SCHRIFTEN DER BAAR - Baarverein.de
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<strong>SCHRIFTEN</strong> <strong>DER</strong> <strong>BAAR</strong>
I Schriflcn <strong>de</strong>r Saar 31176
<strong>SCHRIFTEN</strong><br />
<strong>de</strong>s<br />
Vereins für Geschichte<br />
und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />
in Donaueschingen<br />
XXXI. Band - 1976<br />
Selbstverla g <strong>de</strong>s Verein fü r Geschichte und Naturgeschichte <strong>de</strong>r Baar<br />
7710 Donaueschingen 1976
Ge sa m t~ chriftl e itun g : Günther Reichelt<br />
Schriftleitung für h i~ tori sc h e Beiträge: Karl S. Ba<strong>de</strong>r<br />
Die Autoren sind für <strong>de</strong>n Inhalt ihrer Arbeit selbst verantwortlich<br />
ISSN 0340-4765<br />
Druck und Klischees : Müll er- Druck, 7730 Villingen/ Schwa rz wald<br />
Printed in G ermany
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
Hermann Wieser<br />
von Karl S. Ba<strong>de</strong>r<br />
Kuno Moser<br />
von H e r ben Cord es<br />
Dr. F ritz Reinhold<br />
von Karl Kwas nitsc hk a<br />
Die Riedbaar - ihre Biotope und ihr Bestand bedrohter Vögel<br />
von Fe 1 i x Z i n k e und G ü n t h e r R e ich e I t<br />
Der Reiter von Hüfingen -<br />
Notizen z u einem alamannischen A<strong>de</strong>lsgrab auf <strong>de</strong>r Baar<br />
von Gerhard Fingerlin<br />
Die Orte im Achdo rfer Tal<br />
zwischen <strong>de</strong>n Herrschaften Fürstenberg und Kloster Sr. Blasien<br />
von Paul Willimski<br />
Die strategische o<strong>de</strong>r " Kanonenbahn" Immendingen-Waldsh ut<br />
von R e im a r Zeller<br />
Ein Kartenman uskript aus <strong>de</strong>r Stridbeck-Offizin<br />
von Orro Stochdorph<br />
N ocrui<strong>de</strong>n (Eulen falter) <strong>de</strong>r Baar<br />
von H e l mut H e r r man n<br />
Der Türnleberg zwischen Schwenningen und Bad Dürrheim,<br />
eine keltische Burganlage aus <strong>de</strong>r Hallstattzeit<br />
von Otto Benzing<br />
Die Struktur <strong>de</strong>s Bildungswesens im Schwarzwald-Baar-Kreis<br />
in statistischer und infrastrukturell er Sicht<br />
von M a rrin Schmie<strong>de</strong>berg<br />
Untersuchungen zur Nie<strong>de</strong>rschlagsverteilung auf <strong>de</strong>r Baar<br />
nach hydrologischen Halbjahren<br />
von O lev K o ha<br />
Zwei Briefe <strong>de</strong>s Bergrats von Althaus in Dürrheim<br />
an Professor Alexan<strong>de</strong>r Braun in Karlsruhe<br />
von Ga s ton Mayer<br />
Buch bes p rech ungen<br />
7<br />
10<br />
12<br />
14<br />
53<br />
67<br />
76<br />
86<br />
93<br />
110<br />
11 6<br />
125<br />
129<br />
133<br />
Vereinsnachrichten<br />
Vereinschronik 1974-1976<br />
Anschriften <strong>de</strong>r Verfasser<br />
139<br />
143
6<br />
Vorwort<br />
D er 31. Band unserer Schriften liegt in einem neuen Gewand vor Ihnen. Nicht euerungssucht<br />
war <strong>de</strong>r Grund für diese Verän<strong>de</strong>rung, son<strong>de</strong>rn eine gan z nüchterne überlegung.<br />
Einmal waren wi r gezwungen, rationeller mit unserem Raum um zugehen. Vo r die Wahl gestellt,<br />
entwe<strong>de</strong>r das Schreibmaschinen-M anuskripr, selbst im ü ffset-Verfahren drucken zu<br />
lassen o<strong>de</strong>r mit neuen Schriftty pen und größerem Satzspiegel einen besseren Nutzeffekt zu<br />
erreichen, entschlossen w ir uns zu letzterem. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite sollte die Bilddokumentation<br />
unserer " Schriften" nicht beschnitten wer<strong>de</strong>n. Machen doch gera<strong>de</strong> die Abbildungen<br />
einen wesentlichen Reiz unserer Veröffentlichungen aus, ganz davon abgesehen, daß sie eine<br />
unersetzli che Info rmationsquell e darstellen. Sv kam uns <strong>de</strong>r naheliegen<strong>de</strong> G edanke, di eses<br />
schon durch eine entsprechen<strong>de</strong> U mschlagges taltung auszudrücken. Warum soll te ein seriöser<br />
Verein ni cht auch auf die Wirksamkeit seiner äußeren Darstellungsform bedacht sein ?<br />
So ist ein schmuckes klei nes Buch über die Baar daraus gewor<strong>de</strong>n, selbständig und doch<br />
ein G li ed in <strong>de</strong>r langen Reihe unserer laufe n<strong>de</strong>n "Schriften". Darauf spielt auch die letzte<br />
U mschl agseite an.<br />
Wir hätten allerdings <strong>de</strong>n neuen Band ni cht allein mit unse ren Mitteln drucken können.<br />
Aus unseren Mi tglie<strong>de</strong>rbeiträgen können wir nur etwa 65% <strong>de</strong>r Druckkosten, Bin<strong>de</strong>arbeiten,<br />
Versandkosten bes treiten . So m ußten wi r betteln gehen. Für Druckko tenzuschüsse dürfe n<br />
w ir hiermit danken :<br />
<strong>de</strong>r Stadt Blumberg (DM 500,-),<br />
<strong>de</strong>r Stadt Hüfingen (DM 500,-),<br />
<strong>de</strong>m Landkreis Schwarzwald -Baar (DM 500,- ),<br />
<strong>de</strong>m Bund N atur- und U m weltschutz Ba<strong>de</strong>n-Württemberg (DM 500,-),<br />
<strong>de</strong>r Arbeitsgemei nschaft U mweltschutz Schwarzwald-Baar-H euberg (DM 300,-).<br />
Wir danken <strong>de</strong>n genannten Stellen sehr herzlich. Sie haben dazu beigetragen, daß die<br />
nunmehr seit über 170 Jahren von Mitglie<strong>de</strong>rn unseres Vereins uneigennützig geleistete Forschungsarbeit<br />
zur Kenntnis <strong>de</strong>r Baar ein weiteres Mal einer breiteren öffentlichkeit zugänglich<br />
w ird .<br />
A n unsere Mitglie<strong>de</strong>r und Freun<strong>de</strong> richten wir auf diesem Wege noch einmal die Bitte,<br />
sich nach Möglichkeit ebenfa lls an einer Spen<strong>de</strong> zu beteiligen, damit auch die H erausgabe<br />
eines weiteren Ban<strong>de</strong>s bald möglich sein wird.<br />
Für Vorstand und Redaktionsausschu ß:<br />
D r. E. Huber<br />
Prof. Dr. G. Reichelt
7<br />
Hennann Wieser<br />
(1897-1976)<br />
Mit Hennann Wieser, F. F. Archivar i. R., ist am 20. April 1976 in Donaueschingen<br />
einer <strong>de</strong>r Stillen im Lan<strong>de</strong> von uns gegangen. Obwohl seit Jahren lei<strong>de</strong>nd, hatte er sich<br />
seine geistige Frische bis in die letzten Lebenswochen bewahrt und noch immer regen Anteil<br />
an unserem Verein und an seiner geliebten Arbeitsstätte im Fürstlichen Archiv genommen, die<br />
ihm in einem Zeitraum von nahezu 60 Jahren zu einer Art geistiger Heimat gewor<strong>de</strong>n war.<br />
Fast ebenso lang gehörte er unserem Verein als Mitglied, seit 1923 als <strong>de</strong>ssen Rechner und als<br />
Mitglied <strong>de</strong>s weiteren Vorstan<strong>de</strong>s an. Anläßlich <strong>de</strong>r Feier seines hun<strong>de</strong>rtjährigen Bestehens<br />
ernannte ihn <strong>de</strong>r Verein zum Eh r enmitglied - eine mehr als nur förmlich verdiente<br />
Ehrung, wenn man be<strong>de</strong>nkt, wie er mit ganz beson<strong>de</strong>rer Umsicht und Treue <strong>de</strong>m Verein<br />
gedient und diesen zusammen mit <strong>de</strong>n jeweiligen Vorsitzen<strong>de</strong>n durch zwei Kriegs- und<br />
Nachkriegszeiten hindurchgeführt hat.<br />
Am 3. Januar 1897 in Möhringen als Sohn eines angesehenen und tüchtigen Schreinermeisters<br />
geboren, besuchte Wieser zunächst die Volksschule seines Heimatorts und sodann<br />
das Gymnasium Donaueschingen bis zur Obersekundareife im Sommer 1915 . Als "Auswärtiger"<br />
hatte er täglich, vom damals äußersten Rand <strong>de</strong>s Einzugsgebietes her, eine beschwerliche<br />
und, zumal im ersten Kriegsjahr, mitunter stünnische Hin- und Rückfahrt zu<br />
bestehen; in <strong>de</strong>r teilweise etwas wil<strong>de</strong>n Schar dieser Zuzügler und Zugfahrer wirkte er als<br />
besänftigen<strong>de</strong>s Element. ach<strong>de</strong>m ihn Archivrat Dr. Tumbült schon als Sekundaner zu<br />
Schreibarbeiten im Archiv herangezogen hatte, trat Wieser als Volontär <strong>de</strong>r Archivlaufbahn<br />
in die Dienste <strong>de</strong>s Hauses Fürstenberg. Doch wur<strong>de</strong> diese Tätigkeit alsbald für mehrere<br />
Jahre unterbrochen, da er zum Kriegsdienst einberufen wur<strong>de</strong>. Schwer verwun<strong>de</strong>t und zeitweilig<br />
vermißt, kehrte er endlich in die Heimat zurück, um zunächst bei einer staatlichen<br />
Abwicklungsstelle in Karlsruhe beschäfti gt zu wer<strong>de</strong>n. 1920 konnte er auf Betreiben<br />
Tumbülts in das Archiv zurückkehren. Daß die schwieri gen Zeitverhältnisse die F. F. Kammer<br />
zwangen, ihn als Rechnungssekretär ein zusetzen, erwies sich für Wieser als beson<strong>de</strong>rer<br />
Glücksfall; <strong>de</strong>nn hier gewann er, in die Archivregistratur bereits bestens ein geführt, einen<br />
überblick in <strong>de</strong>n gesamten Gang einer komplizierten stan<strong>de</strong>sherrlichen Verwaltung. In <strong>de</strong>n<br />
engeren Archivdienst zurückversetzt durchlief er hier, seit 1932 als Archivobersekretär,<br />
1936 Archivinspektor, 1943 Archivoberinspektor, eine geradlinige Laufbahn, die 1954 mit<br />
<strong>de</strong>r Ernennung zum F. F. Archivar ihren Höhepunkt erreichte. Dazwischen hatte er seinem<br />
Jahrgang entsprechend aber nochmals Wehrdienst zu leisten; als Zahlmeister d. R ., zuletzt<br />
im Rang eines Stabsintendanten, geriet er am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s zweiten Weltkrieges in französische<br />
Kriegsgefangenschaft. Im April 1946 konnte ihm mit Zustimmung <strong>de</strong>r Besatzungsmacht das<br />
Archiv zur treuhän<strong>de</strong>rischen Verwaltung im wesentlichen unversehrt übergeben wer<strong>de</strong>n.<br />
Hermann Wieser war ein vorbildlicher Archivar. Nicht nur daß er "sein" Archiv mit<br />
<strong>de</strong>ssen noch aus <strong>de</strong>r kameralistischen Epoche stammen<strong>de</strong>n Einteilung bis in die hintersten<br />
Grün<strong>de</strong> kannte: er sah seine Aufgabe zunächst und vor allem darin, die Funktion eines<br />
Generalregistrators zu erfüllen und <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n Registratur unentbehrliche Hilfe zu<br />
gewähren. Damit Hand in Hand ging die Betreuung <strong>de</strong>r Archivbenützer sowohl im engeren<br />
wissenschaftlichen Sektor als auch überall dort, wo - mitunter sehr anspruchsvolle -<br />
Familienforscher und an<strong>de</strong>re Interessenten guten Rat und sehr viel Zeit in Anspruch nahmen.<br />
Mit Umsicht und nie erlahmen<strong>de</strong>r Ger.luld hat er Jahr für Jahr schriftliche und mündliche<br />
Auskünfte erteilt.<br />
Das so erlangte große Wissen für eigene literarische Arbeiten auszuwerten, trug er eher<br />
Be<strong>de</strong>nken, und es bedurfte mitunter freundschaftlicher Anregung, ihm ein auf ihn zugeschnittenes<br />
Thema so ans H erz zu legen, daß er selbst zur Fe<strong>de</strong>r griff. Die Zahl <strong>de</strong>r in Druck<br />
gelangten Arbeiten Wiesers ist daher, gemessen an seinem stupen<strong>de</strong>n Fachwissen, eher be-
schei<strong>de</strong>n geblieben. Neben einer Reihe von Artikeln, die er aus <strong>de</strong>r Archivarbeit heraus und<br />
in <strong>de</strong>ren Interesse für Tageszeitungen zu liefern hatte, sind vor allem Arbeiten zu nennen,<br />
die sich mit <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s Fürstenberg-Archivs zu beschäftigen hatten .·Eine in Donaueschingen<br />
veranstaltete Tagung <strong>de</strong>r Archivpfleger zwang Wieser, einem lebhaft interessierten<br />
Fachkreis über die eigene Erfahrungswelt zu berichten; daraus ist sei ne nützliche und längst<br />
unentbehrlich gewor<strong>de</strong>ne übersicht über "Das Fürst!. Fürstenberg. Archiv" (Mittei lungen<br />
für die Archiv- und Registraturpflege in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg IfI, 1954, S. 18 H.) hervorgegangen.<br />
Zurückzugreifen ist seitens <strong>de</strong>r am Archiv Tätigen und <strong>de</strong>r über Archivbaugeschi<br />
chte Forschen<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r auf die in unseren "Schriften" (XXV, 1960, S. 223 H. )<br />
erschienene eindringliche Studie über "Das Fürstlich Fürstenbergische Archiv zu Donaueschingen",<br />
<strong>de</strong>ren Untertitel ("Ein Beitrag zur Baugeschichte") das Anliegen <strong>de</strong>s Verfassers<br />
aufzeigt: aus minutiöser Auswertung <strong>de</strong>r Quellen heraus ein Bild von <strong>de</strong>r für seine Zeit ganz<br />
ungewöhnlichen Errichtung <strong>de</strong>s Donaueschinger Archivgebäu<strong>de</strong>s, ein Spiegelbild zugleich<br />
<strong>de</strong>r hohen Bewertung <strong>de</strong>s Archivs in einem absolutistischen Kleinstaat <strong>de</strong>s minieren 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts,<br />
zu geben. Als archivalischen Gelegenheitsfund veröffentlichte Wieser, ebenfalls<br />
in unseren "Schriften" (XXVI, 1966, S. 175 H.), die Miszelle " Heimführung und Hochzeitsmahl<br />
anläßlich <strong>de</strong>r Verheiratung <strong>de</strong>r Gräfin Ursula zu Fürstenberg mit <strong>de</strong>m Grafen Claudius<br />
von Neuenburg". Zum Sammelwerk " Joseph von Lassberg, Mittler und Sammler" ( 1955)<br />
trug er mit einer genealogisch-historischen Arbeit "Der Donaueschinger Zweig <strong>de</strong>r Familie<br />
Lassberg" (5. 51/64 mit Stammtafel) bei; für <strong>de</strong>nselben Sammelband fertigte er - wie auch Zl..<br />
an<strong>de</strong>ren Veröffentlichungen aus <strong>de</strong>m Archiv - das schätzenswerte Register. Aber weit größer<br />
ist die Zahl <strong>de</strong>r Fun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>ren Publikation er neidlos an<strong>de</strong>ren überließ.<br />
In Donaue chingen, <strong>de</strong>r Stadt, die ihm nun längst zur Wahlheimat gewor<strong>de</strong>n war, lebte<br />
Hermann Wieser zusammen mit seiner Frau und lange auch mit seinen Schwiegereltern im<br />
eigenen Haus, still und zurückgezogen, aber niemals untätig und keineswegs <strong>de</strong>n Kontakt mit<br />
<strong>de</strong>r menschlichen Umwelt scheuend. Als Mitglied ve rschie<strong>de</strong>ner Vereine, von <strong>de</strong>nen insbeson<strong>de</strong>re<br />
die "Lie<strong>de</strong>rtafel" genannt sei, war er, <strong>de</strong>r sich nie in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund drängte,<br />
geschätzt und beliebt. Gern gesehen war er im Kreise <strong>de</strong>r Archi vare, <strong>de</strong>ren Tagungen zu<br />
besuchen ihm Pflicht und Freu<strong>de</strong> zugleich war. Als Kreisarchivpfleger für <strong>de</strong>n alten Landkreis<br />
Donaueschingen vermochte er seine archivalische Erfahrung auch fachlichen Laien weiterzugeben.<br />
über Ehrungen seitens <strong>de</strong>s Fürstlichen Hauses und <strong>de</strong>s Staates mag er sich, auch wenn<br />
er <strong>de</strong>rlei nicht suchte, in <strong>de</strong>r häuslichen Stille gefreut haben. Ehren und Dank hat er vielfach<br />
verdient. Dank nicht zuletzt für alles, was er für <strong>de</strong>n Verein für Geschichte und aturgeschichte<br />
<strong>de</strong>r Baar im Laufe eines langen, trotz häufigeren Erkrankungen glücklichen Lebens<br />
getan hat.<br />
Karl s. Ba<strong>de</strong>r<br />
9
10<br />
Kuno Moser<br />
( 191 0- 1975)<br />
Am 22. Juni 1975 verstarb unser langjähriges Beiratsmitglied Kuno Moser an <strong>de</strong>n Fo lgen<br />
innere r Ve rl etzungen , die er bei einem Flugzeugabsturz in <strong>de</strong>r ähe von Pfo rz heim erlitten<br />
hatte.<br />
Seine Schwarzwäl<strong>de</strong>r H eimat und seine freun<strong>de</strong> verl o ren in ihm eine Persönlichkeit,<br />
die in einem kurzen achruf zu umreißen kaum gelingen kann. Sein en Lebenslauf chro nologisch<br />
a u fz uzeichnen bedarf es dagegen nur weniger D aten .<br />
D e r Verstorbe ne hat fas t ausschließlich in seiner H eimatgem ein <strong>de</strong> Unterkirnach gelebt.<br />
D o rt, im J ahre 1910 als So hn d es " Rößle-W irtes" Moser geboren , verbrachte er seine Kindheit,<br />
besuchte die D o rfsch ule und anschließend d ie weiterführen<strong>de</strong>n Schulen in Villingen und<br />
Schwenningen und ging in die Leh re <strong>de</strong>r Feintechnik bei <strong>de</strong>r Firma Ki enzle-Apparatebau ,<br />
Villingen . D anach ab o lvierte er noch einige Semester an <strong>de</strong>r T echnischen Hochschule in<br />
ß erlin . Zu Anfang d es Krieges grün<strong>de</strong>te er einen Betrieb <strong>de</strong>r Fei ntechnik in Unterkirnach,<br />
d en cr in d er achkriegszeit zu einem be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Unternehmen ausbaute. Im Jahre 1940<br />
-chloß e r die Ehe mit Mechthild Färber; 1966 zog e r sich aus <strong>de</strong>m aktiven G eschäftsleben<br />
z urüc k. Abe r ni cht, um in einen beschaulichen Ruhestand zu gehen , son<strong>de</strong>rn um sich endlich<br />
unbelastet von beruflichen Verpflichtungen ganz aktiv und ausschließlich sein en persönli chen<br />
Interessen und eigungen widmen zu können.<br />
Ein kn3ppes halbes Jahr vor seinem T o<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n ihm vo n <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Unterkirnach<br />
die Ehre n b ürgerrechte verliehen . Es war A usdruck <strong>de</strong>s D ankes ni cht all ein für Kuno M oser<br />
als U nte rnehmer, son<strong>de</strong>rn auch für sein e lan gjährige T äti gkeit als Gemein<strong>de</strong>rat und dafür, d3ß<br />
er sein em H eimatdorf sch lichtweg d urch sei ne Persönlichkeit 7um Beste n gedient hat.<br />
ein ganzes Leben war überschattet von einer schweren Krankheit, d ie beson<strong>de</strong>rs in<br />
seine r Jugend längere San3toriumsa ufe nthalte erfo r<strong>de</strong>rte. Aber d iese Kran kheit prägte ihn<br />
ganz beson<strong>de</strong>r , w ußte er doch gera<strong>de</strong> die langen Zwangspausen immer positi v zu nutzen ,<br />
sein Wissen z u erweitern und sich mit <strong>de</strong>n Dingen 311 gemein ausein a.n<strong>de</strong>rzusetzen .<br />
Zeit seines Lebens scheute er we<strong>de</strong>r Kosten noch Zeit, das arürliche, Ursprüngli che<br />
und Schöne in seiner enge ren und wei teren Umgebung zu fö r<strong>de</strong>rn und zu bew ahren . Diese<br />
enge Ve rb un<strong>de</strong>nheit mit <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r H eimat und <strong>de</strong>m Geschick <strong>de</strong>r M enschen in d ieser<br />
Gq~e n d b r3chte es mit sich, daß er sich von frühester Jugend schon für all es inte ressierte, was<br />
ihn umgab. Selbst engsten F reun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Verstorbenen fäl lt es heute noch sch wer, di ese Pe r<br />
sönlichkeit umfassend zu begreifen .<br />
Im R ahmen dieses N achrufes gilt es, das An<strong>de</strong>nken an <strong>de</strong>n För<strong>de</strong>rer <strong>de</strong>r H eimatfo r<br />
schung w achzuhalte n. Kuno Moser w3 r nicht nur im Beirat <strong>de</strong>' " <strong>Baarverein</strong>s", son<strong>de</strong>rn unter<br />
an<strong>de</strong>rem Mitglied d es " H eim3l- und Geschichtsverein s Villingen" und Beirat <strong>de</strong>s" För<strong>de</strong>rkreises<br />
für die ur- und frühgeschi chrliche Fo rschung in Ba<strong>de</strong>n e. V.". Diese Ve rei ne be<strong>de</strong>uteten<br />
ihm sehr viel. U m gekehrt e rhielten aber auch sie von <strong>de</strong>m Ve rstorbenen m anche inte res<br />
S311[e Anregungen. Soweit es ihm seine G esundheit eriJubte, l13hm er an Vo rträgen und<br />
Exkursio ne n teil und ergänzte dann die e ranstaltungen immer durch umfassen<strong>de</strong> Diskussionen<br />
. Es g3b kaum ein Pro blem , welches ihn nicht beschäfti gte; und sein unbändiger Drang,<br />
hinter di e geheimsten D inge d e Lebens zu kommen, hat ihm o ft in seiner Krankheit weite r<br />
geho lien , ihm neuen Lebensmut gegeben und ih n zu neuen U nternehmungen angespo rnt.<br />
N 3ch einer langen schweren Lungenentz ündung genesen, faßte er di e I<strong>de</strong>e, <strong>de</strong>r Magdalencnbcrg<br />
in Villingen müsse doch endlich wissenschaftlich untersucht und <strong>de</strong>r ungute<br />
Zustand, durch die Ausgr3bungen frühere r J ahre bedingt, beseitigt wer<strong>de</strong>n . Dank seiner persönlichen<br />
Beziehungen zu <strong>de</strong>n einschlägigen Kreisen gelang es ihm mit viel G eduld, persönli.:her<br />
Initiative und finanziell en Opfern, die Offentlichkeit für diese I<strong>de</strong>e zu gewinnen . Die<br />
drei Jahre dauern<strong>de</strong>n Ausgrabungen w ur<strong>de</strong>n zum aufsehenerregendsten E reign is in <strong>de</strong>r
11<br />
frühgeschichtlichen Forschung unseres südwest<strong>de</strong>utschen Raumes. Durch diese Ausgrabungen<br />
wur<strong>de</strong> Kuno Moser mit <strong>de</strong>r Dendrochronologie bekannt. Die einmalige und faszinieren<strong>de</strong><br />
Möglichkeit, anhand <strong>de</strong>s <strong>de</strong>ndrochronologischen Kalen<strong>de</strong>rs H o lzstücke aufgrund <strong>de</strong>r Struktur<br />
ihrer J ahresrin ge bis um ca. 60C v. Chr. exakt zu datieren und das Klima dieser ve rschi e<br />
<strong>de</strong>nen Perio<strong>de</strong>n ablesen zu können, begeisterten ihn so sehr, daß er alle ihm zur Verfügung<br />
stehen<strong>de</strong>n Kräfte mobilisierte, diesen Kalen<strong>de</strong>r erstmalig lückenlos im Großformat samt<br />
Film- und Anschauungsmaterial in einem von ihm gestalteten Raum <strong>de</strong>s Franziskanermuseums<br />
<strong>de</strong>r Stadt Villingen <strong>de</strong>r interessierten Offentlichkeit darzustellen. Die mustergültige Einrichtung<br />
eröffnet ein Forschungsfeld für zahlreiche Probleme unseres Raumes wei t über <strong>de</strong>n<br />
ursprünglichen Anstoß hinaus. Tragisch und für alle unfaßbar war es dann, daß er nach<br />
Vollendung dieser sich selbst gestell ten Aufgabe bei <strong>de</strong>r Erledigung einer letz ten Verpflichtung<br />
auf <strong>de</strong>m Flug z u <strong>de</strong>m Dendrochronologen Ernst H o llstein nach Trier tödlich verunglückte.<br />
Das H auptan li egen <strong>de</strong>s Verstorbenen war, möglichst viele Men chen aus ihrem Alltagstrott<br />
herauszuholen, ihnen die Natur und ihre Zusammenhänge näher zu bringen und damit<br />
auch manches Geheimnis zu lüften. Für diese Anliegen hat er gelebt und ist er schlu ßendlich<br />
auch gestorben.<br />
Allen, die ihn gekannt haben, wi rd er sicherlich unvergeßlich bleiben.<br />
H erben Cor<strong>de</strong>s
12<br />
Dr. Fritz Reinhold<br />
( 19 11 - 1976 )<br />
achmittags am 4. April 1976 wur<strong>de</strong> Forstdirektor Dr. Fritz Reinhold jäh aus <strong>de</strong>m<br />
Leben geri ssen . Erst einen Tag von einern mehrmals verschobenen Urlaub zurückgekehrt,<br />
starb er nur 8 Monate vor seiner Z uruhesetzung an einem H erzinfarkt.<br />
Dr. Reinho ld wur<strong>de</strong> am 2. 11. 19 11 in Dres<strong>de</strong>n geboren. Nach <strong>de</strong>m Abitur studierte er<br />
von 1930 bis 1934 an <strong>de</strong>r forstlichen Hochschule in Tharandt. Vo n 1934 bis zu einer im<br />
ovember 1939 erfo lgten Ei nberufung z um Kriegsdienst war er als Forstreferendar und<br />
Fo rstassessor im Sächsischen Staatsforstdienst bzw. am Reichsforstamt und hier seinen eigungen<br />
entsp rechend an <strong>de</strong>r Zentralstelle für forstliche Vegetationskartierung tätig. Während<br />
<strong>de</strong>s Krieges mehrfach verwun<strong>de</strong>t und ausgezeichnet, geriet er als H auptmann d . R . im Mai<br />
1945 in Kriegsgefangenschaft , aus welcher er im ovember <strong>de</strong>s gleichen Jahres nach Bad<br />
Dürrheim entlassen wur<strong>de</strong>, wo er mit sein er do rt inzwischen untergekommenen Familie zusammentraf.<br />
och während <strong>de</strong>s Krieges hatte er sich in TIlarandt habilitiert und auch für<br />
W aldbau und Forstgeschichte ei ne Dozentur erhalten.<br />
Am I. 8. 1946 trat Dr. Reinhold in <strong>de</strong>n Fürstlich Fürstenbergischen Forstdienst, wo er<br />
z unächst in <strong>de</strong>r Forsteinrichtung, bei <strong>de</strong>r Standortskartierung und dienstvertretend im Forstamt<br />
H e ili genberg täti g war. 194 7 wur<strong>de</strong> er z ur Forstdirektion als Referent berufen, wozu<br />
späterdie Funktion <strong>de</strong>s ständigen Stell vertn:ters <strong>de</strong>s Leiters <strong>de</strong>r Forstdirektion hinzukam.<br />
Dr. Rcinholds berufliche I nteressen waren sehr vielseitig. E r war ein ausgezeichneter<br />
Fachm:lIln auf <strong>de</strong>m Gebiete <strong>de</strong>r forstlichen Vegetation kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Standortskun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>s<br />
\Xf.lldbaues. Diesen wissenschaftli chen Fachgebieten widmete er sich bereit während seiner<br />
forstlichen Ausbildung und während sein es späteren beruflichen Wer<strong>de</strong>ganges, so daß sehr<br />
viele sein er Veröffentlichungen sich mit diesen Wis ensgebieten beschäftigen und internationale<br />
Anerkennung fan<strong>de</strong>n. Vorn 1. 2. 1962 bis 15. 7. 1965 erhielt er einen eh ren<strong>de</strong>n Ruf zur<br />
Ausübung <strong>de</strong>r Lehrtäti gkeit ein es Pro fessors für Waldbau an <strong>de</strong>r chilenischen Universität<br />
Valdivia.<br />
Auch in Fragen <strong>de</strong>r fo rstlichen Buchführung, <strong>de</strong>r Einheitsbewertung, <strong>de</strong>s Steuerrechts,<br />
<strong>de</strong>r Waldwertschätz ung und d es Grundstücksverkehrs wur<strong>de</strong>n sein Rat und seine umfassen<strong>de</strong>n<br />
Kenntn isse gerne in Anspruch genommen, und die zahlreichen Mitgliedschaften in fach <br />
li chen Gremien bezeugen sein fundiertes Wissen.<br />
Als Mensch mit einer hervorragen<strong>de</strong>n Allgemeinbildung und von universellem Wissen<br />
war Dr. Rei nho ld in seinem Wesen immer beschei<strong>de</strong>n und ausgeglichen. Er besaß die Gabe<br />
<strong>de</strong>s Zuhörenkönnens, und er war gegenüber <strong>de</strong>n Sorgen und öten seiner Ko ll egen und Mit<br />
:lrbeiter stets aufgesch lossen . Seine schweren Verwundungen und Gesundheitsschä<strong>de</strong>n als<br />
f o lgen sein e Kriegsdienstes trug er mit bewun<strong>de</strong>rnswerter Tapferkeit.<br />
Der Verei n für Ge 'chichte und aturge chichte <strong>de</strong>r Baar ve rdankt <strong>de</strong>m Verstorbenen<br />
eine rq';l" Mitarbeit und vie le w ichtige Veröffentlichungen.<br />
Ka rl K was nitschka
IJ<br />
Die Dresdner Hei<strong>de</strong>. Diss. 1937.<br />
Veröffentlichungen von Dr. hitz Reinhold<br />
Versuch einer Einteilung und Obersicht <strong>de</strong>r narü rlichen Fichtenwäl<strong>de</strong>r (Piceion exelsae) Sachsens, Tharandter<br />
Fo rstI . Jahrb. 90, 1939, S. 229-271.<br />
Die ßestockung <strong>de</strong>r kursächsischen Wäl<strong>de</strong>r im 16. Jahrhun<strong>de</strong>rt, Dres<strong>de</strong>n 1942, 140 S.<br />
D as Waldbil d Frankreichs. Z . Wcltforstwirtsch. 8, 1942 .<br />
Das Waldbild Ru ssland s. Z. Weltfo rstwirtSch. 9, 1942/ 43 , S. 56 1-646.<br />
Ergebnisse vegetationskund licher Untersuchungen im Erzgebirge, <strong>de</strong>n angrenzen<strong>de</strong>n Gebirgen und im nordsächsischen<br />
H ei<strong>de</strong>gebiet. Forstwiss. Centralbl. u. Tharandter Forstl. Jb. 95, 1944 .<br />
KRENN, K. und F. RE IN HOLD:<br />
Durchforstungskriterien <strong>de</strong>r wichtigsten Holz.rten . Schriftenreihe d. Bad . Fo rst!. Versuchsanstalt, 5, Freiburg<br />
194 7, 25 S.<br />
Zusammensetzung und Aufbau eines natürl ichen Eichen-Buchenwal<strong>de</strong>s auf <strong>de</strong>r Baar.<br />
Forstwiss. CentraJbl. 1949. S. 691 -698.<br />
Standort und Ertragsleistung.<br />
Allgem. Fo r tzeitschrift, 511950, S. 433 -435.<br />
Basaltmehl als forstliches Düngemittel. Don.ueschin gen 1952, 46 S.<br />
R BNER, K. unter Mitwirkung von F. REI HOLD:<br />
Die pflanzengeographischen Grundlagen <strong>de</strong>s Waldbaues. 4. Aufl. Ra<strong>de</strong>beul und Berlin 1953 . Seite 165, 178,<br />
179, 227, 281, 306, 456, 544.<br />
RUß ER, K. und F. REIN HOLD:<br />
Das natürliche Waldbild Europas . Is Grundlage für einen europäischen Waldbau . 1953 . Hamburg und<br />
Berlin, 288 S.<br />
Das natürliche Waldbild <strong>de</strong>r Baar und <strong>de</strong>r angrenzen<strong>de</strong>n Landschaften.<br />
Schriften <strong>de</strong>s Verein für Geschichte und aturgeschichte <strong>de</strong>r Baar, Don. uesch in gen. Heft 2411956, 5. 224-268.<br />
Quellen zur Geschichte <strong>de</strong>r Waldnutzung im Fü rstentum Fürstenberg.<br />
Schriften <strong>de</strong>s Vereins für Gesch ichte und aturgeschichte <strong>de</strong>r Baar. Heft 2811970, S. 279-308.
14<br />
Die Riedbaar<br />
Laubgehö lzc<br />
~ (Eichen, Bu chen, Eschen)<br />
Naddfo rsten<br />
1.0..0..0.\ (Fichte, Ki efer)<br />
~<br />
[53<br />
Auengebüsch<br />
(Weid en, Erlen, Pappel n)<br />
H albtro ~ kenr a en<br />
mit Weißdorn, Schlehen<br />
G I:ltlhaf erwicsen- -ßirkenmoor<br />
0 ... Acker-Komplex und Wei<strong>de</strong>n bruch<br />
Kohldistel - Pfe ifcn-<br />
Röh richte und<br />
[ll] ~rl ~ \Vicsrn - Komplex<br />
Großseggen rie<strong>de</strong>r<br />
SM<br />
Klei nseggen rie<strong>de</strong>r<br />
~ ( "" flachmoore) ~ .Stillgewässcr<br />
mmI<br />
bergangsmoon:<br />
7. T. abgerorft<br />
D<br />
gestö n e und besie<strong>de</strong>lte<br />
Flächen<br />
Faule Wiesen - Augrund<br />
Hüfingen - Donaueschinger Ried<br />
a) Espenspitze - Großes Ried<br />
b) Riedseen - Wuhrhä lzcr<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Hinterricd - Millclmeß<br />
Birken/ Unterhö lzer<br />
Uppen - Donauschlingen<br />
Abb. I : Die rea le Vegetation <strong>de</strong>r Ricdbaar un d d ie wichti gstcn Feuchtgebiete.<br />
Aus technischen G rün<strong>de</strong>n mÜS'lcn die Farbabbildungen in <strong>de</strong>r gezeigten Reihenfolge. abweichend von <strong>de</strong>r<br />
nannalen aufste igen<strong>de</strong>n umerie run g. gebracht wcrdl'll; wir bitten um Verständnis.
Die Riedbaar -<br />
ihre Biotope und ihr Bestand bedrohter Vögel<br />
15<br />
von Felix Zinke und Günther Reichelt<br />
mit 36 Abbildungen<br />
Fotonachweis: Abb. 2- 16: G. REIC H ELT, Abb. 34: A. SE ITZ, alle üb rigen: R. KALB .<br />
I . Einleitung<br />
Die Riedbaar zwischen Donaueschingen und <strong>de</strong>m Geisinger Trichter ist <strong>de</strong>r letzte<br />
zusammenhängend verbliebene Rest einer ökologisch noch einigermaßen intakten Landschaft<br />
zwischen <strong>de</strong>m Schwarzwaldrand und <strong>de</strong>m Albtrauf von nationaler Be<strong>de</strong>utung.<br />
Diesen Rang erhält sie nicht nur wegen ihres unverwechselbaren Landschaftscharakters,<br />
son<strong>de</strong>rn vor allem als ökologische Ausgleichs- und Regenerationsfläche, in welcher zahlreiche<br />
sonst seltene o<strong>de</strong>r sogar weltweit vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzen arten<br />
eines ihrer letzten Refugien gefun<strong>de</strong>n haben.<br />
Auf die absolute Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit di eser Landschaft ist nicht<br />
nur von Seiten <strong>de</strong>r Naturschützer, son<strong>de</strong>rn auch von Planungsgremien <strong>de</strong>r Region<br />
Schwarzwald-Baar-H euberg immer wie<strong>de</strong>r hingewiesen wor<strong>de</strong>n. Trotz<strong>de</strong>m ist das Gebiet<br />
weiterhin und sogar verstärkt bedroht durch Maßnahmen <strong>de</strong>s Straßenbaus, <strong>de</strong>r Flurbereinigung,<br />
<strong>de</strong>r Siedlungserweiterung, <strong>de</strong>r fals ch verstan<strong>de</strong>nen Aufforstung und durch zunehmen<strong>de</strong><br />
Verdrahtung <strong>de</strong>r Landschaft.<br />
Zuletzt hat die ARBEITSGEMEINSCHAFT UMWELTSCHUTZ SCHWARZ<br />
WALD-<strong>BAAR</strong>-H EUBERG (1976) in einer Dokumentation auf die Be<strong>de</strong>utung und Bedrohung<br />
<strong>de</strong>r Riedbaar hingewiesen. Hier soll nun eine breitere öffentlichkeit darüber<br />
unterrichtet wer<strong>de</strong>n, welche Vogelarten und welche ihrer Lebensstätten ganz konkret betroffen<br />
si nd. Bezügli ch <strong>de</strong>r bedrohten Vogelarten legen wir die " Rote Liste" <strong>de</strong>s Europa<br />
Rates (s. DEUTSCHER BUND FüR VOGELSCHUTZ, 1973) zugrun<strong>de</strong>. Wir stützen<br />
uns auf die systematischen Beobachtungen <strong>de</strong>r Brutvorkommen, <strong>de</strong>r Zug- und Rastfrequenzen<br />
sowie <strong>de</strong>s ü berwinterungstrends <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Voge/arten in <strong>de</strong>r Riedbaar<br />
während <strong>de</strong>r letzten 6 Jahre (FELIX ZI KE), sowie auf die pflanzensoziologische Kartierung<br />
<strong>de</strong>s Gebietes im Maßstab 1 : 25000, welche bis 1975 ergänzt wur<strong>de</strong> und in vereinfachter<br />
Form vorgelegt wird (GONTH ER REICHELT).<br />
Die Verfasser hegen die H offnun g, daß ihr Beitrag geeignet ist, die Riedbaar als un <br />
ersetzliches Natur- und Kultur<strong>de</strong>nkmal <strong>de</strong>utlich zu machen und die Schaffung eines weiträumigen<br />
Schutzgebietes zwischen Pfohren und G~tmadin ge n längs <strong>de</strong>r Donau einerseits<br />
und <strong>de</strong>m berei ts bestehen<strong>de</strong>n Naturschutzgebiet Birken-Unterhölzer sowie <strong>de</strong>m Gebiet<br />
Hinterried-Mittelmeß-Oesterwiesen an<strong>de</strong>rerseits durch weitere Argumente zu beschleunigen.<br />
1. Allgemeine Vo rbemerkungen<br />
11. Die Vegetationskomplexe als Biotope<br />
Die Aufnahme <strong>de</strong>r Biotope erfolgte auf pflan zensoziologischer G rundlage. Kartiert<br />
wur<strong>de</strong>n die Pflanzengesellschaften im Range von Assoziationen, teilweise auch von Subassoziati<br />
o nen. Dennoch erscheint es un zweckmäßig, diese Kartierung für die hier vordringliche<br />
Problematik unverän<strong>de</strong>rt zu übernehmen. Daher wur<strong>de</strong>n die Pflanzengesell <br />
schaften zu solchen Komplexen zusammengefaßt, die als Systeme weitgehend ähnlichen<br />
öko logischen Gefüges für die Vogelarten unmittelbare Be<strong>de</strong>utung haben. Auf diesen überlegungen<br />
beruht die Darstellung <strong>de</strong>r Abb. 1. Die Signaturen wur<strong>de</strong>n dabei so gewählt, daß
16 I·cli, Zinke / Günther Reidlclt<br />
die trockenen und fri schen Stando rte <strong>de</strong>s Grünlan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>r Äcker mit Punktsignaturen<br />
erscheinen, während die für unsere Problematik besond ers wichtigen Feuchtgebiete mit<br />
Strichsignaturen dargestellt wer<strong>de</strong>n, wobei die Dichte <strong>de</strong>r Striche weitgehend <strong>de</strong>m Bod enwasserdargebo<br />
t entspricht. Allerd in gs wi rd d ieses Prinzip bei <strong>de</strong>n o ffenen Gewässern aus<br />
techn is.:hen Grün<strong>de</strong>n ve rlassen .<br />
Die Betrachtung <strong>de</strong>r Abb. 1 läßt erkennen, welchen großen Umfang d ie Feuch tflächen<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Ri edbaar ei nnehmen. D arin beruht das öko logische Kapital d ieser Landschaft.<br />
:tch <strong>de</strong>m Inventar ihrer Vegetati o nskomplexe und übrigen Landschaftselemente<br />
eq.;eben s ich di e fo lgen<strong>de</strong>n T eill andschaften :<br />
I. Faule Wiesen - Augrund (no rdöstlich Do naueschingen)<br />
2. Hüfingen - Do naueschi nger Ried (östlich-s üdöstlich Do naueschingen)<br />
a) E penspitze - Großes Ried<br />
b) Riedseen - Wuhrhö lzer<br />
3. Hinterried - Mittelmcß (no rdöstlich Pfohren)<br />
4. Birken - Unterhö lzer (östlich Pfohren)<br />
5. Uppen - Donauschlingen (zwi schen Pfohren und N eudingen)<br />
Ihnen gemein sam ist, daß sie fast ausschließlich gebo rene Feuchtflächen sind mit<br />
grundwasserbeeinfluß ten Bö<strong>de</strong>n und daß Wäl<strong>de</strong>r im Landschaftsbild völli g zurücktreten,<br />
jedoch räumlich und funktio nell ko rrespo ndieren. Innerh alb di eses Rahmens variieren aber<br />
di e Bi o tope nach Art und U mfang beträchtlich, so daß die T eillandschaften vo n durchaus<br />
unterschiedlicher Be<strong>de</strong>utung für di e Vogelarten si nd.<br />
Eine kurze Vorstellung d er Biotope und ihrer Besatzung mag das ver<strong>de</strong>utlichen.<br />
1 D ie Biotopc<br />
,1) Fl id~gcw:i . ser mi t ferbc\\·uchs<br />
D ie: Do n,lu ~c lb ~t 'llwic: d ie: ,ahlrcichcn G räben <strong>de</strong>r Ricdbaa r zeichnen sich aus d u rch<br />
'·l'r\chi l,d ellc ~ u b !ll cr s e l) fLIIl /.cngöcll sc l1.l ftc n einc rsei ts und Rö hrichtgescll schaftcn längs<br />
.In U fe r ,lndcrl'r ~ei t,.<br />
In <strong>de</strong>r Do nau wechseln vegetatio nsarme Stellen-.IJlit solchen, die üppige U n t e r <br />
W:1 sse rrase n o<strong>de</strong>r S c hwimmbl a ttd ec k e n tragen (Abb. 2). DieFlut-Hahnenfuß- Rasen<br />
(Ranu/leulus fluiltlns) bevorzuge n strö mungs intensi ve Flußstrec ken. Langsamer fli eßen<strong>de</strong><br />
Abschnitte sind vo n Laichkrautgesellschaften besied elt; darin ko mmen POlamogeton pecti<br />
/latus, P. perfoliatus und P. crispus häufi g vo r. Sie zeigen sowo hl Schlamm bö<strong>de</strong>n als auch<br />
- im Zusammenhang damit - starke Eutro phierung an. Im G egensatz dazu wac hsen in<br />
<strong>de</strong>n schnell fließen<strong>de</strong>n Bächen im Bereich <strong>de</strong>r kalkreichen Kar tquellen nahe <strong>de</strong>r Gutterquelle<br />
das Dichte L:tichkraU[ (P. <strong>de</strong>nsus) und das stattliche Quellgras (Calabrosa aquatiea).<br />
üppig sind di e uferbegl eiten<strong>de</strong>n PFlan zen gese ll schaften ausgebil<strong>de</strong>t. D er Schwa<strong>de</strong>n<br />
(Glyeeria maxima und G . fluitans) wächst noch im Gewässer selbst. Ein mehr o<strong>de</strong>r<br />
weniger dichter G ürtel von Sc hilfrö hri c ht o<strong>de</strong>r Rohrglanzgras (Phalaris arundinaeea)<br />
säumt vo r allem die Donau auf lan ge Strecken. Beso n<strong>de</strong>rs ausgeprägt und ausge<strong>de</strong>hnt sind<br />
,lber die Gro ßse ggenrö hri c ht e . Wasser-Ampfer (Rumex aquatieus), Teich-Ampfe r<br />
(R. hy drolapathum), Gelbe Sch, ertlilie (Iris pseudacorus), Kalmus (Acorus calamus), Blutwei<strong>de</strong>rich<br />
(LYlhrum saliea ria) und die G roßseggen Ca rex gracilis. C. acutifo rmis, C. elata<br />
und C. eaeSpilOStl bil<strong>de</strong>n zuweilen schulterhohe Rö hrichte an <strong>de</strong>n seichten Uferpartien<br />
od er in <strong>de</strong>n flurmul<strong>de</strong>n, wo sie auch beson<strong>de</strong>rs umfangreich wer<strong>de</strong>n .<br />
Die natürlichen Uferdämllle tragen H oc h s taud e n sä um e , in <strong>de</strong>nen das Mäh<strong>de</strong>süß<br />
(Filipendula ulmaria) vorherrscht, aber auch <strong>de</strong>r ulllpf-Srorchschnabel (Geranium<br />
palustre), <strong>de</strong>r Blaue SWnllhut (Aconilum napellum), Wald -Engelwurz (Angeliea silvestris)<br />
und <strong>de</strong>r Große Baldrian (Valerianu officinalis) wachsen. Hier fin<strong>de</strong>n sich auch die Res[e<br />
- od er Vo rposten - d.: W eichho lz- Auenwal<strong>de</strong> mit Weid en büschen o<strong>de</strong>r -Bäumen
Die Ricdbaar 17<br />
<strong>de</strong>r Silberwei<strong>de</strong> (5alix alba), Bruchwei<strong>de</strong> (5. fragilis), Purpurwei<strong>de</strong> (5. purpurea), Korbwei<strong>de</strong><br />
(5. v iminalis) und ihrer Bastar<strong>de</strong>.<br />
Dieser Biotop beherbergt Rohrsänger in beachtlicher Siedlungsdichte. Zwergtauener,<br />
Krickente, Knäkente, Reiherente und Wasserralle unternahmen und unternehmen dort<br />
z. T. erfolgreiche Brutversuche. Wi e<strong>de</strong>rho lt wu r<strong>de</strong>n übersommerungen o<strong>de</strong>r sogar Ansiedlungsversuche<br />
d er Beutelmeise beobachtet. Bemerkenswert sind auch die zahlreichen<br />
und artenreichen Sumpf- und Wasservogelansammlungen während <strong>de</strong>r Zugzeiten im<br />
H erbst und Früh ja h r.<br />
Die geschil<strong>de</strong>rten Biotope sind in <strong>de</strong>r Teillandschaft "Uppen-Donauschlingen" zwischen<br />
pfohren und Gutmadingen beson<strong>de</strong>rs markant.<br />
b) Stau nasse his wechselfeuchte Wei<strong>de</strong>wiesen und Quellsümpfe<br />
In <strong>de</strong>n Teilbecken <strong>de</strong>r Riedbaar "Faul e Wiesen-Aubach" und " Riedseen" sowie in <strong>de</strong>n<br />
Gewannen " Brühl" und "Großbündt"
Abb. 2: Donau bei euding,·n. Fluthahncnfuß-Gesellschaft und Schwa<strong>de</strong>n-Röhricht. Das Ufer wird von Wei<strong>de</strong>n<br />
Auengebüsch gesäumt, am linken Ufer ist ein Hochstau<strong>de</strong>n-Saum entwickelt.<br />
Abb. 3: .1'hvil.·~~n und Röhridltt ,udlid, dn FluhpldllC" in <strong>de</strong>n (;~\\'.lnnen .,Fauk· \X'iöcn" unu "t\ubac.:h" .<br />
Hinu:n di ...· KI.'upl'rhi.i~~1 nördlidl pfohrcil.
Abb. 4: preiren~ras- \'.;·ic,~ mit drill Farn atlan7un~c. Redlls da'·on ßach-Ndkwurl.<br />
Abb. S:<br />
Davallseggen-Sumpf mit ßreitblättrigem Wollgras. ßreitblättrigem Knabenkraut und Kuckucks-Lichtnelke.
20 Fdix Zinke I Günther Rei chelr<br />
Bahnlinie um die Gunerquelle sind stark z urückgegangen durch unifonnieren<strong>de</strong> Landwirtschaft<br />
(Abb. 5). Frühlings- Enzian (Centiana verna) , Breitblättriges und Geflecktes Knabenkraut<br />
(Daaylorhiza majalis, D . maculata) erinnern an die früher hier vorhan<strong>de</strong>ne Fülle<br />
interessJnter Arten , zu <strong>de</strong>r außerhJlb <strong>de</strong>s Gebietes, aber noch in <strong>de</strong>r R iedbaar, die Mehlprimel<br />
und das Fleischrote Knabenkraut treten. Erwähnt sei nochmals das nicht eben häufige<br />
Quellgras (Catabrasa aquatica) in <strong>de</strong>n Gräben (KRAUSE, 1974) ..<br />
Der hi er dargestellte Lebensraum bietet bevorzugte Refugien für Graureiher und<br />
Weißstorch. Darüber hinaus brüten dort Kiebitz und Großer Brachvogel. Viele Kl einvogelarten<br />
wie Schafstelze, Wiesen pieper, Baumpieper, Feldschwirl, Braunkehlchen, Grauammer<br />
und Rohrammer sind ebenfalls anzutreffen.<br />
c) ie<strong>de</strong>r- und übergangsmoore verschie<strong>de</strong>ner Stadien<br />
Die ehemals weitläufigen übergangsmoore im Gebiet " Birken- nterhölzer" und<br />
"Hinterried-Mittelmeß" (3 und 4 in Abb. I) ind leid er durch Torfstich in ihrer Ursprünglichkeit<br />
zerstört wor<strong>de</strong>n (Abb. 6). übrig blieben aber genügend interessante Flächen mit<br />
RegenerJti onsstadien in <strong>de</strong>n Stichen selb t und Degradationsstadien in <strong>de</strong>r Umgebung <strong>de</strong>r<br />
trockengefallenen Stichrän<strong>de</strong>r. So ist z. B. im Mittelmeß ein Areal von über 1,5 qkm auf<br />
das Sukzessionsstadium <strong>de</strong>r Fbchmoore o<strong>de</strong>r sogar d er Großseggenröhrichte zurückgefallen<br />
(Abb. 7). An<strong>de</strong>rer eit wur<strong>de</strong> das ur ·prünglich waldfreie Sphagnum-Moor am Unterhölzer<br />
vorzeitig durch Entwässerung in die Verwaldungsstufe versetzt, ohne das Stadium<br />
echter H ochmoorbildung ganz erreicht z u haben.<br />
Aus <strong>de</strong>m verwirren<strong>de</strong>n 10saik <strong>de</strong>r hi er auf kleinstem RJume wechseln<strong>de</strong>n Pflanzen<br />
~esellschaften soll en einige lypische, funk tionell einheitliche Biotope herausgegriffen und<br />
kurz charakterisiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Verwaldungskomplex (vg l. Abb. I, Abb. 8) besteht im Kern aus Moorbirken<br />
und Waldkicfern. Dazwischen liegen auch größere Flächen von Torfmoosen, die tei lweise<br />
weiter wachsen. Die Sch lenken we rd en von Sphagnum cuspidatum, die Bulten meist von Sph.<br />
rubeflum gebil<strong>de</strong>t. Let7.tere sind oft von Moosbeeren (Oxyeoeeus paluslris) überwoben<br />
(Abb. 9). Randlieh gruppieren sich die meist halbkuge ligen Büsche von Ohrchenwei<strong>de</strong>,<br />
Grauwei<strong>de</strong>, Lorbeerwei<strong>de</strong> und Fa ulbaum (Rhamnus frangula).<br />
In diesem Biotop (vgl. Abb. 10, 11 ) sind Hei<strong>de</strong>lerche, Baumpieper, euntöter und<br />
Fitislaubsänger bezei chnen<strong>de</strong> Formen.<br />
Westlich und o r allem nordwestlich schließen sich mehr o<strong>de</strong>r weniger verhei<strong>de</strong>te<br />
Degradationsstadien <strong>de</strong>r ehemaligen Moore an, die jedoch immer wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n ständig<br />
nassen Torflöchern unterbrochen wer<strong>de</strong>n. Physiognomi ch herrschen Pfeifengras<br />
(Molinia coerulea) und Rasenschmiele (Desehampsia caespitosa) vor. Dazwischen wachsen<br />
,tber Juch die niedrigen, vom Rehwild verbissenen Büsche <strong>de</strong>r hoch seltenen Strauchbirke<br />
(Bctula humilis), ein echtes G lazialre li kt auf <strong>de</strong>r Baar (KRAUSE, 1970). Während in Torflöchern<br />
und Gräben R ö hricht~ aus Rohr-Glanzgras (Phala ris arundinaeea), Wasser<br />
Ampfer (Rumex aquatieus) , Gilbwei<strong>de</strong>rich (Lysimachia v ulgaris) und Schnabel-Segge<br />
(Ca/·ex raslrata) sie<strong>de</strong>ln, haben s i~h an an<strong>de</strong>ren gestö rten Stellen H ochstau<strong>de</strong>nflächen mit<br />
Mähdt'süß und Wald- Engelwurz eingestellt. Dazwischen ·treben lockere Gebüsche von<br />
Ohrchen- und Grauwei<strong>de</strong> auf (Abb. 1 I). Demgegenüber sind die tro c kengefallenen<br />
F I äc h e n oberhalb <strong>de</strong>r Stichkanten zwar auch von Pfeifengras beherrscht, doch breiten<br />
sich ;.1lIf <strong>de</strong>n ze itw~i se pulvertrockenen Torfen Trockenzeiger wie <strong>de</strong>r Thymian (Thymus<br />
pulegioi<strong>de</strong>s) - bevo rzugt auf Ameisenhaufen -, <strong>de</strong>r Torf-Schwingel (Festuca ovina lurfosa<br />
) und das Mausöhrchen (Hicracium pilose/la) aus. An<strong>de</strong>rerseits blüht hier <strong>de</strong>r Frühlin<br />
gs- Enzian (Centiana vema), und Mäh<strong>de</strong>süß, Schlangen- Knöterich, Bach-Nelkwurz sowie<br />
Wald- Engelwurz bezeugen Untergrundfeuchtigkeit.<br />
In diesem kleinmorpho logisch recht differenz ierten G elän<strong>de</strong> si nd Wiesenpieper,
Die Ricdbaar 2 1<br />
Baumpieper, Feldschwi rl , Sumpfrohrsänge r, Dorn grasm ücke, Braunkehlchen, Schwarzkehlchen,<br />
Grauammer und Rohrammer C haraktervögel teilweise seltener Verbreitung.<br />
Rebhuhn, Wachtel, Wachtelkönig und die Bekassine fi n<strong>de</strong>n hier großflächige Reviere. Vor<br />
allem haben auch die in beac htlichen Zahlen durchziehen<strong>de</strong>n und überwintern<strong>de</strong>n, teilweise<br />
sogar übersommern<strong>de</strong>n Sumpfohreul en und Ko rn weihen dort ih re traditionellen<br />
Sch lafplätze.<br />
Beson<strong>de</strong>rs im "Mittelmeß" nehmen di e R öh r ich t e größeres Au maß an. Breitblättriger<br />
Rohrko lben und Froschlöffel (A lisma plantago) bil<strong>de</strong>n bezeichnen<strong>de</strong> G ruppen. Das Schnabelseggen-<br />
Ried mit Carex rostrata enthält H er<strong>de</strong>n von Sumpf- und Sch lank-Segge (C acutifonnis<br />
und C gracilis), Blutwei<strong>de</strong>rich und Mäh<strong>de</strong>süß. Beson<strong>de</strong>rs im H erbst fa ll en die<br />
hohen braunen Stau<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Wasser-Ampfers auf (Abb. 7).<br />
Am Ran<strong>de</strong>, jedoch auch zwischen di esen hochständigen Röhrichten <strong>de</strong>hnen sich auch<br />
Kl e in seggenri e <strong>de</strong>r aus.<br />
Hier liegen nun die regelmäßigen Brutplätze von Stockente, Krickente, Wasserralle,<br />
Kiebitz und Bekassine. Gelegentlich sie<strong>de</strong>ln auch Brachvogel und Knäkente hier. Zur<br />
N ahrungssuche verweilen dort Weißstorch, Rohrweihe und Ko rn weihe. Dazu kommen so<br />
typische Kleinvögel wie Wiesenpieper, Feldschwirl, Rohrammer und manchmal die Schafstelze<br />
.<br />
d) Die künstlichen Weiher und Seen<br />
Von <strong>de</strong>n mittelalterlich aufgesta uten Fischweihern ist in <strong>de</strong>r Riedbaar nur noch <strong>de</strong>r<br />
U nterhölzer Weiher erhalten (Abb. 12). Dieses mesotrophe bis eu trope Gewässer ist vor<br />
allem im Westen und Nor<strong>de</strong>n von mo<strong>de</strong>llhaft schö nen Verlandungsgürteln gesäumt, an<br />
welche sich im Südwesten und Sü<strong>de</strong>n Wei<strong>de</strong>ngebüsche und Eichengehölz anschließen. Es<br />
ist sowohl ein breitflächiges Schilfröhricht entwickelt, als auch, vor allem im N o rdwesten,<br />
ein ausge<strong>de</strong>hntes Großseggenröhricht mit Sumpf- und Steifsegge (Carex acutiformis und<br />
C. elata), Igelkolben (5parganium erectum) und Schmal blättrigem Rohrkolben (Typha<br />
angustifolia). Das anschließen<strong>de</strong> Wei<strong>de</strong>ngebüsch enthält Bruch-, Lorbeer- und Purpur<br />
Wei<strong>de</strong>n .<br />
Hier haben sich bislang noch ziemli ch stö rungsfreie optim ale Rast- und Nistplätze<br />
für Rallen und Schwimmvögel ergeben. Erfolgreiche Brurversuche haben dort Haubentaucher,<br />
Zwergtaucher, Zwergro hrdommel, Schnatterente, Krickente, Knäkente, Reiherente,<br />
Wasserralle und Tüpfelsumpfhuhn unternommen. übersommerungen von Rothai -<br />
taucher, Rohrweih e und Beutelmeise wur<strong>de</strong>n beobachtet. Au f die individuenreichen Teichrohrsänger-<br />
und Ro hrammerbes tän<strong>de</strong> sei hingewiesen .<br />
An zahlreichen Stellen sind im Bereich <strong>de</strong>r Kiesschüttungen von Brigach und Breg<br />
Baggerseen entstan<strong>de</strong>n (Abb.I3). Scho n wird vo n ein er " Seenplatte" gesprochen . Soweit<br />
sie still gelegt sind , haben sich ei nerseits vielfach gesch lossene Röhrich te mit Breitblättrigem<br />
Ro hrkolben entwickelt; an<strong>de</strong>rerseits bestehen auch flache Kies-Sandufer, die nur von kurzlebigen<br />
Zwergbinsen-Gesellschaften (Nanocyperion) bes ie<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Auch an <strong>de</strong>n noch in<br />
Erweiterung begriffenen Seen stellen sich zunehmend Verlandungs röhrichte ein , <strong>de</strong>nen aber<br />
auf <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Abräumungszone breite Kiesflächen gegenüberl iegen.<br />
Hier sind wertvolle Wasservogel rastplätze für Tauchenten, Säger und Möwenanen<br />
entstan<strong>de</strong>n. Ansiedlungsten<strong>de</strong>nzen wurd: n bei Zwergtaucher, Kn äkente, Reiherente und<br />
WJsserralle, vor allem am unteren (Pfohren) und oberen Ri edsee (Hüfingen) beobachtet.<br />
A usreichen<strong>de</strong> istmöglichkeiten fin<strong>de</strong>n do n Flußregenpfeifer, Flu ßuferläufer und - ve r<br />
mutlich - Brachpieper.<br />
Auf di e seltene Gelegenheit, die Sukzession auch <strong>de</strong>r Wasserpflanze n verfolgen zu<br />
kö nnen , soll nur hingewiesen wer<strong>de</strong>n.
