Literarische Charakteristik: Claire Zachanassian Friedrich ...
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<strong>Literarische</strong> <strong>Charakteristik</strong>: <strong>Claire</strong> <strong>Zachanassian</strong><br />
<strong>Friedrich</strong> Dürrenmatts Drama „Besuch der alten Dame“ entstand in den „roaring fifties“ – den<br />
fünfziger Jahren, die von Aufschwung und Wohlstand geprägt waren. In dem kleinen Ort Güllen,<br />
in dem das Drama seinen Platz findet, ist jedoch von diesem Wohlstand nichts zu spüren.<br />
Heruntergekommen und verarmt erwartet das Städtchen mitsamt seinen Bewohnern die Ankunft<br />
einer alten, reichen Dame – <strong>Claire</strong> <strong>Zachanassian</strong>. Man erhofft sich von der ehemaligen<br />
Mitbürgerin finanzielle Unterstützung und soll diese auch bekommen. <strong>Zachanassian</strong> verspricht<br />
den Güllenern Geld für die Ermordung ihres einstigen Geliebten Alfred Ill, den Vater ihres<br />
verstorbenen Kindes. Ill hat seine Vaterschaft nie anerkannt und <strong>Claire</strong> damit vor allen Leuten<br />
bloß gestellt. Nun ist sie zurück und will Rache nehmen.<br />
<strong>Claire</strong> <strong>Zachanassian</strong> macht in dem Stück selbst keine Entwicklung durch, diese ist längst<br />
abgeschlossen, bevor die eigentliche Handlung einsetzt. Mit 17 Jahren ist sie ein wildes, junges<br />
Ding gewesen, mit roten Haaren und Träumen von Liebe und Vertrauen. Doch eine Nacht mit<br />
dem 20jährigen Alfred Ill verändert ihr gesamtes weiteres Leben. Ill steht nicht zu dem<br />
gemeinsamen Kind und <strong>Claire</strong> – oder Klara Wäscher, wie sie damals noch hieß – muss die<br />
Tochter an die Fürsorge abgeben. Ein Jahr später stirbt das Kind. Eine angestrebte<br />
Vaterschaftsklage wird vom Oberrichter Hofer abgewiesen – Falschaussagen zweier von Ill<br />
bestochener Zeugen führen dazu, dass Klara vor allen als Lügnerin und Schlampe dasteht. Im<br />
Bordell gelandet wird sie schließlich vom Milliardär <strong>Zachanassian</strong> entdeckt, der sie heiratet und<br />
ihr die große, weite Welt zeigt.<br />
<strong>Claire</strong> jedoch hat nichts anderes mehr im Sinn als Rache. Der Richter Hofer wird zu ihrem Butler<br />
Boby, schließlich ist in ihren Augen jeder käuflich. Die beiden Zeugen, inzwischen ausgewandert,<br />
werden von <strong>Claire</strong>s Senftenträgern Roby und Toby aufgesucht und kastriert und geblendet. Als<br />
Koby und Loby gehören auch sie ab nun zum skurrilen Gefolge der alten Dame. <strong>Zachanassian</strong><br />
überlebt einen Flugzeugabsturz, der sie den rechten Arm kostet und durch eine Prothese aus<br />
Elfenbein ersetzt wird. Sie heiratet nach dem Tod ihres Gatten weitere sechs Mal und trifft mit<br />
Ehemann Nr. 7 in Güllen ein. Durch Mittelsmänner hat sie Güllen in ihre Hand gebracht, indem<br />
sie die Wirtschaft aufkauft und stilllegen lässt. In den Nachbargemeinden tritt sie zur gleichen Zeit<br />
als Wohltäterin auf und vermittelt so, psychologisch geschickt, ein völlig falsches Bild von sich,<br />
denn die Güllener erwarten sich nun eine großherzige Spenderin.<br />
