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Behandlung von Patienten mit Migrationshintergrund

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Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

www.charite.de/psychiatrie<br />

Dr. med. Meryam Schouler-Ocak<br />

meryam.schouler-ocak@charite.de<br />

(Klinikdirektor: Prof. Dr. med. Andreas Heinz)<br />

<strong>Behandlung</strong> <strong>von</strong> <strong>Patienten</strong><br />

<strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong><br />

Tagung „Sucht und Kultur “<br />

952012 9.5.2012


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Moderne Migration g – Projektion j weltweiter Flüge g<br />

__________________________________________________________________________________________________________


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Daten des Statistischen Bundesamtes 2006<br />

Menschen <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong>:<br />

g g<br />

Zugewanderte<br />

deren Kinder<br />

Kinder derjenigen derjenigen, die als Ausländer in Deutschland geboren<br />

wurden<br />

Berlin<br />

o 23,45 %<br />

o 40,7 % unter 18 Jährige<br />

Hamburg<br />

o 26,8 %<br />

o 45,82 % unter 18 Jährige


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Ergebnisse Mikrozensus 2007<br />

Ca. jeder fünfte Bürger der Bundesrepublik hat einen <strong>Migrationshintergrund</strong>


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• Mikrozensus 2011<br />

• 19,6 % Menschen <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong><br />

g g<br />

mehr als 16 Mio


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Migrationsprozess nach C. C E. E Sluzki


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Phase der Dekompensation<br />

Suchterkrankungen 6,7 Jahre<br />

Schizophrenie 6,9 Jahre<br />

Affektive Störungen 8,9 Jahre<br />

Neurotische Störungen, somatoforme Störungen und<br />

BBelastungsstörungen l t tö nach h mehr h als l 9 JJahre h<br />

(HAASEN 2002)


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Belastende Faktoren<br />

Einsamkeit<br />

HHeimweh i h<br />

Statusverlust<br />

Sprachliche Probleme<br />

Aufenthaltsstatus<br />

Arbeitslosigkeit<br />

Ökonomische Unsicherheit, Armut<br />

Schlechte Wohnverhältnisse<br />

Schlechte Bildung<br />

Offener und latenter Rassismus<br />

Di Dissonanzen zwischen i h Normen N und d Werten W t<br />

der Herkunftsgesellschaft<br />

der Aufnahmegesellschaft


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Protektive Faktoren<br />

Starker Glaube (Religion), aber auch andere Ideologien)<br />

schützt vor psychischer Störung<br />

Tradition: sowohl protektiver (Identitätsstiftung) als auch<br />

Risikofaktor (mangelnde Integration: Segregation)<br />

Einfluss der Familien: stärkster protektiver Faktor, aber hohe<br />

emotionale Belastung und mangelnde Integration<br />

Sprache: Reden können


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Kultur des <strong>Patienten</strong><br />

Neben individuellen Faktoren wie Bildungsstand, medizinischem<br />

Wissen und Lebenserfahrung trägt Kultur zu Krankheitsverständnis,<br />

WWahrnehmung h h und d DDarstellung ll <strong>von</strong> SSymptomen und d PProblemen bl sowie i<br />

der Reaktion auf und den Umgang <strong>mit</strong> Krankheit bei. Erwartungen des<br />

<strong>Patienten</strong> an den Arzt, <strong>Behandlung</strong>smotivation sowie die Compliance<br />

<strong>mit</strong> it th therapeutischen ti h Strategien St t i werden d ebenfalls b f ll <strong>von</strong> KKultur lt bbeeinflusst. i fl t<br />

(Tseng, 2004)


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Kultur des Arztes<br />

Überlagert <strong>von</strong> persönlichen Einstellungen und medizinischem<br />

Wissen und Lebenserfahrung prägt die Kultur des Arztes die Art der<br />

Interaktion und Kommunikation <strong>mit</strong> dem <strong>Patienten</strong> und beeinflusst<br />

