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FINE Das Weinmagazin - 01/2015

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: BORDEAUX

FINE Das Weinmagazin ist in der Welt der großen Weine zu Hause. Hauptthema dieser Ausgabe: BORDEAUX

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DAS WEINMAGAZIN<br />

Syrah oder Shiraz<br />

Sine Qua Non<br />

Sangiovese »Reimitz«<br />

Champagne Deutz<br />

<strong>Das</strong> Weingut Dautel<br />

Bordeaux versus Kalifornien<br />

Michel Rolland<br />

Robert Parker<br />

Sieben Bordelaiser Châteaus<br />

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DAS WEINMAGAZIN<br />

1/2<strong>01</strong>5<br />

INHALT<br />

12 Champagne Deutz<br />

34 Klaus Johann Reimitz<br />

62 Château Grand-Puy-Lacoste<br />

56 Robert Parker<br />

48 Bordeaux, Welthauptstadt des Weins<br />

68 Château Phélan Ségur<br />

108 Château Fonbadet<br />

76 Château Haut-Bailly<br />

138 Wein und Zeit: Fürst Pückler<br />

82 Château Léoville Poyferré<br />

142 Sine Qua Non<br />

88 Château Gruaud Larose<br />

146 Weingut Dautel<br />

9 <strong>FINE</strong> Editorial Thomas Schröder<br />

12 <strong>FINE</strong> Champagne <strong>Das</strong> Champagnerhaus Deutz<br />

24 <strong>FINE</strong> Tasting Ein großer Syrah sucht seine Konkurrenz<br />

26 <strong>FINE</strong> Tasting Syrah oder Shiraz – Eine Rebe, zwei Namen, verlockende Vielfalt<br />

34 <strong>FINE</strong> Toskana »Reimitz« oder die Schönheit des Weins<br />

42 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Große Dutzend Champagne de Venoge<br />

48 <strong>FINE</strong> Bordeaux Bordeaux erwacht – Die Welthauptstadt des Weins<br />

56 <strong>FINE</strong> Bordeaux Robert Parker, das Bordelais und die Weinwelt<br />

62 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Grand-Puy-Lacoste<br />

68 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Phélan Ségur<br />

76 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Haut-Bailly<br />

82 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Léoville Poyferré<br />

88 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Gruaud Larose<br />

94 <strong>FINE</strong> Bordeaux Château Talbot<br />

102 <strong>FINE</strong> Bordeaux Michel Rolland, der streitbare Önologe<br />

108 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein Pascale Peyronie von Château Fonbadet<br />

116 <strong>FINE</strong> Wein & Speisen Jürgen Dollase im Restaurant Nagaya in Düsseldorf<br />

124 <strong>FINE</strong> Tasting <strong>Das</strong> Müller-Thurgau-Manifest<br />

132 <strong>FINE</strong> Die Pigott Kolumne Wein aus dem Wilden Westen<br />

134 <strong>FINE</strong> Tasting Transatlantischer Vergleich – Bordeaux misst sich mit Kalifornien<br />

138 <strong>FINE</strong> Wein und Zeit Die Aufzeichnungen des Fürsten von Pückler-Muskau, Teil 1<br />

142 <strong>FINE</strong> Tasting Der irrwitzige Kult um Sine Qua Non<br />

146 <strong>FINE</strong> Württemberg <strong>Das</strong> Weingut Dautel<br />

154 <strong>FINE</strong> Wein und Kritik Folge IV: Der Mythos, das Marketing und die Meinungsmacher<br />

158 <strong>FINE</strong> <strong>Das</strong> Bier danach Bierbarbarei Bananenbier<br />

162 <strong>FINE</strong> Abgang Ralf Frenzel<br />

6 7<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Inhalt


D I E G R O S S E N W E I N E D E R W E L T<br />

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man muss ja nicht übertreiben und<br />

sich zu jedem edlen Glas Wein auch<br />

gleich ein hehres Dichterwort spendieren.<br />

Aber manchmal, zu seltenen<br />

Gelegenheiten, darf es doch sein, dass dem Weinfreund, wenn Zuneigung und<br />

Kenntnis in demselben Maß wie seinem Lieblingsgetränk auch der deutschen<br />

Literaturgeschichte gelten, beim Genuss eines großen Bordeaux’ ein Gedicht<br />

des idealisch hochgesinnten schwäbischen Hymnikers Friedrich Hölderlin in<br />

den Sinn kommt, jenes genialen Dichters, dessen Leben und Schaffen schon<br />

früh tragisch wahnhaft verdunkelt wurde.<br />

Dieser Hölderlin war im Dezember des Jahres 18<strong>01</strong> von Nürtingen aus nach<br />

Bordeaux aufgebrochen, zu Fuß allzumeist, durch eisige Winterkälte passierte<br />

er Straßburg und Lyon und erreichte am 18. Januar 1802 über die verschneiten<br />

Hügelketten der Auvergne schließlich die regsame Stadt des Weins, wo er im stattlichen<br />

Haus des Hamburger Konsuls Daniel Christoph Meyer eine An stellung<br />

als Hauslehrer für die Kinder des hanseatischen Geschäftsträgers und Besitzers<br />

des hübschen, an den Ufern der Gironde gelegenen Weinguts Blanquefort<br />

antrat. Heitere Wochen folgten für den gerade einunddreißigjährigen Dichter,<br />

eine Lustreise mit der Familie des Konsuls nach Château Blanquefort eingeschlossen<br />