Schon das Eintreffen ist eine großartige Inszenierung, die verdeutlicht, dass mit <strong>Claire</strong> jemand<br />
nach Güllen kommt, der mit den üblichen menschlichen Maßstäben nicht zu messen ist, denn die<br />
„Naturgesetze sind aufgehoben“, weil der „Rasende Roland“ in Güllen von ihr zum Halten
gebracht wird. Dürrenmatts <strong>Claire</strong> erscheint und stellt eine Forderung, die die Güllener in einen<br />
Konflikt stürzt. Diese Frau ist – wie sie selbst sagt – „die Hölle geworden“ und die Güllener haben<br />
durchaus Anteil an diesem Werdegang gehabt, weil sie Klara Wäscher damals „nachgrinsten“ und<br />
das Fehlurteil duldeten. <strong>Claire</strong>s Rache richtet sich jedoch nicht direkt gegen die Stadt, die macht<br />
die Stadt zu ihrem Werkzeug ihrer Rache an Ill. Ihr gehört die Welt und sie macht diese Welt zu<br />
„einem Bordell“, in dem alles erwerbbar ist. Sie muss sich keine Menschlichkeit leisten, weil sie<br />
sich eine Weltordnung leisten kann. „Die Menschlichkeit, meine Herren, ist für die Börse der<br />
Millionäre geschaffen, mit meiner Finanzkraft leistet man sich eine Weltordnung.“<br />
Ihre Aussagen sind direkt und offen. „Unsinn. Du bist fett geworden. Und grau und versoffen“.<br />
Sie duldet keinen Widerspruch, ihre Sätze sind kurz und knapp, sie verliert sich nicht in vielen<br />
Worten.<br />
<strong>Claire</strong> <strong>Zachanassian</strong>s Rache ist maßlos, sie erscheint hier nicht als die Verkörperung der<br />
Gerechtigkeit, sondern als eine grausame, unnachgiebige Frau. Auf dem Balkon sitzend ist sie<br />
allgegenwärtig, sie wirkt seelenlos und verbittert. Doch hat sie unter der Maske der Kälte<br />
verborgen eine andere Seite, die der Lehrer in einem lichten Moment erkennt: „Frau<br />
<strong>Zachanassian</strong>! Sie sind ein verletztes liebendes Weib.“ Diese Verletzung hat ihr Ill zugefügt,<br />
indem er ihre Liebe verraten hat. <strong>Claire</strong> will eine verlorene Zeit zurückholen, sie sucht auch gleich<br />
nach der Ankunft die „alten Liebesorte“ auf, will mit Ill sprechen, die Vergangenheit wieder<br />
aufleben lassen. Auch ist der Balkon als Aufenthaltsort nicht zufällig gewählt, denn auch damals,<br />
als sie Ill das erste Mal sah, stand sie auf einem Balkon.<br />
<strong>Claire</strong> <strong>Zachanassian</strong> greift in das Schicksal der Menschen ein, sie ist ein „Götzenbild aus Stein“,<br />
das darauf wartet, dass sich ein Traum erfüllt, koste es, was es wolle. Es ist nicht einfach <strong>Claire</strong> zu<br />
verstehen, es ist unmöglich sie sympathisch zu finden. Man könnte vielleicht ihre Zielstrebigkeit<br />
und ihre Skrupellosigkeit bewundern. Die alte, perlenbehängte Dame, die einst barfuss durch die<br />
Wälder lief und von einer großen Liebe träumte, lässt sich ihre Rache etwas kosten: Die Würde<br />
eines ganzen Dorfes. (Seitenangaben bei Zitaten fehlen leider!)<br />
Hausübung:<br />
• Vergleiche den Film „Dogville“ und Dürrenmatts Drama „Besuch der alten Dame“<br />
miteinander. Welche Gemeinsamkeiten lassen sich feststellen, welches der beiden Werke hat<br />
dich persönlich mehr angesprochen, für wie realistisch hältst du den jeweiligen Inhalt? (ca. 400<br />
Wörter)<br />
Bis Donnerstag, 10. April 2008