Herzlich willkommen in der Schöpfung Gottes
Gemeindebrief
Gemeindebrief
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Vor 50 Jahren starb Mart<strong>in</strong> Buber<br />
Foto: epd-bild/Keystone<br />
20<br />
"Alles wirkliche Leben ist Begegnung“<br />
"Wo wohnt Gott?" fragte e<strong>in</strong> Rabbi irgendwo <strong>in</strong> Osteuropa<br />
e<strong>in</strong>ige gelehrte Männer, die<br />
bei ihm zu Gast waren. Sie zeigten<br />
sich überrascht, dann lachten sie:<br />
"Wie redet Ihr! Ist doch die Welt<br />
se<strong>in</strong>er Herrlichkeit voll!" Aber <strong>der</strong><br />
Rabbi schüttelte den Kopf und<br />
sagte nachdenklich, wie zu sich<br />
selbst: "Gott wohnt, wo man ihn<br />
e<strong>in</strong>lässt!"<br />
Solche Geschichten erzählte <strong>der</strong><br />
vor fünfzig Jahren, am 13. Juni 1965, gestorbene jüdische<br />
Religionsphilosoph Mart<strong>in</strong> Buber zu Hun<strong>der</strong>ten, sie<br />
werden noch heute gern gelesen. In den Geschichten<br />
<strong>der</strong> Chassidim, <strong>der</strong> ostjüdischen Frommen, fand er e<strong>in</strong>e<br />
Glaubenshaltung, die nicht nur se<strong>in</strong>em gepe<strong>in</strong>igten Volk<br />
half, die Schrecken des Holocaust-Jahrhun<strong>der</strong>ts zu<br />
überstehen.<br />
Denn dar<strong>in</strong> steckt e<strong>in</strong>e Ermutigung für alle, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
gottfernen Welt glauben wollen und zweifeln müssen:<br />
begeisterte Freude an Gott, aber auch e<strong>in</strong>e realistische<br />
Weltfrömmigkeit, die <strong>Gottes</strong> Herrlichkeit im ganz<br />
normalen Alltag entdeckt und se<strong>in</strong>e Nähe im Schmerz.<br />
Mart<strong>in</strong> Buber gilt als <strong>der</strong> Philosoph <strong>der</strong> Begegnung: Der<br />
Mensch wird erst dann richtig Mensch, wenn er lernt,<br />
Du zu sagen. Der ganze Mensch kommt nur <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Beziehung zustande, denn hier behandeln Lebewesen<br />
e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> nicht mehr als Sachen, als „Es", son<strong>der</strong>n<br />
nehmen sich als "Ich" und "Du" wahr, als Mitgeschöpfe,<br />
Geschwister, aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> angewiesen, e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bereichernd.<br />
Buber: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung."<br />
Nur folgerichtig, dass für Mart<strong>in</strong> Buber auch die Religion<br />
den Charakter e<strong>in</strong>er Beziehung an-nimmt: Religion<br />
als Gespräch zwischen Himmel und Erde, als Partnerschaft<br />
mit e<strong>in</strong>em den Menschen anredenden und<br />
ansprechbaren Gott. Gewiss, ke<strong>in</strong> Menschenwort sei<br />
so missbraucht worden wie dieses:<br />
"Sie morden e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und sagen ‚<strong>in</strong><br />
<strong>Gottes</strong> Namen‘." Aber wenn die<br />
Menschen von Gott nicht mehr<br />
sprechen wie von e<strong>in</strong>em fernen<br />
Tyrannen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er toten Ideologie,<br />
son<strong>der</strong>n "Du" zu ihm sagen,<br />
dann werden sie den wirklichen,<br />
liebevollen Gott f<strong>in</strong>den.<br />
Zur gegenwärtigen Stunde sei<br />
Gott nur <strong>in</strong> verhüllter Gestalt anwesend; das müsse<br />
man akzep- tieren, tapfer, vertrauend. Wem das gel<strong>in</strong>gt,<br />
für den beg<strong>in</strong>nt die F<strong>in</strong>sternis zu leuchten, und er<br />
begegnet mitten im Dunkel e<strong>in</strong>em Gott, <strong>der</strong> ihn verwandelt.<br />
Der Religionsphilosoph Mart<strong>in</strong> Buber starb vor 50 Jahren, am 13.<br />
Juni 1965, <strong>in</strong> Jerusalem. Buber galt im Judentum zunächst als<br />
exzentrischer Eigenbrötler und Abweichler von <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en<br />
Glaubenslehre. Er hat <strong>der</strong> Welt die Grundlagen des Judentums<br />
verständlicher gemacht und die Basis für den christlich-jüdischen<br />
Dialog gelegt.<br />
Christian Feldmann