– »dort an der luftigen Spitz, / an Traubenbergen, wo herab / die<br />

Dordogne kommt, / und zusammen mit der prächt’gen / Garonne meerbreit<br />

/ ausgehet der Strom«. Im April schreibt er noch an die Mutter: »Mir gehet<br />

es so wohl, als ich nur wünschen darf.« Doch wenige Wochen darauf bricht<br />

er überraschend und überstürzt den Aufenthalt ab und reist nach Nürtingen<br />

zurück, vielleicht weil ihn die Nachricht von der tödlichen Erkrankung seiner<br />

»unsterblichen Geliebten« Susette Gontard erreicht hatte, seiner »Diotima«,<br />

der Ehefrau eines Frankfurter Bankiers.<br />

Ein Jahr später, 1803, widmet er der Stadt, die ihn so freundlich aufgenommen<br />

hatte, ein »Andenken« – so der Titel des Gedichts, mit dem er schwärmerisch<br />

und realitätsnah zugleich die zaubrische, von Ulmen und Silber pappeln<br />

gesäumte Flusslandschaft in seine Erinnerung aufsteigen lässt, die »schöne<br />

Garonne / und die Gärten von Bordeaux«, die »braunen Frauen daselbst«, die<br />

»an Feiertagen auf seidnen Boden« gehen und »über langsamen Stegen, / von<br />

goldenen Träumen schwer, / einwiegende Lüfte ziehen«. Und der Wein? »Es<br />

reiche aber, / des dunklen Lichtes voll, / mir einer den duftenden Becher, / damit<br />

ich ruhen möge; denn süß / wär unter Schatten der Schlummer.« Des dunklen<br />

Lichtes voll: Ließe sich eine tiefere dichterische Verklärung des prunkend<br />

funkelnden Weins denken? Mit einem solchen poetischen Bild im Gedächtnis<br />

trinkt man einen großen Bordelaiser Roten noch einmal ganz anders!<br />

Zweihundert Jahre nach Hölderlin stellt sich Bordeaux nicht minder vorzüglich<br />

dar, ebenso weltgewandt und offen, noch prachtvoller womöglich und<br />

noch lebensfroher, wie es einer Stadt zukommt, die ganz dem Handel und Wandel<br />

des Weins, nicht zuletzt seinem Genuss lebt. Ein Team von Fine- Autoren und<br />

Fotografen ist ins Bordelais gereist, um dort die augenblickliche Befindlichkeit<br />

zu erkunden. Sie waren in Bordeaux und haben im Bordelais einige Châteaus<br />

besucht, die nicht alle unbedingt in der ersten Reihe der Produzenten stehen,<br />

gleichwohl aber herrliche, zumindest höchst respektable Weine erzeugen. Überall<br />

dort haben Till Ehrlich, Rainer Schäfer und Christian Volbracht auch dem<br />

Echo der Winzer auf Werk und Wirkung eines Mannes nachgespürt, dessen<br />

Schriften zwar nicht den Bordeaux-Wein, wohl aber die Blicke der meisten<br />

Winzer verklärt und deren Bilanzen verschönt haben: Robert Parker natürlich.<br />

Die unterschiedlichen Reaktionen auf den epochalen Einfluss des Ameri kaners<br />

auf Stil und Markterfolg der Bordelaiser Weine analysiert Stefan Pegatzky, der<br />

sich zudem in der vierten und letzten Folge seiner Essay-Reihe Wein und Kritik<br />

mit Mythos, Marketing und Meinungsmachern in der Weinwelt befasst.<br />

Noch einmal Hölderlin. Sein sinnenfrohes und tiefgründiges Gedenkblatt<br />

an Bordeaux endet mit einer Zeile, die in den Zitatenschatz der deutschen<br />

Bildungs bürger eingegangen, dessen Herkunft aus dem Hymnus auf die festliche<br />

Stadt an der Garonne aber wohl den wenigsten noch bewusst ist: »Was<br />

bleibet aber, stiften die Dichter«. Ein hochgemutes Wort; dankenswerter weise<br />

lässt es uns aber auch bedenken, dass, was die Winzer stiften, nicht » bleibet«,<br />

sondern allzumal der Vergänglichkeit geweiht ist. So ahnt, wenn er das Glas<br />

»des dunklen Lichtes voll« an die Lippen setzt, der Weinfreund in der ja immer<br />

wieder heiter erprobten Vergänglichkeit des Genusses etwas vom möglichen<br />

Genuss an unser aller Vergänglichkeit.<br />

PS: Weil im Gegensatz zum flüchtigen gesprochenen Wort das geschriebene<br />

und gedruckt publizierte die Neigung hat, sich auf Dauer einzurichten und<br />

darum leider auch ein Fehler »bleibet«, darf ich hier etwas richtigstellen: In der<br />

Geschichte über die Weine des Ätna in der letzten Ausgabe von Fine konnte<br />

der Eindruck entstehen, unser Autor Michael Schmidt litte an Wahrnehmungsstörungen,<br />

da er den Besitzer der fabelhaften Tenuta delle Terre Nere zugleich<br />

als jungen Mann und als eher etwas älteren Herrn angetroffen habe. Dem ist<br />

aber so nicht gewesen: Eine Unachtsamkeit der Redaktion hat den geschriebenen<br />