Abb. 6: Torf"ich im :-"Iiuelml'i, um 1%0.<br />
Abb. 7: Die ab~"wrften IlJd,,'n IIn Mitlcl111d\ h.tben ,ich IU all,~cdchnten Grollsc);gcn Ri;hriehlen entwickelt.
Abb. 8: Blick über das Schnabelseggen- Röhricht uer abgetorften Flächen <strong>de</strong>s Unterhölzer Birkenmoores zum Verwaldungskomplex.<br />
Dahinter <strong>de</strong>r Unterhölzer Wald mit adclforsten und Eichen- Buchenbestän<strong>de</strong>n.<br />
Abb. 9: Die Bulten aus Rötlichem Bleichmoos und Aufrechtem fraucnhaarmoos weruen \"On Moosbeeren<br />
überwoben.
24 Fdix Zinke I Günther Rcichclt<br />
e) Halbtrockenrasen und Gebüsche <strong>de</strong>r Keuperhügel<br />
Oberhalb und unterhalb pfohren sind süd- und südwestexponierte Hänge entlang<br />
<strong>de</strong>r Keuperstufe vorhan<strong>de</strong>n, die trockene Fettwiesen (A rrhenatheretum brometosum) o<strong>de</strong>r<br />
auch Halbtrockenrasen (Mesobrometum) tragen. Sie sind mit lockerem Gebüsch aus Weißdorn<br />
und Schlehe bestan<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n neuerdings Na<strong>de</strong>lmonokulturen angelegt, womit<br />
wichtige Biotope nachteilig verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n .<br />
Hier treten Hei<strong>de</strong>lerche, Baumpieper, Neuntöter, Domgrasmücke, Braunkehlchen,<br />
Schwarzkehlchen und Grauammer auf. Außer<strong>de</strong>m sind dort in <strong>de</strong>r Umgebung brüten<strong>de</strong><br />
Greifvogelarten aktiv. Diese thermikför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Gelän<strong>de</strong>schwellen ziehen Bussard- und<br />
Milanpaare, manchmal sogar rasten<strong>de</strong> Adler an.<br />
f) Komplex frischer bis trockener Wiesen und Äcker<br />
In <strong>de</strong>n letzten Jahren sind in <strong>de</strong>r Riedbaar zunehmend geborene Wiesenbö<strong>de</strong>n unter<br />
<strong>de</strong>n Pflug genommen wor<strong>de</strong>n . Wir lassen hier unerörtert, ob dieses vom bo<strong>de</strong>nkundlichen<br />
wie vom kleinklimatischen Aspekt aus beurteilt, auf Dauer sinnvoll ist. Wir registrieren,<br />
daß die intensiver bewirtschafteten Flächen <strong>de</strong>s genannten Komplexes nur <strong>de</strong>n anpassungsfähigeren<br />
Kulturfolgern unter <strong>de</strong>n Vögeln Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Immerhin liegen<br />
hier die Jagd reviere von Bussard , Milanen, Weihen, Falken und gelegentlich sogar<br />
Adlern, die auch Lauerpositionen in Form von Scheunengiebeln, Büschen und Baumgruppen<br />
fin<strong>de</strong>n. Ferner li egen in diesem Bereich die Paarungs- und Fortpflanzungsareale von<br />
Rebhuhn, Wachtel, Kiebitz und Feldlerche. Schließlich sind dort Brutstätten von<br />
Turmfalke und Schleiereule in <strong>de</strong>n Feldscheunen zu uchen.<br />
Ill. Die konkreten Bedrohungen<br />
I . Verkehrsentwicklung<br />
Die beschriebenen Biotope erfahren durch <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Umgehungsstraße (B 27) im<br />
Westteil <strong>de</strong>s Gebietes bereits erhebliche Beeinträchtigungen und Zerstörungen. Vor allem<br />
Abb. 14 :<br />
Wertvolle Röhridllbc\tänd" ",enkn 7u~eschüttet.
Die Riedbaar 25<br />
ist ein T eil <strong>de</strong>r owohl wissenschaftli ch als auch als Refugium gleicherm aßen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n<br />
aßflächen im Bereich <strong>de</strong>r Kalk-Aufstoßquellen als ve rlo ren z u betrachten (Abb. 14).<br />
W eit größere - und nicht mehr hinzunehmen<strong>de</strong> - Schä<strong>de</strong>n wird di e geplante eutrassierung<br />
<strong>de</strong>r B 31 Hüfingen - Teilhof anrichten.<br />
Einmal be<strong>de</strong>utet bereits die weitere Zerschn eidung <strong>de</strong>s Rieds eine Verkleinerung <strong>de</strong>r<br />
zusammenhängen<strong>de</strong>n Regeneratio nsflächen bis zum wahrscheinlichen Verlust ihrer Funktio<br />
nsfähigkeit. Sodann wer<strong>de</strong>n ni cht nur durch di e Straße selbst, son<strong>de</strong>rn vor allem durch<br />
<strong>de</strong>n beim Bau erfor<strong>de</strong>rlichen Maschineneinsatz unkontro ll ierbare und im Ausmaß nicht<br />
vorhersehbare Zerstörungen <strong>de</strong>s Bewuchses auf <strong>de</strong>n seitlichen Flächen verursacht<br />
( KRAUSE, 1974).<br />
E ntschei<strong>de</strong>nd ist aber, daß <strong>de</strong>r seit Jahrhun<strong>de</strong>rten traditio nelle Schlafplatz <strong>de</strong>r Saatgänse<br />
z wischen pfo hren und eudingen vom völligen Verlust bedroht ist. Nicht nur, daß<br />
d ie gepllnte D o naubrücke <strong>de</strong>n bisher ungestö rten Schlafplatz gefährlich einengt; son<strong>de</strong>rn<br />
es sind vor allem von <strong>de</strong>n Stö rungen während <strong>de</strong>s Baues <strong>de</strong>r Brücke lei<strong>de</strong>r entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Abwan<strong>de</strong>rungen z u erwarten .<br />
2. Verdrahtung <strong>de</strong>r Landschaft<br />
B ~s h e r war die Riedbaa r bis auf eine H ochspannungs leitung von Verdrahtung frei.<br />
Jetzt ist eine "Energiestraße" aus zwei parallelen, bis zu 64 m hohen G ittermastreihen<br />
über die Immenhöfe, durch das Mittelmeßmoor, östlich an pfohren vo rbei und durch die<br />
Riedbaar nach Sumpfohren bzw. zur Länge im Bau. Abgesehen von <strong>de</strong>r optischen Zerstörung<br />
<strong>de</strong>r Landschaft, die in einem G utachten von Prof. ROSSOW (1975) hervorgehoben<br />
wird, ist lei<strong>de</strong>r auch mit einer höheren Sterberate bei <strong>de</strong>n e in s trc~ i c h e n <strong>de</strong> n Wasservögeln z u<br />
rechnen . Das wirkt sich vor all em bei ebel, Schneetreiben und starker Luft bewegu ng aus.<br />
D er Bau eines im Zuge <strong>de</strong>r Ba hnstromleitung Vill ingen-Ko nstanz vo r ~ c sc h e ne n Um pan n<br />
werkes an <strong>de</strong>r D o nau bei pfohren wird die Saatgänse wahrscheinlich nachhaltig beeinträchtigen<br />
.<br />
3. Entwässerungen und Begrad igungen<br />
[m Zuge von Flurbereinigungen, aber auch beim Straßenbau und bei <strong>de</strong>r Anlage <strong>de</strong>s<br />
Golfplatzes wur<strong>de</strong>n und wer<strong>de</strong>n Feuchtflächen <strong>de</strong>r Ri edbaa r entwässert. Es soll hier nicht<br />
näher auf die kleinklimatisch und bo<strong>de</strong>nkundlich nachteiligen Folgen einer Entwässerung<br />
organischer aßbö<strong>de</strong>n eingegangen wer<strong>de</strong>n (vgl. hierzu SC H EFFER und SC HAC HT<br />
SC HABEL, 1952, S. 2 14, und ELLENBERG , 1963, S. 450). Auch auf di e abnehmen<strong>de</strong><br />
Dürreres istenz und die G rundwasserabsenkung soll nur hingewiesen wer<strong>de</strong>n (vgl. HOL<br />
Z[ GER und MIC KLEY, 1974). Wir warnen vor allem davor, daß mit z unehmen<strong>de</strong>r<br />
Entwässerung und mit zunehmen<strong>de</strong>m Ackerbau die Riedbaar ihre Funktio nsfähigkeit als<br />
ö kologische Regenerationsfläche und auch als Ausgleichsraum ve rl iert. ahezu alle <strong>de</strong>r<br />
hier erwähnten Vogelarten bed ürfen <strong>de</strong>r aßfl äc hen entwe<strong>de</strong>r als Brutplätze o<strong>de</strong>r als<br />
ahrungsgrundlage. D er Rückgang vieler Arten, insbeson<strong>de</strong>re z . B. <strong>de</strong>s Weißsto rchs, ist<br />
hauptsächlich verursacht o<strong>de</strong>r doch mitverursacht wor<strong>de</strong>n durch Entwässerungen (fHIE L<br />
C KE, 1974, S. 30/ 3 1). Man macht sich noch immer zu weni g klar, daß mit <strong>de</strong>r Entwässerung<br />
auch ein e Verringerung <strong>de</strong>s pflanzlichen Artenbestan<strong>de</strong> no twendig verbun<strong>de</strong>n<br />
ist (RE IC H ELT, 1966, S. 68), daß damit weiter zwangs läufig di e Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Tierartenbe<br />
tan<strong>de</strong>s fo lgt und daß damit ebenso zwangsläufig die Stö ranfä lligkeit <strong>de</strong>s gesamten<br />
ö ko logischen Systems langfri sti g zunimmt; letztlich sogar zum Scha<strong>de</strong>n für die Landwirtschaft.<br />
N euerdings wer<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r zunehmend Bachbegrad igungen vorgenommeri . D ie Wirkungen<br />
auf das La ndschaftsbild zeigt Abb. 16 am Beispiel <strong>de</strong>r Musel bei m Fischerho f.<br />
Viel schlimmer aber sind die Folgen für <strong>de</strong>n Landschaftshaushalt. Daß solche Begradi -
Abb. 10 : Die vom Pfeifen!;r.s beher .. chtc Moorflächcam Untcrhöl7cr/ Birken ist von Moorbirken- Faulbaum-Gcbüsch<br />
dur~h!t~{zl.<br />
Abb. 11: In <strong>de</strong>n abgetorftcn Fbchcn <strong>de</strong>s Moores kommt Pionier-Gebüsch aus Ohrchen-Wei<strong>de</strong>n . Grau-Wei<strong>de</strong>n und<br />
Strauch-Birken auf.
Abb. 12:<br />
ntnhöl7n Weiher mit Röhricht- und LJi.:hkrJut~ürr"1.<br />
Abb. 13:<br />
Baggersee " Im Winkel" nllt schmalem Röhrichtgürrel und Weidcn-Auengebüsch (meist Si lber-Wei<strong>de</strong>n).
Abb. 15:<br />
Tn)llbluTll4..'n - B ~H: hdi'h .. ·I-\V i4.·'t.· tllll 1')60.<br />
Ahb. 16 : HeuLt.: .. ind dUfI.:h Enrw:i"\st.'rungell und<br />
Bt..·~r.1J i~ lIn~c..'n \\ l.'rt \ olk' NaHg\?'bil'tC! \t:rlor('ngegJng,,:n .<br />
;'; U Il;';l'1l d .lS ahr u n~',lngl'bot fü r Sum pf- und Wasservögel nicht gera<strong>de</strong> begünsti gen,<br />
hed:1rf keill l' r B e ~ r li nd un g. Daß <strong>de</strong>r En<strong>de</strong>rfolg für d ie Land wi rtschaft fragli ch sein kann ,<br />
l)c' k~l'n H O LZ I GER und M IC KL EY ( 1974).<br />
4 . \\feitere Gefährdungen<br />
D il' b",s()Jl <strong>de</strong>rs im R,llIme Pfohren geübte Praxis, staunas,e Bo<strong>de</strong>Olm ul<strong>de</strong>n mit Ba u<br />
'chutt und H umus ,1lIfzufül len. vernichtet diese ökolo~isch wertvollen Fl ächen und damit<br />
dil' ll'bl'll,mi.i~lichkeil für viel e Arten, <strong>de</strong>ren Wert frt'ilich nicht nach Mark u lld Pfennig<br />
hl'rl'chnl't werdcn k:1l1ll.<br />
A u rrors lun gsmaßnahml'n im Bereich <strong>de</strong>r Keuperstufe bei pfohren mit Fichten<br />
und D o uglasien sin d unter <strong>de</strong>m h ier betrachteten Gesichtspunkt ebenso schädlich wie die<br />
im Berci ch <strong>de</strong>r Wuhrhölzcr vorgenommenen Fichtenpflanz ul1 gen auf <strong>de</strong>m Standort ein es<br />
noch vor wcnigen J ah ren intakten Birkenmoores. Die ö ko logische Verarmung reicht wesentlich<br />
ti efer als die all enfa ll s sofort sichtbare optische Beeinträchtigung <strong>de</strong>s Landschaftsb<br />
il <strong>de</strong>s durch M o notOni e.<br />
Die auffall en<strong>de</strong> Z unahme <strong>de</strong>s An ge l s p o rtb e tri e b es erstreckt sich praktisch auf a ll e<br />
Gewässer. D amit ist eine erhebliche Stö rung <strong>de</strong>r Vögel ve rbun<strong>de</strong>n. Eine UnterschutzsteIlung<br />
einiger W asserfl ächen im Bereich <strong>de</strong>r Riedseen und auch entlang <strong>de</strong>r Do nau - min<strong>de</strong>stens<br />
z w ischen pfo hren und G utn1.ld ingen - erscheint uns unabdingbar.<br />
Sehr bedauerli ch ist es w ... iterhin. daß die Do nau immer wi e<strong>de</strong>r rü c k s i c ht s los au f<br />
Wasser vöge l be jagt wird. Das gleiche gilt für <strong>de</strong>n Unterhö lzer Weiher. Einmal wirkt<br />
sich bereits die Beunruhigung nachteili g auf die Vogelbestän<strong>de</strong> aus (KAISER, 1975;<br />
W ISWESS ER, 1974). Sodann haben die aufge tö rten Trupps im systematischen Beschuß<br />
keine Ausweichmögli chkei ten . Die Folge sind bezeichnen<strong>de</strong> Begrenzungen <strong>de</strong>r Bestands-
Die Riedbaar 29<br />
enrwicklung auf Grund tiefer Schockprägungen. H äufig sind Abwan<strong>de</strong>rungen ganzer Verbän<strong>de</strong><br />
während <strong>de</strong>r jag<strong>de</strong>n im Spätherbst zu registrieren. Nur bei <strong>de</strong>n anpassu ngsfähi gen<br />
Stockenten kommt das nicht so erkennbar zum Ausdruck (s. NOWAK, 1975, S. 75). Als<br />
wirklich ve ranrwo rtungslo muß hier bezeichnet wer<strong>de</strong>n, daß G roßjag<strong>de</strong>n bei Nebel<br />
abgehalten wer<strong>de</strong>n. Der Abschuß von 2 Singschwänen und das Anschweißen eines weiteren<br />
Altvogels durch fürstliche j äger am 12. I. 1974 hat zum Erlöschen dieses traditionellen<br />
überwinterungsplatzes gefü hrt, <strong>de</strong>r über jahrhun<strong>de</strong>rte bestand.<br />
G roße Sorgen macht auch die übernutzung <strong>de</strong>r Riedseen durch E rh o lun gss<br />
u ehe nd e. Es scheint, daß sich die Veranrwortlichen in Gemein<strong>de</strong>n und Kreis nicht im<br />
Klaren si nd über ihre Verpflichtung zur Ordnung in <strong>de</strong>r Landschaft. Es ist dringend notwendig,<br />
an <strong>de</strong>n Riedseen bestimmte Schutzzonen auszuweisen und zu überwachen. So<br />
richtig es ist, daß <strong>de</strong>r Mensch ein Recht auf Erholung hat, so norwendig ist es auch,<br />
Mitverantwortung für vom Aussterben bedrohte Mitkreaturen zu übernehmen, die zu<strong>de</strong>m<br />
beredte Indikatoren für die zunehmen<strong>de</strong> Bedrohun g <strong>de</strong>r Lebens~rund l age n <strong>de</strong>s Menschen<br />
durch <strong>de</strong>n Menschen selbst si nd .<br />
I V. Die Bestandsentw icklung <strong>de</strong>r bedrohten Vogelarten<br />
1. A llgemeine Vorbemerkungen<br />
Wie einleitend bemerkt, umspannen die systematischen Beobachtungen <strong>de</strong>n Zeitraum<br />
von 1970 bis 1975. Die Beschreibung soll nun in <strong>de</strong>r Weise erfolgen, daß zunächst die<br />
Status-Kurzfolmel angegeben wird. Es folgen Beobachtungen über Brutbestand und Brutverdacht,<br />
sodann die Mittelwerte <strong>de</strong>r Bestan<strong>de</strong>sgrößen wäh rend bei<strong>de</strong>r Zugzeiten, ferner<br />
Mittelwerte zur überwinterung, schließlich Angaben zur übersommerung und zur Mauser.<br />
Wo es nötig scheint, folgen zusätzliche Bemerkungen.<br />
2. Die Entwicklung <strong>de</strong>r Arten in <strong>de</strong>r Riedbaar<br />
H a u ben t a u e he r (Podiceps cristatus)<br />
Regelmäßiger Brutvogel und Durchzügler, gelegentl ich auch Wintergast. Seit 1969<br />
brütet ein Paar am Unterhölzer Weiher. Etwa 8 Exemplare im März/ April, 20 im Oktober/<br />
Dezember. überwinterung unregelmäßig, je nach Gefrörnis stehen<strong>de</strong>r Gewäs er. Mauser<br />
am unteren Riedsee (pfohren) und U nterh ölzer Weiher (1-4 Exemplare). Die Ansiedlung<br />
könnte bei Vermin<strong>de</strong>rung von Stö rungen an <strong>de</strong>r Donau oberhalb Neudingen (Schutzzone<br />
nöti g!) begünstigt wer<strong>de</strong>n.<br />
R o thal s t a u che r (Podiceps griseigena)<br />
Unregelmäßiger D urchzügler und Sommergast. 1973<br />
hölzer Weiher. Schwingenmauser in Rohrkolbenbestän<strong>de</strong>n<br />
gust-Deka<strong>de</strong>.<br />
1 adultes Exemplar am Untervon<br />
2. Juli-Deka<strong>de</strong> bis 2. Au-<br />
Zw e r g ta ucher (Podiceps ruficollis)<br />
Regelmäßiger Brutvogel an allen meso- bis eutrophen Gewässern mit Unterwasserrasen.<br />
8-10 Paare am Unterhölzer Weiher, 6-8 Paare auf <strong>de</strong>r Donau (Pfohren-Gutmadingen),<br />
3 Paare auf unterem Riedsee ab 1974. 60 Exemplare im März/ April , 100 von September<br />
bis D ezember, vorwiegend auf <strong>de</strong>r D onau. überwinterung je nach Vereisungs grad<br />
40-90 Exemplare.<br />
G ra u re i her (Ar<strong>de</strong>a cinerea), Abb. 18<br />
Regelmäßiger Brutvogel. Die Bestandsenrwicklung zeigt Abb. 17. Es wer<strong>de</strong>n offenbar<br />
2 getrennte Horstplätze im Unterhölzer Wald angeflogen, doch scheint sich lei<strong>de</strong>r 1976<br />
eine Umsiedlung zu voll ziehen. Zu <strong>de</strong>n Zugzeiten wur<strong>de</strong>n März/ April 10- 15 Tiere
Abb. 20:<br />
Rot~r 1\1ilal1 mit J"I1~
Abb. 30:<br />
Erpel <strong>de</strong>r Moorentc.<br />
Abb. 3 1:<br />
Kiebitz brütend.
32 Fdi, Zin ke / Günther Reiche"<br />
beobachtet, während sich die H erbstfrequenzen im Beobachtungszeitraum wie folgt entwickelten:<br />
7; 14 ; 13; 25; 37 Exemplare. In normalen Wintern überwintern 2 Exemplare. In<br />
<strong>de</strong>n letzten bei<strong>de</strong>n Wintern (73/ 74 und 74/ 75) waren Gruppen von 8- 12 Ind ividuen zu<br />
beobachten.<br />
5<br />
Paare<br />
' - ' /<br />
/"-./<br />
19 70 72<br />
GRAU REJHER<br />
76<br />
Abb. 17:<br />
I3c>lJnoncl1lwi.:klun g beim Graurciha 1970· 1976.<br />
Als Ursache für <strong>de</strong>n auffälligen Zuwachs mögen u. a. die beschleunigten Kleinsäugerzyklen<br />
(mil<strong>de</strong> Winter?) infrage kommen.<br />
Pur pur r e i h er (A r<strong>de</strong>a purpurea)<br />
Unregelmäßiger, spärlicher Durchzügler. 1-2 Individuen von Anfang Mai bis Mitte<br />
Juni. Bevorzugt wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>ckungsreiche Buchten am Unterhölzer Weiher und <strong>de</strong>r Donau<br />
(Pfohrcn-Gutmadingen).<br />
Zwergrohrdommel (lxobrychus minutus)<br />
Unregelmäßiger Brutvogel. 1969 brütete Paa r am Unterhölzer Weiher, wohl die<br />
höchste Ansiedlung Mitteleuropas (674 m NN). Währs:nd <strong>de</strong>r Zugzeiten nur wenige Feststellungen.<br />
Geschlossene, großflächi ge re Röhrichte könnten die Regeneration <strong>de</strong>s in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg<br />
stark geschrumpften Bestan<strong>de</strong>s begünstigen.<br />
Saatgans (Anser Jabalis rossicus), Abb. 21<br />
Regelmäßiger, in abnehmen<strong>de</strong>r Zahl vorkommen<strong>de</strong>r Wintergasi. In <strong>de</strong>n Zugzeiten ziehen<br />
spo radisch meist abgetriebene Populationen bei Wetterstürzen nach Westen. Die in <strong>de</strong>r<br />
Baar von September bis Dezember bzw. von Januar bis Februar eintreffen<strong>de</strong>n Sippen<br />
wer<strong>de</strong>n in ihrer zahlenmäßigen Enrwicklung in Abb. 22 dargestellt.<br />
Der Abzug erfolgt jeweils in <strong>de</strong>r 1./2. März<strong>de</strong>ka<strong>de</strong>, nach kälteren Wintern im vo ri <br />
gen Jahrzehnt erst in <strong>de</strong>r I. April<strong>de</strong>ka<strong>de</strong>. Behin<strong>de</strong>rte Individuen verharren bisweilen bis<br />
Mitte Mai .<br />
Als Asungsplätze wer<strong>de</strong>n überrieselte Flächen, staunasse Bo<strong>de</strong>nmul<strong>de</strong>n und auch<br />
Stoppelacker- und Wintersaatflächen angenommen. Beson<strong>de</strong>re Gefährdung erwächst <strong>de</strong>r<br />
Art durch die Einengung ihres Aktionsbereiches infolge <strong>de</strong>r Verkehrsnetzverdichtung. Ob<br />
ein Einfluß chemischer Präpa rate z. B. während <strong>de</strong>r Düngungen am Rückgang <strong>de</strong>s Bestan<strong>de</strong>s<br />
mitbeteili gt ist, bleibt zunäc hst ungeklärt.<br />
W e iß s torc h (Ciconia ciconia), Abb. 19<br />
Regelmäßige r, heute spärli cher Brutvogel. Derzeit nur 1-2 Horstplätze in pfohren<br />
und Neudingen. Die Enrwicklung <strong>de</strong>r Horstplätze seit 1920 (unter Rückgriff auf K .
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Abb. 21:<br />
Saatgänse im Kenenflug am Unterhöl,,-cr.<br />
WACKER, 1928) zeigt Abb. 23 . Zugfeststellungen beziehen sich auf gelegentliche EinzeItiere<br />
o<strong>de</strong>r kleine Gruppen. Im Sommer bleiben 2-4, meist verpaarte Tiere (z. T. fortpflanzungsunfähig<br />
infolge Pestizidwirkung in <strong>de</strong>n überwinterungsgebieten?). Das in pfohren<br />
sie<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Paar war 1974 mit 4, 1975 mit 3 und 1976 mit 4 Jungen recht erfolgreich. Zur<br />
Begünstigung weiterer Ansiedlungen wäre die Erhaltung von Naßwiesen unerläßlich.<br />
Horste<br />
150<br />
100<br />
5 0<br />
\ JAN-MÄRZ<br />
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10<br />
5<br />
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WEISS-STORCH<br />
.<br />
\-"<br />
." 0-.<br />
192030 1,0 50 60 70<br />
Abb. 23:<br />
Zahl <strong>de</strong>r besetzten Ho rste <strong>de</strong>s Weiß-Sto rches<br />
in <strong>de</strong>r Bau .<br />
SAATGANS<br />
70 11. 72 73 71, 75<br />
71 72 73 71, 75 76<br />
Abb. 22:<br />
Rastfreq uenzen <strong>de</strong>r Saatgans im Dezember und von<br />
Jan uar-Män zwischen 1970 und 1976.<br />
J Schriflen <strong>de</strong>r B.ar 31/76
34 I·('!ix Zinke Günther Rl'icheh<br />
Schwarzstorch (Ciconia nigra)<br />
Ehemali ger Brutvogel, <strong>de</strong>r nach WAC KER (1928) im Wuhrholz horstete. Zwischen<br />
August und September sind regelmäßig 1-2 Tiere zu Gast. Sie halren sich, wenn stö rungsfrei,<br />
in <strong>de</strong>n Feuchtflächen am Mittelmeß, Birken/Unterhölzer und Faule Wiesen (Flu g<br />
platz!) auf. Mit <strong>de</strong>r geplanten Flugplatzerweiterung wür<strong>de</strong>n die Riedflächen im Gewann<br />
,,Faule Wiesen" in Wegfall kommen.<br />
Singsc h wa n (Cygnus cygnus), Abb. 24<br />
Unregelmäßiger spärlicher Wintergast. Zwischen 1942 und 1946 beobachtete<br />
WACKER ( 1960) wie<strong>de</strong>rholt 8- 11 Exemplare. D ie höchsten Beobachtungsdaten betreffen<br />
die Monate März/April. Nach <strong>de</strong>m Polarwinter 1962/63 wur<strong>de</strong>n 5 adulte und 3 juvenile<br />
T iere auf <strong>de</strong>r Brigach (Marbach) und Donau beobachtet. 1m letzten Jahrzehnt wur<strong>de</strong> regelmäßig<br />
ein traditionell einfl iegen<strong>de</strong>s Paar nachgewiesen, das zuweilen erbrütete jungvögel<br />
mitführte. Seit <strong>de</strong>r Zersplitterung <strong>de</strong>r Familie durch fürstliche jäger im Januar 1974 keine<br />
Wahrnehmungen mehr.<br />
P fe i fe n te (Anas penelope)<br />
Alljährlicher Durchzügler und Wintergast. Im März wer<strong>de</strong>n durchschnittlich 20 Individuen,<br />
im Oktober/ ovembcr 30 beobachtet. Der Oberwinterungstrend korrespondiert<br />
wohl mit <strong>de</strong>n Wetterbedingungen an <strong>de</strong>n traditionellen Liegeplätzen an ord- und O stseeküste.<br />
In <strong>de</strong>n frostreichen Perio<strong>de</strong>n zwischen 1950 und 1960 wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Riedbaar 150-<br />
250 Exemplare gezählt. 1m mil<strong>de</strong>n Trockenwinter 1971 / 72 nur 20 Tiere. 1m Ganzen ergibt<br />
sich seit<strong>de</strong>m ein <strong>de</strong>utlicher Anstieg: 1972 173, 45 Exemplare; 1973/ 74 , 40; 1974/ 75, 55;<br />
1975/ 76, 80 Exemplare.<br />
Schnatterente (Anas sIrepera)<br />
Sporadischer Brutvogel. 1974 1-2 Brutpaare am Unterhölzer Weiher, 1976 2 erfolgreiche<br />
Bruten (6; 5) ebendort und bei N eudingen. Alljährlicher Durchzügler; von August<br />
bis November 1971 wur<strong>de</strong>n 30 Tiere gezählt, in <strong>de</strong>n fol gen<strong>de</strong>n Jah ren 10, 20, 10 und 15<br />
Exemplare.<br />
Der Oberwinterungstrend ist in <strong>de</strong>n letzten 2 Jahren auf 6- 10 Exemplare angewachsen .<br />
Abb. 24:<br />
Singschwäne.
Die Riedbaar 35<br />
Krickente (Anas CTecca)<br />
Regelmäßiger, spärlicher Brutvogel, alljährlicher Durchzügler und Wintergast. 3-5<br />
Paare brüten am Unterhölzer Weiher, in Torfstichgruben <strong>de</strong>s Mittelmeß-Moores und bei<br />
Birken-Unterhölzer sowie auf <strong>de</strong>r Donau oberhalb Neudingen. Im Mittel <strong>de</strong>r Jahre 1970-<br />
75 w ur<strong>de</strong>n als Durchzügler registriert: 10-20 August/September, 50-90 OktoberlNovember<br />
und 20-40 Exemplare März/ April. Ungewöhnliche Abweichungen davon hängen - wie<br />
übrigens auch bei <strong>de</strong>r Schnatterente - vom Schlickflächenangebot ab.<br />
Die Winterergebnisse schwanken je nach Gefrörniszustand und Wasserstand zwischen<br />
30 und 80 Individuen.<br />
Stockente (Anas platyrhynchos)<br />
H äufiger Brutvogel, indi vi duenreicher Durchzügler und Mausergast sowie in größerer<br />
Zahl verharren<strong>de</strong>r Uberwinterer.<br />
Mit rund 200 Brutpaaren sind weitgehend alle Nischen <strong>de</strong>s Wetlandgebietes <strong>de</strong>r Riedbaar<br />
besetzt. Als mittlere Durchzugsfrequenzen ergaben ~ich für September/Oktober 900,<br />
November/ Dezember 1300 und März/ April 400 Exemplare. Die im Frühjahr eingesch<br />
ränkte Rastfrequenz wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Gruppen ergibt sich daraus, daß zonale Verbän<strong>de</strong> bereits<br />
verpaart si nd. Im Winter bleiben je nach Vereisungsgrad und Schneelage zwischen 600 und<br />
1200 Exemplare in <strong>de</strong>r Riedbaar. Große Verbän<strong>de</strong> sammeln sich ab En<strong>de</strong> Juni, vorzugsweise<br />
in <strong>de</strong>n <strong>de</strong>ckungsreichen Buchten <strong>de</strong>s Unterhölzer Weihers, zum Zweck <strong>de</strong>r Schwingen-<br />
und Kleingefie<strong>de</strong>rmauser. Durchschnittlich wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r I . Junihälfte 200 Tiere gezählt,<br />
die bis zur 2. Augusthälfte auf etwa 800 Exemplare anwachsen.<br />
S pie ß e nt e (A nas acuta)<br />
Alljährlicher Durchzügler, sporadischer Wintergast. Die beobachteten Werte schwanken<br />
beträchtlich, wohl im Zusammenhang mi t <strong>de</strong>m Angebot zusagen<strong>de</strong>r Rastflächen (Uberschwemmungsfl<br />
ächen, heraustreten<strong>de</strong> Laichkraut-Fluthahnenfuß-Flächen in <strong>de</strong>n Gewässern<br />
). Im Frühjahr wur<strong>de</strong>n zwischen 3 und 21 Exemplare gezählt. Im OktoberlNovember<br />
zwischen 10 und 41 Exemplare, wobei sich für die Herbsrfrequenzen ei ne wachsen<strong>de</strong><br />
Ten<strong>de</strong>nz abzeichnet.<br />
überwintern<strong>de</strong> Tiere wur<strong>de</strong>n in kleinen Trupps von 3-7 Exemplaren beobachtet.<br />
K n ä k e n t e (Anas querquedula)<br />
Unregelmäßiger Brutvogel und alljährlicher Durchzügler. Zusagen<strong>de</strong> Standorte <strong>de</strong>r<br />
sporadisch brüten<strong>de</strong>n 2-5 Paare sind <strong>de</strong>r Unterhölzer Weiher, die Donau oberhalb Neudingen<br />
und die Torfstichgruben im Gebiet Mittelmeß und Birken/ Unterhölzer. Auch 1976<br />
war ein e Brut (6) erfolgreich . An Durchzüglern wur<strong>de</strong>n 1963 im April/Mai etwa 70 Exemplare<br />
gezählt. Im Jahr 1972 ergaben sich im Mittel 25 (maximal 36) Tiere für März, 36<br />
(maximal 55) E~em pl a r e für April und 35 (maximal 52) für August.<br />
Löffel e nte (Anas clypeata)<br />
Sicherer Brutvogel und alljährlicher Durchzügler. Ein Ansiedlungsversuch und<br />
übersommerung wur<strong>de</strong>n bei 2 Paaren am Unterhölzer Weiher 1975 beobachtet. Vermutlich<br />
erfolgte Gelegeverlust bei raschem Anstieg <strong>de</strong>s Wasserspiegels, En<strong>de</strong> Juni. 1976 2 erfolgreiche<br />
Bruten (8; 5) ebendort und bei Neudingen.<br />
Während die Zahlen <strong>de</strong>r Durchzügler im Frühjahr stark, nämlich zwischen 3-5<br />
( 1970/ 71 ) und etwa 20 ( 1973), schwanken, liegt die Herbstfrequenz im langjährigen<br />
Durchschnitt bei 15-25 Tieren.
36 reli. ZinkclGiilllhcr Rci chdl<br />
Tafelente (Aythya ferina)<br />
Traditioneller Durchzügler und Wintergast bei anwachsen<strong>de</strong>n T ruppstärken .<br />
Die fo lgen<strong>de</strong> Tabelle faßt die beobachteten Frequenzen für die Z ugzeiten und die<br />
überwinterung zusammen (Mi ttelwerte; Maximalwerte in Klammern):<br />
Mär7 / April Scpl./Oktobcr Winter (Dcz.lFcbr.)<br />
1970 6 ( 11 ) 30 ( 48) 10 ( 17)<br />
1971 6 ( 10) 70 ( 100) 30 ( SO)<br />
1972 35 (SO) 30 ( SO) 15 ( 30)<br />
1973 30 (SO) SO ( 80) 40 ( 70)<br />
1974 30 (55) 30 ( 60) 40 ( 80)<br />
1975 40 (70) 110 (2 10) 70 ( ISO)<br />
Diese auffa llen<strong>de</strong> Zunahme hängt wohl mit ein er Arealerweiterung <strong>de</strong>r Art zusammen<br />
(vermehrtes und verbessertes Biotopangebot durch Intensivierung <strong>de</strong>s Kiesabbaus?) sowie<br />
mit einer Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>rwege und Entstehung neuer Winterquartiere (Zusa m<br />
menhang mi t Dreissensia-Explosion im Bo<strong>de</strong>nsee?).<br />
M oo rente (Aythya nyroca), Abb. 30<br />
Zunehmend auftreten<strong>de</strong>r, z uweilen auch überwintern<strong>de</strong>r GastvogeI.<br />
Seit 1972 wer<strong>de</strong>n regelm äßig zu bei<strong>de</strong>n Zugzeiten 1-3 Exemplare am Unterhölzer<br />
Weih er und auf <strong>de</strong>r Donau oberh alb Neudingen beobachtet, die mit <strong>de</strong>n Tafelenten<br />
Trupps ve rgesell schaftet sind. Auch die überwintern<strong>de</strong>n Tiere <strong>de</strong>r Jahre 1974/ 75 und 1975/<br />
76 wur<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Liegeplätzen <strong>de</strong>r Tafelenten beobachter.<br />
R e ih e r e n t e (Aythya f uligula)<br />
Regelmäßiger Brutvogel und Durchz ügler, Abb. 25.<br />
197 1 wur<strong>de</strong> erstmals ein brutverdächtiges Paar (Donau unterha lb Donauesch ingen)<br />
beobachtet. 1972 brüteten 5 Paa re, davon waren 2 Paa re mit 4 bzw. 7 Jungen erfolgreich<br />
(Do nau o berhalb Neudingen und oberhalb Pfohren). Ein Ansiedlungsversuch erfolgte am<br />
oberen Riedsee (Wuhrho lz), wur<strong>de</strong> aber durch N aherholu ngsve rkeh r vereitelt. 1973 b rüte-<br />
Abb. 25:<br />
~l ä nn l' hc:n<br />
<strong>de</strong>f Rcihrrc llrc.
Die Ri edbaar 37<br />
ten 5 Paare, davon 4 erfolgreich mit 5, 4, 4 und 6 Jungen (wegen zunehmen<strong>de</strong>m Angelspo<br />
rt oberhalb pfohren konzentrierte sich die Bruttätigkeit auf die Donau unterhalb<br />
Pfohren). 1974 brüteten 7 Paare, davon 3 erfolgreich mit 4, 3 und 7 Jungen (Donau oberhalb<br />
Neudingen). 1975 brüteten 13 Paare, davon 2 erfolgreich mit 6 und 3 Jungen (unterer<br />
Riedsee), 3 mit 3, 4 und 6 Jungen (Donau oberhalb Neudingen) und I Paar mit 6 Jungen<br />
am Unterhölzer Weih er. 1976 erbrachte 6 erfolgreiche Bruten, davon 3 an <strong>de</strong>r unteren<br />
Brigach.<br />
Die zugphänologische Entwicklung streut ähnlich wie bei <strong>de</strong>r Tafelente bei insgesamt<br />
nur rund 60% <strong>de</strong>r dortigen Frequenzen. Maximal wur<strong>de</strong>n 1975 etwa 150 Exemplare gezählt.<br />
Nur wenige Tiere überwintern bei uns, doch stei gt die Zahl bei ausbleiben<strong>de</strong>r Vereisung<br />
ähnlich wie bei <strong>de</strong>r Tafelente ab Januar wie<strong>de</strong>r an.<br />
Bergen t e (Aythya marila)<br />
Alljährlicher Durchzügler mit stark schwanken<strong>de</strong>n Zahlen in Korrelation zu nordöstlichen<br />
Kaltluftströ mungen. Bevorzugte ahrungsgrün<strong>de</strong> sind die Riedseen. Im November<br />
1975 wur<strong>de</strong>n 12- 14 Exemplare beobach tet.<br />
Ei<strong>de</strong>re n te (Somateria. mollissima), Abb. 26<br />
Alljährlicher Durchzügler auf <strong>de</strong>r Baar seit <strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>rmuschel-Ausbreitung im<br />
Bo<strong>de</strong>nsee. Angenommen werd en alle tiefgründigen Tauchenten-Liegeplätze, vorzugsweise<br />
die Baggerseen. Registriert wur<strong>de</strong>n 197 1 (Sept./OktOber) 2 Exemplare; 1973 (Nov./Dezember)<br />
7; 1974 (Nov./Dezember) 2 und 1975 (Nov./Dezember) 1 Exemplar.<br />
Sch e ll en t e (Bucephala clangula)<br />
Regel mäßiger Durchzügler und Wintergast.<br />
Je nach Witterungseinfluß sind die Einflugsergebnisse unterschiedlich. So wur<strong>de</strong>n 1971<br />
durchschnittlich 10 Exemplare (max. 26) im O ktOberlNovember, 1975 8 Exempl are<br />
(max. 17) im November/ Dezember gezählt. Befl ogen wer<strong>de</strong>n ebenfalls alle größeren<br />
Wasserfl ächen. Als Ruhepl ätze sind die sich ständig aus<strong>de</strong>hnen<strong>de</strong>n Baggerseen hervorzuheben.<br />
Abb. 26:<br />
Weibchen<br />
<strong>de</strong>r Ei<strong>de</strong>rente.
38 J'clix Zinke / Gunthcr Rei cheh<br />
Gän sesäge r (Mergus merganser)<br />
Brutvogel im achbargebiet (Wutach) sowie periodisch auftreten<strong>de</strong>r Durchzügler und<br />
- allerdings im Bestand zurüc kgehen<strong>de</strong>r - Winterga t.<br />
Die durchz iehen<strong>de</strong>n Gänsesäger halten sich nur kurz fri sti g in <strong>de</strong>r Riedbaar auf, wo hl<br />
w eil grö ße re, stö rungsfreie Liegeplätze auf ausge<strong>de</strong>hnten Wasserflächen bislang fehlten .<br />
D er fo rt chreiten<strong>de</strong> Kiesabbau kö nnte hier, auch wegen <strong>de</strong>s wahrscheinlich wachsen<strong>de</strong>n<br />
ahrungsangebo ts ( f-i schgrün<strong>de</strong> !), eine Verbesserung bringen .<br />
I n d en Beobachwngsjahren wur<strong>de</strong>n im M ärz/April zwi 'chen I und 5 Exemplare und<br />
Im ovembe r/ D ezem ber 1- 11 Exempl are registriert.<br />
Im Durchschnitt <strong>de</strong>r W inter 1969/ 70 - 1973/ 74 überw interten 3-5 Exemplare, in <strong>de</strong>n<br />
J ahren danach <strong>de</strong>utlich weniger. Das <strong>de</strong>ckt sich mit <strong>de</strong>m Trend <strong>de</strong>r Zugfrequenzen , wo<br />
ab 1974 nur noch 1-2 Tiere beobachtet w ur<strong>de</strong>n.<br />
S c h e ll a dl e r (Aquila danga)<br />
Selte ner Durchz ügler und Wintergast in klein säugerreichen J ahren. In <strong>de</strong>r Riedbaar<br />
ve rblieb en I bis 2 Exemplare vo m 7. 12 . 74 -20. I. 75. Bevo rzugte Jagdreviere bo ten die<br />
entlegenen T eilfläehen zwischen pfohren und Gutmad ingen und Immenhö fe-Mirrelmeßl1terhö<br />
lzer. Zur ächtigung w ur<strong>de</strong>n wo hl alte Baumbestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Unterhölzer Wal<strong>de</strong>s<br />
ange fl ogen .<br />
Sc h r e i a di e r (Aquila pommarina)<br />
Spä rliche r, jedoch regelmäßiger Durchz ügler.<br />
ach weise liegen vor für die Mo nate Mä rz/April bzw . August/September, im mil<strong>de</strong>n ,<br />
kleinsäu gerreichen W inter 1974/ 75 auch vom Februa r. Die Jagdreviere sind alle störungsarmen<br />
F reiflächen. Es w ur<strong>de</strong>n krei en<strong>de</strong> Tie re (21. 4.73; 15.2. 75; 22.3.75) und lauernd<br />
e (6. 2. 75; 6.4. 75; 14.9. 75) beobachtet, vo rzugsweise im Gebiet Faule Wiesen-Aubach<br />
und d en östlich anschließen<strong>de</strong>n Keuperhügeln bis zum Mittelmeß. E ine Beobachtung bez.ieht<br />
sich sogar auf die Brutz.eit : Am 25. 6. 72 wur<strong>de</strong> ein jagen<strong>de</strong>s Exemplar im R aum<br />
Sump fo hren- eudingen gesehen .<br />
Z \V e r g a die r (Hieraaetus pennatus)<br />
Vereinzelt , in d en letzten J ah ren jedoch w ie<strong>de</strong>rho lt einfliegen<strong>de</strong>r Irrgast.<br />
Diese m editerra ne H artlaubgehö lze und W ald steppen besie<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Spezies rekrutiert<br />
sich w o hl zum eist a us mitteleuro päischen Gefangenschaftsflüchtlingen. Daher erklären sich<br />
die unpassen<strong>de</strong>n , außerhalb <strong>de</strong>r Z ugzeit li egen<strong>de</strong>n Daten. Jewe il s I Exemplar wur<strong>de</strong> am<br />
6 . 7. 73, a m 16. 6. 74 und am 2./3. 8. 75 in bzw. nahe <strong>de</strong>n Baumgruppen an <strong>de</strong>r D o nau<br />
7.wische n Donauesch ingcn und pfohren gesehen, davon eines auf frisch gem ähten Wiesen<br />
Heuschrecken fangend.<br />
M ä u s ebu ssa rd (Buteo huteo)<br />
Brutvogel in a llen höhe ren Gehö lzen und aufgelockerten Waldungen , alljährlicher<br />
Brutvo gel und O berwinterer.<br />
Während d
Oie R iedb>ar 39<br />
mul<strong>de</strong> befli egt. 1975 w ur<strong>de</strong> noch En<strong>de</strong> April ein Altvogel im Gebiet Hinterried-Mittelmeß<br />
beobachtet.<br />
R o t e r Mil a n (Milv us milvus), A bb. 20<br />
Verbreiteter Brutvogel, zykl ischer Rast- und Mauservogel mit zunehmen<strong>de</strong>r Oberwinterungsten<strong>de</strong>nz<br />
.<br />
Die Bruten erfo lgen in <strong>de</strong>n größeren Altholzbes tän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s G roßraumes. Angenäherte<br />
Zahlen :<br />
Unterhölzl"r Wald/ Ritter>lieg<br />
Linge Geisin~l' n / Für s lenber g<br />
Wuhrhö lzer<br />
Be"'hen wald<br />
A.lwner Kap!"<br />
min<strong>de</strong>sten, S Paare<br />
ca. b Paar~<br />
('3. 4 P ~l.Jr('<br />
(,J. 4 Pa .. lrt.'<br />
(3. 4 Paar!:<br />
N ahrungsrev iere <strong>de</strong>r Brutvögel sind die gewässernahen Zonen, abgemähte Wiesen<br />
(H eusc hrecken und Kleinsäuge r) und offene Müll<strong>de</strong>ponien (Sammelplätze mausern<strong>de</strong>r<br />
Po pulati o nen).<br />
[ 01 M ärz/ April rasten d urchschnittlich 10- 15 T iere (reine Zugbeobachtungen), im<br />
O ktober/ N ovember wer<strong>de</strong>n 40 gezählt, davon etwa 30 D urchzügler. Seit 197 1/ 72 sind auffä<br />
lli ge Ten<strong>de</strong>nzen zur überwinterung zu bemerken. So wur<strong>de</strong>n 1974/ 75 zwischen 20 und<br />
25 Ro tmilane gezählt. Bevorz ugte Reviere sind die Do nauaue zwischen pfo hren und Gutmadingen<br />
(kranke Fische, ve rl etzte Wasservögel), kleinsäugerreiche Fluren und die Müllp<br />
lätze. Die N ächtigungsbereiche befin<strong>de</strong>n sich im Wuhrholz und im Berchenwald . Am<br />
Hüfinger Müllplatz rasten im August min<strong>de</strong>stens 40 mausern<strong>de</strong> Rotmilane.<br />
S c h warze r M i la n (Milvus migrans)<br />
Brutvogel, Rast- und Mauservogel, jedoch keine überwinteru ng.<br />
Brüten<strong>de</strong> Paare:<br />
Unterhö lzer Wa ld / Rittl"r>l ieg<br />
L:in~e Geisingcn/ Für>lenber!;<br />
Wuhrholz<br />
40 Fdix Zinke/ Günther Reichelt<br />
Unterhölzer Birkenried sowie das Schwin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r großflächigen Hochstau<strong>de</strong>nrie<strong>de</strong>r durch<br />
" Kultivierung" .<br />
Die in Abb. 27 wie<strong>de</strong>rgegebenen Frequenzen beruhen vornehmlich auf systematischen<br />
Schlafplatzzählungen. Spärliche Einflüge erfolgen bereits En<strong>de</strong> August bis Anfang September.<br />
J ungvögel erscheinen bis zur 2./3. Oktober<strong>de</strong>ka<strong>de</strong>, Weibchen ziehen in <strong>de</strong>r 1./2. 0-<br />
vember<strong>de</strong>ka<strong>de</strong> zu und die erwachsenen Männchen in <strong>de</strong>r 3. November- bis I. Dezember<strong>de</strong>ka<strong>de</strong>.<br />
Besucht wer<strong>de</strong>n alle waldlosen Flächen, namentlich Stoppelfel<strong>de</strong>r und kurzrasige<br />
Wiesenflächen <strong>de</strong>r Baar-H ochmul<strong>de</strong>.<br />
30 - Exemplare KORNWEIHE<br />
20<br />
S<br />
APRJULOKT A J<br />
11970 11971<br />
j'J\ '\<br />
0 A<br />
11972<br />
lO<br />
A./"-<br />
;-' \<br />
J 0 A J<br />
11973<br />
.//<br />
r\<br />
/ \ l<br />
..... -.~'- .j \ I<br />
,~ .<br />
0 A J 0 A J 0<br />
119 7~ 11975<br />
. \<br />
Die ebenfall s in Abb. 27 verzeichneten Winterbe tän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Schlafplätzen<br />
Faule Wiesen/ Aubach (südlich Flugplatz!), Hinterried/ Mittelmeß und Birken/ Unterhölzer<br />
ennittelt.<br />
Zu ergänzen ist, daß zu <strong>de</strong>n brutverdächtigen Paa ren auch alljährlich 1-2 meist juvenile<br />
Tiere übersommern. Da vorzugsweise großfl ächige Mäh<strong>de</strong>süß- Engelwurz-Gesellschaften<br />
.115 Schlafplätze angenommen wer<strong>de</strong>n, sollten di ese geschützt wer<strong>de</strong>n.<br />
Schlangenadler (C ircaelHs gal/icus)<br />
Gelegentlicher Durchzügler, sel tener Sommergast.<br />
achweise dieser wärmclicben<strong>de</strong>n, spät wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Adlerart erfolgten jeweils in <strong>de</strong>r<br />
I. Junihälfte <strong>de</strong>r Jahre 1974 und 1975; doch wur<strong>de</strong> ein el> achsenes Tier auch noch am<br />
3. und 9. 8. 1975 gesehen.<br />
Die Einzeltiere wur<strong>de</strong>n kreisend und jagend (Bli ndschleichen, Zaunei<strong>de</strong>chsen), einmal<br />
(g. 6. 7-+ ) über 4 Stun<strong>de</strong>n lang beobachter. Anziehungspunkte waren die Keuperhügel bei<br />
pfohren und <strong>de</strong>r Damm nordwestlich <strong>de</strong>s Neudinger Müllplatzes sowie das Gebiet Birkenl<br />
Ulllcrhölzer. Die ächtigungsgebicte sind im Unterhölzcr Waldi Rinerstieg z u suchen.<br />
R oh r \\' e i he (Circus aerugillosus)<br />
Regelmäßiger Durchzügler und ge legentlicher Sommerga5t.<br />
Größere Ansammlungen rastenda Ro hrwcihen bildt:n sich überwiegend in <strong>de</strong>n Sommer-<br />
und H erbstmonaten. Die Daten da Abb. 28 beruhen auf <strong>de</strong>r Kontrolle bevorzugter<br />
RuhepLi t7c in <strong>de</strong>n ächtigung_zentren. Erfahrungsgem äß wer<strong>de</strong>n die höch ten Anzah len<br />
in <strong>de</strong>r I . und 2. September<strong>de</strong>ka<strong>de</strong> erreicht; aber schon En<strong>de</strong> Juli bis Mitte August erfolgt<br />
ein Einflug junger Vögel und stark vermauserter adulter Tiere, während von Mitte August<br />
bis 1itte September vorwiegend adulte W eibchen und einjährige Juvenile folgen. Den<br />
Schluß m.lchen ab Mitte September die Jdulten Männchen. Der Heimzug im Frühjahr er-'<br />
folgt vergleichsweise beschleunigt in fo lge <strong>de</strong>r Paarungs bereitschaft und <strong>de</strong>r Bindung <strong>de</strong>r<br />
Tiere .ln traditionelle BrulpJ:it7.e.
