Oeverblick Broschüre Inklusion
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<strong>Inklusion</strong> | Region<br />
Der <strong>Inklusion</strong> auf der Spur<br />
Justin Bock führte in seinem Schulpraktikum beim Överblick Interviews zum Thema <strong>Inklusion</strong><br />
Der Begriff <strong>Inklusion</strong> findet<br />
derzeit zunehmend<br />
auch über Fachkreise hinaus<br />
Verbreitung. Durch die Praktikumsanfrage<br />
des fünfzehnjährigen<br />
Justin Bock aus<br />
Achim wurde das Thema<br />
auch für den Överblick aktuell.<br />
Justin sitzt im Rollstuhl<br />
und kann verbal nur mittels<br />
eines technischen Gerätes,<br />
eines sogenannten Talkers<br />
kommunizieren.<br />
Schwierige Voraussetzungen<br />
für ein Zeitungspraktikum, fanden<br />
wir, aber Justin meisterte die Aufgabe<br />
mit Bravour. Unterstützt<br />
wurde er dabei von seinem Betreuer<br />
Matthias Böttcher. Dieser<br />
begleitet Justin bereits seit<br />
sieben Jahren als Schulassistent<br />
der Lebenshilfe. Beide hatten bereits<br />
während des vorherigen<br />
Praktikums Erfahrungen in diesem<br />
Bereich gesammelt. Dazu<br />
waren sie im letzten Jahr bei Justins<br />
Lieblingsverein Werder Bremen<br />
und hatten dort Gelegenheit,<br />
Spieler und Verantwortliche zu interviewen.<br />
Aus den Mitschnitten<br />
der Gespräche wurde später ein<br />
Kurzfilm zusammengeschnitten,<br />
der unter dem Titel „Justin bei<br />
Werder“ bei Youtube zu finden<br />
ist.<br />
Alle Menschen in ihrer<br />
Individualität akzeptieren<br />
Da auch Justin der Begriff <strong>Inklusion</strong><br />
häufiger begegnet, beschloss<br />
er gemeinsam mit seinem<br />
Schulbetreuer, diesem Thema<br />
im Rahmen seines Överblick-Praktikums<br />
auf die Spur<br />
zugehen. Laut Online-Lexikon Wikipedia<br />
beschreibt <strong>Inklusion</strong> das<br />
Ziel, dass „jeder Mensch in seiner<br />
Individualität von der Gesellschaft<br />
akzeptiert wird und die<br />
Möglichkeit hat, in vollem Umfang<br />
an ihr teilzuhaben oder teilzunehmen.<br />
[...] <strong>Inklusion</strong> beschreibt dabei<br />
die Gleichwertigkeit eines<br />
Individuums, ohne dass dabei<br />
Normalität vorausgesetzt wird.“<br />
In Absprache mit der Överblick-Redaktion<br />
entwickelten Justin<br />
und Matthias einen Fragenkatalog<br />
zur <strong>Inklusion</strong> im Landkreis<br />
Verden und suchten sich<br />
geeignete Interviewpartner.<br />
Spezielle Technik hilft<br />
bei der Kommunikation<br />
Empfangen wurden die beiden<br />
dabei überall mit offenen Armen.<br />
Die anfängliche Unsicherheit, die<br />
mancherorts bei den Interview-<br />
Partnern zu spüren war, konnte<br />
meistens schnell durch die Begeisterung<br />
über die Computertechnik<br />
überbrückt werden, die<br />
Justin die Kommunikation erleichtert.<br />
Dabei filmen Infrarot-Kameras,<br />
die an ein Computerdisplay<br />
angeschlossen sind, die Pupillen<br />
von Justin. Wenn er auf dem Bildschirm<br />
für einige Zeit mit seinem<br />
Blick einen Buchstaben, ein Symbol<br />
oder ein ganzes Wort fixiert,<br />
erkennt dies die Kamera. Über<br />
ein spezielles Symbol kann Justin<br />
auslösen, dass die so gebildeten<br />
Sätze von einer freundlichen<br />
Im April 201 3 waren Justin Bock (rechts) und sein Schulbetreuer Matthias<br />
Böttcher in der Överblick-Redaktion zu Gast. Foto: js<br />
Computerstimme gesprochen<br />
werden.<br />
Die Fragen für die Överblick-Interviews<br />
wurden vorher in den<br />
Talker einprogrammiert und er<br />
musste sie dann nur noch an den<br />
entsprechenden Stellen seiner<br />
Gespräche aktivieren. Auf diese<br />
Weise wurden insgesamt 1 6 Interviews<br />
zum Thema <strong>Inklusion</strong><br />
geführt und dabei per Filmkamera<br />
festgehalten. Im Överblick-Büro<br />
zeigen und erklärten unsere<br />
beiden FÖJ*-Teilnehmerinnen<br />
Jennifer Schröder und Carina<br />
Bengsch Justin anschließend,<br />
wie aus den abgetippten Interviews<br />
am Computer mittels des<br />
Layoutprogramms Scribus eine<br />
<strong>Broschüre</strong> zusammengestellt<br />
wird, die wir anschließend als<br />
PDF-Datei ins Internet gestellt<br />
haben. Sie darf gern durch andere<br />
genutzt und auf andere Inter-<br />
Impressum<br />
Redaktion: Överblick, Eißeler Finkenburg 1 , 27321 Thedinghausen<br />
Fon 04204 / 6898003, Fax 004, oeverblick@verden-info.de,<br />
Internet bei www.verden-info.de<br />
Herausgeber: Överblick e.V., Carl-Hesse-Str. 24, Verden<br />
Anzeigen: Fa. F&R Druck (s.u.)<br />
Auflage: 6.500 Stück<br />
V.i.S.d.P. Uwe Ciesla, c/o Redaktion Överblick<br />
Titelblattgestaltung: Jennifer Schröder, Carina Bengsch<br />
MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Justin Bock, Matthias Boettcher/ Carina<br />
Bengsch (cb), Jennifer Schröder (js), Uwe Ciesla (uc)/<br />
Antje Gerhold, Fritz Stoll, Waltraud Mailahn/<br />
Alle MitarbeiterInnen sind über die Redaktions-Adresse zu erreichen.<br />
Der Överblick wird produziert unter Linux/Ubuntu.<br />
netseiten verlinkt werden. Sofern<br />
sich Sponsoren dafür finden, ist<br />
es auch denkbar, dass die <strong>Broschüre</strong><br />
zu einem späteren Zeitpunkt<br />
in gedruckter Form<br />
erscheint. Die gesamte Överblick-<br />
Redaktion war begeistert über die<br />
Zusammenarbeit mit Justin, die<br />
uns gleich auf mehreren Ebenen<br />
an das Thema <strong>Inklusion</strong> herangeführt<br />
hat. (uc)<br />
*FÖJ = Freiwilliges Ökologisches<br />
Jahr<br />
2<br />
Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Lutz Brockmann | Stadt Verden<br />
"Es ist eine große Bereicherung<br />
für alle Menschen"<br />
Bürgermeister Lutz Brockmann über <strong>Inklusion</strong> in der Stadt Verden<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Herzlich Willkommen, Justin. Ich freue mich, dass du mich besuchst<br />
und bin auch ein bisschen aufgeregt und interessiert, wie wir uns<br />
jetzt unterhalten dank dieser tollen Technik.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Faszinierend. Das ist ja klasse. Wie lange hast du gebraucht, um<br />
das zu lernen?<br />
Ein Jahr.<br />
Das ist eine komplizierte Technik, aber das ist ja toll, dass es das<br />
gibt.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Den kenn ich auch, den Överblick.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Die habe ich auch schon bekommen, dafür dankeschön.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Ich gebe mir große Mühe.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> ist, wenn man jeden Menschen wie einen Menschen wertschätzend<br />
behandelt – ganz egal ob er oder sie eine Behinderung<br />
hat oder welche Hautfarbe. Und das steht auch in unserem Grundgesetz:<br />
Jeder Mensch ist unantastbar. Jeder Mensch ist und bleibt<br />
ein Mensch.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Ich glaube da kann ich jetzt sehr viel zu sagen. <strong>Inklusion</strong> ist eine innere<br />
Haltung. Und da bemühe ich mich als Mensch sehr drum.<br />
Dann bin ich ja Bürgermeister der Stadt Verden. Da gibt es ganz<br />
viele Aspekte. Das beginnt beim Thema rollstuhlgerechte, barrierefreie<br />
Schulen und Kindertagesstätten. Wenn wir die umbauen, dann<br />
wird da immer Barrierefreiheit mit beachtet. Da ist der Umbau vom<br />
Rathausplatz, wo Barrierefreiheit hergestellt wird. Wir haben ja<br />
auch eine Homepage, die ist barrierefrei, damit eben auch das<br />
Ganze kontrastfrei ist. Was ganz wichtig ist, was wir als Stadt Verden<br />
machen: Wir haben eine Fortbildung im Bereich Kindergeld<br />
und Schulen, dass diese inklusive Haltung gefördert wird. Das<br />
muss man nämlich auch ein Stück weit auch lernen. Dann gibt es<br />
auch das Weser-Aller-Bündnis engagiert für Demokratie und Zivilcourage.<br />
Die engagieren sich gegen Rechtsextremismus. Und<br />
Rechtsextremismus ist ja eine Gedankengut, das anderen Menschen<br />
das Menschsein abspricht. Deshalb ist dieses Engagement<br />
für Demokratie und Zivilcourage sehr wichtig, wenn man sagt <strong>Inklusion</strong><br />
fördern. Das war jetzt komplizierte Sprache, aber wenn man<br />
sich das noch ein zweites Mal anhört oder liest, ist das für viele verständlich.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Es gibt ja einen Rechtsanspruch auf <strong>Inklusion</strong>. Der beginnt im Sommer.<br />
Ich glaube, das ist schon eine wichtiger Schritt. Trotzdem,<br />
glaube ich, sind die Veränderungen langsam, die kommen werden.<br />
Ich habe ja vorhin schon gesagt, ich glaube entscheidend ist nicht<br />
der Rechtsanspruch, sondern das zu leben, also zu lernen wie man<br />
<strong>Inklusion</strong> macht und auch <strong>Inklusion</strong> als eine Haltung anzunehmen.<br />
Nämlich eine wertschätzende Haltung gegenüber allen Menschen.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Es ist anstrengend, sich umzustellen als Mensch. Aber wenn man<br />
lernt, jedem Menschen, wertschätzend zu begegnen, dann ist es eine<br />
große Bereicherung für alle Menschen.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Ich glaube, dass so eine Interview, das heißt Information über <strong>Inklusion</strong>,<br />
eine große Hilfe ist. Und ich glaube, dass Fortbildung wichtig<br />