Text falsch eingekürzt zum Druck befördert. Empfangen wurde Michael<br />

Schmidt, wie irrtümlich in Fine zu lesen war, nicht vom Eigentümer Marco<br />

de Grazia, sondern von einem Mitarbeiter, einem jungen Mann, dem alle im<br />

Folgenden aufgezählten Tugenden samt einer fränkischen Jugend zuzurechnen<br />

sind. Erst im zweiten Absatz geht dann die Rede von Marco de Grazia. Ich darf<br />

unseren Leserinnen und Lesern versichern, dass unser Autor aller seiner Sinne<br />

mächtig war und ist, und zugleich für den Lapsus der Redaktion um Entschuldigung<br />

und Nachsicht bitten. Aber nun wünsche ich angenehme, genussreiche<br />

und erkenntnisfördernde Lektüre – bei einem »duftenden Becher«!<br />

Thomas Schröder<br />

Chefredakteur<br />

<strong>FINE</strong><br />

Editorial<br />

9


E U R O P E A N F I N E W I N E M A G A Z I N E<br />

Fine-Autoren<br />

DAS WEINMAGAZIN<br />

Verleger und Herausgeber<br />

Ralf Frenzel<br />

ralf.frenzel@fine-magazines.de<br />

Chefredakteur<br />

Thomas Schröder<br />

thomas.schroeder@fine-magazines.de<br />

Redaktion<br />

Carola Hauck<br />

Art Direction<br />

Guido Bittner<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />

Daniel Deckers, Armin Diel, Jürgen Dollase,<br />

Till Ehrlich, Bernd Fritz, Dirk R. Notheis,<br />

Stefan Pegatzky, Stuart Pigott, Rainer Schäfer,<br />

Michael Schmidt, Christian Volbracht,<br />

Martin Wurzer-Berger<br />

Fotografen<br />

Guido Bittner, Johannes Grau, Christof Herdt,<br />

Arne Landwehr, Marc Volk<br />

Verlag<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

Sonnenberger Straße 43<br />

65191 Wiesbaden<br />

www.tretorri.de<br />

Geschäftsführer: Ralf Frenzel<br />

Anzeigen<br />

Judith Völkel<br />

Tre Torri Verlag GmbH<br />

+49 (o) 611-57 990<br />

anzeigen@fine-magazines.de<br />

Druck<br />

Druckhaus Schöneweide GmbH, Berlin<br />

Fine <strong>Das</strong> <strong>Weinmagazin</strong> erscheint vierteljährlich<br />

zum Einzelheft-Preis von € 15,– (D),<br />

€ 16,90 (A), CHF 30,– (CH), € 18,50 (I)<br />

Vertrieb<br />

DPV Deutscher Pressevertrieb GmbH<br />

www.dpv.de<br />

Daniel Deckers Die Lage des deutschen Weins ist sein Thema – wenn er nicht gerade als Politik-<br />

Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Gott und die Welt, über Lateinamerika oder Rauschgift<br />

zur Feder greift.<br />

Armin Diel Einerseits ist er Winzer – seine Weine von der Nahe spielen im nationalen wie im internationalen<br />

Ranking eine Rolle. Andererseits ist er Publizist. Als einstiger Mitherausgeber des Wein-Gault-<br />

Millau hat er den Guide an die Spitze der weinkritischen Publikationen in Deutschland gebracht.<br />

Jürgen Dollase Kunst, Musik und Philosophie hat er in Düsseldorf und Köln studiert. Er war Rockmusiker<br />

und Maler. Heute ist er der bei weitem einflussreichste Kritiker der kulinarischen Landschaft in<br />

Deutschland und Europa. Seine Bücher über die Kunst des Speisens erscheinen vornehmlich bei Tre Torri.<br />

Till Ehrlich Der profilierte Weinkritiker und mehrfach ausgezeichnete Journalist hat sich als Autor<br />

von unabhängigen Weinbüchern, kulinarischen Kolumnen und Essays einen Namen gemacht. Er kann<br />

Weine, Berge und gedeckte Tafeln zum Sprechen bringen.<br />

Bernd Fritz Der 1945 in einem rheinhessischen Weinort geborene Philologe war Chefredakteur des<br />

Satiremagazins Titanic und Redakteur des FAZ-Magazins und berichtet seit zehn Jahren aus der Welt des<br />

Weins und der Gärten. Trotzdem versteht er auch etwas von Hopfen und Malz.<br />

Dirk R. Notheis Geboren und aufgewachsen im Badischen. Obgleich der berufliche Weg ihn in die<br />

Finanzwirtschaft führte, gilt seine Liebe doch der wahren Liquidität, dem Wein. Den sammelt, degustiert<br />

und rezensiert er seit mehr als zwei Jahrzehnten.<br />

Stefan Pegatzky Der promovierte Germanist hat nach vielen Jahren in der Verlagsbranche die Online-<br />

Galerie Time Tunnel Images für historische Fotografie gegründet. Daneben findet er immer wieder Zeit<br />

zum Schreiben, am liebsten über Wein.<br />

Stuart Pigott In der gehobenen Weinwelt ist er ein Begriff. Seit der 1960 in London geborene<br />

studierte Kunsthistoriker und Maler im Wein, im deutschen Wein zumal, sein Lebensthema fand, hat er<br />

sich mit unkonventioneller Betrachtungsweise in die Ränge der weltweit geachteten Autoren und Kritiker<br />

geschrieben. Sein letztes Buch »Planet Riesling« erschien kürzlich bei Tre Torri.<br />

