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SOCIETY 367 / 2015

Nr. 367 I Nr. 1 - 2015

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USA<br />

INTERVIEW<br />

Welche Chancen und<br />

Risiken gibt es für<br />

Österreich mit dem<br />

Abschluss des Transatlantischen<br />

Freihandelsabkommens<br />

TTIP zwischen<br />

der EU und den USA?<br />

Wesentlich mehr Chancen als Risiken! Österreichs<br />

Wohlstand hängt zu einem großen<br />

Teil von seiner erfolgreichen Exportwirtschaft<br />

ab. Ein leichterer Zugang zum amerikanischen<br />

Markt – durch den Abbau zeitraubender und<br />

teurer Zulassungsverfahren – würde vielen kleineren<br />

und mittleren Unternehmen neue Absatzchancen<br />

eröffnen. Darüber hinaus haben Europa<br />

und die USA ein großes strategisches Interesse an<br />

der Festigung und Weiterentwicklung des Freihandelssystems.<br />

Anderen, zunehmend wichtigeren<br />

Akteuren der Weltwirtschaft würde es wohl<br />

deutlich leichter fallen, weniger liberale Spielregeln<br />

durchzusetzen. Wir wissen aus Erfahrung,<br />

dass ein freierer Handel kein Nullsummenspiel<br />

ist, bei dem der Gewinn des Einen einen Verlust<br />

beim Anderen bedingt, sondern alle Beteiligten<br />

gewinnen. Natürlich wird der höhere Wettbewerb<br />

auch einzelne Betriebe oder Branchen unter<br />

Druck bringen, gesamtwirtschaftlich würden<br />

die Vorteile aber deutlich überwiegen.<br />

Die Risiken, die von den Gegnern des Abkommens<br />

ins Treffen geführt werden, halten<br />

entweder einer sachlichen Überprüfung nicht<br />

stand oder sind in den – sehr schwierigen – Verhandlungen<br />

zu bewältigen. Es gibt berechtigte<br />

Schutzinteressen, für die wir selbstverständlich<br />

kämpfen werden. Das mit Abstand größte Risiko<br />

besteht jedoch im Nichtstun und in protektionistischen<br />

Reflexen. Jetzt haben wir es in der Hand,<br />

die wirtschaftliche Zukunft positiv mitzugestalten.<br />

Diese Chance sollten wir nützen.<br />

Von welcher Tragweite sind die Enthüllungen<br />

über die NSA-Ausspähungen in Österreich?<br />

Wie stark ist Österreich betroffen?<br />

Das ist für mich nicht wirklich abschätzbar,<br />

soweit es die nachrichtendienstliche Tätigkeit betrifft.<br />

Politisch gibt es aus solchen Enthüllungen<br />

immer einen Kollateralschaden. Auch die seit den<br />

Snowden-Enthüllungen hier in den USA intensiv<br />

geführte Debatte zeigt das ganze Dilemma. 9/11<br />

stellt für den Sicherheitsapparat der USA nach<br />

wie vor ein riesiges Trauma dar. Die sprunghafte<br />

Entwicklung der Elektronik hat die Möglichkeiten<br />

des „Abschöpfens“ von Informationen – aber auch<br />

die Kapazitäten terroristischer oder krimineller<br />

Täter – exponentiell ansteigen lassen. Die Schlüsselfrage<br />

haben schon die alten Römer gestellt: Wer<br />

überwacht die Überwacher? Der Schutz der Privatsphäre<br />

ist eine der großen Errungenschaften<br />

im Kampf um die Grund- und Freiheitsrechte, auf<br />

denen sowohl das heutige Europa als auch die USA<br />

aufgebaut sind. Die Bürgerinnen und Bürger fordern<br />

daher zu Recht, dass ihre persönlichen Daten<br />

»Es gilt, die<br />

richtige Balance<br />

zwischen<br />

Vertrauen und<br />

Kontrolle zu<br />

finden.<br />

«<br />

Hans Peter<br />

Manz<br />

über die NSA-<br />

Ausspähungen<br />

ÜBER DIE<br />

BOTSCHAFT<br />

Das Botschaftsgebäude<br />

der österreichischen<br />

Botschaft in Washington<br />

D.C. wurde am 26. Oktober<br />

1991 eröffnet. Der Architekt<br />

war Leopold Boeckl, Sohn<br />