ist. Wir müssen das gemeinsam lernen.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ich danke auch. Ich hoffe, dass meine Antworten gut verständlich<br />
waren.<br />
4<br />
Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Katrin Block | Andreasschule<br />
"Wenn alle Menschen auf der Welt einfach<br />
nur als Mensch gesehen werden"<br />
Förderschullehrerin Katrin Block kennt Justin seit seiner Grundschulzeit<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Hallo Justin, das weiß ich, dass du Justin bist und dass du mit dem<br />
Talker redest. Und dass ich Katrin Block bin, das weißt du glaube<br />
ich auch schon. Kann ich dir ja aber auch nochmal erzählen. und<br />
ich kenne dich ja schon seit deiner Grundschulzeit. Ich bin die Förderschullehrerin,<br />
die das so ein bisschen mitbegleitet, wie du zur<br />
Schule gehst. Aber du hast glaube ich Fragen an mich, kann das<br />
sein? Das Interview, kann das sein?<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Auch das weiß ich. Du kannst mit dem Interview glaube ich anfangen.<br />
Dann steuer mal mit deinen Augen auf deine Interview-Fragen.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> ist für mich, wenn alle Menschen auf der Welt, von allen<br />
anderen Menschen, ob sie nun eine Behinderung haben oder nicht,<br />
einfach nur als Mensch gesehen werden. Das man sieht, dass ist<br />
Justin, und nicht dass man sieht, dass ist Justin im Rollstuhl. Das<br />
wär für mich <strong>Inklusion</strong>. Wenn man nur noch dich als Menschen sehen<br />
würde.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Nee, gibt’s im Moment noch nicht. Aber ich denke, dadurch dass<br />
das jetzt so auf den Weg gebracht ist, wird das immer mehr werden.<br />
<strong>Inklusion</strong> ist, wenn ein Mensch mit Handicap mit allen anderen<br />
Menschen gleichberechtigt in einer Gemeinschaft lebt. Kein<br />
Mensch soll wegen seiner Hautfarbe, Herkunft, Intelligenz,<br />
Krankheit, Armut, Größe oder Handicap benachteiligt werden.<br />
Gleiche Chancen für alle.<br />
Genau, das hast du dir zusammen gesucht. Das ist auch <strong>Inklusion</strong>.<br />
Das stimmt.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Ja, die bringt Veränderungen für mich, weil ich dann noch mehr Arbeit<br />
habe, weil sich zum Glück immer mehr Menschen damit auseinander<br />
setzen, dass die Kinder beschult werden. Nicht nur in<br />
Förderschulen, sondern in allen möglichen Schulformen und das<br />
bringt für mich mehr Arbeit.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Ich denke die bringt ganz viele Chancen, aber das wird noch ziemlich<br />
lange dauern, bis wir da angekommen sind, wo <strong>Inklusion</strong> eigentlich<br />
hinführen soll. Das wird noch ganz, ganz lange dauern.<br />
Aber der Weg ist gut.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Ja, hätte ich. Dass man das nicht nur für Schule in Angriff nimmt,<br />
sondern, dass man da auch noch mehr schon bei den Kindergärten<br />
anfängt. Je kleiner Kinder sind, wäre das so umzusetzen. Dass es<br />
für Kinder ganz normal ist miteinander zu leben. Das könnte man<br />
wirklich ganz schnell noch verbessern.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Habe ich gerne gemacht, Justin. Alles, alles Gute auch dir.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
5
Günter Lomberg | Andreasschule<br />
"Die Lehrer müssen sich intensiver um die<br />
Kinder mit Beeinträchtigungen bemühen"<br />
Förderschullehrer Günter Lomberg zur <strong>Inklusion</strong><br />
Guten Tag. Ich freue mich sehr, dass sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich bin Justin, bin<br />
1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zur Zeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarotkameras<br />
filmen meine Augenbewegungen. Ich spreche sozusagen<br />
mit meinen Augen. Ich kann mit diesem Talker auch ins<br />
Internet, E-Mails versenden und SMS schreiben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews zum Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen 5 Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten Sie in kurzen und einfachen Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Vielleicht stellen Sie sich kurz einmal vor.<br />
Mein Name ist Günter Lomberg, ich bin 58 Jahre alt, ich bin Förderschullehrer,<br />
und unterrichte seit 22 Jahren an der Andreasschule<br />
Verden.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> ist das Zusammenleben von Menschen mit Beeinträchtigungen<br />
und ohne Beeinträchtigungen.<br />
Gibt es jetzt belegte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Teilweise.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesen Sommer Veränderungen für Sie,<br />
und wenn ja, welche?<br />
Ja. Sie gibt Veränderungen. Die Lehrer müssen sich umstellen, die<br />
Lehrer müssen sich fortbilden, damit sie besser auf den Unterricht –<br />
gemeinsamen Unterricht – aller Kinder vorbereitet sind.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Die <strong>Inklusion</strong> ermöglicht allen Menschen eine Teilhabe am gemeinsamen<br />
Leben. Kein Mensch soll ausgegrenzt werden.<br />
Haben Sie Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Das deutsche, niedersächsische Schulsystem muss sich unbedingt<br />
ändern. Die Lehrer und Mitarbeiter müssen sich intensiver um die<br />
Kinder mit Beeinträchtigungen bemühen.<br />
Ich hoffe, dass die <strong>Inklusion</strong> dazu beiträgt, dass alle Menschen<br />
einen selbstbestimmtes und zufriedenes Leben führen können. Das<br />
ist eine große Aufgabe für alle LehrerInnen und Pädagogen. Sie<br />
müssen viel dazulernen. Ich kann mir vorstellen, dass sie dadurch<br />
langfristig eine seelische Entlastung erfahren, weil sie sich also jetzt<br />
auch mehr um die Kinder kümmern können, die schwierig lernen<br />
konnten. Und die Kinder die gut lernen können, profitieren davon,<br />
weil sie dort Kontakt mit allen Menschen haben.<br />
Das war's. Vielen vielen Dank für das Interview, und alles alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Prima. Angenehm kurz das Interview.<br />
6<br />
Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Peter Stenzel | Andreasschule<br />
"Überall soll die Chance auf<br />
Teilhabe möglich sein"<br />
Peter Stenzel ist Konrektor an der Andreasschule<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ja Justin, ich bin Her Stenzel, seit Oktober Konrektor an der Andreasschule<br />
und ich freue mich, dass du mich zum Interview gebeten<br />
hast.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Das ist interessant. Vielleicht schreibst du mir mal eine E-Mail? Ich<br />
gebe dir nachher meine E-Mailadresse, okay?<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
OK.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Ein deutsches Wort für <strong>Inklusion</strong> ist Teilhabe und damit ist gemeint<br />
Teilhabe in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Ein Bereich ist<br />
Schule, wo wir hier sind, ein anderer Bereich ist Freizeit, aber auch<br />
der Sozialbereich, Verkehr – überall soll die Chance auf Teilhabe<br />
möglich sein. Das ist <strong>Inklusion</strong>.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
In meinem Arbeitsbereich ist es so: Ich war vorher an der Erich-<br />
Kästner-Schule in Achim und dort gab es schon keinen Primarbereich<br />
mehr an der Förderschule. Das heißt alle Förderschüler von<br />
Klasse 1 bis 4 wurden an einer Grundschule gemeinsam mit allen<br />
anderen Schülern unterrichtet. Das ist gelebte <strong>Inklusion</strong>, so wie das<br />
Schulgesetz das jetzt inzwischen auch vorschreibt. Im Privatleben<br />
ist es so, ich bin in einem Sportverein – ich mache Bogenschießen.<br />
Und ich erlebe, dass dort alle Menschen willkommen sind. Jeder,<br />
der möchte, kann diesen Sport dort betreiben oder auch lernen.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Das Schulgesetz ist im letzten Jahr geändert worden und <strong>Inklusion</strong><br />
ist in den Schulen ab Sommer verbindlich vorgeschrieben. In meinem<br />
Job in der Schulleitung bin ich damit befasst, dass ich <strong>Inklusion</strong><br />
auch organisatorisch umsetzen muss, ich muss<br />
Personalplanung machen und muss dafür sorgen, dass das an den<br />
Schulen auch tatsächlich mit funktioniert.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Die Chance sehe ich da drin: Es ist einfach gute wenn alle Menschen<br />
in dieser Gesellschaft gemeinsam Dinge tun können, die sie<br />
möchten. Dass alle diese Chance kriegen und niemandem etwas<br />
verbaut wird. Aber ich glaube, es wird lange dauern bis das in dieser<br />
Gesellschaft Alltag wird und keiner mehr darüber nachdenkt,<br />
sondern es einfach so ist.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Also Ideen und Veränderungsvorschläge möchte ich hier jetzt nicht<br />
nennen, aber ich will dir sagen: Es gibt einen Verband für Sonderpädagogik<br />
(VBS). Dort arbeite ich mit und dort versuche ich mit anderen<br />
Mitgliedern zusammen, das sind Kollegen, andere<br />
Förderschul-Lehrkräfte, Schulleitung, zum Teil auch Erzieher, Heilpraktiker<br />
und so, versuche ich mit denen Ideen und Veränderungsvorschläge<br />
zu entwickeln, und wir versuchen die dem<br />