Die Riedbaar<br />
41<br />
10 Ex emp l are <strong>de</strong>r ROHRWEI HE<br />
8<br />
6<br />
2<br />
'\ . /\<br />
r\ ( \ /\ (\ /\ I (\ /-\<br />
APRJUL OKT I A<br />
1970 7T<br />
J<br />
o I A J<br />
72<br />
o I A J<br />
73<br />
Abb. 28: Ra*\l l frc..'q uc..'nzen und Obl'r~omll1l..·run~ dt.'r Rohnvc..·ih t~ \"on 1970- 1975.<br />
/\<br />
.<br />
F\ /\ r/<br />
o I ~ J 0 I ~ J 0 I<br />
Bevorzugte Jagdreviere sind die gewässernahen Bereiche um die Donau von Donaueschingen<br />
bis Gutmadingen, <strong>de</strong>r Unterhölzer Weiher und <strong>de</strong>r untere Riedsee (Pfohren).<br />
Bei überdurchschnittlicher Kleinsäugerdichte wer<strong>de</strong>n alle Freifläc hen bejagt. Als N äc htigungszentren<br />
dienen die Röhrichtgü rtel <strong>de</strong>s Unterhölzer Weihers sowie di e hochstau<strong>de</strong>nreichen<br />
Gesellschaften <strong>de</strong>r Riedflächen im Hinterried/Mittei meß, Birken/Unterhölzer,<br />
Faule Wiesen/ Aubach.<br />
D er erstmalige übersommerungsnachweis bezieht sich auf I adultes Weibchen und ein<br />
einjähriges Exemplar ( 1975) im Gebiet BirkenlUnterhölzer und Mittelmeß.<br />
F j sc h a d ie r (pandion haliaetus)<br />
All jährlicher, regelmäßige r D urchzügler in bei<strong>de</strong>n Zugperio<strong>de</strong>n. Von 1970 bis 1975<br />
ist m it leichten Schwankungen ein Ansteigen <strong>de</strong>r Erfassungswen e von 2 auf 5 Exemplare<br />
in bei<strong>de</strong>n Zugzeiten (März/ Mai bzw. August/O ktober) zu verzeichnen; das ist jedoch als<br />
Folge z unehmend ziel gerichteter, konzentrischer Beobac htungen zu <strong>de</strong>uten.<br />
Traditionelle Fischgrün<strong>de</strong> sind <strong>de</strong>r U nterhölzer Weiher und die Donauschl ingen<br />
unterhalb eudingen (max im al 3 Exemplare, darunter ei n Paa r). Nächtigun gsmöglichkeiten<br />
bieten die störungsfreien A ltho lzbestän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Unterhölzer Wal<strong>de</strong>s.<br />
B a u m fa I k e (Falco subbuteo)<br />
Verbreiteter aber nicht seh r häufiger Brutvogel <strong>de</strong>r benachbarten Wald gebiete, <strong>de</strong>r das<br />
U ntersuchungsgebiet jedoch regelm äßig beim Insektenfangflug frequentiert.<br />
Besiedlungsgebiete liegen in <strong>de</strong>n Waldrandgebieten <strong>de</strong>s Albtraufs und in Lichtungen<br />
umliegen<strong>de</strong>r Waldstücke o<strong>de</strong>r Feldgehölzen :<br />
Unterhö lzcr/ RilterstieglWartenberg<br />
Albtrauf Baldingen/ Geisingen<br />
Al btrauf Geisingen/ Fürstenber!;<br />
Wuhrho lz<br />
ßerchcnw.ld<br />
Aascna Kapf<br />
CJ. 4 Paare<br />
ca. 3 Paa re<br />
ca. 2 Paa re<br />
ca. 2 Paare<br />
I Paa r(?)<br />
ca. 2 Paare<br />
Nicht selten wer<strong>de</strong>n geschlossene lnsektenschwärnle über Verlandungszonen und<br />
Riedflächen bis in die späte D ämmerung von 3 o<strong>de</strong>r mehr Baumfalken heimgesucht;<br />
später im Jahr auch über G etrei <strong>de</strong>flächen. Typisch sind auch Falkenansammlungen in <strong>de</strong>n<br />
Mai- bis Juniwochen an <strong>de</strong>n thermikbegünsti gten T rockenhügeln <strong>de</strong>r Baa r-H ochmul<strong>de</strong>. Von<br />
10- 11 Uh r und 14- 16 Uhr kan n man zuwe il en 8- 14 Tiere beobachten.<br />
W a nd e rfa lk e (Falco peregrinus), Abb. 29<br />
Benachbarter Brutvogel und regelmäßige r Wintergast.<br />
Periodische, jedoch nur ve reinzelte Feststellun gen im August/ September von J ung-
Abb. 29 :<br />
W.lI1dcrf.\lkc.<br />
vögeln in <strong>de</strong>r ähe größerer Wasscrvogelansammlungen. Alljährlich verharren 1- 2 erwachsene<br />
Falken (max. 3 adultc, 1 juveniler) und bevorz ugen je nach Witrerungsverhältnissen<br />
<strong>de</strong>s Winters Wasscrvogelliegepbtze o<strong>de</strong>r Müll<strong>de</strong>ponien .<br />
1 L'r li n ra I k l ' ( /:'dco co/ulIIbdrillsj<br />
Kq,cll1l:iEiger Durl' h"üglcr und Willlerga'l.<br />
[)ci nur geringen Ab\n~ il'lllingen wer<strong>de</strong>n durch,chnittlich im Mär7 2-3 und im Oktoher/<br />
'\ l\'elll bcr 3-5 FeSI 'lellun gcn ge l roffen. A ueh iSI die bcrwinterungsfrequcnz mit<br />
durch,chnittlich 2-3 (m ,lx. -I ) LxcmplJren , eit 1969 '70 bis 1975/76 z iemlich ko nstant.<br />
\\' ichtigc Kc\·icrc si nd I\llillpl:it7c, in schncearmcn Wintern vielfach toppeIfeI<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r<br />
gl'düngll' Wiesl'n . Ab ,Khlqu.lnicre dienen Gehöl7C und aufgclo
Tu r m fa I k e (Falco tinnunculus)<br />
Die Riedbaar 43<br />
Verbreiteter und häufiger Brutvogel, In fast allen Flurtypen auftreten<strong>de</strong>r Durchzügler<br />
und Wintergast.<br />
Die brutbio logischen Beziehungen <strong>de</strong>s anpassungsfähigen, zivi lisationstoleranten Turmfalken<br />
umfa sen ein weites Feld. Ausreichen<strong>de</strong> istmöglichkeiten bieten Feldscheunen,<br />
Ein zelbäume, Pappelpflanzungen, lichte Gehölze, lockere Waldsäume und nischenreiche<br />
Gemäuer alter Gebäu<strong>de</strong>.<br />
Folgen<strong>de</strong> Brutplätze, vielfach Ko lo ni en, wur<strong>de</strong>n notiert:<br />
Gruirpark/ Grufrkirche eudi ngen c • . Paa re<br />
Ort,gebier eudingen<br />
Paar<br />
Ortsgeb icr GUlmadingen<br />
Onsgebiel N o hren<br />
Ortsgebier Sumpfohren<br />
Paare<br />
3- 5 Paare<br />
3 Paa re<br />
Schlo ßpark Donaucschingen<br />
(,- g Paa re<br />
Unre rhö lzer Wald/ Riuerslieg<br />
10- J3 Paare<br />
Unrerhö lzer Weih er (Rand) ~ Paa re<br />
Wuhrhö lzer<br />
12- J3 Paare<br />
Ried v. Allmendshofen bis Pfohren 6- 8 Paare<br />
Riedbaar v. Pfohren bis G unllad in ge n 6- 8 Paa re<br />
Sumpfohrener Ried<br />
7- 8 Paa re<br />
ImmenhöfelMinelmeß/ Birken<br />
5- 7 Paare<br />
Ankenbuckl Flugpl alz/ Kapfwald mind. J3 Paare<br />
Natürlich sind diese Zahlen je nach <strong>de</strong>r nahrungsöko logischen Basis <strong>de</strong>utlichen<br />
Schwankungen unterwo rfen. Optimal waren 1971 - 1972 und 1974- 1975, worauf sich obige<br />
Erfassungen stützen .<br />
Die Frequenzen <strong>de</strong>r Zugbewegungen <strong>de</strong>s Turmfalken schwanken stark . Brutergebnisse<br />
unter <strong>de</strong>m E influß schwanken<strong>de</strong>r Klein säugerdichte ein erseits, starke nachhaltige Frosteinbrüche<br />
in <strong>de</strong>n nördlicher gelegenen Winterquartieren an<strong>de</strong>rerseits owie Verän<strong>de</strong>rungen<br />
<strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>rrouten spielen hier mit. So bewegen sich die mittleren Werte im März/April<br />
zwischen 20 und 50 und im Oktober/ o \'ember zwischen 40 und 80 Exemplaren. W ährend<br />
im Früh jahr etwa 60°/., Jungvögel dabei sind , erreichen diese im H erbst etwa 80°/".<br />
Der überwinterungstrend gleicht hinsichtlich <strong>de</strong>r Schwankungen und d eren Ursachen<br />
<strong>de</strong>m von Mäusebussard und Kornweihe. Die Zahlen schwanken zwischen 50-60 Exemplaren<br />
( 19 70/ 7 1; 197 1/ 72 ) und 8- 15 ( 1973/ 74); 1974/ 75 wur<strong>de</strong>n sogar 80 Tiere gezählt.<br />
Wa s s e r r a ll e (Rallus aquaticus)<br />
Mäßig häufi ger Brurvogel aller rö hrichtreicher Gewässer und Nie<strong>de</strong>rmoore mIt<br />
Schlickflächen. Auch an<strong>de</strong>re Verlandungsgesellschaften wer<strong>de</strong>n angenommen. Spo radische<br />
\Vintervorkommem in <strong>de</strong>ckungsreichen, frostsicheren Wassergräben.<br />
Schwerpunkte <strong>de</strong>r Besiedlung liegen in schilf- und rohrkolbenreichen Ufersäumen,<br />
wobei Schlickflächen nicht unbedingt frei, jedoch auch nicht z u tief unter Wasser liegen<br />
dürfen.<br />
Derzeitige BrutpIatze sind :<br />
Unterhö lzer Weih er<br />
Unlere r Riedsee (pfo hren)<br />
Donau o berhalb pfohrener Bnicke<br />
Donau Neudingen-Gurmadingen<br />
Do nau Pfo hren-Neudingen<br />
Neudinger Mühlenkanal<br />
T o rfslichgrube Sumpfohrcner Ried<br />
Unte rh ö lzer/ Birken<br />
Minelmeß<br />
Kar lquellen nahe D o naueschingen<br />
ca_<br />
Paare<br />
3 Paare<br />
1-2 Paare<br />
6 Paa re<br />
6-7 Paare<br />
2 Paare<br />
1-2 Paa re<br />
3-5 Paare<br />
4-5 Paare<br />
Paare
44 Feli x Zinke/ Günther Reichelt<br />
Geschlossene E rfassungs reihen wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Wasserrallen fehlen infolge <strong>de</strong>r unauffälligen<br />
Tagesrhythmik und <strong>de</strong>r im August/ September mangeln<strong>de</strong>n Lautaktivität weitgehend<br />
(auch auf Klangattrappen erfolgt nur ge ringe Reaktio n). Ein erstes konstantes Wintervorkommen<br />
wur<strong>de</strong> 1974/ 75 registriert, als sich 5-6 Exemplare am schilfreichen Ufersaum <strong>de</strong>r<br />
Donau oberhalb <strong>de</strong>r eudinger Staustufe aufhielten.<br />
Tü p f e I s u m pfh u h n (Porzana porzana)<br />
Spärlicher Brutvogel und all jährlicher Durchzügler.<br />
Die Ansiedlungsbereitscha.ft di eser Art beschränkt sich auf Verlandungsgesellschaften;<br />
in trockencn J ahren wer<strong>de</strong>n auch die bultreichen Großseggenbestän<strong>de</strong> angenommen. Die<br />
Ansiedlung an neuen Brutplätzen wird wahrscheinlich gehemmt durch interspez ifi sc he<br />
Ko nkurrenz zur Wasserralle.<br />
Folgen<strong>de</strong> Brutreviere wur<strong>de</strong>n ernlittelt :<br />
Umerhö lze r Weiher<br />
Do n, " oberhalb Neudin ~e n<br />
Do nau oberhalb Pfohren<br />
ca. 1-2 Paare<br />
1 Paar<br />
1 Paar<br />
Bezügli ch <strong>de</strong>r Zugüberwachung sei auf di e Wasserrall e verwiesen. Aushebungen kleiner,<br />
fl ach er, mit Grundwasser erfü llter Vertiefungen in landwirtschaftlich wenig genutzten<br />
Teilflächen kö nnten nach Entwicklung entsprechen<strong>de</strong>r Vegetation ei ne dichtere Streuung<br />
dieser Art bewirken .<br />
Kl ei n es Sumpfhuhn (Porzanaparva)<br />
Sehr seltener Brutvogel (?) und alljährlicher spärlicher Durchzügler.<br />
Vo n Mai bis Juli 1973 wur<strong>de</strong>n 3 Tiere balzend bzw. warnend am Unterhölzer Weiher<br />
beobachtet. Auf <strong>de</strong>m Zuge wur<strong>de</strong>n 1974 und 1975 auf <strong>de</strong>r Donau südL pfohren bzw. am<br />
unteren Ried see je 1 Exempl ar En<strong>de</strong> August registriert.<br />
Wa ch telk ö ni g (C rexcrex)<br />
Nur noch spärlicher, im letzten Jahrzehnt verbreiteter Brutvogel, <strong>de</strong>r als Entfaltungsund<br />
Fortpflanzungsa reale vor all em wechselfeuchte, hochgrasige, extensiv gen utzte Wiesen<br />
(nicht selten Pfeifengraswiesen) beanspru ht.<br />
Folgen<strong>de</strong> Beobachtungscrgebnisse (Zahl d er Reviere):<br />
1970 197 1 1?72 1973 19 74<br />
Mittell11dl<br />
13 i rk
Te i c h h u h n (GallinuLa chloropus)<br />
D ie Riedbaar 45<br />
Verbreiteter und häufi ge r Brutvogel, möglicherweise auch Jahresvogel ; wohl auch<br />
regelmäßiger Durchzügler und alljährlicher Wimergast.<br />
Hinsichtlich <strong>de</strong>s Brutbiotops verhält sich das Teichhuhn wie die Wasserralle. Doch<br />
fin<strong>de</strong>t die Art auch bereits in gewässernahem Wei<strong>de</strong>nunterholz und <strong>de</strong>ckungsreichen, verwachsenen<br />
überhängen<strong>de</strong>n Ufe rböschungen ausreichend geschützte Ansiedlungsmöglichkeiten.<br />
Häufiger als an<strong>de</strong>re Rallenarten nimmt das Teichhuhn di e Nahrung (Insektenlarven,<br />
treiben<strong>de</strong> Samen) sc hwimmend auf, wechselt aber auch auf nahe Äcker o<strong>de</strong>r Kulturwiesen<br />
zur Äsung über.<br />
D erzeit streut die regionale Populatio n wie folgt:<br />
Unterhölzer Weiher<br />
Unterer Riedsee (Proh ren)<br />
Oberer Riedsec (Hüringen)<br />
Schloßpark Donaueschingcn<br />
Donau oberhalb Prohren<br />
Donau Prohren- eudingen<br />
eudinger Mühlenkanal<br />
Birkenried (Torfstichgruben)<br />
Mittelmeß<br />
Karst'lue llen o beres Donauricd<br />
Sumprohrener Ried<br />
ca. 12 Paa re<br />
5 r aare<br />
3 Paare<br />
25 Paa re<br />
16 Paare<br />
10 Paare<br />
8 Paa re<br />
Paare<br />
Paa re<br />
8- 10 Paare<br />
5 Paare<br />
Auch im Win ter wird d ie Art vorwiegend In <strong>de</strong>n frostsicheren Fließgewässern und<br />
Teichen <strong>de</strong>s Schloßparks angetroffen. Es mag sich weitgehend um Wimergäste han<strong>de</strong>ln,<br />
wobei <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r überwintern<strong>de</strong>n Jungvögel bemerkenswert hoch ist. So wur<strong>de</strong>n bei<br />
einer Zählung am 25. I. 1976 auf <strong>de</strong>r Donau von Donaueschin gen bis G utmadingen 112<br />
Exemplare, davon 73 Jungvögel, und im Schloßpark 37 Exemplare, davon 2 1 juvenile,<br />
gezählt.<br />
Ki e bit z (Vanellus vanellus), Abb. 31<br />
Verbreiteter Brutvogel mit verän<strong>de</strong>rlicher Besiedlungsdichte und Streuung sowie all <br />
jährlicher Durchzügler und spärlich verharren<strong>de</strong>r Wintergast mit zunehmen<strong>de</strong>r Ten<strong>de</strong>nz.<br />
D er Kiebi tz ist bezüglich seines Fortpflanzungsbiotops relativ anpassungsfähig. Er<br />
nimmt in <strong>de</strong>n ersten Märzwochen gern dunkelgetönte Äcker und staunasse Wiesen an,<br />
später auch locker bewachsene Ru<strong>de</strong>ral- und Kiesflächen. Beson<strong>de</strong>rs günsti ge Brutbedingungen<br />
bieten sich offenbar nach schneereichen Wintern und nie<strong>de</strong>rschlags reichen Aprilwochen<br />
mit hohem Anteil staunasser Wiesen. Im übrigen gehen die Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s<br />
brüten<strong>de</strong>n Bestan<strong>de</strong>s während <strong>de</strong>s Untersuchungszeitraumes aus Abb. 32 hervor.<br />
Die Rastfrequenzen hängen von <strong>de</strong>n Witterungsbedingungen ab. Größere Verbän<strong>de</strong><br />
rasten bei Wetterstürzen (Regenfälle, starkes Schneetreiben, N ebel) und ausreichen<strong>de</strong>m<br />
Angebot staunasser o<strong>de</strong>r überschwemmter Wiesen von Februar bis Mitte April. Bei län gerem<br />
H ochdruckeinfluß find et hingegen überwiegend ein kaum wahrnehmbarer Höhenzug<br />
720 Brutpaare <strong>de</strong>s KIEBITZ (versch. Revi ere)<br />
700<br />
80<br />
60<br />
40~~~;s::j==t5f~1<br />
20 2<br />
7970 77 72 73<br />
7<br />
2<br />
74<br />
7<br />
75<br />
Abb. 31:<br />
B~~[a n dl.·scn(\"i~klung beim Kiebirz.<br />
I Allmembho fcn X'uhrhölzcr<br />
2 D ona ue s~h ingc n / P fohrcn<br />
Unterer Ri cdscc/ Pfohren<br />
rrnhrcn /GutmaJ in ~cn<br />
5 ~littclmc ß<br />
(, Birken/ U nterhö l7c r<br />
7 Flu~pl.1tz l Aub.lCh
46 Fc!ix Zinke/ Günther ReicheI.<br />
(N o nstopflug) statt. Der Wegzug koppelt sich vielfach mit regionalen Mauserverbän<strong>de</strong>n<br />
von Mitte August bis Anfang September (ca. 70% Jungvögel ) und erreicht zunehmen<strong>de</strong><br />
Werte oftmals bis En<strong>de</strong> November. Ei ne Neigung z u ausgeprägtem Rastverhalten ist dann<br />
im Gegensatz zum Frühjahr zu erkenn en. Aus Platzmangel se ien die <strong>de</strong>tai llierten Zugbeobachtungen,<br />
die sehr verschie<strong>de</strong>ne Tei lräume umfassen, hier nur kurso risch zusammengestellt:<br />
M aximale Größe <strong>de</strong>r Verbän<strong>de</strong> pro Tei lraum (ohne Aufsch lü sselung)<br />
FrühjJh r<br />
Herbst<br />
197 1 SO 220·300<br />
1972 100·200 300<br />
1973 300· 500 300<br />
1974 500 100-600<br />
1975 100-400 200·600<br />
W interbeo bachtungen erw iesen sich als Folgeerscheinungen <strong>de</strong>s mil<strong>de</strong>n Winters 1974/<br />
75. Im Mittelmeß und <strong>de</strong>r unteren Riedbaar wur<strong>de</strong>n dabei 8-20 Exemplare beobachtet.<br />
Die Ermittlungen von Mauserbestän<strong>de</strong>n zeigt die fol gen<strong>de</strong> Tabelle (Jungvögel 111<br />
Klamme rn):<br />
1970 19 71 1972 1973 1974 1975<br />
Ri"dbJ,lr OS - (>roh r~n 180 (75 ) 11 5 (40) 11 0 (40) 225 ( 100) 11 0 (45 ) 150 (60)<br />
Pfohrcn-G utm:.H.lingL' 11 67 (28) 60 (25 ) 40 ( 12 ) 70 ( 32) 85 (38) 125 (40)<br />
t>lill"lm"ß/ Birken 7 ~ (30) 52 (30) 35 ( 10) 60 ( 25) 35 ( 11 ) 63 (25)<br />
1·lu l-:pb.7- A,lsen 160 (70) 111 (40) 87 (30) 130 ( 80) 83 (35) 160 (55 )<br />
Die Beobachtungen <strong>de</strong>r Mauserbestän <strong>de</strong> und regionalen ] ungvogeltrupps erfolgten<br />
7.wischen Anfang Juli bis Mine Augu t.<br />
Sand r egen pfci f n (Charadriu s hiaticula), Abb. 33<br />
Alljäh rlich , ve rstärkt in <strong>de</strong>r Wegzug perio<strong>de</strong> einfliegen<strong>de</strong>r Gastvogel.<br />
Die Art bevorz ugt die Kiesfl ächen und Waschschli ckflächen an <strong>de</strong>n Riedseen zwischen<br />
.-\hh. 33:<br />
S.lndn.·gl>npfl:' ifl.'r.
Die Riedbaar 47<br />
<strong>de</strong>n Wuhrhölzern. N ennenswerte Bewegungen konzentrieren sich auf <strong>de</strong>n Zeitraum von<br />
Mitte August bis En<strong>de</strong> September. So wur<strong>de</strong>n 1973 2-5 Exemplare, 1974 2-4 und 1975<br />
3-4 Tiere beobachtet.<br />
F lußrege np fei fe r (Charadrius dubius)<br />
Potentieller Brutvogel und Rastvogel in bei<strong>de</strong>n Zugperio<strong>de</strong>n.<br />
Ansiedlungsversuche wur<strong>de</strong>n immer wie<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Ru<strong>de</strong>ralflächen und Abtragungszonen<br />
im Bereich <strong>de</strong>r Kiesgruben unternommen. Die Entfaltung <strong>de</strong>r Art wird wohl durch<br />
<strong>de</strong>n ungeregelten Strom <strong>de</strong>s N aherholungsverkehrs verhin<strong>de</strong>rt . Reviertreue und balzen<strong>de</strong><br />
sowie warnen<strong>de</strong> Ein zelpaa re wur<strong>de</strong>n im April 1972 und Mai 1975 beobachtet.<br />
Alljährlich ras ten Durchzügler im Bereich <strong>de</strong>r Baggerseen, aber auch auf Kies- und<br />
Schlammablagerunge n von Flüssen owie auf <strong>de</strong>n Hahnenfuß-Teppichen <strong>de</strong>r Donau. In<br />
Jahren erhöhter Einflu gsbewegungen können während <strong>de</strong>r ganzen Brutzeit (Mai/Juni)<br />
rekognoszieren<strong>de</strong> Altvögel (ein zeln o<strong>de</strong>r in Paa ren), zuweilen kleinere Trupps unverpaaner<br />
Vögel und im Juli auch lockere, gemischte Verbän<strong>de</strong> von Alt- und Jungvögeln (Zwischenzügler)<br />
beobachtet wer<strong>de</strong>n. Im August folgt ein nicht zu übersehen<strong>de</strong>r Altvogelzug, <strong>de</strong>m<br />
sich im September ein Jungvogelzug anschließt. An verschie<strong>de</strong>nen Stellen zwischen <strong>de</strong>m<br />
M önchweiler Weiher (nördlich Villingen), <strong>de</strong>m Kjrnbergsee und <strong>de</strong>n Baggerseen an <strong>de</strong>n<br />
Wuhrhö lzern wur<strong>de</strong>n jeweils zwischen 1 und 14 Exemplaren beobachtet.<br />
Go I d r e ge n p fe i fe r (Pluv ialis apricarica)<br />
Regelmäßiger, mit Schwerpunkt im Frühjahr auftreten<strong>de</strong>r Ras tvogel mit meist geringer<br />
Verweildauer; ge legentlich mit O berwinterungsten<strong>de</strong>nz.<br />
Als ahrungs- und Rastbiotope wer<strong>de</strong>n, oft in Gesellschaft von Kiebitzen, staunasse<br />
W iesen und gedüngte Kulturwiesen, seltener (im H erbst) Äcker und Schlickplätze (als<br />
Ruheplätze) angeflogen. Während in wa rmen, trockenen März- und Aprilwochen konzentrierte<br />
Beobachtungen fehlen (so z. B. 1971 und 1972), wur<strong>de</strong>n 1973 und 1975 mehrfach<br />
zwi schen 6 und 16 Exemplaren in <strong>de</strong>r Riedbaar (Mittelmeß, Pfohren/Neudingen,<br />
Flugplatz DS) registriert. G eschlossene Beobachtungsreih en ergaben sich ab Mitte Oktober<br />
nach wie<strong>de</strong>rholten Wetterstürzen 1975; dabei wur<strong>de</strong>n jeweils 3-6 Exemplare vorwiegend<br />
auf Ackerflächen und staunassen Wiesen gesehen. Eine reine Winterbeobachtung bezieht<br />
sich auf di e Zeit zwi schen 11 . I . 76 und 23. 2. 76 ( I Exemplar zwischen pfohren und Gutmad<br />
in ge n).<br />
B e k ass i n e (Gallinago gallinago)<br />
Z yklisch sie<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r Brutvogel , <strong>de</strong>r jedoch auf <strong>de</strong>n Umkreis <strong>de</strong>r Flachmoore (Mittelmeß/<br />
Birken/ Unterhölzer) beschränkt ist; regelmäßig zu bei<strong>de</strong>n Zugzeiten verweilen<strong>de</strong>r<br />
Gastvogel und in wechseln<strong>de</strong>r Zahl verharren<strong>de</strong>r Oberwinterer.<br />
Vo r 1960 war die Bekassine in <strong>de</strong>r ganzen Riedbaar verbreitet und brütete in und an<br />
Flutrinnen und staunassen Bo<strong>de</strong>nmul<strong>de</strong>n. Seit <strong>de</strong>r intensiveren landwirtschaftlichen<br />
Nutzung ist sie auf seggenreiche Flachmoorkomplexe und Torfstichrän<strong>de</strong>r beschränkt.<br />
E ine übersichr über die Zahl <strong>de</strong>r Reviere gibt folgen<strong>de</strong> Tabelle:<br />
1970<br />
197 1 1972 . 1973<br />
1974 1975<br />
MiucLmeß/ Birken<br />
Donauricd Donaucschingen<br />
Donauried cudingcn<br />
6<br />
6<br />
7 11<br />
Schwankungen <strong>de</strong>r Frequenz während <strong>de</strong>r Zugzeiten hängen ab vom An gebot geeigneter<br />
Feuchtbiotope sowie von <strong>de</strong>n Witterungsbedingungen . Im Frühjahr kommt es bei
48 J7di x Zinke/ Günther Reiche i!<br />
Wetterstürzen zuweilen z um Zugstau. Maximal wer<strong>de</strong>n im F rühjahr und H erbst 50-60<br />
E xemplare auf staunassen Wiesen und Oberschwemmungs flächen angetroffen .<br />
Er tmal im Winter 1974/ 75 überwinterte ein stattlicher Bestand von etwa 20 Bekass i<br />
nen in d er Riedbaar oberhalb N eudingen an <strong>de</strong>n seichten Buchten <strong>de</strong>r Donau und staunassen<br />
Wiesen . So nst überwintern nur 1-3 Exemplare an lokalklimatisch begünstigten , teilw<br />
eise eisfreien Abwasserkanälen o<strong>de</strong>r -gräben.<br />
Gro ß e r Brac h voge l (N umenius arquala), Abb. 34<br />
Unregelmäßiger, in <strong>de</strong>n letz ten 3 Jahren :wnehmen<strong>de</strong>r, spärlicher Brutvogel und all <br />
jährlicher, verein zelter Durchzügler.<br />
Brutbiologisch ist <strong>de</strong>r Brachvogel im Untersuchungsgebi et fast ausschließlich auf<br />
ständig feuchte, schl ickreiche und lockere Kleinseggenrasen und seggenreiche Sukzess ionsstadi<br />
en in fl achen Senken fixie rt. Somit können sc ho n ge rin gfügige Verän<strong>de</strong>rungen d es<br />
W asserhaushalts (z. B. durch Entwässerungen) ein gänzliches Ausbleiben dieses Vogels<br />
bedingen. Dies umso mehr, als er bei uns an <strong>de</strong>r ve rtikalen Ausbreitungsgrenze sei nes<br />
Siedlungsgroßraumes liegt.<br />
Vo r 1960 war er ein relati v periodischer Brurvogel im Mirtelmeß ( I Paar) und auf <strong>de</strong>r<br />
Ri edbaa r im G ebier F lugpl atz-Aasen ( 1-2 P aa re). D anach ergaben sich zumeist nur spo radische<br />
und lückenhafre N ach weise, und in <strong>de</strong>n Trockenjahren 1971 und 1972 blieb die Art<br />
auf <strong>de</strong>r Riedbaar gänz lich aus. 1973 wur<strong>de</strong>n am 23. 4. je I Paar balzend im Mirteimeß , im<br />
Unrerhö lzer/Birkenried und unrerhalb N eudingen beobachter; weitere Aufzeichnungen<br />
über balzen<strong>de</strong> Brach vögel bis zum 20. 5. 73 betreffen die gleichen T eilgebiete. Am 27. 5. 73<br />
ergaben sich Hinweise auf Jungvögel durch Lock- und Wamlaure im Mirtelmeß und o berhalb<br />
eudingen , und zwischen 22. 6. und 15 . 7. 1973 wur<strong>de</strong> ein Paar mit 3 Jungvögeln<br />
auf abgemähten Wiesen <strong>de</strong>r Ri edbaar o berhalb N eudingen beobachret. 1974 wur<strong>de</strong>n En<strong>de</strong><br />
Abb. 34 :<br />
Großer Brachvogel.
Die Riedbaar 49<br />
März bis April 3 Paare registriert, und vom I. 6. - 7. 7. liegen 4 Beobachtungen von<br />
Paaren mit Jungvögeln oberhalb von Neudingen und vom Mittelmeß vor. 1975 wur<strong>de</strong>n<br />
sowohl oberhalb als auch unterhalb von Neudingen, ferner im Ried bei Donaueschingen,<br />
balzen<strong>de</strong> Paare zwischen 16. 3. und 6. 4. festgestellt. Am I. Mai wur<strong>de</strong>n 5-6 Exemplare<br />
erregt warnend und <strong>de</strong>m die gesamte Riedbaar überfluten<strong>de</strong>n lärmen<strong>de</strong>n Ausflugsbetrieb<br />
weichend, später nochmals 4 Exemplare rufend und nach ordosten abstreichend, beobachtet.<br />
Noch in <strong>de</strong>n darauffolgen<strong>de</strong>n Tagen und Wochen konnte das letzte verbliebene<br />
Paar bis zum 29. 6. 75 im weiteren Umkreis <strong>de</strong>s Brutplatzes oberhalb Neudingen gesehen<br />
wer<strong>de</strong>n; Fortpflanzungsaktivität fehlte allerdings, wohl infolge Abklingens <strong>de</strong>r endogenen<br />
Paarungs- und Fortpflanzungsphase nach Unterbrechung <strong>de</strong>r schon fortgeschrittenen Legetätigkeit<br />
(Legebeginn: 3. April-Deka<strong>de</strong>!) durch pemlanente Störungen.<br />
Zugfeststellungen blieben im letzten Jahrzehnt rar. Lediglich En<strong>de</strong> September 1975<br />
wur<strong>de</strong>n über Hüfingen 50-70 ziehen<strong>de</strong> Exemplare durch Dr. v. LINTIG festgestellt. Hingegen<br />
wur<strong>de</strong>n ausgeprägte und bemerkenswert regelmäßig rasten<strong>de</strong> Trupps von 10-25<br />
Exemplaren meist in Gesellschaft von Kiebitzen und Goldregenpfeifem auf überschwemmten<br />
Wiesen während <strong>de</strong>r 60er Jahre in <strong>de</strong>r gesamten Ritdbaar im Frühjahr registriert<br />
(März/ April 1962- 1964).<br />
Regenbrachvo ge l (Numenius phaeopus)<br />
Wie<strong>de</strong>rholt auftreten<strong>de</strong>r, spärlicher Durchzügler. Zwischen 1973 und 1975 liegen von<br />
Mitte April bis Anfang Mai Beobachtungen von einzelnen Tieren o<strong>de</strong>r Paaren aus <strong>de</strong>r<br />
ganzen Riedbaar vor, wobei als Rastbiotope neben <strong>de</strong>n Aktionsbereichen <strong>de</strong>s Großen<br />
Brachvogels auch Ackerflächen aufgesucht wur<strong>de</strong>n.<br />
U f e r s c h n e p fe (Limosa limosa)<br />
Regelmäßiger spärlicher Durchzügler, potentieller Brutvogel.<br />
1973 und 1974 ( I. und 29. 4. bzw. 31. 3.) wur<strong>de</strong>n 1 bzw. 2 Paare balzend in <strong>de</strong>r<br />
Riedbaar (Riedseen/ Wuhrholz und oberhalb pfohren) gesehen. ur bei Zunahme staunasser<br />
Flächen, die aber künstlich und großflächig erfolgen müßte, bestün<strong>de</strong> die Möglichkeit<br />
einer Ansiedlung.<br />
Dunkler Wasserläufer (Tringa erythropus), Abb. 35<br />
R o t schen kel (Tringa totanus)<br />
Regelmäßiger Durchzügler in wechseln<strong>de</strong>n Anzahlen. Auf Schlick- und Kiesflächen<br />
<strong>de</strong>r Donau unterhalb von Donaueschingen sowie in überschwemmten Bo<strong>de</strong>nmul<strong>de</strong>n und<br />
<strong>de</strong>n Waschschlickflächen am Wuhrholz wur<strong>de</strong>n 1970 11 Tiere (3. 5.), 1971 8 Exemplare<br />
( 13.8.-15. 9.), 1973 10 (9. 8.-3. 9.) und 1974 nochmals 15 Exemplare ( 11. 8.-10.9.) festgestellt.<br />
Alljährlicher Durchzügler bei unbeständigem Rastverhalten.<br />
Während <strong>de</strong>s Frühjahrzuges wer<strong>de</strong>n von Anfang bis Mitte Mai in allen Jahren Trupps<br />
von 3 bis maximal 20 Tieren beobachtet. überschwemmte Flutrinnen, die Schlick- und<br />
Kiesbänke <strong>de</strong>r Donau unterhalb von Donaueschingen und diejenigen an <strong>de</strong>n Riedseen, aber<br />
auch die Hahnenfuß-Teppiche in <strong>de</strong>r Donau und staunasse Wiesen dienten als ahrungsund<br />
Rastbiotope. 1971 wur<strong>de</strong>n auch Rotschenkel während <strong>de</strong>s Herbstzuges ( 10. 8.-3. 9.,<br />
4 Exemplare) registriert.<br />
Grünschenkel (Tringa nebularia)<br />
Alljährlicher Durchzügler in unterschiedlicher Zahl.<br />
An <strong>de</strong>n gleichen Biotopen wie bei <strong>de</strong>r vorigen Art wur<strong>de</strong>n 111 bei<strong>de</strong>n Zugzeiten 111<br />
; s..·hr;f,cn <strong>de</strong>r l!aar J 1/ 76
50 Fdix Zinke/Günther Re ichelt<br />
Abb. 35: Dunkler Wasserläufer.<br />
al len Jahren zwischen 4 und 22 Exempl are beobachtet. Die Frühjahrsbeobachtungen erqrecken<br />
sich von En<strong>de</strong> April bis Mitte Mai; rasten<strong>de</strong> Trupps <strong>de</strong>s H erbstzuge wur<strong>de</strong>n<br />
bereits ab 14 .7. ( 1974) bis Anfang September festgestellt.<br />
Waldwasserläufer (Tringa ochropHs)<br />
Periodischer, mäßig häufiger Durchzügler.<br />
Die Art wird in allen Jahren in ziemlich konstanter Individ uenzahl auf allen typischen<br />
Limicolen-Rastplätzen, jedoch mit <strong>de</strong>utlicher Preferenz an mehr o ligotrophen Kiesufern<br />
und Spülsäumen (Baggerseen! ) angetroffen. Kl ei ne Trupps von 2-5 Tieren, 1973 und 1975<br />
auch von 4-9 Tieren, ind die Regel. Die Zugkulmination liegt beständig zwischen <strong>de</strong>r 1. und<br />
2. April- Deka<strong>de</strong> bzw. im Wegzug zwischen <strong>de</strong>r 3. Juli- und l. August-D eka<strong>de</strong>.<br />
Bruchwasscrläufer (Tringa g/areo/a)<br />
Zyklisch auftreten<strong>de</strong>r und neben <strong>de</strong>m Flußuferl äufer am individuenreichsten einfliegen<strong>de</strong><br />
Wasserläuferart.<br />
hir das Auftreten dieser Art ~ind nach allen Beobachtungen taunasse, überschwemmte<br />
Wiesen einerseits (hohe ie<strong>de</strong>rschl äge!) und frei liegen<strong>de</strong> submerse Pflanzenteppiche<br />
an<strong>de</strong>rerseits (niedrige Wasserstän<strong>de</strong>!) nö ti g. Die Torfstichbereiche von Mittelmeß und<br />
ßirken/ Unterhö I7.er. die Donau und ihr Uferbereich sowie d ie Baggerseen sind die bevorzugten<br />
Rastplätze. Die Frequenzspannen liegen zwischen 2 und 5 Tieren in schwachen<br />
Jahren ( 1972, 1974) und 8-20 Tieren in guten Jahren (1970, 197 1, 1973, 1975). Die Kulmination<br />
<strong>de</strong>s H eilll7.uge~ fällt auf die I. Mai-Deka<strong>de</strong>. Auf <strong>de</strong>m W egzug erfolgt <strong>de</strong>r maxi male<br />
Einflug <strong>de</strong>r Altvögel in <strong>de</strong>r 2. Juli-Deka<strong>de</strong>, während <strong>de</strong>r verstärkte Jungvogelzug in <strong>de</strong>r<br />
3. August- Deka<strong>de</strong> anläuft.<br />
F lu ßufe rl ä ufer (Tringa hypoleucus)<br />
Regelmäßiger, in hohen In dividuenzahlen einfliegen<strong>de</strong>r Durchzügler und potentieller<br />
Brutvogel.<br />
Ansied lungsversuche wur<strong>de</strong>n 1972 und 1975 im Uferbereich <strong>de</strong>s Oberen Riedsees auf<br />
Standorten mit leh migem Feinkies und im Bereich schütteren Binsenbewuchses (}uncus<br />
effusus) b eobachtet, doch konnte ein Bruterfo lg wegen <strong>de</strong>s starken Naherholungsverkehrs<br />
über die Maiwochen hinaus lei<strong>de</strong>r nicht festgestellt wer<strong>de</strong>n.
Die Riedbaar 51<br />
bb. Jr,:<br />
Flu t>ufe rl:iufn.<br />
Die Rastbiotope entsprechen weitgehend <strong>de</strong>njenigen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Limicolenarten; doch<br />
nimmt <strong>de</strong>r Flußuferläufer auch mit schmalen, oft auch steilen Ufersäumen vorlieb. Er ist<br />
somit von Wasserstandsschwankungen ni cht sehr abhängig. Trippelnd pickt er stets angespülte<br />
Insektenlarven auf.<br />
In <strong>de</strong>n Beobachtungsjahren trat er im Frühjahr mit jeweils 3-9 Exemplaren weniger<br />
häufig auf als beim Wegzug, wo in allen Jahren zwischen 4 und 25 Tiere registriert wer<strong>de</strong>n<br />
konnten. Der Frühjahrszug konzentriert sich auf die Zeit zwischen 3. April- und 3. Mai<br />
Deka<strong>de</strong>; <strong>de</strong>r Herbstzug beginnt mit <strong>de</strong>r I. Juli-Deka<strong>de</strong> und en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r 3. September<br />
Deka<strong>de</strong>.<br />
Zwergstrandläufer (Calidris minuta)<br />
Zyklischer, mäßig häufiger Durchzügler.<br />
Als Rast- und Nahrungs reviere wur<strong>de</strong>n kiesige und sandige Uferbereiche von Donau<br />
und Riedseen, Spülsäume und submerse Pflanzenteppiche festgestellt. Wie bei an<strong>de</strong>ren<br />
Calidris-Arten ermöglicht <strong>de</strong>r Heimzug in <strong>de</strong>r 3. ApriJ- bis 3. Mai-Deka<strong>de</strong> nur sporadische<br />
und inviduenarme Beobachtungen; auch beim Haupteinflug von Mitte August bis Mitte<br />
September ergeben sich nur beschränkte Möglichkeiten, <strong>de</strong>n zugphänologischen Ablauf zu<br />
erfassen. Beim Wegzug wur<strong>de</strong>n alljährlich 3-5 Tiere registriert, während beim Heirnzug nur<br />
1971 und 1975 jeweils 1-2 bzw. 2-5 Exemplare festgestellt wer<strong>de</strong>n konnten .<br />
Te m m i n c k s t ra nd I ä u fe r (Calidris temminckii)<br />
Alljährlicher, spärlicher Durchzügler. Er bevorzugt schlick reiche Nahrungsquellen<br />
stärker als <strong>de</strong>r Zwergstrandläufer. Der Einflugszeitraum Liegt zwischen <strong>de</strong>r 3. Juli- und<br />
2. August-Deka<strong>de</strong>. Frühjahrsbeobachtungen erfolgen selten. In <strong>de</strong>n letzten Jahren sind<br />
durchschnittlich 2-4 Exemplare registriert wor<strong>de</strong>n.<br />
Alp e n s t ra n cl I ä u fe r (Calidris alpina)<br />
Periodischer Zuggast, häufigste Strandläufer-Art.<br />
Wie schon <strong>de</strong>r Zwergstrandläufer sucht diese Art die Rastbiotope sowohl <strong>de</strong>r Tringaals<br />
auch <strong>de</strong>r Calidris-Arten auf. Die Haupteinflugszeit liegt jeweils zwischen <strong>de</strong>r 3. April<br />
Deka<strong>de</strong> und <strong>de</strong>r 2 . Mai-Deka<strong>de</strong> bzw. zwischen I. und 3. September-Deka<strong>de</strong>. Auch hier
52 h ·li, Zink" / Gulllher Reichch<br />
wer<strong>de</strong>n beim Frühjahrszug allj ährlich 2-5 Tiere, beim H erbstzug durchschnittlich mehr,<br />
nämlich 4-8 od er m ehr ( 1975: 8- 12) Tiere an <strong>de</strong>n Ufern <strong>de</strong>r Baggerseen o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>r<br />
Do nau o berhalb Pfo hren festgestellt.<br />
Si c h e ls tra ndl ä ufe r ( alidrisferruginea)<br />
Unregelmäßig, z u weilen aber im Rahmen größerer [nva ionen einrliegen<strong>de</strong>r Durch<br />
/.ügler. Als Rastbiotope ko mmen vorzugsweise Schlickbänke und sandige Spülsäume <strong>de</strong>r<br />
Baggerseen aber auch die U fer und die U m gebung <strong>de</strong>r Donau unterhalb von Donaueschingen<br />
infrage. Die Beobachtungen beziehen ~ i c h auf die Jahre 1972 und 1975, wobei jeweils<br />
2-4 Tie re fes tges tellt w ur<strong>de</strong>n.<br />
S a nd e rlin g (Calidrisalba)<br />
U n regelmäßiger, spärl icher Durchz ügler.<br />
Auf d en Kies- und Schwemmschlickfl ächen <strong>de</strong>r Baggerseen wur<strong>de</strong>n jeweils zwi schen<br />
AnfJ ng und En<strong>de</strong> September in dcn Jahren 197 1- 1973 1-2 Exemplare registriert.<br />
V. Schrifttum<br />
ARIII' ITSC; 1' 1\ 11·1 SCII A 1·'1' MW Fl TSClI UT Z SC II WA RZWA I D- IIAAR-H EUßERG:<br />
Zur nt.:dl'UWIl).: und BI..·Jr()hun~ d~, J)un.luril't.h Iwi,chcn lJon:tut: ... ("hin~cn und <strong>de</strong>m \Xla n enbc:r~. A I ~ ~ t skr.<br />
H'f' iciLihigt. 12 Sl'itl.'n. I)on.\w:,chingen, FcbruJr 1976.<br />
D!-lJTSCH I· K ßUND FUR VOG I' iSCl IUTL: Die ,n Ihdcn - Würltembcr~ gdahr<strong>de</strong>ten Vogela,,"n ("Rote Liste").<br />
\Valhlingen. 1973.<br />
1' 1.11· IHKG. H .: Ve~;''1. \ ' n~dkund""h,' Biblind1l'k . Bd . 1I\i l dJ - Vcrl.l~ ohn e O n und Jah r ( 197;).<br />
\\'AC l\.1 R. K .: 1).1' \ \ irk\HllT11t.·n dt." \X...·il,l·1l ~ l' ..·lhl..· .. in Jn B.lJ.r. S,-"hr. J. Ih .u . H . 10 S. 16 1- 182. Don.1Uöl:hin <br />
" CI) 11.1' 7<br />
\\ ' r\C~ 1 R. ~ .': B'·Ilr .I~l' IU' \ ·,,~ ,· I1.lUn .1 '111 ~)u"I\ );d,i ,'( dn lJon.lu und <strong>de</strong>, Neck.Ir'. S,hr. d. ß a.tr. H . 1S. S. 59·111.<br />
I )lll1.1l11..·,( hin~t.· n 19hO .<br />
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j.l);""·. 2( .. J~ . 11 . 24. ~ . 12XO 1 2 ~ 2. l'r4.
Der Reiter von Hüfingen.<br />
Notizen zu emern alamannischen A<strong>de</strong>lsgrab auf <strong>de</strong>r Baar<br />
von Gerhard Fingerlin<br />
mit 15 Abbildungen<br />
Die archäologische Erforschung <strong>de</strong>s frühen Mittelalters, genauer <strong>de</strong>r Merowingerzeit,<br />
hat in <strong>de</strong>n letzten Jahren durch die Auffindung fürstlich ausgestatteter Gräber in fast allen<br />
Teilen Deutschlands große Fortschritte gemacht. Nicht wenige Fragen mußten im Licht dieser<br />
Ent<strong>de</strong>ckungen überprüft und neu beantwortet wer<strong>de</strong>n, manche scheinbar gut fundierte<br />
Forschungsmeinung war angesichts neuartiger Fun<strong>de</strong> und Beobachtungen nicht mehr zu<br />
halten. Das gilt für Probleme <strong>de</strong>r Zeitbestimmung, aber auch für überlegungen zur Wirtschafts-<br />
und Sozialgeschichte dieser Perio<strong>de</strong>, für die Rekonstruktion kultureller Zusammenhänge<br />
o<strong>de</strong>r politischer Strukturen. Es bestätigte sich eine alte Erfahrung <strong>de</strong>r Archäologie, daß<br />
in <strong>de</strong>r Zusammensetzung solcher außergt:wöhnlichen Grabinventare, in <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren<br />
Qualität o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r unterschiedlichen Herkunft einzelner Stücke für die kulturgeschichtliche<br />
Auswertung beson<strong>de</strong>rs gute Voraussetzungen gegeben sind. So bil<strong>de</strong>te lange Zeit das 1653 im<br />
belgischen Tournai gefun<strong>de</strong>ne Grab <strong>de</strong>s F rankenkönigs C hil<strong>de</strong>rich, Vater <strong>de</strong>s späteren<br />
Reichsgrün<strong>de</strong>rs Chlodwig, <strong>de</strong>n einzigen sicheren Anhaltspunkt für die Chronologie <strong>de</strong>r<br />
Merowingerzeit. Fun<strong>de</strong> au skandinavischen Königsgräbern erlaubten zum erstenmal, eine<br />
Verbindung zwischen kulturellen Entwicklungen in ord- und Mitteleuropa herzustellen.<br />
Als 1959 in Saint-Denis bei Paris ein Steinsarkophag geöffnet wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r die Bestattung <strong>de</strong>r<br />
" reginae Arnegundis", ei ner ebenfalls fränkischen H errscherin enthielt, verän<strong>de</strong>rten die dabei<br />
geborgenen Fun<strong>de</strong> ganz entschei<strong>de</strong>nd die Vorstellungen, die man sich bis dahin über Entstehungsgeschichte<br />
und Begi nn <strong>de</strong>s sogenannten zweiten germanischen Tierstils gemacht<br />
hatte. Ähnlich be<strong>de</strong>utsam für die Kenntnis vorkarolingischer Kunstübung erwies sich ein<br />
Frauengrab königlichen Ranges im Kölner Dom (1959), <strong>de</strong>ssen außeror<strong>de</strong>ntlich kostbare<br />
Beigaben <strong>de</strong>n N achweis einer selbständigen fränkischen Hofkunst lieferten. An<strong>de</strong>re Gräber in<br />
Köln und aus <strong>de</strong>r weiteren Umgebung (Morken 1955, Krefeld-Gellep 1962), ermöglichten es,<br />
"die be o n<strong>de</strong>re und be<strong>de</strong>utsame Aufgabe darzustellen, die <strong>de</strong>m Rheinland in <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rten <strong>de</strong>s übergangs von <strong>de</strong>r Antike zum Mittelalter zugefallen ist" (0. DOP<br />
PELFELD).<br />
Weit von <strong>de</strong>n damaligen Zentren <strong>de</strong>r politischen Macht sind die Feststellungen beschei<strong>de</strong>ner,<br />
die sich aus Ent<strong>de</strong>ckungen dieser Art ziehen lassen. Sie erwei en sich jedoch<br />
immer noch als geeignet, eine Fundlandschafr, in diesem Fall einen größeren Teil <strong>de</strong>s alamanni<br />
schen Siedlungsraums, in einem ganz neuen Licht ers.:heinen zu la sen. Denn auch hier, im<br />
Südwesten Deutschlands, hat <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n letzten Jahren kostbare Grabin ventare frei <br />
gegeben , Bestatrungen von Männern und Frauen <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Alamannen im 6. und 7. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
führen<strong>de</strong>n Schicht, di e sich in manchem von <strong>de</strong>n Gräbern <strong>de</strong>r fränkischen Arisrokratie<br />
unterscheid en . Zwar läßt sich wie dort die Orientierung am königlichen Vorbild<br />
erkennen, das Bemühen in Tracht, Bewaffnung, Lebensgewohnheiten und Totenbrauchtum<br />
im Rahmen <strong>de</strong>s "Stan<strong>de</strong>sgemäßen" zu bleiben. An<strong>de</strong>rerseits kamen in diesem Land, das seit<br />
jeher im überschneidungsbereich versch ie<strong>de</strong>n ter Einfl üsse lag, auch in dieser Zeit an<strong>de</strong>re<br />
Kräfte in Spiel. Immer bestand eine Offnung nach Sü<strong>de</strong>n, und es sind vor allem die Beziehungen<br />
nach Itali en, fried liche und kriegerische, die sich im Grabgut <strong>de</strong>s hia ansässigen A<strong>de</strong>ls<br />
wi<strong>de</strong>rspiegeln. Die schriftliche überlieferung gibt dafür wenigstens skizzenhaft <strong>de</strong>n ge<br />
~chic htli che n Hintergrund . Am Anfang steht <strong>de</strong>r Versuch, nach <strong>de</strong>r ie<strong>de</strong>rlage gegen Chlodwig<br />
(496 n . Chr.), das weitere fränkische Vordringen durch ein Schutzbündnis mit <strong>de</strong>m ostgotischen<br />
Italien aufzuhalten (Theo<strong>de</strong>rich, 506 n. Chr.). Schon ein halbes Jahrhun<strong>de</strong>rt später,<br />
nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Ostgotenkönig Witigis das alamannische Land an die Franken abgetreten hatte<br />
(537 n. Chr.), zieht ein überwiegend alamannisches H eer, (unter eigenen H erzögen zwar,<br />
53
54 Gerhard Fingerlin<br />
doch in fränkischem Auftrag) über die Alpen, um in die Kämpfe zwischen Byzanz und <strong>de</strong>n<br />
Goten einzugreifen. Abmannien war zu einem Teil <strong>de</strong>s fränki schen Reiches gewor<strong>de</strong>n und<br />
blieb es auch trOtz mancher Schwächeperio<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Zentralgewalt, die fü r entfernt liegen<strong>de</strong><br />
Randgebiete oft weitgehen<strong>de</strong> Selb tändigkeit zurückbrachten. Wenn auch durch die vom<br />
Kö nigshaus geför<strong>de</strong>rte Missio nstäti gkeit im 7. Jahrhun<strong>de</strong>rt auf religiösem und kulturellem<br />
Gebiet <strong>de</strong>r reichsfränkische Einfl uß gestä rkt wur<strong>de</strong>, ve rl o r doch <strong>de</strong>r Kontakt mit <strong>de</strong>m jetzt in<br />
weilen Teilen von <strong>de</strong>n L a n ~v bard e n beherrschten I ta lien nichts vo n seiner Be<strong>de</strong>utung. Vi elfach<br />
einbezogen in die langwierigen Kämpfe zwischen diesem Vo lk und <strong>de</strong>n Franken unterhielten<br />
die Alamannen auß.:r<strong>de</strong>m, wi e auch die ö dich benachbarten Bajuwaren, über die<br />
Alpenpässe intensive H an<strong>de</strong>bbcziehungen , die langobardisches und byzantinisc hes Kulturgut<br />
ins Land brachten. Offensichtlich war es <strong>de</strong>r einheimische A<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>r in sei nem Verlangen<br />
nach gehobener Lebensführung und in ~e in em Bedürfni ~ nach glanzvoller Repräsentation<br />
diese Verbindungen inten>iv geför<strong>de</strong>rt hat. M ög li c h er wei~e war es ogar für die en Personenkreis<br />
wich ti g, ,lUch beim Erwerb von kostb:t ren S c hmuck ~ tü cken, Waffen, Reitausrüsrun gen<br />
o <strong>de</strong>r Trinkgefäßen nicht unmittelbar vom fränkischen Kö nigshof und <strong>de</strong>m darr gepflegten<br />
Kunsthandwerk abhängig z u sein .<br />
\ ,
Ocr R eiH~ r von Hüfingen 55<br />
Ein beinahe klassisches Beispiel für die Ausstattung eines solchen Adligen, gemischt aus<br />
einheimischen und südländischen Elementen, liefert das 1966 an <strong>de</strong>r "Gierhal<strong>de</strong>" in Hüfingen<br />
gefun<strong>de</strong>ne Kammergrab, das im Jahrzehnt zwischen 600 und 610 n. ehr. angelegt wur<strong>de</strong>.<br />
Trotz starker Beraubung in antiker Zeit li eß sich doch aus <strong>de</strong>n Resten weitgehend rekonstruieren<br />
, was <strong>de</strong>r hier beigesetzte, noch jüngere Mann auch im Tod als sein Eigentum beanspruchen<br />
konnte. Sein hoher Rang ergibt sich allerdings nicht nur aus <strong>de</strong>r Reichhaltigkeit und<br />
<strong>de</strong>r Qualität seiner Beigaben. Entsprechen<strong>de</strong> H inweise können wi r auch <strong>de</strong>m G rabbau und<br />
<strong>de</strong>r Lage seines Grabes auf einem kleinen Son<strong>de</strong>rfriedhof entnehmen (Abb. I). Solche Familiengruppcn<br />
außerhalb <strong>de</strong>r großen Orrsfriedhöfe lassen sich im 6. und 7. Jahrhun<strong>de</strong>rt bei<br />
allen germanischen Stämmen nachweisen. Immer fin<strong>de</strong>n sich darin wenigstens einzelne Bestattungen<br />
mit hervorragen<strong>de</strong>m Inventar, an<strong>de</strong>re Gräber sind ärmlich o<strong>de</strong>r beigaben los,<br />
viell eicht ein Indiz für <strong>de</strong>n in diesen Kreisen allmählich Fuß fassen<strong>de</strong>n christlichen Glauben.<br />
Je<strong>de</strong>nfalls stehcn hinter solchen geson<strong>de</strong>rten Grablegen immer ad li ge Familien, die ihre Trennung<br />
von <strong>de</strong>r dörflichen Gemei nschaft (Herrenhöfe), die Beson<strong>de</strong>rheit ihrer Situation auch in<br />
<strong>de</strong>r Anlage <strong>de</strong>r Gräber zum Ausdruck brin~en wollen. Auf ähnliche Vorstellungen läßt auch<br />
<strong>de</strong>r Bau einer großen Grabkammer sch ließen, wie sie in Hüfingen aus massiven Eichenbohlen<br />
gefügt und mit einem Giebeldach abge<strong>de</strong>ckt wur<strong>de</strong> (Abb. 2-4). Ein solcher unterirdischer<br />
Raum erfor<strong>de</strong>rte nicht nur ein en hohen Arbeitsaufwand, er bot auch reichlich Platz für die<br />
Unterbringung von Möbeln, Kleidung, Tafelgeschirr und Hausgerät - Beigaben, die immer<br />
auf einen hochgestellten Perso nenkreis beschränkt geblieben sind.<br />
Abb. 2
Der Reiter von Hüfingen 57
58 Gerhard Fin gerlin<br />
T atsächlich wird die Reichhaltigkeit d es im Hüfin ger Kammergrab nie<strong>de</strong>rgelegten Inventars<br />
nur in wenigen gleichzeiti gen Gräbern <strong>de</strong>s alamanni ehen G ebi ets erreicht. Auf sieben<br />
verschied ene Sach gruppen lassen sich die ein zel nen Fun<strong>de</strong> ve rtei len : Bewaffnung, Reitausrüstung,<br />
Trachtzubehö r, Geräte, G efäße, Mobiliar und Speisebeigaben. Leid er haben die<br />
Beraubung und unglückli che Umstän<strong>de</strong> bei d er Ent<strong>de</strong>ckung dazu geführt, daß über die Lage<br />
<strong>de</strong>r G egenstän<strong>de</strong> im Grab kein e genauen Angaben mögli ch sind. Im we entliehen wur<strong>de</strong>n aber<br />
Waffen und Trachtzubehö r - dabei ei n Spo rn - am Kö rper <strong>de</strong>s To ten gefun<strong>de</strong>n. Gefäße,<br />
Mo biliar und an<strong>de</strong>re T eile <strong>de</strong>r Reitausrüstung lagen im freien Raum zwisc hen Sarg und<br />
Kammerwän<strong>de</strong>n .
Der Reiter von Hüfingen<br />
S9<br />
Geht man davon aus, daß ein ursprünglich vorhan<strong>de</strong>ner Schild von <strong>de</strong>n Grabräubern<br />
entnommen wur<strong>de</strong>, liegt annähernd komplette Bewaffnung vor. Allerdings feh len mit Sicherheit<br />
Helm und Panzer, die aber ohnehin zu <strong>de</strong>n größten Seltenheiten gehören und offenbar<br />
nur von Königen, Fürsten und Heerführern getragen wur<strong>de</strong>n. Der Hüfinger Reiter besaß ein<br />
zweischneidiges Langschwert, die sogenannte Spatha, ei ne kürzere einschneidige Hiebwaffe<br />
(<strong>de</strong>n Sax), eine Lanze und einen leichteren Wurfspeer,<br />
vielleicht für die Jagd. Alle Waffen blieben<br />
nur in Bruchstücken erhalten (Abb. S). Sie sind von<br />
guter Qualität, die Spathaklinge damasziert und damit<br />
beson<strong>de</strong>rs elastisch und wi<strong>de</strong>rstandsfähig, <strong>de</strong>r Griff<br />
in einfacher Silbereinlegearbeit verziert. Im Vergleich<br />
mit <strong>de</strong>n e<strong>de</strong>lsteinbelegten Goldgriffschwertern älterer<br />
Zeit, die gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Alamannen verbreitet waren,<br />
wirkt diese Bewaffnung beschei<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>rs ist <strong>de</strong>r<br />
Gürtel zu beurteilen, von <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Rahmen einer<br />
mit Gold- und Silberfä<strong>de</strong>n eingelegten (tauschierten)<br />
Schnalle erhalten hat (Abb. 6-7). Schon die äußerst<br />
seltene Verwendung von Golddraht für solche Einlegearbeiten<br />
gibt diesem Stück einen beson<strong>de</strong>ren<br />
Wert, <strong>de</strong>r durch die exzellente handwerkliche Ausführung<br />
bestätigt wird. Ein zweiter Gurt mit silbertauschierten<br />
Besatzstücken, wahrscheinlich für die<br />
Spatha, und Bronzebeschläge von <strong>de</strong>n Riemen <strong>de</strong>r<br />
Le<strong>de</strong>rschuhe vervollständigen das Bild, das wir uns<br />
von <strong>de</strong>r Tracht machen können (Abb. 6). Selbstverständlich<br />
läßt sich die Kleidung nicht mehr beurteilen,<br />
we<strong>de</strong>r im Material, da keine Stoffreste erhalten<br />
blieben, noch im Zuschnitt. Die sicher unvollständig<br />
überlieferte Ausstattung mit Geräten: Kamm, Messer<br />
und Schleifstein bietet nichts Ungewöhnliches und<br />
fin<strong>de</strong>t sich ähnlich auch in einfachen Inventaren. Dagegen<br />
ist die Beigabe mehrerer Gefäße aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Materialien eine im adligen Milieu weitverbreitete<br />
Sitte. Zu Tongefäß, Holzeimer und Holzteller<br />
tritt hier ein massiv gegossenes Bronzebecken (Abb. 8-<br />
8a), das aus einer Werkstatt <strong>de</strong>s Mittelmeergebietes<br />
stan1mt. Gefäße dieser Art, die in ihren Herkunfrslän<strong>de</strong>rn<br />
teilweise kirchlichen Zwecken gedient haben,<br />
zählten nördlich <strong>de</strong>r Alpen zu <strong>de</strong>n größten Kostbarkeiten<br />
und waren damit einem kleinen Kreis vermögen<strong>de</strong>r<br />
Leute vorbehalten. Wahrscheinlich han<strong>de</strong>lt<br />
es sich dabei teilweise um erbeutete Stücke, was ihren<br />
Wert sicher noch steigerte. Gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Alamannen<br />
wissen wir, daß sie im Gegensatz zu <strong>de</strong>n<br />
durchweg schon christlichen Franken auf ihren ltalienzügen<br />
die Kirchen nicht geschont haben.<br />
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1\<br />
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(--C/E?:~----")<br />
.... _.... .;<br />
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Abb. 5<br />
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60 Gcrhard Fingertin<br />
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Abh. 7
61<br />
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Abb.
