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Die alte, verglaste Front wurde mit Aluminiumplatten<br />
verdeckt, die nur kleine,<br />
schlitzartige Einsichten ermöglichen,<br />
was die Neugier der Passanten anregen<br />
soll. Und das tut es auch: Es kommen<br />
mehr und mehr Besucher in das kleine,<br />
aber feine Museum.<br />
Besucherzahlen sind etwas, um das<br />
sich Otto Wiesenthal nur wenig Gedanken<br />
machen muss. Sein durch persönlichen<br />
Charme und individuelle<br />
Gestaltung<br />
bezauberndes Hotel<br />
Altstadt Vienna im 7. Bezirk wäre das,<br />
was man einen Geheimtipp nennen<br />
würde – wenn es sich nicht schon so weit<br />
herumgesprochen hätte, dass die Zimmer<br />
meist ausgebucht sind. <strong>Der</strong> rührige<br />
Hotelier war Manager in der Computerindustrie,<br />
bevor er sich 1991 in einem<br />
gediegenen <strong>Wien</strong>er Mietshaus 24 Zimmer<br />
auf vier Etagen kaufte und nach und<br />
nach weitere Flure in dem Eckhaus erwarb.<br />
Sein Erfolgsrezept: „Ich gestalte<br />
nicht selbst. Ich habe mal ein Zimmer<br />
eingerichtet – das war nichts!.“ Also hat<br />
er die Räume <strong>von</strong> österreichischen (dem<br />
Damen-Duo Polka) und internationalen<br />
Designern (dem Südtiroler Matteo<br />
Thun) in so persönlich und individuell<br />
gestaltete Interieurs verwandeln lassen,<br />
dass manche Gäste über Monate hierbleiben.<br />
Wiesenthal selbst sucht nur<br />
noch die Leuchten aus und steuert die<br />
Kunst aus seiner Sammlung bei.<br />
Neben dem Duo Polka bietet <strong>Wien</strong><br />
noch eine weitere attraktive gestalterische<br />
Zweckgemeinschaft: die brünetten,<br />
blitzblauäugigen Designerinnen Sofia<br />
Dottings<br />
206 A &W 5/10<br />
1 2<br />
Podreka und Katrin Radanitsch, die aus<br />
zungenbrecherischer Hinsicht verständlicherweise<br />
nicht unter ihren eigenen<br />
Namen firmieren wollen. Sie sind die<br />
Dottings. „Das hat keine Bedeutung“,<br />
grinst Sofia, „aber es ist eingängig und<br />
lässt sich leicht merken.“ „Und es steckt<br />
viel drin“, ergänzt Katrin. „Die Wörter<br />
do und dot – es hat etwas mit machen zu<br />
tun, und man kann es mit dem Internet<br />
in Verbindung bringen.“ Außerdem hört<br />
es sich auch ein bisschen nach dem Gelben<br />
vom Ei an (Dotter), was durchaus eine<br />
gewünschte Assoziation wäre. Die<br />
Dottings machen klassisches Industriedesign.<br />
„Das ist sinnvoller als künstlerische<br />
Autorenstücke“, findet Katrin. „Wir<br />
sind eher an der Serienproduktion interessiert.<br />
Da kann man als Designer einfach<br />
mehr bewirken.“<br />
Ihr aktuelles Großprojekt ist eine Serie<br />
neu gestalteter<br />
Emaille-Kochtöpfe<br />
für das Traditionsunternehmen<br />
Riess aus Niederösterreich. „Die Produkte<br />
bestehen aus nur einem Material.<br />
Sehr nachhaltig!“, bemüht Sofia ein immer<br />
wichtiger werdendes Argument.<br />
Leider können sie nicht ausführlicher<br />
<strong>von</strong> den Vorzügen der Töpfe schwärmen<br />
– sie müssen jetzt zu einer Präsentation<br />
für ihre Straßenlaternen, die demnächst<br />
in einigen <strong>Wien</strong>er Bezirken aufgestellt<br />
werden. Aber am nächsten Tag könne<br />
man sich noch mal treffen, am liebsten<br />
im Pavillon des Volksgartens. „Dort gehen<br />
wir gern auch mal zur Mittagspause<br />
hin und lassen kurz die Seele baumeln“,<br />
1 Museum für Angewandte Kunst In einem<br />
Raum wurden Textbänder der Amerikanerin<br />
Jenny Holzer zwischen Wand und Decke installiert.<br />
2 Volksgarten <strong>Der</strong> Pavillon, wie das<br />
Interieur des Kaffeehaus Prückl ein Entwurf<br />
<strong>von</strong> Oswald Haerdtl, ist ein lauschiger in der<br />
Inneren Stadt. Sitzen da nicht die Dottings?<br />
sagen beide Gestalterinnen unisono. In<br />
der Inneren Stadt ist kaum ein idyllischerer<br />
Ort vorstellbar. <strong>Der</strong> Pavillon wurde<br />
<strong>von</strong> Oswald Haerdtl entworfen, der,<br />
wie schon beschrieben, das Interieur des<br />
Kaffeehaus Prückl gestaltet hat.<br />
Bleibt noch zu klären, was es mit dem<br />
Breaded Escalope auf sich hat. Das<br />
gleichnamige Designtrio hat sein Studio<br />
in Ottakring, das ist der 16. Bezirk außerhalb<br />
des Gürtels. „So ein bisschen Berlin<br />
Kreuzberg“, versucht Michael Tatschl<br />
den Stadtteil einzuordnen. Das bedeutet:<br />
Es gibt hier mehr Kebab-Buden als traditionelle<br />
<strong>Wien</strong>er Gasthäuser. Doch gleich<br />
neben dem Studio gibt es die Brauerei<br />
Ottakringer mit Schankstube. „Hier<br />
sind wir genau richtig“, findet Martin<br />
Schnabl. Die zwei haben sich mit dem<br />
Dritten im Bunde, Sascha Mikel, einen<br />
Namen mit originellen Design-Performances<br />
gemacht. Zum Beispiel dieser:<br />
Eine euterförmige Silikonhülle gefüllt<br />
mit Zwei-Komponenten-Harz wird eingespannt<br />
in eine stabile Kugel, die dann<br />
durch Stadt, Land, Fluss gerollt wird,<br />
eine Stunde lang, bis der Harz gehärtet<br />
ist. Ergebnis: ein individuell geformter<br />
Sitz, der in limitierter Stückzahl vervielfältigt<br />
und als „Clone Stool“ zum Kauf<br />
angeboten wird. So gibt es ein <strong>Wien</strong>er<br />
Original, ein Mailänder, ein Londoner<br />
und ein Berliner. Bis jetzt.<br />
Breaded Escalope<br />
Ihre weiteren Objekte: der berühmte<br />
Ulmer Hocker in die Länge gezogen – er<br />
fungiert damit als Stehpult. Und eine<br />
Uhr, die die aktuelle Zeit nur anzeigt,<br />
wenn einer an der Strippe zieht. Da<br />
bleibt sie dann stehen – bis zum nächsten<br />
Zug. „Damit man nicht mit ständig<br />
neuen Uhrzeiten genervt wird.“<br />
Ein bisschen Spaß darf sein, ist auch<br />
das Motto der Breaded Escalopes. Ach ja,<br />
der Name. Den fanden sie auf der Speisekarte<br />
eines Restaurants auf der Hannover<br />
Messe: Es ist die englische Übersetzung<br />
für <strong>Wien</strong>er Schnitzel.