Kultusministerium auch vorzustellen, vorzutragen und denen Vorschläge<br />
zu machen, was sie am Schulgesetz noch verbessern können.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ich bedanke mich auch.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
7
Lena Wiesch | Andreasschule<br />
"Jedes Kind ist anders, und alle sind gut so"<br />
Lena Wiesch unterrichtet seit drei Jahren an der Andreasschule<br />
Guten Tag. Ich freue mich sehr, dass sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich bin Justin, bin<br />
1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zur Zeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ich freu mich auch dabei sein zu dürfen, Justin. Danke für die<br />
Einladung.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei<br />
Infrarotkameras filmen meine Augenbewegungen. Ich spreche<br />
sozusagen mit meinen Augen. Ich kann mit diesem Talker auch<br />
ins Internet, E-Mails versenden und SMS schreiben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir betroffene zu<br />
diesem Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im<br />
Överblick. Allen werden die gleichen 5 Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten Sie in kurzen und einfachen Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann. Vielleicht stellen Sie sich<br />
kurz einmal vor.<br />
Gut, mein Name ist Lena Wiesch. Ich bin Lehrerin hier an der<br />
Andreasschule in Verden und bin vor allem in meiner 3. Klasse<br />
tätig. Ich bin 29 Jahre alt und bin jetzt seit fast 3 Jahren hier an der<br />
Andreasschule.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Wenn man sich mit der Frage beschäftigt und so das Wort genauer<br />
anguckt dann bedeutet <strong>Inklusion</strong>, dass man alle zusammen<br />
einschließt, dass alle sozusagen zusammengehören und keine<br />
Unterschiede gemacht werden zwischen Menschen. Und jetzt für<br />
die Schule bedeutet das, dass auch Kinder, ob sie eine<br />
Beeinträchtigung haben oder nicht, dass sie alle zu einer<br />
gemeinsamen Schule gehen sollen. Und das fängt jetzt an, es geht<br />
los ab der 1 . Klasse, ab dem Sommer, dass hier an der<br />
Förderschule Lernen, an der Andreasschule, keine Kinder mehr<br />
eingeschult werden, damit alle Kinder der 1 . Klasse eine<br />
gemeinsame Schule besuchen können.<br />
Gibt es jetzt belegte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder<br />
Ihrem Privatleben?<br />
Also, in der Schule, in meinem Arbeitsbereich also, gibt es bisher<br />
noch keine <strong>Inklusion</strong>. Ich bin hier in der Förderschule tätig und<br />
unterrichte meine Klasse. Und auch in meinem Privatleben gibt es<br />
noch keine gelebte <strong>Inklusion</strong>.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesen Sommer Veränderungen für Sie,<br />
und wenn ja, welche?<br />
Ich weiß das noch gar nicht so genau. Ich werde meine Klasse<br />
auch weiterhin behalten, davon geh' ich aus, das heißt die Kinder<br />
aus meiner 3. Klasse werden weiter hier zur Schule gehen. Die<br />
<strong>Inklusion</strong> beginnt ja jetzt erstmal in der ersten Klasse und mit den<br />
Fünftklässlern. Also meine Klasse bleibt erstmal, und somit bleibe<br />
auch ich erstmal hier an der Andreasschule. Ob ich vielleicht mit<br />
ein paar Stunden auch an eine andere Schule gehen werde, das<br />
weiß ich leider noch nicht. Ich würde es gerne wissen, aber ich<br />
weiß es leider noch nicht.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Es ist eine große Chance der <strong>Inklusion</strong>, dass Kinder<br />
zusammengehören sollen, dass sie merken sie sind alle gut so wie<br />
sie sind, jedes Kind ist anders, und alle sind gut so und gehen<br />
zusammen auf eine Schule und lernen zusammen. Das ist eine<br />
große Chance, für alle Kinder.<br />
Haben Sie Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Das passt gerade ganz gut zu dem, was ich noch sagen wollte. Das<br />
Risiko ist so ein bisschen, dass ich Angst habe, dass die Kinder ein<br />
bisschen, die manchmal nicht ganz so schnell mitkommen können,<br />
dass sie nicht so viel Zeit von den Lehrern kriegen. Und da würde<br />
ich mir wünschen, als Veränderungsvorschlag, dass noch mehr<br />
Lehrer eingestellt werden und dass es noch mehr Zeit gibt für alle<br />
Kinder. Und das würde ich mir wünschen, weil so ist es bisher<br />
ziemlich wenig, was da an Unterstützung für alle Kinder vorgesehen<br />
ist.<br />
Das war's. Vielen vielen Dank für das Interview, und alles alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Danke, Justin und danke für deine Fragen. Es ist ganz wichtig, dass<br />
das jemand macht. Find ich toll. Und dir auch alles Gute.<br />
8<br />
Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Michel Mehnert | Andreasschule<br />
"Alle Menschen sollen<br />
gleichberechtigt werden"<br />
Michel ist Schüler an der Andreasschule<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Hallo Justin, ich bin Michel. Ich freue mich sehr, dass du mich interviewst.<br />
Und wie lange machst du jetzt Praktikum?<br />
2 Wochen<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Das ist ja schon hoch entwickelt. Bist du schon seit deiner Geburt<br />
im Rollstuhl?<br />
Ja, leider.<br />
Und was ist dein Lieblingsverein?<br />
Werder.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Okay, dann fang mal an.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Wenn ich das mal selber wüsste. Da kann ich dir leider nichts zu<br />
sagen.<br />
<strong>Inklusion</strong> ist, wenn ein Mensch mit Handicap mit allen anderen<br />
Menschen gleichberechtigt in einer Gemeinschaft lebt. Kein<br />
Mensch soll wegen seiner Hautfarbe, Herkunft, Intelligenz,<br />
Krankheit, Armut, Größe oder Handicap benachteiligt werden.<br />
Gleiche Chancen für alle.<br />
Achso.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Nein.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Keine.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Es ist ja manchmal so, dass welche ja wegen Hautfarbe beleidigt<br />
werden und so. Das finde ich nicht so toll, weil ich finde, alle Menschen<br />
sollen gleichberechtigt werden. Ich bin dafür das alle so berechtigt<br />
werden wie wir.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Da kann man leider nicht viel sagen, weil manche tun ja erst so nett<br />
und sind dann doch anders - so rassistisch. Das ist ja nicht so<br />
schön. Man kann ja nicht viel ändern, außer ihnen Therapie zu verordnen,<br />
sie einzuschließen sozusagen. Ein Mensch kann ihn ja<br />
nicht verändern.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Danke, hat mich sehr gefreut. Da hab ich viel gelernt von dir. Dann<br />
wünsche ich dir auch viel Glück in deiner Zukunft.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
9
Alexander Schüttler | Andreasschule<br />
"Schwierigkeiten sind dazu da,<br />
sie zu überwinden"<br />
"<br />
Alexander Schüttler ging mit Justin in eine Klasse<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ja, ich bin Alexander Schöttler, gehe auch auf die Andreasschule in<br />
Verden, bin auch 1 5 Jahre alt und ich freue mich auch hier zu sein.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Okay, schön, dass es so was gibt.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Okay, gut zu wissen.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Ja.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Okay, ich werde mich bemühen.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Ja, <strong>Inklusion</strong> ist das Zusammenleben mit Leuten, die halt nicht so<br />
sind wie andere. Zum Beispiel wenn man jetzt nicht auf so einer<br />
Förderschule ist, sondern zum Beispiel auf einer Lönswegschule,<br />
also auf so ner Grundschule wäre, wäre das <strong>Inklusion</strong>. Aber ich bin<br />
froh, dass ich auf so einer netten Schule gelandet bin und, dass ich<br />
auch Freunde habe, die nicht so sind wie ich.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Also für mich gibt’s jetzt keine Veränderungen.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Ja, welche Schwierigkeiten bringt sie mit? Die Verständigung zwischen<br />
Menschen, die anders sind, aber ich finde Schwierigkeiten<br />
sind dazu da, sie zu überwinden. Sonst sehe ich keine Schwierigkeiten.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Also ja, man könnte zum Beispiel in der Schule jetzt mehr auf dieses<br />
Thema eingehen, sodass man die anderen besser verstehen<br />
kann, so im Zwischenmenschlichen. Das würde ich mir wünschen,<br />
dass man das in der Schule jetzt mal machen würde.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ja, ich hab mich auch gefreut, dass ich hier war.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Ich arbeite ja noch nicht. Ich bin halt in der Schule, hier nicht. Aber<br />
in meinem Privatleben gibt es schon <strong>Inklusion</strong>, weil ich besuche<br />
einen Freund, der im Rollstuhl sitzt und zum Beispiel nicht so ist<br />
wie jemand anders.<br />
10 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Miriam Aziz | Andreasschule<br />
"Ich wünsche allen Menschen mit Behinderung,<br />
dass sie mehr Freizeit haben."<br />
Miriam Aziz' körperliche Behinderung spielt an der Andreasschule kaum eine Rolle<br />