Rainer Schäfer Er schreibt über die Dinge, die er am meisten liebt: Wein, gutes Essen und Fußball.<br />

Schäfer pendelt zwischen Weinanbaugebieten, Restaurants und Fußballstadien, neugierig auf schillernde<br />

Persönlichkeiten, überraschende Erlebnisse und unbekannte Genüsse. Er wuchs in Oberschwaben auf, lebt<br />

und arbeitet seit zwanzig Jahren in Hamburg.<br />

Michael Schmidt Der »deutsche Engländer«, wie ihn die britische Weinszene nennt, schreibt für<br />

die Purple Pages der Weinpäpstin Jancis Robinson über deutschen Wein. Bei Sotheby’s Wine Encyclopedia<br />

und dem World Atlas of Wine von Hugh Johnson und Jancis Robinson ist er als Berater für das<br />

Kapitel Deutschland zuständig.<br />

Christian Volbracht Der Journalist, Autor und Antiquar schreibt über Wein und Gastronomie,<br />

seit er für die Deutsche-Presse-Agenur in Paris gearbeitet hat. Seine besondere Leidenschaft gehört neben<br />

Wein und gutem Kochen den Pilzen und Trüffeln. Er ist Sammler und Inhaber des Buchantiquariats<br />

MykoLibri, als Buchautor ergründete er das Thema »Trüffeln – Mythos und Wirklichkeit« (bei Tre Torri).<br />

Martin Wurzer-Berger Der studierte Künstler und katholische Theologe arbeitet in Münster als<br />

Maler und Grafiker und importiert französische Weine. Er ist Chefredakteur und Mitherausgeber der<br />

Avantgarde-Zeitschrift Journal Culinaire und leitet gemeinsam mit Thomas Vilgis die Deutsche Akademie<br />

für Kulinaristik.<br />

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Klaus Hombücher & Pierre Falk<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion wieder. Der Verlag haftet<br />

nicht für unverlangt eingereichte Manuskripte, Dateien,<br />

Datenträger und Bilder. Alle in diesem Magazin veröffentlichten<br />

Artikel sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Titel-Foto: Bordeaux, Johannes Grau<br />

Editorial-Foto: Pekka Nuikki<br />

www.maisonvin.com<br />

info@maisonvin.com<br />

MaisonVin - vins par excellence OHG<br />

Siersdorfer Str. 6 (b) | D-52457 Aldenhoven<br />

Tel: +49 (0)2464 / 9798-355<br />

Fax: +49 (0)2464 / 9798-707<br />

10 <strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5


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Reimitz<br />

oder die Schönheit des Weins<br />

Sangiovese solo: »Reimitz« ist ein neuer toskanischer<br />

Kultwein aus dem Chianti Classico. Doch er ist tief in der<br />

Tradition feinster italienischer Gewächse verwurzelt.<br />

Dafür steht der Winzer Klaus Johann Reimitz, der diesen<br />

raren Wein im Alleingang produziert.<br />

Von Till Ehrlich<br />

Fotos Marc Volk<br />

Klaus Johann Reimitz hat fünfundzwanzig Jahrgänge des<br />

Weinguts Montevertine von Sergio Manetti in Radda<br />

im Chianti Classico mitgestaltet, darunter den reinsortigen<br />

Sangiovese »Le Pergole Torte«, ein Juwel des feinen<br />

italie nischen Weins, das in seiner stilbildenden Bedeutung für<br />

die italienische Weinrenaissance dem Tignanello und Sassicaia<br />

mindestens ebenbürtig ist. Seit 2<strong>01</strong>1 produziert Klaus Reimitz,<br />

Jahrgang 1951, nun einen reinsortigen Sangiovese in Eigen regie.<br />

Lediglich ein tausendfünfhundert Liter wurden davon für die<br />

Premiere abgefüllt. Die Trauben wachsen in einer kleinen Parzelle,<br />

die zum Weingut Poggio al Sole in der Gemarkung Tavarnelle<br />

gehört, einem Ort, der im Herzen des Chianti Classico oberhalb<br />

der tausendjährigen Vallombrosaner-Abtei Badia a Passignano<br />

liegt, nur eine gute halbe Stunde von Florenz entfernt.<br />

Schon der erste Jahrgang 2<strong>01</strong>1 war ein Wurf. Er ver körpert<br />

den Geschmack der Sangiovesetraube auf eine unmittelbare,<br />

anmutige Art: nicht laut, sondern sehr harmonisch, fein und<br />

differenziert. Eine Traubensorte, ein Weingarten, ein Fass, ein<br />

Winzer, ein Wein. Kein Eichenaroma, keine Toastnoten, kein<br />

Kitsch. Ohne Cabernet, ohne Merlot, ohne Canaiolo, ohne<br />

Colorino.<br />

Dieser Rotwein, der lapidar den Namen seines Winzers<br />

trägt, »Reimitz«, ist so etwas wie die Summe eines toskanischen<br />

Winzerlebens. <strong>Das</strong> Etikett wirkt unspektakulär, elegant,<br />

zeugt von Stilsicherheit und Zeitlosigkeit, als sei es schon seit<br />

Jahrzehnten da. Doch es ist erst 2<strong>01</strong>3 für den »Reimitz« entworfen<br />