62 Gcrhard Fingerlin<br />
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2<br />
(<br />
3a<br />
3 b<br />
Abb. 'I
D er Rei[er von Hüfingen 63<br />
Zu <strong>de</strong>n Zeugnissen <strong>de</strong>r heimischen Kultur gehören dagegen die Möbelstücke, Rundtisch<br />
und Stuhl, von <strong>de</strong>nen lei<strong>de</strong>r nur gerin ge Res te geborgen wer<strong>de</strong>n konnten (Abb. 9). Aus <strong>de</strong>n<br />
wegen ihrer vorzüglichen Erhaltung berühmten Gräbern von Oberflacht bei Tutdingen kennen<br />
wir vollständig erhaltene Stücke, die uns das alarnannische Drechsler- und Schreinerhandwerk<br />
auf beachtlicher H öhe zeigen (Abb. 10). Davon ist bei <strong>de</strong>m Hüfinger Mobiliar, das noch<br />
durch einen Holzkasten mit Schiebe<strong>de</strong>ckel (Abb. 9) ergänzt wird, nicht allzuviel zu erkennen.<br />
Immerhin belegen die erhaltenen Teile eine reichhaltige Ausstattung, die man nur wegen<br />
<strong>de</strong>r feh len<strong>de</strong>n Bettstatt nicht als regelrechte Zimmereinrichtung bezeichnen kann. Die Bestimmung<br />
<strong>de</strong>r Holzarten ließ eine sorgfältige und zweckentsprechen<strong>de</strong> Auswahl <strong>de</strong>s Materials<br />
erkennen: die run<strong>de</strong> Tischplatte bestand aus Eschenholz, <strong>de</strong>r Stuhl aus Ahorn, <strong>de</strong>r vielleicht<br />
als kleine Truhe verwen<strong>de</strong>te Holzkasten aus Rotbuche.<br />
Abb. IO<br />
Als wertvollste Stücke, wohl schon zu Lebzeiten <strong>de</strong>s Besitzers, müssen die bei<strong>de</strong>n<br />
figürlich verzierten Silberscheiben gelten (Abb. 11 ), die in <strong>de</strong>r Laubschüttung (?) <strong>de</strong>s Kammerbo<strong>de</strong>ns<br />
lagen und wahrscheinlich nur <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>n Grabräubern entgangen sind. Sie<br />
gehörten zum Besatz ei nes Pfer<strong>de</strong>geschirrs, von <strong>de</strong>m außer<strong>de</strong>m noch ein kleiner, in germanischem<br />
Tierstil verzierter Riemenverteiler (Abb. 12) und mehrere bronzene Beschlagplättchen<br />
vorhan<strong>de</strong>n sind. Bei<strong>de</strong> Silberscheiben sind in gleicher Technik mit Hilfe eines Bildmo<strong>de</strong>ls aus<br />
dickem Blech getri eben. Ursprünglich saßen sie wohl auf einer eisernen Grundplatte, mit <strong>de</strong>r<br />
sie durch eine Ran<strong>de</strong>infassun g aus Bronzeblech verbun<strong>de</strong>n waren . Wie das Ganze auf <strong>de</strong>n<br />
Riemen <strong>de</strong>s Zaumzeuges befestigt wur<strong>de</strong>, läßt sich nicht mehr erkennen. Ungewöhnlich und<br />
im alamannischen Milieu fremdartig sind di e Motive, die wir aufbei<strong>de</strong>n Scheiben fin<strong>de</strong>n und als<br />
die ältesten christlichen Darstellungen auf süd<strong>de</strong>utschem Bo<strong>de</strong>n bezeichnen können . Hier sind<br />
sie allerdings nicht ent tan<strong>de</strong>n, so wenig wie das schon besprochene Bronzebecken mit seinem<br />
im Bo<strong>de</strong>nteil eingeritzten Kreuz. Ein<strong>de</strong>utig weisen die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r thronen<strong>de</strong>n Muttergottes<br />
mit <strong>de</strong>m Jesuskind und <strong>de</strong>s über eine menschenköpfige Schlange stürmen<strong>de</strong>n Lanzenreiters<br />
auf die christlich-byzantinische Welt <strong>de</strong>s Sü<strong>de</strong>ns. Stilistische Ei nzelheiten führen uns nach<br />
Italien als wahrscheinlichem Entstehungsland . Die Motive selbst waren im Mittelmeerraum<br />
weit verbreitet und zählten zu <strong>de</strong>n Grundthemen <strong>de</strong>r kirchlichen Kunst.<br />
Nicht sicher zu beantworten ist die F rage nach <strong>de</strong>n Wegen, auf <strong>de</strong>nen eine so wertvolle<br />
Reitausrüstung in die H än<strong>de</strong> ihres letzten Besitzers gelangte. Han<strong>de</strong>l möchte man beinahe<br />
ausschli eßen. Eher schon ist an ei ne politisch motivierte Ehrengabe zu <strong>de</strong>nken, vielleicht aber<br />
auch einfach wie<strong>de</strong>r an ein Beutesrück, das <strong>de</strong>r Hüfinger Reiter auf einem ltalienzug von<br />
einem Offizier <strong>de</strong>r byzantinischen Armee gewonnen hat. Dafür könnte die Inschrift auf<br />
einer <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Scheiben sprechen, die zwar nicht vollständi g ist, aber nur als Name eines<br />
früheren Eigenrümers ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n kann . Solche Kennzeichnungen sind vor allem im<br />
militäri schen Bereich üblich und haben dort eine lange Tradition. In je<strong>de</strong>m Fall be<strong>de</strong>utet die
64 Gerhard Fingcrlin<br />
Ah!> 11
Der Reiter von Hüfingen 65<br />
Darstellung <strong>de</strong>r Muttergottes und eines Reiterheiligen auf <strong>de</strong>n Zierplatten eines Pfer<strong>de</strong>geschirrs,<br />
daß sich <strong>de</strong>r ursprüngliche Besitzer, mit Sicherheit ein Christ, unter <strong>de</strong>n Schutz <strong>de</strong>r<br />
im Bild beschworenen Mächte stellte. Für <strong>de</strong>n aJamannischen Adligen, an <strong>de</strong>n diese kostbaren<br />
Scheiben übergingen, hatten diese Bil<strong>de</strong>r nich t unbedingt die gleiche Be<strong>de</strong>utung. Immerhin<br />
hat er seiner Ausrüstung einen "germanisch" verzierten Sporn und Beschläge hinzugefügt,<br />
die mit ihren stilisierten Tierköpfen (Abb. 12- 13) bestimmt nicht christlich interpretiert<br />
wer<strong>de</strong>n dürfen. Wir können allerdings auch nicht ausschließen, daß ein Mann dieses<br />
Ranges, königlich-fränkischem Vorbild verpflichtet, auch schon mit <strong>de</strong>r Vorstellungswelt <strong>de</strong>s<br />
neuen Glaubens vertraut war. Mehr als 100 Jahre waren seit <strong>de</strong>r Taufe Chlodwigs verflossen,<br />
und in die Lebenszeit <strong>de</strong>s Hüfinger Reiters datieren wir heute die Gründung <strong>de</strong>s Bistums<br />
Konstanz. Aus Gräbern <strong>de</strong>r gleichen Generation sind Goldkreuze bekannt gewor<strong>de</strong>n, die<br />
je<strong>de</strong>n Zweifel ausschließen, <strong>de</strong>r hier jedoch bleibt, verstärkt durch <strong>de</strong>n Nachweis eines<br />
Feuers am offenen Grab. Auch eine kleine Grabkirche hätte man erwarten dürfen. Christliche<br />
Motive beweisen also in diesem Fall nicht unbedingt christliche Vorstellungen . Der Hüfinger<br />
Reiter mag im Bild <strong>de</strong>s Lanzenträgers auch einen heidnischen Gon );esehen haben, einen<br />
Heros vielleicht o<strong>de</strong>r auch sein Abbild, gerüstet und siegreich, wie es adligem Selbstverständnis<br />
zu allen Zeiten entsprach.<br />
_/---<br />
.... -, I<br />
J<br />
" I_ I<br />
Abb. 12<br />
Wie schon eingangs betont, erfassen wir mit diesem Reitergrab ein für die Landschaft und<br />
ihren A<strong>de</strong>l kennzeichnen<strong>de</strong>s Inventar, das durch <strong>de</strong>n Reichtum und die Vielseitigkeit seiner<br />
Fun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Stand unserer Erkenntnisse beträchtlich erweitert und in <strong>de</strong>r archäologischen wie in<br />
<strong>de</strong>r historischen Diskussion dieser Perio<strong>de</strong> neue Akzente setzt. Nicht zuletzt gibt eine Ent<strong>de</strong>ckung<br />
dieser Art Anstoß zu lan<strong>de</strong>sgeschichtlichen überlegungen. Der Nachweis einer<br />
A<strong>de</strong>lsfamilie überördicher Be<strong>de</strong>utung rückt Ortschaft und Umland in ein neues Licht. Es<br />
erscheint kaum als Zufall, daß Jahrhun<strong>de</strong>rte zuvor an gleicher Stelle ein römisches Kastell<br />
errichtet wor<strong>de</strong>n war, daß wenig später die karolingische Pfalz von Neudingen an <strong>de</strong>r Donau<br />
eine politische Schwerpunktbildung im gleichen Raum anzeigt. Offensichtlich waren in<br />
römischer, merowingischer und karolingischer Zeit ähnliche Gesichtspunkte für die Entstehung<br />
solcher Positionen maßgebend. Hier trifft eine wahrscheinlich schon in <strong>de</strong>r Vorgeschichte<br />
begangene Donaustraße mit <strong>de</strong>r Straße vom Schweizer Mittelland in <strong>de</strong>n Neckarraum<br />
zusammen. Wahrscheinlich fand die Ost-West-Verbindung noch eine Fortsetzung über <strong>de</strong>n<br />
Schwarzwald bis ins Oberrheintal, so daß Hüfingen als Kreuzungspunkt wichtiger Verkehrslinien<br />
angesprochen wer<strong>de</strong>n muß. Eine in <strong>de</strong>r Merowingerzeit hier ansässige Familie <strong>de</strong>s<br />
höheren A<strong>de</strong>ls ist kaum ohne einen Bezug zu diesen Fernverbindungen <strong>de</strong>nkbar. Naheliegend<br />
'; Schriften <strong>de</strong>r Baar } 1/76
66 G erhard Fingerlin<br />
o<br />
Ci)<br />
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.\hh. I ;<br />
erscheint vielmehr ein e Kontrollfunktion, die in königlichem o<strong>de</strong>r herzoglichem Auftrag<br />
w3h rgenommen w ur<strong>de</strong>. A<strong>de</strong>lsgräber an and eren strategisch wichtigen Punkten verstärken die<br />
Vermutung, daß w ir hier die Spuren eines Systems erfassen, mit <strong>de</strong>s en Hilfe im alamannisehen<br />
Raum Herrschaft ausgeübt wur<strong>de</strong>.<br />
M it <strong>de</strong>m Hüfinger Kammergrab I, mit ein em ein z igen N eufund also, w ird ein bisher unbekannter<br />
militärischer, politischer und wirtschaftlicher Schwerpunkt sichtbar, <strong>de</strong>r die Besied<br />
lung <strong>de</strong>r umgeben<strong>de</strong>n L3ndschaft und ihre Geschichte im frühen Mittelalter wohl entschei<strong>de</strong>nd<br />
bestimmt hat.<br />
Ein e ausführliche Veröffentlichung dieses A<strong>de</strong>lsgrabes ist schon 1974 ersch ienen: G. FINGERLIN, Ein alamannisches<br />
Reitcrgrab aus Hüfingen. In: Studien zur vor- und fruh geschichtlichen Archäologie. Festschrift für<br />
Joachim Wemer zum 65. Geburtstag. Tei l II Fruhminelaltcr, S. 59 1-628, 11 Abbildungen, 6 Tafeln . Fun<strong>de</strong> heute<br />
im Lan<strong>de</strong>smuseum Karlsruhc.
67<br />
Die Orte im Achdorfer Tal<br />
zwischen <strong>de</strong>n<br />
Herrschaften Fürstenberg und Kloster St. Blasien<br />
von Paul Willimski<br />
mit 1 Abbildung<br />
Im Jahre 1065 war das Kloster St. Blasien durch das Immunitätsprivileg Kaiser Heinrichs<br />
VI. von <strong>de</strong>r grafschaftlichen Rechtssprechung befreit wor<strong>de</strong>n. Aber im Laufe <strong>de</strong>r Zeit<br />
hatte das Gotteshaus durch Ankauf und durch Schenkungen viele neue Gebiete erworben, fü r<br />
die dieses Privileg nicht zutraf. Dazu geh0cten auch die Ortschaften Achdorf, überachen,<br />
die aus <strong>de</strong>m Besitz Schaffhauser Bürger im Jahre 1409, und die Dörfer Aselfingen, Eschach<br />
und Opferdingen, die als ehemalige Teile <strong>de</strong>r Herrschaft Blumegg in <strong>de</strong>n Jahren 1448 und<br />
1457 an das Kloster St. Blasien gelanj!ten.<br />
Die Verwaltung <strong>de</strong>r klostereigenen Gebiete war straff organlsien. D~rübe r erfahren wir<br />
aus <strong>de</strong>n Studien von HUGO OTT über die Geschichte <strong>de</strong>s Klosters St. Blasien im H ohen und<br />
Späten Mittelalter I ) fo lgen<strong>de</strong>s: "Der Klosteramtmann <strong>de</strong>s Amtes Villingen übt seine jurisdiktionellen<br />
Befugnisse in straffer Ordnung aus. Die zwölf Fronhofmeier <strong>de</strong>s Amtes Vi llingen<br />
wer<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Vorbereitung <strong>de</strong>r Dinggerichte beauftragt. Auf <strong>de</strong>n Gerichten obliegt ihnen<br />
die Aufgabe die Rü gen vorzutragen. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r zwölf Meierhöfe hat die Qualität eines ,Dinghofes'<br />
. Die Dinggerichte wur<strong>de</strong>n im Wechsel auf <strong>de</strong>n einzelnen Meierhöfen abgehalten."-<br />
[n <strong>de</strong>m Dingro<strong>de</strong>l <strong>de</strong>s Klosters, auf <strong>de</strong>n sich OTI beruft, wird auch <strong>de</strong>r Dinghof Achdo<br />
rf als herrschaftlicher Meierhof erwähnt. 1m Laufe <strong>de</strong>r Zeit - etwa um 1500 - stellte das<br />
Kloster die Eigenbewirtschaftung <strong>de</strong>s AchJorfer Meierhofes ein. Die zu diesem Hofe gehören<strong>de</strong>n<br />
Wiesen und Fel<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n an Achdorfer Einwohner zu Lehen und Zinslehen gegeben.<br />
Die Verwaltungs- und Gerichtsbefugnis e <strong>de</strong>s ehemaligen Dinghofmeiers wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m<br />
jeweiligen Achdorfer Ortsvogt übertragen, <strong>de</strong>r in sein er Eigenschaft als Vogt <strong>de</strong>s ehemaligen<br />
Verwaltungs- und G erichtsbezirkes <strong>de</strong>s Achdorfer Fronhofes <strong>de</strong>n Zusatztitel "Stabhalter"<br />
führte und im I amen <strong>de</strong>s " Ortsgerichts Achdorf" , wie das ehemalige Achdorfer Dinggericht<br />
ab 1500 ge nannt wur<strong>de</strong>, Gerichtssitzungen - allerdings nur noch für die Bewohner <strong>de</strong>s<br />
Tales - vorbereiten mußte. Außer<strong>de</strong>m hatte er das Recht, rkun<strong>de</strong>n, Kauf- und Tauschverträge<br />
<strong>de</strong>r Talbewohner zu beglaubigen 2).<br />
Zu <strong>de</strong>n Gerichtssirzungen in Achdorf e r ~chien als VorsitLen<strong>de</strong>r von dieser Zeit an nicht<br />
mehr <strong>de</strong>r Amtsvorgesetzte <strong>de</strong>s ehemalige n Amtes Villingen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Obervogt <strong>de</strong>s<br />
Obervogteiamtes Ewattingen. Darüber erfahren wir aus Gerichtsurteilen aus <strong>de</strong>n Jahren 1491<br />
bis 1791 3 ).<br />
Durch Vergleiche dieser Urteile konnte festgestellt wer<strong>de</strong>n, daß die Vögte <strong>de</strong>r einzeln en<br />
Talorte gleichzeitig Geschworene <strong>de</strong>s Ortsgerichts Achdorf waren. Angelegenheiten, die nur<br />
<strong>de</strong>n jeweiligen Talort betrafen, kamen nicht vor das "Achdorfer Gericht", son<strong>de</strong>rn unterstan<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Orts vogts und seinen Geschworenen.<br />
Die Rechtssprechun g bei Zivil- und Verwaltungsfragen, soweit sie die Ortschaften<br />
Achdorf, Oberachen, Aselfingen, Eschach und Opferdingen betrafen, sowie die Aburteilung<br />
von Vergehen aller Art und die Ahndung kl einerer Verbrechen wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n fürstenbergi <br />
schen Regierungs- und Gerichtsstellen keineswegs in Frage ges tellt. Aber die fürstenbergischen<br />
Juristen - beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Obervogt in Blumberg - wehrten ich mit Recht dagegen,<br />
wenn es sich bei <strong>de</strong>n Aburteilungen um Fäll e han<strong>de</strong>lte, die nach <strong>de</strong>r Art <strong>de</strong>s Verbrechens vo r<br />
das Landgericht gehörten. Denn die Talorte gehörten nach wie vor <strong>de</strong>r fürs tenbergischen<br />
Landgrafschaft Baar an. irgend war durch Reichsbeschlu ß da~ Ausschei<strong>de</strong>n di eser O rte au<br />
<strong>de</strong>m Verband <strong>de</strong>r Landgrafschafr vcrfü!!( ,,'o r<strong>de</strong>n.
Die Talortc auf <strong>de</strong>r großen L3I;d,afcl Jer Baar um 161 0 o<strong>de</strong>r 1618 . Die Ortsansichten entsprechen weitgehend <strong>de</strong>m<br />
l.Hs:ichlil."hen Jama!igcn Zustand . Au(h die Bt:waldungsverhältnissc wer<strong>de</strong>n sogar hinsichtlich <strong>de</strong>r Baunlancn zutreffend<br />
,br);estellt. (Originalgröße)
Achdo rfer Tal 69<br />
Die Grafen von Fürstenberg pochten immer wie<strong>de</strong>r auf ihre lanc.lgrafs(haftlichen Rechte;<br />
d ie jeweiligen Abte <strong>de</strong>s Gotteshauses St. Blasien aber wandten sich immer wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Kaiser und baten um Privilegien, die sie auch erhielten.<br />
In ei ner Urkun<strong>de</strong> vom 24. Februar 1431 - also zu einer Zeit, da nur ein Teil <strong>de</strong>r Talorte<br />
schon <strong>de</strong>m Kloster gehörte - bestätigte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche König Sigmund alle Privilegien <strong>de</strong>s<br />
Klosters St. Blasien. Diese Urkun<strong>de</strong> war in Nürnberg ausgefertigt wor<strong>de</strong>n 4 ).<br />
In einer an<strong>de</strong>ren Urkun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>m gleichen Datum, Nürnberg, 24. Februar 1431 , erklärt<br />
König Sigmund "die <strong>de</strong>m Abt und Konvent von St. Blasien an ihren Leuten, Vögten, Städten<br />
und Gerichten gegen die kaiserlichen Privilegien zugefügten Eingriffe für nichtig" und hefiehlt<br />
<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Urkun<strong>de</strong> genannten Grafen - darunter auch <strong>de</strong>r Graf von Fürstenberg - <strong>de</strong>m<br />
Kloster wie<strong>de</strong>r zu seinen Rechten zu verhdfen 5 ).<br />
Am meisten klagte das Kloster, daß fürstenbergische Polizeistreifen - meist von Blumberg<br />
aus - ins Achdorfer Tal eindrangen, um Untertanen <strong>de</strong>s Klosters, c.lie in <strong>de</strong>n Talorten<br />
wohnten, ohne Voranzeige ihres Vorhabens und ohne Genehmigung <strong>de</strong>s sankt blasianischen<br />
Obervogtes in Ewattingen festzunehmen und mit Gewalt vor das Landgericht nach Geisingen<br />
zu verschleppen.<br />
Das Haus Fürstenberg sowie das Kloster St. Blasien erkannten, daß c.lie Unklarheit n<br />
über die Rechtsbefugnisse bei<strong>de</strong>r Herrschaften geklärt wer<strong>de</strong>n mußten, um die unerfreulichen<br />
Zwistigkeiten und Reibereien aus <strong>de</strong>r Welt zu schaffen.<br />
So schloß das Haus Fürstenberg mit <strong>de</strong>m Gotteshaus St. Blasien am 9. August 1535 ein er:<br />
Vertrag, <strong>de</strong>r am 5. September 1603 erneuert wur<strong>de</strong> 6). In diesen Verträgen beschlossen die bei<strong>de</strong>n<br />
Parteien unter an<strong>de</strong>rem, was die Talorte betrifft, folgen<strong>de</strong>s:<br />
I. Das Fürstenbergische Landgericht kann auf Anrufen <strong>de</strong>r Parteien wi<strong>de</strong>r die sankt blasianisehen<br />
Untertanen Ladung zur Gerichtsverhandlung erkennen, rechtliche Prozesse in Gang<br />
bringen und durch arntliche Boten vollziehen lassen. Daneben aber ist es <strong>de</strong>m Kloster unbenommen,<br />
nach Ausweis seiner kaiserlichen Freiheiten gerichtlich exceptionem fori<br />
<strong>de</strong>clinatoriam vorzubringen, die Remission, welche dann in bürgerlichen Sachen geschehen<br />
soll, zu begehren, um die Erkenntnis zu gewinnen, ob die Sachen, darum die<br />
Untertanen <strong>de</strong>s Gotteshauses zum Landgericht gela<strong>de</strong>n sind, zu Recht bestehen.<br />
2. Die Grafen zu Fürstenberg wollen hinfort gegen die st. blasianischen Untertanen zu<br />
Aselfingen, Opferdingen, Eschach, Achdorf und Ubrachen (Uberachen) in bez ug auf<br />
gefängliches Einziehen alle unverweisliche Beschei<strong>de</strong>nheit geb rauchen, dagegen will das<br />
Kloster seine strafbaren Untertanen daselbst (in <strong>de</strong>n Talorten) nicht mehr aus <strong>de</strong>r Landgrafschaft<br />
gefänglich abführen, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>m 1534 in Achdorf erbauten Gefängnis züchtigen<br />
lassen. (Vor diesem Zeitpunkt ließ das Gotteshaus seine straffälligen und verurteilten<br />
Untertanen in einem Gefängnis seines Gebietes, aber außerhalb <strong>de</strong>r Landgrafschaft die<br />
Strafen verbüßen.)<br />
3. Der Ehebruch, er geschehe von verehelichten o<strong>de</strong>r ledigen Manns- und Weibspersonen,<br />
wird in <strong>de</strong>n Talorten von <strong>de</strong>n Grafen zu Fürstenberg bestraft. Die "Verfellung <strong>de</strong>r<br />
Jungfernschaft" wird im ersten und zweiten Fall, wenn nichts an<strong>de</strong>res hinzukommt, vom<br />
Kloster, im dritten Fall aber vom Landgericht bestraft. (Bestraft wur<strong>de</strong>n die Männer, die<br />
einer Jungfrau die Unschuld nahmen.)<br />
Trotz dieses Vertrages kam es in <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Jah ren und Jahrzehnten immer wie··<br />
<strong>de</strong>r zu übergriffen <strong>de</strong>r fürstenbergischen Behör<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Talorten. Darüber berichten uns<br />
Urkun<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Jahren 1575 bis 1628, die uns im Generallan<strong>de</strong>sarchiv in Karlsruhe überliefert<br />
sind 7).<br />
Aus <strong>de</strong>r Vielzahl <strong>de</strong>r Beschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Gotteshauses St. Blasien in <strong>de</strong>m oben erwähnten<br />
Zeitraum mögen nur zwei nachstehend auf,;ezeigt wer<strong>de</strong>n:<br />
In ei nem Schreiben <strong>de</strong>s Abtes und <strong>de</strong>s Konvents von St. Blasien vom 25. September 1575<br />
an <strong>de</strong>n Landgrafen zu Fürstenberg erhebt das Gotteshaus dagegen Einspruch, daß das
70 raul Willimski<br />
Fürstenbergische Landgericht ohne Benachrichtigung <strong>de</strong>r zuständigen DienststeLle <strong>de</strong>s Klosters<br />
die Untertanen Adam Melchior und Balthasar Gailinger aus Eschach durch Polizisten,<br />
die in s Achdorfer Tal einged rungen seien, zum Landgericht nach Geisingen hätten entführen<br />
lassen. In diesem Protesrschreiben beruft sich das Stift St. Blasien auf das ihm im Jahre 1431<br />
von König Sigmund gewährte Privileg. Daraufhin nahm das Landgericht seine Ladung <strong>de</strong>r<br />
Genannten zum Gericht zurück und ließ die bei<strong>de</strong>n Eschacher Bürger wie<strong>de</strong>r frei .<br />
Im J ahre 1628 wur<strong>de</strong> Martin Schütz aus <strong>de</strong>m Tal vor das fürstenbergische Landgericht<br />
befohlen. Auch in diesem Fall erhob St. Blasien Einspruch und hatte Erfolg damit.<br />
Als das Kloster im Jah re 16 12 die Reichsunmittelbarkeit erlangte, war aber in keiner<br />
Urkun<strong>de</strong> erwähnt wor<strong>de</strong>n, daß die Ortschaften <strong>de</strong>r ehemaligen Herrschaft Blumegg, die<br />
Sr. Blasien, wie bereits erwähnt, käuflich erworben hatte und die ei n Bestandteil <strong>de</strong>r Landgrafschaft<br />
Baar waren, nunmeh r <strong>de</strong>r Hohen Gerichtsbarkeit <strong>de</strong>s Reichsstifres unterstellt seien.<br />
Seit 161 2 gingen aber die fürstenbergischen Behör<strong>de</strong>n mit aller Vorsicht vor, wenn es sich darum<br />
han<strong>de</strong>lte, einen Bürger <strong>de</strong>r Talorte vor das Landgericht nach Geisingen zu la<strong>de</strong>n. Sie benachri<br />
chtigten zumeist zuvor da Obervogteiamt <strong>de</strong>s Gotteshauses in Ewattingen und baten um<br />
Auslieferung <strong>de</strong>r Beschuldigten. Aber trotz<strong>de</strong>m kam es hin und wie<strong>de</strong>r immer noch vor, daß<br />
die <strong>de</strong>m Landgericht Geisingen zugeordneten Polizeio rgane - meistens von Blumberg ausin<br />
die Talorte eindrangen und <strong>de</strong>n beschuldigten Bürger mit Gewalt zur Aburteilung vor das<br />
Landgericht schleppten. Dagegen protestierten die Beamten <strong>de</strong>s Freien Reichsstiftes Sr. Blas ien<br />
zu Recht und meist mit Erfolg. Aus mehreren Urkun<strong>de</strong>n erfahren wir, daß es <strong>de</strong>r fürstenbergischen<br />
Regierung nach <strong>de</strong>m Jahre 1612 gar nicht recht war, wenn sich ihre Beamten<br />
übergriffe auf das Gebiet <strong>de</strong>s Freien Reichsstifres St. Blasien erl aubten 8).<br />
Bei <strong>de</strong>n Streitigkeiten zwischen <strong>de</strong>m Gotteshaus St. Blasien und <strong>de</strong>m Hause Fürstenberg<br />
als Inhaber <strong>de</strong>r Grafschaftsrechte auf <strong>de</strong>r Baa r ging es jedoch nicht nur um die Ausübung <strong>de</strong>r<br />
H ohen Gerichtsbarkeit und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen Po lizeiaufgaben, son<strong>de</strong>rn auch um an<strong>de</strong>re<br />
Rechte, beson<strong>de</strong>rs aber um d ie Forstgerechtigkeit. Vo r rund dreihun<strong>de</strong>rt Jahren gab es in <strong>de</strong>n<br />
Wäld ern auf <strong>de</strong>n Gemarkungen <strong>de</strong>r Talorte so viele Wölfe, daß sie zu einer Landplage wur<strong>de</strong>n.<br />
Das erfahren wir aus Aktennotizen und Verhandlungsproroko ll en <strong>de</strong>s fürstenbergisc hen<br />
Obervogteiamtes Blumberg und <strong>de</strong>s Amtes Hüfingen aus <strong>de</strong>m Jahre 1685. Der für die Talo rte<br />
zuständi ge Obervogt <strong>de</strong>s Gotteshauses in Ewattingen erteilte <strong>de</strong>n Ortsvögten von Achdorf,<br />
überachen, Aselfingen, Eschach und Opferdingen die Genehmigun g, die Wölfe abschi eßen<br />
zu lassen. Da dieses Recht, Jagdgenehmigungen zu erteilen, aber ein Teil <strong>de</strong>r Forstgerechtigkeit<br />
war, die für alle Talorte nur <strong>de</strong>m Landgrafen zustand, kam es zu einem P rotestschreiben<br />
<strong>de</strong>s Blumberger Obervogres an <strong>de</strong>n Obervogt in Ewattingen. Um in dieser Angelegenhei t für<br />
d ie Zukunft Klarheit zu ~ c haffen , kamen die Beamten <strong>de</strong>s Landgrafen und <strong>de</strong>s Klosters noch<br />
im gleichen Jahr zu Verhandlunge n zusammen. Bei dieser Aussprache verwiesen die landgräfli<br />
chen Abgeordneten darauf, daß die Forstgerechtigkeit als ein Regal nur <strong>de</strong>n Landgrafen<br />
zustehe. Das Gotteshaus St. Blasien habe daher kei nerlei Berechtigung, die Erlaubnis zum<br />
Abschießen <strong>de</strong>r Wö lfe zu erteilen, auch wenn die Talo rte zum H errschafrsgebi et <strong>de</strong>s Klosters<br />
gehörten. Um aber <strong>de</strong>r Wolfsplage zu begegnen, verpflichtete sich die fürstenbergische Delegatio<br />
n - d ie Verhandlungen wur<strong>de</strong>n in Blumberg gefüh rt - dafür zu sorgen, daß die fürstenbergischen<br />
Jäger die Wö lf.: im Achdorfer Tal, auf <strong>de</strong>m Buch- und auf <strong>de</strong>m Eichberg absch ießen<br />
wür<strong>de</strong>n.<br />
Damit war dieser Streitfall zwischen <strong>de</strong>m Hause Fürstenberg und <strong>de</strong>m Gotteshaus<br />
St. Blas ien vorerst berei ni gt. Aber nur vo rerst, <strong>de</strong>nn immer und immer wie<strong>de</strong>r kam es zu<br />
Streitfällen bezüglich <strong>de</strong>r Auslegung <strong>de</strong>s Forstrechtes.<br />
Alljährlich strömten vor <strong>de</strong>r Emtezeit - beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n achtstun<strong>de</strong>n - ganze<br />
Scharen von Rehen vom Buch- und vom Eichberg ins Tal hinab und wei<strong>de</strong>ten dort auf <strong>de</strong>n<br />
Fruchtfel<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Talbewohner. Der durch das Wild angerichtete Scha<strong>de</strong>n war beträchtlich.<br />
Daß das wei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wild nicht abgeschossen wer<strong>de</strong>n durfte, war allen Talbewohnem bekannt.
Achdorfer Tal 7 1<br />
Daher vertrieben Männer, die von <strong>de</strong>n Ortsvögten dazu <strong>de</strong>n Auftrag erhalten hanen, durch<br />
das sogenannte "Blindschießen" das Wild. Beim Blindschießen wur<strong>de</strong> in die Luft geschossen.<br />
Die fürstenbergischen Verwaltungsbeamten - an ihrer Spitze <strong>de</strong>r Obervogt in Blumberg<br />
- protestierten heftig gegen dieses Blindschießen und verlangten von <strong>de</strong>n sankt blasianisehen<br />
Verwalrungsbehör<strong>de</strong>n, daß sie es umgehend zu verbieten hätten. Außer<strong>de</strong>m seien die<br />
Männer aus <strong>de</strong>n Talorten, die dieses Blindschießen durchgeführt hätten und weiter durchführen<br />
wür<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n fürstenbergischen Gerichten zu r Aburteilung zu überstellen.<br />
Das Obervogteiamt <strong>de</strong>s Klosters in Ewaningen stellte sich hinter seine Untertanen in <strong>de</strong>n<br />
Talorten und erklärte in einem Schreiben an <strong>de</strong>n fürstenbergischen Obervogt in ßlumberg, das<br />
"Blindschießen" sei keine "Wilddieberei", es ei notwendig, um die heranreifen<strong>de</strong> Frucht vor<br />
<strong>de</strong>m wei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Wild zu schützen 9 ) .<br />
Die Streitigkeiten wegen <strong>de</strong>s Blindschießens begannen im Juni 1659 und zogen sich bis in<br />
das Jahr 1660 hinein. Im Juni 1659 drangen fjjrstenbergische Jäger von Blumberg aus nachts<br />
in das Gebiet <strong>de</strong>r Talorte ein , und obgleich ii! auf <strong>de</strong>m Territorium <strong>de</strong>s Freien Reichsstiftes 10)<br />
nichts z u suchen hatten, paßten sie auf, wer da "blind schieße". Als Christoph Baumann,<br />
<strong>de</strong>r Schmied, und Jacob Haug, bei<strong>de</strong> wohnhaft in Achdorf, nachts mit ihren Gewehren beim<br />
Blindschießen unterwegs waren, wur<strong>de</strong>n sie von zwei fürstenbergischclI Jägern, bei <strong>de</strong>nen<br />
sich auch <strong>de</strong>r fürstenbergische Beamte Wolf aus Hüfingen befand, gesteIIr. Man nahm <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Achdorfer Bürgern die "Flinten" ab und schrieb ihre Namen auf. Darauf beschwerte<br />
sich <strong>de</strong>r Ewattinger Obervogt Weißer beim Kloster Sr. Blasien. Der Abt sch rieb einen Brief<br />
an <strong>de</strong>n fürstenbergischen Obervogt in Blumberg. In seinem Schreiben meinte <strong>de</strong>r Abt unter<br />
an<strong>de</strong>rem, seine Untertanen wür<strong>de</strong>n nicht wil<strong>de</strong>m, son<strong>de</strong>rn sieh nur gegen die Beschädigung<br />
ihrer Frucht durch das Wild wehren. Die Talbewohner seien eit Jahrhun<strong>de</strong>rten, ja schon z u<br />
Zeiten, als sie als Zugehörige <strong>de</strong>r H errschaft Blumegg noch gar nicht zum Reichsstift Sr. Blasien<br />
gehörten, berechtigt gewesen, "wei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>m Vieh mit Rohren und Hun<strong>de</strong>n zu wehren".<br />
Der Obervogt und seine Jäger sollten sich nicht "als Richter ei ner Sache aufspielen, die rec htlich<br />
nicht anfechtbar" sei. Das Schreiben war vom 1. Juli 1659 datier( 9 ). Am 8. August 1659<br />
erhielt <strong>de</strong>r Prälat <strong>de</strong>s Klosters Sr. Blasien in sei ner Eigenschaft als Leiter <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>s<br />
Reichsstiftes die Antwort <strong>de</strong>r fürstenbergischen Verwaltung. Das Schreiben war unterzeichnet<br />
mit: " Rat und Oberamtleute <strong>de</strong>r Landgrafschaft Baar".<br />
In diesem Schreiben erklärten die verantwortlichen Beamten <strong>de</strong>r Landgrafschaft, daß das<br />
Haus Fürstenberg in <strong>de</strong>r gesamten Landgrafschaft die " Hohe Landgerichtliche und Forstli<br />
che Obrigkeit" innehabe. ie könnten es nicht dul<strong>de</strong>n, daß, wie festgestellt, allnächtlich bis<br />
zu 20 Mann aus <strong>de</strong>n Talorten mit Gewehren über Fel<strong>de</strong>r und Wiesen gingen und das Wild mit<br />
Schießen vertreiben wür<strong>de</strong>n. Sie hätten viel zu lange zugeschaut und erst versucht, gutwilli g<br />
auf die Talbewohner einzure<strong>de</strong>n . Das sei ohne Erfolg geblieben. Jetzt wür<strong>de</strong>n die fürstenbergischen<br />
Jäger je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n sie beim Blindschießen o<strong>de</strong>r mit einer Flinte auf <strong>de</strong>m Feld o<strong>de</strong>r<br />
im Wald erwischen wür<strong>de</strong>n, mit ins Fürstenbergische hinübernehmen.<br />
Der EWlnin ger Obervogt C lcmenz Wei{~ meinte in seiner schriftlichen Erwi<strong>de</strong>rung, daß<br />
das ~lindschießen kein Eingriff in die Forstgerechtigkeit <strong>de</strong>r Landgrafschafr darstelle. Es gehe<br />
doch chließlich nur darum, "die Talbewohner vor Scha<strong>de</strong>n an ihren Feldfrüchten zu bewahren".<br />
Das Obervogteia'llt Blumberg und die an<strong>de</strong>ren fürstenbergischen Dienststellen (Hüfingen)<br />
blieben bei ihrer Ansicht: "Den Talbewohnern ist das nächtliche Schießen zur Wildvertreibung<br />
zu verbieten" .<br />
och ein volles Jahr schrieben sich die bei<strong>de</strong>n Obervögte von Ewaningen und von<br />
Blumberg aus Briefe in dieser Angelegenheit. Je<strong>de</strong>r beharrte auf se inem Rech t und behauptete,<br />
er könne nicht an<strong>de</strong>rs entschei<strong>de</strong>n. Sie täten nur das, "was sie vor Gott und ihrer Herr chaft<br />
zu verantworten hätten". Die Dummen waren die Talbewohner. Trotz aller Proteste <strong>de</strong>s<br />
Reichsstiftes drangen die fürstenbergischen Jäger ins Achdorfer Tal ein und nahmen <strong>de</strong>n<br />
Blindschießern die Gewehre ab. Sie zu verhaften, dazu fehlte ihnen nun <strong>de</strong>r Mut, da sie eine
72 Pau l Willimski<br />
Klage <strong>de</strong>s Reichsstifres beim kaiserlichen Reichskammergericht bzw. <strong>de</strong>m H ofgericht in Ro ttweil<br />
verhin<strong>de</strong>rn wollten.<br />
So blieb alles beim aiten! Die T albewohner vertrieben mit Blindschießen das Wild von<br />
ihren Fel<strong>de</strong>rn und achteten dabei, daß ie von <strong>de</strong>n fürstenbergischen Jägern nicht erwischt<br />
wur<strong>de</strong>n . Die fürstenbergi ehen Jäger aber scheuten sich, Gewalt anzuwen<strong>de</strong>n, wenn sie einmal<br />
Glück hatten, einen Blind -chießer zu erwischen . Sie ließen es dann dabei bewen<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>m<br />
Ertappten die Flinte abz unehmen.<br />
Die Gemein<strong>de</strong>n Opferdingen und Eschach, die in die Mühle nach Achdorf gebannt<br />
waren , stellten beim Kloster St. Blasien im Jah re 1705 <strong>de</strong>n Antrag, für diese bei<strong>de</strong>n Orte in<br />
Eschach eine neue Mühle zu errichten, da die Straße nach Achdorf beson<strong>de</strong>rs im Winter<br />
schlecht z u befahren sei. Ein Müller war schon gefun<strong>de</strong>n. Er hi eß Andreas Schmidt. Da<br />
Kloster erteilte dazu die Genehmigun g, zumal dieses Recht auch <strong>de</strong>n Grundherren zustand .<br />
Im Jahre 1706 war die Mühle erbaut; noch im gleichen Jahr begann <strong>de</strong>r Müller mit <strong>de</strong>m Betrieb.<br />
un tand aber die Mühle auf einer F läche, die einstmals Waldbo<strong>de</strong>n war, jedoch scho n<br />
vor rund einhun<strong>de</strong>rt Jahren - all erdings ohne Genehmigung <strong>de</strong>r fürstenbergischen Fo rstbehö<br />
r<strong>de</strong>n - gero<strong>de</strong>t wu r<strong>de</strong>. ach Ansicht <strong>de</strong>r landgräflichen Verwaltung unterstand also<br />
diese Fläche immer noch <strong>de</strong>r Forstgerechtigkeit, die all ein und unbestritten <strong>de</strong>m H ause<br />
Fürstenberg zustand. Dieses ebiet war nach Ansicht <strong>de</strong>r fürstenbergischen Behö r<strong>de</strong>n<br />
"Waldfläche", auch wenn darauf keine Bäume mehr stan<strong>de</strong>n. Sie durfte nicht ohne fü rstenbergische<br />
Genehmigung bebaut wer<strong>de</strong>n. Die Behör<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Landgrafs haft, di e erst vo n d er<br />
Errichtung <strong>de</strong>r Mühle erfuhren, als sie bereits in Betrieb war, erh o ben Einspruch in Ewattingen<br />
und schickten gleichzeiti g ein en berittenen Jäger nach Eschach, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m "Bestandsmüller<br />
Schmidt" bei einer Strafandrohung von 100 T alern verbot, weiterhin zu mahlen . D er Müller<br />
aber, d er sich <strong>de</strong>n fürstenbergischen Behö r<strong>de</strong>n nicht verpflichtet fühlte und sich auf die ihm<br />
vom Gotteshaus St. Blasien erteilte Mahl genehmigun g berief, ging wei terhin seinem Mahlhandwerk<br />
nach. Vo rerst reagierten die fürstenbergisc hen Behör<strong>de</strong>n darauf nicht, und all e<br />
Bürge r im Tal glaubten , man habe sich auf fürstcnbergischer Seite mit <strong>de</strong>m Mühlenbau und<br />
<strong>de</strong>r Inbetriebnahme d er Müh!.: abgefun<strong>de</strong>n. Aber am 14 . Augu t 1709 fi elen Beamte <strong>de</strong>r<br />
fürstenbergischen Verwaltunh in Blumberg in die Eschacher Mühle ein und "zerstörten alle<br />
1 ühl engcräte mit Beilen und Ax ten, darunter auch das Wasserrad". Sie erklärten gleichzeiti g<br />
<strong>de</strong>r empörten Bürgerschaft, di e Zeuge <strong>de</strong>r Zerstörung war, "die Mühle sei wi<strong>de</strong>rrechtlich<br />
crb'lUt wor<strong>de</strong>n". D as H aus Fürstenberg habe dazu ke ine Genehmigung erteilt, und das<br />
Kloster St. Blasien habe ke in e Berechtigung, eine solche Baugenehmigung z u erteil en .<br />
och am gleichen Tage böchwerten sich <strong>de</strong>r Vogt von Achdorf in sei ner Eigenschaft als<br />
"Srabh3lter <strong>de</strong>s Kl osters in Tal" sowie di e Geschworenen all er T alo rte schriftlich beim<br />
1:.w.lltinger Obervogteiamt. Der Ewattin ger Obervogt berichtete um gehend nach St. Blasien<br />
weiter. In diesem Schreiben <strong>de</strong>s Obervogts hieß es unter an<strong>de</strong>rem: .,Alles ist ruiniert. Auch<br />
ein \V J s~e r graben wur<strong>de</strong> 7er,tÖn und auch die Bäume umgehauen" 11 ).<br />
Das Frei e Reichssti ft St. Blasien li eß sich d iesen übergriff nicht gefall en und verklagte die<br />
fü rstenbergische Regierun g. Es kam zu einem Prozeß vor <strong>de</strong>m Ro ttwei ler H ofgericht. Dort<br />
wur<strong>de</strong> festgestellt, daß die fü rstenbergischen Beamten "im übereifer gehan<strong>de</strong>lt hätten". Der<br />
C hef <strong>de</strong>s H auses Fürstenberg erklärte sich bercit , <strong>de</strong>m Kloster fü r die Zerstö rungen an <strong>de</strong>r<br />
Mühle eine Scha<strong>de</strong>nssummc zu zahlen. Ocr Bctrag, <strong>de</strong>r erst nach <strong>de</strong>m Gerichtsurteil von ei·ner<br />
unparteiischen Ko mmiss ion ge chätzr und festgesetzt wur<strong>de</strong>, ist uns in se in er H öhe lei<strong>de</strong>r<br />
nicht liberliefert. Das Kloster li eß :Iuf seine Kostcn <strong>de</strong>m Müller all e beschädigten Gebäu<strong>de</strong>teile<br />
und Geräte ersetzen . Das Gericht hatte weiter entschie<strong>de</strong>n , daß <strong>de</strong>r Müller weitermahlen<br />
dürfe 11 J. Da~egen erhob die iürstlich-fürstenbergische Regierung kein e E inwän<strong>de</strong>.<br />
Um die Zwisti gkei ten zwischen <strong>de</strong>m Freien Reichsstift SJnkt Bla ien und <strong>de</strong>m H ause<br />
Fürstenberg endlich für ein en längeren Zei tr:lUm zu beseitigen, kamen die Räte <strong>de</strong>r Landgrafschaft<br />
(im Bereich d es Fürstentums Fürstenberg) und <strong>de</strong>s Rei chsstiftes zu Verhandlungen
Achdo rfer Tal 73<br />
zusammen, die sich, unterbrochen durch mehrere Pausen, vom 30. Juni 1723 bis zum Jahre<br />
1724 hinzogen.<br />
In <strong>de</strong>n Jahren 1695- 1697 hatte <strong>de</strong>r damalige Rep räsentant <strong>de</strong>s Löffinger Zweiges, Landgraf<br />
earl Egon zu Fürstenberg, beim Kloster Sr. Blas ien Darlehen aufgenommen. Die Gesamtsumme<br />
betrug 4000 G ul<strong>de</strong>n. " Wegen an<strong>de</strong>rer wichtiger Ausgaben", so heißt es in ein em<br />
Schreiben <strong>de</strong>s Fürsten Joseph Ernst zu Fürstenberg als Erbe <strong>de</strong>s Landgrafen vom 25. Mai 1724<br />
an <strong>de</strong>n Abt <strong>de</strong>s Reichsstiftes Sr. Blasien, "konnte das Darlehen vorerst nicht zurückgezahlt<br />
wer<strong>de</strong>n". Mit <strong>de</strong>n angewachsenen Zinsen betrug die Gesamtschuld <strong>de</strong>s H auses Fürstenberg,<br />
die es beim Kloster Sr. Blasien hatte, im Jahre 1724 insgesamt 2 1283 Gul<strong>de</strong>n und 15 Kreuzer.<br />
Bei <strong>de</strong>n Verhandlungen um die Beseitigung <strong>de</strong>r Zwistigkeiten zwischen <strong>de</strong>m Kloster<br />
Sr. Blasien und <strong>de</strong>m H ause Fürstenberg kamen die Fü rstenberger Beamten am 30. Juni 1723<br />
und am 26. Mai 1724 auch auf diese Schuld <strong>de</strong> ~ H auses Fürstenberg zu sprechen. Sie machten<br />
<strong>de</strong>n Vo rschlag, gegen eine weitere Stundung <strong>de</strong>s Darl ehens ohne wei tere Verzinsung, "die<br />
umstrittene Gerichtsbarkeit und die Rechte <strong>de</strong>r Landgrafen 13) in <strong>de</strong>n Talorten , ausgenommen<br />
die H ohe und ie<strong>de</strong>re Jagdbarkeit und <strong>de</strong>n f orstbann" , auf fünfzig Jahre <strong>de</strong>m Gotteshaus<br />
Sr. Bl as ien zu verpfän<strong>de</strong>n 14 ) .<br />
Im G enerallan<strong>de</strong>sarchiv Karlsruhe ist uns ferner eine Quittung <strong>de</strong>s Fürsten frobenius<br />
Ferdinand von Fürstenberg-Meßkirch vom I. Juli 172 4 überliefert, aus <strong>de</strong>r hervorgeht, daß<br />
das Haus Fürstenberg für 20000 Gul<strong>de</strong>n als Kaufschilling - so heißt es in <strong>de</strong>r Quittung<br />
"seine Rechlt in <strong>de</strong>n sogenannten Talorten an <strong>de</strong>r Wutach - Achdorf, Oberachen, Aselfingen,<br />
Opferdingen und Eschach - für fünfzig Jahre an Sr. Blasien verpfän<strong>de</strong>t hat" 15).<br />
Der Pfandschafrsvertrag lief im Jahre 1774 ab. Man war aber auf bei<strong>de</strong>n Seiten interessiert,<br />
ihn zu ern euern. Gleichzeitig wollte man <strong>de</strong>n zu erneuern<strong>de</strong>n Vertrag noch in einigen<br />
Punkten verbessern . Mit <strong>de</strong>n Verhandlungen begann man am 25. Juli 1780. Die führen<strong>de</strong>n<br />
Köpfe d er fürstenbergischen Delegation waren <strong>de</strong>r Geheime Rat und Regierung präsi<strong>de</strong>nt<br />
Kar! Freiherr von Laßberg sowie die H ofräte Lenz und SchGrer. Für das Reichssti ft St. Blas ien<br />
verh an<strong>de</strong>lten <strong>de</strong>r G eheim e Rat und Kanzler H err vo n Lempenbach und <strong>de</strong>r Rats- und Landschreiber<br />
H err von Gerbert.<br />
Am 11 . September 1780 kamen die bei<strong>de</strong>n Delegationen zu einem Ergebnis. Darüber<br />
erfahren wir aus <strong>de</strong>m Verhandlungsproroko ll fo lgen<strong>de</strong>s: 16)<br />
I. Man war fest entschlossen, die Anno 1724 vereinbarte pfandschaft für di e Talorte Achdo<br />
t-f, Oberachen , Aselfingen, Opferdingen und Eschach "gänzlich zu berichtigen und <strong>de</strong>n<br />
gefaßten E ntschluß ins rein e zu bringen".<br />
2. Strittig war bei <strong>de</strong>r Verhandlung, di e in Schluchsee geführt wur<strong>de</strong>, das Steuerwesen. Dieses<br />
war bei <strong>de</strong>r Vertragsschließung Anno 1724 ausgekl ammert wor<strong>de</strong>n. Nun wur<strong>de</strong> man sich<br />
auch darüber einig.<br />
3. Man war jetzt auf bei<strong>de</strong>n Seiten entschlossen, auch die an<strong>de</strong>ren Probleme, die zwischen<br />
<strong>de</strong>m Hause Fürstenberg und <strong>de</strong>m Reichsstift bestan<strong>de</strong>n, zu klären und zu regeln. So zum<br />
Beispiel das seit langem umstrittene Kirchenrechnungswesen zu Lempach, Mauehen und<br />
Oberwangen. Man wollte in dieser Angelegenheit eine gütliche Lösung fin<strong>de</strong>n .<br />
4. Man einigte ich ferner über die Abgrenzungen <strong>de</strong>r Rechte zwischen <strong>de</strong>n Pfarreien Bettmaringen<br />
und Oberwangen.<br />
Aber die Hauptpunkte <strong>de</strong>r Verhandlung und <strong>de</strong>s beabsichtigten erneuerten Pfandschafrsvertrages<br />
waren nach wie vor die Rechte und Gerechtigkeiten in <strong>de</strong>n Talorten. Das Gotteshaus<br />
Sr. Blas ien bestand als Lan<strong>de</strong>sherr auf <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>r H ohen Gerichtsbarkeit in <strong>de</strong>n<br />
Talorten. Es berief sich dabei auf seine P.eichsunmittelbarkeit se it 1612 . Mit <strong>de</strong>r Ausübung<br />
dieses Rechtes waren nach <strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>s Schwäbischen Kreises Patrouillen durch<br />
berittene Polizei posten verbun<strong>de</strong>n, auf die das Kloster als Lan<strong>de</strong>s herr keineswegs verzichten<br />
wollte. Es hatte sich lange dagegen gewehrt, daß die Patrouillenritte im Gebiet <strong>de</strong>r Talorte<br />
durch fürstenbergische Jäger durchgeführt wur<strong>de</strong>n.
74 Paul Willim,ki<br />
Das Haus Fürstenberg wollte im erneuten Pfandschaftsvertrag verbindlich festgelegt<br />
wissen, daß es weiterhin das volle Jagdrecht in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Talorte ausüben könne und<br />
dürfe. Die D orfvögte <strong>de</strong>r Talo rte, die durch eine Delegati on bei <strong>de</strong>n Verhandlungen, soweit sie<br />
die T alo rte betrafen , vertreten waren, wiesen auf die Schä<strong>de</strong>n hin, die, wie schon im vorigen<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rt, auf ih ren Fel<strong>de</strong>rn durch das wei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wild angerichtet wor<strong>de</strong>n waren, und verlangten,<br />
daß sie das Recht erhielten, wei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Wild durch Blindschießen zu vertreiben. Die<br />
Vertreter <strong>de</strong>s H auses Fü rstenberg lehnten diesen Antrag entschie<strong>de</strong>n ab, versprachen aber, alles<br />
zu tun, d amit die fürstenbergischen Jäger durch Abschießen <strong>de</strong>s Wil<strong>de</strong>s die T albewohner<br />
von weiteren Schä<strong>de</strong>n bewahren wür<strong>de</strong>n.<br />
Im ovember 1780 war <strong>de</strong>r erneuerte Pfandschaftsvertrag unter Dach und Fach. Aus<br />
kulturhistorischen Grün<strong>de</strong>n wird er nachstehend im W o rtlaut w ie<strong>de</strong>rgegeben. Zum besseren<br />
Verständn is <strong>de</strong>s T extes w u r<strong>de</strong> nur an ein zelnen Stellen die Orthograph ie geän<strong>de</strong>rt 16), 17).<br />
"Der ern euerte Pfandschaft vertrag zwischen <strong>de</strong>m H ochfürsrlichen Haus Fürstenberg<br />
und <strong>de</strong>m H ochfürstli chen Reich sti ft St. Bl asien. - Kund und z u wissen sei hi ermit: Demnach<br />
zwischen <strong>de</strong>m Hochfürstlichen Haus Fürstenberg und <strong>de</strong>m H ochfürstlichen Reichsstift<br />
St. Blasien auf <strong>de</strong>m Schwarzwald 7.ur Beibehaltung guter nachbarlicher Beziehung und zur<br />
Beendigung wegen einiger Rechte und Gerechtigkeiten erwachsenen Spänne und Irrungen am<br />
30. Juni 1723 ein gütli cher Vertrag und Pfandschaftsrezeß errichtet und vermöge <strong>de</strong>sselben<br />
von seiten <strong>de</strong>s Hochfür t1i chen H auses Fürstenberg all e in obbenannten Ortschaften (die Talo<br />
rte) innegehabten Rech te p fa ndschaftsweise an das Reichsstift St. Blasien abgetreten wor<strong>de</strong>n<br />
sind, haben sich die Parteien vereint und ve rglichen, die Pfandschaft von 1723 zu prolo ngieren<br />
und zwar auf die Art und Weise wie hernach folgt:<br />
Erstens wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m H ochfürs rli chen Haus Fü rstenberg die ihm in <strong>de</strong>n Talo rten<br />
- Achdorf, Oberachen, Aselfi ngen, Eschach und Opferdingen - zustehen<strong>de</strong> Jura und G e<br />
rechtigkeiten mit alleiniger Ausnahme <strong>de</strong>r Hohen und <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>ren Jagdbarkeit, die beim<br />
H ochfürsrli chen H aus Fürstenberg verbleibt, <strong>de</strong>m H ochfürsrli chen Reichsstift St. Blasien auf<br />
eine weitere Zei t von dreißig Jahren, nämlich mit Juni 1803 endigend, pfandrechrlich überlassen<br />
, <strong>de</strong>rmaßen, d aß es bei allen Artikeln und Klause ln <strong>de</strong>s vorausgegangenen Vertrages verbleibt.<br />
Zweitens bleibt <strong>de</strong>r Pfandschilling bei d er Summe, die schon Anno 1753 in H öhe von<br />
zwanzigtausend Gul<strong>de</strong>n erl egt wor<strong>de</strong>n ist.<br />
Drittens steht <strong>de</strong>m H ochfürstlichen H aus Fürstenberg erst mit Verfluß <strong>de</strong>r prolongierten<br />
Pfa ndschafts jahre frei, nach ein er vo rgängigen halb jährigen Aufkündigung <strong>de</strong>n Pfandschilling<br />
an heim zu zahlen und die verpfän<strong>de</strong>te Jura wie<strong>de</strong>rum an sich zu z iehen. Also kann gleichergestalten<br />
d as Hochfürsrliche Reichsstift erst mit Ausgang <strong>de</strong>r dreißigjährigen Prolongation<br />
nach gleichmäßig vorgängiger halbjähriger Kündigung die Rückzahlung <strong>de</strong>s Pfandschillings<br />
verlangen .<br />
W enn aber v iertens nach ve rfl ossener Pfandschaftszeit die Aufkündigun g we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m<br />
einen no ch <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Teil ~esc h e hcn wür<strong>de</strong>, so soll alsdann die Pfandschaft auf ein weitere<br />
Jahr hinaus prolongiert sein , mithin die unterbleiben<strong>de</strong> Aufkündigung keinem Teil zum Nachteil<br />
gereichen.<br />
Fiillfte175 hat das H ochfürstli chc Reidlsstift St. Blasien 7U E~chac h wie<strong>de</strong>rum das in Zerfall<br />
sich befun<strong>de</strong>ne Kapbncih.,u 1 S) erneuert und w ill es mit <strong>de</strong>r Kapelle von einer Mauer umfangen<br />
lassen. Wenn aber <strong>de</strong>r Pbtz für Kapell e und Kaplaneihaus n.lch Erlöschen <strong>de</strong>s Pfandschaftsvertrages<br />
wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>m Haus Fürstenberg zufallen wird, so gibt das H ochfürstliche<br />
Haus jetz t schon das Versprechen, daß Kapelle und Kaplaneihaus weiterhin nur <strong>de</strong>m Kloster<br />
Sr. Blasien verbindlich seien .<br />
Sechstens: Obgleich sich im PFandschait vertrag das H ochfürsdiche Haus Fürstenberg<br />
die Jagdbarkeit vorbeh.llten hat. so verz.ichtet es <strong>de</strong>nnoch darauf, bei Kirchweihen in <strong>de</strong>n<br />
Talonen d.ls ,.Standgeld" 19) ,,·ie bisher üblich, an die fürstenbergischell Jäger z u zahlen. Dem
Achdorfcr Tal 75<br />
Hochfürstlichen Reichsstift ist es nicht verwehrt, nunmehr das Geld von sich aus einzuziehen<br />
und z u verrechnen.<br />
Zu wahrer Bekundung <strong>de</strong>ssen, was nun beschlossen ist, haben von seiten <strong>de</strong>s Hochfürstlichen<br />
Hauses Fürstenberg <strong>de</strong>r regieren<strong>de</strong> Fürst und Herr Joseph Wenceslav und von seiten<br />
<strong>de</strong>s Hochfürsdichen Reichsstiftes Sr. Blasien <strong>de</strong>r regieren<strong>de</strong> Abt Herr Martin, Hochfürstliche<br />
Gna<strong>de</strong>n, neben <strong>de</strong>m Herrn Dekan und <strong>de</strong>m gesamten Lö blichen Kapitel zwei gieichlautend<br />
verfaßte Dokumente, die je<strong>de</strong>m Teil zugestellt wur<strong>de</strong>n, eigenhändi g unterschrieben und ihre<br />
fürstliche Insiegel darauf drucken lassen.<br />
So geschehen, <strong>de</strong>n 7. in Donaueschingen und <strong>de</strong>n 9. in Sr. Blasien im Monat November<br />
im eintausendsiebenhun<strong>de</strong>rtundachtzigsten Jahr. ,Joseph Wenzel, Fürst zu Fürstenberg<br />
Martin, Abt und Fürst'. "<br />
Damit waren die Streitigkeiten zwi~chel1 <strong>de</strong>m H ause Fürstenberg und <strong>de</strong>m Freien<br />
Reichsstift au <strong>de</strong>m Wege geräumt. Wenn es in einzelnen Fällen noch zu Reibungen zwischen<br />
<strong>de</strong>m fürstenbergischen Obervogt in Billmberg und <strong>de</strong>m Obervogl <strong>de</strong>s Reichsstiftes in Ewattingen<br />
kam, so waren das unbe<strong>de</strong>ute~ld e Fälle, die dadurch zu erklären waren, daß <strong>de</strong>r damalige<br />
fürstenbergische Obervogt in Blumberg <strong>de</strong>n erneuerten Pfandschaftsvertrag nur ung'enügend<br />
kannte. In allen diesen Fälien wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r " übereifrige Obervogt" vor. <strong>de</strong>r fürstenbergischen<br />
Regierung in seine Schranken gewiesen. Zu einer weiteren Erneuerung <strong>de</strong>s Vertrages<br />
kam es nicht. Mit d em übergang sowohl <strong>de</strong>r fürstenbergischcr. Lan<strong>de</strong> ais auch <strong>de</strong>s Gebietes<br />
<strong>de</strong>s Freien Reichsstiftes an das Großherzogturn Ba<strong>de</strong>n waren die Probleme ein für alle Male<br />
gelöst.<br />
E rläute run g en<br />
F.r.A. = Fürstl ich rür.slL'n b('rg i ~l·ht's Archiv Dun .lllL'~chinh(.·n<br />
C.LA. = Cenerallandcsarchiv Karbruhe<br />
I) Veröff. d . Komm. r. geseh. Landc> kundc Bd .-Wllbf\. 2 7 , S. 28, 1963<br />
2) C. L.A. Abrlg. 229<br />
3) C.LA.229125570-26 57;<br />
4) C.LA. r. 678, S.if.", und Klö;rcr, KUlI\' . 48<br />
5) C.LA. Kai,"r- und KÖllIg>urkun<strong>de</strong>n Nr. 703<br />
6) f.F.A . Bist. B88 Lat. 1 Vol. VII<br />
7) C.LA.129/ 26568<br />
8) F.I'. A. A E 3 Vo l. III<br />
9) F.F. A. Cist. 88 01. VII<br />
10) Freies Reichsstif. sei . 16 12<br />
11) C. L A.229/26563<br />
12) C. L A.229/26564<br />
J 3) Ocr rürsl 7U h.irstc nb er~ \yar glL',d17c..'itig L J.lld~ r-;lf dt'r 13.1.1r.<br />
14) C. L. A. Pfa ndrecht, Kom. 98<br />
15) C.LA. Pfandrecht, Kon\'. 9H<br />
16) C.LA. Pbndn,cllt, Kml\. %<br />
17) C.L.A. PLtndrecht, !-- o,1'. 9h<br />
lS ) Kin:hlidl war Lsd1J...:h cJJIll:d .. eine Fihall I..lcf PLlr"I..·; ~htnltdr!n;' : l.'"n, iJ,r l - lIr~l l u Für .... t L"n lu:r~ \.\ 11 P.llrLtn.ll,III,'!T<br />
sowohl <strong>de</strong>f Plarrc,j Munc..h:ifinscn. dit, ~\UI f:ir ... tl..·nbt q.:.i-;I..'h('TP T .: r!""ihJrtUm IJ.~ , .11 ... ,lU l.·O Jer K.lpl.l:1C'i 1 .... ~ ·I Lll..h. Jll<br />
au f dl'm Gt·bil'[ dl' .... K,('ich ........ ti !l l· .., ~t. öl .... iL'll lJt! ,<br />
19) StanJgl..'ld =- dil' Gl'bi.lhr. dl~ d!1.' Sch.1u .... ll'lIer lI~J ~ 1.1I11..i11..'1 lwi " irl. :1 \\ l'ih ..'11 lum J\u!'\I.:Ih-n l11 n' r I.\l.lnlll' eml ;llHt I'<br />
lll 11 f~tL'n.
