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Cruiser im Maerz 2017

Gays fordern überall Toleranz. Aber: Wie tolerant sind wir selbst eigentlich in unseren eigenen Reihen? Ausserdem: Vor noch nicht all zu langer Zeit hatten es junge Schwule in Erziehungsheimen alles andere als leicht. Cruiser wirft einen Blick zurück in ein eher düsteres Kapitel der Pädagogik. Ausserdem: Cruiser guckte beim Training der einzigen Rugby Mannschaft - den RASCALS - zu.

Gays fordern überall Toleranz. Aber: Wie tolerant sind wir selbst eigentlich in unseren eigenen Reihen? Ausserdem: Vor noch nicht all zu langer Zeit hatten es junge Schwule in Erziehungsheimen alles andere als leicht. Cruiser wirft einen Blick zurück in ein eher düsteres Kapitel der Pädagogik. Ausserdem: Cruiser guckte beim Training der einzigen Rugby Mannschaft - den RASCALS - zu.

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cruiser<br />

DAS<br />

märz <strong>2017</strong> CHF 7.50<br />

GRÖSSTE<br />

SCHWEIZER<br />

GAY-MAGAZIN<br />

Heucheln,<br />

jammern,<br />

lamentieren:<br />

Schwule und<br />

die Toleranz.<br />

Gay-Rugby Zürich<br />

Zu Besuch bei den Rascals<br />

Unsittlich<br />

Homosexualität in der Psychiatrie<br />

Schwubliothek<br />

Archiviert & konserviert


Collage by: Patrick Mettreaux


3<br />

Editorial<br />

Liebe Leser<br />

Kürzlich war ich mit einem alten Freund (der irgendwie nie älter wird) in einer Pizzeria essen. Neben<br />

uns am Tisch sassen zwei Männer – der eine war ein Handwerker in seiner Arbeitskleidung, der<br />

andere sah irgendwie nach Banker aus. Ich hatte die beiden nicht weiter beachtet, während der<br />

Mittagszeit ist das Lokal jeweils gerammelt voll. Die Männer waren in ihren 20ern und schienen sich<br />

ebenfalls angeregt zu unterhalten. Plötzlich hielten die beiden über dem Tisch ihre Hände und guckten sich verliebt an. Es<br />

schien <strong>im</strong> Lokal niemand zu stören, niemand starrte. Ausser ich. Ich glotzte förmlich und erwischte mich dabei, wie ich zu mir<br />

sagte: «Die sehen aber gar nicht schwul aus.» Wie tolerant ist dieses Starren? Und wie können wir von den Heteros verlangen,<br />

dies nicht zu tun, wenn wir es selbst nicht fertigbringen? In unserer Titelgeschichte versuchen wir, dieses Thema aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven zu beleuchten und anzugehen. Ich wünsche spannende Momente mit dem neuen <strong>Cruiser</strong>!<br />

Herzlich, Haymo Empl<br />

inhalt<br />

4 Thema Schwule sind intolerant<br />

10 Kolumne Michi Rüegg<br />

11 Kultur Nik Hartmann auf Tour<br />

12 Kultur Buchrezension<br />

13 Thema Gay-Rugby<br />

17 Thema Schwul in der<br />

Erziehungsanstalt<br />

20 Reportage Schubliothek Zürich<br />

23 Kolumne Mirko!<br />

24 Fingerfertig Nihat kocht<br />

26 Serie Homosexualität in<br />

Geschichte und Literatur<br />

28 News National & International<br />

29 Serie Ikonen von Damals<br />

30 Kultur Christoph Braun<br />

31 Ratgeber Dr. Gay<br />

32 Kolumne Thommen meint<br />

34 Flashback <strong>Cruiser</strong> vor 30 Jahren<br />

<strong>im</strong>pressum<br />

CRUISER MAGAZIN PRINT<br />

ISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)<br />

Herausgeber & Verleger Haymo Empl, empl.media<br />

Infos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.ch<br />

Chefredaktor Haymo Empl | Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl<br />

Bildredaktion Haymo Empl, Nicole Senn<br />

Bilder Bilddatenbank. Alle Bilder, soweit nicht anders vermerkt, mit Genehmigung der Urheber.<br />

Art Direktion Nicole Senn | www.nicolesenn.ch<br />

Redaktion Print Vinicio Albani, Anne Andresen, Yvonne Beck, Bruno Bötschi,<br />

Andreas Faessler, Mirko, Moel Maphy, Michi Rüegg, Alain Sorel, Peter Thommen, Nihat.<br />

