Das strunk-PrinziP - Heinz Strunk
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<strong>Das</strong> <strong>strunk</strong>-<strong>PrinziP</strong><br />
w<br />
Wohnen – Lifedesign paradox 1119<br />
<strong>Heinz</strong> <strong>Strunk</strong>, der immer quirlige Unruheherd,<br />
dessen schärfste Waffen beißender Spott und<br />
bleierne Ironie sind, nimmt sich der Themen<br />
an, die üblicherweise totgeschwiegen<br />
werden. Doch wo andere auf herkömmliche<br />
Methoden wie Abrißbirne, Holzhammer<br />
und Sprinkleranlage setzen,<br />
da vertraut der hanseatische<br />
Querdenker mit seinem Satirekeyboard<br />
auf die leisen Töne:<br />
das STRUNK-PRINZIP.<br />
Und siehe da: Aus Noten<br />
wachsen Hälse.<br />
Lassen Sie mich diesen Aufsatz mit einer<br />
kleinen Anekdote beginnen. Ich befand<br />
mich vor einiger Zeit auf Wohnungssuche,<br />
als der Makler mich fragte, ob ich<br />
auf sog. Adreßlage Wert legte. Ich, selbstbewußt:<br />
»Da, wo ich wohne, ist automatisch Adreßlage!«<br />
Die Wohnung – Pickergrube, Siechpfanne, Laufstall,<br />
damals wie heute ein Russisch Roulette aus<br />
menschlichen Schicksalen, Bier und Musik. Doch<br />
gibt es auch nur einen einzigen Aufsatz, einen<br />
kurzen Essay, eine kleine Abhandlung zu diesem<br />
großen Thema? Antwort: NEIN. Da muß also mal<br />
wieder das STRUNK-PRINZIP ran. Unternehmen<br />
wir zunächst einen kurzen Exkurs in die Wohnungstheorie:<br />
Unter einer Wohnung versteht man<br />
den streng gescheitelten Übergang vom Kollektiven<br />
zum Privaten. Punkt. Hier werden die Akkus<br />
aufgeladen, hier ist verstecktes Essen erlaubt. Für<br />
den einen Schließanlage, Pupsloch, Zwergenkammer,<br />
für den anderen Endlager, schneller Brüter<br />
und Wiederaufbereitungsanlage. Wohnung ist<br />
stets undundundoderoderoder, z.B. Landschaft<br />
– Schranklandschaft, Sitzlandschaft, Wohnlandschaft<br />
–, vor allen Dingen aber Vielfalt: Kinderzimmer,<br />
Boden, Hobbykeller, Ablage, offene, halboffene,<br />
geschlossene Küchen, Ankleide raum und<br />
die Räume im Raum – Duschklo, Komfortecken<br />
und begehbare Truhen. Cura posterior – eine<br />
Angelegenheit, mit der man sich erst später zu<br />
beschäftigen hat!<br />
Eine Wohnung sollte bei geöffneten Fenstern<br />
Freude, Liebe, Herzlichkeit in die Welt hinaus-<br />
tragen: gebrochenes Kinderlachen; Großvater,<br />
der im Garten mit seinem Gebiß nach Würmern<br />
gräbt; Mutti, die die Fischstäbchen gewohnheitsmäßig<br />
immer noch mal nachpaniert; und<br />
der Vater, der das Geld in Scheinen mit nach<br />
Hause bringt. <strong>Das</strong> STRUNK-PRINZIP nähert sich<br />
diesem Reizthema wie immer ruhig, sachlich<br />
und vor allem faktenbasiert. Step by step – Schritt<br />
für Schritt:<br />
1) Der Flur: Entrée in die privateste aller Welten,<br />
heimliche Visitenkarte, hier beginnt das Sondereigentum,<br />
wo neben der Garderobe auch der<br />
Verstand abgelegt wird.<br />
2) Themenpark Wohnzimmer, das Zimmer,<br />
in dem man keinen Maulkorb<br />
verpaßt bekommt, nüchtern, sachlich,<br />
streng, fast unterkühlt, hier<br />
steht der Weihnachtsbaum noch in<br />
der Mitte, hier wird auch wochentags<br />
gesaugt.<br />
3) Die Küche, geplant, gekachelt,<br />