(direkt oder indirekt) Haltung und Verständnis dem <strong>Patienten</strong><br />

gegenüber wie auch mögliche <strong>Behandlung</strong>sstrategien.<br />

(Tseng 2004)


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Kultur der Medizin(ischen Institutionen)<br />

Die Gesundheitsberufe verbindet eine oft unbewusste Tradition <strong>von</strong><br />

Einstellungen, die sich im Medizinsystem entwickelt haben. So<br />

kkennzeichnen i h z. BB. WWerte wie i IIndividualität, di id li ä aktive k i IInterventionen, i<br />

aggressive <strong>Behandlung</strong>sstrategien, Therapie gegen den Willen des<br />

<strong>Patienten</strong> westliche Wertvorstellungen, die nicht notwendigerweise in<br />

anderen d KKulturen lt Gülti Gültigkeit k it besitzen b it müssen. ü Das D gilt ilt auch h für fü die di Art A t der d<br />

Arzt-Patient-Beziehung (partnerschaftlich vs. patriarchalisch), die<br />

Erwartungen an den Arzt oder den Umgang <strong>mit</strong> Regeln.<br />

(Tseng 2004)


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DDrogenmissbrauch i b h<br />

Untersuchungen über Gründe des Drogenmissbrauchs<br />

unter Jugendlichen <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong> erfolgten<br />

− in Schweden (Giannopoulou, 1988),<br />

− in Frankreich (Yahyaoui 1992, Bendahman 1992, Boylan 1995) und<br />

− in Deutschland (Akbiyik 1990)<br />

kamen zu gleichen Erkenntnissen:<br />

Drogenmissbrauch Folge der schwierigen sozialen Integration<br />

(Carta et al., 2005)


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Erste Generation finischer Migranten in Schweden hatten höheres<br />

Relatives Risiko (RRs) für stationäre <strong>Behandlung</strong> infolge einer<br />

Alkoholerkrankung g verglichen g zur einheimischen Mehrheit<br />

(2.1 und 1.9)<br />

Erste Generation Migranten g aus Südeuropa, p , Mitteleuropa p und anderen<br />

außereuropäischen Staaten hatten deutlich niedrigeres Relatives Risiko<br />

Zweite Generation Migration südeuropäischer, <strong>mit</strong>teleuropäischer und<br />

außereuropäische Abstammung höheres Realatives Risiko im Vergleich<br />

zur ersten Generation, aber niedriger als das der einheimischen<br />

Bevölkerung<br />

Zwischen den Staaten Adoptierte zeigten das höchste Relative Risiko<br />

(2.5)<br />

(Hjern und Allebeck, 2003)


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Mi Migranten t als l Suchtgefährdete?<br />

S ht fäh d t ?<br />

Sozialgesellschaftlich bedingte Suchtrisiken =<br />

Bildungsbenachteiligung, niedriges Einkommen,<br />

Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnbedingungen,<br />

Diskriminierung etc.<br />

Auch Migranten sind einer Suchtgefahr ausgesetzt


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Migranten als Suchtbetroffene?<br />

Schätzungen des Ethnomedizinischen Zentrums<br />

Hannover 1998:<br />

circa 20% nichtdeutsche Drogenabhängige<br />

g gg<br />

in deutschen Städten (Salman 1998)


Städtebeispiele:<br />

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Migranten als Suchtbetroffene?<br />

o Frankfurt 1994-1995: 37% (30%) (Philippi 1996)<br />

o Hamburg 2000: 33-35% (16%) (Toprak et al. 2000)<br />

o Stuttgart 2001: 20 20-30% 30% (24%) (Özkan 2001)<br />

Polizeistatistik Baden-Württemberg g 1999:<br />

o 24,4% bei Delikten direkte Beschaffungskriminalität (12,2%)<br />

1.-3. Quartal 2003:<br />

o die Zahl der Aussiedler unter Drogentoten stieg um 25,3% an<br />

(Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2004)