Vielleicht stellen Sie sich einmal kurz vor.<br />
Okay, also ich heiße Miriam Hartwig, bin 1 5 Jahre alt und gehe in<br />
die Andreasschule in Verden.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Ich verstehe unter <strong>Inklusion</strong>, dass Menschen mit Behinderung und<br />
Menschen ohne Behinderung im Alltag, also im Kindergarten,<br />
Schule, Arbeit und Freizeit, miteinander umgehen.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder<br />
Ihrem Privatleben?<br />
Ich gehe in die Schule gemeinsam mit Kindern und Jugendlich mit<br />
Behinderung und ohne Behinderung in einer Klasse.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Hab ich.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Weiß ich nicht.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem<br />
Thema?<br />
Ja, ich wünsche allen Menschen mit Behinderung, dass sie mehr<br />
Freizeit haben. Zum Beispiel, dass sie in Geschäfte können, ohne<br />
dass Treppen da sind. Ich wünsche mir, dass es für Menschen mit<br />
Behinderung Sportvereine gibt.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Dankeschön, das wünsch ich dir auch.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
11
Silke Hamelmann | Andreasschule<br />
"Ich wünsche mir auch eine gewisse<br />
Freude auf die neue Situation"<br />
Silke Hamelmann ist als Schulassistentin an der Andreasschule tätig<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden.<br />
Zurzeit mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht<br />
sprechen kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Guten Tag, Justin. Ich freue mich auch, das Interview mit dir zu<br />
machen.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit<br />
meinem Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Das finde ich absolut bewundernswert.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich kenne den Överblick und gucke da auch ganz gerne rein.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu<br />
diesem Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im<br />
Överblick. Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Ok.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Ok.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Unter <strong>Inklusion</strong> versteht man, dass Menschen oder Kinder und<br />
Schüler in Schulen beschult werden können, die beeinträchtigt sind<br />
und die nicht beeinträchtigt sind, und dass alle zusammen lernen<br />
können.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder<br />
Ihrem Privatleben?<br />
Ich arbeite als Schulassistentin an der Andreasschule in Verden<br />
und betreue einen achtjährigen Schüler, der in der Bewegung<br />
eingeschränkt ist und unter Gleichgewichtsstörungen leidet, unter<br />
ataxischen Störungen. Das ist meine Arbeitsfeld und ich kenne das<br />
nicht anders.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Für mich bringt es, glaube ich, nicht so viel Veränderung, weil ich<br />
mit meinem Schüler weiter an der Andreasschule arbeiten werden.<br />
Und ich denke, das bleibt alles so für mich.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Es können die Eltern halt frei entscheiden, ob ihr Sohn oder die<br />
Tochter an einer Regelschule beschult werden oder doch an einer<br />
Lernförderschule beschult werden sollen. Und das finde ich<br />
eigentlich sehr schön. Und ich bin eigentlich ein Befürworter, dass<br />
man sich das aussuchen kann, an welche Schule man gehen<br />
möchte.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem<br />
Thema?<br />
Ich wünsche mir mehr Flexibilität der Pädagogen und auch eine<br />
gewisse Freude auf die neue Situation.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Das wünsche ich dir auch, Justin, und auch Matthias.<br />
12 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Anja Dreyer | Lönswegschule<br />
" Wir müssen hin zu<br />
einem anderen Miteinander"<br />
Anja Dreyer unterrichtet an der Grundschule am Lönsweg<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Hallo Justin, ich bin Frau Dreyer. Schön, dass du heute bei uns bist.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> ist das Zusammenleben aller Menschen, das gemeinsame<br />
Lernen, das gemeinsame Arbeiten aller Menschen mit all ihren Unterschieden<br />
und ihren Gemeinsamkeiten.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Hier in der Schule gibt es viel gelebte <strong>Inklusion</strong>.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
In diesem Sommer wird es noch so sein, dass wir noch hier in der<br />
Schule sind. Ab nächsten Schuljahr wird es wohl keine Sprachheilklassen<br />
mehr geben und wir wissen noch nicht genau, wie es bei<br />
uns weitergeht.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Als Chance sehe ich es an, dass man gemeinsam voneinander<br />
lernt. Das Problem ist manchmal noch das viele Menschen noch im<br />
Kopf haben bei den Kindern oder bei anderen Menschen „Der kann<br />
dies nicht, der kann das nicht“ Und da müssen wir glaube ich von<br />
weg, hin zu einem anderen Miteinander. Das sehe ich glaube ich<br />
noch ein bisschen als Problem an.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Ich glaube wir müssen ein anderes Menschenbild bekommen. Wir<br />
müssen das nämlich so verstehen, dass wir viel voneinander unwahrscheinlich<br />
viel lernen können. Und ich glaube wir müssen die<br />
Menschen gut begleiten, das ist nicht gut wenn man das übers Knie<br />
bricht. Man muss sich gemeinsam gut begleiten.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ich danke euch und wünsche euch auch alles Gute.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
13
Heidrun Mansholt | Lönswegschule<br />
"Es wäre wichtig, dass jedes Kind individuell<br />
gefördert und gefordert werden kann"<br />
Heidrun Mansholt unterrichtet eine Sprachheilklasse<br />
Guten Tag. Ich freue mich sehr, dass sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich bin Justin, bin<br />
1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zur Zeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Prima.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarotkameras<br />
filmen meine Augenbewegungen. Ich spreche sozusagen<br />
mit meinen Augen. Ich kann mit diesem Talker auch ins<br />
Internet, E-Mails versenden und SMS schreiben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen 5 Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten Sie in kurzen und einfachen Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann. Vielleicht stellen Sie sich<br />
kurz einmal vor.<br />
Mein Name ist Heidrun Mansholt. Ich arbeite hier in der Sprachheilklasse.<br />
Ich habe jetzt eine erste Sprachheilklasse und bin Lehrerin<br />
der Schule für Lernhilfe.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> bedeutet, dass alle Kinder, Jugendlichen, Erwachsene<br />
egal welcher Behinderung zusammen im Kindergarten, in der Schule<br />
oder auch auf der Arbeit zusammen beschult und lernen können.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
In meiner Klasse sind Kinder mit Sprachdefiziten, mit emotionalen<br />
Schwierigkeiten und auch mit Lernschwierigkeiten und die werden<br />
zusammen beschult. Sie lernen alle den gleichen Schulstoff. Und<br />
privat habe ich eine Freundin, die sehbehindert ist, mit der ich viel<br />
zusammen unternehme, und ich habe eine Freundin, die körperbehindert<br />
ist, mit der ich gerne spiele und sie besuche.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Chancen für Kinder, die nicht eindeutig lernen oder sprachbehindert<br />
sind, können da Grenzen liegen, können in der Grundschule gut<br />
und bestimmt auch ausreichend gefördert werden. Für Kinder, die<br />
große Sprachprobleme haben, große Lernprobleme haben, wird es<br />
schwierig, weil die Stundenzahl zur Förderung sehr gering ist.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Die erste Idee wäre, dass man mehr Stunden zur Verfügung stellt in<br />
den Grundschulen, um Kinder mit Förderbedarf fördern zu können.<br />
Dann wäre es wichtig, dass die Klassen klein sind, damit auch jedes<br />
Kind individuell gefördert und gefordert werden kann.<br />
Das war's. Vielen vielen Dank für das Interview, und alles alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ja, schön. Vielen Dank dir, Justin.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesen Sommer Veränderungen für Sie,<br />
und wenn ja, welche?<br />
Für uns hier in der Sprachheilklasse ist die Veränderung, dass die<br />
Eltern entscheiden dürfen, ob ihr Kind in der Sprachheilklasse oder<br />
in der Regelgrundschule beschult werden sollen. Die Veränderung<br />
ist, dass wir das nicht nur durch unser Gutachten entscheiden, sondern<br />
die Eltern entscheiden können.<br />
14 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Vera Franke | BBS Verden<br />
"Das ist ein langer Prozess"<br />
Vera Franke unterrichtet Pflegeklassen an der Berufsbildenden Schule in Verden<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ok.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Dann bist du voll drin im Leben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Das werd ich machen.<br />
Vielleicht stellen Sie sich kurz einmal vor.<br />