genormt, die Einrichtung<br />
zweckmäßig, der Boden pflegeleicht.<br />
Die Einbauzeile erinnert<br />
an sofortige Zubereitung<br />
von modischem Slowfood. Die<br />
Küche (Kitchen) – ein Ort hysterischer<br />
Saufgelage, aber auch<br />
bitterer Niederlagen.<br />
4) Der Keller. Zimmer im OFF,<br />
Raum ohne Augen, spirituelles<br />
Zentrum, hier verbinden sich Subtext<br />
und Metaebene zu einem dialektischen<br />
Konglomerat, Hobelbank<br />
und Weckgläser bilden einen erotischen<br />
Schulterschluß. Doch welche dunklen<br />
Geheim nisse verbergen sich hinter dem<br />
Doppelzentner eingelagerter, fauliger Frühkartoffeln?<br />
Und was ist mit dem halbtoten Kater,<br />
der sich von defekten Gummidichtungen ernährt?<br />
<strong>Das</strong> STRUNK-PRINZIP deckt auf: Die Wohnung<br />
kann auch Ort großer Tragödien sein! Arbeitslose<br />
Plattenbautler, die sich mit tränenleeren Augen<br />
hinter zugezogenen Gardinen abmelken, vor<br />
Hunger und Durst halb wahnsinnige Ostrentner,<br />
endlich Klartext!<br />
56 07/12
07/12<br />
die im Delirium ihre eigenen Duschvorhänge<br />
essen (wer spricht schon gern über Alte, die auf<br />
der Suche nach einem Schluck Wasser mit dem<br />
Dosenöffner den Küchenboden aufgraben), Eheleute,<br />
die sich gegenseitig mit abgelaufenen<br />
Salben, Milbenkot und Kalkreinigern foltern. The<br />
Dark Side of Living, das sind Kokeleien, Wundpflaster,<br />
Snuffvideos, das sind Pferdeposter im<br />
Abstellraum, ausgelaufene Waschmaschinen, verfaultes<br />
Essen, der allgemeine Trend zur Versachlichung.<br />
Ne discere cessa – höre nicht auf zu lernen!<br />
Was wäre eine Wohnung ohne Einrichtung?<br />
Genau: nicht der Rede wert. Doch sind wir mit<br />
dieser Feststellung noch keinen Millimeter<br />
weitergekommen. <strong>Das</strong> STRUNK-PRINZIP praxisnah:<br />
Wer sich Möbel der Preiskategorie A nicht<br />
leisten kann, muß eben mit welchen der Preiskategorie<br />
B oder C vorliebnehmen. Reizthema<br />
Reinigung. Wichtig: Sie sollte strengen, aber nicht<br />
starren Regeln unterworfen sein. Altmodische<br />
Akkordschrubberei ist »out«, der Wischmob<br />
jedoch schon wieder »in«. Warum? Weil er ein<br />
moderner Klassiker ist, ein sympathischer Evergreen,<br />
ein frecher Lausbub! Der Hausputz sollte<br />
nüchtern kalkuliert auch tote Räume mit einbeziehen<br />
– Schmutzecken, Staubgerinnsel,<br />
Drecksatolle. Und damit kommen wir<br />
auch schon zum Tabuthema Nr. 1, der<br />
Vermüllung, auch Wohninfarkt genannt.<br />
Offen herumliegende Bleistifte,<br />
Eierreste oder halbvolle Trinkgläser<br />
zeugen von diesen Tragödien.<br />
Periculum in mora – Gefahr<br />
liegt im Verzug!<br />
Kommen wir jetzt (endlich!) zum<br />
Garten. Er steht nicht für sich,<br />
sondern ist integraler Bestandteil<br />
der Wohnung, sollte also<br />
auch als solcher verhandelt werden:<br />
ein pulsierender Organismus<br />
in Echtzeit, der Erholung, Entspannung,<br />
Transzendenz verspricht.<br />
Analysieren wir die sinnliche Architektur<br />
dieses Wunderwerkes: <strong>Das</strong> Herz<br />
des Gartens ist der Geräteschuppen. Er<br />
pumpt unermüdlich Harken, Scheren,<br />
Spaten, Jätkolben und Kantentrimmer bis in<br />
die entlegensten Winkel der Laube und bringt<br />