76<br />
Die strategische o<strong>de</strong>r "Kanonenbahn ce<br />
Immendingen - Waldshut<br />
von Reimar Zeller<br />
mit 7 Abbildungen<br />
Seit Jahren beschäftigt sich eine zunehmend breitere Offentlichkeit mit <strong>de</strong>r am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />
Baar liegen<strong>de</strong>n Eisenbahnverbindunt; von Immendingen (Hintschingen) nach Waldshut. Vor<br />
allem <strong>de</strong>r geplante Rückbau <strong>de</strong>r 1955 für <strong>de</strong>n Personenverkehr stillgelegten Bahnstrecke hat<br />
Eisenbahnhistoriker, Umweltschützl'r, Frem<strong>de</strong>nverkehrsunternehmungen und nicht zuletzt<br />
die anliegen<strong>de</strong>n Kommunen auf <strong>de</strong>n Plan gerufen. Gerne sähe man sie unter Denkmalschutz<br />
gestellt und als "Muse umsbahn" <strong>de</strong>m Zugriff nüchtern kalkulieren<strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong>n entzogen.<br />
Der einstmals strategische Zweck hat ihr <strong>de</strong>n Beinamen "Kanonenbahn" eingebracht, und<br />
wegen ihrer zahlreichen Windu ngen und Schleifen die Fützener Wanne hinauf auf die Höhe<br />
<strong>de</strong>s Aitrachtales bei Zollhaus-Blumberg hat sie <strong>de</strong>r Volksmund auch " Sauschwänzle-Bahn"<br />
getauft. Den technisch Interessierten, aber auch <strong>de</strong>n Heimatkundler, muß es reizen, <strong>de</strong>r<br />
Geschichte dieser Bahnlinie nachzugehen, zumal sie, einst als Nebenstrecke geplant, doch zu<br />
<strong>de</strong>n aufwendigsten Bahnkonstruktionen <strong>de</strong>s 1870/7 1 neu ent tan<strong>de</strong>nen Deutschen Reiches<br />
gehörte. Als am 20. Mai 1890 nach kaum zweijähriger Bauzeit die feierliche Einweihung<br />
erfolgte, wußte je<strong>de</strong>rmann , daß hinter diesem technisch kühnen Bauvorhaben die Reichsmilitärverwaltung,<br />
genauer <strong>de</strong>r Große Generalstab in Berlin , stand. " Preußen" sagte man<br />
damals und nicht so seh r: "das Reich" ! Es gin g um nichts Geringeres, als eine Verbindung <strong>de</strong>s<br />
eben erst erworbenen Lan<strong>de</strong>s Elsaß- Lothringen mit <strong>de</strong>n südlichen Teilen <strong>de</strong>s Reiches zu<br />
schaffen. Es galt, unter Umgehung <strong>de</strong>r Schweizerischen Kantone Schaffhausen und Basel, das<br />
Großherzogturn Ba<strong>de</strong>n mit sei nen Garnisonen und Munitionsfabriken und darüber hinaus di e<br />
Königreiche Württemberg und Bayern mit <strong>de</strong>m Elsaß, insbe on<strong>de</strong>re mit <strong>de</strong>r Festung Belfort<br />
zu verbin<strong>de</strong>n. Bisher mußte auf einer Länge von 28 Kilometer immer wie<strong>de</strong>r schweizerisches<br />
Gebiet durchfahren wer<strong>de</strong>n. Immerhin hatte <strong>de</strong>r Badische Staat 1852 mit <strong>de</strong>r Schweizerischen<br />
Eidgenossenschaft einen Staatsvertrag betreffend <strong>de</strong>r Weiterführung <strong>de</strong>r Badischen Eisenbahnen<br />
über schweizerisches Gebiet abge ch lossen, in<strong>de</strong>m auch Krisenfälle geregelt waren. Als<br />
aber 187 1 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Reich ausgerufen wur<strong>de</strong>, tauchten für die<br />
Verrrags partner nicht mehr zu übersehen<strong>de</strong> Schwierigkeiten auf. In einer Denkschrift <strong>de</strong><br />
Bun<strong>de</strong>srates an <strong>de</strong>n Reichskanzler Bismarck aus <strong>de</strong>m Jahre 1885 heißt es:<br />
" Die bestehen<strong>de</strong> Eisenbahnverbindung zwischen <strong>de</strong>n südlichen Teilen <strong>de</strong>s Elsaß und<br />
<strong>de</strong>s Großherzogtums Ba<strong>de</strong>n einerseits und <strong>de</strong>n übrigen südlichen Teilen <strong>de</strong>s Reichs<br />
an<strong>de</strong>rerseits, nämlich die Bahnlinien: Mühlhausen-Sr. Ludwig-Leopoldshöhe-Basel<br />
Waldshut-Singen-Konstanz, sowie Zell-Schopfheim-Lörrach-Basel durchschnei<strong>de</strong>n<br />
die schweizerischen Kantone Basel und Schaffhausen.<br />
Der wegen H erstellung dieser Bahnen zwischen <strong>de</strong>m Großherzogturn Ba<strong>de</strong>n und<br />
<strong>de</strong>r schweizerischen Eidgenossenschaft abgeschlossene Vertrag, betreffend die Weiterführung<br />
<strong>de</strong>r badischen Eisenbahnen über schweizerisches Gebiet, vom 27. Juli<br />
1852 behält im Artikel 38 <strong>de</strong>r schweizerischen Bun<strong>de</strong>sregierung, sowie <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />
Kantonsregierungen das Recht vor, das Eigentum und <strong>de</strong>n Selbstbetrieb einer<br />
o<strong>de</strong>r sämtlicher auf ihrem Gebiete befindlichen Bahnstrecken, nach vorausgegangener<br />
fünf jähriger Kündigung, jedoch keineswegs vor Ablauf eines fünfundzwanzigjährigen<br />
Betriebes an sich zu ziehen. Bezüglich <strong>de</strong>r Fortsetzung <strong>de</strong>r Bahn von<br />
Waldshut nach <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>nsee ist im Artikel 6 <strong>de</strong>s Vertrages vom 30 . Dezember 1858,<br />
und zwar in Abän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bestimmungen im Artikel 38 <strong>de</strong>s Hauptverrrages vom<br />
27. Juli 1852 das Recht <strong>de</strong>s Rückkaufs nicht vor Ablauf eines fünfzigjährigen
Kanonenbahn<br />
77<br />
BLUMBERG-<br />
I<br />
,<br />
I<br />
,<br />
\<br />
789,6<br />
...<br />
~B \ l.lmeg
78 Reimar Zeller<br />
Hervor7.uheben ist, daß diese Bahnstrecken, soweit sie auf schweizerischem Geb<br />
iete liegen, für <strong>de</strong>utsche Militärtransporte nicht frei benutzbar sind. Es haben zwar<br />
früher zwischen <strong>de</strong>m Großherzogtum Ba<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Schweiz Abmachungen stattgefun<strong>de</strong>n,<br />
welche eine bedingte Benutzung <strong>de</strong>r Bahn zur Durchführung <strong>de</strong>utscher<br />
Truppen durch die schweizerischen Gebietsteile gestatten. Diese Abmachungen<br />
haben aber später Modifikationen erlitten, durch welche jene Befugniß <strong>de</strong>rart<br />
eingeschränkt ist, daß ihr eine praktische Be<strong>de</strong>utung nicht mehr beigelegt wer<strong>de</strong>n<br />
kann. Auch wenn diese Einschränkun gen im Wege erneuter Verhandlungen mit<br />
<strong>de</strong>r Schweiz beseitigt wer<strong>de</strong>n könnten, wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r letzteren immer das Recht vorbehalten<br />
wer<strong>de</strong>n müssen, die Transporte zu untersagen, sobald das rnteresse ihrer<br />
Sicherheit o<strong>de</strong>r Neutralität solches zu erfor<strong>de</strong>rn sch iene. Für kriti sche Zeiten wäre<br />
also ein <strong>de</strong>rartiges Vertragsrecht immerhin illusorisch."<br />
Der hier z iti erte Auszug brachte die Illilitärpo litische Konsequenz zu Tage, daß im<br />
Erstarken <strong>de</strong>s nati onalstaatli chen Denkens das Reich , o<strong>de</strong>r Preußen, sich bei seinen kühnen<br />
Unternehmungen, Soldaten und Waffen o hne Ei nsichtnahme <strong>de</strong>r Schweiz hin und her<br />
schieben zu können, nicht die Flügel ${utzen lassen durfte. Man hatte ohnehin Präze<strong>de</strong>nz fälle<br />
z u verzeichnen, die be<strong>de</strong>nkl ich die eidgenössische Empfindlichkei t gegen je<strong>de</strong> Bevormundung<br />
durch das Reich signalisierte. So wur<strong>de</strong> einem badischen Bezirksarzt seine gesundheitspo li zeiliche<br />
Tätigkeit auf <strong>de</strong>m Basler Bahnhof brüsk untersagt. Damit hatte die Maus <strong>de</strong>n Elefanten<br />
gekit7.elt. Die Badische Lan<strong>de</strong>szeitung in ihrer !\usgabe vom 7. September 1884 bemerkte z u<br />
diesem Vorfall:<br />
" Die H andhabung <strong>de</strong>r Bahnpolizei, zu <strong>de</strong>r ga nz zweif 1I0s auch die Gesundheitspolizei<br />
3uf <strong>de</strong>r Bahn gehört, ist <strong>de</strong>r badischen Bahnverwalrung im Artikel 24 <strong>de</strong>s<br />
Vertrages .\Usdrückli ch zugestand en. übrigens ist es bereits Gegenstand <strong>de</strong>r So rge<br />
dn Reichsregierung gewor<strong>de</strong>n, di e Möglichkeit <strong>de</strong>rartiger Konflikte für die Zukunft<br />
abzuschnei<strong>de</strong>n. "<br />
Denkschrift und Zeitungsnotiz legen die Frage nahe, was wir <strong>de</strong>nn an Urkun<strong>de</strong>n und<br />
Akten aus <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>:> Baues <strong>de</strong>r Kanonenbahn noch besitzen. Das Generallan<strong>de</strong>sarchiv in<br />
Sll..·i nfuH .lm 13.111l1hoi Fut Lcn
Kanonenbahn 79<br />
Karlsruhe verfügt über 5 Aktenhefte und einige Pläne, sowie über Photomaterial, aus <strong>de</strong>m<br />
einige Bil<strong>de</strong>r hier zum Abdruck gelangt sind. D ie Akten <strong>de</strong>r ehemaligen Preußischen Armee<br />
aus dieser Zeit und beson<strong>de</strong>rs zur strategischen Bah nlinie H intschingen-Waldshut sind nach<br />
Mitteilung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sarchivs (Militärarchiv) F reiburg 1945 durch Kriegsei nwirkung vernichtet<br />
wor<strong>de</strong>n . Bliebe noch <strong>de</strong>r Hinweis auf die eisenbahn- und bautechnischen Akten, wie sie<br />
bei <strong>de</strong>r Eisenbahndirektion Karls ruhe vo rliegen. D a diese Ko nvolute wissenschaftlich no ch<br />
nicht archiviert si nd und für eisenbahnhistorische Forschungen erst erschlossen wer<strong>de</strong>n<br />
müßten, muß es bei di esem Hinweis bleiben . An Veröffentl ichungen für ein breiteres Publikum<br />
wären an dieser Stelle beson<strong>de</strong>rs zu nennen: ALBERT KUNTZEMüLLER: "Die Badischen<br />
Eisenbahnen" (1953).<br />
Zur Vorges hichte <strong>de</strong>r Kano nenbahn fin <strong>de</strong>t sich im Generallan<strong>de</strong>sarchi v ein Dokument,<br />
das in umfassen<strong>de</strong>r Weise die militärpo litischen Aspekte dieses Eisenbahnbaues sichtbar<br />
macht. Es ist zugleich ein interessanter Beleg dafür, wie sehr die Po li tik <strong>de</strong>r Militärs seit <strong>de</strong>n<br />
Grün<strong>de</strong>rjahren d ie zivile Wirtschaft stimul ierten. Es han<strong>de</strong>lt si.:h bei diesem Do kument um<br />
ein Schreiben <strong>de</strong>s Präs i<strong>de</strong>nten d es Großherzoglichen Fi nanLmin;.reriums, <strong>de</strong>s Geheim en Rat<br />
ElIstätter, an d en Präs id enten <strong>de</strong>s Großherzoglichen Staatsministeriums, H ern. S~13 r ~ mini s t e r<br />
Turban, in Sachen einer direkten Verbindung zwischen d em Oberelsaß und <strong>de</strong>n süd<strong>de</strong>utSChen<br />
Hinterlan<strong>de</strong>n. Vo raufgegangen war, daß <strong>de</strong>r preuß ische G eschäftsträge r am H of zu Karlsruhe<br />
"im Interesse <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sverteid igung" und daher streng vertraulich im Auftrag <strong>de</strong>s Reichsministeriums<br />
<strong>de</strong>s InnerenlBeriin in Sachen Schweizer Umgehungs bahn vorstellig gewor<strong>de</strong>n<br />
war. Zum besseren Verständnis di eses D o kumentes sei noch darauf hingewiesen, daß Berlin<br />
bereits seit Jahren d ie totale Erfass un g aller transportablen schmalspurigen Ro lI -För<strong>de</strong>r<br />
Industrie und Feldbahnen im R eich angeordnet hatte, um sie "eventuell iür mili täri ehe<br />
Zwecke nutzbar z u machen". D er Krieg 1870/ 7 1 hatte zum erstenmal das H eraufkommen <strong>de</strong>r<br />
mo<strong>de</strong>rnen Massen- und Materialschlacht sichtbar wer<strong>de</strong>n lassen , ei ne Konsequenz wi e sie<br />
schlicßli .: h heute zur d rohen<strong>de</strong>n Vernichtun g J es Kontinents, ja <strong>de</strong>r gesam ten Er<strong>de</strong> gefüh rt<br />
hat. Hier also im \'oll ständige n \Vorrlaut das SLhreiben vom 12. 7. 1884 :<br />
"Der Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s Gro ßherzoglichen Finanzministeriums an Sein e Excell enz <strong>de</strong>n<br />
Talübe rgang bei Fülzcn
80 Rci mar Zcllcr<br />
Präsi<strong>de</strong>nten d es G roßherzogli chen Staatsministeriums, Herrn StaatsministerTurban.<br />
Eurer Excell enz beehre ich mich auf die sehr geschätzte Zuschrift vo m I. d . M . in<br />
Betreff <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m Kö ni glich Preußischen interimistischen G eschäftsträger H errn<br />
von Bülow über H erstellung ein er direkten E isenbahnverbindung zwischen <strong>de</strong>m<br />
Oberelsaß und <strong>de</strong>m süd<strong>de</strong>utschen Hinterlan<strong>de</strong> gemachten vertraulichen Mitteilungen,<br />
nach<strong>de</strong>m ich vo n d em GeneraldirektO r <strong>de</strong>r Großherzo glichen Staatseisenbahnen<br />
~ in e gutächrliche Äußerung über <strong>de</strong>n Gegenstand erhoben habe, Fo lgen<strong>de</strong>s ergebenst<br />
m itzurheil en :<br />
W enn z ur Umgehung d er KantO ne Basel un d Schaffh ausen d ie Ausführung <strong>de</strong>r d rei<br />
badischen E iscnbahnstrecken Leopo ldshöhe- Lö rrach, Scho pfhcim -Wehr-Wall bach<br />
und W eizen- H intschingen als z unächst erfo r<strong>de</strong>rlich bezeichnet wi rd, so wer<strong>de</strong> ich<br />
annehmen dürfen, d aß hi ern, it nur ganz all gemein die Richtung <strong>de</strong>r fragli chen<br />
Bahnen ange<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n soll , während noch einer näheren technischen Prüfung<br />
vorzubehalten wä re, o b nicht mit R ücksicht auf vorhan<strong>de</strong>ne Terrainschwierigkeiten<br />
in <strong>de</strong>m ein en, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Fall Abweichungen vo n <strong>de</strong>n erwähnten Anschlußpunkten<br />
sich empfehl en wür<strong>de</strong>n .<br />
Einer direkten Verbindung Leopo ldshöhe-Lörrach stehen nach <strong>de</strong>n ö rtlichen Verhältnissen<br />
erhebliche technische Sch wierigkeiten nicht entgegen. Bei einer Länge von 6,3<br />
Kilometer und ein er Maximalsteigun g von I % wür<strong>de</strong> zur Umgehung <strong>de</strong>s schweizer<br />
Gebietes ein Tunnel durch <strong>de</strong>n Tüllinger Berg von un gefähr ein Kilo meter Länge<br />
erfo r<strong>de</strong>rli ch und die Bahn nach ein er ganz summarischen Schätzung um die Summe<br />
vo n 2000000 M. z u erstellen sein.<br />
W a di e beid en an<strong>de</strong>rn Richtunge n betrifft , so sind hierüber scho n in frühern Zeiten<br />
Vo runtersuchungen ge macht wor<strong>de</strong>n, welche hinsichtlich <strong>de</strong>r technischen Verhältni<br />
sse eine ausreichen<strong>de</strong> ßeurtheilung zulassen. 1m Jahr 1846 hat die Gr. Oberdirekti<br />
o n <strong>de</strong>s Was~ l r- und Srraßenbaues durch <strong>de</strong>n verstOrbenen Gr. Oberbaurath Sauerbeck<br />
UntcrsUl hungen d.lrüber anstellen lassen , ob nicht eine Verbindung <strong>de</strong>r badischen<br />
Rheinbahn mit <strong>de</strong>m o beren Rheinthal m it U m gehung <strong>de</strong>s Basler G ebi etes
Kanonenbahn 81<br />
auszuführen sei, um geeigneten Falls <strong>de</strong>r Badischen Regierung bei <strong>de</strong>n damaligen<br />
Unterhandlungen mit <strong>de</strong>m Kanton Basel eine unabhängige Position zu verschaffen.<br />
Der genannte Techniker hat seine Studien über verschie<strong>de</strong>ne Richtungen erstreckt<br />
und ist dabei zu <strong>de</strong>m Ergebniß gelangt, daß eine Linie z wischen Schopfheim und<br />
Wehr, abgesehen von <strong>de</strong>n außeror<strong>de</strong>ntlich hohen Kosten, wegen <strong>de</strong>r hier nicht z u<br />
umgehen<strong>de</strong>n Steigung von 3% ausgeschlossen bleiben müsse, und daß nur eine Verbindung<br />
von Lörrach aus über Bromba.:h, Hagenbach und Degerfel<strong>de</strong>n nach Rheinfel<strong>de</strong>n<br />
empfohlen wer<strong>de</strong>n könnte. Leu:tere wür<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m bei <strong>de</strong>n Ministerialsakten<br />
befindlichen Gutachten Sauerbecks von Brombach an eine Steigung von 1 : 67 o<strong>de</strong>r<br />
1,5% auf 1,4 Stun<strong>de</strong>n erhalten ;<strong>de</strong>rdie bei<strong>de</strong>n Thälertrennen<strong>de</strong>Gebirgsrücken wäre mit<br />
einem Tunnel von 1500 Fuß Länge zu durchstechen, worauf die Linie mit ganz glei <br />
chem GefälI auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite nach Degerfel<strong>de</strong>n in das Rheintal hinab zu führen<br />
wäre. Die Verbindungsbahn Lörrach-Rheinfel<strong>de</strong>n mit einer Gesammtlänge von 3,5<br />
Stun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> damals in <strong>de</strong>n Baukosren auf 1.380.000 Gul<strong>de</strong>n veranschlagt.<br />
Für die Verbindung <strong>de</strong>s Wurachthale mir J
82 Reimar Zell er<br />
aufweist, welche für die Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>r Bahn von ganz beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung<br />
sind. Auch <strong>de</strong>n militärischen Interessen dürfte diesel be aus diesem Grun<strong>de</strong> am<br />
Besten entsprechen, namentlich wenn zum Anschluß an die Württembergische Bahn<br />
noch eine direkte Verbindung von Donaueschingen nach Schwenningen hergestellt<br />
wür<strong>de</strong>. Der Bauaufwand für die Strecke Weizen-Donaueschingen ist nach eingehen<strong>de</strong>n<br />
Vorarbeiten, welche in <strong>de</strong>n Jahren 1876 und \877 gemacht wur<strong>de</strong>n, auf<br />
ungefähr 11 .200.000 M. veranschlagt wor<strong>de</strong>n.<br />
Für die engem badischen Lan<strong>de</strong>s- und Verkehrsinteressen haben die von <strong>de</strong>r Militärbehör<strong>de</strong><br />
bezeichneten Linien, wenn von <strong>de</strong>r strategischen Wichtigkeit abgesehen<br />
wird, entwe<strong>de</strong>r gar keine o<strong>de</strong>r nur ganz untergeordnete Be<strong>de</strong>utung .. . "<br />
Das Memorandum <strong>de</strong>s Finanzpräsi<strong>de</strong>nten schließt mit einer ausführlichen Darstellung<br />
<strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n Unrentabilität <strong>de</strong>r projektierten Bahnlinien vor allem im Blick auf <strong>de</strong>n<br />
zivilen Verkehr und schlägt schließlich vor, daß die Finanzierun g <strong>de</strong>s vollen Anlagekapitals<br />
unter Verzicht auf Verzinsung und Tilgung allein aus <strong>de</strong>r Reichskasse zu erfolgen habe.<br />
Allenfalls über die Betriebs- und Unterhaltungskosten wollte man mit sich re<strong>de</strong>n lassen . Die<br />
einzelnen Bun<strong>de</strong>sstaaten <strong>de</strong>s Reiches waren damals noch sorgsam darauf bedacht, die bun<strong>de</strong>sstaatlichen<br />
Hoheitsrechte gewahrt zu wissen, das be<strong>de</strong>utete, daß <strong>de</strong>r Bahnbetrieb administrativ<br />
Karlsruhe unterstellt bleiben sollte und nicht etwa Berlin. Die Akten je<strong>de</strong>nfalls zeigen eine<br />
sehr lebhafte Korrespon<strong>de</strong>nz zwischen Reich und Bun<strong>de</strong>sland, in <strong>de</strong>r die bahnrechtlichen<br />
Implikationen <strong>de</strong>r zu erbauen<strong>de</strong>n strategischen Linie zur Sprache kommen. Die Frage war,<br />
wie <strong>de</strong>r Artikel 4\ <strong>de</strong>r Reichsverfassung, die \871 mit <strong>de</strong>r Zustimmung aller Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r<br />
beschlossen wor<strong>de</strong>n war, in unserem Falle seine Anwendung fin<strong>de</strong>:<br />
Artikel 41: "Eisenbahnen, welche im Interesse <strong>de</strong>r Verteidigung Deutschlands o<strong>de</strong>r<br />
im Interesse <strong>de</strong>s gemeinsamen Verkehrs für notwendig erachtet wer<strong>de</strong>n, können<br />
kraft eines Reichsgesetzes auch gegen <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspruch <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sglie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>ren<br />
Gebiet die Eisenbahnen durchschnei<strong>de</strong>n, unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>shoheitsrechte für<br />
Rechnung <strong>de</strong>s Reiches angelegt o<strong>de</strong>r an Privatunternehmer zur Ausführung konzessioniert<br />
und mit <strong>de</strong>m Exprobriatsionsrechte ausgestattet wer<strong>de</strong>n."<br />
Epfcnhofcr Talübergang
Kanonenbahn 83<br />
Die politische und finanzielle Brisanz <strong>de</strong>s Bahnbaus war immerhin so erheblich, daß die<br />
Großherzoglichen Präsidialbehör<strong>de</strong>n nicht allein darüber entschei<strong>de</strong>n wollten; die Stän<strong>de</strong> und<br />
Parteien im Landtag sollten die Verantwortung mit übernehmen . Die Zentrumspartei und<br />
die Deutschfreisinnigen zum Beispiel waren sich in scharfer Zurückweisung allzuweitgehen<strong>de</strong>r<br />
Reichskompetenzen einig. Lieber wollte man selber zahlen und dafür dann auch Herr im<br />
eigenen Hause bleiben. Was nun <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Anschlußlinien in die Königreiche Wü~temberg<br />
und Bayern (Donautal-Sigmaringen-Memmingen) anbetraf, so zeigten diese Län<strong>de</strong>r zum Teil<br />
verschie<strong>de</strong>ne Interessenlagen: Württemberg erhoffte sich davon eine Belebung <strong>de</strong>r Wirtschaft,<br />
Bayern bezeichnete die preußische Initiative als "kriegstreiberisch".<br />
Was nun letztlich <strong>de</strong>n Ausschlag für die Trassierung Weizen-Hintschingen gab, unter<br />
Außerachtiassung <strong>de</strong>r Wutachtallinie über Achdorf-Opferdingen, läßt sich aus <strong>de</strong>n Akten <strong>de</strong>s<br />
Generallan<strong>de</strong>sarchives nicht ersehen. - Nicht unerwähnt bleiben darf das Verhalten <strong>de</strong>r<br />
Bevölkerung. Da war zunä~hst die Unmöglichkeit, die Terrainsondierung als touristisches<br />
o<strong>de</strong>r geologisches Unternehmen zu tarnen. Uns sind die Namen <strong>de</strong>r Militärs, die Berlin in die<br />
stillen Täler <strong>de</strong>r Baar entsandte, noch aktenkundig. Es konnte nicht ausbleiben, daß die<br />
Lokalblätter alsbald <strong>de</strong>n Zweck <strong>de</strong>r Flurbegehungen auf<strong>de</strong>ckten . Es bil<strong>de</strong>ten sich Bürgerinitiativen,<br />
die alle darauf drängten, daß ja nur die Trassierung <strong>de</strong>r Bahn durch das eigene Tal<br />
und Kirchspiel erfolge, versprach man sich doch davon wirtSchaftlichen Aufschwung. War<br />
nicht bis zur Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r industrielle und commerzielle Aufschwung <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>rjahre an<br />
diesen Kommunen vorübergegangen? Nach<strong>de</strong>m nun in wachsen<strong>de</strong>m Maße auch Amtspersonen<br />
<strong>de</strong>s badischen Staates an diesen Bürgerversammlungen teilnahmen und bei <strong>de</strong>r Abfassung<br />
von Resolutionen und Petitionen sich beteiligten, sah sich Staatsminister Turban in<br />
Karlsruhe genötigt, an die Amtsvorstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r beteiligten Bezirke klare Weisung auf Zurückhaltung<br />
in dieser Sache ergehen zu lassen: Unter <strong>de</strong>m 26. September 1884 schreibt er:<br />
"Die Nachricht über die Seitens <strong>de</strong>s Reichsamts für die Verwaltung <strong>de</strong>r Reichseisenbahnen<br />
unternommene Fertigung von Vorarbeiten über gewisse schweizerisches<br />
Gebiet umgehen<strong>de</strong> Bahnverbindungen im südwestlichen Theile <strong>de</strong>s Großherzogtums<br />
hat da und dort ein lebhaftes Interesse <strong>de</strong>r betheiligten Gemein<strong>de</strong>n für die<br />
Erstellung <strong>de</strong>r fraglichen Bahnanlagen hervorgerufen, welches in öffentlichen Besprechungen<br />
und selbst in <strong>de</strong>r Bildung von örtlichen Komites zur Behandlung <strong>de</strong>r<br />
Angelegenheit bereits Ausdruck gefun<strong>de</strong>n hat. Wie mir zur Kenntnis gekommen, ist<br />
an <strong>de</strong>n einen und an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>r Herrn Amtsvorstän<strong>de</strong> nicht nur eine Einladung zur<br />
Antheilname an diesen Besprechungen ergangen, son<strong>de</strong>rn es soll auch theilweise die<br />
Absicht bestehen, <strong>de</strong>nselben <strong>de</strong>n Eintritt in diese Komites und damit eine förmliche<br />
Betheiligung an <strong>de</strong>ren Vorgehen anzusinnen. Ich halte es <strong>de</strong>shalb für angezeigt, <strong>de</strong>n<br />
Großhl. Amtsvorstand zu seinem Benehmen in vertraulicher Weise darauf aufmerksam<br />
zu machen, daß es bei <strong>de</strong>r in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n Angelegenheit sich wesentlich um<br />
ein Interesse <strong>de</strong>s Reiches han<strong>de</strong>lt, daß die davon mittelbar berührten Interessen <strong>de</strong>s<br />
Lan<strong>de</strong>s von <strong>de</strong>r Gr. Regierung vertreten wer<strong>de</strong>n, und soweit Interessen rein lokaler<br />
Be<strong>de</strong>utung in Frage stehen, es aus mehrfachen Grün<strong>de</strong>n sich nicht empfiehlt, die<br />
letzteren in beson<strong>de</strong>rem Maße zu betonen o<strong>de</strong>r gar in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund zu stellen.<br />
Eine solche Verschiebung <strong>de</strong>r An gelegenheit könnte aber daraus abgeleitet und die<br />
Haltung <strong>de</strong>r Gr. Regierung in einer schließlich sogar für die örtlichen Wünsche<br />
nachtheiligen Weise durchkreuzt wer<strong>de</strong>n, wenn Bezirks- und an<strong>de</strong>re Komites sich in<br />
die Sache einmischen o<strong>de</strong>r gar die Herrn Amtsvorstän<strong>de</strong>, wenn auch nicht dienstlich,<br />
doch immerhin unter <strong>de</strong>m Einfluße ihrer ~m tli chen Stellung, an solchen örtlichen<br />
Agitationen sich betheiligen. Ich muß es <strong>de</strong>shalb als geboten bezeichnen, daß dieselben<br />
je<strong>de</strong>r aktiven Antheilnahme an <strong>de</strong>n bezeichneten Bestrebungen, sofern ihnen<br />
eine solche angesonnen wer<strong>de</strong>n sollte, sich enthalten.<br />
Hochachtungsvoll<br />
gez. Turban"
84 Reimar ZelJer<br />
Mit o<strong>de</strong>r ohne lokalpatriotische Aktivitäten, in <strong>de</strong>r Sache en tschie<strong>de</strong>n letztlich allein die<br />
Belange <strong>de</strong>r Militärs. Immerhin wur<strong>de</strong> ein e r aus <strong>de</strong>r Bevölkerung mit großherzoglichen<br />
Gna<strong>de</strong>n belohnt, ein Gastwirt nämlich, <strong>de</strong>r für die Belieferung <strong>de</strong>r neuzuersteIlen<strong>de</strong>n Bahnhofsgaststätten<br />
<strong>de</strong>n Titel eines "Großherzoglichen H ofliferanten" führen durfte. Eine kleine,<br />
aber sehr bezeichnen<strong>de</strong> sprachliche Beobachtung sei hier am Ran<strong>de</strong> vermerkt: während bei<br />
allen Verhandlungen "Herren", " H ochwohlgeborene" und "Excellenzen" miteinan<strong>de</strong>r sprachen<br />
und korrespondierten, wird in <strong>de</strong>n Akten, die die Ernennung <strong>de</strong>s Großherzoglichen<br />
H oflieferanten zum Gegenstand haben, mit peinlicher Genaui gkeit eben immer nur von<br />
einem " Mann" gesprochen. Wie auch immer, im Jahre 1888, also im Drei-Kaiser-Jahr, wur<strong>de</strong><br />
nach langjährigen Vorverhandlungen (über die Vergabe <strong>de</strong>r Gel<strong>de</strong>r mußte ja auch das Bun<strong>de</strong>sparlament<br />
und <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srat in Berl:n beschl;eßen) mit <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r Kanonenbahn begonnen.<br />
Mehr als 6000 Arbeiter erstellten im zweijäh ri gen Ein atz in Tag- und Nachtschicht die strategisei1<br />
für das Reich scheinbar so wichtige Bahnlinie. "Scheinbar" <strong>de</strong> halb - und hier greifen<br />
wir vor - weil in <strong>de</strong>r Praxis, also im Ernstfall , die "Sauschwänzle-Bahn" ohne je<strong>de</strong> militärische<br />
Be<strong>de</strong>utung blieb. Denn im ersten Weltkrieg erfolgte <strong>de</strong>r Angriff auf die Alliierten ja bekanntlich<br />
über <strong>de</strong>n rechten Flügel <strong>de</strong>s Reiches, und im zweiten Weltkrieg diente sie ledi gli ch<br />
als Entlas tungsbahn für Urlauberzüge von und nach Frankreich. Man geht nicht fehl zu behaupten,<br />
daß unsere Kanonenbahn viel eher <strong>de</strong>m "Feind" Nutzen brachte, <strong>de</strong>nn nach bei<strong>de</strong>n<br />
Weltkriegen rollte unermeßliches Beute- und Reparationsmaterial über ihre Schienen. Militärisch<br />
gesprochen: <strong>de</strong>r Schuß gin g nach hinten los! Zur Melancholie, o<strong>de</strong>r zur H eiterkeit, zu<br />
was auch immer <strong>de</strong>r Betrachter beim Anblick <strong>de</strong>r Kano nenbahn veranlaßt wer<strong>de</strong>n mag, auch<br />
auf <strong>de</strong>m zivilen Sektor konnte man mit dieser so elegant in die Jura- Landschaft geschnittenen<br />
Eisenbahnlinie keinen Staat machen: sie war von Anfang an und blieb es bis zu ihrer endgültigen<br />
Stillegung chro ni sch <strong>de</strong>fizitär. Sollte sie einmal <strong>de</strong>n rechtlichen Status ei ner "Museumsbahn"<br />
bekommen, so muß man sagen, daß sie diesen von Anfang an verdient hätte. Dessen<br />
ungeachtet gehörte eine Bahnreise von Waldshut nach Immendingen zum reizvoll ten, was<br />
die <strong>de</strong>utschen Ei enbahnen zu bieten hatten . Das Schweben über <strong>de</strong>r Wutach bei Blumegg<br />
Lausheim, die Einfahrt in <strong>de</strong>n Kreiskehrtunnel (<strong>de</strong>r einzige übrigens in Deutschland), in <strong>de</strong>m<br />
WU(3chübergang
Kanonenbah n 85<br />
die Trasse auf einer Länge von 1,7 Kilometer 15 Meter Höhe gewinnt, <strong>de</strong>r Anblick <strong>de</strong>s Mühlenbachtales,<br />
die Brückenfahrten über Fützen hinweg durch lange Schleifen nach Epfenhofen<br />
hinauf und endlich <strong>de</strong>r letzte Tunnel durch die Ottilien-H öhe <strong>de</strong>s Buchberges über Zollhaus<br />
hinaus ins Aitrachtal hinein, war allemal eine Reise wert! - übrigens wur<strong>de</strong> sie bahntechnisch<br />
1932 endgültig zur Nebenbahn <strong>de</strong>gradiert und dieses gegen <strong>de</strong>n Jahre anhalten<strong>de</strong>n<br />
Protest <strong>de</strong>r lokalen Behör<strong>de</strong>n und einheimischen Bevölkerung. " Nebenbahn" - so wur<strong>de</strong>n<br />
die Protestieren<strong>de</strong>n beruhigt - hieße ja nicht V e rri~ge run g <strong>de</strong>s Zugverkehrs, son<strong>de</strong>rn be<strong>de</strong>utete<br />
lediglich die Umwandlung aller beschrankten Bahnübergänge in unbeschraokte. Das hieß<br />
auch, daß alle Bahnwartshäuschen vom Bahnpersonal geräumt wur<strong>de</strong>n und fortan Pensionären<br />
zur Verfügung stan<strong>de</strong>n. Natürlich benötigte das Dritte Reich für seinen " Totalen Si eg"<br />
unsere Kanonenbahn, aber sie erschien <strong>de</strong>m Führer im totalen Untergang immerhin so unwichtig,<br />
daß sie <strong>de</strong>m Sprengungsbefehl aller Brücken und Tunnels entging. 1955 schließlich<br />
schien mit ihrer völli gen Stillegung ihr En<strong>de</strong> gekommen, aber 1964/65 weckte sie die Bun<strong>de</strong>swehr<br />
noch einmal für 10 Jahre aus ih rem Dornröschen-Zustand . Mit fast 5 M illionen D M aus<br />
<strong>de</strong>m Verteidigungshaushalt wur<strong>de</strong> sie wie<strong>de</strong>r flott gemacht, d. h. die Brücken gestrichen,<br />
Signale und Weichen gefettet, Brandstreifen gero<strong>de</strong>t und die Tunnels von Steinschlägen gesäubert.<br />
1974 verlo r auch di e Bun<strong>de</strong>swehr ihr Interesse; die Elektrifizierung <strong>de</strong>r Schwarzwaldbahn<br />
hatte ihren strategischen Wert ein für allemal überflüssig gemacht. Jetzt droht ihr<br />
<strong>de</strong>r Rückbau. Aber sollte sie jetzt, nach Erledigung ihres martialisch-militärischen Zweckes,<br />
nicht endgültig für einen fri edlichen "zurüc kgebaut" wer<strong>de</strong>n? Für das Landschaftsereignis<br />
Baar wäre <strong>de</strong>r Verlust dieses Eisenbahn-Denkmals schmerzlich und unersetzlich.<br />
Anmerkung <strong>de</strong>r Redaktion:<br />
Für die G enehmigung zum Druck <strong>de</strong>r Abbildungen danken wir <strong>de</strong>m Badischen General <br />
lan<strong>de</strong>sarchi v Karlsruhe.<br />
Schnfttum und Quellen<br />
Amtsblatt <strong>de</strong>r Reichsbahnd irektion Kar! ruhe Nr. 49, 10. 5. 1932 (Umwand lung <strong>de</strong>r Strecke Hintschingen-O berlauch<br />
ri ngen in eine Nebenbahn).<br />
Badische Lan<strong>de</strong>szeitung Nr. 213, 7. 9. 1884.<br />
Badische Staatsbahn-Verwaltung: Die U mgehungsb:1.hn en, 2 B<strong>de</strong>. o. O n , 1890.<br />
Kommission für geschichtliche Lan<strong>de</strong>sk un<strong>de</strong> in Ba<strong>de</strong>n- Wümernbeq:; (Hrsg.) : H istorischer Atlas von Badcn·Würnemberg,<br />
Stuttgan 1972. Darin: Entwicklung <strong>de</strong>s Eisenbahnnetzes.<br />
KUNTZE M üLLER, A. : Die Bad ischen Eisenbahnen, Karlsruhe 1953.<br />
Akten <strong>de</strong>s Badischen Generallan<strong>de</strong>sarchi vs:<br />
Republik Ba<strong>de</strong>n, Staatsministerium Reichssachen Ei senbahnen, Jahr 1882· 192 7, Abt. 23311 1501 Vol. 17 und<br />
Vo l. 1/ 20.<br />
Denkschrift <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>srathes 1885 zum Nachtragshaushalt <strong>de</strong>s Reiches. B ei l a~e zu Anlage IV, S. 16.
86<br />
Ein Kartenmanuskript<br />
aus <strong>de</strong>r Stridbeck -Offizin<br />
von Otto Stochdorph<br />
mit 3 Abbildungen<br />
Ruthardt Oehme zur Vollendung <strong>de</strong>s 75. Lebensjahres gewidmet<br />
OEHME ( 1961 ) und RE IC H E LT ( 1970) erwähn en ein Konvolut von handgezeichneten<br />
Kartenblättem , das in <strong>de</strong>n Bestän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r F. F. Bibliothek Donaueschingen als Nr. 398 a<br />
erscheint und vor rd . 90 Jahren in München angekauft wor<strong>de</strong>n ist. Die meisten dieser<br />
Blätter, nämlich 24, gehören nach Karteninhalt und Kartenschnitt zusammen und sind<br />
Ausschnine aus einer Karte <strong>de</strong>s Schwäbischen Kreises, während 3 Blätter Entwürfe zu einer<br />
Karte <strong>de</strong>s Kraichgaues enthalten und je 1 Blatt <strong>de</strong>n Donaueschinger Rau m und <strong>de</strong>n von<br />
Wiesensteig darstellt. OEHME chreibt di ese Blätter ei ner noch nicht i<strong>de</strong>ntifizierten Kartographenschule<br />
zu; REICHEL T datiert sie auf die Zeit um 1680 und weist auf die D iskrepanz<br />
zwischen fomlal fortschrittlicher und inhaltlich unvollkommener Darstellung hin . Im fol gen<strong>de</strong>n<br />
soll auf die 24 zusammengehören<strong>de</strong>n Blätter näher ein gegangen wer<strong>de</strong>n.<br />
Be
Karte Stridbeck-Offizin 87<br />
dieses wohl En<strong>de</strong> 1704 erschienenen Werkes mit 24 Blatt in 6 queren Streifen (f. - L) und<br />
4 senkrechten Reihen (8. - 11.); das Germanische Museum Nürnberg verwahrt ein weiteres<br />
Exemplar, das auch noch <strong>de</strong>n Querstreifen ,m.' umfaßt und <strong>de</strong>ssen 28 Blätter zu einer großen<br />
Karte zusammengeklebt sind. Den vom Stuttgarter Exemplar erfaßten Raum begrenzen die<br />
Onslagen von Schwäb. Gmünd, Vohburg (Donau), Bad Tölz und Bad Waldsee.<br />
Es überlappen sich einerseits D.8. + E.8. mit f.8 ., g.8. und h.8., an<strong>de</strong>rerseits F.9. + F.to.<br />
mit i.9. + i.IO. In <strong>de</strong>n überlappungsbereichen <strong>de</strong>"ken sich die seitlichen Begrenzungen <strong>de</strong>r<br />
Blätter und die Ortslagen. Die bei C.7. und D.6. erwähnte Randunterteilung fin<strong>de</strong>t sich bei<br />
<strong>de</strong>r Oberschwabenkarte auf <strong>de</strong>n Seitenrän<strong>de</strong>rn wie<strong>de</strong>r und ist hier als Einteilung nach Breitenminuten<br />
beziffert. Danach beträgt die Aus<strong>de</strong>hnung eines Blattes in <strong>de</strong>r N-S-Richtung bei <strong>de</strong>r<br />
Oberschwabenkarte 12 Breitenminuten, bei :',98 a 15 Breitenminuten. Der Blattschnitt ist<br />
jeweils in die vollen Breitengra<strong>de</strong> eingespannt, die somit bei <strong>de</strong>r Oberschwabenkarte in je 5,<br />
bei 398 a in je 4 Querschichten unterteilt sind. Geht man von <strong>de</strong>m Annäherungswen von 2 : 3<br />
für das Verhältnis von Längengrad zu Breitengrad im süd<strong>de</strong>utschen Raum aus, so ergibt sich<br />
aus <strong>de</strong>m Seitenverhältnis von 3 : 4, daß je<strong>de</strong>s Blatt von 398 a sich über 30' Länge und 15' Breite<br />
erstreckt. Die Abgrenzung von jeweils 30 Längen- und t5 Breitenminuten fin<strong>de</strong>t sich nach<br />
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Abb. I
88 Ouo SlOchdorph<br />
BONACKER auch schon bei <strong>de</strong>r Karte "Tabula nova Circuli Franconici .. ", die Gg.<br />
Christoph Eimmart d . J. 1690 in Nürnberg herausgebracht hat; mit <strong>de</strong>r gleichen Unterteilung<br />
ist <strong>de</strong>r Blanschnitt <strong>de</strong>r Karte<strong>de</strong>s Deutschen Reiches 1 : 100 000 (ab 1878) ausgelegt.<br />
Im Kartenbild haben die Bl ätter von 398 a mit <strong>de</strong>r Oberschwabenkarte die schon von<br />
E . D. HAUBER ( 1724) erwähnte Eigentümlichkeit gemeinsam, daß Städte vielfach mit einer<br />
meist bei Merian entliehenen Vedute dargestellt wer<strong>de</strong>n. Ähnlich ist <strong>de</strong>r württembergische<br />
Kriegsrat Andreas Kieser gelegentlich bei seinem Forstkartenwerk verfahren, das nach <strong>de</strong>m<br />
Holländischen Erbfolgekrieg in Angriff genommen wur<strong>de</strong>.<br />
Al s Kartenmaßstab ergibt sich für 398 a und dieOberschwabenkarteetwa 1 : 140000.<br />
Die Oberschwabenkarte trägt <strong>de</strong>n H erkunftsvermerk: " A UGSPURG/]ohann Stridbeck<br />
Junior fecit et Excudit / C um G ratia et Privilegio Sacrae Caesareae Majestatis." Sie<br />
stammt somit aus <strong>de</strong>r von Johann Stridbeck Vater und Sohn in <strong>de</strong>r Zeit um 1700 in Augsburg<br />
betriebenen Offizin. In einer ei ngehen<strong>de</strong>n Darstellung von Leben und Werk dieser bei<strong>de</strong>n<br />
Kupfe rstecher hat J . H . BI L LER ( 1) auf Aktenunterlagen eines Schuldhaftverfahrens gegen<br />
Joh . Stridbeck d. Aelt. hingewiesen, die im Stadtarchiv Augs burg verwahrt wer<strong>de</strong>n. Sie<br />
enth'lh CI1 .HI h handschriftliche Eingaben <strong>de</strong>s älteren Stridbeck, die mit <strong>de</strong>n Blättern <strong>de</strong>r<br />
Gruppe I <strong>de</strong>s Werkes 398a verglichen wur<strong>de</strong>n. Aus <strong>de</strong>m Vergleich ergibt sich, daß die H andschrift<br />
<strong>de</strong>r Ortsnamen auf <strong>de</strong>n Blättern <strong>de</strong>r Gruppe I die von Johann Stridbeckd. Aelt. ist.<br />
Die H andschrift <strong>de</strong>r Gruppe 1 I läßt sich nicht mit <strong>de</strong>r gleichen Zuverlässigkeit einordnen.<br />
Am ehesten könnten noch nachträgliche Eintragungen auf Blatt C.7. (s. u.) zu <strong>de</strong>r Handschrift<br />
von Joh. Stridbeck jun. auf seinen Berliner Skizzen aus <strong>de</strong>m Jahr 1690 passen.<br />
Auf vielen Stadtgrundrissen und Veduten aus <strong>de</strong>r Stridbeck'schen Offizin ist <strong>de</strong>r seitliche<br />
Rand für Erläuterungen usw. ausgenützt. Auch Blatt D .6. trägt auf <strong>de</strong>r einen Schmalseite ei ne<br />
Bemerkung in <strong>de</strong>r H andschrift von Joh. Stridbeck d . Aelt., die ein en originellen Beitrag zum<br />
Problem <strong>de</strong>r Ortsnamen behandlung in <strong>de</strong>r Kartographie darstellt:<br />
"Für besser hielte ich, man schriebe <strong>de</strong>n Namen nicht hinein, son<strong>de</strong>rn machte auf<br />
bei <strong>de</strong>n Seiten große Spatia und zeigte dann nur mit Buchstaben in je<strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>n<br />
Orth an und schriebe daneben zu als zum Exempel a Studgard (B.3) a Eslingen<br />
(:C.4) und so fortan, so bliebe besser Platz zum corri gieren und kann man gleich<br />
sehen, was in je<strong>de</strong>m Feld corrigirt und supplirt wor<strong>de</strong>n."<br />
Joh. Stridbeck d . Aelt. war seinen Lebensumstän<strong>de</strong>n nach niemals in <strong>de</strong>r Lage, Karten<br />
nach eigener Erkundung zu entwerfen. So wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Stridbeck'schen Offizin in <strong>de</strong>r<br />
damals all gemein üblichen Weise Karten durch Ab- und Umzeichnen an<strong>de</strong>rer Karten entworfen.<br />
Die Bestimmung <strong>de</strong>r Vorlagen für eine solche Karte und ihre Datierung ist, selbst<br />
wenn <strong>de</strong>r ursprüngliche Entwurf und sein AutOr i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n können, in vielen Fällen<br />
problematisch, weil die Zahl <strong>de</strong>r "Zwischenhändler" unsicher ist.<br />
Die Blätter <strong>de</strong>r Gruppe 1 haben in <strong>de</strong>n hyd rographischen Grundlagen enge Beziehungen<br />
zu <strong>de</strong>r Karte <strong>de</strong>s Schwäbischen Kreises von Paul Wille, übertreffen aber die e Karte in <strong>de</strong>r<br />
Zahl <strong>de</strong>r Ortslagen , die, soweit nicht bei Wille vorgegeben, Beziehungen zu <strong>de</strong>r " Tabula<br />
Geographica Ducatus Würtemberg" von Abraham H öltzl in ihren verschie<strong>de</strong>nen Fassungen<br />
erkennen lassen.<br />
Paul W ille aus Chur in Rhaetien (Paulus Willius C uriensis Rhaeticus) war Ingenieuroffi<br />
zier im Dienst <strong>de</strong>r Reichsstadt U lm. Seine Karte "Circulus Suevicus cum incorporatis et<br />
adjacentibus regionibus, principat:, abb:, comit:, terri tO riis et urbibus" ist von 1689 datiert;<br />
sie wur<strong>de</strong> von Joh. Ulrich Kraus gestochen und von <strong>de</strong>m U lmer Buchdrucker Matthae us<br />
Wagner verlegt. N . <strong>de</strong> Fer brachte 1703 ei nen achstich heraus. OEHME beurteilt sie als<br />
selbständigen Entwurf. Sie reicht im Nor<strong>de</strong>n von Saarlouis über H ei<strong>de</strong>lberg bis Altdorf, im<br />
O sten von Altdorf über München bis lnnsbruck, im Sü<strong>de</strong>n von Innsbruck über Zürich bis<br />
Po ntarlier, im Westen von Pontarlier knapp an Epinal vorbei bis Saarlouis. Der Mittelpunkt<br />
liegt bei Tübingen. Sie ist im Maßstab von etwa 1 : 600000 gehalten. Mit <strong>de</strong>n Randwerten <strong>de</strong>r
Abh.2
90 Orto 5tochdorph<br />
Wille-Karte von 49°25' im Nor<strong>de</strong>n und 28°8' - 28°15' im Westen stehen die durch Rückrechnung<br />
zu bestimmen<strong>de</strong>n Randwerte <strong>de</strong>s 398a- und Oberschwaben-Netzes von 49°30' bzw.<br />
49°48' und 28°10' in ausreichen<strong>de</strong>m Maße in Einklang.<br />
Die "Tabula Geographica Ducatus Würtemberg" wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m österreichischen<br />
Exulanten Abraham Höltzl aus <strong>de</strong>n Blättern <strong>de</strong>r "Chorographia" Gadners entwickelt. Ihre<br />
erste Ausfertigung ist <strong>de</strong>m Herzog Johann Friedrich v. Wttbg. (1608-1628) gewidmet, die<br />
zweite 1630 von Höltzl und Rauscher herausgegeben. Der Stuttgarter Buchdrucker und Verleger<br />
Johann Weyrich Rösslin besorgte 1659 eine dritte Ausgabe, von <strong>de</strong>r ein Nachstich 1694<br />
von N. <strong>de</strong> fer herausgebracht und 1703 neu aufgelegt wur<strong>de</strong>. Höltzls Karte enthält außer <strong>de</strong>m<br />
kartographischen Leitfossil <strong>de</strong>r Teufelsbrücke bei Oberensingen, die von Nachstechern getreulich<br />
übernommen wur<strong>de</strong> (HUTTENLOCHER), auch eine symbolische Darstellung von<br />
Bauarbeiten bei diesem Dorf, vielleicht eine Anspielung auf <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s dortigen "äußeren"<br />
Schlosses durch H. Schickhardt um 1620.<br />
Die nachweisbaren Beziehungen zu <strong>de</strong>n Karten von Wille und Gadner/Höltzl besagen<br />
nun aber nicht notwendigerweise, daß die Blätter <strong>de</strong>r G ruppe T in <strong>de</strong>r Stridbeck'schen Offizin<br />
kompiliert wur<strong>de</strong>n. P. Wille hatte als ulmischer lngenieuroffizier zweifellos gute Beziehungen<br />
zu <strong>de</strong>n Ulmer Militärkarrographen in Diensten <strong>de</strong>s Schwäbischen Kreises und <strong>de</strong>r Markgrafen<br />
von Ba<strong>de</strong>n-Durlach und von Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n (SCHÄFER) und könnte in sei ner Karte <strong>de</strong>s<br />
Schwäbischen Kreises ein "Kriegstheater" (GRENACHER) aus <strong>de</strong>m Holländischen Erbfo<br />
lgekrieg (1672 - 1678) o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re militärkartographische Unterlagen verwertet haben .<br />
Darauf läßt z. B. die Einzeichnung <strong>de</strong>r vergleichsweise unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n OrtSchaften Oberhausen<br />
und Sickingen NW Hechingen schließen, in keiner an<strong>de</strong>ren zeitgenössischen Karte<br />
wie<strong>de</strong>rzufin<strong>de</strong>n und kaum an<strong>de</strong>rs als mit Erkundung im Gelän<strong>de</strong> zu erklären.<br />
über Beziehungen zu Militärkartographen in Diensten <strong>de</strong>s Schwäbischen Kreises und<br />
<strong>de</strong>r Markgrafen von Ba<strong>de</strong>n-Durlach bzw. Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n hat aber offenbar auch das Haus<br />
Stridbeck verfügt. Der Plan von Memmingen, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Stridbeck'schen Nachlaß in die<br />
"Force d 'Europe" von G. Bo<strong>de</strong>nehr (Nr. 108) überging, hat offensichtlich die gleiche Vorlage<br />
wie zwei handgezeichnete Pläne von Memmingen ba<strong>de</strong>n-ba<strong>de</strong>n'scher Provenienz (SCHÄFER<br />
Nr. 528 u. 529). Und <strong>de</strong>r einzige Kartenzeichner, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n von Joh. Stridbeck jun. heraus<br />
~egebenen und verlegten Ka rren und Plänen <strong>de</strong>r "Curieusen Staats- und Kriegstheater" und<br />
später <strong>de</strong>s "Atlas curieux" namentlich vermerkt wird, ist Johann Jacob Baumgarren, von <strong>de</strong>m<br />
eine 1708 / 9 entworfene Karre <strong>de</strong>r Ettlinger Linie in <strong>de</strong>n ba<strong>de</strong>n-durlachischen Bestän<strong>de</strong>n<br />
stammt (SCHÄFER Nr. 433) und <strong>de</strong>r nach E. D. HAUBER (1727) bis 1707 zum Stab <strong>de</strong>s<br />
Markgrafen Ludwig Wilhe1m von Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>s Türkenlouis, gehörr hatte. Außer <strong>de</strong>r<br />
Version, daß die Wille- Karte im Hause Stridbeck durch übernahme von Ortslagen aus <strong>de</strong>r<br />
Gadner/ Höltzl-Karre zum Kartenbild <strong>de</strong>r Gruppe I erweitert wor<strong>de</strong>n sei, kommt also auch<br />
noch in frage, daß die Blätter <strong>de</strong>r Gruppe I die Kopie einer militärkartographischen Arbeit<br />
sein könnten, die P. Wille aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Geheimhaltung nur verkleinert und auszugsweise<br />
wie<strong>de</strong>rgeben durfte und die später nach Wegfall <strong>de</strong>r Geheimhaltun gspflicht in die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Hauses Stridbeck geriet.<br />
Die kartographischen Grundlagen <strong>de</strong>r Blätter <strong>de</strong>r G ruppe II <strong>de</strong>s Konvo lutes 398a si nd<br />
viel weniger <strong>de</strong>utlich. Sehr wahrscheinlich sind die Blätter nicht au <strong>de</strong>r Wille-Karre abge-<br />
leitet; das Blatt L.9. liegt auch zum größten Teil außerhalb von ihr. In Ziffern verschlüsselte<br />
H errschaftsangaben in <strong>de</strong>r Markgrafschaft Burgau erinnern an die Karte von J . A. Rauch,<br />
an<strong>de</strong>re tOpographische Ein zelheiten lassen sich auf Philipp Apian zurückverfolgen.<br />
Die Datierung <strong>de</strong>s Konvolutes 398 a ist nur annäherungs- und vermutungsweise möglich.<br />
Auf Blatt S.5. erscheint gegen über Philippsburg <strong>de</strong>r Eintrag: " Neu Schanz" . Die linksrh<br />
einische Brückenkopfbefestigung gegenüber Philippsburg wur<strong>de</strong> gemäß <strong>de</strong>m Vertrag von<br />
Rijswijk 1698 von <strong>de</strong>n F ranzosen geschleift. 1703 vermel<strong>de</strong>t Markgraf Ludwig Wilhe1m von<br />
Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Kaiser über Philippsburg: " ... wo ich begriffen bin, ein e neue Schanz
92 Ouo Stochdorph<br />
anzulegen" (NOPP). Dies ergibt für unsere überlegungen als Terminus post quem das Jahr<br />
1703. - Auf Blatt C.7. sind die Ortsnamen " Linegk" und "Kirnberg" vertauscht. Ein solcher<br />
Irrtum ist zunächst schwer verständlich und auch aus <strong>de</strong>m Kartenbild <strong>de</strong>r Wille-Karte nicht<br />
abzuleiten. Auf <strong>de</strong>m Nachstich <strong>de</strong>r Karte durch <strong>de</strong> Fer 1703 sind aber d ie bei<strong>de</strong>n Ortssignaruren<br />
und die bei<strong>de</strong>n Ortsnamen so angeordnet, daß man unschwer "Lineck" auf <strong>de</strong>n Positionskreis<br />
darüber statt auf die Burgsignatur rechts davon und "Kirnberg" auf die Burgs ignatur<br />
darunter und nicht auf <strong>de</strong>n Positi o nskreis links beziehen kann. Wenn <strong>de</strong>r Fehler auf Blatt C.7.<br />
darauf beruht, daß <strong>de</strong>r Bearbeiter für d ie Eintragung <strong>de</strong>r Ortsnamen sich auf die <strong>de</strong> Fer-Karte<br />
verließ, ergibt sich ebenfalls als Terminus post quem das Jahr 1703 .<br />
Schließlich fallen auf Blatt C.7. handsch ri ftl iche achträge auf. Bei Murrhardt, das weitab<br />
von <strong>de</strong>r Murr liegt, ist vermerkt: " ist herüb(er) zu trag(en)". Bei <strong>de</strong>r Hausburg (Hunnenburg,<br />
3,5 km 0 Murrhardt) steht: "ist ruiniert und öt mehr zu sehen". "Fürstenbach" (aus<br />
<strong>de</strong>r Gadner/ H ö ltzl- Karte) ist verbessert in "Fornsbach". Auf <strong>de</strong>r Rückseite von Blatt C. 7.<br />
steht in einer für Joh. Stridbeck sen. ungewohnten (BILLER 2) Diktion : ,, 1. d(as) ausgelassene<br />
zu supplieren. 2. die orthographie zu verbessern. 3. die herrschaft od(er) d(as) ius terri tori i zu<br />
ad;ungieren. 4. die grän zen zu <strong>de</strong>signieren ."<br />
Warum wur<strong>de</strong> für die beson<strong>de</strong>rs sorgfältige Ausführung eines Blattes <strong>de</strong>r Gruppe II<br />
gera<strong>de</strong> das Blatt mit <strong>de</strong>r Gegend um Murrhardt ausgewählt? In Murrhardt war 1711 - 17 12<br />
Jo h . Majer Abt und Prälat, <strong>de</strong>r soeben seine Karte "Ducatus Wunenbergici .. <strong>de</strong>lineatio" bei<br />
J . B. H omann in Druck gegeben hatte und gleichermaßen über Ortskenntnisse wie über<br />
wissenschaftli che Diktion verfügt haben dürfte. Gehen die Korrekturen im Kartenbild und<br />
die Bemerkungen auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Blattes C.7. etwa auf Anregungen Joh . Ma;ers<br />
zurück? Hat vielleicht Joh. Stridbeck jun. seine Rückkehr von Frankfurt nach Augsburg<br />
( 1711 ) dazu benützt, über Murrhardt zu reisen und Jo h . Majer aufzusuchen? Ist das Konvolut<br />
398a <strong>de</strong>shalb erhalten geblieben, wei l das H aus Stridbeck <strong>de</strong>n Plan zu einer " Vo rstellung <strong>de</strong>s<br />
Schwäbischen Kreises in miteinan<strong>de</strong>r übereintreffen<strong>de</strong>n Tabellen" o<strong>de</strong>r wie <strong>de</strong>r Titel sonst<br />
hätte lau ten sollen, mit Rücksicht auf das bevorstehen<strong>de</strong> Erscheinen <strong>de</strong>r Karte von Jo h.<br />
Ma;er ni cht weiter verfolgt hat ?<br />
Anmerkung<br />
I) D ie nadHräglich ei ngezeichneten Orte liegen all e auf <strong>de</strong>m Territorium <strong>de</strong>r Grafschaft H ohenlohe- euensteincuenstein<br />
o<strong>de</strong>r nahe seiner Grenze. GrafWolfgangJulius zu H ohenlohe·Neuenstein ( 1622- 1698) war bis zu seiner<br />
Verwundung im Jah r 1664 Generalfeldmarschall <strong>de</strong>s Römischen Reiches. Als Kartograph war im Hohenlohischen<br />
cl,lmals G . C. JunI; tätig. Sind die Einrr3gungcn auf Blatt B.7. einer Karte von G . C. Jung entnommen, die Graf<br />
Wolf~ang Jul ius zur Vcrfü~un~ gestellt hatte?<br />
Schriftll.m<br />
BI LI .LR. J . H .: l. .. b,·n uncl W"rk <strong>de</strong>r Kupi,·"techer Joh.nn Stridbeck Vater und Sohn . In: ll,eatrum <strong>de</strong>r Vornehm>!en<br />
Kirchen I"\\' . in l\lunchen. Faksimikdruck. München 1966.<br />
BILLER , J . H .: Persönlich e Mittei lung. 1975.<br />
BONA ·KLR . W.: Grundrill <strong>de</strong>r fr;;nkischcn K.lrtographi,· <strong>de</strong>, 16. unJ 17. Jahrh. ,'vIJinfrän kische Heile 33. Würzbur):<br />
1959.<br />
GR!' ACH I' R, 1'. : Die Anf:ing,· <strong>de</strong>r l\ lilitlrk.HtogrJphi,· am Oberrhein. B.lsl", Ze'tsc hr. f. Geseh. u. Alten . 56/7.<br />
13.1,,·1 1957/ 58.<br />
HA ß L· R. 1' . D .: er>uch einer Hislori,· <strong>de</strong>r l anJ char«'n u,\\'. Ulm 1724.<br />
HA ß I' R, F . D . : 'üt7licher Discours .. Zus,,,,, us\\'o Im 1727.<br />
HUTTF lOCHER. F.: Die Anf:inge <strong>de</strong>r Geo~raphi,' In Wurltemberg. Festschrift flir C. Uhlig. Ohrin~en 1932 .<br />
:-.JOPP, H .: Geschieht" <strong>de</strong>r Stadt unJ eh,'maligen RCJ
Noctui<strong>de</strong>n (Eulenfalter) <strong>de</strong>r Baar<br />
93<br />
von Helmut Herrmann<br />
mit 33 Abbildungen<br />
Die Eulenfalter fliegen meist in <strong>de</strong>r Dunkelheit, nur wenige auch am Tage. In unserem<br />
Raum sind es hauptsächlich kleine bis mittelgroße Schmetterlinge. Große Arten sind selten.<br />
Der Körper <strong>de</strong>r Noctui<strong>de</strong>n ist in <strong>de</strong>r Regel gedrungen. Der Thorax (Brust) ist betont<br />
kräftig. Dem kleinen Kopf sitzen große Augen auf, die bei vielen Arten nachts Licht reflektieren.<br />
Diese Faktoren mögen dazu beigetragen haben, sie mit <strong>de</strong>n Nachtgreifen zu vergleichen<br />
und auch ihnen <strong>de</strong>n Namen "Eulen" zu geben.<br />
Der Körper dieser Eulenfalter ist dicht wollig behaart. Die Färbung <strong>de</strong>r Flügel ist - jedoch<br />
nicht bei allen Arten - dunkel. So sind diese Schmetterlinge gut an das kühlere Nachtklima<br />
angepaßt.<br />
Sind die Flügel, vor allem die Hinterflügel bunt, han<strong>de</strong>lt es sich um eine Wamtracht:<br />
Wird ein ruhen<strong>de</strong>r Falter von einem Insektenfresser angegriffen, spreizt er blitzschell seine<br />
Vor<strong>de</strong>rflügel nach vorne. So kommen plötzlich die bunten Hinterflügel zum Vorschein wie<br />
bei <strong>de</strong>n Or<strong>de</strong>nsbän<strong>de</strong>rn. Der Angreifer wird erschreckt und läßt von seinem Opfer ab, o<strong>de</strong>r<br />
das Opfer fliegt rasch ab.<br />
Die Noctui<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich von an<strong>de</strong>ren Nachtschmetterlingen<br />
in einigen Punkten. So ist dies vor<br />
allem die Zeichnung <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rflügel.<br />
Sie hat neben Bin<strong>de</strong>n, Schattierungen<br />
und Punkten drei für diese Familie<br />
charakteristische Merkmale: die Zapfen-,Ring-<br />
und ierenmakel(Abb.l).<br />
Allerdings können manchmal die eine<br />
o<strong>de</strong>r die an<strong>de</strong>re, dann und wann auch<br />
alle drei fehlen.<br />
In <strong>de</strong>r Ruhestellung sind bei <strong>de</strong>n<br />
meisten Arten die Flügel dachartig<br />
über <strong>de</strong>m Leib zusammengelegt. Einige<br />
Arten aber tragen sie auch flach<br />
über <strong>de</strong>m Körper.<br />
Ringmakel<br />
I<br />
I<br />
I<br />
Nierenmakel<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
I<br />
...<br />
Abb. l<br />
Rechter Vor<strong>de</strong>rflügel einer Noctui<strong>de</strong>.<br />
"- ..... ......<br />
Zapfenmakel<br />
In etwa 25-jähriger Beobachtungs- und Sammeltätigkeit im Gebiet <strong>de</strong>r Baar und <strong>de</strong>r unmittelbar<br />
angrenzen<strong>de</strong>n Landschaften habe ich die nachstehend aufgeführten Arten festgestellt.<br />
Die Reihenfolge entspricht FORSfER-WOHLFAHRT: "Schmetterlinge Mitteleuropas"<br />
, Band 4. Die jeweils <strong>de</strong>m Namen vorgesetzte Zahl entspricht <strong>de</strong>r Nummer <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />
Art aus diesem Band.<br />
Die angegebenen Maße beziehen sich auf die Länge von Kopf bis Flügelen<strong>de</strong>. bei <strong>de</strong>n Präparaten von Kopf bis<br />
Hinterleibsen<strong>de</strong>.
