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Dies & Das<br />

„Die Tiere, die Kirche und wir“<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

„mögen Sie Tiere?“ „Was für eine Frage“,<br />

werden Sie sagen, „aber natürlich!“<br />

Ja, viele Menschen haben Haustiere, für<br />

die sie sorgen, die sie lieben und die sie<br />

betrauern, wenn sie sterben. Und Tierfilme,<br />

-serien, -bücher sowie Zoobesuche<br />

sind sehr beliebt. Aber diese Tierliebe<br />

bezieht nicht alle Tiere mit ein: Hunde<br />

und Katzen sind liebenswert, Schweine<br />

hingegen sind es eher nicht, obwohl die<br />

Ferkelchen doch so süß sind! Schweine,<br />

Puten, Hühner haben keinen Wert an<br />

sich, und man sieht dem Schnitzel auf<br />

dem Teller auch nicht mehr an, dass es<br />

einmal Teil eines lebendigen, fühlenden<br />

Wesens war. Dabei gibt es viele Ähnlichkeiten<br />

zwischen Mensch und Tier. Wir<br />

teilen viele Empfindungen mit ihnen:<br />

Freude, Liebe, Schmerz, Trauer, Hunger<br />

und Durst.<br />

Der Theologe Eugen Drewermann<br />

nennt Tiere ‚unsere älteren Schwestern<br />

und Brüder‘. Wenn man die Bibel bemüht,<br />

bekommt der Mensch zwar einen<br />

Herrschaftsauftrag: „Macht euch die Erde<br />

untertan“ (Genesis 1/28), damit wird ihm<br />

aber gleichzeitig Verantwortung übertragen:<br />

Er soll die Schöpfung beschützen<br />

und bewahren, Hüter der Erde und aller<br />

Bewohner sein. Durch Fortschritt, Technisierung<br />

und Globalisierung wurde dieser<br />

Auftrag im Laufe der Jahrhunderte<br />

verwässert. Was machbar ist, wird heute<br />

gemacht. Die Eingriffe des Menschen in<br />

die ihm anvertraute Erde haben schwere<br />

Folgen. Auch die Tiere wurden Opfer<br />

dieses Fortschrittdenkens. Im Tierschutzgesetz<br />

von 1986 wird die Verantwortung<br />

des Menschen für das Mitgeschöpf Tier,<br />

für sein Leben und Wohlbefinden festgeschrieben.<br />

Es heißt in §1: „Niemand darf<br />

einem Tier ohne vernünftigen Grund<br />

Leiden oder Schäden zufügen.“<br />

Die Zustände in der industriellen<br />

Massentierhaltung zeigen ein anderes<br />

Bild. Die sogenannten Nutztiere haben<br />

nur eine einzige Existenzberechtigung:<br />

Sie sollen so schnell wie möglich das<br />

gewünschte Schlachtgewicht erreichen.<br />

Ihr kurzes Leben ist mit Leid und Stress<br />

verbunden: Tierkinder werden für diese<br />

Haltungsbedingungen verstümmelt,<br />

Millionen männlicher Küken werden<br />

gleich nach dem Schlüpfen vergast oder<br />

geschreddert - sie sind nicht mehr zu<br />

verwenden. Ohne massiven Medikamenteneinsatz<br />

ist dies Tierhaltung nicht<br />

möglich. Wenn Epedimien auftreten wie<br />

BSE, Schweine- oder Vogelgrippe, Maulund<br />

Klauenseuche werden Tausende von<br />

Tieren getötet, auch vorsorglich, oft gesunde.<br />

Ständig werden neue Mastanlagen<br />

und Schlachthöfe gebaut. In Wietze<br />

bei Celle werden demnächst pro Tag<br />

ca. 430.000 Hühner geschlachtet. Und<br />

die Agrarindustrie plant in Deutschland<br />

weitere Stellplätze für bis zu 38 Millionen<br />

Hühner. All das wird mit Millarden<br />

Steuergeldern von der EU gefördert. Die<br />

Konzentration auf wenige, riesige Unternehmen<br />

nimmt zu. Sie bestimmen die<br />

Preise. Kleinere Betriebe können diesem<br />

Kostendruck nicht standhalten. Täglich<br />

geben Bauernhöfe auf. Die Folgen dieser<br />

Industrie für die Menschen und die Umwelt<br />

sind nicht absehbar. Aber Fleisch ist<br />

billig und soll noch billiger werden. Tierquälerei<br />

wird in Kauf genommen.Diese<br />

Tierhaltung lässt jeglichen Anstand und<br />

