SKIP - Das Kinomagazin Februar 2012
SKIP - Das Kinomagazin Februar 2012 - SKIP 2.0: Hier findest du SKIP - Das Kinomagazin zum online Durchblättern. Deine Lieblingskinozeitschrift als Print-Magazin gibts natürlich auch - ab sofort gratis in deinem Kino, bei Thalia und in den Bank Austria-Fi
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FOTOS: ANDREA MÜHLWISCH (2), FILMLADEN<br />
„Einmal nach dem Dreh bin ich in meinem<br />
Trailer gesessenund habe tatsächlich<br />
gedacht: Jetzt verliere ich den Verstand.“<br />
<strong>SKIP</strong>: In Shame spielen Sie einen Sexsüchtigen.<br />
Wie bereitet man sich auf so eine Rolle vor?<br />
MICHAEL FASSBENDER: <strong>Das</strong> ist die mit Abstand interessanteste<br />
Frage, nicht wahr (lacht)? Aber ich muss Sie enttäuschen,<br />
ich hab mich mit dem Thema vor allem theoretisch beschäftigt.<br />
Wie für die meisten von uns war Sexsucht für mich ja ein<br />
sehr vager Begriff, man kennt das vor allem von Celebrity-<br />
Geschichten und sieht es wohl am ehesten als Ausdruck<br />
von Dekadenz. Also bin ich mal auf Faktensuche gegangen:<br />
Was sagt die Wissenschaft dazu, wie viele Leute sind in etwa<br />
betroffen, solche Dinge. Und dann hatte ich das große Glück,<br />
jemanden kennenzulernen, der darunter litt. Der hat mir viel<br />
aus seinem Leben erzählt, und das hat mir sehr geholfen,<br />
zu verstehen, warum man so tickt, was sich in einem abspielt,<br />
wenn man sich so nach menschlicher Nähe sehnt, sie aber<br />
ausschließlich auf körperlicher Ebene zulassen kann.<br />
Schon Ihre erste Zusammenarbeit mit Steve McQueen<br />
war extrem intensiv – Sie spielten einen irischen Widerstandskämpfer,<br />
der sich im Gefängnis zu Tode hungert.<br />
Ihre Rolle in Shame ist wieder sehr heftig. Hatten Sie<br />
keine Bedenken, sich ihm wieder „auszuliefern“?<br />
Nein, überhaupt nicht. Ich hab nicht mal das Skript vorher<br />
gelesen, nur gefragt: „Wo und wann?“ Und als ichs dann<br />
gelesen hatte, sah ich, dass meine anfänglichen Vorstellungen<br />
zum Thema eh noch viel abwegiger waren als alles, was im<br />
Drehbuch stand (lacht). Aber Shame war doch noch ein<br />
bisschen schwieriger zu spielen als Hunger, auch wenn ich<br />
diesmal wenigstens etwas zu essen bekommen habe.<br />
Einmal nach dem Dreh bin ich in meinem Trailer gesessen<br />
und habe tatsächlich gedacht: Jetzt verliere ich den Verstand.<br />
Zum Glück war nicht gleich der ganze futsch (lacht).<br />
Wie hart war es, sich derartig zu entblößen – auf so<br />
vielen Ebenen? Haben Sie sich nicht geschämt?<br />
Klar, wenn man jetzt nicht deklarierter Exhibitionist ist – und<br />
soweit bin ich noch lang nicht (lacht) – dann fühlt man sich<br />
nicht so cool dabei, splitternackt in einem Raum mit lauter<br />
Fremden rumzulaufen. Aber es musste halt sein, ich hab noch<br />
keinen Film gesehen, in der die Nacktheit so essenziell war für<br />
die Geschichte. Da muss man halt die Ärmel hochkrempeln und<br />
seine Arbeit machen. Auch wenn ich die meiste Zeit keine<br />
Ärmel anhatte (lacht). Als Schauspieler ist man wie ein Tänzer<br />
und muss eben seinen Körper benutzen, deshalb sind auch all<br />
diese Fragen über Nacktheit eigentlich Unsinn. Zumindest hat<br />
mir Steve McQueen das täglich gepredigt (lacht).<br />
In Venedig (wo Fassbender letztes Jahr als bester<br />
Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, Anm.) galt<br />
Shame jedenfalls gleich mal als Festival-Skandal …<br />
Passt (lacht)! <strong>Das</strong> ist doch immer so, die Leute konzentrieren<br />
sich immer auf die offensichtlichen Sachen. Dabei transportiert<br />
dieser Film so viel mehr als nackte Haut: Es geht darum,<br />
wie schnelllebig unsere Welt geworden ist, und in welchem<br />
ungesunden Überfl uss wir leben. Alles ist immer verfügbar.<br />
Als damals dieser Vulkan in Island ausgebrochen ist, war es<br />
eine veritable Katastrophe, dass wir ein paar Wochen lang<br />
nicht jederzeit in ein Flugzeug hüpfen und irgendwo hinfl iegen<br />
konnten. Wahnsinn, wie verwöhnt wir sind.<br />
Sie werden als einer von ganz wenigen Schauspielern<br />
nicht typegecastet – Ihr nächster Film ist Ridley Scotts<br />
Prometheus, , in dem Sie die Hauptrolle spielen, und sehr<br />
weit weg von Parts wie in Shame Shame …<br />
Ja, das stimmt. Ich hatte aber da auch Glück, irgendwie<br />
bin ich bis jetzt noch in keine Schublade gerutscht.<br />
Nach Inglourious Basterds kamen schon ein paar<br />
ähnliche Angebote daher (lacht). Aber sogar ganz<br />
zu Beginn meiner Karriere, als ich noch auf<br />
Nebenrollen in TV-Produktionen angewiesen war,<br />
hab ich alle möglichen ganz verschiedenen Sachen<br />
angeboten bekommen, kaum je nur fade Helden.<br />
Schauen Sie sich Ihre eigenen Filme<br />
auch so gerne an wie wir?<br />
Nicht wirklich. Kennen Sie das, wenn Sie<br />
Ihren eigenen Anrufbeantworter hören<br />
und denken „Oh Gott, klinge ich wirklich<br />
so??“ Genauso geht es einem da, nur<br />
noch viel ärger. Aber nach einer Weile<br />
gewöhnt man sich dran, halbwegs.<br />
Also schau ich mir alles an und<br />
versuche, mir die Sachen zu merken,<br />
die ich in Zukunft nicht mehr<br />
machen sollte. ▶l KURT ZECHNER<br />
Darstellerpreis in Venedig, Golden-<br />
Globe- und BAFTA-Nominierung,<br />
Jubelkritiken und begeisterte Fans:<br />
Michael Fassbender, 34, fühlt sich<br />
gerade ziemlich wohl in seiner Haut.