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Migrantenanteil g im Suchthilfesystem y<br />

Städt Städtebeispiele: b i i l<br />

- Frankfurt a.M. : 10-15% (37%) (Gaitanides 1998)<br />

- Hamburg: 5-10% (33-35%) (Haasen et al. 2001)<br />

- Hannover: unter 5% (20%) (Salman 1999)<br />

Von einer Drogenproblematik betroffene Migranten finden<br />

Von einer Drogenproblematik betroffene Migranten finden<br />

nur eingeschränkt Zugang zum<br />

Suchthilfesystem


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ZZugangsbarrieren b i für fü Migranten Mi t zum<br />

Hilfesystem<br />

K Kommunikationsbarrieren<br />

ik ti b i<br />

Unzureichendes Wissen der Eltern<br />

Unkenntnis bzw. Negativimage <strong>von</strong> Hilfsangeboten, Entzug und<br />

Therapie (Schepker et al. 2000, Niermann et al. 1983, Grüsser et. al.1999 )<br />

Alternative innerfamiliäre Bewältigungsstrategien (Schepker et al. 2000)<br />

Angst vor aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen (Grüsser et al. 1999)<br />

Abwehr <strong>von</strong> Klienten <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong> wegen Rassismus der<br />

Mehrheitsgesellschaft und wegen der Befürchtung <strong>von</strong> Mehrarbeit<br />

(Gaitanides 1998)


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Substanzstörungen<br />

Einheimische Jugendliche<br />

• konsumieren mehr und öfter illegale Sucht<strong>mit</strong>tel<br />

• mehr und öfter Alkohol als Zugewanderte<br />

(2.376 ( Schüler, , 15-25 J, , NRW, , hoher Aussiedleranteil) )<br />

(Strobl u. Kühnel 2000, Dill et al 2002)<br />

Einheimische und Aussiedler sowie türkeistämmige<br />

• bzgl bzgl. Alkohol: Einheimische = Aussiedler > TR<br />

• bzgl. THC: einheimische mehr Konsum<br />

(Marler Dunkelfeldstudie, 999 Schüler)<br />

(Surall u. Siefen 2002)


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

…aber Problemgruppe zugewanderte heavy user<br />

Kleine Hochrisikogruppe Aussiedlerjugendliche <strong>mit</strong> riskantem<br />

ill illegalem l Konsum K<br />

Kleine Gruppe türkeistämmiger Schnüffler<br />

zielgruppenspezifische Prävention <strong>von</strong><br />

Folgeerkrankungen erforderlich<br />

(Strobl u. Kühnel 2000 2000, Ra Rauf f 2003 2003, Boos Boos-Nünning Nünning u. Siefen 2005)<br />

.


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zur Epidemiologie<br />

Epidemiologische Studien (meist in Schulen durchgeführt)<br />

lassen Hochrisikogruppen aus, wie<br />

• Jugendliche Häftlinge<br />

• Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien<br />

• Schulabbrecher, -schwänzer, schwänzer, Sonderschüler<br />

• Multiproblem-Familien (Non-Responder)<br />

Kinder aus Zuwanderfamilien sind in allen Gruppen<br />

überrepräsentiert!


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Versorgungsstudien:<br />

g g<br />

Inanspruchnahme stationärer <strong>Behandlung</strong><br />

Anteil <strong>von</strong> Ausländern in Klinik vs.<br />

Anteil an der Wohnbevölkerung<br />

Häfner (Mannheim)1980: 6,2% vs. 11,8%<br />

Holzmann Holzmann (Frankfurt)1994: 15 15,7% 7% vs. vs 29 29,5% 5%<br />

Beck (Reichenau) 1997: 5,5% vs. 10%<br />

Wolfersdorf (Bayreuth) 1999: 3,6% vs. ca. 7%


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Bettenzahl und Migrantenanteil nach Art der<br />