Respekt vor unseren Mitgeschöpfen vermissen.<br />

Um so mehr brauchen sie unseren<br />

Protest, unser Mitgefühl, unseren<br />

Schutz. Denn Tiere haben keine Lobby!<br />

Noch immer gibt es keine Klagemöglichkeiten<br />

für Tierschutzverbände! Der<br />

Tierschutz wurde 2002 als Staatsziel ins<br />

Grundgesetz aufgenommen. Verbessert<br />

hat sich seitdem wenig bis nichts. Die<br />

Poltik schafft kaum Gesetzesänderungen<br />

zugunsten der Tiere. Und wenn, dann<br />

gibt es jahrelange Übergangsfristen und<br />

immer wieder Ausnahmeregelungen.<br />

Eine Agrarwende mit mehr Tierschutz<br />

ist politisch nicht gewollt und in weite<br />

Ferne gerückt. Und für die mächtigen<br />

Bauernverbände gibt es überhaupt keine<br />

Notwendigkeit, etwas zu verändern.<br />

Die Aussichten sind düster.<br />

Aber Hoffnung muss bleiben!<br />

Hoffnung machen der Protest und der<br />

Widerstand gegen die Agrarindustrie.<br />

Unter dem Motto „Wir haben Agrarindustrie<br />

satt“ demonstrierten viele letztes<br />

Jahr vor dem Schlachthof in Wietze und<br />

im Januar vor Beginn der „Grünen Woche“<br />

in Berlin.Sie protestieren gegen die<br />

Massenställe, das Höfesterben, gentechnisch<br />

veränderte Futtermittel, Monokulturen,<br />

und für eine für Mensch, Natur<br />

und Tier gerechte und verantwortungsvolle<br />

Agrarpolitik.<br />

Die Kirchen müssen Hoffnungsträger<br />

sein!<br />

Jahrhundertelang ging es der Kirche<br />

nur um den Menschen, sein Heil, seine<br />

Erlösung. Diese Denkweise hat sich nur<br />

allmählich verändert. Seit 1980 gab es<br />

aus den einzelnen Landeskirchen eine<br />

Reihe von Stellungnahmen und Denkschriften<br />

zum verantwortlichen Umgang<br />

mit den Tieren. Die Mitgeschöpflichkeit<br />

wurde anerkannt, Gerechtigkeit für die<br />

Tiere eingefordert und ihr Eigenwert<br />

hervorgehoben, den sie unabhängig vom<br />

Nutzen für die Menschen haben. Seit<br />

2003 gibt es allerdings keine offiziellen<br />

Stellungnahmen zu diesem Thema mehr.<br />

Warum schweigt die Kirche? Die<br />

Schöpfung bewahren, Gerechtigkeit<br />

und Frieden sind doch ihre zentralen<br />

Anliegen!<br />

Kirche muss sich einmischen. Sie muss<br />

das Unrecht, das unseren Mitgeschöpfen<br />

angetan wird, deutlich benennen und<br />

konkrete Veränderungen fordern. In den<br />

Gemeinden sollte eine Tierethikdebatte<br />

beginnen.<br />

An der Basis gibt es Veränderungen.<br />

Auf Kirchentagen gibt es Vorträge und<br />

Diskussionen zu Tierschutz und Tiergerechtigkeit.<br />

In einzelnen Gemeinden<br />

tut sich etwas. In unserer St.-Lukas-<br />

Gemeinde z.B. gibt es einen Beschluss,<br />

dass zu bestimmten Anlässen vegetarisch<br />

verpflegt und Fleisch nur aus artgerechter<br />

Haltung angeboten wird.<br />

Aber wir alle als Verbraucher können<br />

viel tun. Mit unserem Einkauf nehmen<br />

wir Verantwortung auf uns für das, was<br />

den Tieren angetan wird. Es ist so widersprüchlich:<br />

Ein Großteil der Menschen<br />

lehnt die tierquälerische Massentierhaltung<br />

ab, dennoch wollen die meisten täglich<br />

Fleisch und Wurst essen. Und im Supermarkt<br />

wird zu Billigfleisch gegriffen.<br />

„Tierschutz im Einkaufskorb“ heißt eine<br />

Ermunterung des Deutschen Tierschutzbundes<br />

zu einem veränderten Konsumverhalten,<br />

auch einmal zum Verzicht.<br />

Eindrücklich sagt es Eugen Drewermann<br />

in einem von ihm verfassten<br />

VATERUNSER:<br />

Verbiete uns Herr<br />

das tägliche Fleisch !<br />

Unser täglich Brot gib uns heute.<br />

Brigitte Fischer<br />

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