94 Helmut Herrmann<br />
Abb.2<br />
O,hropleur.l plectJ 9 i\chJorf. 2 1. 5. 7 1. ,'3. 1.5 ,m.<br />
Abb.3<br />
octlla prunub.lc;;? . Schwcnningcn. 4. 7.68. ca. 3,5 on.<br />
Abb.4<br />
Anaplectoi<strong>de</strong>s prasinac1, Ach dorf, 26. 7. 71.ca. 3cm.<br />
Abb.5<br />
Raupev. Mamestra pisi , Tiefenried, 3. 9. 66, ca. 4cm.
Eu lenfalter <strong>de</strong>r Baar 95<br />
Abb.6<br />
Tholera<strong>de</strong>cimalis« , Ramberg, 31 . 8. 72,c,. 3em.<br />
Abb.7<br />
Orthosiagraeilisd', Sehwenningen, 7. 4. 72,ca. 2em.<br />
Abb.8<br />
O rthosiaineert.d'. Sehwcnningen, 17.4. 74, ca. 2em.<br />
Abb. 9<br />
Orthosiagothica «. Schwenningen, 16.4. 66,ca. 2em.
96 Helmut H errmann<br />
Abb . IO<br />
Phlogophlo rameticulosa 9, Schwenningen, 27. 10. 67,<br />
ca. 4,Scm.<br />
Abb.1 1<br />
Mormo maurad. Ronweil, 7. 8 50. ca. 3.5('m .
Eulenfalter <strong>de</strong>r Baar<br />
97<br />
Abb. 12<br />
Mythimna impura 9. Schwcnninger Moos,24. 8. 68,<br />
ca. 4 cm .<br />
Abb.13<br />
Amphipyra pyrami<strong>de</strong>a9, Kaltern ,28. 7.69,<br />
ca.3cm.<br />
Abb.14<br />
Apamca lithoxylca 9 , H üfingerWald, 13. 8.67,<br />
ca.2,Scm<br />
Abb. 15<br />
Athetispalust ris cf, Schwcnningcr Moos, 30. 5. 64,<br />
ca. I,5 cm.<br />
7 Sc hri ftt:n <strong>de</strong>r Ba,lr 3 1/ 76
9S<br />
Helmut H errmann<br />
Abb.16<br />
uculliJ betue l" 9. Hoehemmingen. 4. 8. 73. ca.l,Sem.<br />
Abb. 17<br />
ucullia verbaseid,c. \. 2. 5. 72,ca. 3cm.<br />
Abb. 18<br />
Xy lcna vClusta d . Achdorf. 8. 4. 72 . ca. 3,5 em.<br />
F.upsilia travers. f. brunnea 9 . Aehdorf, 19. 3. 72,<br />
ca. 2 ,3 cm.
Eulenfalter <strong>de</strong>r Baar<br />
99<br />
Abb. 20<br />
Agrochola liruracf.Sehwenningen. 14.9. 72. ea. I,S em.<br />
Abb.21<br />
Ra u pe v. Diloba eaeru leocephala. Ram berg, 30. 5. 66,<br />
ca .3cm.<br />
Abb. 22<br />
Acronieta leporina f. grisea cf • Schwenningen. 14. 6. 68.<br />
ca. 2,5 cm.<br />
Abb.23<br />
Apatele psi , e. I. I. 6. 73. ca. 2,5 em.
100 Helmut Herrmann<br />
Abb.24 Abb. 25<br />
Pharctra rumieis(j'.e. 1. 18.8. 72.< • . 2.5 el11 . Eust rotia uncul'9 ,Schwenninger Moos, 10.7.72,<br />
ca.l ,3cm.<br />
Abb. 26<br />
Autograph. bractea O· , Hörnckapf, I. 7. 73, ca. 2,5 cm.<br />
Abb.27<br />
Plusiaehrysitisd Aehdorf, 19. 8.73,
Eulenfalter <strong>de</strong>r Baar 101<br />
Abb.28<br />
Catocala fraxini d'. Rottweil. 12.8. SO,ca. Sem.<br />
Abb.29<br />
Catocala nuptad' , Schwenningen, 11. 9. 49,ca. 4cm.
102<br />
Helmul Herrmann<br />
Abb.30<br />
Dysgoniaalgiraej',e.1. 22. 7.60,<br />
ea.2.3em.<br />
Abb.31<br />
Callistcgemi 9 . Ran<strong>de</strong>n , 14.5.60,<br />
ca.l,7cm.<br />
Abb. 32<br />
Seoliopleryx libatrix9' Schwenninger Moos, 23. 10.70.<br />
ca.2,5cm.<br />
Abb. 33<br />
Lyr;cphila vici,c 9 . OSlcrberg, 6. 6. 65, ca. 2em.
1. UNTERFAMILIE: NOCTUINAE<br />
Eulenfalter <strong>de</strong>r Baar<br />
647 Euxoa nigricans, Gersten-Eule, 1 cf 19. 8. 1973, Achdorf, an Licht<br />
Euxoa nigricans f. rubricans 1 cf 11. 8. 1955, Schwenningen, an Licht<br />
656 Scotia cinerea, Aschgraue Eule, je 1 cf 31. 5. 1953, Kriegertal bei Engen, 24. 5. 1964,<br />
2.6. 1969, Talmühle/Engen, an Licht<br />
659 Scotia segetum, Saat-Eule, erscheint regelmäßig, nicht selten, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
660 Scotia clavis, Rin<strong>de</strong>ngraue Eule, I cf 1. 7. 1950, 19 3. 7. 1950,Rottweil, an Licht<br />
661 Scotia exclamtionis, Ausrufungszeichen, Gemeine Gras-Eule, häufig, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
663 Scotia ipsilon, Ypsilon-Eule, erscheint nicht je<strong>de</strong>s Jahr, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
677 Ochropleura plecta, Cichorien-Eule, je I d 13 . 9. 1970 und 21. 5. 1971, Achdorf, an<br />
Licht (Abb. 2)<br />
68 7 Rhyacia lucipeta, Huflattich-Eule, I cf 19.9. 1960, Schwenningen, an Licht<br />
700 Noctua pronuba, Hausmutter, Sauerampfer-Eule, Saumband, meist regelmäßig und<br />
nicht selten, Wan<strong>de</strong>rfalter, (Abb. 3)<br />
701 Noctua orbona, Kl. Band-Eule, 19 1. 9. 1962, Trossingen, I cf 3. 8. 1975, Achdorf,<br />
an Licht<br />
703 NoctuaJimbriata, Saum-Eule, 19 9.8.1950, Rottweil, an Licht, 1 9 15.7.1965 e. l.,<br />
Raupe v. Ramberg an Cypripedilum calceolus, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
704 Noctua janthina, Aronstab-Eule, 8. 8. und 10. 8. 1950, 1 cf 19 Rottweil, an Licht<br />
19 1. 9.1967, lcf 8.8.1958, Rottweil, an Licht<br />
712 Graphiphora augur, Wahrsager, I cf 2. 7. 1966, Schwenninger Moos<br />
717 Paradiarsia punicea, Purpurfarbige Erd-Eule, I Cf 15.5. 1956, Eichberg<br />
720 Lycophotia porphyrea, Weißgea<strong>de</strong>rte Hei<strong>de</strong>kraut-Eule, I Cf 6. 7. 1955, Schwenningen,<br />
19 e. I. 8. 7. 1967, Raupe an Hei<strong>de</strong>kraut, Schwenninger Moos<br />
724 Diarsia brunnea, Braune Primel-Eule, je I Cf 17. und 26 . 7. 1971 , Achdorf, an Licht,<br />
19 28 . 8. 1971, Umgebung Achdorf, am Wald rand auffliegend<br />
725 Diarsia rubi, Brombeer-Eule, I 9 31. 8. 1962, Schwenningen, an Licht<br />
732 Amathea c-nigrum, Schwarzes C, nicht selten, aber nicht regelmäßig, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
733 Amathes ditrapezium, Gänseblumen-Eule, 19 21. 7. 1972, Achdorf, an Licht<br />
734 Amathes triangulum, Dreieck-Eule, 1 d 15. 7. 1955, Osterberg, nachts an Gentiana<br />
lutea<br />
735 Amathes ash'Worthiee ssp. can<strong>de</strong>larum, Kerzen-Eule, lcf 10. 7. 1971, Achdorf, an<br />
Licht<br />
736 Amathes baja, Unscheinbare Lila-Eule, 1 d 12. 8. 1950, Rottweil, 19 16. 8. 1960,<br />
Schwenningen, 19 6. 8. 1970, Achdorf, aUe an Licht<br />
741 Amathes xanthographa, Verän<strong>de</strong>rliche Saat-Eule, nicht sehr häufig, kommt ans Licht,<br />
fliegt auch tags<br />
744 Phalaena typica, Gespenst-Eule, nicht häufig, abends gern an Lonicera und Lilium<br />
martagon. Tagsüber hält sich <strong>de</strong>r Falter gern an dunklen Stellen auf, z. B. unter<br />
S~einen, Brettern u. dgl. Manchmal fliegt das d auch am Tage.<br />
746 Anaplectoi<strong>de</strong>s prasina, Lauchgrüne Eule, 19 4. 7. 1968, Schwenningen, an Licht,<br />
I d 15 . 7. 1955, nachts an Gentiana lutea, Icf 26. 7. 1971, Achdorf, an Licht<br />
(Abb. 4)<br />
747 Cerastis rubricosa, Rötelfarbige Labkraut-Eule, I cf 10. 4. 1970, Schwenningen, an<br />
Licht<br />
749 Mesogona acetosellae, Hasenklee-Eule, I Cf 14. 9. 1953, Schwenningen in Mauerspalte,<br />
es hatte diese Nacht Reif<br />
2. UNTERFAMILIE: HADENINAE<br />
751 Anarta myrtilli, Hei<strong>de</strong>-Eule, 19 e. I. 10. 6. 1966, Raupe v. Schwenninger Moos<br />
103
104 Helmut Herrmann<br />
758 Polia bombycina, Fremdling, I 9 18 . 6. 1959, Schwenningen, an Licht<br />
760 Polia nebulosa, ebel-Eule, nicht sehr häufig, bei<strong>de</strong> Geschl echter kommen ans Licht<br />
762 Paehetra sagittigera, Besenstrauch- Eule, erscheint regelmäßig, jedoch nicht häufi g,<br />
bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen ans Licht<br />
768 HeLiophobus retieuLata, Seifenkraut-Eule, nicht sehr häufig<br />
770 Mamestra brassieae, H erz- o<strong>de</strong>r Kohl-Eule, sehr häufig und regelmäßig<br />
77 \ Mamestra persieariae, Flohkraut-Eule, nicht selten<br />
Mamestra persieariae f. aeeipitrina, ganz schwarz, I cl 4. 7. 1965, Umgebung Unterbaldingen,<br />
an Fichtenstamm<br />
774 Mamestra thalassina, Pfriemen-Eule, nicht selten, manchen Jahren jedoch fehlend<br />
775 Mamestra suasa, Zuckerrüben-Eule, I cl 26. 8. 1955, Schwenningen, I cl 11 . 7. 1970,<br />
H egaublick, bei<strong>de</strong> an Licht<br />
776 Mamestra splen<strong>de</strong>ns, Speyerer-Eule, I 9 22. 7. 1954 , Schwenningen, an Licht, I cl<br />
e. 1., I. 7. \956, Schwenningen<br />
777 Mamestra oleraeea, Gemüse-Eule, ni cht häufig, in manchen Jahren feh lend,<br />
779 Mamestra pisi, E rbsen-Eule, häufi g und regelmäßig, (Abb. 5, Raupe)<br />
795 H a<strong>de</strong>na compta, Weißbindige Nelken-Eule, nicht häufig<br />
803 Lasionycta nana, Zahn-Eul e, 19 3. 7. 1965 , Umgebung E ngen, an Knautia<br />
806 Cerapteryx graminis f. trieupsis, Gras-Eule, nicht häufi g, 1970 allerdings zahlreich<br />
im Wutachgebiet und auf <strong>de</strong>m Feldberg, dort am Tage niedrig über <strong>de</strong>r Vegetation<br />
fliegend<br />
808 Tholera <strong>de</strong>cimalis, Lolch-Eule, nicht häufig, bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen ans Licht<br />
(Abb. 6)<br />
809 Panolis flammea, Kiefern-Eule, I cl 28. 4. 1963, bei Geisingen, am Tage fliegend<br />
8 17 Orthosia graeilis, Schlank-Eule, nicht häufig, (Abb. 7)<br />
8 18 O rthosia stabiLis, E<strong>de</strong>lkastanien-E ule, 16. und 19 . 4.1 968 je cl , Schwenningen, an<br />
Licht<br />
8 \9 Orthosia ineerta, C hamäleon-Eul e, häufig (A bb. 8)<br />
820 Orthosia munda, Pflaumen-Eul e, I cl 27. 4. 197 1, Achdorf, I cl 4. 4. 1972,<br />
Schwenningen, jeweils an Licht<br />
82 1 Orthosia gothiea, Gotische Eule, nicht all jährlich, 1964 war ein beson<strong>de</strong>r starkes<br />
Flugjahr, kommt ans Licht (Abb. 9)<br />
825 Mythimna turea , Türkische Eule, I 8. 8. 1970, Wutachmühle, an Licht<br />
826 Mythimna conigera, Zapfenträgerin , nicht se lten, am Tage gern an rotblühen<strong>de</strong>n<br />
Disteln und Flockenblumen, kommt auch ans Licht<br />
827 Mythimna ferrago , Stein- Eule, I cl 29. 6. 1968 , Schwenningen, an Licht<br />
828 Mythimna albipuncta, Weißpunkt-Eule, nicht häufi g, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
829 Mythimna vitellina, Dotter-Eul e, 1 Cf 10. 10. 1960, Schwenningen, am Licht<br />
833 Mythimna impura, Seggen-Eule, nicht häufig, kommt ans Licht (Abb. 12)<br />
834 Mythimna pallens, Kräuter-Eule, ni cht häufig, kommt ans Licht<br />
837 Mythimna I-album, Weißes LI 8. 9. 1949, Rottwei l, an Licht, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
J . UNTERFAMILIE: AMPHIPYRINAE<br />
853 Amphipyra py rami<strong>de</strong>a, Pyrami<strong>de</strong>n-Eule, e. I. 5. 7. 1959, Raupe v. Umgebung<br />
E ngen , I cl 18.9. 197 1, Umgebung AselJingen. (A bb. 13)<br />
857 Amphipyra tragopoginis, Graue Glanz-Eule, je I 26.8. und 19 . 9. 1960, Schwenningen,<br />
an Licht, I cl 10 . 10. 1966, Schwenninger Moos<br />
858 Mormo maura, Schwarzes O r<strong>de</strong>nsband, I cl 7. 8. 1950, Rottweil, in einer dunklen<br />
Ecke in einer G laserwerkstatt (Abb. 11 )
Eulenfalter <strong>de</strong>r Baar 105<br />
860 Rusina feTTuginea, Erdbeerschatten-Eule, nicht häufig, kommt ans Licht, fliegt zuweilen<br />
auch tagsüber<br />
861 Polyphaenis sericata, Mittelrheinische Eule, 1 cf 23. 7. 1956, Osterberg, an Centaurea<br />
jacea<br />
862 Thalpophila matura, Braune Wurzel-Eule, 1 9 21. 8. 1955, Osterberg, am Tage<br />
auffliegend .<br />
864 Euplexia lucipara, Schöllkraut-Eule, nicht hä~fig, kommt ans Licht<br />
865 Phlogophlora meticulosa, Reben- o<strong>de</strong>r Achat-Eule, nicht selten, Wan<strong>de</strong>rfalter (Abb. 10)<br />
880 Cosmia trapezina, Trapez-Eule, nicht selten, aber manche Jahre fehlend<br />
883 Auchmis comma, Berberitzen-Eule, 1 cf :;0. 6. 1962, Umgebung Engen<br />
884 Actinotia polyodon, Rötlichbraune Johanniskraut-Eule, I cf 25 . 8. 1958, Umgebung<br />
Engen, an Licht<br />
887 Apamea monoglypha, Getrei<strong>de</strong>wurzel-Eule, nicht selten, bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen<br />
ans Licht<br />
888 Apamea lithoxylea, Graswurzel-Eule, nicht selten, bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen ans<br />
Licht (Abb. 14)<br />
889 Apamea sublustris, Halbdunkle Eule, nicht selten, bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen ans<br />
Licht<br />
899 Apamea oblonga, Rispengras-Eule, vereinzelt<br />
903 Apamea illyria, Illyrische Eule, 1 cf 25 . 6. 1973 , Umgebung Engen, an Licht<br />
90S Apamea sor<strong>de</strong>ns, Ähren-Eule, je 1 cf 8. 7. 1955 und 21. 6. 1957, Schwenningen,<br />
19 5. 7. 1970, Hegaublick, alle am Licht<br />
908 Oligia strigilis, Striegel-Eule, nicht häufig, bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen ans Licht<br />
909 Oligia versicolor, Verschie<strong>de</strong>nfarbige Eule, 1 cf 5. 7. 1957, Schwenningen, an Licht,<br />
I cf 10. 6. 1971, Ramberg, an Stein sitzend<br />
911 Oligia lactruncula, I cf 8. 7. 1971, Schwenningen, an Licht<br />
915 Mesapamea secalis, Roggen-Eule, nicht häufig, kommt ans Licht, fliegt zeitweilig<br />
auch am Tage<br />
916 Phote<strong>de</strong>s captiuncula, Vogesen-Eule, I 9 8.7. 1973 , Bachzimmern, an Umbelliferen<br />
921 Phote<strong>de</strong>s pygmina, Sumpfgras-Eule, I d 11. 9. 1966, Schwenninger Moos, je 1 cf<br />
11. 9. 1971 und 25. 9. 1971, Wutachmühle, an Licht<br />
925 Luperina testacea, Grasstengel-Eule, 1 cf 2. 9. 1950, Rottweil, je 19 26. 8. 1955<br />
und 29. 8. 1958, Schwenningen, aIle am Licht<br />
932 Amphipoea oculea ssp. nictitans, Blinzel-Eule, I 9 13. 8. 1968, Schwenninger<br />
Moos<br />
933 Amphipoea fucosa, Geschminkte Eule, 1 cf 8. 9. 1972, Schwenningen, an Licht<br />
937 Hydraecia micacaea, Schachtelhalm-Eule, 1 cf 26. 8. 1968, Schwenningen, an Licht<br />
940 Gortina j1avago, Mark-Eule, Id I. 10. 1953, Schwenningen, 19 28. 9. 1968 ,<br />
Wutachmühle, alle an Licht<br />
943 Calamia tri<strong>de</strong>ns, Grün-Eule, 19 12. 8. 1950, Rottweil, an Licht<br />
954 Rhizedra lutosa, Rohrtöter, I 9 11. 10. 1961 , Schwenningen, an Licht<br />
959 Meristis trigrammica, Dreilinien-Eule, nicht häufig, kommt ans Licht<br />
960 Hoplodrina alsines, Mieren-Eule, nicht selten, kommt ans Licht<br />
961 Hoplodrina blanda, Löwenzahn-Eule, nicht selten, saugt am Tage gern an Centaurea-Arten,<br />
kommt auch ans Licht<br />
962 Hoplodrina ambigua, Ost<strong>de</strong>utsche Eule, 19 22.6. 1950, Rottweil, I cf 27.7. 1964,<br />
Schwenningen, bei<strong>de</strong> an Licht<br />
963 Hoplodrina. superstes, Kuhblumen-Eule, I cf 15. 7. 1972, Achdorf, an Licht<br />
967 Caradrina morpheus, Träumer-Eule, in <strong>de</strong>n Jahren 1951 - 1967 vereinzelt, seither nich.<br />
mehr beobachtet
106 Helmut Herrmann<br />
973 Paradrina clavipalpis, Eindringling, 1 cf 25.9. 1953, Schwenningen, 2 cf cf<br />
29. 8. 1952, Rottweil, alle an Licht<br />
983 Athetis palustris, Wiesen- Eule, 1 cf 30. 5. 1964, Schwenninger Moos, auffliegend<br />
(Abb. 15)<br />
4. UNTER FAMILIE: CUCULLIINAE, MONCHSEULEN<br />
1000 Cucullia lucifuga, Möhrenmönch, 19 19.6. 1965, Unterbaldingen, an Licht<br />
1001 Cucullia lactucae, Lattichmönch, I cf 13. 7. 1973, Schwenningen, an Licht, 1 cf<br />
\ 5. 7. 1973, bei Aselfingen, an Bienenstand, 19 4. 8. 1973, Hochemmingen,<br />
(Abb. 16),22. 8. 1970, eine Raupe im Stadtgebiet von Schwenningen<br />
1002 Cuwllia umbratica, Schattenmönch, häufig, kommt abends gern an Lonicera und<br />
Lilium martagon, auch an Licht<br />
1013 Cucullia verbasci, Wollkrautmönch, häufig (Abb. 17)<br />
1025 Episema glaucina, Blaugraue E ule, I cf 26. 8. 1955, Schwenningen, an Licht<br />
1029 Brachionycha sphinx, Sphinx-Eule, je I cf 16. 10. und 14 . 11. 1958, Schwenningen,<br />
I (J 6. 11 . 1971, Achdorf, alle an Licht<br />
1049 Xylena vetusta, Braune Mo<strong>de</strong>rholz-Eule, I cf 8.4. 1972, Achdorf, an Licht<br />
(Abb. 18)<br />
1055 A llophyes oxycanthae, W eißdo rn-Eule, I cf 8. 10. 1962, Schwenningen, I cf I. 10.<br />
1970 bei Blumberg, I cf 6. 11. 1971, Achdorf, alle an Licht<br />
1078 Antitype chi, G riechisches Chi, I 25. 9. 1952, 19 5. 9. 1959, Schwenningen,<br />
an Licht, I cf 3.9. 1969 e. 1. , Raupe v. Eschachtal<br />
1080 Ammoconia caecimacula, Wo llrücken-Eule, 19 27. 9. 1955, I cf 3. 10. 1961 ,<br />
Schwennin gen, an Licht, 19 e. I. 15.9. 1967<br />
1083 Eupsilia transversa, Trabant, I cf 31 . 3. 1974, bei lppingen, an Bienenstand mit<br />
blühen<strong>de</strong>n W ei<strong>de</strong>n<br />
E.tpsilia transversa f. brunnea, regelmäßig, aber nur einzeln im Wutachgebiet<br />
(Abb. 19)<br />
1085 Conistra vaccinii, H ei<strong>de</strong>lbeer- Eule, I cf 2 1. 11 . 1964, Schwenningen, I cf<br />
17.3. 1974, bei Engen, an Licht<br />
1093 Agrochola circellaris, Salwei<strong>de</strong>n-Eule, I cf I. 10. 1970, Nordseite Buchberg, an<br />
Licht<br />
1096 Agrochola helv ola, Lutz- E ule, 19 3. 10. 196 1, I cf 28 . 10. 1964, Schwenningen,<br />
an Licht<br />
1098 Agrochola litura, Fleck-E ule, nicht selten , bei<strong>de</strong> Geschlechter kommen ans Licht<br />
(Abb. 20)<br />
11 01 Agrochola lota, Lota-Eul e, 19 29.9. 1967, Schwenningen, an Licht<br />
1103 Parastichtis suspecta, Pappelkätzchen-Eule, I cf 23. 7. 1973, bei Bachzimmern, an<br />
ASlrantia major<br />
1107 Cirrhia aurago, Gold-Eule, I cf 17.9. 1969, Schwenningen, an Licht<br />
1109 Cirrha icteritia, Bleiche Gelb- Eule, je 19 I. 10. 1974 und 5. 10. 1972, Schwenningen,<br />
an Licht<br />
1111 Cirrhia ocellaris, Goldaugen- Eu le, I cf 5. 10. 1951, Rottweil, an Licht, I cf 17.9.<br />
1952, Schwenningen, an Licht<br />
5. U TERFAMILlE: MELlC LEPTRIINAE<br />
I 11 7 Chlori<strong>de</strong>a viTl:placa, Kar<strong>de</strong>n- Eule, 1950 ve rein zelt vorhan<strong>de</strong>n, seither nicht mehr<br />
gefun<strong>de</strong>n, bei<strong>de</strong> Geschl ec hter kommen ans Licht, fliegen auch am Tage
Eulenfal
108 Helmut Herrmann<br />
9. UNT ERFA MILIE: NYCEOLINAE - entfällt für das Gebiet<br />
/0. UNT ERFA MILIE: BENINAE<br />
1193 Bena prasinana, Buchenkahnbärchen, regelmäßig, meist jedoch einzeln, bei<strong>de</strong><br />
G eschlechter ko mmen ans Licht<br />
Bena prasinana gen. aest. f iorii, 1 cf 10.7. 1967, Achdorf, an Licht<br />
//. UNT ERFA MILIE: EUTELIINAE - entfällt für das Gebiet<br />
/ 2. UNT ERFAMILIE: PLUSlINAE, Gold-Eulen<br />
D ie Falter d ieser Unterfamilie sitzen in Ruhestellung mit <strong>de</strong>m Kopf nach unten.<br />
1201 Chrysaspidia festucae, Schwingel-Eule, 1 9 5. 6. 197 1, Achdorf, an Licht, 2d'cf<br />
2 1. 8. 1971 , in einem Trockenrasen bei Hüfin gen, am Tage fliegend, zusammen mit<br />
Plusia chrysitis und Autographa gamma, 1 9 9. 9. 1972, Achdorf, an Licht (s. H eft<br />
30 dieser Schriften)<br />
1202 Chrysaspidia putnami, 1 9 3 1. 7.1964, Schwenningen, an Licht<br />
1203 Autographa gamma, Gamma-Eule, sehr häufig, jährlich jedoch In unterschiedlicher<br />
Anzahl, am 1. 11. 1965 habe ich noch ein Exemplar im Schwenninger Moos fli egend<br />
beobachtet, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
1205 Autographa puLchrina, Z iest-Eule, 1 cf 2 1. 7. 1962, Schwenningen, abends an<br />
Lonicera<br />
Autographa puLchrina f. gammoi<strong>de</strong>s, nicht häufi g, kommt ans Licht, saugt auch an<br />
Lonicera und LiLium martagon; mit Silbermakel<br />
1206 A utographa bractea, Gold linien-Eule, I cf 14. 8. 1958, S hwenningen, an Licht,<br />
1 cf 10. 7. 1962, Sch wenningen, abends an Lonicera, 1. 7. 1973, H öm ekapf,<br />
2 cf cf 8. 7. 1973, bei Bachzimmern , alle mit Goldmakel, am Tage auffliegend,<br />
(Abb. 26), Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
1208 Macdunnoughia confusa, Schafgarben-Eule, 19 12. 8. 1950, Rottweil , I cf 13 . 9.<br />
1955, Schwenningen, bei <strong>de</strong> an Licht, 1 ~ 28. 8. 1971, bei Mun<strong>de</strong>lfingen, auffliegend,<br />
1 cf 4. 8. 1974, Achdorf, an Licht, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
12 11 Plusia chrysitis, Messing-Eule, nicht selten (Abb. 27)<br />
PLusia chrysitis f. juncta, tritt ab und zu auf<br />
1216 PoLychrisia moneta, T rollblumen-Eul e, I cf 15 . 7. 1956, Schwenningen, an Lonicera<br />
12 18 EuchaLcia variabilis, Eisenhut-Eule, 1 cf 20. 5. 1950, Rottweil , an Licht<br />
1222 A brostola triplasi, G raue ßrennessel-Eule, 1cf 20. 7. 1973, Achdorf, an Licht, 1 cf<br />
22. 6. 1974, bei Engen, an Licht<br />
1223 Abrostola asclepiadis, Schwalbenwurz-Eule, 19 20. 8. 1960, Achdorf, an Licht<br />
1225 Abrostola trigemina, Ockerfarbige Brennessel-Eule, vereinzelt, kommt auch ans<br />
Li cht<br />
13. UNTERFAMILIE: COTA CA LINAE, Or<strong>de</strong>nsbän<strong>de</strong>r<br />
1228 Catocala fracini, Blaues Or<strong>de</strong>nsband, I cf 12. 8. 1950, Rottweil , an Licht, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
(Abb. 28)<br />
1229 Catocala nupta, Rotes Or<strong>de</strong>nsband, 1 cf 11. 9. 1949, Schwenningen, an Bretterwand,<br />
I cf 14 . 9. 1950 und 1 9 28. 9. 1953 , Schwenningen, ins Haus gefl ogen, Wan<strong>de</strong>rfalter<br />
(Abb. 29)
Eulenfalter <strong>de</strong>r Baar 109<br />
1248 Dysogonia algira, Algier-Eule, I cf e. I. 22. 7. 1960. Die Raupe wur<strong>de</strong> von mir am<br />
23. 8. 1959 am Kirnbergsee an Salix caprea gefun<strong>de</strong>n , am 12. 9. 1959 verpuppte sie<br />
sich. Hauptverbreitungsgebiete sind Wallis, Täler <strong>de</strong>r Südalpen, Ost!. Osterreich und<br />
Ungarn. (Abb. 30)<br />
1251 Callistega mi, Mi-Eule, häufig, vor allem in Trockenrasen, fliegt am Tage (Abb. 31)<br />
1252 Ectypa glyphica, Luzernen-Eule, sehr häufig, fliegt meist zusammen mit <strong>de</strong>r vorigen<br />
Art<br />
14. UNTERFAMILIE: OPHI<strong>DER</strong>INA E<br />
1254 Scoliopteryx libatrix, Zucker-Eul e, nicht selten, überwintert in Höhlen, hohlen<br />
Bäumen und dgl. (Abb. 32)<br />
1257 Lygephila craccea, Vogelwicken-Eule, njcht häufig, fliegt am Tage<br />
1258 Lygephila viciae, Wicken-Eule, nicht häufig, fliegt am Tage (Abb. 33)<br />
1259 Lygephila pastinum, Hacken-Eule, nicht häufig, fliegt am Tage<br />
1267 Phytrometra viridaria, Grünschimmer-Eule, häufig, vor allem in Trockenrasengesellschaften,<br />
fliegt am Tage<br />
15. UNTERFAMILIE: HYPENINAE, Schnauzen- o<strong>de</strong>r Schnabeleulen<br />
1270 Laspeyria flexula, Na<strong>de</strong>lwaldflechten-Eule, 19 17. 7. 1971, Eichberg, auffliegend,<br />
2d·d26.). 1969, Wutachmühle, an Licht, 20.7. 1973, 1 dAchdorf, an Licht<br />
1273 H erminia barbalis, Bart-Eule, 1 d 17. 7. 1971 , Achdorf, an Licht, 19 17.6. 1%9,<br />
1 d 1 9 17.6. 1971, Ramberg, aus Gebüsch fliegend, 1 d 12.7. 1974, Achdorf,<br />
an Licht<br />
1278 Zanclonatha tarsipennalis, Fe<strong>de</strong>rfuß-Eule, 19 30. 5. 1971, Ramberg<br />
12 8 1 Zanclonatha grisealis, Grau-Eule, 19 10. 7. 1971, Wutachflühen, je 1 d 21. 5. 1971<br />
und 22 . 7. 1972, bei Aselfingen, aus H ecken fliegend _<br />
1289 Hypena proboscidalis, Rüssel-Eule, 1971 Wutachflühen, nicht selten, aus Gebüsch<br />
fliegend, kommt auch ans Licht<br />
1290 Hypena obesalis, Schnurrbart-Eule, Id 22.5.1971, Achdorf, an Licht<br />
Herrn H EINZ JüNGLING, Esslingen, danke ich auch an dieser SteUe nochmals recht<br />
herzlich für die Determinierung einiger kritischer Arten.<br />
Literaturhinweise<br />
ECKSTE[N , K., Die Schmetterlinge Deutschlands, Band 11[ , Srurtgart 1920.<br />
FORSTER, W. und TH. WOHLFAHRT, Die Schmetterlinge Mitteleuropas , Band [V, Sturtgart 1971.<br />
HERRMANN, H ., G roßschmetterl inge im Schwenninger M oos in " Das Schwenninge r M oos" , Ludwigsburg 1968.<br />
HERRMANN, H ., Bemerkenswerte Fun<strong>de</strong> zur Fauna <strong>de</strong>r Baar; Schriften <strong>de</strong>r Baar H . JO, S. 257-260, 1974<br />
KOCH, M. , Wir bestimmen Schmetterlinge, Band 3, 1972.
110<br />
Der Türnleberg<br />
zwischen Schwenningen und Bad Dürrheim ,<br />
eine keltische Burganlage aus <strong>de</strong>r Hallstattzeit<br />
Nach Unterlagen von Dr. Rudolf Ströbel t, zusammengestellt und ergänzt<br />
von Otto Benzing<br />
mit 2 Abbildungen<br />
Der Türnleberg li egt zwar nicht auf Schwenninger Markung, son<strong>de</strong>rn größtenteils im<br />
ehemaligen "Badischen", doch nennt man ihn trotz<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Schwenninger Hausberg. Er ist<br />
das beliebteste Wan<strong>de</strong>rziel im näheren Umkreis <strong>de</strong>s Stadtbezirks, vor allem, seit<strong>de</strong>m dort<br />
oben <strong>de</strong>r Schwäbische Albverein mit Unterstützung <strong>de</strong>s StaatI. Forstamts Trossingen und <strong>de</strong>r<br />
Stadt Schwenningen einen Wan<strong>de</strong>rparkplatz mit 6 bezeichneten Rundwan<strong>de</strong>rwegen eingerichtet<br />
hat. Die bei<strong>de</strong>n Schutzhütten mit großen Feuerstellen und Sitzgelegenheiten wer<strong>de</strong>n<br />
fast täglich von fröhlichen Gruppen besucht.<br />
Statt aber <strong>de</strong>n Berg von Mühlhausen her zu "erfahren", ist es besser, ihn vom Schwenninger<br />
Moos her zu "bewan<strong>de</strong>rn". An <strong>de</strong>ssen Sü<strong>de</strong>n<strong>de</strong> geht man entlang <strong>de</strong>r badischwürttembergischen<br />
G renze. Der Weg dort ist aber viel älter als die Grenze; er bestand schon<br />
min<strong>de</strong>stens in <strong>de</strong>r Bronzezeit. Vom Schwarzwald bei Hammereisenbach herkommend, ging<br />
er südlich an Villingen vorbei , wo <strong>de</strong>r große Fürstengrabhügel <strong>de</strong>s "Magdalenenbergle" steht.<br />
Er überquerte das von Schwenningen bis Donaueschingen reichen<strong>de</strong> Sumpfgebiet auf einer<br />
niedrigen Bo<strong>de</strong>nschwelle üdlich <strong>de</strong>s Schwenninger Mooses. Dort, an <strong>de</strong>r Südspitze <strong>de</strong>r<br />
Schwenninger Markung, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Stich weihers von 1947, wo ein alter Grenzstein mit<br />
<strong>de</strong>m Villinger Wappen steht, wur<strong>de</strong>n vo r über hun<strong>de</strong>rt Jahren ein Bronzeschwert und eine<br />
Bronzeaxt gefun<strong>de</strong>n, die vor 3000 Jahren, verm utlich als Opfergaben, im Moor versenkt<br />
wor<strong>de</strong>n waren. An <strong>de</strong>r Stelle, wo 1825 das Bohrhaus 2 <strong>de</strong>r Saline Wilhe1mshall errichtet<br />
wur<strong>de</strong>, stößt <strong>de</strong>r Weg auf die Bun<strong>de</strong>sstraße 27 1 ).<br />
Jenseits <strong>de</strong>r Straße führt <strong>de</strong>r Weg auf <strong>de</strong>m Bergkamm <strong>de</strong>s "Fesenwal<strong>de</strong>s"2) weiter nach<br />
Osten. Solche Kammlage ist für viele vorgeschichtliche Wege bezeichnend. Kommt doch auch<br />
das französische ~'o rt "chemin" von "Kamm". Auch "Rennwege" wer<strong>de</strong>n solche Kammwege<br />
ge rn genannt, weil sie oft "Rainwege" (G renzwege) sind. Im Gegensatz zu <strong>de</strong>n heutigen<br />
Talwegen bevorzugte man die Kammwege, wei l sie trocken lagen und bessere Aussicht zu<br />
ferneren Zielen boten. - Der Weg steigt Stufe um Stufe vom Gipskeuper bis zum untersten<br />
Schwarzen Jura empo r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Türnleberg ab<strong>de</strong>ckt. Im Schatten <strong>de</strong>r schönsten Wäl<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s<br />
Schwenninger Raums folgen w ir auf <strong>de</strong>m ganzen Weg bis unmittelbar vor <strong>de</strong>m letzten Aufstieg<br />
auf die H öhe <strong>de</strong>n auffallend großen wappengeschmückten Marksteinen, welche auf<br />
Schwenninger Seite die drei württem bergischen Hirschhörner, auf <strong>de</strong>r Bad Dürrheimer das<br />
Kreuz <strong>de</strong>r Villinger Johanniterkommen<strong>de</strong> tragen, bis sie durch di e Zeichen von Hochemmingen<br />
abgelöst wer<strong>de</strong>n. Der älteste Markstein trägt die Jahreszahl 1673.<br />
Gera<strong>de</strong> dort, wo dieser Stein steht, mün<strong>de</strong>t ein an<strong>de</strong>rer vorgeschichtlicher Weg in unseren<br />
Kreuzweg: <strong>de</strong>r " Bettelweg", <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Donaueschmger Raum östlich an Dürrhei l11<br />
vorbeiführt. Es ist möglich, daß er in <strong>de</strong>n Grenzweg nicht nur einmün<strong>de</strong>te, son<strong>de</strong>rn ihn sogar<br />
kreuzte; je<strong>de</strong>nfalls verläuft von <strong>de</strong>r Ei nmündungsstell e weiter nach N or<strong>de</strong>n, in die Schwenninger<br />
Markung hinein, ein alter, inzwischen aufgefüllter Hohlweg.<br />
I) och heute ragen dort vier mächtige Schrauben aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r einstige Solebohrturm<br />
verankert war.<br />
2) Ehemals hatten 141 Schwenningcr H äuser das Recht, gegen jährlich 8 Simri "Fesen" (= Dinkel) von don<br />
unentgeltlich ihr Bau- und Brennholz. zu holen.
Tümleberg 111<br />
Der Markstein mit <strong>de</strong>r Jahreszahl 1673 ist ein "Dreimarkstein"; er schei<strong>de</strong>t mit Hirschstangen<br />
und Johanniterkreuz die Markungen Schwenningen, Bad Dürrheim und Hochemmingen.<br />
Auch geologisch markiert er eine Grenze: wir sind inzwischen vom Gipskeuper<br />
bis zum Stubensandstein emporgestiegen. Verfallene kleine Steinbrüche und <strong>de</strong>r Flurname<br />
"Sandspitz" auf Hochemminger Seite zeigep uns, daß dort früher Sand zum Fegen <strong>de</strong>r<br />
Bauernstuben gewonnen wur<strong>de</strong>. Auch die Schwenninger <strong>de</strong>ckten dort ihren Bedarf. Bald sind<br />
wir am "Setzenbrünnele" 3) mit seinem ausgezeichnet schmecken<strong>de</strong>n Wasser, das die Schwenninger<br />
früher gern als Heilmittel gegen Augenlei<strong>de</strong>n holten.<br />
Ober all diesen Beobachtungen haben wir aber 6 Grabhügel übersehen, die <strong>de</strong>n Grenzweg<br />
entlang auf <strong>de</strong>m Bergkamm liegen. Der Fesenwaldweg ist damit auch ein Heerweg, auf<br />
<strong>de</strong>m man das Totenheer ziehend dachte, eine Gräberstraße wie die Via Appia vor Rom. Solche<br />
gab es auch im hohen Nor<strong>de</strong>n. Noch im frühen Mittelalter heißt es in <strong>de</strong>r Edda 4) : "Grabmäler<br />
stehen selten am Wege, wenn sie <strong>de</strong>r Freund <strong>de</strong>m Freun<strong>de</strong> nicht setzt". - Die größeren <strong>de</strong>r<br />
sechs Hügel gehören wohl <strong>de</strong>r Hallstattzeit an. Nur <strong>de</strong>r erste von ihnen ist auf <strong>de</strong>n topographischen<br />
Karten verzeichnet. Den zweiten und kleinsten von ihnen, unmittelbar neben<br />
<strong>de</strong>m Dreimarkstein, hat Hermann Rupp 1914 ausgegraben. Er fand das Grab einer Frau mit<br />
zwei durchbohrten Gewandna<strong>de</strong>ln und einem Dolch, die sich jetzt im Heimatmuseum<br />
Schwenningen befin<strong>de</strong>n. Diese Fun<strong>de</strong> datieren <strong>de</strong>n Grabhügel in die Hügelgräberbronzezeit<br />
vor dreieinhalbtausend Jahren. Lei<strong>de</strong>r ist <strong>de</strong>r Hügel, <strong>de</strong>n Rupp nach <strong>de</strong>r Ausgrabung wie<strong>de</strong>r in<br />
seine alte Form brachte, vor einigen Jahren teilweise abgetragen wor<strong>de</strong>n. Vermutlich wur<strong>de</strong><br />
das Material zur Auffüllung jenes Hohlweges benützt, welcher als Fortsetzung <strong>de</strong>s "Bettelwegs"<br />
gelten könnte. Hermann Rupp ent<strong>de</strong>ckte auch die nächsten drei Grabhügel. Eine<br />
weitere kleine Erhebung sah Dr. Ströbel ebenfalls als Grabhügel an. Obwohl fünf Hügel nicht<br />
ausgegraben sind, kann man sagen, daß ein Teil von ihnen schon ihrer Größe wegen nicht in<br />
die Bronzezeit, son<strong>de</strong>rn in die Hallstattzeit (750-450 v. ehr.) zu datieren ist.<br />
Bald sind wir am Fuße <strong>de</strong>s Tümlebergs angelangt, eines Knollenmergelsporns, welcher<br />
<strong>de</strong>m Stubensandsteinplateau aufgesetzt ist. Gehalten wird sein leicht rutschen<strong>de</strong>s rotes<br />
Material durch die daraufliegen<strong>de</strong> dünne Schwarzjuraplatte. Wir steigen <strong>de</strong>n vom Albverein<br />
angelegten Srufenweg hinauf. Kurz ehe wir die Höhe erreichen, zeigt <strong>de</strong>r westliche Hang<br />
dort, wo links ein Stein mit religiösem Text steht, einen Absatz. An dieser Stelle ließ <strong>de</strong>r Aufschluß<br />
<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nseewasserleitung einen Graben erkennen, <strong>de</strong>r ein wenig unterhalb <strong>de</strong>r<br />
Hochfläche <strong>de</strong>n Hang entlang lief. Darüber stand am Rand <strong>de</strong>r Hochfläche eine Trockenrnauer,<br />
von <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Nordseite noch Spuren im Gelän<strong>de</strong> zu sehen sind. Der Graben dagegen<br />
ist an <strong>de</strong>r Südseite besser erkennbar, beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Gegend, wo <strong>de</strong>r umlaufen<strong>de</strong> Graben in<br />
einen Wallgraben übergeht, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Bergsporn etwa 200 m östlich seiner Spitze quer über <strong>de</strong>n<br />
Rücken hinweg abschnitt.<br />
Auf <strong>de</strong>r Höhe selbst steht <strong>de</strong>r Denkstein für <strong>de</strong>n unvergeßlichen Leiter <strong>de</strong>r Ortsgruppe<br />
Schwenningen im Schwäbischen Albverein, Richard Schmid. Die Tafel, welche auf die vorgeschichtliche<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Berges hinwies, wur<strong>de</strong> lei<strong>de</strong>r von mutwilligen Hän<strong>de</strong>n entfernt.<br />
An ihrer Stelle lassen wir <strong>de</strong>n Altmeister <strong>de</strong>r Baaremer Vor- und Frühgeschichtsforschung,<br />
PAUL REVELLIO, zu Wort kommen. Erschreibt S ) : "Einerypischesog. Abschnittsburgistam<br />
Burgrain (Türnleberg) ganz in <strong>de</strong>r Nähe von Schwenningen, zwar noch auf Gemarkung<br />
Hochemmingen, aber hart an <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgrenze. Sie liegt auf <strong>de</strong>r länglichen, nach drei Seiten<br />
steil abfallen<strong>de</strong>n Höhe 793,80 m, die sich etwa 25 m über die nächste Umgebung erhebt. Nur<br />
nach Osten senkt sie sich allmählich. Da wo die Lan<strong>de</strong>sgrenze die Höhe in nordsüdlicher<br />
3) An dieser Quelle "setzte" sich das auf die Waldwei<strong>de</strong> getriebene Vieh z.ur Tränke und zur Ruhe nie<strong>de</strong>r.<br />
4) H ava mal 72<br />
5) Stadtbuch SchwenningenlNeckar 1932, S. 14 f.
11 2 0([0 Benzing<br />
Ocr Türnlebcrg -<br />
eine keltische Burganl age aus <strong>de</strong>r Hallstau zeit. Zeichnung aus <strong>de</strong>m N achlaß von Dr. Ströbel.<br />
Richtung überquert, ist auch di e engste Stell e, wo sich Süd- und N ordhang auf wenige Meter<br />
genähert haben. Hier war di e günstige Gelegenheit, das westliche Drittel <strong>de</strong>r Höhe durch zwei<br />
Gräben von <strong>de</strong>m durch die N atur weni ger geschützten O rtsteil abzuschließen. Der äußere<br />
G raben ist etwa 9 m breit. Ihm fo lgt in einem Abstand von 47 m <strong>de</strong>r innere, <strong>de</strong>r H auptgraben<br />
von 11 m Breite. H inter ihm erhob sich <strong>de</strong>r Wall , <strong>de</strong>r jetzt stark abgetragen ist. Wir müssen<br />
uns ihn als mö rtellose T rockenmauer <strong>de</strong>nken, die beträchtliche H öhe hatte. Sie wur<strong>de</strong> durch<br />
enkrechte Pfosten an Vo r<strong>de</strong>r- und Rückseite, die durch die Mauer hindurch miteinan<strong>de</strong>r<br />
verklammert waren, zusammengehalten. Von <strong>de</strong>r H öhe <strong>de</strong>r Mauer aus, die wohl noch mit<br />
ei ner Brustwehr geschützt war, konnte <strong>de</strong>r andringen<strong>de</strong> Feind an <strong>de</strong>r gefähr<strong>de</strong>tsten Stelle<br />
durch Spee r- und Wurfgeschosse gefaßt wer<strong>de</strong>n. Auch die drei Steilhänge sind in etwa<br />
113 H öhe durch einen G raben, <strong>de</strong>r aber nur an <strong>de</strong>r Süd- und Westseite leidl ich erhalten ist,<br />
geschützt. Am oberen Rand <strong>de</strong>r N ordseite, da wo <strong>de</strong>r Steilabfall ansetzt, ist noch ein Steinriegel<br />
zu erkennen, wohl <strong>de</strong>r letzte Rest einer niedrigen Umfassungsmauer, die als Brustwehr<br />
diente. Beim Beseitigen <strong>de</strong>r Baumstümpfe auf <strong>de</strong>r H öhe kamen an verschie<strong>de</strong>nen Stellen<br />
vorgeschi chtliche Scherben zum Vorschein , ohne daß es möglich war, sie ein er bestimmten<br />
Perio<strong>de</strong> zuzuweisen. Aber am Fuße <strong>de</strong>r Burg, nur etwa 30 m südlich, liegt ein großer<br />
G rabhügel von etwa 34 m D urchmesser, <strong>de</strong>r nach seiner Größe <strong>de</strong>r Hallstattzeit angehö ren<br />
muß. Wir haben wo hl hier ohne Zweifel Burg und Grabstätte eines Hallstatthäuptlings beisammen,<br />
ist doch gera<strong>de</strong> in di eser Zeit auch das System <strong>de</strong>r Abschnittsburgen beson<strong>de</strong>rs<br />
beliebt gewesen."<br />
Beim Bau <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>nseewasserleitung wur<strong>de</strong> zwar im mittleren Teil <strong>de</strong>s Hauptabschnittsgrabens<br />
vieles zerstört, doch ko nnte Dr. Ströbel bei di eser Gelegenheit Revellios Darstellung
Tümleberg 113<br />
überprüfen und in allen Teilen bestätigen. So fand er, daß am Nor<strong>de</strong>n<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Wallgrabens<br />
schon früher ein Loch in <strong>de</strong>n WaU gehauen wor<strong>de</strong>n war, vermutlich zur Gewinnung von<br />
Steinen, und daß noch jetzt Reststeine <strong>de</strong>r Trockenmauer im Wall stecken. Er konnte feststellen,<br />
daß <strong>de</strong>r äußere Wallgraben, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Berghals an seiner schmälsten, nur 20 m breiten Stelle<br />
überquerte, nicht wie <strong>de</strong>r innere in einen umlaufen<strong>de</strong>n Graben überging, son<strong>de</strong>rn sich weit<br />
über bei<strong>de</strong> Bergflanken <strong>de</strong>n Hang hinunterzog. Des weiteren fand Ströbel auf <strong>de</strong>m Grund <strong>de</strong>r<br />
bei<strong>de</strong>n hallstattzeitlichen Spitzgräben Gefäßscherben dieser Zeit, obwohl er die Gräben nur<br />
an <strong>de</strong>r Stelle untersuchen konnte, wo sie vom Wasserleitungsgraben durchschnitten wur<strong>de</strong>n.<br />
Eine völlig einwandfreie Datierung <strong>de</strong>r gesamten Anlage wird erst nach weiteren Ausgrabungen<br />
möglich sein. Das gilt vor allem für <strong>de</strong>n erwähnten großen Grabhügel am Fuß <strong>de</strong>s<br />
Berges. Der wur<strong>de</strong> zwar in neuerer Zeit von einem unbekannten "Schatzgräber" von oben her<br />
ein Stück weit aufgewühlt, dann aber wie<strong>de</strong>r verlassen. Die Vermutung fällt auf einen längst<br />
verstorbenen, sonst sehr verdienten Heimatforscher, <strong>de</strong>r von fachmännischer Ausgräberei<br />
keine Ahnung hatte, sonst wäre er <strong>de</strong>n Hügel von <strong>de</strong>r Seite und nicht von oben angegangen ;<br />
da er seine Gräberei heimlich betreiben mußte, Ließ er wohl von <strong>de</strong>r Arbeit ab, als sie nicht<br />
gleich zum ersehnten Erfolg führte.<br />
Ganz an<strong>de</strong>re "Ausgräber" sorgten dafür, daß <strong>de</strong>r Grabhügel vor zehn Jahren ins Gere<strong>de</strong><br />
und in die Presse kam. Da ließ das staatliche Forstamt etwa 30 m südlich <strong>de</strong>s Türnlebergfußes<br />
einen Waldweg begradigen und, da <strong>de</strong>r Grabhügel einer gera<strong>de</strong>n Linienführung im Wege<br />
stand, kurzerhand ein gutes Drittel <strong>de</strong>s Hügels beseitigen . Das geschah, obwohl die Tafel <strong>de</strong>s<br />
Albvereins auf <strong>de</strong>m Gipfel noch stand und auf <strong>de</strong>n "Grabhügel <strong>de</strong>s Burgherrn am Südfuß"<br />
hinwies, obwohl im Schwenninger Heimatmuseum schon seit 1950 ein Bild <strong>de</strong>s Grabhügels<br />
mit <strong>de</strong>m Türnleberg im Hintergrund hing, obwohl die zitierten Ausführungen von Prof.<br />
Revellio schon 1932 im Schwenninger Stadtbuch abgedruckt stan<strong>de</strong>n, und obwohl Behör<strong>de</strong>n<br />
und Gemein<strong>de</strong>n durch das Denkmalschutzgesetz gehalten sind, auf vorgeschichtliche Denkmäler<br />
zu achten und alle behördlichen Bauarbeiten vorher <strong>de</strong>n zuständigen DenkmalspflegesteIlen<br />
zu mel<strong>de</strong>n. Es war hinterher nicht einmal mehr möglich zu erfahren, wohin das<br />
abtransportierte Material gebracht wor<strong>de</strong>n war. Der amtliche Bo<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nkmalpfleger Ströbel<br />
aber wur<strong>de</strong> von verschie<strong>de</strong>nen Stellen hart gerügt, weil er sich in frem<strong>de</strong>, badische Angelegenheiten<br />
gemischt hatte, als er in <strong>de</strong>r Zeitung auf die Untat hinwies.<br />
Der Name <strong>de</strong>s "Türnle"berg und <strong>de</strong>r Flurname "Burgrain" nördlich <strong>de</strong>s Berges sagen<br />
über das Alter <strong>de</strong>r Befestigung ebensowenig aus wie die verschie<strong>de</strong>nen Sagen, die sich um <strong>de</strong>n<br />
Türnleberg ranken. Dem Betrachter <strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>rkarte 1: 50000 von Schwenningen fällt zwar<br />
auf, daß <strong>de</strong>r Flurname "Türnen" nur wenige Kilometer östlich und nordöstlich <strong>de</strong>s Berges<br />
wie<strong>de</strong>r auftaucht und ein drittes Mal nördlich Trossingen, jeweils an Hängen o<strong>de</strong>r auf einer<br />
Höhe. Aber ob die vor <strong>de</strong>r mächtigen Hallstattburg Dreifaltigkeitsberg verstreuten "Türme"<br />
o<strong>de</strong>r "Türmle"6) zum Vorfeld eines keltischen Verteidigungssystems gehörten, ob sie in <strong>de</strong>m<br />
jahrhun<strong>de</strong>rtlangen Rückzugskampf <strong>de</strong>r Römer gegen die Alemannen nach <strong>de</strong>ren Durchbruch<br />
durch <strong>de</strong>n Limes als hölzerne Wachttürme aufgestellt wur<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r ob sie nur lokale Beobachtungsstellen<br />
<strong>de</strong>s frühen Mittelalterswaren, läßt sich heutenichtmehrfeststellen.<br />
Abschnittsburgen <strong>de</strong>r Hallstattzeit, ähnlich <strong>de</strong>r Anlage auf <strong>de</strong>m Türnleberg, gibt es<br />
je<strong>de</strong>nfalls in unserer Gegend in größerer Zahl. Der Burgherr auf <strong>de</strong>m Türnleberg konnte,<br />
wenn er die Hügelkuppe von Baumbewuchs freihielt, die Rauchzeichen vom Dreifaltigkeitsberg,<br />
vom Kapf hinter Villingen, vom Fürstenberg, von <strong>de</strong>r Länge, vom Neckartäle bei<br />
Dauchingen, bei klarem Wetter wohl auch vom Krumpenschloß ("Altfürstenberg") ausmachen,<br />
um nur ein paar dieser ßergfestungen zu nennen. Manche von <strong>de</strong>nen waren<br />
wesentlich größer, manche auch noch kleiner als unser Bergsporn mit seinen 250 m Länge und<br />
seiner Breite von 20-50 m. Auf seiner Fläche konnten in Notzeiten die Bauern einer weiteren<br />
6) mhd. "turn" = Turm<br />
8 Sch rif,en <strong>de</strong>r Ba.r 31/ 76
114 Ouo Benzin g<br />
Umgebung Zuflucht fin<strong>de</strong>n. Das Vieh mochte an <strong>de</strong>n Hängen bis zum Bergfuß und auf <strong>de</strong>r<br />
Schwarzjuraebene östlich <strong>de</strong>r Abschnittswälle wei<strong>de</strong>n, wo die Quelle <strong>de</strong>r Stillen Musel nicht<br />
weit ist. In Belagerungszeiten sammelte man das Wasser wohl in Zisternen auf <strong>de</strong>m Berg;<br />
wenn <strong>de</strong>r Feind nicht in <strong>de</strong>r ähe war, bot das Setzenbrünnele gutes Trinkwasser 7) .<br />
Daß <strong>de</strong>r Schwenninger Raum zur späten Hallstattzeit gut besie<strong>de</strong>lt war, wissen wir durch<br />
die Ausgrabungen von Hermann Rupp an Grabhügeln im Dickenhardt, auf <strong>de</strong>r Möglingshöhe<br />
und auf Hohlöhren. Die Frage liegt nahe, ob die großen, im Villinger Magdalenenberg und<br />
die kleinen im Türnleberg-Burgherrenhügel bestatteten Herren <strong>de</strong>r späten Hallstattzeit etwa<br />
gleichzeitig lebten und wie dann ihr Verhältnis war.<br />
Zur beson<strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Türnleberg schrieb Dr. Ströbel: "So klein <strong>de</strong>r Türnleberg<br />
als Fliehburg etwa im Vergleich zum Dreifaltigkeitsberg ist, so zeigt er doch <strong>de</strong>utlicher als<br />
manche an<strong>de</strong>re Befestigung dieser Zeit, was zu einer rechten Hallstattburg gehört: Der<br />
Doppelwall, das Burgherrengrab und die Gräberstraße. Der Hohenasperg mit <strong>de</strong>m Fürstenhügel<br />
Kleinaspergle besitzt diese nicht. Auch die berühmte Heuneburg bei Hun<strong>de</strong>rsingen hat<br />
wohl ein Fürstengräberfeld, aber keine durch Gräber gekennzeichnete Straße. Um eine solche<br />
Situation in ähnlicher Vollständigkeit erhalten zu fin<strong>de</strong>n, wie beim Türnleberg, könnte man<br />
zum Soproner Burgstall bei O<strong>de</strong>nburg in Ungarn gehen, o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r berühmten etru skischen<br />
Berg- und Gräberstadt Caere, <strong>de</strong>n1.. heutigen Cerveteri, reisen".<br />
Nun droht dieser geschlossenen Keltenlandschaft unmittelbare Gefahr. Die Trasse <strong>de</strong>s<br />
Autobahnzubringers von Schwenningen nach Tuningen, die sog. B 523, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Planung<br />
so lange geän<strong>de</strong>rt, bis sie schließlich hart südlich <strong>de</strong>s Türnleberg durchführen soll; <strong>de</strong>r stille<br />
Berg wird dann verlärmt. Schlimmer noch: Der Zubringer zerschnei<strong>de</strong>t die Gräberstraße und<br />
zwar genau an <strong>de</strong>r Stelle, wo <strong>de</strong>r Bettelweg einmün<strong>de</strong>t und <strong>de</strong>r Dreimarkstein von 1673 steht.<br />
Dabei räumt sie drei <strong>de</strong>r Grabhügel völlig weg und tangiert drei weitere so scharf, daß sie<br />
nur bei außergewöhnlicher Behutsamkeit <strong>de</strong>r Baumaschinen erhalten wer<strong>de</strong>n können. Nicht<br />
genug damit: In nächster Nähe zu diesem Durchschnitt wird auch die neue Trasse <strong>de</strong>r B 27,<br />
die von Mühlhausen her nördlich <strong>de</strong>s Türnleberg ve rlaufen soll , in die B 523 einmün<strong>de</strong>n. Ihr<br />
wür<strong>de</strong>n dann wohl auch noch einige <strong>de</strong>r alten Grenzsteine zum Opfer fallen .<br />
Wenn nicht in letzter Stun<strong>de</strong> von höchster Regierungsstelle Einhalt geboten wird, zerstören<br />
die Bagger in Bäl<strong>de</strong> eine einmalige historische Landschaft. Durch mehr als zwei Jahrtausen<strong>de</strong><br />
blieb sie unberührt und unbeachtet. Dieselbe Generation, die endlich ihre Be<strong>de</strong>utung<br />
erkannte und die zur selben Zeit einzusehen beginnt, daß die Zeugen unserer Vergangenheit<br />
für unser gegenwärtiges und zukünftiges Menschsein ebenso wichtig sind wie die letzten<br />
unzerstörten Wäl<strong>de</strong>r, macht sich daran, <strong>de</strong>n Fesenwald zweifach zu durchschnei<strong>de</strong>n und<br />
jahrtausen<strong>de</strong>alte Bo<strong>de</strong>n<strong>de</strong>nkmäler beiseite zu räumen. Dabei ist die B 523 nicht nur wegen<br />
ihrer Trassenführung umstritten, son<strong>de</strong>rn wird auch von vielen einheimischen Verkehrsteilnehmern<br />
als unnötig angesehen.<br />
Rudolf Ströbel formulierte das so: " Wir nehmen ja für uns in Anspruch, für kommen<strong>de</strong><br />
Generationen planen und die Umwelt schützen zu wollen. Noch sieht es freilich so aus, als<br />
gäbe es kaum an<strong>de</strong>re Kriterien unseres Denkens und Han<strong>de</strong>lns als wirtschaftlichen Gewinn<br />
und technische Perfektion. Aber es ist eine geschichtliche Erfahrung, daß das Pen<strong>de</strong>l nicht<br />
lange im einseitigen Ausschlag verharrt. Jene Enkel, für die wir angeblich planen, in<strong>de</strong>m ~ir<br />
Natur und überlieferung zerstören, wer<strong>de</strong>n unsere rationale Welt nicht mehr als die einzig<br />
lebenswerte ansehen und sich daran erinnern, daß wir auf <strong>de</strong>n Schultern jener mythischen<br />
Welt stehen, die in <strong>de</strong>r Landschaft um <strong>de</strong>n Türnleberg einen selten eindrucksvollen Nie<strong>de</strong>rschlag<br />
gefun<strong>de</strong>n hat. "<br />
Es si nd von verschie<strong>de</strong>nen Seiten verschie<strong>de</strong>ne Alternativen zu <strong>de</strong>r bestehen<strong>de</strong>n Verkehrsplanung<br />
im Raum <strong>de</strong>s Oberzentrums Villingen-Schwenningen und <strong>de</strong>r Orte um das<br />
7) Fü r die d amalige Zeit war es sicher nichts Au ßergewöhnliches. das Wasser täglich die Viertelstun<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Berg<br />
hinauf1.utragen, tragen doch primitive Völker auch heute noch ihr Wasser manchmal viele Stun<strong>de</strong>n weit herbei .