Ich bin Vera Franke, Lehrerin hier an der Berufsbildenden Schule in<br />
Verden. Ich unterrichte in Pflegeklassen, zusätzlich Sport und bin<br />
auch Sonderpädagogin.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong>. <strong>Inklusion</strong> ist, wenn wir dich, Justin, in eine Klasse<br />
nehmen und du wirst in einer Klasse unterrichtet, wo du einen<br />
Beruf erlernen kannst, den alle anderen auch lernen. Und es keinen<br />
Unterschied gibt - außer, dass du eine Assistenz hast mit deinem<br />
Talker und deinem Schulassistenten und am selben Thema etwas<br />
anders arbeitest. Und <strong>Inklusion</strong> bedeutet auch mit Freunden<br />
unterwegs zu sein und vielleicht auch mit Klassenkameraden<br />
nochmal wegzugehen.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
In meinem Arbeitsbereich gibt es momentan eine gelebte <strong>Inklusion</strong>,<br />
ja. Meine alte Pflegeklasse, die PfK1 0, hat durch das Feiern von<br />
Festen an der Lebenshilfe Rotenburg in Dauelsen, hat sie Personen<br />
kennengelernt, mit denen die abends den 1 8. Geburtstag feiern.<br />
Und das ist für mich schon <strong>Inklusion</strong>. Wenn die Personen mit<br />
eingeladen werden und einen Geburtstag feiern.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Ich muss sagen, dass wir von den Berufsbildenden Schulen da<br />
noch nicht von betroffen sind. Sie bringt für uns noch keine<br />
Veränderung, aber wir arbeiten daran. Das dauert noch ein<br />
bisschen.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Chancen bringt es auf jeden Fall für alle Beteiligten. Sich mit jedem<br />
auseinanderzusetzen. Und ja, in Zukunft müssen wir abwarten. Das<br />
dauert für alle. Das ist ein langer Prozess noch. Der wird nicht<br />
schnell gehen.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Ja, ich hab viele. Also erstmal müssen wir etwas unsere Schule<br />
umbauen. Damit man mit einem Rollstuihal leicht auch zum<br />
Unterricht kommen kann. Ideen hab ich dann auch, durch Projekte,<br />
die man machen kann. Ob es mit Tanzen oder vielleicht mit<br />
anderen Veranstaltungen. Es gibt ganz, ganz viele Sachen, die man<br />
machen kann. Aber ja, momentan ist es bei mir eben noch sehr<br />
weit weg. Aber wir arbeiten dran, Justin.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ja, danke. Das hoffe ich auch.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
15
Manfred Runge & Reinhard Witt | BBS Verden<br />
"Da ist noch ganz, ganz viel zu leisten"<br />
Manfred Runge und Reinhard Witt über <strong>Inklusion</strong> an der BBS Verden<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Manfred Runge: Ja, Guten Morgen. Wir freuen uns, dass du da<br />
bist. Wir machen das gern. Mein Name ist Manfred Runge und ich<br />
bin Schulleiter hier.<br />
Reinhard Witt: Und ich heiße Reinhard Witt und bin der stellvertretende<br />
Schulleiter.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Runge: Ich muss sagen, ich bin ganz beeindruckt davon und hab<br />
so was noch nie gesehen, wie so was funktioniert.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Witt: Wir haben auch Kontakt zu dem Överblick. Wenn Veranstaltungen<br />
sind, die hier in der Schule stattfinden, dann werden die dort<br />
vorher veröffentlicht. Jeden Monat bekomme ich immer eine Mail,<br />
mit der Bitte, doch aktuelle Veranstaltungen zu melden. Insofern ist<br />
uns dieses Blatt bekannt.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Witt: Ja, die haben wir ja auch schon zugeleitet bekommen und insofern<br />
sind wir auch nicht ganz unvorbereitet.<br />
Runge: Wir haben sie gesehen und beantworten sie gleich.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Witt: Wir geben uns Mühe.<br />
Runge: Das machen wir.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Runge: <strong>Inklusion</strong> bedeutet für mich, unabhängig von dem was man<br />
liest, was geschrieben wird, dass wir jedem Schüler, jeder Schülerin<br />
die Möglichkeit geben, Bildungschancen zu nutzen und einen<br />
Abschluss zu erwerben. Unabhängig davon, ob es ein Handicap<br />
gibt oder nicht. Da wo es am besten passt.<br />
Witt: Das sehe ich auch so.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Witt: Also hier in der Schule gibt es noch relativ wenige Schülerinnen<br />
und Schüler. Wir haben allerdings konkret eine blinde Schülerin,<br />
die eine Ausbildung macht und trotz ihrer Handicaps ganz toll<br />
mit dabei ist und auch betreut wird, aber durchaus erfolgreich am<br />
Unterricht teilnimmt.<br />
Runge: Ich habe ein Beispiel im privaten Bereich: Ich habe einen<br />
Bruder mit einer geistigen Behinderung, einer sehr schweren geistigen<br />
Behinderung. Mein Bruder ist ungefähr so alt wie ich, lebt in einer<br />
Behinderteneinrichtung in Lilienthal, schon 40 Jahre lang. Für<br />
ihn ist in Sachen <strong>Inklusion</strong> noch nicht so viel getan worden, weil er<br />
einfach zu alt ist und es das damals nicht gab.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Runge: Es gibt in diesem Sommer aus unserer Sicht heraus noch<br />
keine flächendeckenden Veränderungen, weil die meisten Schülerinnen<br />
und Schüler, die wir integrieren müssen, ja erst später zu<br />
uns kommen. Wir arbeiten derzeit so, dass wir auf konkrete Fälle<br />
reagieren. Sowie zum Beispiel die Schülerin, über deren Leben hier<br />
an der Schule der Kollege Reinhold Witt gerade berichtet hat. So<br />
versuchen wir uns auf jeden Einzelfall einzustellen.<br />
Witt: Für uns ist immer das Jahr 201 8 ganz wichtig. Das wir bis<br />
dann - und das ist ja nicht mehr lange - vorbereitet sind, dass wir<br />
wesentlich mehr junge Menschen hier dann entsprechend beschulen,<br />
bedienen können. Und da ist noch ganz, ganz vieles zu tun. Sie<br />
haben es ja heute miterlebt, beim Hereinkommen in die Schule,<br />
das ist nicht so ganz einfach. Da ist noch vieles zu leisten.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Runge: Die Chancen sind für mich ganz klar. Das eine haben wir ja<br />
eben auch schon angesprochen, dass jede Schülerin und jeder<br />
Schüler ein Recht auf Bildung hat und natürlich durch die Integration<br />
in die Klassen hier bessere Möglichkeiten haben als in der Vergangenheit.<br />
Risiken würde ich immer eher mit Schwierigkeiten<br />
bezeichnen. Die Schwierigkeiten die ihr, die Sie eben geschildert<br />
haben beim Hereinkommen in die Schule, die Schwierigkeit sich<br />
gegebenenfalls in eine Klasse zu integrieren. Die müssen wir in den<br />
Griff kriegen. Da müssen wir jeden Einzelfall anschauen.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Witt: Zum einen hab ich ja schon gesagt, dass wir uns auf den<br />
Weg begeben haben, diese baulichen Veränderungen vorzunehmen.<br />
Aber das ist ja nur ein Teil des Problems. Ich glaube viel pro-<br />
16 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Manfred Runge & Reinhard Witt | BBS Verden<br />
blematischer wird es auch werden, dass die Lehrerinnen<br />
und Lehrer besser, wenn überhaupt sie das heute schon<br />
sind, vorbereitet werden. In teilweise großen Klassen<br />
dann wiederum mit Einzelnen, die dort Einschränkungen<br />
haben, umzugehen. Wir haben zum Teil Klassen, die sind<br />
bis zu 30 Schülerinnen und Schüler stark. Und da ist es<br />
ohnehin schon schwierig genug auf jeden Einzelnen<br />
Rücksicht zu nehmen und auf ihn einzugehen. Ich glaube,<br />
da ist noch ganz, ganz viel zu leisten.<br />
Runge: Wir versuchen bei baulichen Maßnahmen, das<br />
immer zu berücksichtigen. Wir bekommen zum Beispiel<br />
im Laufe des nächsten Jahres eine Neuausstattung bei<br />
unseren Lehrküchen und dort sind wir auch im Gespräch,<br />
wie können wir die Arbeitsplätze so einrichten, dass auch<br />
Schüler mit bestimmten Handicaps dort voll integriert werden<br />
können. Und das ist auch jedes mal eine Herausforderung<br />
für uns.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und<br />
alles, alles Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Runge: Wir bedanken uns auch und wünschen auch dir<br />
weiter viel Erfolg und alles Gute.<br />
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Överblick · Das Kulturmagazin<br />
17
Petra Wolfgram | Likedeeler Schule<br />
"Dass es überhaupt keine Barrieren<br />
gibt, in keiner Weise"<br />
Petra Wolfgram hat eine Tochter mit Down-Syndrom an der Likedeeler Schule<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong>, da versteh ich drunter, dass Kinder und Jugendliche<br />
gemeinsam lernen. Egal ob sie eine Beeinträchtigung haben oder<br />
nicht. Dass die Eltern die Möglichkeit haben, ihre Kinder dort in den<br />
Kindergarten und die Schule geben zu können, wo sie wohnen,<br />
wohin ihre Nachbarskinder gehen. Ja, dass das auf der Arbeit<br />
genauso ist, dass alles zusammen ist. Also das behinderte<br />
Menschen und nichtbehinderte Menschen gemeinsam an einem<br />
Arbeitsplatz, also in einem Betrieb arbeiten; die Freizeit gemeinsam<br />
verleben können; dass Sportvereine offen sind dafür. Dass es<br />
überhaupt keine Barrieren gibt, in keiner Weise – weder in den<br />
Köpfen noch in der Realität.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder<br />
Ihrem Privatleben?<br />