worden.<br />

Bei diesem Wein geht es um scheinbar einfache Dinge, um<br />

gute Farbe, guten Duft, guten Geschmack. Nichts Gekünsteltes<br />

also, nur dass es nicht leicht ist, das Einfache zur Voll endung<br />

zu bringen. So, wie etwa in der feinen Küche die gekonnte<br />

Zubereitung von Eierspeisen oder Pasta zu den höchsten<br />

34 35<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Toskana


Tre Torri<br />

Große Weine.<br />

Starker Inhalt.<br />

Mouton Rothschild – Wein & Kunst<br />

DIE Meisterwerke aus Frankreich<br />

Château Mouton Rothschild – kaum ein anderer Name kann die<br />

Augen von Weinenthusiasten so zum Leuchten bringen wie dieser<br />

Premier Grand Cru aus Pauillac. Aber auch Freunde und Kenner der<br />

zeitgenössischen Kunst haben ihre Freude an den Flaschen, seit<br />

Baron Philippe de Rothschild Jahrgangsetiketten von inter national<br />

bekannten Künstlern gestalten lässt.<br />

Der Riesling – Weingut Robert Weil<br />

Der Welterfolg aus dem Rheingau<br />

Der epochale Bildband erzählt die Erfolgsgeschichte des Traditionsweinguts,<br />

das heute zur internationalen Weinelite gehört. Über den<br />

Zeitraum eines ganzen Jahres begleitet das Buch die Arbeit in Weinberg<br />

und Keller. Der Leser sieht die Frucht reifen und ist bei der<br />

Handlese im Gräfen-, Kloster- und Turmberg mit dabei.<br />

Marchesi Antinori<br />

DIE Weinlegende aus Italien<br />

Solaia, Tignanello oder Guado al Tasso – diese Namen lassen<br />

die Herzen von Weinliebhabern weltweit höher schlagen. Sie<br />

stehen für den Erfolg der florentinischen Familie Antinori, die seit<br />

26 Gene rationen Weinbaugeschichte schreibt. <strong>Das</strong> Buch erzählt die<br />

Geschichte der Familie und beschreibt die historische Bedeutung,<br />

die Marchesi Antinori für den italienischen Weinbau bis heute hat.<br />

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Info unter<br />

Tre Torri Verlag GmbH · Sonnenberger Straße 43 · 65191 Wiesbaden<br />

… auch bei Facebook<br />

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In der »größten Pfütze der Welt«, dem dreieinhalbtausend<br />

Quadratmeter großen Miroir d’Eau, spiegeln sich die prachtvollen<br />

Fassaden des Palais de la Bourse.<br />

Bordeaux erwacht<br />

Die Welthauptstadt des Weins<br />

im Aufbruch und im Umbruch<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Johannes Grau<br />

Die Beziehung von Alain Juppé zum Bordelaiser Weinadel entwickelte sich nur zögerlich und wurde durch Verstimmungen getrübt.<br />

Der Bürgermeister von Bordeaux war auf Château Smith Haut Lafitte in Martillac zur Fête de la Fleur geladen. Auf der im Frühjahr ausgerichteten<br />

Feier sollten Weine verkostet und edel gespeist werden. Juppé, der aus dem Département Landes stammt und lange Jahre in<br />

Paris lebte, war noch nicht ausreichend vertraut mit den Gepflogenheiten der Weinszene. Er ließ die Festgesellschaft warten und brüskierte<br />

sie damit. <strong>Das</strong> ist mehr als fünfzehn Jahre her, damals tat sich ein breiter Graben auf zwischen Rathaus und Châteaus, nur mühsam<br />

geriet das Verhältnis ins Lot. Heute wird der Bürgermeister von den Bordelaiser Winzern als unermüdlicher Fürsprecher ihrer Erzeugnisse<br />

gelobt. Er lässt alle Welt wissen, dass er die Weine aus dem berühmtesten Anbaugebiet längst zu schätzen gelernt hat und in seinem<br />

Keller Bouteillen lagern von feinster Provenienz, von den Châteaus Latour, Lafite, Cheval Blanc und Pétrus.<br />

48 49<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Bordeaux


Robert Parker,<br />

das Bordelais<br />

und die Weinwelt<br />

Eine Zwischenbilanz<br />

Von Stefan Pegatzky<br />

Kurz nach seinem 65. Geburtstag hat Robert Parker, der (immer noch) einflussreichste Weinkritiker der Welt, den<br />

Mehrheitsanteil seiner Zeitschrift »The Wine Advocate« an Investoren in Singapur verkauft. Grund genug, sich den<br />

Einfluss des Amerikaners auf die Weinwelt und insbesondere das Bordelais in Erinnerung zu rufen. Ein Einfluss, der<br />

Winzer, Handel, Presse und Konsumenten enorm polarisiert und alle Ebenen des Themas Wein durchdrungen und<br />

verändert hat. Der aber auch wesentlich komplexer und ambivalenter ist, als viele von Parkers Kritikern unterstellen.<br />