Ei Einrichtung i h aufgeschlüsselt<br />

f hlü l<br />

(Pilotstudie der AG Psychiatrie und Migration der BDK)<br />

KPP, Abt. Allg.Psychiatrie 656 121 18,4 %<br />

KPP, Abt. f. Abh. 284 62 21,8 %<br />

KPP KPP, Gerontopsychiatrie G t hi t i 238 22 92% 9,2 %<br />

KPP, Gesamt 1178 205 17,4 %<br />

KPP, Forensik 254 69 27,2 %<br />

Abteilungspsychiatrie an Allg.krh. 123 21 17,1 %<br />

Kinder-u. Jugend-Psychiatrie 341 39 11,4 %<br />

Psychosomatik/Psychotherapie 44 2 4,5 %<br />

Universitäts-Psychiatrie 148 26 17,6 %<br />

SSuchtreha ht h 123 14 11 11,4 4 %<br />

(Koch et al 2008)


41<br />

33<br />

43<br />

31<br />

60<br />

25<br />

23<br />

90<br />

92<br />

32<br />

AAndere d<br />

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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Diagnosen (ICD-10 Hauptgruppen)<br />

10<br />

20<br />

Häufigste Diagnosen:<br />

11 F20.xx<br />

F19 F19.xx<br />

30,4 %<br />

15 15,5 5 %<br />

F10.xx 9,3 %<br />

19 F32 F32.xx xx 77% 7,7 %<br />

F43.xx 6,7 %<br />

22 (Koch et al 2008)


1<br />

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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

AAngabe b <strong>von</strong> sprachlichen hli h und d kulturellen<br />

k lt ll<br />

Verständigungsproblemen in %<br />

0 10 20 30 40<br />

Kultur- und Sprachprobleme<br />

kulturgebundene Verständigungsprobleme<br />

SSprachprobleme h bl


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

HHauptstudie t t di der d AG Psychiatrie P hi t i und d Migration Mi ti<br />

der Bundesdirektorenkonferenz:<br />

Stichtag19.07.2006<br />

350 Kliniken bundesweit angeschrieben<br />

146 geantwortet (42 %)<br />

Durchschnitt Pat. <strong>mit</strong> <strong>Migrationshintergrund</strong>: 3,3<br />

Prozentualer Prozentualer Anteil Betten <strong>mit</strong> Pat. <strong>mit</strong><br />

<strong>Migrationshintergrund</strong> belegt:<br />

17,0 %<br />

(Schouler-Ocak et al., 2008, 2009)


100%<br />

80%<br />

60%<br />

40%<br />

20%<br />

0%<br />

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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Vergleich g Erstdiagnosen: g<br />

Einheimische<br />

<strong>Patienten</strong><br />

(Hauptstudie: Stichtag 19.7.2006)<br />

<strong>Patienten</strong> <strong>mit</strong><br />

Migratiosnhintergrund<br />

(Schouler-Ocak et al., 2008)<br />

sonstige<br />

F6 F 6<br />

F 4<br />

F 3<br />

F 2<br />

F 1<br />

F 0


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Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Eigene Studie<br />

“Untersuchung der Zugänglichkeit des<br />

SSuchthilfesystems hthilf t<br />

für Migranten <strong>mit</strong> Abhängigkeitserkrankungen“<br />

o 7 Interviews <strong>mit</strong> Professionellen der Suchthilfe<br />

o (Stuttgart (Stuttgart, Mannheim Mannheim, Frankfurt aa.M., M Berlin)<br />

o 15 Interviews <strong>mit</strong> türkischen Drogenabhängigen<br />

in Mannheimer Methadonpraxis, Nürnberger<br />

Drogenberatung, Therapieeinrichtung „dönüs“<br />

(Penka et al., 2008)


