br />

sowie die <strong>St</strong>ationen der technischen<br />

und bergsteigerischen Erschließung<br />

des Bergs vom Beginn des Alpinismus<br />

bis in die Gegenwart präsentiert.<br />

Dazu gibt es eine noch bis<br />

2012 laufende Sonderschau über<br />

die Almwirtschaft am Dachstein.<br />

www.schladming-dachstein.at,<br />

www.ramsau.com,<br />

www.gesaeuse.at<br />

18.500 <strong>St</strong>eirer tun es: Sie sind Mitglied in einer<br />

der knapp 400 Blasmusikkapellen des Landes. Ihnen<br />

und ihrer Musik ist im obersteirischen Oberwölz<br />

das Österreichische Blasmusikmuseum<br />

gewidmet. Gezeigt werden bis zu 150 Jahre alte<br />

Exponate der für diese Orchester klanggebenden<br />

Holz- und Blechblasinstrumente<br />

und Schlagzeug-Gruppen.<br />

Dazu<br />

kommen noch Uniformen<br />

und Trachten aus ganz<br />

Österreich von M<strong>il</strong>itär-<br />

bis zu Jugendmusikkapellen<br />

beziehungsweise<br />

Hörproben alter Grammophon-Aufnahmen.<br />

www.murtal.at<br />

42<br />

STEIERMARK KARTE<br />

Für jeden Tag im Jahr eine andere Nähmaschine. Das ginge sich<br />

bei Erich Seiringer aus. 365 Geräte aus der ganzen Welt umfasst<br />

die Nähmaschinensammlung des passionierten Sammlers<br />

aus tauplitz. Seit 40 Jahren geht er seiner Leidenschaft nach.<br />

Dicht an dicht stehen die verschiedensten Bauarten und Antriebssysteme<br />

(Hand, Fuß, Elektromotor) auf einhundert Quadratmetern<br />

– begleitet von ein paar Hundert Tonkrügen. Die<br />

sammelt Seiringer auch. www.ausseerland.at<br />

Die Hanns Schell Collection in graz ist das weltweit größte Spezialmuseum für Schlüssel,<br />

Schlösser, Truhen, Tresore, Kassetten und Eisenkunstguss. Auf 2500 Quadratmetern Ausstellungsfl<br />

äche werden im schlüsselmuseum insgesamt 13.000 verschiedene Exponate von<br />

der Römerzeit bis ins 21. Jahrhundert präsentiert. Neben unterschiedlichen Schloss-Systemen<br />

aus den verschiedenen Epochen der europäischen Geschichte sind auch Beschläge aus Asien<br />

(Mitbringsel von Schells Bergtouren) und Afrika zu sehen. www.graztourismus.at<br />

© www.walterhaas.at, Austria Hütte,<br />

Österreichischen Blasmusikmuseum, Erich Seiringer


© <strong>St</strong>eiermark Tourismus, Hanns Schell Collection,<br />

Gery Wolf, www.hummelnest.at<br />

Mehr als 70 Jahre lang wurden in der von Peter Rosegger initiierten Waldschule in alpl Schüler aus der unmittelbaren<br />

Heimatregion des bekannten Dichters ausgeb<strong>il</strong>det. Seit Mitte der 1970er Jahre ist das schmucke Holzhaus<br />

ein Museum. Oder besser zwei – denn neben den ehemaligen Schulräumen, die weitgehend im Originalzustand<br />

erhalten sind, ist hier seit knapp über 30 Jahren auch das Österreichische Wandermuseum untergebracht.<br />

Dokumentiert sind Bekleidung- und Ausrüstungsgegenstände, die geschichtliche Entwicklung der Wanderbewegung<br />

und des Wallfahrtswesen bis hin zum Ausbau der Weitwanderwege. www.hochsteiermark.at<br />