Tüm leberg 115<br />
, ALL M E N D-_ - - - - ...<br />
"'".., .... """- -- - - -----<br />
Bad Dürrheim vorgelegt wor<strong>de</strong>n. Noch besteht ein Funke Hoffnung, daß die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Männer und Frauen die Landschafts- und die Denkmalspflege höher stellen als die<br />
Perfektion <strong>de</strong>s Verkehrs.<br />
Wenn es gelänge, die drohen<strong>de</strong> Zerstörung abzuwen<strong>de</strong>n, wäre die Möglichkeit gegeben,<br />
die Geschichte <strong>de</strong>s Türnleberg gründlicher zu erforschen . Man könnte wenigstens einige<br />
Schnitte durch die erhalten gebliebenen Teile <strong>de</strong>r Befestigungen legen. Man könnte einen<br />
weiteren <strong>de</strong>r sechs Hügel, vor allem aber <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s Burgherrengrabhügels ausgraben. Und<br />
dann könnte man darangehen, eine Rekonstruktionszeichnung <strong>de</strong>r gesamten Burganlage<br />
aufzustellen, alle sieben Grabhügel wie<strong>de</strong>r bis zur ursprünglichen Gestalt aufzuschütten, <strong>de</strong>n<br />
Bettelweg besser zu markieren und schließlich <strong>de</strong>n Gräberweg zwischen <strong>de</strong>n schönen alten<br />
Grenzsteinen zum Spazierweg auszubauen. Es ist sicher, daß nicht nur die Heimatlreun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Oberzentrums, son<strong>de</strong>rn auch die Kurgäste von Bad Dürrheim ih re Freu<strong>de</strong> daran hätten. Der<br />
ganze Schwarzwald-Baar-Kreis aber wäre um ein be<strong>de</strong>utsames Kelten<strong>de</strong>nkmal reicher.
116<br />
Die Struktur <strong>de</strong>s Bildungswesens un Schwarzwald-Baar-Kreis<br />
in statistischer und infrastruktureller Sicht<br />
von Martin Schmie<strong>de</strong>berg<br />
mit 4 Abbildungen<br />
Einleitung und Untersuchungsgegenstand<br />
Sowohl <strong>de</strong>r Vollzug <strong>de</strong>r Kreisreform in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg und die damit verbun<strong>de</strong>ne<br />
Zusammenlegung von Gebietsteilen <strong>de</strong>r ehemali gen Kreise Vill ingen, Rottweil und Donaueschingen<br />
zum neugeschaffenen Schwarzwald-Baar-Kreis als auch ständige Verän<strong>de</strong>rungen in<br />
<strong>de</strong>n Bereichen <strong>de</strong>r Bevölkerung struktur (Bevölkerungszunahme) haben zu erheblichen Verschiebungen,<br />
beson<strong>de</strong>rs in infra trukrureller Art <strong>de</strong>r Bildungseinrichrungen, im Gesamtbildungswesen<br />
geführt.<br />
Die folgen<strong>de</strong> Untersuchung will aus geographischer Sicht sich speziell mit <strong>de</strong>n Bildungsbereichen<br />
Schule und Hochschule befassen. Die Einbeziehung von Bildungseinrichrungen im<br />
weiteren Sinne, wie z. B. Theater, Bibliotheken, berufliche Fortbildung, etc. war nicht beabsichtigt.<br />
Der behan<strong>de</strong>lte Bereich <strong>de</strong>s Bildungswesens dieser Arbeit soll sich auch nicht mit<br />
einer reinen Darstellung <strong>de</strong>r Bildungsinstitutionen in ihrem Aufbau o<strong>de</strong>r in ihrer Lehraufgabe<br />
beschäftigen, da dies vielmehr eine vo rrangige Aufgabe eines Schu ll aufbahn-, Bildungs- o<strong>de</strong>r<br />
Berufsberaters wäre.<br />
Ein e geographische Strukturuntersuchung <strong>de</strong>s Bildungswe ens läßt sich auf zwei Ebenen<br />
durchführen:<br />
I) Behandlung und Analyse <strong>de</strong>r statistischen Daten<br />
2) D arstellung <strong>de</strong>r räumlichen Verhältnisse in <strong>de</strong>n einzelnen Ort- und Raumschaften.<br />
Untersuchungsgang, -metho<strong>de</strong>n und Sch rifttum<br />
Für die Themenbearbeitung wur<strong>de</strong> in vielfältiger Form stati tisches Material von einzelnen<br />
Dienststellen und Schulen in Anspruch genommen.<br />
Zur E rgän z ung und weiteren Differenzierung <strong>de</strong>r Verhältnisse in <strong>de</strong>n einzelnen Raumschaften<br />
wur<strong>de</strong> vom Verfasser eine ergänzen<strong>de</strong> Umfrage zur Schülerstatistik durchgeführt.<br />
Beson<strong>de</strong>rs danken möchte ich folgen<strong>de</strong>n Stellen für hilfreiche Unterstützung: Kultusministerium<br />
Ba<strong>de</strong>n-WürttePlberg, Statistisches Lan<strong>de</strong>samt Ba<strong>de</strong>n-Würnemberg, Landratsamt<br />
Schwarzwald-Baar-Kreis, Direktionen <strong>de</strong>r Gymnasien im Schwarzwald-Baar-Kreis, Staatliches<br />
Schulamt Villingen, Schulverwaltungsamt <strong>de</strong>r Stadt Villingen-Schwenningen.<br />
Das Schrifttum verzeichnet im Schwarzwald-Baar- Kreis auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Bildungsstruktur<br />
keine neueren Arbeiten, häufi g wird nur auf das Vorhan<strong>de</strong>nsein verschi e<strong>de</strong>ner Insti <br />
tutionen hingewiesen. Methodisch leistet die Allgemeine Geographie für <strong>de</strong>n Ko mplex<br />
"Sc hul e in z u g~bereiche" Hilfestellung. Sämtliche an<strong>de</strong>ren Strukturaussagen mußten methodisch<br />
neu entwickelt wer<strong>de</strong>n. Zum besseren Abwägen von statistischen Aussagen wur<strong>de</strong>n<br />
häufig zum Vergleich Daten von weiteren ausgewählten Land- und Stadtkreisen mitaufgeführt.<br />
Die Schiiler- und Stu<strong>de</strong>ntenzahlen im Landkreis<br />
Die Bevölkerung <strong>de</strong>s Schwarzwald-Baar-Kreises beträgt 196073 Ein wohner ( 1970),<br />
davon besuchen 32720 Schüler all gemei ne Schulen. Dies entspricht 16,7% <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung<br />
<strong>de</strong>s Landkreises I ). Die berufli chen Schulen wer<strong>de</strong>n von 10957 Schülern (5,6%) aufge-
Bildungswesen 117<br />
sucht, davon sind 637 Schüler (0,2%) zu <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>r wirtSchaftlichen, technischen und<br />
frauenberuflichen Gymnasien zu zählen 2). Die Schülerzahlen <strong>de</strong>s Landkreises liegen im<br />
Durchschnitt über <strong>de</strong>n Zahlenwerten <strong>de</strong>r schulpflichtigen Schüler in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Im<br />
Lan<strong>de</strong>sdurchschnitt betragen die schulpflichtigen Einwohner 14,2% für die Grund- und<br />
Hauptschulen und für die Berufsschulen 4,0% 3). Der Unterschied zwischen <strong>de</strong>n wirklichen<br />
Schülerzahlen und <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r allgemein Schulpflichtigen erklärt sich durch <strong>de</strong>n Besuch<br />
von weiterführen<strong>de</strong>n Bildungsei nrichtungen, woVon 5,2% <strong>de</strong>r Bevölkerung im Land Ba<strong>de</strong>n<br />
Württemberg Gebrauch machen.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren liegen auch <strong>de</strong>utliche Anzeichen vor, daß sich die Bevölkerungsstruktur im<br />
Landkreis in ihrem Aufbau erheblich von <strong>de</strong>r im Gesamtland unterschei<strong>de</strong>t. Eine größere<br />
Kin<strong>de</strong>rhäufigkeit in <strong>de</strong>n Familien führt zu einem verstärkten Unterbau <strong>de</strong>r Bevölkerungspyrami<strong>de</strong><br />
(einschließlich <strong>de</strong>r im Landkreis arbeiten<strong>de</strong>n Gastarbeiter, die ebenfalls eine abweichen<strong>de</strong><br />
Struktur von <strong>de</strong>r ansäßigen Bevölkerung aufweisen) und einer damit verbun<strong>de</strong>nen<br />
größeren Schülerfrequenz in <strong>de</strong>n Bildun.gseinrichtungen 4). Der Schwarzwald-Baar-Kreis besitzt<br />
einen "Schülerüberhang" von 2,7% <strong>de</strong>r Gesamteinwohnerschaft, <strong>de</strong>r sich durch die oben<br />
dargelegten Faktoren erklären läßt 5).<br />
Der Landkreis besitzt 24437 Schüler, die die Grund- und Hauptschule (einschließlich<br />
<strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rschule) besuchen, auf die Realschulen entfallen 3595 Schüler; dies entspricht einem<br />
Anteil von 1,4% <strong>de</strong>r Kreiseinwohner 6 ).<br />
Bei <strong>de</strong>r Schülerzahl <strong>de</strong>r Gymnasien hat sich eine <strong>de</strong>utliche Steigerung abgezeichnet: Vom<br />
Schuljahr 1973/74 stieg die Gymnasiastenanzahl von 4688 auf 6415 Schüler im Schuljahr<br />
1975/ 76 7 ) an, diese letzte Anzahl umfaßt einen Bevölkerungsanteil von über 3,2% (Lan<strong>de</strong>sdurchschnitt<br />
3,0%). Dieser Anstieg entspricht einem allgemeinen Bildungsaufschwung mit<br />
<strong>de</strong>r Ten<strong>de</strong>nz zu höherer beruflicher und schulischer Qualifikation, <strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong> zum Teil<br />
von einer politischen Steuerung abhängig sind o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r wirtschaftlichen Lage, <strong>de</strong>r sozialen<br />
und beruflichen Stellung <strong>de</strong>r Familie ihren Ursprung haben. Der Bildungsaufschwung ist eng<br />
verzahnt mit <strong>de</strong>r Beruf- und Erwerbsstruktur, d. h. eine reine Universitätsstadt wird z. B.<br />
immer mehr Aka<strong>de</strong>miker aufzeigen als ein stark landwirtschaftlich ausgerichteter Raum. Die<br />
Erwerbsstruktur <strong>de</strong>s Schwarzwald-Baar-Kreises 8) unterschei<strong>de</strong>t sich beson<strong>de</strong>rs im sekundären<br />
und tertiären Bereich von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Es bestehen auch innerhalb<br />
<strong>de</strong>s Kreises starke Unterschie<strong>de</strong> (z. B. Ostschwarzwald, Industriestädte <strong>de</strong>r Baar; Frem<strong>de</strong>nverkehrsgemein<strong>de</strong>n<br />
wur<strong>de</strong>n hierbei noch nicht berücksichtigt), was sich durch die Massierung<br />
<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nsten Industriezweige in <strong>de</strong>n Städten und durch <strong>de</strong>n Mangel an großen<br />
Dienstleistungsbetrieben (Verwaltungsbehör<strong>de</strong>n, Verkehrsbetriebe, etc.) erklären läßt.<br />
Bei <strong>de</strong>r Prozentbewertung <strong>de</strong>r höheren Schüler nimmt <strong>de</strong>r Kreis im Land eine SpitzensteIlung<br />
unter allen Landkreisen ein und besitzt relativ mehr Gymnasiasten als durchschnittlich<br />
im Land Ba<strong>de</strong>n-Wümemberg vorhan<strong>de</strong>n sind (vgl. Statistik <strong>de</strong>r Schülerzahlen). Eine Bewertung<br />
dieser Tatsache ist also nur in enger Verbindung mit <strong>de</strong>r Berufsstruktur <strong>de</strong>s Landkreises<br />
möglich. Dabei läßt <strong>de</strong>r im Schwarzwald-Baar-Kreis stark ausge<strong>de</strong>hnte sekundäre<br />
Sektor (= produzieren<strong>de</strong>s Gewerbe: Industrie und Handwerk) <strong>de</strong>n Schluß zu, daß sich ein<br />
großer Teil <strong>de</strong>r Gymnasiasten in eine Phase <strong>de</strong>r " Oberqualifizierung" - dies gilt nur im statistischen<br />
Bereich - hinein bewegt und nach <strong>de</strong>m Ausbildungsabschluß im Bereich <strong>de</strong>s Landkreises<br />
aufgrund <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Struktur und Erwerbslage kein hinreichen<strong>de</strong>s ausbildungsadäquates<br />
Betätigungsfeld fin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, da ein stärker ausgebil<strong>de</strong>ter Dienstleistungssektor,<br />
wie in an<strong>de</strong>ren bevölkerungsreicheren und -dichteren Kreisen, nicht vorzufin<strong>de</strong>n ist, <strong>de</strong>r<br />
unter Umstän<strong>de</strong>n in größerem Maße qualifiziertere Arbeitskräfte aufnehmen kann.<br />
Die Anzahl <strong>de</strong>r Schüler an Berufsschulen hat sich vom Schuljahr 1973 /74 (10957,<br />
dies entspricht 5,6%) zum Schuljahr 1975 /76 nur geringfügig verän<strong>de</strong>rt (10525 Schüler<br />
= 5,3%). Die Abnahme ist durch <strong>de</strong>n verstärkten Zugang zu <strong>de</strong>n weiterführen<strong>de</strong>n Schulen zu<br />
erklären. Der Anteil <strong>de</strong>r Berufsschüler, die ein wirtschaftliches, technisches o<strong>de</strong>r frauen-
118 Martin Schmie<strong>de</strong>berg<br />
berufliches Gymnasium besuchen, bleibt konstant bei 0,3% <strong>de</strong>r Gesamteinwohner (1975/76:<br />
627 Schüler).<br />
Der tertiäre Bildungsbereich im Landkreis<br />
An Hochschuleinrichtungen besitzt <strong>de</strong>r Landkreis nur zwei Institutionen, die Fachhochschule<br />
Furtwangen und die 1975 neu gegrün<strong>de</strong>te Berufsaka<strong>de</strong>mie in Villingen-Schwenningen<br />
mit Fachhochschulstatus.<br />
Dabei kann die Fachhochschule Funwangen 643 Stu<strong>de</strong>nten (Wintersemester 1972/ 73)<br />
aufzeigen, <strong>de</strong>ren räumliche Herkunft aufgrund <strong>de</strong>r Spezialisierung <strong>de</strong>r Ausbildungsgänge aus<br />
allen Bereichen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgebietes zu verfolgen ist. In <strong>de</strong>r Aufbauphase verfügt die Berufsaka<strong>de</strong>mie<br />
Villingen-Schwenningen über 25 Praktikanten und Studieren<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fachbereiche<br />
Technik und Wirtschaft. Erwähnt sei noch, daß <strong>de</strong>r Ausbildungsbereich <strong>de</strong>s Seminars für<br />
Studienreferendare Rottweil mit immerhin 90 Ausbildungsplätzen an 6 Gymnasien <strong>de</strong>s<br />
Schwarzwald-Baar-Kreises unse ren Kreis überspannt. Raumordnerisch liegt <strong>de</strong>r Schwarzwald-Baar-Kreis<br />
allerdings fern aller allgemeinen Hochschuleinrichtungen und Universitäten.<br />
Die Studieren<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Kreises wählen vorrangig als Studienort die Hochschulen in Freiburg<br />
(30-40% <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten), wobei aber die Ten<strong>de</strong>nz 9) zu beobachten ist, daß in <strong>de</strong>n Bereichen<br />
<strong>de</strong>s ehemaligen Landkreises Donaueschingen diese Zahl auf über 40% ansteigt; dagegen kann<br />
in <strong>de</strong>n östlichen Bereichen <strong>de</strong>s Schwarzwald-Baar-Kreises ebenfalls auch eine zunehmen<strong>de</strong><br />
zentripetale Bewegung zu <strong>de</strong>n Hochschuleinrichtungen <strong>de</strong>r Hochschulregion Tübingen/<br />
Reutlingen angenommen wer<strong>de</strong>n. (Der Landkreis Rottweil entsen<strong>de</strong>t über 40% <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten<br />
in die H ochschulstädte Tübingen und Rcutlingen.) Die Universität Konstanz nimmt<br />
wegen ihres Reform- und Aufbaucharakters nur einen begrenzten Stu<strong>de</strong>ntenanteil auf und<br />
fä llt bei einer Aufstellung <strong>de</strong>r Studienorte <strong>de</strong>r Studieren<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Kreises nur unwesentlich,<br />
trotz <strong>de</strong>r guten Erreichbarkeit, ins Gewicht.<br />
Die Ausstattung <strong>de</strong>r Raumschaften mit Schulinstitutionen und Schülerzahlen<br />
Bei <strong>de</strong>r weiteren Beschäftigung mit <strong>de</strong>m Bildungswesen in struktureller Hinsicht bietet<br />
sich eine Differenzierung in ei nzelne Raumschaften an, die nach naturgeographischen Gesichtspunkten<br />
herausgeglie<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n (vgl. Karte <strong>de</strong>r Raumschaften im Schwarzwald-Baar<br />
Kreis).<br />
Zur Schulvertei lung im Landkreis kann gesagt wer<strong>de</strong>n, daß alle Bereiche in <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Raumschaften genügend mit Grund- und H au ptschulen 10) versehen sind 11 ). Dies gilt auch für<br />
di e abgelegenen Talschaften im Ostschwarzwald , z. B. sei hier das Linachtal (Gemein<strong>de</strong><br />
Vöhrenbach) genannt. Die Erreichbarkeit <strong>de</strong>r Volksschulen ist durch ein System von Zubringerbussen<br />
relativ günstig für die Schü ler gestaltet wor<strong>de</strong>n, obwohl allerdings häufig,<br />
durch die naturräumliche Ausstattung einer Raumschaft und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen un gün ti <br />
gen Verkehrswege bedingt, zeitlich umfangreiche Fahrten zum Schulbesuch zu absolvieren<br />
sind. Vereinzelt kommt es auch noch zu Erschwernissen bei <strong>de</strong>r Schulweglänge (Kein Schulbusverkehr<br />
möglich) in <strong>de</strong>r Raumschaft Triberg wegen <strong>de</strong>r Lageungunst von Schwarzwaldbauernhöfen,<br />
so daß hier von <strong>de</strong>n Schülern noch erhebliche Wegstrecken zu Fuß zurückge-legt<br />
wer<strong>de</strong>n müssen (südliche Gebiete <strong>de</strong>s Triberger Ortsteils Nußbach u. a.). Ungünstige Witterungsverhältnisse,<br />
vor allem im Winter, führen wegen <strong>de</strong>r klimatischen Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s<br />
östlichen Schwarzwald bereiches und <strong>de</strong>r Baar zu Behin<strong>de</strong>rungen bei <strong>de</strong>r verkehrstechnischen<br />
Bewältigung <strong>de</strong>r Schulzubringung von Schülern.<br />
Son<strong>de</strong>rschulen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nsten Richtungen befin<strong>de</strong>n sich in allen ZentraJorten <strong>de</strong>r<br />
einzelnen Raumschaften <strong>de</strong>s Schwarzwald-Baar-Kreises. Dies gilt ebenfalls auch für die Realschulen<br />
, von <strong>de</strong>nen eine weitere in Bad Dürrheim vorhan<strong>de</strong>n ist.
Bildungswesen<br />
119<br />
Aufteilung <strong>de</strong>s Schwarzwald-Baar-Kreises in Raumschaften<br />
o<br />
!<br />
Kartographie: Schmie<strong>de</strong>berg<br />
Q uelle:<br />
St ru kturatlas <strong>de</strong>r Planungsgemein chaft<br />
Schwarzwald -Baar-Heuberg.<br />
München o. J.<br />
Mit Gymnasien ist <strong>de</strong>r Landkreis zahlenmäßig sehr gut ausgestattet und erreicht aufgrund<br />
<strong>de</strong>r engeren Dichte <strong>de</strong>r Städtesiedlungen auf <strong>de</strong>r Baar ein enges Netz, so daß große<br />
Fahrwege beim Schulbesuch eines Gymnasiums in <strong>de</strong>r Regel erspart bleiben. Lediglich<br />
Donaueschingen hat einen weit nach Sü<strong>de</strong>n reichen<strong>de</strong>n Gymnasialeinzugsbereich (Raumschaft<br />
Blumberg: Wegen <strong>de</strong>r relativ geringen Schülerfrequenz scheint ein eigenes Gymnasium<br />
in dieser Raumschaft nicht gerechtfertigt), <strong>de</strong>r z. T. westlich und südöstlich über die<br />
Kreisgrenzen vereinzelt hinausgeht (Gemein<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Kreise Breisgau-Hochschwarzwald und<br />
Tuttlingen sind <strong>de</strong>m Bereich Donaueschingen zuzuordnen).<br />
An<strong>de</strong>rerseits besuchen Schüler aus <strong>de</strong>n nordöstlichen Kreisgemein<strong>de</strong>n (u. a. Fischbach,<br />
Nie<strong>de</strong>reschach) Gymnasien in <strong>de</strong>r Stadt Rottweil. Das Privatgymnasium in Königsfeld wird<br />
auch extern von Einwohnern <strong>de</strong>s engeren Umlandbereichs aufgesucht, womit Weglängen verkürzt<br />
wur<strong>de</strong>n und das Gymnasium in Königsfeld eine strukturell günstige Ergänzung darstellt.<br />
Nach <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>r Schwarzwaldschule in Triberg wird diese als öffentliches Gymnasium<br />
weitergeführt, obwohl sich räumlich und zahlenmäßig besser eine Verbindung mit <strong>de</strong>m
120 Martin Schmie<strong>de</strong>berg<br />
Karte <strong>de</strong>r allgemeinbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Schulen im Schwarzwald -Baar-Kreis<br />
Legen<strong>de</strong>:<br />
o Grundschule<br />
o H auptschule/Grundschule<br />
Son<strong>de</strong>rschu le<br />
.. Realschule<br />
• Gymnasium<br />
o Progymnasi um<br />
M.S.<br />
G ymnasi um in St. G eorgen angeboten hätte. Das Vorhan<strong>de</strong>nsei n zweier Gymnasien in <strong>de</strong>r<br />
Raumschaft Sr. Georgen erklärt auch <strong>de</strong>n hohen Prozentanteil <strong>de</strong>r höheren Schüler (4,6%) in<br />
dieser Raumschaft.<br />
Ein e beson<strong>de</strong>rs starke zentralörtliche Stellung für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Gymnasien besitzt das<br />
Oberzentrum Villingen-Schwenningen mit <strong>de</strong>r Vielzahl an differenten Gymnasialformen<br />
(Nomlalform/Berufliche G ymnasien). Die Villinger Gymnasien wer<strong>de</strong>n dabei vo rrangig von<br />
<strong>de</strong>n Gemein<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Brigachtales und <strong>de</strong>s nördlichen Nachbarraumes <strong>de</strong>r Stadt besucht. Der<br />
Einzugsbereich von Schwenningen erstreckt sich auf die östlichen Ortschaften (Randgemein<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Kreises Rottweil tendieren nach Schwenningen) und <strong>de</strong>m Raum Bad Dürrheim .<br />
Der Anteil <strong>de</strong>r G ymnasiasten in Villingen -Schwenningen (3, I %) erreicht fast <strong>de</strong>n hohen<br />
Kreisdurchschnitt von 3,3% <strong>de</strong>r Bevölkerung.<br />
Für <strong>de</strong>n Bereich <strong>de</strong>r Berufsschulen sind die Städte Villingen-Schwenningen und Donaue<br />
chingen ebenfalls als wichtige Schul zentren anzusehen, in <strong>de</strong>nen eine Viel zahl von Schultypen<br />
und -fachsparten vorhan<strong>de</strong>n ist.
Bildungswesen 121<br />
Berufsfachschulen befin<strong>de</strong>n sich weiter in Funwangen, Königsfeld und St. Georgen.<br />
Donaueschingen hat einen Einzugsbereich <strong>de</strong>r Berufsschüler im ganzen Bregtal und im Bereich<br />
<strong>de</strong>s Kreises Tuttlingen. Die Berufsschüler <strong>de</strong>r Raumschaft Triberg müssen <strong>de</strong>n weiten<br />
Weg zu <strong>de</strong>n Berufsschulen in Villingen bewältigen. In Villingen befin<strong>de</strong>t sich noch die Berufsfachschule<br />
für das Hotel- und Gaststättengewerbe mit 1914 (19'74) Schülern. Diese Schule<br />
wird von Schülern aus allen Regionen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Bagen-Württemberg besucht, die in einem<br />
Internat Unterkunft fin<strong>de</strong>n . Krankenpflegeschulen sind in Donaueschingen (2), Villingen<br />
Schwenningen (2) (zusätzlich noch zwei Kin<strong>de</strong>rkrankenpflegeschulen) und in St. Georgen<br />
eingerichtet.<br />
Karte <strong>de</strong>r beruflichen Schulen im Schwarzwald-Baar-Kreis<br />
Legen<strong>de</strong>:<br />
L:!!.<br />
gewerbliche Berufsschule<br />
o kaufmännische Berufsschule<br />
techn., wirtschaftI., frauenberun.<br />
Gymnasium<br />
FachhochschulelBerufsaka<strong>de</strong>mie<br />
Berufsfachsch ule<br />
Schulen für H aus- und Land·<br />
wirtschaft/Sozialpädagogik<br />
[±] Krankenpnegcschule<br />
V Volkshochschule u. AußensteIle<br />
M.S.
122 Manin Schmie<strong>de</strong>berg<br />
Einzug bereiche <strong>de</strong>r Gymnasien<br />
Legen<strong>de</strong>:<br />
• Ort mit G ymnasium<br />
j<br />
Gemein<strong>de</strong> und Onstei le,<br />
von <strong>de</strong>nen Schüler da<br />
betreffen<strong>de</strong> G ymnas ium<br />
besuchen<br />
10 15 km<br />
M.S.<br />
Anmerkungen<br />
I) Einschließlich <strong>de</strong>r vergleichbaren privaten Schuleinrichrungen .<br />
2) Es wur<strong>de</strong>n hier die Schülerzahlen <strong>de</strong>s Schuljahres 1973/ 74 aufgeführt.<br />
3) Vgl. Das Bildung wesen 1972, a. a. 0 ., S. 27 H.<br />
4) Genaue statistische Aussagen liegen nicht vor, da die Statistiken <strong>de</strong>r einzelnen One keine Alteraufschlüsselung<br />
enthalten.<br />
5) Vgl. Schülerstatistik <strong>de</strong>s Schwarz wald- Baar- Krei ses und Vergleichswene ausgewählter Landkreise und Ba<strong>de</strong>n<br />
Württcmberg.<br />
6) Bei <strong>de</strong>n % -Werten wur<strong>de</strong> aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Vereinheitlichung und <strong>de</strong>r besseren Vergleichbarkeit jeweils als Au s-<br />
gangswert (= 100%) die Gesamtbevö lkerung genommen.<br />
7) ach Umfrage bei <strong>de</strong>n Direktionen <strong>de</strong>r G ymnasien im Schuljahr 1975/ 76.<br />
8) Vgl. Tabelle über die Aufglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Erwerbstätigen in Berufssektoren.<br />
9) Vgl. Das Bildungswesen 1972 , a. a. 0., S. 75 und das Bildungswesen 1974 , a. a. 0 ., S. 11 7.<br />
10) Vgl. Karte <strong>de</strong>r allgemeinen Schulen im Schwarzwald-Baar- Kreis.<br />
11) Hier ist nur das reine Vorhan<strong>de</strong>nsein <strong>de</strong>r Schulen angesprochen und bezieht si h nicht auf das Verhältnis zwischen<br />
Schülerz.hl und <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Lehrern, Schul- bzw. Klassenräumen.
Bildungswesen 123<br />
Schrifttum und benutzte Quellen<br />
KRAUSE, REINHOLD:<br />
Schulen. In: Der Landkreis Konstanz. Amtliche Kreisbeschreibung, Bd . 2. Sigmaringen 1969.<br />
Das Oberzentrum. Jahrbuch Villingen-Schwenningen. Villingen-Schwenningen 1970- 1974 .<br />
Strukturuntersuchung Vill ingen-Schwenninge". Zwischenberichl. Vi ll ingen-Schwenningen 197t.<br />
Strukturatlas <strong>de</strong>r Planungsgemeinschaft Schwarzwald-Baar-Heuberg.<br />
München o. J .<br />
Der Schwarzwald-Baar-Kreis. Zahlen und Informauonen. Herausgegeben vom Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis.<br />
Villingen-Schwenningen 1975 .<br />
Schule - Berufsausbildung.<br />
Villingen-Schwenningen 1975.<br />
Verwaltungskarte von Ba<strong>de</strong>n-WÜrtlemberg, Maßstab I : 350000. Herausgegeben vom Lan<strong>de</strong>svermessungsamt Ba<strong>de</strong>n<br />
WÜrtlcmberg, Stullgart.<br />
Das Bildungswesen 1972, 1974 ; Bd . 190, 209. Statistik von Ba<strong>de</strong>n-Wümemberg. Herausgegeben vom Statistischen<br />
Lan<strong>de</strong>samt Ba<strong>de</strong>n-Würtlemberg, Stullgan.<br />
Statistik <strong>de</strong>s Schul verwaltungsamtes <strong>de</strong>r Stadt Villingen-Schwenningen über die Schulen <strong>de</strong>r Stadt Villingen<br />
Schwenningen.<br />
Statistik <strong>de</strong>s Landratsamtes SchwarLwald-Baar-Kreis über das berufliche Schulwesen im Schwarzwald-Baar-Kreis.<br />
Schülerstatistik <strong>de</strong>s Schwarzwald-Baar-Kreises und Vergleichswerte ausgewählter Landkreise<br />
~inwohn e r Schüler im Schuljahr 1973/74<br />
( 1970) allgemeine Grund-/ Real- Gymn. Berufsschulen<br />
Schulen Haupt- schulen allgemein berufl.<br />
Son<strong>de</strong>rschulen<br />
Gymn.<br />
SchwarLwald 196073 32720 24437 3595 4688 '-) 10957 637<br />
Baar-· Kreis 16,7%**) 12,5% 1,8% 2,4% 5,6% 0,3%<br />
Schüler<br />
gesamt<br />
43677<br />
22,3%<br />
%-Werte zum Vergleich<br />
B a d en-<br />
Würtlemberg 8895048 15,7% 10,7% 2,0% 3,0% 3,9% 0,2%<br />
Landkreis<br />
Waldshut 137066 17,5 % 13,5% 2,3% 1,6 0/0 3,4% 0,1 %<br />
Stadtkreis<br />
Freiburg 165480 13,8% 8,3% 1,5% 4,0% 7,2% 0,6%<br />
19,6%<br />
20,9%<br />
21,0%<br />
,.) Für das Schuljahr 1975/ 76 liegen für die Gymnasien erheblich verän<strong>de</strong>rte Zahlen vor.<br />
,-,.) Die %-Wen e beziehen sich auf die Gesamtbevölkerung in <strong>de</strong>n jeweils angegebenen Landkreisen bzw. auf das<br />
Land Ba<strong>de</strong>n-Württemberg.
f24<br />
Manin Schmie<strong>de</strong>berg<br />
Aufglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Erwerbstätigen in Berufssektoren<br />
Einwohner Erwerbstätige I. I!. 111.<br />
gesamt<br />
BerufssektOr<br />
Schwarzwald -Baar-<br />
Kreis 196073 97285 708 1 62348 27856<br />
49,6%") 7,3%*") 64, 1% 28,6%<br />
zum Vergleich:<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg 8895048 4176052 33 1809 2283669 1560574<br />
46,9% 7,9% 54,7% 37,4%<br />
I<br />
". U/u-Wert <strong>de</strong>r Gesamtbevölkerung I<br />
,.
125<br />
Untersuchungen zur Nie<strong>de</strong>rschlagsverteilung auf <strong>de</strong>r Baar<br />
nach hydrologischen Halbjahren<br />
von Olev Koha<br />
mit 10 Abbildungen<br />
Einleitung<br />
über die Nie<strong>de</strong>rschlagsverteilung auf <strong>de</strong>r Baar wur<strong>de</strong> in dieser Zeitschrift zuletzt berichtet<br />
von SCHNEI<strong>DER</strong>, LEMKE und PREUSS 1974. Sie verwen<strong>de</strong>ten das Verfahren <strong>de</strong>r<br />
Trendanalyse mittels linearer Regression und kamen zu <strong>de</strong>m Ergebnis, daß die Nie<strong>de</strong>rschläge<br />
in 18 Jahren (1953 ... 1970; Kalen<strong>de</strong>rjahre) zugenommen haben, und zwar am meisten im<br />
Schwarzwald, nach Osten hin abnehmend. Westlich <strong>de</strong>r Linie Donaueschingen-Rottweilliegt<br />
eine Insel größerer Nie<strong>de</strong>rschlagszunahme, wobei vermutet wird, daß dies eine Auswirkung<br />
<strong>de</strong>s Stadtklimas sei.<br />
Vorliegen<strong>de</strong> Arbeit setzt diese Untersuchung fort. Neu ist die Verlängerung <strong>de</strong>r Reihe<br />
und die Aufteilung in die hydrologischen Halbjahre Winter (Wi: November - April) und<br />
Sommer (So: Mai - Oktober).<br />
1. Arbeitsgang<br />
Insgesamt liegen in <strong>de</strong>n "Deutschen Meteorologischen Jahrbüchern" veröffentlichte<br />
Aufzeichnungen von 46 Stationen vor. In <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Arbeit wur<strong>de</strong>n nur die 33 Stationen<br />
mit lückenloser Aufzeichnung für die Jahre 1954 .. . 1972 verwen<strong>de</strong>t. Berechnet wur<strong>de</strong><br />
die Gleichung y = bx + a (b == jährliche Zunahme o<strong>de</strong>r Abnahme <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rschlags in mm,<br />
x == Zeit in Jahren), sowie die Streuung 5 dieser Regressionsgera<strong>de</strong>n. Eine geringe Streuung<br />
<strong>de</strong>utet auf einen typischen Mittelwert hin.<br />
Die Berechnungen wur<strong>de</strong>n im Rahmen einer Physik -ArbeitSgemeinschaft im Gymnasium 3m Deutenberg,<br />
Villingen-Schwenningen, auf einem programmierbaren Tischrechner "DIEHL aJgolronik" ausgeführt; die Ergebnisse<br />
wur<strong>de</strong>n anschließend kartiert.<br />
2. Zu,r Frage <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rschlagszunahme<br />
a) Winter<br />
Es zeigt sich <strong>de</strong>r ein<strong>de</strong>utige Trend, daß die Winternie<strong>de</strong>rschläge zugenommen haben (vgl.<br />
Befund aus <strong>de</strong>m Harz in LIEBSCHER 1975). Die b-Werte liegen zwischen 0 und 15, d. h.<br />
bis 15 mm jährliche Nie<strong>de</strong>rschlagszunahme im Winterhalbjahr. Dabei ist beson<strong>de</strong>rs im<br />
Schwarzwald um Triberg die größte Zunahme feststellbar, während im Gebiet um Löffingen<br />
und Neustadt die geringste Zunahme li egt (Abb. 1).<br />
b) Sommer<br />
Im Gegensatz zum Winter haben die Sommernie<strong>de</strong>rschläge abgenommen . Hier liegen die<br />
b-Werte zwischen 0 und -10 (d. h. bis 10 mm mittlere jährliche Abnahme!). In <strong>de</strong>mselben<br />
Gebiet, in <strong>de</strong>m im Winter die geringste Zunahme liegt, ist auch im Sommer eine sehr starke<br />
Nie<strong>de</strong>rschlagsabnahme feststellbar - während eine sehr geringe Abnahme, teilweise sogar<br />
eine kleine Zunahme im Gebiet nördlich <strong>de</strong>r Linie Triberg-Klippeneck vorliegt (Abb. 2).<br />
Von <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rschlagsstationen Donaueschingen, Schwenningen und Villingen wur<strong>de</strong>n<br />
die Nie<strong>de</strong>rschlagswerte, getrennt nach hydrologischen Halbjahren, zusammen mit <strong>de</strong>n errechneten<br />
Regressionsgera<strong>de</strong>n in ein Diagramm eingezeichnet (Abb. 5 .. . Abb. 10). Addiert<br />
man die Werte <strong>de</strong>r Winter- und Sommerhalbjahre wie<strong>de</strong>r, so zeigt sich eine übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>n Ergebnissen von SCHNEI<strong>DER</strong>, LEMKE und PREUSS 1974.
126 Olev Ko ha<br />
,<br />
Jährliche Zunahme b, W l o 10<br />
Abb. I:<br />
Mittlere jäh rliche Zunahme <strong>de</strong>r Winternie<strong>de</strong>rschläge (Olm)<br />
während <strong>de</strong>r Jahre 1954 ... 1972.<br />
J ährl iche Zunahme b, SO o 10<br />
Abb.2:<br />
Mittlere jährliche Zu- o<strong>de</strong>r Abnahme <strong>de</strong>r<br />
Sommernie<strong>de</strong>rschläge (mm) während Jer Jah re<br />
1954 . . . 1972 .<br />
Variationskoeffi zient SO<br />
o AO<br />
l~km Verhä ltnis SO : WI-Nie<strong>de</strong> rschlag o 10<br />
Abb.3:<br />
Mittlere Verän<strong>de</strong>rlichkeit ("10) <strong>de</strong>r Winternie<strong>de</strong>rschläge<br />
( 1954 . , . 1972)<br />
Abb. 4:<br />
Verhältnis Sommer- zu Winter- ie<strong>de</strong>rschlag in "10.
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128 Olev Koha<br />
J. Zur Veriin<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rschläge<br />
Um die Verän<strong>de</strong>rlichkeit <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rschläge zu untersuchen, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Variationskoeffizient<br />
~ . 100 gebil<strong>de</strong>t. Dieser hat gegenüber <strong>de</strong>r Streuung s <strong>de</strong>n Vortei l, daß er nicht<br />
x<br />
die Abweichung in mm, son<strong>de</strong>rn in Prozent, auf <strong>de</strong>n Mittelwert bezogen, angibt. Je kleiner<br />
dieser ist, <strong>de</strong>sto gerin ger si nd di e Abweichungen vom Mittelwert. Für das Sommerhalbjahr<br />
wur<strong>de</strong> das Ergebnis kartiert (Abb . 3). Hier sind die Abweichungen <strong>de</strong>utlich geringer als ' im<br />
Winter.<br />
So: 14% . .. 22%,<br />
Wi : 26% ... 35%.<br />
So be<strong>de</strong>utet z. B. ein Wert von 35, daß die "mittlere" Abweichung ± 35 % vom Mittelwert<br />
x beträgt.<br />
Die Ergebnisse <strong>de</strong>s Winterhalbjahres zu kartieren erwies sich als unmöglich. Die größte<br />
Verän<strong>de</strong>rlichkeit li egt dabei im Gebiet um Bonndorf/ Rothaus. Eine relativ geringe Verän<strong>de</strong>rlichkeit<br />
ist im Gebiet um Klippeneck/Böttingen feststellbar.<br />
In <strong>de</strong>r Gewässerkun<strong>de</strong> ist es üblich, die Sommer- mit <strong>de</strong>n Winternie<strong>de</strong>rschlägen zu<br />
ve rgleichen, in<strong>de</strong>m man das Verh älmis Sommernie<strong>de</strong>rsch läge : Winternie<strong>de</strong>rschläge bil<strong>de</strong>t,<br />
mit 100 multipliziert und kartiert (Abb. 4). Ein Wert von 140 gibt also an, daß zu 100 mm<br />
Winternie<strong>de</strong>rschläge 140 mm Sommernie<strong>de</strong>rschläge gehören. Hierbei zeigt sich eine überraschend<br />
genaue übereinstimmung mit <strong>de</strong>r Karte <strong>de</strong>s Deutschen Wetterdienstes (SCHIR<br />
MER 1964 ; vgl. BE ZI G 1968, S. 11 2, Abb. L/5), welche die Perio<strong>de</strong> 189 1 ... 1930 umfaßt.<br />
Das Ergebnis zeigt, wie von W nach 0 <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Sommernie<strong>de</strong>rschläge zunimmt.<br />
Litera t u rverzeichn is<br />
BE Z I G. A.: Beiträge zur Gewässerkun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Baar (I). Schriften d. Ver. f. Geseh. u. aturgesch. d. Baar Donau·<br />
"schingen 27. H . 1968, S. 10 1- 11 2.<br />
LI EBSC H ER. H . j . : 20 j.hrc Wasscrhaushaltsuntersuchungen im Oberhan. Bes. Mit< . z. Dl. Gew. jb. Nr. 39,<br />
Koblen7. 1975.<br />
S HIRM ER, H .: Verhältnis von Sommer- zu Winternie<strong>de</strong>rschlägen (%) aus Mittelwerten <strong>de</strong>r hydrologischen Halb·<br />
j.thre.Offenbach 1964 .<br />
SCH NEI<strong>DER</strong>. R., LEMKE, 0 ., PREUSS, S.: St.tisrische Untersuchungen zur Nie<strong>de</strong>rschlagsverteilung auf <strong>de</strong>r Baar.<br />
Schriften d. Ver. f. Gesell. u. Naturgcsch. d. Baar, H . 30, 1974, S. 25 1-256.
129<br />
Zwei Briefe <strong>de</strong>s Bergrats von Altbaus in Dürrheim<br />
an Professor Alexan<strong>de</strong>r Braun in Karlsruhe<br />
von Gaston Mayer<br />
August Heinrich Jacob Baron von Althaus, einem aus <strong>de</strong>m Fürstentum Lippe stammen<strong>de</strong>n<br />
Geschlecht angehörend, wur<strong>de</strong> am 25. 7. 1791 in Paris geboren, ergriff die militärische<br />
Laufbahn I ) und war als großherzoglich badischer Leutnant Teilnehmer am berüchtigten<br />
Rußlandfeldzug Napoleons, wo er <strong>de</strong>n bitteren Rückzug über die Beresina mitmachte und bei<br />
Wilna in russische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach seinem Abgang vom Militär 1823 leitete<br />
er bis 1857 die Ludwigs-Saline in Dürrheim, die er zu großer Blüte brachte. 1837 wur<strong>de</strong> ihm<br />
<strong>de</strong>r Titel Bergrat verliehen. Seinen Ruhestand verlebte er in Freiburg, wo ihm 1866 die Ehr n<br />
doktorwür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Universität verliehen wur<strong>de</strong> und wo er am 14. 5. 1875 hochbetagt starb.<br />
Von Althaus war naturwissenschaftlich sehr interessiert und veröffentlichte noch als<br />
Offizier 182 1 eine kl ei ne Arbeit über <strong>de</strong>n Elektromagnetismus. Als Verwalter <strong>de</strong>r Dürrheimer<br />
Saline beschäftigte er sich dann naturgemäß mehr mit geologischen Fragen und sammelte auf<br />
sein en Wan<strong>de</strong>rungen und Reisen 2 ) in die nähere und weitere Umgebung Dürrheims Fossilien<br />
und Mineralien. Zu seinen Freun<strong>de</strong>n zählte u. a. <strong>de</strong>r Bergrat und Salinenverwalter Friedrich<br />
August von Alberti ( 1795-1878) in Fried richshall, <strong>de</strong>r ihm zu Eh ren ein Muschelkalkfossil<br />
benannte (Panopaea = Homomya althausii). Briefliche Berichte und Aufsätze über seine<br />
Fun<strong>de</strong> und Beobachtungen fin<strong>de</strong>n sich in verschie<strong>de</strong>nen wissenschaftlichen Zeitschriften<br />
zwischen 1824 und 1860 3 ). Auch mit <strong>de</strong>m Direktor <strong>de</strong>s großherzoglichen aturalienkabinetts<br />
in Karlsruhe, Professor Alexan<strong>de</strong>r Braun (1805-1877) stand er in brieflicher Verbindung.<br />
Zwei Briefe <strong>de</strong>r Jahre 1840 und 1843 haben sich in <strong>de</strong>n Archivalien <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>ssammlungen<br />
für aturkun<strong>de</strong> in Karlsruhe erhalten. Sie beleuchten beson<strong>de</strong>rs die sammlerische Tätigkeit<br />
<strong>de</strong>s Barons im Raume Schura und Bad Dürrheim und seien daher im fo lgen<strong>de</strong>n mitgeteilt.<br />
Werthester Freund!<br />
Ludwigs-Saline, Dürrheim, d. 3. April 1840.<br />
Wenn ich jetz erst die lieben Zeilen vom 8. v. M. beantworte, so liegt es daran, daß die<br />
Reste <strong>de</strong>s Sauriers noch immer in <strong>de</strong>r nicht abgesandten Kiste lagen, also ich <strong>de</strong>n Abgang<br />
<strong>de</strong>rselben, von circa 2 Zt. Schwere, Ihnen nicht anzeigen konnte, was aber hiemit geschieht,<br />
mit <strong>de</strong>m Bemerken, daß ich <strong>de</strong>n Lagerhausverwalter zu Villingen ersuchte, die billigste Fracht<br />
dafür zu bewirken, und <strong>de</strong>m Naturalien Cabinet baldmöglichst zuzusen<strong>de</strong>n. Lei<strong>de</strong>r kam ich<br />
etliche Tage zu spät zur Grabarbeit <strong>de</strong>s Brunnens in Schura (Königreich Würtemberg), so daß<br />
<strong>de</strong>r Schutt sich mit <strong>de</strong>n Trümmern so angehäuft hatte, daß ich kein Ganzes vom Exemplar<br />
mehr zusammenbringen konnte. Es lag ohngefähr 15 Fuß unter Tag, in <strong>de</strong>m Liasschiefer,<br />
welcher oben noch einzelne Versteinerungen <strong>de</strong>s Posidonienschiefers zeigt. - Die Schwanzwirbel<br />
sind wahrscheinlich noch außerhalb <strong>de</strong>s Brunnenschachts im Gebirge geblieben. Hier<br />
wollte ich noch weiter die Schichten ab<strong>de</strong>cken lassen, und ordnete die Arbeit an; - <strong>de</strong>r<br />
Eigenthümer ließ aber dabey auch tiefer graben, und ehe diese Anordnung zum Ziele führte,<br />
waren die steigen<strong>de</strong>n Quellen angeschlagen, so daß alles unter Wasser kam . - Bey <strong>de</strong>m mehrtägigen<br />
Durchsuchen <strong>de</strong>s Schuttes konnte ich nur noch einige Sruckchen <strong>de</strong>r Rippen erhalten.<br />
Die mir mangel n<strong>de</strong> Zeit erlaubte mir lei<strong>de</strong>r nicht selbst dabey zu bleiben, sonst wür<strong>de</strong> das<br />
Exemplar doch noch complerter seyn. Nach Jägers Beschreibungen <strong>de</strong>r Saurier Würtembergs,<br />
die so schlecht ist, daß man daraus nichts bestimmen kann, halte ich es für dasjenige Thier,<br />
<strong>de</strong>m die Rippe No 14 Tab. III angehörte. - Da die Schiefer an <strong>de</strong>r Luft sich sehr zerfallen,<br />
so ließ ich solche sogleich mit starkem Leimwasser anstreichen, als ich die Rippen ziemlich<br />
9 Schriften <strong>de</strong>r ß:l:1r J 1/76
130 Gaston Mayer<br />
frey herausgemeiselt hatte. - Sie können solche im lauen Wasser wie<strong>de</strong>r aufweichen lassen,<br />
um sie noch <strong>de</strong>udicher heraus zu bekommen, müssen aber acht haben, wie die Stückehen<br />
zusammen passen, weil man sie sonst wie<strong>de</strong>r schwer zusammen fin<strong>de</strong>t! Die Wirbelsäule wird<br />
sich auf diese Art ganz gut putzen, und vielleicht auch die Rippenstücke an solche sich<br />
anreihen lassen, - beson<strong>de</strong>rs dann, wenn von <strong>de</strong>njenigen, welche noch die Rückenwirbel<br />
Ansätze haben, probirt wird an welche Stellen sie passen. - Den großen Klumpen wollte ich<br />
nicht mehr putzen, weil ich hoffe, etliche Stücke zu erhalten, die an solchen sich anpassen<br />
ließen. Es scheint mir <strong>de</strong>m Becken anzugehören, was gegen die bisherigen Annahmen wäre,<br />
daß sie fast kein solches hatten. Es könnte aber auch noch ein Kopfstück darinn verborgen<br />
liegen . Es sind von <strong>de</strong>r rechten und linken Seite <strong>de</strong>r Rippen fast gleichviel Bruchstücke<br />
vorhan<strong>de</strong>n, aber nirgends eine Spur zu sehen, daß solche an ein Brustbein zusammenstießen.<br />
- Wie solche sich aber troz <strong>de</strong>m so auseinan<strong>de</strong>r breiten konnten, verstehe ich nicht. Ein<br />
Stück eines run<strong>de</strong>n Knochens lag im Schutt, welches einem Fuß anzugehören scheint, - sonst<br />
aber konnte ich von <strong>de</strong>n Extremitäten nichts auffin<strong>de</strong>n. Was mir am meisten aufgefallen, ist<br />
das Eingreifen <strong>de</strong>r Wirbel ineinan<strong>de</strong>r (Skizze) während solche sonst wie die Fischwirbel<br />
aneinan<strong>de</strong>r (Skizze) stoßen, wie <strong>de</strong>r Wirbel <strong>de</strong>n ich dazu legte, und ganz in <strong>de</strong>r Nähe dieses<br />
Fun<strong>de</strong>s auch bey einer Brunnenausgrabung im Jahr 1838 fand, und mir daher einem an<strong>de</strong>ren<br />
Geschlecht anzugehören scheint, welches die Veranlassung gab, die Leute auf <strong>de</strong>rgleichen<br />
aufmerksam zu machen. - Auch die Bruchstücke ei nes Fischkopfs fand ich dabey mit<br />
(Skizze) o blongen Schuppen. - Meine Kosten und Au5lagen für Trinkgel<strong>de</strong>r, Reise, Aussuchen<br />
<strong>de</strong>s Schuttes etc. mag ich nicht anrechnen, und das Cabinet hat daher nur <strong>de</strong>n Transport<br />
zu zahlen. Welchen Namen Sie <strong>de</strong>m Thier beylegen, so wie <strong>de</strong>m einzelnen Wirbel, <strong>de</strong>r<br />
von bei<strong>de</strong>n Seiten hohl ist, bitte ich mir anzuzeigen. - Da Sie in Carlsruhe ziemlich arm an<br />
Saurier Resten sind, so wer<strong>de</strong>n diese Ihnen nicht unwillkommen seyn, so mangelhah sie auch<br />
sind. - Ich habe auch aus <strong>de</strong>m hiesigen Muschelkalk einen Haufen Steine von größerem<br />
Gewicht als dieser Transport, <strong>de</strong>r zerbrochene Rippen, - Wirbel etc. enthält, - die jedoch<br />
in <strong>de</strong>r Kalkmasse fest eingebacken liegen und einem Nodosaurus? (wie ich glaube) angehörten,<br />
die aber schwerlich mehr zusammengefügt wer<strong>de</strong>n können, einzelne sind z. B. wahrscheinlich<br />
eine Reihe <strong>de</strong>r Halswirbel von 6 bis 8 Stück in <strong>de</strong>r Mitte gespalten . Wenn Sie glauben,<br />
daß <strong>de</strong>r Transport <strong>de</strong>ssen Werth nicht übersteigen wür<strong>de</strong>, so stün<strong>de</strong>n Ihnen auch diese<br />
zu Diensten; von <strong>de</strong>n Extremitäten ist jedoch nicht dabey.<br />
Nun will ich das Geplau<strong>de</strong>r einstellen und Ihnen noch sagen, daß wenn Sie in die Gegend<br />
kommen, Sie sich vielleicht noch manches von meinem Trumpel aussuchen könnten, <strong>de</strong>r<br />
verwahrl ost herum liegt, da ich keine Zeit mehr für die Wissenschaft!. Aufsuchungen habe.<br />
Es grüßt Sie aufs freundlichste und mit wah rer Freundschaft<br />
<strong>de</strong>r Ihrige<br />
Baron von Althaus<br />
Capitän u. Bergrath<br />
Verehrtester Freund!<br />
Dürrheim, d. 26. August 1843.<br />
Versprochener maaßen sen<strong>de</strong> ich Ihnen für das dortige Naturalien Cabinet und Ihren<br />
Gebrauch die in diesem Jahr gesammelten Conchilien aus <strong>de</strong>n Dürrheimer Torfgebil<strong>de</strong>n zur<br />
Untersuchung nach <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Localitäten und tieferem Vorkommen. Es sind dabey<br />
etliche z. B. von <strong>de</strong>n Dürrheimer Hüblingswiesen, welche aus liegengebliebenem Torf früherer<br />
Jahre abstammen, und <strong>de</strong>shalb von <strong>de</strong>r Sonne gebleicht sind. Von meiner Sammlung behalte<br />
ich sehr wenig, und habe solche <strong>de</strong>m H E. Bergrath von Alberti geschenkt, da ihm man-
Zwei Briefe <strong>de</strong>s Bergrats von Althaus 131<br />
ches aus <strong>de</strong>n Fonnationen <strong>de</strong>r Umgegend fehlt, namentlich auch aus <strong>de</strong>m Muschelkalk und<br />
<strong>de</strong>m Torfe um wenigstens eine möglichst complette und mit schönen Exemplaren ausgestattete<br />
Sammlung in <strong>de</strong>r Gegend zu lassen, nach<strong>de</strong>m ich in solcher so vieles aufgefun<strong>de</strong>n habe,<br />
und Alberti es zu seinen Bearbeitungen benutzt hatte, also <strong>de</strong>ssen Trias vervollständigt. Ich<br />
trete nun sehr bald von hier ab, und lebe in <strong>de</strong>r überzeugung, daß man zulezt auch noch von<br />
<strong>de</strong>m Vaterlan<strong>de</strong> erkennen wird, was ich hier leistete, was bisher nur von <strong>de</strong>m Ausland anerkannt<br />
wur<strong>de</strong>. Unter <strong>de</strong>n jezigen Verh ältnissen ist mi r je<strong>de</strong> Stun<strong>de</strong> zuwie<strong>de</strong>r, die ich noch zu<br />
bleiben habe, und bald wer<strong>de</strong> ich, wie ich hoffe, in Freyburg wohnen, wo ich ruhiger leben<br />
wer<strong>de</strong>. - Herzliche G rü ße an Walchner 4 ) und meine sonstigen Bekannte; unwan<strong>de</strong>lbar <strong>de</strong>r<br />
Ihrige<br />
Baron von Althaus.<br />
NB. wirklicher Hauptmann <strong>de</strong>r Suite u. pensionirter Bergrath .<br />
I) Seiner Personalakte ( Bad . Generallan<strong>de</strong>sarchi v 76/84) i t fo lgen<strong>de</strong>r mi litärischer Wer<strong>de</strong>gang zu entnehmen :<br />
1808/9 Fahnenjunker im 2. Linien- Infamerie-Reg. Erbgroßherzog.<br />
1809 Secon<strong>de</strong> Lieutenant<br />
18 11 Adjutant<br />
18 14 Premierlieutenant im I. Li·nien-Inf. - Reg. zu Freyburg<br />
Premier L. Grenadier-Gar<strong>de</strong> zu Carlsruhe<br />
18 15 Staabs Capitaine daselbst<br />
1823 Commandant bei <strong>de</strong>r Gewehrfabrik in St. Blasien<br />
1823 als wirkl. H auptmann d. Großh. Bad. Suite verabschie<strong>de</strong>t.<br />
2) Septem ber 1838 nahm er, anläßlich.<strong>de</strong>r Versammlung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Naturforscher und Arzte in Freiburg, an einer<br />
Exkursion auf <strong>de</strong>n nahen Schönberg teil, worüber ESER ( 1907) in seinen Erinnerungen berichter. Er erwähnt<br />
darin "<strong>de</strong>n heiteren. witzigen von Althaus" .<br />
3) Folgen<strong>de</strong> Aufsätze, briefliche Mitteil ungen, Vortrags- und Fundberichte ko nnten festgestellt wer<strong>de</strong>n:<br />
I) Ve rsuche über <strong>de</strong>n Electromagnetismus nebst einer ku rzen Prüfung <strong>de</strong>r Theorie <strong>de</strong>s H erm Ampere.<br />
H ei<strong>de</strong>lberg 1821.<br />
2) Ueber Bohrungen auf Salz bei Dürrheim. - Verh. all g. Schweiz. Ges. ges. Naturw. Schaffhausen.<br />
S. 16- 17. 1824.<br />
3) otizen über <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s Gold- und Silber-Bergbaues in <strong>de</strong>r Peruani schen Republik (aus Briefen sei nes<br />
Bru<strong>de</strong>rs, <strong>de</strong>s Ingenieurs-Generalintendanten C lement von ALTHAUS mitgeteilt). - Neues Jb. f. Min. usw.<br />
3. 183 2. S. 183- 19 1. Hei<strong>de</strong>lberg 1832.<br />
4) o rice sur un terrain d'eau douce du Hegau (grand -ducht' <strong>de</strong> Ba<strong>de</strong>). - M em . Soc. d'hist. nat. Strasbourg.<br />
I. I. 1830.<br />
S) Brief! . Mitth. von Ludwigs-Saline Dürrheim , 30. Januar 1830 (Anzeige von v. Albertis Monographie -<br />
Roth - u. G raugiltigerz im Ki nzigthale). - Neues Jb. f. Min. usw. 1830. S. 274. H ei<strong>de</strong>lberg 1830.<br />
6) BriefI . Mitth . von Ludwigs-Saline Dürrhei m, IS . Feb ruar 1830 (Palinurus Sueurii mit Scheeren aufgefun<strong>de</strong>n).<br />
- N eues Jb. f. Min . usw. 1830. S. 27S-276. H ei<strong>de</strong>lberg 1830.<br />
7) Brief! . Mitth. von Ludwigs-Saline Dürrheim , 14. Februar 1832. (Werk über Erdbohrer u. Artesische Brun <br />
nen). - Neues Jb. f. Min. usw. 1832. S. 227-228. Hei<strong>de</strong>lberg 1832.<br />
8) Brief!. Mirth. vo n Lud wigs-Saline Dürrheim , 2. März 1832. (Versteinerungen in Klingstein und Ba alt). -<br />
Neues Jb. f. Min. usw. 1832. S. 228. Hei<strong>de</strong>lberg 1832 .<br />
9) Schildkröten, H irsche, Rehe, Vögel , Kunsrproducte im Torfmoor bei Dürrheim. - Med. Corresp.bl.<br />
Württ. ärzd . Ver. IV. S. 77. Stuttgart 1834 .<br />
10) BriefI . MitlI, . von Ludwigs-Saline Dürrheim, 26 . Mai 1833 (Inhaltsübersichr über Albertis Monographie <strong>de</strong>s<br />
Muschelkalkes). - N eues Jb. f. Min. usw. 1834. S. 406-4 11. S!U((gart 1834.<br />
11) Bri efI . Mi"h. von Ludwigs-Saline Dürrheim, I. August 1834 (Schidkrören im To rf bei Dürrheini). -<br />
Neues JB. f. Min. usw. 1834. S. S37-S38 . Srunga rt 1834.<br />
12) Brief! . Minh. von Ludwigs-Saline Dürrheim, 29. November 1834 (Emys im To rfe; Pflanzen-Reste am<br />
H ohenkrähen und Helix-Schaalen am Madberge; anesischer Brunnen von Hilzin gen). - Neues Jb. f. Min .<br />
usw . 183S. S. 63. S!U((gart 183 4.<br />
13) Ueber die T uffbild ungen im Högau u. Sumpfschildkröten . - Amt! . Ber. Vers. <strong>de</strong>utsch. Naturf. Aerzte<br />
Stungart Sept. 1834. Stu((gart 183S.<br />
14) Mi"h. an Professor Bronn gerich ter Ludwigs-Saline Dürrheim, 6. Juni 183S (Albenis Vorträge bei <strong>de</strong>r Srut!<br />
gardter Ve rsammlung über die Trias) . - eUeS Jb. f. Min . usw. 183S. S. 457. Snmga rt 183S .<br />
IS ) Schreiben an G raf MARSCHALL. - Ber. Mitth. Freund. atur\\" . Wi en. 7. S. 146- 148. Wien 185 1.<br />
16) Brief! . Minh. von Freiburg i. Br. , 19. März 1860 (über die Blätter "earlsruhe" und " Freiburg" aus <strong>de</strong>r<br />
geognostischen Karte von Ba<strong>de</strong>n). - Neues Jb. f. Min . usw. 1860. S. 328-333 . Stu((gart 1860.