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

EErgebnisse b i der d Interviews I t i<br />

Unkenntnis <strong>von</strong> Drogen, Sucht und Suchthilfeinhalten der<br />

Jugendlichen selbst<br />

Stärke vs. Hilfe suchen bzw. annehmen<br />

Fehlende Motivation zur Therapieaufnahme:<br />

Frustration Frustration, sozialer Ausschluss und<br />

Perspektivlosigkeit:<br />

- das Gefühl ein Ausländer zu sein<br />

- das Problem <strong>mit</strong> dem Aufenthaltsstatus<br />

(Penka et al., 2008)


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Zweiter Teil der Studie<br />

„Erklärungsmodelle abhängigen Verhaltens <strong>von</strong><br />

deutschen und türkischen Jugendlichen“<br />

DDef. f Erklärungsmodell:<br />

E klä d ll<br />

Konzept der transkulturellen Medizin (Kleinman 1980)<br />

Krankheiten <strong>von</strong> Kultur zu Kultur unterschiedlich<br />

Entstehungsbedingung, g g g, Diagnose, g , Symptome, y p ,<br />

Verläufe und <strong>Behandlung</strong>swege sind kulturspezifisch


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Methodischer Rahmen<br />

“Free listing” <strong>mit</strong> 104 deutschen und türkischen<br />

Jugendlichen<br />

„Pilesort“ Verfahren <strong>mit</strong> 20 deutschen sowie 20<br />

türkischen Jugendlichen<br />

Hierarchische Clusteranalyse und multidimensionale<br />

Skalierung<br />

(Penka et al., 2008)


„nicht so schwerwiegende<br />

Probleme“<br />

Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Pilesort:<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

DDeutsche t h Jugendliche<br />

J dli h<br />

Verwandte<br />

Vater<br />

Bruder<br />

Niemand<br />

kann helfen<br />

„schwerwiegende g Probleme“<br />

I t t<br />

Schwester<br />

teuer Geld- Ersatz für<br />

sorgenFehlendes<br />

3 2<br />

Verwandte<br />

psych.<br />

Familie<br />

Mutter<br />

Internet<br />

FernsehenHandy<br />

11 Nikotin<br />

Spielsucht<br />

Ka fs cht<br />

27 Koks<br />

18<br />

10<br />

14 13LSD<br />

19 D<br />

unfrei<br />

gering. 8<br />

Diskrim. Selbstbew. 9<br />

hl ht<br />

6<br />

3<br />

4<br />

1 5<br />

7<br />

hilflos<br />

2<br />

Kaufsucht<br />

Familie<br />

19 28<br />

19 Drogen<br />

Tod<br />

17 16<br />

22<br />

23 Medikam. Alkohol<br />

15<br />

26 20<br />

einsam 24 Haschisch<br />

25<br />

12<br />

Angst Arzt 21<br />

negativ<br />

schlechtes<br />

peinlich<br />

Schande Mager- Gewissen<br />

unrein<br />

Arbeit<br />

sucht<br />

Freßsucht Scham Glauben<br />

Essstörungen<br />

Abhä Abhängigkeit i k it und d<br />

Folgen<br />

psychosoziale Aspekte<br />

Index: 1= Angehörige sollen helfen; 2= Schwäche; 3= familiäre Probleme; 4= Partner; 5= Freunde; 6= seelische Probleme; 7= Krankheit; 8= nicht<br />

darüber sprechen; 9= nicht akzeptiert werden; 10= kriminell sein; 11= ehemals religiöse Süchtige; Vertreter<br />

12=hemmungslos; 13= Heroin; 14= fehlende<br />

Konzentration; 15 15= schwer da<strong>von</strong> wegzukommen; Menschen Menschen16<br />

16= sich selbst zerstören; 17= 17 ohne Hilfe nicht da<strong>von</strong> wegkommen; 18 18= keine Zukunft haben; 19 19=<br />

schlimm; 20= der Familie Probleme bereiten; 21= Drogenberatungsstelle; 22= gesundheitsschädlich; 23= Flucht; 24= Selbsthilfe; 25= körperliche<br />