Zwischen Honigtöpfen,Lehmsäulen,<br />

Brutzellen und<br />

riesigen Pollenbehältern<br />

kann man<br />

in Unterfeistritz<br />

mitten im oststeirischen Apfelland Hummeln auf<br />

die Spur kommen. Österreichs erstes Hummelmuseum<br />

bietet zwischen Apr<strong>il</strong> und Oktober Einblicke<br />

in das weitgehend unbekannte Leben der nektarsammelnden<br />

Insekten – in einer Kulisse, die einem<br />

Hummelnest nachempfunden ist.<br />

www.oststeiermark.com<br />

Er wäre heuer 100 Jahre alt geworden: Franz<br />

Gsellmann. Dass der Landwirt über die Dorfgrenzen<br />

von edelsbach bei Feldbach hinaus<br />

bekannt wurde, verdankt er seinem Lebenswerk<br />

– der „Weltmaschine“. Inspiriert durch<br />

einen Besuch des Atomiums in Brüssel, beginnt<br />

er in einem Nebengebäude seines Hofs mit<br />

dem Bau einer Fantasiemaschine aus Zahnrädern,<br />

Rohren, <strong>St</strong>angen, Draht, ausrangierten<br />

Küchenmaschinen, He<strong>il</strong>igenfi guren, Lampen<br />

und Uhren. In der Tradition der kinetischen<br />

Kunst eines Jean Tinguely entsteht über mehr<br />

als 20 Jahre ein skurr<strong>il</strong>es Ungetüm. <strong>St</strong>andardantwort<br />

Gsellmanns auf die Frage nach<br />

dem Zweck: „Für irgendetwas wird’s schon gut<br />

sein.“ www.thermenland.at<br />

Das menschliche Bedürfnis ist überall und immer schon dasselbe. Der Ort der Erleichterung<br />

hat sich aber mit geografi schen Unterschieden seit rund 150 Jahren (weiter-)entwickelt.<br />

Im sanitärmuseum in leibnitz werden anhand von Originalen die Entwicklungsschritte<br />

menschlicher Hygiene nachgezeichnet. Historische WC-Anlagen aus ganz Europa<br />

sind in dieser Privatsammlung eines örtlichen Installationsunternehmens ausgestellt,<br />

dazu auch Badewannen, Waschbecken und Armaturen. www.sws.st<br />

43


DIE Informations-Adresse<br />

für den <strong>St</strong>eiermark-Urlaub:<br />

www.steiermark.com<br />

DIE <strong>St</strong>eiermark-Buchungsstelle<br />

für den <strong>St</strong>eiermark-Urlaub:<br />

www.steiermark-touristik.com<br />

Gratis zu bestellen: Sommerjournal mit aktuellen Angeboten, Folder rund<br />

ums Wandern, Radfahren, Wohlfühlen, Fam<strong>il</strong>ienurlauben, Kulinarium <strong>St</strong>eiermark<br />

und die Ausfl ugsziele. www.steiermark.com/prospektbestellung<br />

STEIERMARK TOURISMUS<br />

A-8042 Graz, <strong>St</strong>. Peter-Hauptstraße 243<br />

Tel.: +43 (0) 316/4003-0, Fax: +43 (0) 316/4003-10, info@steiermark.com<br />

www.steiermark.com<br />

Herausgeber: <strong>St</strong>eiermark Tourismus. Projektleitung: Ute Hödl. Fotos: © B<strong>il</strong>darchiv <strong>St</strong>eiermark Tourismus<br />

(Fotografen: Eisenschink, Leo Himsl, Wolfgang Hummer, ikarus.cc, Reinhard Lamm, Lanxx, Markus Leodolter, photo-austria.at, Pixelmaker, Popp-Hackner,<br />

Harry Schiffer, Symbol, Hans Wiesenhofer, Gery Wolf, www.bigshot.at) sowie B<strong>il</strong>der von Partnern und B<strong>il</strong>dagenturen. Cover/Rückseite: © <strong>St</strong>eiermark Tourismus / Lanxx.<br />

Konzeption & Gestaltung: Raunigg und Partner, Werbeagentur. Text: Klaus Herzler. Druckerei: Klampfer, <strong>St</strong>. Ruprecht an der Raab. <strong>St</strong>and: Februar 2010.

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