Ich geh mit meiner Tochter in eine Malgruppe, da gehen wir<br />
gemeinsam hin, im Gymnasium. Dort malen Kinder und<br />
Jugendliche mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam zu<br />
bestimmten Themen. Und wir haben auch schon eine Ausstellung<br />
gemeinsam gehabt. Die Eltern können auch mit malen. Das ist<br />
eigentlich das Einzigste, wo <strong>Inklusion</strong> direkt sichtbar ist.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Nein, nicht dass ich wüsste.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem<br />
Thema?<br />
Ja, eigentlich, dass ich mir das nur wünschen würde, dass die<br />
Menschen offener dafür sind. Und dass es vor allen Dingen nicht<br />
nur ein Thema ist, sondern, dass die Bedingungen dafür<br />
geschaffen werden, dass das realisiert werden kann, dass das<br />
wirklich was bringt. Es wär schön, wenn man zum Beispiel<br />
irgendwo sagen würde: „Ich möchte gerne mit meinem Kind hier<br />
genau so Sport machen“, ohne dass da jemand sagt: „Nee, aber<br />
das geht jetzt nicht. Das wäre ein ganz anderes Tempo“ oder „Die<br />
sind nicht ausgebildet.“ Das wäre natürlich schön, wenn es das so<br />
gäbe.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Bitte. Ebenfalls.<br />
18 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Birgit Schneider | Arbeitsamt<br />
"Normalität bedeutet Vielfalt"<br />
Birgit Schneider hat bei der Arbeitsagentur auch Kollegen mit Behinderung<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> bedeutet Einschließung oder Einbeziehung. Menschen<br />
mit Besonderheiten, die zum Beispiel eine Behinderung haben oder<br />
aus einem fremden Land kommen, sollen sich in unserer Gesellschaft<br />
frei entfalten können und mit ihrer Besonderheit angenommen<br />
und geschätzt werden. Normalität bedeutet Vielfalt - es ist also<br />
ganz normal, verschieden zu sein. Dabei muss sich nicht der behinderte<br />
Mensch an die Gesellschaft anpassen, sondern die Gesellschaft<br />
muss so geschaffen sein, dass es die Besonderheiten zwar<br />
gibt, diese aber keine oder nur ganz geringe Bedeutung haben, also<br />
gar nicht so wichtig sind.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
In meinem Privatleben derzeit nicht, aber in meinem Arbeitsleben<br />
schon. Ich versuche, in meinen Beratungsgesprächen den Menschen<br />
mit Behinderungen Mut zu machen, ihre Fähigkeiten selbstbewusst<br />
in den Vordergrund zu stellen und nicht ihre<br />
Einschränkungen ständig vor Augen zu haben. Hier in der Arbeitsagentur<br />
gibt es einige Arbeitsplätze, die so gestaltet sind, dass zum<br />
Beispiel Mitarbeiter mit einer Körperbehinderung oder sehr starker<br />
Sehbehinderung wie alle anderen ihre Arbeit verrichten können und<br />
voll anerkannt, beliebt und geschätzt sind.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Ja, zum einen werde ich nicht nur in die Förderschulen gehen, um<br />
junge Menschen zu beraten und bei ihrer Berufswahl zu unterstützen,<br />
sondern verstärkt auch die Regelschulen besuchen. Und ich<br />
werde viel häufiger Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderungen<br />
sowie Hör- und Sehbeeinträchtigungen hier in Verden beraten,<br />
weil diese nicht mehr ausschließlich in speziellen Förderschulen<br />
außerhalb Verdens unterrichtet werden.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Chancen sehe ich insbesondere darin, dass sich die beeinträchtigten<br />
Menschen viel stärker angenommen fühlen werden und sich frei<br />
in ihren Fähigkeiten entfalten können. Sie spüren, dass sie ein<br />
wichtiges und vollwertiges Mitglied in unserer Gesellschaft sind,<br />
und dass man sie und ihre Leistungen akzeptiert und wertschätzt.<br />
Schwierigkeiten sehe ich darin, dass die Umsetzung der <strong>Inklusion</strong><br />
viel Zeit benötigt und auch mehr Geld kostet, was aber leider derzeit<br />
nicht eingeplant ist. Zum Beispiel müssen ausreichend entsprechend<br />
ausgebildete Lehrkräfte in den Klassen zur Verfügung<br />
stehen. Die Vorgabe, möglichst schnell alle Vorhaben möglichst<br />
kostengünstig umzusetzen, wird sich aus meiner Sicht sehr nachteilig<br />
für alle auswirken.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Wenn ich lese, wie das Thema <strong>Inklusion</strong> in Schweden umgesetzt<br />
wird, so finde ich, dass dies sehr gut dort gelungenen ist. Man<br />
könnte viele Ideen bei uns übernehmen.<br />
Verändern würde ich vor allem die Ausstattung der Klassen mit<br />
ausreichenden Lehrkräften. Ich befürchte, dass sowohl die jungen<br />
Menschen mit Behinderungen als auch die ohne Beeinträchtigungen<br />
benachteiligt werden, wenn eine Lehrkraft mit Förderschulausbildung<br />
nur wenige Stunden in der Woche mit im Unterricht<br />
vertreten ist.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
19
Oliver Geweke | Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V.<br />
"Die Schwierigkeit ist, dass die <strong>Inklusion</strong><br />
dazu genutzt wird, Qualitäten abzubauen"<br />
Oliver Geweke leitet den Bereich "Offene Hilfen" bei der Lebenshilfe<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ja, ich freue mich, dass ich interviewt werde. Ich finde es total klasse.<br />
Und das Thema <strong>Inklusion</strong> ist ein spannendes Thema. Von daher<br />
können wir gerne loslegen.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Ja, klasse. Von mir aus können wir gerne loslegen. Justin, du<br />
kannst gerne dein Fragen stellen.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
Das ist eine gute Frage. <strong>Inklusion</strong> würde ich versuchen wollen so zu<br />
erklären, dass Menschen mit und ohne Behinderung – also, dass<br />
Menschen mit Behinderung nicht, ich sag mal, ausgesondert werden<br />
von Menschen ohne Behinderung, sondern man davon ausgeht,<br />
dass jeder Mensch unterschiedlich ist. Jeder Mensch ist<br />
verschieden. Es gibt schnell lernende, langsam lernende und alle<br />
Menschen sollen die gleichen Möglichkeiten haben, die gleichen<br />
Chancen haben – egal ob Kindergarten, Schule oder auch Arbeitswelt<br />
– unabhängig von einer Behinderung. Dass alle gemeinsam in<br />
die Schule oder den Kindergarten gehen oder aber auch gemeinsam<br />
arbeiten. Das es da keine Separierung gibt und keinen Ausschluss.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Kann ich sagen: „Ja, das gibt es.“ Der Arbeitsbereich: Ich leite den<br />
Bereich „Offene Hilfe“ in der Lebenshilfe hier im Landkreis Verden.<br />
Die offenen Hilfen sind ambulante Angebote. Im Bereich der Freizeit,<br />
Freizeitdienst, Assistenz beim Wohnen, Schulassistenz – das<br />
ist ja der Bereich, wo wir uns auch drüber kennen. Und Gästehaus<br />
und den familienunterstützenden Dienst. In diesen Bereichen, den<br />
ambulanten Bereichen gibt es zum Beispiel <strong>Inklusion</strong> im Bereich<br />
Schulassistenz, wo ja Menschen mit zum Beispiel einer Körperbehinderung<br />
eine Unterstützung bekommen, und dann an die Regelschule<br />
gehen und dort zielgleich unterrichtet werden. Das ist<br />
<strong>Inklusion</strong> – gelebt. Es gibt auch in dem Arbeitsbereich, im Bereich<br />
Freizeit gibt es eine Musikband, Hau Drauf, da sind behinderte und<br />
nicht behinderte Musiker dabei. Das ist auch <strong>Inklusion</strong>. Die Band<br />
tritt auch auf. Jetzt zum Beispiel haben wir am 3. Mai die Rocknacht<br />
im Jugendzentrum, wo Bands spielen, wo keine behinderten Menschen<br />
als Musiker mitspielen und dann zum Beispiel auch Hau<br />
Drauf, wo auch behinderte mitspielen. Und da passiert alles zusammen.<br />
Das Publikum mischt sich auch. Das heißt da gibt es dann<br />
auch keine Unterscheidung mehr: Ist man nun behindert oder nicht.<br />
Man macht einfach gemeinsam eine schöne Feier bei Rockmusik.<br />
Das ist gelebte <strong>Inklusion</strong>.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Ich vermute mal „ab diesem Sommer“, weil das niedersächsische<br />
Schulgesetz sich geändert hat und einfach das Anrecht oder nicht<br />
nur das Anrecht sondern in den Förderschulen Schwerpunkt Lernen<br />
– so ist die genaue Bezeichnung – ab diesem Sommer die erste<br />
Klasse keine extra Förderschule mehr besteht, sondern alle Schüler<br />
mit dem Förderschwerpunkt Lernen an Regelschulen unterrichtet<br />
werden. Und dass es eine größere Wahlfreiheit gibt für eben behinderte<br />
Schüler und deren Eltern zu sagen, ich möchte an die Regelschule<br />
gehen. Also das Schulgesetz ist geändert. Von daher gibt es<br />
schon ne Veränderung natürlich – nach und nach. Allerdings glaube<br />
ich nicht, wird die Veränderung so gravierend sein, vor allem<br />
nicht für Menschen, die als geistig behindert gelten, also sehr langsam<br />
sind im Lernen, weil die Regelschulen darauf noch nicht vorbereitet<br />
sind. Deswegen glaube ich nicht, dass es jetzt auf einmal ab<br />
diesem Sommer so großartige Veränderungen geben wird. Ich<br />
glaube dass der Prozess gerade im Schulbereich, die <strong>Inklusion</strong>, das<br />
braucht eine ganze Zeit. Das geht nicht so sofort „Zack“. Das wird<br />
nicht mal eben verschrieben und alle machen das, weil die Schule<br />
sich da inhaltlich drauf vorbereiten muss. Und das braucht einfach<br />
ein ganzes Stück Zeit, dass das wirklich auch umgesetzt werden<br />