Abhängigkeit; 26= gefährlich; 27= nicht ohne leben können; 28= Kontrollverlust<br />

(Penka et al., 2008)


„nicht nicht so schwerwiegende<br />

Probleme“<br />

Arbeit<br />

Kaufsucht<br />

Fernsehen<br />

Handy<br />

Internet<br />

Spielsucht<br />

Ersatz für<br />

Fehlendes<br />

Konsumgüter<br />

Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Pilesort:<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Tü Türkische ki h Jugendliche<br />

J dli h<br />

Magersucht<br />

religiöse<br />

Verteter<br />

Menschen<br />

Fresssucht<br />

8<br />

Vater<br />

Mutter<br />

Familie<br />

24<br />

Verwandte peinlich<br />

Bruder<br />

Sh Schwester t<br />

5<br />

hilflos<br />

4<br />

22<br />

26<br />

einsam<br />

20<br />

1 6<br />

gering.<br />

Selbstbew.<br />

schlechtes<br />

Gewissen<br />

23<br />

28 Arzt 16 Tod<br />

17<br />

7<br />

15<br />

27<br />

Alkohol19<br />

25<br />

14 Drogen Koks<br />

10<br />

Glauben<br />

Geld-<br />

21<br />

Nikotin<br />

18 Angst<br />

sorgen teuer<br />

psych.abh.<br />

Haschisch<br />

Medikam.<br />

2 negativ<br />

11<br />

Essstörungen Medikamente<br />

3<br />

Schande<br />

Scham<br />

9<br />

unfrei<br />

Diskrim.<br />

unfrei<br />

12<br />

unrein<br />

„schwerwiegende<br />

Probleme“<br />

Probleme<br />

Niemand<br />

kann helfen<br />

Abhängigkeit und<br />

Folgen<br />

Index: 1= Angehörige sollen helfen; 2= Schwäche; 3= familiäre Probleme; 4= Partner; 5= Freunde; 6= seelische Probleme; 7= Krankheit; 8= nicht darüber sprechen; 9= nicht akzeptiert werden; 10= kriminell sein; 11=<br />

ehemals Süchtige; 12= hemmungslos; 13= Heroin; 14= fehlende Konzentration; 15= schwer da<strong>von</strong> wegzukommen; 16= sich selbst zerstören; 17= ohne Hilfe nicht da<strong>von</strong> wegkommen; 18= keine Zukunft haben; 19=<br />

schlimm; 20= der Familie Probleme bereiten; 21= Drogenberatungsstelle; 22= gesundheitsschädlich; 23= Flucht; 24= Selbsthilfe; 25= körperliche Abhängigkeit; 26= gefährlich; 27= nicht ohne leben können; 28=<br />

Kontrollverlust<br />

LSD<br />

(Penka et al., 2008)


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Aussortierte Begriffe in Prozent<br />

45 40<br />

40 35<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

5 5<br />

10<br />

Ohne Hilfe nicht Körperlich Nicht „ohne“ leben<br />

wegkommen 1 abhängig 2 können 3<br />

45<br />

Deutsche<br />

Migranten<br />

(Penka et al., 2004)


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Interkultureller <strong>Behandlung</strong>s- und<br />

Beratungsprozess:<br />

interkulturelle Kommunikation<br />

professionell professionell ausgebildete Dolmetscher als Kultur- und<br />

Sprach<strong>mit</strong>tler<br />

kulturspezifische, krankheitsspezifische, migrationsspezifische<br />

und biografische Aspekte<br />

interkulturelle Kompetenz<br />

kulturkompetente p Konsildienste<br />

kulturkompetente Inter- und Supervision


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Interkulturelle Kompetenz:<br />

sich über den kulturellen Hintergrund anderer kundig machen<br />

können<br />

sich über den kulturellen Hintergrund des eigenen Handelns klarer<br />

werden<br />

sich i h die di Relativität R l ti ität <strong>von</strong> Werten W t bewusst b t zu sein i<br />