Korrektorat | Lektorat Birgit Kawohl<br />

Anzeigen anzeigen@cruisermagazin.ch<br />

Christina Kipshoven | Telefon +41 (0) 31 534 18 30<br />

WEMF beglaubigte Auflage 11 539 Exemplare<br />

Druck Druckerei Konstanz GmbH<br />

Wasserloses Druckverfahren<br />

REDAKTION UND VERLAGSADRESSE<br />

empl.media, Haymo Empl<br />

Winterthurerstrasse 76, 8006 Zürich<br />

redaktion@cruisermagazin.ch<br />

Telefon 044 586 00 44 (vormittags)<br />

CRUISER MAGAZIN ONLINE<br />

Herausgeber & Verleger Haymo Empl, empl.media<br />

Haftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende<br />

Angaben auf www.cruisermagazin.ch<br />

Der nächste <strong>Cruiser</strong> erscheint am 1. April <strong>2017</strong><br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


4<br />

Thema<br />

Toleranz in den eigenen Reihen<br />

Heucheln, jammern,<br />

lamentieren<br />

Toleranz, ein Wort, das uns mehr oder<br />

weniger locker über die Lippen geht.<br />

Jeder von uns ist das. Oder?<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


Thema<br />

Toleranz in den eigenen Reihen<br />

5<br />

Von Birgit Kawohl<br />

E<br />

in lauer Herbstabend in Zürich City.<br />

Die Menschen tummeln sich auf den<br />

Strassen, geniessen die Sonne, <strong>im</strong><br />

Kreis fünf sitzen viele nach einem mal mehr,<br />

mal weniger anstrengenden oder erfolgreichen<br />

Arbeitstag bei einer kühlen Stange<br />

oder einem Cüpli in einer Bar. Plötzlich geht<br />

ein Raunen, vielleicht ist es auch eher ein<br />

Grunzen, durch die Anwesenden (bisher<br />

überwiegend Männer). Da wagen es doch<br />

tatsächlich zwei Frauen, sich per Kuss auf<br />

den Mund zu begrüssen und sich dann auch<br />

noch verliebt anzuschauen. Pfui! Be<strong>im</strong> genaueren<br />

Hinsehen wird schnell klar, dass es<br />

sich bei den Aufgeregten zu einem nicht unbeträchtlichen<br />

Teil um Männer, die mit<br />

Männern schlafen, handelt. Da läuft doch<br />

irgendwie etwas mächtig falsch. Wie sieht<br />

das denn nun aus mit der Toleranz (per Definition<br />

der Achtung und Duldung gegenüber<br />

anderen Auffassungen, Meinungen<br />

und Einstellungen) in der LGTB*-Szene?<br />

Nicht nur, dass man schnell angefeindet<br />

wird, sollte man mal auf das mittlerweile<br />

obligatorische* verzichten. Man möchte in<br />

seinem Anderssein schon ausreichend<br />

wahrgenommen und gewürdigt werden,<br />

aber bitte nur so weit, als dass man dann<br />

Man will als einzigartig<br />

angesehen werden, bei<br />

voller Akzeptanz und ohne<br />

jegliche Einschränkung.<br />

letztendlich keine Nachteile davon hat. Darum<br />

scheint es doch irgendwie <strong>im</strong>mer zu gehen:<br />

Man will als einzigartig angesehen<br />

werden, bei voller Akzeptanz und ohne jegliche<br />

Einschränkung. Da funken den<br />

Schwulen die Lesben natürlich mächtig ins<br />

Konzept. Schliesslich sind sie trotz allem<br />

<strong>im</strong>mer noch die Männer und damit die<br />

Platzhirsche.<br />

Anfeindungen gegenüber<br />

Homosexuellen<br />

Jetzt kommt natürlich – und nicht ganz unberechtigt<br />

– subito der Einwand, Schwule<br />

seien <strong>im</strong> Allgemeinen viel mehr Anfeindungen<br />

ausgesetzt als Lesben. Das bestätigen<br />

Studien, die sich mit Diskr<strong>im</strong>inierung, Beleidigungen<br />

oder Angriffen gegenüber Lesben<br />

und Schwulen befassen. Dabei fand man<br />

u.a. heraus, dass 55% der Schwulen Beleidigungen<br />

<strong>im</strong> Alltag bestätigen, während dies<br />

nur 26% der Lesben tun. Bei körperlichen<br />