132 Gasron Mayer<br />
Die Schrift .. über Chirotherium und Pisces von Richelsdorf" (1840), die LAMBRECHT & QUENSTEDT<br />
erwähnen, stammt nicht von unserem Baron von Althaus, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>m kurfürstlichen Hcssischen Baumeister<br />
ALTHAUS in Rothenburg, <strong>de</strong>sgl. die bei POGGE DORFF angeführten Titel .. Sandsteinspiegel bei Marburg"<br />
(1837), .. Poröser Kieselschiefer am Hei<strong>de</strong>kopf (Kurhessen)", " Mesotyp Y. Alpstein" (1842) und .. Ber. Vem. d.<br />
Kupferschiefers v. Richelsdorf (Kurhessen)" ( 1844). Auch die dort angeführte Arbeit " Electromagnetische An <br />
sichten" (1822) hat einen an<strong>de</strong>ren Verfasser, nämlich <strong>de</strong>n Professor dcr Physik MUNCKE. Von diesem stammt<br />
auch die Vorre<strong>de</strong> zur ALTHAUS'schcn Abhandlung von 182 1.<br />
Die in Klammem gesetzten Titel dcr Nummern 7, 8, 10, 11, 12, 14 , 16 wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m jewei li gen Inhaltsverzeichnis<br />
entnommen. Die Titel dcr Nummern 2, 5, 6, 13 , 15 entstammen <strong>de</strong>r Bibliographie von ECK (1890). Nur die<br />
Nummern I, 3, 4 besitzen eine Originalüberschrift.<br />
4) Friedri,h August WA LCHNER (1799- 1865), Professor <strong>de</strong>r Mineralogie und Geologie am Polytechnikum zu<br />
Karlsruhe.<br />
BECKE-KLO HTZ ER, E. v. d.: Stamm-Tafeln <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls <strong>de</strong> GroßherLOgtum Ba<strong>de</strong>n. Ba<strong>de</strong>n-Ba<strong>de</strong>n 1886.<br />
ECK, H .: Verzeichnis <strong>de</strong>r mineralogischen, gecgnostischen, urgeschichtlichen und balneographischen Literatur von<br />
Ba<strong>de</strong>n, Württemberg, Hohenzollern und einigen angrenzen<strong>de</strong>n Gegen<strong>de</strong>n. - Mitt. Großh. Bad . Geol. Lan<strong>de</strong>sans!.<br />
1. Hei<strong>de</strong>lberg 1890.<br />
ESER, F.: Aus meinem Leben (1798-1873). Rayensburg 1907.<br />
LAMBRECHT, K. & QUENSTEDT, W. & A. : Foss ilium Catalogus. Pars 72. 's-G rayenhage 1938.<br />
POGGENDORFF, J.: J. E. Poggendorff's Biographisch-Literarisches Handwönerbuch zur Geschichte <strong>de</strong>r exacten<br />
Wissenschaften. 3. l. Leipzig 1898.<br />
SCHNEI<strong>DER</strong>, E.: Geschichte <strong>de</strong>s Ortes und <strong>de</strong>r Saline.- Bad Dürrheim, Weg und Ziel, Heimatbuch <strong>de</strong>s Heilba<strong>de</strong>s.<br />
S. 62 -247. Karlsruhe 1969.<br />
SENN, K.: Von Dürrheim und zu Dürrheim. - Bad Dürrheim, Weg und Ziel, Heimatbuch <strong>de</strong>s Hei lba<strong>de</strong>s. S. 249-347.<br />
Karlsruhe 1969.
133<br />
Buchbesprechungen<br />
HEINZ VOELLNER, Die Burgen und Schlösser zwischen Wutachschlucht und Hochrhein.<br />
Schriftenreihe "Heimat am Hochrhein" , herausgegeben vom Hochrhein-Geschichtsverein<br />
Waldshut. 1975. 8. 0 115 S. Titelbild und Burgenkarte <strong>de</strong>s Kreises Waldshut.<br />
Der Geschichtsverein Hochrhein ist die jünßste <strong>de</strong>r geschichts- und lan<strong>de</strong>skundlichen<br />
Vereinigungen in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg. Mit einer burgenkundlichen Arbeit eröffnet er eine<br />
Schriftenreihe, die unter Fortführung eines vom (älteren) Landkreis für <strong>de</strong>ssen Veröffentlichungen<br />
gewählten Namens sich nach <strong>de</strong>m Vorwort <strong>de</strong>s H erausgebers die Aufgabe stellt,<br />
"die Ergebnisse <strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>sgeschichtlichen Forschungen im Hochrheingebiet in geeigneter<br />
Fonn einem möglichst großen Personenkreis zu vennitteln" (S. 3). Die neue Vereinigung zeigt<br />
beim Bestreben, eine lan<strong>de</strong>s- und landschaftsgeschichtlich bisher wenig erschlossene Gegend<br />
<strong>de</strong>n H eimatlreun<strong>de</strong>n bekannt zu machen, mit <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Schrift eine glückliche Hand:<br />
noch immer gehö ren Burgen und Schlösser zu <strong>de</strong>n historischen Erscheinungen, <strong>de</strong>nen die<br />
Bewohner und zumal auch die Jugend das stärkste Interesse entgegenbringen. Die Untersuchung<br />
von VOELLNER ist auch im engeren Sinne burgenkundlieh ausgerichtet, da die<br />
verschie<strong>de</strong>nartigen und aus verschie<strong>de</strong>ner Zeit stammen<strong>de</strong>n Wehrbauten vor allem nach ihrem<br />
Standort, ihren wehr- und verkehrsgeschichtlichen Funktionen und ihren baugeschichtlichen<br />
Etappen dargestellt wer<strong>de</strong>n, ohne daß die Besitzgeschichte vernachlässigt wäre. Zahlreiche<br />
bildlich wie<strong>de</strong>rgegebene Grundrisse und Rekonstruktionen von Burgen und Burgställen erhöhen<br />
die Anschaulichkeit. Für <strong>de</strong>n Baar-Geschichtsverein ist die Publikation aus einem<br />
doppelten Grun<strong>de</strong> wichtig und nützlich : einmal weil die erfaßten Burganlagen, zumal im mittleren<br />
und unteren Wutachtal, unser Vereinsgebiet nahe berühren, so daß wir uns künftig leicht<br />
über ihre Schicksale unterrichten können; dann aber auch weil die Veröffentlichung einer<br />
landschaftlichen Burgenkun<strong>de</strong> für uns Vorbild sein sollte, im Gebiet <strong>de</strong>r Baar, die bei weitem<br />
nicht so burgenann ist, wie es auf <strong>de</strong>n ersten Blick hin <strong>de</strong>r Fall zu sein scheint, eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Zusammenstellung anzuregen. Eine solche hätte bei uns, angesichts <strong>de</strong>r weit stärker<br />
vorgeschrittenen Quellenerschließung, über das für Wutachschlucht und Hochrhein hier<br />
Gebotene hinaus die urkundlichen Zeugnisse stärker aus sich selbst heraus sprechen zu lassen<br />
.("") Das Desi<strong>de</strong>rat ist für unseren Verein nicht neu, es wäre an <strong>de</strong>r Zeit, sich nach einem<br />
geeigneten und aufopferungsbereiten Bearbeiter umzusehen.<br />
K. S. Ba<strong>de</strong>r<br />
r")-<br />
Dies ist inzwischen für <strong>de</strong>n Klettgau geschehen: HELMUT MAURER, Die Rolle <strong>de</strong>r Burg in <strong>de</strong>r hochmittelaherlichen<br />
Verfa sungsgeschichte <strong>de</strong>r Landschaften zwischen Bo<strong>de</strong>nsee und Schwarzwald. In: Die Burgen im<br />
<strong>de</strong>utschen Sprachraum, ihre rechts- und verfassungsgcschichdiche Be<strong>de</strong>utung (= Vorträge und Forschungen,<br />
herausgegeben vom Ko nstanzcr Arbeitskreis für mittelalterl iche Geschichte Bd. 19, 1976) 11 S. 19 1 H.<br />
KLAUS SCHUBRING, Die Herzöge von Urslingen. Studien zu ihrer Besitz-, Sozial- und<br />
Familiengeschichte mit Regesten (= Veröffentlichungen <strong>de</strong>r Kommission für geschichtliche<br />
Lan<strong>de</strong>skun<strong>de</strong> in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, Reihe B, 67. Band). W. Kohlhammer Verlag.<br />
Stuttgart 1974.8. 0 XXII, 310 S.<br />
Wer sich mit <strong>de</strong>r spätmittelalterlichen Geschichte <strong>de</strong>r Baar und ihr benachbarter Landschaften<br />
beschäftigt, stößt häufig auf Mitglie<strong>de</strong>r eines A<strong>de</strong>lsgeschlechtes, das <strong>de</strong>n stolzen<br />
Namen von "Herzögen von Urslingen" trägt, in <strong>de</strong>r schier unüberschaubaren Reihe kleinerer<br />
A<strong>de</strong>lsfamilien aber we<strong>de</strong>r durch großen Besitz noch durch sonstige greifbare Vorzüge o<strong>de</strong>r<br />
Eigenschaften hervortritt. Daß es sich um Nachfahren von Leuten han<strong>de</strong>lt, die in <strong>de</strong>r staufi-
134 Buchbesprechungen<br />
sehen Epoche ihren Titel aus Italien mitbrachten, ist seit langem bekannt, und an Lan<strong>de</strong>shistorikern,<br />
die sich mit ihnen beschäftigt haben, fehlt es nicht; eine umfassen<strong>de</strong>re Untersuchung<br />
stand aber bisher aus. Sie wird hier nachgebracht, und zwar, um dies alsbald zu<br />
sagen, in einer erfreulich eingehen<strong>de</strong>n und einprägsamen Weise. Wenn man <strong>de</strong>r Gattung<br />
" Titularherzöge" neben <strong>de</strong>n U rs lingern auch sonst, selbst bei <strong>de</strong>n Zähringern als zeitweiligen<br />
H erzögen von Kärnten, begegnet, so besagt <strong>de</strong>r Sammeltitel doch zunächst nicht allzuviel;<br />
<strong>de</strong>nn d ie Unterschie<strong>de</strong> in Rang und G eltung sind doch recht be<strong>de</strong>utend, die Grenzen zwi <br />
schen echtem und bloßem Titelherzogtum vielfach fl ießend . Die H erzöge von Urslingen<br />
haben je<strong>de</strong>nfalls ihren Titel nicht bloßer Stan<strong>de</strong>serhebung zu verdanken, son<strong>de</strong>rn sind in <strong>de</strong>r<br />
T at, wenn auch nur über wenige Generationen, "echte" H erzöge, nämlich solche von<br />
Spoleto, gewesen. Für un ere engere Lan<strong>de</strong>sgeschichte sind sie aber nicht wegen diese italienischen<br />
Ga tspiels, so wichtig es einmal im Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum<br />
gewesen sein mag, von Be<strong>de</strong>utung, son<strong>de</strong>rn wegen ihrer Verstrickung in H än<strong>de</strong>l und Wirren<br />
unserer eigenen spätmittelalterlichen Vergangenheit und wegen ihrer Verbindung mit zahlreichen<br />
einheimischen Geschlechtern.<br />
D er Verfasser geht in einer verhältnismäßig knappen Darstellung <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />
Schauplätzen nach, auf <strong>de</strong>nen U rslinger täti g gewor<strong>de</strong>n sind. Ihre Herkunft aus einer e<strong>de</strong>lfreien<br />
schwäbischen Familie kann er ein<strong>de</strong>utig nachweisen. Sie stehen damit stän<strong>de</strong>geschichtlich<br />
auf <strong>de</strong>rselben Stufe wie etwa die mit ihnen versippten Freiherren von Wartenberg und von<br />
Zimmern, im po litischen Alltag auch auf <strong>de</strong>r gleichen Stufe wie di e Grafen zu Fürstenberg<br />
im 14 . und 15. Jahrhun<strong>de</strong>rt, ohne in<strong>de</strong>ssen altgräfl ichem H ause zu entstammen. Benannt<br />
wer<strong>de</strong>n sie ungewöhnli ch frü h nach <strong>de</strong>r Burg Irslin gen-Urslingen, unweit Rottweil bei <strong>de</strong>r<br />
E inmünd ung <strong>de</strong>s Schlichemflüßchens in <strong>de</strong>n eckar gelegen. Während sie ihre Besitzbasis im<br />
U rsprungs land nicht wesentlich, in einer Sekundärepoche mehr durch Heiratsgut, erweitern<br />
konnten, kamen sie zu Rängen im staufischen Elsaß und dann, wie ange<strong>de</strong>utet, im mittleren<br />
Apennin, da und dort als Gefolgsleute <strong>de</strong>r Staufer. 1m Elsaß wer<strong>de</strong>n sie zu Ahnherren <strong>de</strong>r<br />
(jüngeren) Rappoltsteiner, in Italien überdauert eine Linie die staufische Epoche und vermag<br />
sich in z. T . waghalsigen politi schen Kehrtwendungen darüber hinaus im Dienst <strong>de</strong>s Kirchenstaates<br />
und <strong>de</strong>s H auses Anjou zu behaupten, um im Laufe <strong>de</strong>s 14 . Jahrhun<strong>de</strong>rts im Durcheinan<strong>de</strong>r<br />
süditalienischer Herrschaftsgeschichte zu verschwin<strong>de</strong>n. Der Hauptstamm kehrt in<br />
die schwäbische H eimat zurück, behält zwar <strong>de</strong>n T itel <strong>de</strong>s Herzogs, erhebt sich aber nur noch<br />
selten über d ie zahlreichen Stan<strong>de</strong>sgenossen. Der letzte legitime U rslinger ist im H egau, anläßlich<br />
einer sein er zahllosen Feh<strong>de</strong>n, 1442 gestorben.<br />
Wichtiger fast noch als diese flüss ige und schlüs ige Darstellung <strong>de</strong>r Besitz-, Sozial- und<br />
Familiengeschichte, bei <strong>de</strong>r man gelegentlich eine schärfere H erausarbeitung rechtshistorischer<br />
E lemente vermissen mag, sind die (S. 97 ff.) angefügten Regesten, nicht weniger als<br />
579 Belege aus schwäbischer Provenienz, <strong>de</strong>nen dann noch die ennungen von Urslingern in<br />
Italien, nunmehr in bloßer Listenfo rm, Stammtafeln und - neben Wappenbild und zwei<br />
Bil<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Ruine Irslingen - einige Karten beigefü gt sind . Die Zusammenstellung dieser<br />
meist recht knapp gehaltenen Regesten ist auch dann verdienstlich, wenn viele von ihnen teils<br />
ergänzte, teils verkürzte Wie<strong>de</strong>rgaben älterer Editionen, für uns insbeson<strong>de</strong>re im Fürstenbergischen<br />
Urkun<strong>de</strong>nbuch enthalten, und für unsere lan<strong>de</strong>sgeschichtlichen Bedürfnisse etwas<br />
zu stark auf historisch-hilfswissenschaftli che Interessen abgestellt sind . Vo r allem für die<br />
jüngere Zeit, zumal <strong>de</strong>r ersten H älfte <strong>de</strong>s 15. Jahrhun<strong>de</strong>rtS , wer<strong>de</strong>n doch viele neue Quellen<br />
aus teilweise entlegenen Bestän<strong>de</strong>n erschlossen; <strong>de</strong>r lan<strong>de</strong>sgeschichtlich orientierte Leser wird<br />
sie sich no tieren, vielfach dann aber - wegen <strong>de</strong>r Kurzfassung - genötigt sein, sich anhand<br />
<strong>de</strong>r Regesten die Originale für seine beson<strong>de</strong>ren Forschungszwecke vorlegen zu lassen. Damit<br />
hat sich jedoch <strong>de</strong>r Ben ützer von Regestenwerken stets auseinan<strong>de</strong>rzusetzen; je<strong>de</strong>nfalls hat er<br />
hier ein Urkun<strong>de</strong>ninventar vor sich, das ihn auf viele Spuren bringt. Das wird in Zukunft auch<br />
für diejeni gen gelten, die Ergänzungen zu älteren einheimischen Q uellenwerken suchen, vor
Buchbesprechungen 135<br />
allemall jene, die vermehrte genealogische Aufschlüsse über einheimische A<strong>de</strong>lsgeschlechter<br />
benötigen. Statt an<strong>de</strong>rer Son<strong>de</strong>rhinweise, die über die A<strong>de</strong>lsgeschichte hinausreichen, möge<br />
das Regest 382 (S. 193) stehen, das über ein sanktgeorgisches Weistum im oberen Brigachtal<br />
von 1431 berichtet, für einmal also auch über Feh<strong>de</strong>n und Erbstreitigkeiten hinweg friedliche<br />
Empfindungen auslöst.<br />
K. S. Ba<strong>de</strong>r<br />
BEN<strong>DER</strong>, GERD: Die Uhren macher <strong>de</strong>s hohen Schwarzwal<strong>de</strong>s und ihre Werke. Band 1.<br />
Verlag Müller, Villingen/Schwarzwald 1975 . 536 Seiten, 223 Abbildungen.<br />
G ERD BEND ER aus Funwangen, <strong>de</strong>r Autor dieses über 500 Seiten starken Werkes, seines<br />
Zeichens Techniker und selbst Abkömmling einer alten" Wäl<strong>de</strong>rfamilie", ist gera<strong>de</strong>zu prä<strong>de</strong>stiniert,<br />
über die Schwarzwäl<strong>de</strong>r Uhrmacherei zu schreiben. Mit <strong>de</strong>r Herausgabe dieses ersten<br />
Ban<strong>de</strong>s hat er eine Zusammenstellung angeboten, die sowohl <strong>de</strong>m Fachmann, als auch <strong>de</strong>m<br />
Laien erschöpfen<strong>de</strong> Auskunft über alle Fragen geben kann, die <strong>de</strong>n Schwarzwald, seine Bewohner<br />
und ihre handwerklichen Produkte betreffen.<br />
Zwei Jahrzehnte recherchierte <strong>de</strong>r Verfasser bei allen Museen, Archiven und Bibliotheken,<br />
in <strong>de</strong>nen er brauchbares Material vermutete. Als Frucht dieser Bemühungen ist ein Nachschlagwerk<br />
entstan<strong>de</strong>n, das man gerne zur Hand nimmt, wenn die Geschichte o<strong>de</strong>r die Technologie<br />
<strong>de</strong>r Schwarzwäl<strong>de</strong>r Uhr interessiert, und sei es auch nur das kleinste Detail daraus. Dies um<br />
so mehr, als durch eine große Anzahl exakter und gekonnter technischer Zeichnungen, die<br />
DIETER MERKEL geschaffen hat, die Anschaulichkeit <strong>de</strong>s sehr ausführlichen Textes ergänzt<br />
wird. In diesem ~usammenhang sollen gleich die vielen hervorragen<strong>de</strong>n Schwarzweiß- und<br />
Farbfotografien erwähnt wer<strong>de</strong>n, welche die jeweiligen Beispiele <strong>de</strong>r einzelnen Epochen<br />
<strong>de</strong>r Uhrmacherei in <strong>de</strong>r Totale und im technischen Detail zeigen.<br />
Der erste Band, <strong>de</strong>r die Zeit von ca. 1680 bis zur Mitte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts umfaßt, ist<br />
in vier Hauptkapitel unterteilt. Das Thema <strong>de</strong>s ersten Kapitels "Aus <strong>de</strong>r Frühgeschichte <strong>de</strong>r<br />
Schwarzwäl<strong>de</strong>r Uhr" bufaßt sich mit <strong>de</strong>m Ursprungsgebiet, <strong>de</strong>n frühesten Anfängen und <strong>de</strong>r<br />
Ausbreitung <strong>de</strong>r Uhrmacherei.<br />
"Vom Hausgewerbe zu <strong>de</strong>n Anfängen <strong>de</strong>r Industrie" heißt das zweite Hauptkapitel. Hier<br />
wird interessant geschil<strong>de</strong>rt, wie und wo sie wohnten, die" Tüftler", die im hohen Schwarzwald<br />
mit seinen tiefen Tälern und einsamen Höfen in <strong>de</strong>r langen Winterszeit, eingeschneit und<br />
abgeschlossen von <strong>de</strong>r Umwelt, an ihren I<strong>de</strong>en und Erfindungen schafften, sie verbesserten und<br />
sich schon auf die serienmäßige Fertigung von Einzelteilen spezialisierten. Diese Spezialisten<br />
und Zulieferer waren die Schildmacher und Schildmaler, die Gestellmacher, Kettenmacher<br />
und die Tonfe<strong>de</strong>mhersteller, die Dreher und später die Gießer <strong>de</strong>r Uhrenrä<strong>de</strong>r und die Uhrenglockengießer.<br />
Das Vorstellen <strong>de</strong>r Werkzeugmacher und ihrer Werkzeuge, wie <strong>de</strong>r immer<br />
wie<strong>de</strong>r verbesserten Drehstühle, Zahngeschirre und Bohrgeschirre, <strong>de</strong>r Hilfswerkzeuge<br />
und <strong>de</strong>s Arbeitsverfahrens run<strong>de</strong>t dieses Kapitel ab. Erstaunlich ist, wie viele alte Darstellungen<br />
<strong>de</strong>r Verfasser ausfindig gemacht hat, die diese "Erfin<strong>de</strong>r" in Form eines Portraits o<strong>de</strong>r in ihrer<br />
Werkstatt an <strong>de</strong>r Arbeit zeigen. Außer <strong>de</strong>m Text tragen die Illustrationen dazu bei, daß man<br />
sich durch die Lektüre in die damalige Zeit und die Lebensweise <strong>de</strong>r Menschen jener Zeit einfühlen<br />
kann.<br />
Die Technik <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Werktypen, ihre Eigenarten und Erweiterungen behan<strong>de</strong>lt<br />
das Kapitel "Entwicklung von Form und Technik <strong>de</strong>r Schwarzwäl<strong>de</strong>r Uhr". Hier erfährt man<br />
die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r einzelnen Uhrengattungen, <strong>de</strong>nen eine allgemeine Entwicklung <strong>de</strong>s<br />
Gehwerkes vorausgeht. Von <strong>de</strong>r Waaguhr, <strong>de</strong>r Spin<strong>de</strong>lhemmung mit Kuhschwanzpen<strong>de</strong>l, <strong>de</strong>m<br />
Blechankergang bis zum Schloßscheiben- und Rechenschlagwerk und <strong>de</strong>m Schwarzwäl<strong>de</strong>r<br />
"Surrer" wer<strong>de</strong>n alle Typen in Wort, Bild und technischer Zeichnung vorgestellt. Hier kann<br />
sich <strong>de</strong>r Laie, <strong>de</strong>r zufällig selbst noch ein Exemplar solch eines faszinieren<strong>de</strong>n Wun<strong>de</strong>rwerkes
136 Buchbesprechungen<br />
aus Großmuners Zeiten besitzt, o<strong>de</strong>r<strong>de</strong>rem sthafteSammleralter Uhren eingehend informieren.<br />
Welchen Typen und welcher Zeit seine Gewichts-Weckeruhr, sei ne Schonen-, Jockele- und<br />
Sorguhr und, nicht zu vergessen, seine Kuckucksuhr und (vielleicht sein ganzer Stolz) eine<br />
Figuren- o<strong>de</strong>rTrompeteruhrangehören, ist diesem Kapitel leichtzu entnehmen. Kalen<strong>de</strong>ruhren<br />
mit astronomischen Angaben, T urmuhren, Regulatoruhren und Wächterkontrolluhren wer<strong>de</strong>n<br />
ebenso ausführlich dargestellt wie die Eigenarten <strong>de</strong>r Schwarzwäl<strong>de</strong>r Uhrensch il<strong>de</strong>r. Die<br />
Schil<strong>de</strong>rfomien und Schil<strong>de</strong>rarten, vom Lackschild und Blechschild über das Porzellanschild<br />
bis hin zur Rahmenuhr mit Aufschrift und Hinterglasmalerei wer<strong>de</strong>n eingehend behan<strong>de</strong>lt.<br />
Das sind die Stücke, die in ihrer formvollen<strong>de</strong>ten Art das Herz eines Liebhabers o<strong>de</strong>r<br />
Sammlers höher schlagen lassen. Die Schil<strong>de</strong>rung, wo die Uhren und ihre Zubehörteile entstan<strong>de</strong>n,<br />
unter welchen Schwierigkeiten sie geschaffen und mit welchen Materialien sie hergestellt<br />
wur<strong>de</strong>n, läßt das Bild noch lebendiger wer<strong>de</strong>n. Hier kommen <strong>de</strong>m Autor und seinem<br />
Werk sein reiches technisches Wissen und das Einfühlungsvermögen in die Feinheiten sehr<br />
zu gute.<br />
Eine Schwarzwäl<strong>de</strong>r Spezialität auf diesem technischen Sektor sind die Musikwerke. So<br />
wer<strong>de</strong>n im vierten Hauptkapitel die Spieluhren, Spielwerke, <strong>de</strong>r Orchestrionbau und die<br />
Musikdosen behan<strong>de</strong>lt und erläutert. Vielseitige Fotos und Zeichnungen ergänzen <strong>de</strong>n Text.<br />
Oberhaupt nimmt man sehr dankbar zur Kenntnis, daß noch vorhan<strong>de</strong>ne Handskizzen<br />
und früh er gedruckte technische Details vom Verfasser zusammengetragen und in Faksimile<br />
wie<strong>de</strong>rgegeben sind . Dies war ihm, wie er selbst erwähnt, ein großes Anliegen.<br />
Im Anhang sind Tabellen über die alten Maße, Gewichte und Währungen <strong>de</strong>s Großherzogtums<br />
Ba<strong>de</strong>n abgedruckt, die zusammen mit ein em ausführlichen, um nicht zu sagen<br />
kompletten Quellen- und Schrifttumsverzeichnis und mit <strong>de</strong>m willkommenen Namen- und<br />
Sachregister dieses umfangreichste und neueste Uhrenbuch zu einem sehr wertvollen Werk<br />
wer<strong>de</strong>n ließen.<br />
Alles in allem muß gesagt wer<strong>de</strong>n, daß mit diesem Buch ein unentbehrliches Werkzeug<br />
entstan<strong>de</strong>n ist für <strong>de</strong>njenigen, <strong>de</strong>r sich mit <strong>de</strong>m Schwarzwald jener Zeit befaßt; sei es <strong>de</strong>r<br />
technisch Interessierte, <strong>de</strong>r Historiker, <strong>de</strong>r Genealoge o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Soziologe. Auch kann dieses<br />
" Uhrenbuch" für das Gebiet <strong>de</strong>r Wirtschaftsgeschichte o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Volkskun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Schwarzwald<br />
es als wertvolle Quelle di enen.<br />
Die Mühe und Arbeit, die BEN<strong>DER</strong> auf sich genommen und bewältigt hat, haben sich<br />
gelohnt. Zusammen mit <strong>de</strong>m Verlag Müller-Druck in Villingen , <strong>de</strong>r durch eigenes großes<br />
Engagement ein wirkliches Prachrwerk auf <strong>de</strong>n Markt brachte, ist <strong>de</strong>m Verfasser ein Werk<br />
gelungen, zu <strong>de</strong>m man Autor und Verlag nur gratulieren kann .<br />
Man darf gespannt sein auf <strong>de</strong>n zweiten Band, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Existenzkampf <strong>de</strong>s Uhrengewerbes<br />
<strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s, se ine Uhren- Industrie und <strong>de</strong>r H an<strong>de</strong>l sowie die Patriarchen<br />
<strong>de</strong>r Schwarzwäl<strong>de</strong>r Uhrmacherei behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n . Dann wird auch auf diesem Gebiet<br />
<strong>de</strong>r Zeitraum von <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s letzten Jahrhun<strong>de</strong>rts bis nach <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rrwen<strong>de</strong> bearbeitet<br />
sein.<br />
Georg Goerlipp<br />
BRIITINGER, WOLFGANG: Der sozioökonomische Wan<strong>de</strong>l in Kleinstädten im Verlaufe<br />
<strong>de</strong>r letzten fünfundzwanzig Jahre, dargestellt am Beispiel von Donaueschingen, Löffingen<br />
und N eustadt/Schwarzwald.<br />
Eine wirtschafts- und sozial geographische Studie.<br />
Rer. nato Diss., Freiburg 1975.<br />
Verlag Johan nes Krause, Freiburg i. Br.<br />
D ie Arbeit von BRITIINGER über <strong>de</strong>n sozioökonomischen Wan<strong>de</strong>l In Kleinstädten<br />
im Verl auf <strong>de</strong>r letzten fü nfundzwanzig Jahre wur<strong>de</strong> als Dissertationsarbeit am Geographischen<br />
Institut J <strong>de</strong>r U niversität Freiburg i. Br. verfaßt und anal ysiert am Beispiel einiger
Buchbesprechungen 137<br />
Städte (Donaueschingen, Löffingen, Neustadt/Schwarzwald) <strong>de</strong>s Hochschwarzwal<strong>de</strong>s und<br />
<strong>de</strong>r westlichen Baar ökonomische und soziale Umwandlungsprozesse aus anthropogeographischer<br />
Sicht. In vier Hauptteilen wird <strong>de</strong>r Versuch unternommen, Bevölkerungsentwicklung,<br />
Städtewachstum und Wan<strong>de</strong>rverhalten <strong>de</strong>r Bevölkerung, aufgeschlüsselt auf verschie<strong>de</strong>ne<br />
Bereiche und Gruppen (Fern-, Nah-, Binnenwan<strong>de</strong>rung, räumliche Herkunft, Alters- und<br />
Sozial gruppen), darzulegen. Die Motivationen <strong>de</strong>r Mobilität wer<strong>de</strong>n in berufliche, familiäre,<br />
wohnorientierte, u. a. Grün<strong>de</strong> differenziert.<br />
In weiteren Abschnitten behan<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r Autor die sozialräumliche innerstädtische Glie<strong>de</strong>rung.<br />
Dies wird mit Hilfe von Einwohnermel<strong>de</strong>amtsunterlagen und Einwohnerverzeichnissen<br />
mit einer Einteilung in die Sektoren Arbeiter-, Angestellten-, Beamten-, Renmergruppe<br />
vorgenommen. Eine räumliche Stadtdifferenzierung im sozialen Bereich wird auch durch die<br />
Auswertung verschie<strong>de</strong>ner Wahlergebnisse na..:hgewiesen.<br />
Weiterhin wird versucht, eine Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Stadt-Umland-Beziehungen zu belegen .<br />
Dies wird durch eine Wie<strong>de</strong>rgabe von bereits bekannten Ergebnissen <strong>de</strong>s Schüler-, Ein- und<br />
Auspendlerbereiches und <strong>de</strong>s Einzugsbereichs <strong>de</strong>r Beschäftigten im produzieren<strong>de</strong>n Gewerbe<br />
sichtbar gemacht. Dabei stützt sich <strong>de</strong>r Verfasser auf die Daten verschie<strong>de</strong>ner Strukturatlanten<br />
und Statistiken. Zur Festlegung <strong>de</strong>s Einkaufeinzugsbereichs <strong>de</strong>r Untersuchungsstädte<br />
wur<strong>de</strong> ein eigener Fragebogen zur Festlegung <strong>de</strong>s räumlichen Käuferbereichs entwickelt.<br />
Insgesamt stellt die Arbeit einen beachtlichen Beitrag, untermauert durch eine Vielzahl<br />
eigener Feldforschungsarbeiten, in stadtgeographischer Hinsicht für die Städte im Untersuchungsbereich<br />
Hochschwarzwald/westliche Baar dar, wenn auch in nicht allen Fällen<br />
neuestes Grundlagenmaterial (veralteter Strukturatlas <strong>de</strong>r Planungsgemeinschaft Schwarzwald-Baar-Heuberg)<br />
und Literatur <strong>de</strong>s aktuellen Forschungsstan<strong>de</strong>s (Untersuchung über die<br />
Zentralen Orte in Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, hrsg. v. Agrarwiss. Institut <strong>de</strong>r Univ. Freiburg und<br />
die Arbeiten von KLUCZKA zum selben Themenkomplex) verwandt wur<strong>de</strong>.<br />
M. Schmie<strong>de</strong>berg<br />
GOTTLICH, KARLHANS: Moorkarte von Ba<strong>de</strong>n-Württemberg Blatt Singen (Hohentwiel)<br />
L 8318. Mit Erläut. Stuttgart 1975. (Lan<strong>de</strong>svermessungsamt, 10,00 DM).<br />
Das Kartenverzeichnis 1976 <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>svermessungsamtes nennt 9 Blätter <strong>de</strong>r "Moorkarte<br />
von Ba<strong>de</strong>n-Württemberg 1 : 50000". Unserem Arbeitsgebiet Baar kommt das 1975<br />
erschienene Blatt Singen am nächsten. Wir dürfen erwarten, daß als nächste Blätter Tuttlingen<br />
und ViIIingen-Schwenningen erscheinen wer<strong>de</strong>n. Wie alle Teile <strong>de</strong>r "Moorkarte" entspricht es<br />
<strong>de</strong>n bekannten Kartenblättern 1 : 50000 (TK 50), ohne grünen Wal<strong>de</strong>indruck und ohne<br />
Reliefschummerung. So treten die Gewässer (blau) und die Höhenlinien (braun) klarer heraus.<br />
Der in grünen Tönen gehaltene moorkundliehe Aufdruck unterschei<strong>de</strong>t u. a. Hochmoor,<br />
Nie<strong>de</strong>rmoor, Anmoor, Seeried. Die Erläuterungen, geglie<strong>de</strong>rt in einen allgemeinen Teil und<br />
in Kurzbeschreibungen aller Vorkommen, umfassen 85 Seiten und 16 Beilagenblätter mit<br />
ergänzen<strong>de</strong>n Karten, Profilen und Tabellen. Neben praktischen Anwen<strong>de</strong>rn, z. B. in Lan<strong>de</strong>splanung<br />
und Landwirtschaft, ist das Kartenwerk allen landschaftskundlieh Interessierten zu<br />
empfehlen, für die es sich neben die geologische Karte und die Vegetationskarte stellt. Wir<br />
hoffen nun, daß das Moorkartenwerk in nicht allzu ferner Zukunft auch die ganze Baar<br />
<strong>de</strong>cken wird.<br />
GOTTLICH, KARLHANS (Hrsg.): Moor- und Torfkun<strong>de</strong>. Stungart 1976,269 S., 135 Abb.<br />
(E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung. 48,00 DM).<br />
Prof. GOTTLICH ist auch <strong>de</strong>r Herausgeber <strong>de</strong>s 1976 erschienenen Werkes "Moor- und<br />
Torfkun<strong>de</strong>", in <strong>de</strong>m 13 Fachleute auf 269 Seiten in klarer, verständlicher Sprache einen Abriß<br />
<strong>de</strong>s Wissens über die Moore und <strong>de</strong>n Torf bieten. Der Band zeigt sowohl das, was <strong>de</strong>r Um-
138 Buchbesprechungen<br />
weltschutz an <strong>de</strong>n Mooren schützt, wie das, was die Abbautechnik daraus macht (u. a. Torfmull<br />
für <strong>de</strong>n Gart~n, Moorbä<strong>de</strong>r in Theorie und Praxis <strong>de</strong>r Heilkun<strong>de</strong>). Das Buch ist zwar<br />
ge chrieben für Wissenschaftler und Praktiker vieler Zweige zwischen Geographie und Medi <br />
zin, doch kann es durchaus auch <strong>de</strong>m N atur- und Heimatfreund empfohlen wer<strong>de</strong>n (gera<strong>de</strong>zu<br />
ergreifend ist z. B. <strong>de</strong>r Abschnitt über die Moorfun<strong>de</strong>). Lei<strong>de</strong>r sind ausgerechnet in unserem<br />
G ebiet 2 Fehler stehengeblieben: " . .. zwischen Alp und Schwarzwald in <strong>de</strong>r Baar und<br />
im Rheintal" (S. .33); <strong>de</strong>r Lehrer empfiehlt "Alb" und "Oberrhein graben", doch sollte das<br />
keinen Leser abhalten, nach <strong>de</strong>m Buch zu greifen .<br />
A. Benzing
Vereinschronik<br />
I.<br />
Wie<strong>de</strong>r haben wir seit Juli 1974 bis einschließlich Oktober 1976 <strong>de</strong>n Tod vieler<br />
Mitglie<strong>de</strong>r zu betrauern. Es verstarben:<br />
Ernst Wilhe1m Buri<br />
Marie Hall<br />
Hans Huber, Mun<strong>de</strong>lfingen<br />
Kuno Moser, Unterkirnach<br />
Dr. Bertel Raufer, Freiburg<br />
Dr. Fritz Reinhold, Bad Dürrheim<br />
Josef Ries<br />
Georg Stengel, Wolfach<br />
Hermann Wies er<br />
Unter <strong>de</strong>n Verstorbenen sind einige, die sich um unseren Verein beson<strong>de</strong>re Verdienste<br />
erworben haben. Die Nachrufe auf unser Ehrenmitglied Hermann Wieser, auf unseren<br />
mehrfachen Autor Dr. Fritz Reinhold und unser langjähriges Beiratsmitglied Kuno Moser<br />
sind diesem Band vorangestellt. An <strong>de</strong>n verdienstvollen Aufsatz von Georg Stengel über<br />
die Bauernmühlen im Schwarzwald in Heft 28 sei erinnert.<br />
Wir wer<strong>de</strong>n unseren Toten ein ehren<strong>de</strong>s An<strong>de</strong>nken bewahren!<br />
11.<br />
Im Berichtszeitraum fan<strong>de</strong>n zwei Mitglie<strong>de</strong>rversammlungen statt. Zur Mitglie<strong>de</strong>rversammlung<br />
am 12 . 12 . 1974 waren 78 Mitglie<strong>de</strong>r und Gäste erschienen. Sie nahmen <strong>de</strong>n<br />
Tätigkeitsbericht entgegen, billigten <strong>de</strong>n Kassenbericht und entlasteten <strong>de</strong>n bisherigen<br />
Vorstand.<br />
Die Neuwahlen ergaben folgen<strong>de</strong>s Bild:<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>r Abteilung Geschichte: Frau Dr. Erna Huber<br />
Vorsitzen<strong>de</strong>r Abteilung Naturgeschichte: Prof. Dr. G. Reichelt<br />
Geschäftsführer: Georg GoerIipp<br />
Rechner: Wilhelm E n<strong>de</strong>rle<br />
Schriftführerin: Frau HiI<strong>de</strong>gret Sattler<br />
Weitere Vorstandsmitglie<strong>de</strong>r:<br />
Prof. Dr. K . S. Ba<strong>de</strong>r, Zürich<br />
Rektor Hans Brüstle, VS-Villingen, t<br />
G ymn. Prof. Dr. A. G. Benzing, VS-Schwenningen<br />
Gottfried Schafbuch, Hüfingen<br />
Willi Paul, Vöhrenbach<br />
In <strong>de</strong>n Beirat wur<strong>de</strong>n berufen:<br />
Dr. H. Cor<strong>de</strong>s, VS-Schwenningen<br />
Dr. J . Fuchs, VS-Villingen<br />
Landrat Dr. R. Gutknecht, Bad Dürrheim<br />
Dr. J. N. Häßler, VS-Villingen<br />
O'Studienrat W . Hilpert<br />
Dekan J. Hornung, Geisingen<br />
O'Studienrat a: D . H . König<br />
Dr. K. Kwasnitschka<br />
Rektor W. Längin<br />
Realschulkonrektor R. Laschinger<br />
Dr. J. Laule, Bräunlingen<br />
139
140 Verein schro nik<br />
Forstdirek tor W. Meister<br />
Kuno Moser, Unterkirnach, t<br />
Max Rieple<br />
Bürgermeister a. D . Ro bert Schrempp<br />
Nach <strong>de</strong>n Wahlen, die wie<strong>de</strong>rum für 3 Jahre erfolgten, wur<strong>de</strong> lebhaft das neue Veranstaltungsprogramm<br />
beraten. Zum Schluß hielt H err Rektor Hans Brüstle einen Vortrag zur<br />
Ortsnamenskun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r engeren Baar. Vor Beginn <strong>de</strong>s geselligen Teiles wur<strong>de</strong> noch H eft 30<br />
ausgegeben.<br />
Am 14 . 1. 1976 fand die Mitglie<strong>de</strong>rversammlung für 1975 statt. Diesmal waren sogar<br />
85 Mitglie<strong>de</strong>r und Gäste im Hotel "Schützen" erschi enen. Sie wur<strong>de</strong>n das letzte Mal vom<br />
Besitzer Ernst Buri, unserem Mitglied über vier Jahrzehnte hinweg, begrüßt.<br />
In seinem Tätigkeitsbericht hob Prof. Reichelt beson<strong>de</strong>rs auch <strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>s Vorstan<strong>de</strong>s<br />
für die Erhaltung zumin<strong>de</strong>st <strong>de</strong>r Fassa<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ehemaligen Hotels "Adler" in Donaueschingen<br />
hervor. Die Versammlung quittierte diesen Einsatz mit anhalten<strong>de</strong>m Beifall. Die<br />
Kassenlage gab zu überlegungen <strong>de</strong>r weiteren Finanzierung unserer "Schriften" Anlaß.<br />
Einnahmen von 29440 DM stan<strong>de</strong>n Ausgaben vo n 27000 DM, darunter 24500 DM<br />
Druckkosten und 581 DM Versandkosten für H eft 30, gegenüber. Nach Erwägung von<br />
Sparmaßnahmen wur<strong>de</strong>, wie scho n zuvor in <strong>de</strong>r Vorstandssitzung, <strong>de</strong>r Druck von Heft 31<br />
für En<strong>de</strong> ·1976 beschl ossen.<br />
Nach Beratung <strong>de</strong>s Veranstaltungsprogrammes für 1976 hielt Herr Dr. Knappe, Freiburg,<br />
einen Vortrag über "Das Leben auf Burgen im Spiegel <strong>de</strong>r mittelalterlichen Literatur".<br />
Ein längeres geselliges Beisammensein folgte .<br />
IlI.<br />
Das recht vielseitige Veranstaltungsprogramm wur<strong>de</strong> im Berichtszeitraum fortgesetzt.<br />
Es erfreute sich wie<strong>de</strong>rum großer Beliebtheit, wie nachfolgen<strong>de</strong> Zusammenstellung zeigt :<br />
1. Vorträge:<br />
12. 12. 1974: Rektor Hans Brüs<strong>de</strong>: "Fragen <strong>de</strong>r Ortsnamenkun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r engeren Baa r"<br />
(78 Personen)<br />
20. 3. 1975: Ouo Huber: Dokumentarfilm "Orchi<strong>de</strong>en und Wildblumen unserer<br />
H eimat" ( 100 Besucher)<br />
10. 4. 1975: Prof. Dr. W. Hübener: " Mittelalterliche Pfalzen in Südwest<strong>de</strong>utschland"<br />
(106 Personen)<br />
15 . 5. 1975 : Dr. M . Schwarz: "Fürstenbergische Münzen und Medaillen" (50 Personen)<br />
14 . 1. 1976: Dr. Karl-Bemhard Knappe: "Das Leben auf Burgen im Spiegel <strong>de</strong>r mittelalterlichen<br />
Literatur" (85 Personen)<br />
25. 3. 1976: Helmut H errmann: "Großschmetterlinge <strong>de</strong>r Baar" (40 Personen)<br />
6. 5. 1976: Willi Paul: " Bau und Bildung <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s" (60 Personen)<br />
3. 6. 1976: Prof. Dr. G . Reichelt: " Vegetation <strong>de</strong>s Schwarzwal<strong>de</strong>s" (80 Personen)<br />
Folglich lag <strong>de</strong>r Durchschnittsbesuch bei rund 75 Teilnehmern . Das darf als außergewöhnlich<br />
gut bezeichnet wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Exkursionen<br />
7. 7. 1974: Ganztagsexkursion m <strong>de</strong>n Kaiserstuhl. Führung: WiILi Paul, Dr. Karl<br />
Rasbach (Vegetation), Prof. Dr. H aselier (Breisach), Frau Dr. E. Huber.<br />
Rund 100 Teilnehmer.<br />
26. 4. 1975: Halbtagsexkursion "Auf <strong>de</strong>n Spuren von Mathias Faller", Führung:<br />
Pfarrer M. H ermann, Neufra. 18 Teilnehmer.
Vereinschronik 141<br />
31. 5. 1975: Halbtagsexkursion in die obere Gauchach, Führung: Dr. J. Laule, Bräunlingen.<br />
15 Teilnehmer.<br />
7. 6. 1975: Halbtagsexkursion "Villinger Münsterschatz und Regionalmuseum".<br />
Führung: Dr. J. Fuchs. 49 Teilnehmer.<br />
22. 6. 1975: Ganztagsexkursion "Hochrhein und Kaiseraugst". Führung: Herr Schächterlin<br />
(Waldshut), Prof. Reichelt (Hochsal, Laufenburg), Willi Paul<br />
(Koblenzer Laufen, Dinkelberg), önliche Führerinnen in Kaiseraugst.<br />
106 Teilnehmer.<br />
6. 9. 1975: Halbtagsexkursion "Zollhau ried und Ran<strong>de</strong>n". Führung Will i Paul und<br />
Kar! ZimmermannlBlumberg. 30 Teilnehmer.<br />
21. 9. 1975: Ganztagsexkursion "Fluß- und Landschaftsgeschichte Oberer Neckar" .<br />
Führung: Will i Paul. 20 Te·,lnehmer.<br />
9. 5. 1976: Tagesexkursion "Geologie im Umkreis <strong>de</strong>s Mittleren Schwarzwal<strong>de</strong>s".<br />
Führung: Willi Paul. 40 Teilnehmer.<br />
22. 5. 1976: Halbtagsexkursion "Botanische Wan<strong>de</strong>rung rund um <strong>de</strong>n Blumberger Buchberg".<br />
Führung: Kar! Zimmermann. 15 Teilnehmer.<br />
12. 6. 1976: Halbtagsexkursion "Waldrän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Länge". Führung: Helmut Herrmann.<br />
15 Teilnehmer.<br />
20. 6. 1976: Ganztagsexkursion "Nördlicher Schwarzwald". Führung: Dr. E. Huber<br />
(Kentheim, Hirsau), Prof. Reichelt (Wildberg, Hohlohmoor, Schurmsee).<br />
82 Teilnehmer<br />
28. 8. 1976: Halbtagsexkursion "Dreifaltigkeitsberg, Dürbheimer Moor". Führung:<br />
Dr. Lorenz Honold, Prof. Reichelt. 50 Teilnehmer<br />
18. 9. 1976: Halbtagsexkursion "Geologie am Hegaurand". Führung: Willi Paul.<br />
40 Teilnehmer.<br />
9. 10. 1976: Halbtagsexkursion "Stadt Rottweil". Führung: Dr. Winfried Hecht, Rottweil.<br />
53 Teilnehmer.<br />
Auch dieser Durchschnitt von rund 43 Teilnehmern je Exkursion ist als sehr ermutigend<br />
zu bezeichnen. Dabei waren einige Unternehmungen nicht gera<strong>de</strong> durch Wetterglück<br />
gekennzeichnet. Alle auswänigen Führungskräfte lobten das außergewöhnliche Interesse<br />
unserer Exkursionsteilnehmer!<br />
Im Ganzen darf wie<strong>de</strong>rum festgehalten wer<strong>de</strong>n, daß <strong>de</strong>r Stellenwen <strong>de</strong>r heimatkundlichen<br />
Arbeit unseres Vereins im Rahmen <strong>de</strong>r gesamten kulturellen Unternehmungen unserer<br />
Region hoch ist. Dabei erfreuen wir uns keiner staatlichen Unterstützung wie etwa<br />
Volksbildungswerke.<br />
IV.<br />
Die Mitglie<strong>de</strong>rbewegung ist wie<strong>de</strong>r steigend, nach<strong>de</strong>m die durch Gemein<strong>de</strong>zusammenschlüsse<br />
bedingte Abnahme ab 1975 überwun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />
Mitglie<strong>de</strong>rzahl Zugänge Abgänge<br />
1974 402 \3 21<br />
1975 408 16 10<br />
1976 414 17 11<br />
(3 1. 10. )
142 Vereinschronik<br />
Seit <strong>de</strong>m 1. 7. 1974 dürfen wir die folgen<strong>de</strong>n neuen Mitglie<strong>de</strong>r bei uns herzlich willkommen<br />
heißen :<br />
Beurer, Klaus, Donaüe chingen<br />
Dr. Bonvicini , Marianne, Donaueschin gen<br />
Bosch , Manfred, Grunenshofen<br />
Braun, H ans, Blumberg<br />
Bühler, Gabriele, Neudingen<br />
Buhl , Wern
143<br />
Anschriften <strong>de</strong>r Verfasser<br />
Professor Dr. Karl S. Ba<strong>de</strong>r, Rebbergstraße 57, CH 8049 Zürich<br />
Gymnasialprofessor Dr. Alfred G. Benzing, Staüfenstraße 62, 7220 VS-Schwenningen<br />
Studiendirektor a. D . Otto Benzing, Vor <strong>de</strong>m Hummelsholz 2, 7220 VS-Schwenningen<br />
Dr. Herben Cor<strong>de</strong>s, Eichendorffstraße 54, 7220 VS-Schwenningen<br />
Oberkonservator Dr. Gerhard Fingerlin, Lan<strong>de</strong>s<strong>de</strong>nkmalamt Ba<strong>de</strong>n-Württemberg, A<strong>de</strong>lhauserstraße<br />
33, 7800 FreiburglBr.<br />
Archivar Georg Goerlipp, F. F. Archiv, Hal<strong>de</strong>nstraße 3, 7710 Donaueschingen<br />
Helmut Herrmann, Otto-Gönnenwein-Straße 25, 7220 VS-Schwenningen<br />
Olev Koha, Salinenstraße 31, 7220 VS-Schwenningen<br />
Forstdirektor Dr. Karl Kwasnitschka, F . F. Forstverwaltung, Josephstraße 10,<br />
7710 Donaueschingen<br />
Gaston Mayer, Lan<strong>de</strong>ssammlungen für Naturkun<strong>de</strong>, Erbprinzenstraße 13 , 7500 Karlsruhe<br />
Professor Dr. Günther Reichelt, Uhlandstraße 35, 7710 Donaueschingen<br />
Studienassessor Martin Schmie<strong>de</strong>berg, Kopsbühl 74, 7730 VS-Villingen<br />
Professor Dr. Otto Stochdorph, Untenaxetweg 79, 8035 Gauting<br />
Oberschulrat a. D. Paul Willimski, Scheffelstraße 131, 7712 Blumberg<br />
Pfarrer Reimar Zeller, Pontarlierstraße 9, 7730 VS-Villingen<br />
Felix Zinke, Blauenweg 18, 7730 VS-Villingen<br />
Die Verfasser sind für <strong>de</strong>n Inhalt ihrer Beiträge selbst verantwortlich.
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Aus <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>r letzten H efte<br />
Die Pfarrkirche St. Mauritius in Grüningen<br />
Ortsnamen <strong>de</strong>r Region Schwarzwald-Baar-Heuberg<br />
Der Eisenbergbau in Blumberg<br />
Matthias Faller und die Löffinger Barockaltäre<br />
Die Kapelle St. Markus in Mistelbrunn<br />
Das Villinger Pfarrmünster<br />
Pilze zwischen Brigach, Eschach und Prim<br />
Die Entenburg zu pfohren<br />
Die Baar im Spiegel alter Landkarten<br />
Fluß- und Landschaftsgeschichte <strong>de</strong>r oberen Donau<br />
Heft 30<br />
Heft 30<br />
Heft 30<br />
Heft 30<br />
Heft 29<br />
Heft 29<br />
Heft 29<br />
Heft 28<br />
Heft 28<br />
Heft 28<br />
Ragwurz-Orchi<strong>de</strong>en und ihre Variationen auf <strong>de</strong>r Baar Heft 28<br />
Bauernmühlen im mittleren Schwarzwald Heft 27<br />
Karolingische Königsgüter Ln <strong>de</strong>r Baar<br />
Der Riedböhringer Crucifixus<br />
Vegetation während <strong>de</strong>r Vor- und Frühgeschichte<br />
Heft 27<br />
Heft 27<br />
Heft 27<br />
Bezug über: Verein für G eschichte und N aturgeschichte <strong>de</strong>r Baa r, Donaueschingen,<br />
Hal<strong>de</strong>nstr. 3, o<strong>de</strong>r all e Buchhandlungen.
Aus unseren früheren Schriften<br />
Die Rückseite <strong>de</strong>s Umschlages zeigt einen Ausschnitt <strong>de</strong>r<br />
Fresken aus <strong>de</strong>r Pfarrkirche St. Mauritius in Grüningen. Diese<br />
Fresken <strong>de</strong>s frühen 14. Jahrhun<strong>de</strong>rts wer<strong>de</strong>n in Heft 30 <strong>de</strong>r<br />
"Schriften <strong>de</strong>r Baar" ausführlich abgebil<strong>de</strong>t und beschrieben.<br />
Das Bild stellt die hl. Katharina beim Verhör vor <strong>de</strong>m Gericht<br />
dar. Links sitzt auf seinem Thron <strong>de</strong>r König, in <strong>de</strong>r Linken ein<br />
Lilienzepter . Ein kleiner Teufel dahinter bläst <strong>de</strong>m Richter die<br />
bösen Gedanken ins Ohr. Die Heilige mit Nimbus und Krone<br />
hat ihre Rechte zur Re<strong>de</strong> erhoben und rafft mit <strong>de</strong>r Linken<br />
leicht ihren roten Mantel auf. Hinter ihr stehen 3 Männer,<br />
wahrscheinlich Gelehrte.