Der Markt und die Preise<br />

Fotos: The Wine Advocate<br />

Hochwertiger Bordeaux ist in wenigen Jahren um<br />

ein Vielfaches teurer geworden: Der En-primeur-<br />

Preis einiger Spitzen-Crus des Jahrgangs 2<strong>01</strong>0 ist<br />

gegenüber dem von 1992 etwa um mehr als tausend<br />

Prozent gestiegen. Manche Weine mit nur sehr<br />

geringen Produktionsmengen werden in Deutschland<br />

schon gar nicht mehr angeboten. Sentimentale<br />

Weintrinker übertünchen ihren Verdruss bei<br />

spärlich besetzten und überteuerten Bordeaux-<br />

Arrivage-Tastings daher gern mit Geschichten aus<br />

der guten alten Zeit: »Meinen letzten Lafite habe<br />

ich noch von ›Globus‹, die haben den damals<br />

für …« Those were the days. Doch die Legende,<br />

die dabei meist miterzählt wird, dass das angefangen<br />

habe, als Robert Parker den 1982er Jahrgang<br />

den Amerikanern so gut verkauft hat und damit die<br />

Spekulation und den Sog der »dummen, reichen<br />

Märkte« wie die Vereinigten Staaten, dann Japan<br />

und schließlich China auslöste, ist falsch, oder<br />

zumindest unvollständig.<br />

Denn Bordeaux war schon immer ein Spekulationsmarkt,<br />

seit Ende des 17. Jahrhunderts<br />

der New French Claret »erfunden« wurde. Im<br />

18. Jahr hundert erzielten Château-Besitzer wie<br />

der Marquis de Ségur, der »Prince des Vignes«,<br />

Umsatz renditen von sechzig Prozent. Und der<br />

erste Bordeaux-Jahrgang, der in Amerika einen<br />

großen Auftritt hatte, war schon der von 1959. Zur<br />

Zeit eines Wall-Street-Booms war das der erste<br />

Ripe-for-Investment-Jahrgang der Nachkriegszeit,<br />

und er begründete die langjährige amerikanische<br />

Vormachtstellung über Bordeaux. Tatsächlich<br />

spielt für Preis positionierung und Abverkauf eines<br />

56 57<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Bordeaux


Für Michel Rolland, den streitbaren französischen Önologen, gilt beim Wein wie im Leben:<br />

»Harmonie entsteht<br />

auch aus Dissonanzen«<br />

Von Christian Volbracht<br />

Fotos Arne Landwehr<br />

In der Weinwelt von Michel Rolland gibt es kein Deutschland. Auf den Karten in seinen jetzt<br />

er schienenen Erinnerungen sind Frankreich, Spanien, Italien, die Vereinigten Staaten, Argentinien<br />

und Chile eingezeichnet, sogar Indien, Mexiko, Marokko, China und Bulgarien, aber kein deutsches<br />

Weinbaugebiet, kein Rheingau, kein Franken oder Rheinhessen. »Leider hat mich niemand<br />

aus Ihrer Region angerufen und um Beratung gebeten«, sagt der Siebenundsechzigjährige und lacht<br />

ent waffnend eine Runde deutscher Spitzenwinzer an.<br />

98 99<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Bordeaux


FRAUEN IM WEIN EINUNDZWANZIGSTE FOLGE<br />

Pascale Peyronie: »Letztlich ist<br />

alles nur Passion und Arbeit«<br />

Von Riesen<br />

umzingelt<br />

Pascale Peyronie von Château Fonbadet<br />

kämpft – aber nicht auf verlorenem Posten<br />

Ambitioniert: Château Fonbadet ist<br />

der Erstwein von Pascale Peyronie. Ihr<br />

neuestes Projekt, eine Cuvée, die noch<br />

besser werden soll, wird schlicht, aber<br />

ehrgeizig Château Pauillac heißen.<br />

Vor dem flachen Gebäude von Château Fonbadet stehen vier weiße Schafe im Gras – vier » Moutons« aus<br />

Kunstharz mit hohem symbolischen Wert. Sie zeigen, dass sich das kleine Weingut der Familie Peyronie<br />

am Rand von Pauillac am liebsten mit den ganz großen Spitzengütern vergleicht, vor allem mit Mouton-<br />

Rothschild. Im Jahr 2002 tauschte man sogar drei Hektar Rebfläche mit dem legendären Château. »Nun<br />

gibt es Mouton auf Fonbadet«, sagt Pascale Peyronie stolz. Eines der Schafe trägt das rote Label der<br />

Vignobles Peyronie auf dem Rücken. Die Neunundvierzigjährige mit den strahlenden Augen und dem<br />

fröhlichen Lachen leitet das Gut seit dreizehn Jahren und verfolgt diskret sehr ehrgeizige Ziele.<br />