des berühmten österreichischen<br />

Malers Herbert<br />

Boeckl. Das Zentrum<br />

des Gebäudes bildet ein<br />

großzügiges von Tageslicht<br />

erhelltes Atrium mit über<br />

450 Quadratmetern Größe.<br />

Es dient als Veranstaltungsraum<br />

mit Platz für<br />

vierhundert Gäste.<br />

geschützt werden. Andererseits fordern sie ebenso<br />

zu Recht, dass auch über Grenzen hinweg effizient<br />

kooperiert wird, um die organisierte Kriminalität<br />

und den Terrorismus zu bekämpfen. Auch wenn<br />

man noch so entrüstet ist, dass man von einem befreundeten<br />

Land ausgespäht wird, gibt es zu einer<br />

Zusammenarbeit keine Alternative. Die richtige<br />

Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle zu finden,<br />

ist eine echte Herausforderung, der man sich<br />

mit kühlem Kopf stellen sollte.<br />

Wie entwickeln sich die Beziehungen zwischen<br />

Österreich und den USA derzeit?<br />

Die Beziehungen bewegen sich in einem ruhigen<br />

Fahrwasser. Für mich hat das Vor- und Nachteile:<br />

zum Einen ist es natürlich gut, dass wir keine<br />

offenen Probleme haben; zum Anderen fände<br />

ich natürlich noch intensivere Kontakte wünschenswert<br />

(sonst hätte ich wohl meinen Beruf<br />

verfehlt). Angesichts der zahlreichen Krisen gibt<br />

es auf amerikanischer Seite eine lange Liste von<br />

Ländern und Themen, die notgedrungen eine höhere<br />

Priorität haben. Auf allen anderen Ebenen<br />

entwickeln sich die Beziehungen sehr gut. Hohe<br />

Zuwachsraten bei den österreichischen Exporten,<br />

große Beliebtheit Österreichs als Reiseziel,<br />

nicht zuletzt auch in Verbindung mit Essen und<br />

Trinken, sowie das sehr ausgeprägte Interesse am<br />

Kulturleben. Auch wenn es das „Sound of Music“-<br />

Klischee nach wie vor gibt, wird es doch immer<br />

häufiger durch das Bewusstsein ergänzt, dass<br />

Österreich heute auch ein innovativer Industriestandort<br />

mit großer High Tech Kompetenz – nicht<br />

zuletzt im Bereich grüner Technologien – ist.<br />

Die Präsidentschaftswahlen im Herbst 2016<br />

werfen bereits die ersten Schatten voraus. Welche<br />

Chancen sehen Sie, dass es die erste Frau im<br />

Präsidentenamt geben wird?<br />

Ich halte es jedenfalls für sehr wahrscheinlich,<br />

dass von der Demokratischen Partei eine<br />

Frau nominiert wird. Ihre Chancen würde ich<br />

derzeit auf 50:50 einschätzen. Noch zeichnet sich<br />

nicht klar ab, wer auf republikanischer Seite ins<br />

Rennen geschickt wird. Offen ist auch, wie stark<br />

der traditionelle Trend der amerikanischen Wähler<br />

zum Wechsel diesmal sein wird. Drei Amtsperioden<br />

für Vertreter derselben Partei hintereinander<br />

sind extrem selten. Die wahrscheinliche<br />

demokratische Kandidatin war zudem lange<br />

prominent in der Obama-Administration tätig.<br />

Wahlentscheidend – neben dem Vermeiden von<br />

Fehlern und Skandalen – werden erfahrungsgemäß<br />

das wirtschaftliche Umfeld und der Grad der<br />

Wählermobilisierung sein. Was ich ausdrücken<br />

möchte ist, dass im konkreten Fall das Element<br />

„weiblicher Präsident“ eine deutlich geringere<br />

Bedeutung hat, als das bei anderen Kandidatinnen<br />

der Fall wäre. Die einzige sicher Vorhersage:<br />

es wird der teuerste Präsidentschaftswahlkampf<br />

aller Zeiten und er wird auch noch deutlich stärker<br />

über die elektronischen Medien und sozialen<br />

Netzwerke laufen.<br />

•<br />

<strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2015</strong> | 39

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