kann. Und nicht einfach nur drauf geschrieben wird „<strong>Inklusion</strong>“, aber<br />
inhaltlich passiert es nicht. Und deswegen brauch es einfach mehr<br />
Zeit.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Also die große Chance liegt darin, finde ich, nicht nur für Menschen<br />
mit Behinderung, eine umfassende Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben, wie auch Nichtbehinderte zu bekommen. Das ist eine große<br />
Chance der <strong>Inklusion</strong> für Menschen mit Behinderung. Ich glaube<br />
auch, die große Chance liegt darin für für Menschen ohne Behinderung,<br />
die Möglichkeit zu bekommen auch mit behinderten Schülern,<br />
Kindergartenkindern, auch Erwachsenen, Eltern überhaupt auch in<br />
Kontakt zu kommen und einen Austausch zu haben. Da liegt eine<br />
große Chance für die gesamte Gesellschaft drin, dass Menschen<br />
mit und ohne Behinderung gemeinsame Dinge machen können, in<br />
gemeinsamen Lebensfeldern zusammen leben können und zusammen<br />
arbeiten können. Das hat für Menschen mit Behinderungen eine<br />
große Chance, aber auch für die Nichtbehinderten. Um wirklich<br />
gemeinsames Leben lernen zu können, was heute aktuell so noch<br />
nicht der Fall ist. Die große Schwierigkeit, die da drinne steckt, finde<br />
ich, ist, die <strong>Inklusion</strong> als Namen obendrauf zu schreiben, aber inhaltlich<br />
innen drin keine <strong>Inklusion</strong> zu machen. Sondern da bleibt<br />
das System, das Bildungssystem zum Beispiel, die Schule genauso<br />
wie es vorher auch war. Wenn man <strong>Inklusion</strong> wirklich konsequent<br />
umsetzen wollte, müsste man zum Beispiel das dreigliedrige Schulsystem<br />
abschaffen und sagen es gibt ein Schule, wo alle hingehen.<br />
20 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Oliver Geweke | Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V.<br />
Es gibt die Langsamlernenden und die Schnelllernenden, man lernt<br />
gemeinsam im projektorientierten Unterricht und jeder gibt nach<br />
seiner Stärke das dazu, was er dazu geben kann. Und alle arbeiten<br />
gemeinsam an dem Thema. Schulnoten brauchen wir nicht mehr,<br />
die einzelnen 45-Minuten Takte im Unterricht sind vollkommen<br />
überflüssig. Man hat ein Thema, ein Projekt, an dem arbeitet man<br />
und daran kann man sich weiterentwickeln. Dann könnte Schule<br />
auch wieder anfangen Spaß zu machen – auch das wäre ein sehr<br />
wichtiger Nebenaspekt. Die Schwierigkeit ist nur, glaube ich, dass<br />
<strong>Inklusion</strong> draufgeschrieben wird, inhaltlich passiert es aber nicht<br />
und die <strong>Inklusion</strong> dazu genutzt wird, Qualitäten abzubauen. Qualitäten<br />
in der Unterstützung, gerade für Menschen mit Behinderung. Also<br />
dass die <strong>Inklusion</strong>, um das mal auf den Punkt zu bringen, zu<br />
einem billigen Modell wird. Das ist die große Gefahr, die dahinter<br />
steckt und auch die Schwierigkeit. Da bin ich zumindest wachsam<br />
und denke, da muss man aufpassen, dass da nicht nur Augenwischerei<br />
ist, sondern dass das auch wirklich eine Substanz hat. Dass<br />
jemand mit Behinderung auch wirklich was davon hat.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Eine Idee, die mir sofort kommt, wenn ich an das Bildungssystem<br />
und die <strong>Inklusion</strong> denke, ist die Lehrerausbildung verändern. Da<br />
muss es eigentlich anfangen. Die Lehrerausbildung nach dem<br />
Kenntnisstand im Moment ist so, dass eine <strong>Inklusion</strong> mit dem Ausbildungsstandard,<br />
der im Moment vorherrscht, gar nicht geleistet<br />
werden kann. Also Lehrer werden damit überfordert sein. Das wäre<br />
ein Idee, da steckt schon genug Sprengstoff drinne und genug Arbeit,<br />
um das zu verändern. Ein anderer Veränderungsvorschlag,<br />
den ich zu diesem Thema hätte: Wenn ich Bundeskanzler wär,<br />
dann würde ich das Sozialgesetzbuch 1 2 dahingehend verändern,<br />
dass es ein eigenes Leistungsgesetz gibt für Menschen mit Behinderung,<br />
was unabhängig ist von Sozialhilfe. Das es ein Teilhabegesetz<br />
gibt, wo nicht mehr geprüft werden muss, was für ein<br />
Einkommen oder Vermögen hat jemand, der eine Behinderung hat,<br />
um Teilhabe zu ermöglichen. Das muss unabhängig sein – von Einkommen<br />
und Vermögen, von dem sozialen Status, den man hat.<br />
Wenn jemand eine Behinderung hat und er braucht Unterstützung,<br />
um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und ganz egal in welchem<br />
Bereich – Kindergarten, Schule, Arbeitsleben – da braucht es<br />
Teilhabemöglichkeiten und die muss diese Gesellschaft – und die<br />
Bundesrepublik Deutschland ist eine reiche Gesellschaft – muss es<br />
Möglichkeiten geben, Menschen mit Behinderung das zu ermöglichen.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ja, vielen dank für die interessanten Fragen. Und viel Spaß noch<br />
beim weiteren Praktikum und bei der Auswertung der ganzen Sachen.<br />
Ich bin gespannt auf die ganzen Ergebnisse.<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
21
Günther Grashorn | Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V.<br />
"<strong>Inklusion</strong> muss so ein Wir‐Gefühl haben"<br />
Günther Grashorn ist Leiter der Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V.<br />
Guten Tag, ich freue mich sehr, dass Sie bei meinen Interviews<br />
für das Kulturmagazin Överblick mitmachen. Ich heiße Justin,<br />
bin 1 5 Jahre alt und gehe in die Andreasschule in Verden. Zurzeit<br />
mache ich ein Praktikum beim Överblick. Da ich nicht sprechen<br />
kann, rede ich mit meinem Talker.<br />
Ich kann den Talker mit meinen Augen steuern. Zwei Infrarot-<br />
Kameras messen meine Augenbewegungen. Ich kann mit meinem<br />
Talker auch ins Internet, E-Mails versenden und SMS<br />
schreiben.<br />
Der Överblick ist ein Kulturmagazin im Landkreis Verden, was<br />
einmal im Monat erscheint.<br />
Ich mache Interviews mit dem Thema <strong>Inklusion</strong>. Zusammen mit<br />
meinem Assistenten Matthias befragen wir Betroffene zu diesem<br />
Thema und veröffentlichen die Ergebnisse im Överblick.<br />
Allen werden die gleichen fünf Fragen gestellt.<br />
Bitte antworten sie in kurzen und vereinfachten Sätzen, sodass<br />
auch ein Kind sie verstehen kann.<br />
Vielleicht stellen sich einmal kurz vor!?<br />
Kommt nicht das Piepzeichen wie beim Anrufbeantworter? Also<br />
mein Name ist Michael Grashorn, bin jetzt 59 Jahre und ich bin hier<br />
bei der Lebenshilfe seit 26 Jahren, zwei Monaten und 6 Tagen. Ich<br />
bin von der Ausbildung her Sonderschullehrer mit dem Schwerpunkt<br />
Verhaltensgestörtenpädagogik, Sozialarbeit und Geistesbehindertenpädagogik<br />
und Kunst und Religion. Das ist so ein<br />
bisschen der Hintergrund. Hier bei der Lebenshilfe habe ich die<br />
konzeptionelle Verantwortung für den pädagogischen Bereich, sowohl<br />
für die Frühförderung, als auch Offene Hilfen, als auch für den<br />
Kindergartenbereich, als auch den Schulbereich. Das ist eine relativ<br />
breite Palette.<br />
Was ist eigentlich <strong>Inklusion</strong>?<br />
<strong>Inklusion</strong> ist, wenn man es einfach betrachtet, die vollständige Teilhabe<br />
von allen Menschen am Leben, am Leben in der Gemeinschaft.<br />
Und dabei ist, im Sinne der <strong>Inklusion</strong>, es unabhängig wie<br />
der Umfang des Hilfbedarfs ist, also wie schwerbehindert oder<br />
leichtbehindert jemand ist. Das wäre eine Lebensrealität, die vom<br />
Hochbegabten bis zum Schwerbehinderten für alle die notwendigen<br />
Ressourcen und Grundlagen bereitstellt, damit zum Beispiel im Kindergarten-<br />
und Schulbereich ein gemeinsames Leben und Lernen<br />
möglich ist.<br />
Gibt es jetzt gelebte <strong>Inklusion</strong> in Ihrem Arbeitsbereich oder Ihrem<br />
Privatleben?<br />
Ja, im dienstlichen Alltag ist ja gerade das, was wir hier auch demonstrieren,<br />
die unterstützte Kommunikation, ne ganz zentrale Baustelle,<br />
wo wir hier von der Lebenshilfe seit drei Jahren das als<br />
Jahresziel umgesetzt haben und die technischen Grundlagen geschaffen<br />
haben, sowohl auch die fachliche Kompetenz vermittelt<br />
haben, dass die unterstützte Kommunikation hier in den Einrichtungen<br />
der Lebenshilfe umgesetzt wird. Das ist für mich, glaube ich<br />
auch, ein konkreter Schritt zur Integration und zur <strong>Inklusion</strong>, weil wir<br />
damit auch die Schüler, die Kinder innerhalb der Lebenshilfe befähigen,<br />
die sehr stark eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten<br />
haben, zur Teilhabe. Das wäre nun das Lebenshilfe-Beispiel. Das<br />
Beispiel wie ich selber <strong>Inklusion</strong> in der Gesellschaft erlebe, ist ambivalent.<br />
Weil ich habe selber eine Tochter, die dunkelhäutig ist,<br />
und habe an der Stelle sehr viele Vorurteile und auch negative Erfahrungen<br />
auch was Toleranz betrifft. Mit dem Höhepunkt in den<br />
neuen Bundesländern in Rostock, dass ich seinerseits Angst hatte<br />
nachts mit meiner Tochter da zu tanken, weil an der Tankstelle irgend<br />
entsprechende Skinheads nachts sich aufhielten. Das es für<br />
mich schon die Frage ist, <strong>Inklusion</strong> ist ein sehr hehres (durch seine<br />