Von Christian Volbracht<br />

Fotos Johannes Grau<br />

Mouton-Rothschild und die anderen<br />

großen Güter des Médoc sind für die<br />

selbstbewusste Französin Ansporn und<br />

Ärgernis zugleich. Denn Château Fonbadet ist bei<br />

der ersten großen Klassifizierung der besten Médoc-<br />

Weingüter im Jahr 1855 nicht berücksichtigt worden.<br />

Preislich firmierte der Cru »De Gères à Fonbadet«,<br />

wie das Gut nach dem damaligen Besitzer hieß,<br />

schon seit 1838 unter den vier Dutzend Besten der<br />

Médoc-Rangliste. Es lag damit viel weiter vorn als<br />

andere Güter, die sich später mit dem Titel Grand<br />

Cru Classé schmücken durften.<br />

Die Klassifizierung von 1855 sei nun mal das<br />

Ergebnis von Berechnungen arithmetischer oder<br />

politischer Art gewesen, sagt Pascale Peyronie:<br />

»Entscheidend war, dass das Weingut kein selbständiges<br />

Besitztum war und rechtlich zum Eigentum<br />

von Château Latour gehörte.« So muss sich das Gut<br />

seitdem mit dem Titel eines Cru Bourgeois, eines<br />

bürgerlichen Gewächses, begnügen. Für Pascale<br />

Peyronie ist das nicht von größter Wichtig keit:<br />

»Wir sind zuerst Pauillac, dann Fonbadet und dann<br />

Cru Bourgeois.« Außerdem billigen Autori täten<br />

wie Robert Parker Château Fonbadet auch heute<br />

den höheren Rang zu. »In bestimmten Jahren«,<br />

schrieb Parker, »kann der Wein so manchen Cru<br />

Classé in Pauillac überflügeln«.<br />

Zum Selbstverständnis von Pascale Peyronie<br />

gehören neben den Schafen am Eingang weitere<br />

lustige Kunststoff-Symbole. Im Empfangsraum des<br />

104 105<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Frauen im Wein


Im sommerlich heiteren Schlosspark von Salem genoss Prinz<br />

Bernhard von Baden mit seinen Gästen, rund vierzig Winzern<br />

und Weinfachleuten, einen festlichen Tag mit Müller-Thurgau aus<br />

Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz.<br />

<strong>Das</strong><br />

Müller-<br />

Thurgau-<br />

Manifest<br />

»Kein anderer Wein steht so<br />

für die Leichtigkeit des Seins«<br />

Von Rainer Schäfer<br />

Fotos Johannes Grau<br />

Prinz Bernhard von Baden hatte Ende Juni 2<strong>01</strong>4 an den Bodensee auf<br />

Schloss Salem geladen, und seinem Ruf folgten fast vierzig Winzer, Sommeliers,<br />

Händler und Weinliebhaber. Um nur einige zu nennen: Aus der<br />

Schweiz reisten Ines Rebentrost und Philipp Gfeller vom Schlossgut Bachtobel<br />

an, Thomas Kemmler kam vom Weingut Endrizzi aus dem Trentino; Sandra<br />

Sauer aus Franken, Wilhelm Weil aus dem Rheingau und Joachim Heger vom<br />

Kaiserstuhl. Im Schlossgarten am Ufer des Bodensees versammelte sich unter<br />

Linden reichlich Weinprominenz an weiß gedeckten Tischen. Aber wenn<br />

das Weingut Markgraf von Baden einlädt, dann kann es nur einen Star geben:<br />

Müller-Thurgau. Eine international besetzte Verkostung, die diese Rebsorte in<br />

den Mittelpunkt stellt, das gibt es selten in einer Weinwelt, in der sich vieles<br />

um die vermeintlich großen und immer gleichen Weine dreht.<br />

Die Familie der Markgrafen von Baden hat eine ganz besondere Liebesbeziehung<br />

zum Müller-Thurgau, sie kultiviert ihn schon seit Mitte der 1920er<br />

Jahren. Damals war es schlecht bestellt um den Weinbau am Bodensee. Missernten<br />

machten den Winzern zu schaffen, angebaut wurde vor allem Elbling,<br />

ein saurer Wein mit wenigen Vorzügen. In der Markgräflichen Familie war man<br />

überzeugt, dass der früh reifende Müller-Thurgau die Not lindern und den<br />

maroden Weinbau kurieren könnte. Bei der Einführung der Rebe am Bodensee<br />

tat sich besonders der damalige Gutsverwalter Johann Baptist Röhrenbach<br />

hervor. In einer Aprilnacht 1925 wurde die Hoffnungsrebe heimlich über<br />

den See aus der Schweiz geschmuggelt. Ein riskantes Unternehmen, das sich<br />

jedoch bezahlt machen sollte. Die Rebe Müller-Thurgau war zwar 1882 von<br />

Professor Hermann Müller, einem Schweizer, der aus Tägerwilen im Kanton<br />

Thurgau stammte, in Geisenheim am Institut für Pflanzenphysiologie gezüchtet<br />

worden. Ihr Anbau war aber in deutschen Weingärten nicht erlaubt. Deshalb<br />

wurde sie zunächst heimlich am Bodensee gepflanzt. »Müller-Thurgau<br />

hat den Weinbau am See gerettet«, sagt Bernhard Prinz von Baden, der das<br />

dunkle Kapitel dieser Rebsorte nicht ausblenden will: In den späten 1950er<br />

Jahren war sie gnadenlos als Massenträger missbraucht worden. Müller- Thurgau<br />

wurde zum Sündenbock, zur Fratze einer billigen Massenproduktion. Seitdem<br />

ist Müller-Thurgau eine in Deutschland gemeinhin geringgeschätzte Rebsorte,<br />

Gelegenheit, ihre Qualitäten zu zeigen, bekam sie nur selten. »Die Winzer<br />

haben ihn kaputt gemacht«, sagt Joachim Heger. »Müller-Thurgau hat viel<br />

mehr Charakter als vermutet.«<br />

Heute weiß man, dass die Rebe über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügt:<br />

Sie versteht es, auf subtile Art den Charakter der Weinlandschaften zu vermitteln.<br />

Im Thurgau zeigt sie fruchtige Frische, in Franken eine erdige Feinwürzigkeit,<br />

in Sachsen pure Reinheit. Gerade im kühlen Grenzklima auf kargen Böden<br />

kann sie ihr Profil ausbilden. Keine andere Rebe passt so gut an den Bodensee<br />

wie Müller-Thurgau, hier findet er optimale Bedingungen. In Höhenlagen wie<br />

der Birnauer Kirchhalde stehen die Reben auf verwittertem Moränen gestein,<br />

das den Trauben eine besonders filigrane Aroma ausprägung verleiht. In keinem<br />

anderen Wein werden die Seele und der Charakter der Landschaft so wie im<br />

Müller-Thurgau erkennbar. Gerade beim Weingut Markgraf von Baden zeigt<br />

sich das tiefe Verständnis dieser Rebsorte, das sich über Jahrzehnte entwickeln<br />

konnte, hier beeindruckt Müller-Thurgau, alles Laute meidend, durch faszinierende<br />