den Kreislauf des Lebens erst so richtig in Wallung.<br />
Seele des Gartens ist die Kompostkuhle. Gras,<br />
Zweige, Laub, Fladen und Rinde erzählen<br />
Geschichten aus Tausendundeiner Nacht! Haut<br />
des Gartens ist der Rasen, und die Haut muß was?<br />
Atmen! Deckt man den Rasen mit Planen, Pferdedecken<br />
und Luftmatratzen ab, geht der Garten<br />
ein. Weiter: Die Hecke ist das Gebiß des Gartens.<br />
Wagt sich ein Eindringling zu nahe heran,<br />
schnappt die Hecke nach ihm und fügt ihm<br />
schlecht heilende Wunden zu. Sträucher und<br />
Bäume: Arterien und Gefäße. Wie ein Säuglingskörper<br />
bedarf auch der Garten unablässiger<br />
Pflege; fällt auch nur ein Teil aus, wird der Garten<br />
krank und geht an Gartenfäule ein, vergleichbar<br />
der Basedowschen Krankheit. Er beginnt zu<br />
nässen, Beetjucken, Baumschorf, Eiterhecke, und im<br />
Endstadium wird der Garten zum Feld. Frage: Was<br />
ist eigentlich mit dem Gärtner, dem vermeintlich<br />
harmlosen Ausputzer? In Wahrheit haßt dieser<br />
hinterhältige Patron Bäume, Pflanzen, Sträucher<br />
und Johannisbeeren. Mit blut unterlaufenen<br />
Augen und meckernder Ziegenlache bringt er<br />
zweitausend Jahre alten Eichen mit der Durchforstungsschere<br />
nur aus Jux und Tollerei schwere<br />
Wunden bei. Ein teuflischer Gnom, der im Bierrausch<br />
Landserlieder grölt, mit stechendem Urin<br />
zarte Rosenknospen wegätzt oder mit hartem<br />
Trinkerstuhl Jungpflanzen kolonien dichtkotet.<br />
Der Gärtner – ein maro dierender Jätteufel, der am<br />
Ende seines Vernichtungsfeldzuges immer<br />
kleinere Kreise zieht und schließlich implodiert.<br />
Eine ebenso verkommene Gestalt ist der Laubenpieper,<br />
für den der Garten nur ein gigantischer<br />
Selbstbedienungsladen darstellt, den er bis zur<br />
vollkommenen Besinnungslosigkeit ausquetscht<br />
wie Selfmade-Imker alte Bienen. Deshalb, wie der<br />
Engländer sagt, »Take care of the garden«, denn der<br />
Garten ist Wahrheit, Wachstum, Wandel, und eben<br />
Teil der Wohnung! Tempus edax rerum – die Zeit<br />
nagt an den Dingen!<br />
<strong>Das</strong> STRUNK-PRINZIP psychologisch. Mit der<br />
gewissenhaften Beantwortung der folgenden<br />
Psychotests können Sie Ihr Wohnprofil herausfinden!<br />
Psychotest 1: Sie betreten die Wohnung eines<br />
Fremden. Haben Sie spontan Lust, sich hinzusetzen?<br />
Psychotest 2: Sie möchten umziehen. Spielt<br />
die Größe der neuen Wohnung eine Rolle?<br />
Psychotest 3: Sie sind gerade umgezogen.<br />
Haben Sie spontan Lust, jemanden einzuladen?<br />
Sie haben nur dann etwas von diesen Tests,<br />
wenn Sie sich selbst gegenüber absolut ehrlich<br />
sind! Wir konnten die Themenspindel Wohnen<br />
hier natürlich nur abrißartig abhandeln. Was ist<br />
z.B. mit dem Untermieter, welche Rolle spielt die<br />
Klingel, das ewige Mysterium Hausordnung,<br />
welche Räume werden zukünftig aufgewertet,<br />
welche verlieren an Bedeutung? Fragen über<br />
Fragen, die möglicherweise erst in vielen Jahren<br />
beantwortet werden können. Bleiben wir deshalb<br />
kleinlaut und bescheiden uns mit einer<br />
elementaren Erkenntnis: die Wohnung – Raum<br />
des Menschen.<br />
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