Großartigkeit beeindruckendes, d.R.) Ziel, aber in der Praxis gibt es<br />
so in den eigenen Lebenssituationen schon massive Einschränkungen,<br />
die so eigentlich theoretisch gar nicht vorgesehen sind, aber in<br />
der Praxis den Alltag doch sehr negativ beeinflussen, aber Pädagogen<br />
sind Optimisten und mit Optimisten ist das Prinzip, dass man<br />
solche Dinge dann auch langfristig verändern muss.<br />
Bringt die <strong>Inklusion</strong> ab diesem Sommer Veränderungen für<br />
Sie? Und wenn ja, welche?<br />
Ja, wenn mit dem Sommer 201 3 gemeint ist, das Schulgesetz, was<br />
jetzt im August in Kraft tritt, dann ist das Wunsch- und Wahlrecht,<br />
was jetzt für Eltern mit Kindern mit Unterstützungsbedarf in Kraft<br />
tritt, aus Sicht der Lebenshilfe natürlich eine sehr positive Entwicklung,<br />
weil dadurch auch Eltern an dem Entscheidungsprozess beteiligt<br />
sind. Ich hab das ja vor 20 Jahren noch erlebt wie es das<br />
Sonderschulverweigerungsverfahren gab. Da wurde den Eltern ohne<br />
Mitbestimmung gesagt, wo ihr Kind bestmöglich beschult wird.<br />
Dann hab ich in den letzten 20 Jahren das Verfahren „Feststellung<br />
des sonderpädagogischen Förderbedarfs“ erlebt, das war ein sogenanntes<br />
Konsensmodell, wo man gemeinsam solange diskutiert hat<br />
bis man eine einvernehmliche Lösung hatte. Dieses jetzt geht natürlich<br />
noch weiter. Ich vermute, und das betrifft mich selber natürlich<br />
sehr stark, es wird doch ne gewisse Zeit brauchen, dass<br />
jemand als sozusagen Fachmann sich auf die neue Rolle einlässt.<br />
Dass man trotz seines fachlichen Wissen, dass man sagt, okay<br />
man macht die Tätigkeit seit 26 Jahren und man hat eben 8 Jahre<br />
studiert, das man trotzdem dann an dieser Stelle nicht der Entscheider<br />
ist. Das wird sicherlich eine Rollenneufindung sein, die<br />
aber richtig ist. Ich sage, das ist ein guter Prozess immer auch vor<br />
dem Hintergrund, dass man auch bei der Beratung der Eltern auch<br />
sehr viel wert darauf legt, dass die Eltern auch das entsprechende<br />
Hintergrundwissen haben.<br />
Welche Chancen und Schwierigkeiten bringt die <strong>Inklusion</strong>?<br />
Ja, die <strong>Inklusion</strong> hat natürlich 'ne große Chance, weil sie ne Perspektive<br />
bietet zu einer gerechteren Gesellschaft. Das bedeutet,<br />
das ist natürlich ein sehr globales Ziel ist, wo auch zur Verwirklichung<br />
eigentlich die gesamte Gesellschaft angesprochen ist. Es ist<br />
ja nicht nur der Schul- und Bildungsbereich, sondern es ist die gan-<br />
22 Överblick · Das Kulturmagazin www.oeverblick.de
Günther Grashorn | Lebenshilfe im Landkreis Verden e.V.<br />
ze Lebenssituation. Das macht das Ganze einerseits reizvoll, andererseits<br />
aber natürlich auch aufwändig. Schwierigkeiten sehe ich<br />
darin, wenn wir derzeitig realistisch sind, setzen wir gerade die<br />
Möglichkeit zur Teilnahme in der Gemeinschaft um. Wenn man<br />
dann zurück blickt, ist das eine Zielvorgabe der Kultusministerkonferenz<br />
von 1 973 von Jacob Muth. Das wäre jedenfalls n Problem,<br />
dass man sagt, das sind die Zeitabläufe, die man berücksichtigen<br />
muss, dass dann schnell mal 1 0 oder 20 Jahre ins Land gehen. Insbesondere<br />
hier in Niedersachsen, wenn wir mal überlegen, 1 993,<br />
das ist 20 Jahre her, da haben wir im Schulgesetz die Integration<br />
eingeführt und entsprechend glaube ich aus diesem Erfahrungshintergrund,<br />
wird man damit rechnen müssen, dass diese Prozesse<br />
sehr lange dauern. Das ist für den Einzelnen unbefriedigend, den<br />
Betroffenen insbesondere und die Eltern. Aber ich glaube es ist realistisch,<br />
diese Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Und die große<br />
Schwierigkeit, die man natürlich immer hat: Wird die Gesellschaft<br />
bereit sein, die entsprechenden Ressourcen bereitstellen, damit<br />
diese Prozess auch in der entsprechenden Qualität laufen? Weil die<br />
<strong>Inklusion</strong> braucht Professionalität. Es wäre verheerend, die <strong>Inklusion</strong><br />
misszuverstehen als Pflichtmodell, wo diese Fachlichkeit abgebaut<br />
wird. Und ich glaube an dieser Diskussion beteiligen wir uns ja<br />
gerade, dass man da als Lebenshilfe aufpasst, dass nicht die Qualitäten<br />
abgebaut werden, die wir hier konkret in Verden in den letzten<br />
50 Jahren als Verein aufgebaut haben.<br />
Haben Sie Ideen und Veränderungsvorschläge zu diesem Thema?<br />
Wir von der Lebenshilfe sind ja ganz konkret schon vor 25 Jahren<br />
eingestiegen. Also vor 25 Jahren sind wir schon mit der <strong>Inklusion</strong><br />
gestartet, haben, das war die zentrale Grundlage der <strong>Inklusion</strong>, ein<br />
dezentrales Kindergarten- und Schulsystem aufzubauen, also Behinderte<br />
nicht an einem Standort zu versorgen. Das hat fast 20 Jahre<br />
gedauert im Schulbereich als auch im Kindergartenbereich, eine<br />
dezentrale Struktur in Verden aufzubauen. Die fachlichen Inhalte einer<br />
inklusiven methodischen Didaktik, sind nach meinem Dafürhalten<br />
immer noch nicht soweit entwickelt, dass man sagt, die sind<br />
schon fachlich auf einem hohen Niveau entwickelt. Es ist für mich<br />
immernoch unbefriedigend, sowohl in der Theorie, was von den<br />
Hochschulen auch geliefert wird, als auch, und das ist natürlich ein<br />
Riesenproblem, dass uns in den nächsten Jahren mit dem Fachkraftmangel,<br />
insbesondere Mitarbeiter fehlen, die das fachliche<br />
Know-How mitbringen und das muss man kritisch sagen, man hätte<br />
in den letzten 20 Jahren der Integration deutlich die Lehrpläne, die<br />
Prüfungsordnungen im schulischen Bereich, im Lehramt als auch<br />
bei Erziehern und Sozialpädagogen ändern müssen. Das ist meiner<br />
Meinung nach einer der größten Fehler, den wir in den kommenden<br />
20 Jahren auszubaden haben, weil uns bei der Umsetzung der <strong>Inklusion</strong><br />
eigentlich die entsprechenden Kollegen fehlen, die das<br />
fachliche Know-How mitbringen. Das zu kompensieren wird nicht<br />
ganz einfach sein.<br />
Das 50. Vereinsjubiläum der Lebenshilfe im Landkreis Verden zeigt<br />
auf, wie eine soziale Idee im gemeinschaftlichen Wirken der Betroffenen<br />
eine große Nachhaltigkeit erzielen kann.<br />
wir mal so ein schwieriges in Anführungszeichen auch komplexes<br />
Thema auf drei Sätze zusammenzufassen. Ich glaube aber und<br />
deshalb freue ich mich auch über das Gespräch, wir werden die<br />
ganzen Dinge, die ich ja eben auch kritisch angesprochen habe,<br />
nur lösen durch gemeinsamen Dialog. Also wenn ich eine Win-Win-<br />
Situation anstrebe, wo alle auch mit leben können, wo alle Perspektiven<br />
berücksichtigt sind, müssen wir miteinander reden. Und da<br />
möchte ich zum Schluss auch noch mal sagen, mir ist dann auch<br />
sehr wichtig, dass die Mitarbeiter die hier so was ermöglichen, das<br />
die am Schluss bei der <strong>Inklusion</strong> nicht die Verlierer sind. Die<br />
Schulassistenten, die Begleiter - da ist für mich noch ein Riesenhandlungsbedarf,<br />
was die Sozialabsicherung von den Mitarbeitern<br />
betrifft und auch die berufliche Perspektive. Es geht nicht an, dass<br />
wir das sozusagen, der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, in Anspruch<br />
nehmen für die <strong>Inklusion</strong> und hinterher nach ein, zwei Jahren<br />
oder hier vielleicht nach sieben Jahren sagen, hier das war's.<br />
Und das finde ich persönlich schäbig, da muss was anderes sozusagen<br />
geregelt werden. Damit da für denjenigen, der sich da engagiert,<br />
am Schluss auch die Rechnung aufgeht. Das will ich<br />
persönlich noch sagen. Da setze ich mich auch an anderen Orten<br />
auch wenn wir das hier in Verden nicht lösen können, also da bin<br />
ich sozusagen auf einigen parteipolitischen Schienen und auch in<br />
Verbänden derjenige, der das Thema immer besetzt. Weil das ist<br />
auch Ausdruck dessen, dass wir das auch nur gemeinsam lösen<br />
können. Deswegen ist vielleicht nochmal wichtig, auch für Justin,<br />
das ist eine Geschichte, wo man auch sagt, ich setze mich für den<br />
Betroffenen ein. Aber ich setze mich als Lebenshilfe-Leitung natürlich<br />
auch für die Mitarbeiter ein. Das finde ich auch richtig so. Weil<br />
ich glaube <strong>Inklusion</strong> muss so ein Wir-Gefühl haben, das ist ein solidarisches<br />
System. Und dann macht's mir wieder Hoffnung. Es geht<br />
auch darum, Hoffnung zu übermitteln, die nächsten 20 Jahre. Da in<br />
Schwung zu kommen und das gemeinsam durchzustehen und nicht<br />
sozusagen einige, die da am Schluss den Preis bezahlen. Das ist<br />
glaube ich die Lehre, die wir aus der Integrationsentwicklung und<br />
-bewegung ziehen müssen. Dass sich das nicht nochmal wieder<br />
wiederholt, dass dann am Schluss engagierte Mitarbeiter die Zeche<br />
zahlen und mit Burn-Out und ähnlichen Dingen dann draufzahlen.<br />
Das ist doch mal ein moralischer Appell! Ich danke für das Gespräch.<br />
Das war's. Vielen, vielen Dank für das Interview und alles, alles<br />
Gute mit der <strong>Inklusion</strong>.<br />
Ja, ich hab zu danken, ich hoffe, dass das auch 'n bisschen sagen<br />
www.oeverblick.de<br />
Överblick · Das Kulturmagazin<br />
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