Stereotypien nicht zu erliegen<br />

sich verbal und nonverbal für beide Kulturen akzeptabel<br />

ausdrücken können<br />

<strong>mit</strong> Menschen unterschiedlicher Kulturen gemeinsame Realitäten<br />

und Lösungen g finden zu können<br />

<strong>mit</strong> Dolmetschern arbeiten zu können<br />

(Hegemann 2001)


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

Kultursensibler Anamneseleitfaden<br />

1. Kulturelle Identität<br />

2. Kulturelle Erklärungen für Erkrankungen<br />

33. Psychosoziale Umgebung und Funktionsbereiche<br />

4. Beziehung zwischen Arzt und Patient<br />

5. Abschließende Einschätzung des kulturellen Einflusses<br />

für Diagnose und Therapie<br />

(DSM-IV (DSM IV, Anhang F)


Charité – Universitätsmedizin Berlin<br />

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

1. Kulturelle Identität:<br />

• ethnische / kulturelle Bezugsgruppen (kulturelle Faktoren während der<br />

Entwicklung)<br />

• Ausmaß der Beteiligung an der Ursprungskultur und an der Aufnahmekultur<br />

(Verhältnis zur Herkunfts- und Aufnahmekultur)<br />

• Sprachfertigkeit, Sprachgebrauch und bevorzugte Sprache (inklusive<br />

Mehrsprachigkeit)<br />

2. Kulturelle Erklärungen für Erkrankungen:<br />

• Vorherrschende Ausdrucksform des Leidens (wie z. B. Gefühl <strong>von</strong> Besessensein,<br />

Ausdruck des Leidens über somatische Symptome, Empfinden <strong>von</strong><br />

nichterklärbarem Unglück, etc.)<br />

• Bedeutung und wahrgenommener Schweregrad der Symptomatik in Bezug auf die<br />

kulturellen Normen der Bezugsgruppe<br />

• Erklärungsmodelle, die der Patient und seine Bezugsgruppe für die vorliegende<br />

Krankheit verwenden<br />

• Auffassung zu professionellen und traditionellen <strong>Behandlung</strong>smöglichkeiten<br />

(Aufsuchen und Akzeptanz <strong>von</strong> Hilfen)


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33. PPsychosoziale h i l Umgebung U b und d Funktionsbereiche:<br />

F kti b i h<br />

Kulturell relevante Interpretationen sozialer Belastungsfaktoren (soziale<br />

Stressoren)<br />

VVerfügbare fü b soziale i l Unterstützung U t tüt (Belastungen (B l t im i sozialen i l Umfeld, U f ld die di RRolle ll dder<br />

Religion und des Verwandtenkreises in Bezug auf emotionale, materielle und<br />

aufklärende Unterstützung)<br />

psychosoziales Funktionsniveau und Behinderung<br />

4. Kulturelle Elemente in der Beziehung zwischen Arzt und Patient:<br />

o UUnterschiede hi d iin KKultur l und d sozialem i l SStatus zwischen i h AArzt und d PPatient i<br />

o daraus resultierende Schwierigkeiten (wie z. B. sprachliche Probleme bei der<br />

Erfragung <strong>von</strong> Symptomen und im Verständnis ihrer kulturellen Bedeutung, beim<br />

Aufbau einer Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient Patient, bei der Entscheidung Entscheidung, ob<br />

ein Verhalten der Norm entspricht oder krankhaft ist)<br />

5 Abschließende Einschätzung des kulturellen Einflusses auf<br />

5. Abschließende Einschätzung des kulturellen Einflusses auf<br />

Diagnose und Therapie


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Adäquate Inanspruchnahme:<br />

Niedrigschwellige Angebote<br />

Zusammenarbeit Z b it <strong>mit</strong> it Mediatoren<br />

M di t<br />

Muttersprachliches Beratungsprogramm<br />

(Schepker, R., Toker, M., Eberding, A. (1999): Inanspruchnahmebarrieren in der ambulanten<br />

psychosozialen Versorgung <strong>von</strong> türkeistämmigen Migrantenfamilien aus Sicht der Betroffenen.<br />

Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 48, 664-676 )


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Checkliste Interkulturalität <strong>von</strong> Institutionen<br />

nach Hinz-Rommel und Ünal<br />

Beispiel: Westfälisches Institut für Kinder- und Jugendpsychiatrie,<br />

Psychotherapie und Heilpädagogik<br />

Wir sind eine Institution für alle -<br />

Wir versorgen jährlich stationär ca. 700 Klienten,<br />

dda<strong>von</strong> 23 % aus 16 anderen d KKulturen lt (2002 MMonate t 11-10). 10)<br />

Wir sprechen p in 16 Sprachen p unsere Klienten an (einschließlich<br />

(<br />

Deutscher Gebärdensprache). Nötigenfalls werden darüber hinaus<br />

Dolmetscher aus dem Pflegesatz bezahlt.<br />

Wir beschäftigen dafür 11 = 4 % Mitarbeiter nichtdeutscher Herkunft<br />

(Therapeuten: 7 = 18 %) in 100 % der therapeutischen Berufsgruppen<br />

(Therapeuten, Pflegedienst, Fachtherapeuten


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Perspektiven<br />

„Die Interkulturelle Suchthilfe“<br />

muttersprachliche Mitarbeiter einstellen<br />

interkulturelle interkulturelle Handlungskompetenz aller<br />

Mitarbeiter fördern<br />

migrationsspezifische i ti ifi h PPräventions- ä ti bbzw.<br />

Informationsarbeit<br />

u.a.


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Kultursensible Suchthilfe<br />

Oft differieren die Sichtweisen zwischen Migranten und ihren<br />

deutschen Beratern und Therapeuten, da die Bedeutungsinhalte und<br />

Symbole in den verschiedenen Sprachen nicht übereinstimmen.<br />

übereinstimmen<br />

Durch Einsatz <strong>von</strong> muttersprachlichen Therapeuten kann Akzeptanz<br />

in der Suchthilfe erhöht werden und die Abbruchquote gesenkt<br />

werden. Da es kein spezialisiertes Angebot für jede<br />

Bevölkerungsgruppe gibt, wird ein zielgruppenübergreifendes<br />

Vorgehen g angestrebt. g Das verlangt g die Fähigkeit, g , angemessen g und<br />

erfolgreich in einer fremdkulturellen Umgebung oder <strong>mit</strong><br />

Angehörigen anderer Kulturen zu kommunizieren.


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Prävention<br />

- Sensibilisierung und Aufklärung<br />

- Enttabuisierung des Drogenthemas<br />

- die Akzeptanz gegenüber dem Suchthilfesystem<br />

-Ängste g abbauen<br />

- Eigenverantwortlichkeit thematisieren<br />

Key-Person-Konzept (Schlüsselperson):<br />

Mitglieder bzw. integrierte und akzeptierte Personen aus der<br />

jeweiligen Zielgruppe werden tätig<br />

Ein wichtiger Aspekt dabei ist das Wissen der eigenen Lebenswelten<br />

und Kenntnisse der Hintergründe<br />

Sie unterstützen das „Wir-Gefühl“<br />

(Tuna, Salman 1999)


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Angleichung an Aufnahmegesellschaft<br />

In Deutschland geborene und aufgewachsene Jugendliche<br />

gleichen gec e sc sich te tendenziell de e in ihrem e Risikoverhalten s o e ate de dem<br />

Verhalten der Deutschen an<br />

Migranten der zweiten und dritten Generation sind<br />

gefährdeter, als jene der ersten Generation und geraten<br />

häufiger in einen Wertekonflikt<br />

Diese Ergebnisse stehen in Übereinstimmung <strong>mit</strong> ähnlichen<br />

Studien bei Migranten in den USA und in Australien


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