Feinheit und Feingliedrigkeit.<br />

Fünfundfünfzig Weine aus Italien, Österreich, Deutschland und der<br />

Schweiz konnten im Schlosspark zu Salem verkostet werden, sie belegten<br />

die beeindruckende Vielfalt, die diese Rebsorte ihren Winzern<br />

er möglicht: Vom frisch-fruchtigen Alltagswein über die anspruchsvollkomplexe<br />

Barrique-Variante bis zum sinnlich-konzentrierten Eiswein – Müller-<br />

Thurgau, der gelegentlich auch Rivaner genannt wird, kann viele Facetten ausbilden,<br />

die ihm oft nicht zugetraut werden. Müller-Thurgau ist ein leiser Wein,<br />

der den Dränglern und Draufgängern gern den Vortritt lässt. Seine zurückhaltende<br />

Noblesse wurde ihm oft als Schwäche ausgelegt. Doch sie ist seine<br />

Stärke, die immer deutlicher hervortritt angesichts eines Weinverständnisses,<br />

in dem zu oft die olympische Direktive »höher, schneller, weiter« gilt.<br />

Im Streben nach Gigantismus wird dabei auch die schmale Grenzlinie überschritten,<br />

die Genussfreude markiert. Ausgerechnet für Wilhelm Weil, der<br />

hundert prozentig auf Riesling baut, ist Müller-Thurgau die notwendige Alternative<br />

zu über züchteten Kraftweinen: »Er ist kein Getränk für die Kathe drale,<br />

aber ein traumhaft schöner Kapellenwein. Er steht wie kein anderer für die<br />

Leichtig keit des Seins.«<br />

Noch immer wird Müller-Thurgau unterschätzt und als Mauerblümchen<br />

belächelt. Um seine Vorzüge zu wissen, ist das eine. Sie nach außen zu tragen,<br />

das andere: »Wir müssen etwas für ihn tun, ihn aus seiner Ecke herausholen«,<br />

fordert der engagierte Bernhard Prinz von Baden. Darüber, dass es lohne, sich<br />

für diese Rebe weiter ins Zeug zu legen, waren sich alle Winzer einig, länderüber<br />

greifend: In Salem wurde das Müller-Thurgau-Manifest, das erste seiner<br />

Art, vorgelegt, das versucht, dieser stigmatisierten Rebe endlich gerecht zu<br />

werden. »Wir verpflichten uns«, so beginnt das Strategiepapier, »dem Müller-<br />

Thurgau aufgrund seiner weingeschichtlichen Bedeutung, aber vor allem wegen<br />

seines Qualitätspotentials als hochklassige Rebsorte die ihm gebührende Aufmerksamkeit<br />

zu widmen.« <strong>Das</strong> Manifest, das inhaltlich weiter ausgearbeitet<br />

werden soll, ist als entschlossenes Plädoyer gedacht für eine Rebe, die längst<br />

kein Mauerblümchen mehr ist. Joachim Heger, der als Letzter eintraf und als<br />

Erster das Manifest unterzeichnete, versprach gar euphorisch, den kompletten<br />

Ihringer Winklerberg – seine allerbeste Lage – mit Müller-Thurgau bestocken<br />

zu lassen. So weit wird es nicht kommen, aber der Winzer vom Kaiserstuhl<br />

will dabei sein, wenn man sich zum ersten Symposium versammelt, das<br />

in diesem Jahr stattfinden soll. Die internationale Allianz für Müller-Thurgau<br />

hat sich formiert: Ihm zu dem Renommee zu verhelfen, das ihm zusteht, wird<br />

noch ein weiter Weg sein. Aber die erste Etappe ist geschafft. »Wir haben die<br />

einmalige Chance, ihn als wertvolle Rebsorte zu etablieren«, sagt Bernhard<br />

Prinz von Baden. •<br />

120 121<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Tasting


Dem Zufall<br />

wird nichts<br />

überlassen<br />

Christian Dautel leitet mit grossem Erfolg das<br />

Weingut Dautel in Bönnigheim. Er baut dabei auf<br />

seine vielfältigen Erfahrungen aus der ganzen<br />

Welt, auf sein unübersehbares Talent und auf die<br />

Lebensleistung seines Vaters.<br />

Von Martin Wurzer-Berger<br />

Fotos Christof Herdt<br />

144 145<br />

<strong>FINE</strong> 1 | 2<strong>01</strong>5 <strong>FINE</strong> Württemberg


cellini dual time<br />

DIE KLASSISCHE ROLEX ARMBANDUHR<br />

—<br />

rolex präsentiert die neue cellini kollektion, eine moderne huldigung an den<br />

klassizismus und die immerwährende eleganz traditioneller zeitmesser. diese neue<br />

kollektion umfasst zwölf klassisch inspirierte modelle, in denen sich das know-how<br />

und die perfektionsansprüche von rolex aufs beste mit einem ansatz ergänzen,<br />

der dem uhrmacherischen erbe in seiner zeitlosesten form die reverenz erweist.

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