Angriffen gehen die Zahlen sogar noch weiter<br />

auseinander mit 26% (Schwule) gegenüber<br />

2% (Lesben) Warum ist das so?<br />

Zum einen gibt es vielleicht den ganz<br />

banalen Grund, dass Frauen Beleidigungen<br />

und körperliche Gewalt per se mehr gewohnt<br />

sind und diese darum nicht so stark<br />

wahrnehmen, wie es Männer tun. Wer es<br />

von klein auf gewohnt ist, dass die Mutter<br />

vom Vater als «blöde Schlampe» tituliert<br />

wird und ab und an eine Ohrfeige empfängt,<br />

findet das irgendwann normal. Aber das ➔<br />

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6 Thema<br />

Toleranz in den eigenen Reihen<br />

Klappe halten: Andere Meinungen werden in der Gay-Szene oft nicht toleriert.<br />

alleine kann diese grossen Unterschiede<br />

wohl kaum erklären.<br />

Zum Beleidigtwerden und Angegriffenwerden<br />

muss man zunächst einmal wahrgenommen<br />

werden. Sicher ist aber, dass<br />

Lesben oftmals nicht wahrgenommen<br />

werden, weil sie quasi die Steigerung der<br />

Nicht-Gleichberechtigung von Frauen sind.<br />

Frauen treten in der Öffentlichkeit auch <strong>im</strong><br />

Jahr <strong>2017</strong> <strong>im</strong>mer noch weniger und vor<br />

allem weniger kompetent in Erscheinung.<br />

Lesben werden ebenso wenig sowohl in der<br />

Gesellschaft als auch in der Literatur thematisiert.<br />

Wenn sich Lesben darüber empören,<br />

werden sie – meistens von Schwulen – hart<br />

angegangen, sie sollten sich nicht beschweren,<br />

dass sie, anders als Schwule, nicht dauernd<br />

in der Kritik stünden. Zudem hätten sie<br />

selten so unter staatlicher Verfolgung gestanden<br />

wie Schwule.<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

Verfolgung in der Vergangenheit<br />

Gerne werden hierzu dann historische Beispiele<br />

ins Feld geführt, zum Beispiel die<br />

Verfolgung von Schwulen zur Zeit der Nationalsozialisten<br />

in Deutschland, ihre Internierung<br />

in Konzentrationslager und die<br />

entwürdigende Behandlung dort, angefangen<br />

von der Kennzeichnung per rosa Winkel<br />

bis hin zur brutalen Ermordung. Sicher,<br />

das will nun wirklich niemand durchmachen.<br />

Doch muss man hierbei auch die<br />

Hintergründe berücksichtigen: Warum<br />

verfolgten die Nazis Schwule, liessen Lesben<br />

aber weitgehend in Ruhe? Da wäre zum<br />

Beispiel die latente Angst der nationalsozialistischen<br />

Führungsriege, sich ihrer<br />

eigenen sexuellen Orientierung stellen zu<br />

müssen anzuführen. Oder auch der vermeintliche<br />

«Nutzen für den Volkskörper»<br />

Dem schwulen Mann traute<br />

der Staat Volkszersetzung<br />

zu, man sah ihn masturbierend<br />

und kopulierend durch<br />

die Lager an der Front ziehen.<br />

eines Menschen, ein enorm wichtiger und<br />

perverser Aspekt der damaligen Staatsideologie,<br />

die ja in grossen Teilen auf Vorurteilen<br />

basierte, die man zu Gesetzen werden<br />

liess. So «diente» die lesbische Bürgerin<br />

dem Staat weiterhin bestens, indem sie<br />

klaglos alle Missstände ertrug. Vielfach<br />

entstanden Lieben und Beziehungen zwischen<br />

Frauen zunächst eher zufällig als<br />

eine Art Notgemeinschaft, ohne direkte sexuelle<br />

Absichten. Vielen Frauen, ausser<br />

vielleicht den <strong>im</strong> obskuren Berlin lebenden,<br />

waren homoerotische Verhältnisse unter<br />

Frauen bisher weitgehend unbekannt. Man<br />

tat sich zusammen und dann wurde mehr<br />

daraus. (Wir erinnern uns an die wunderbare<br />

Verfilmung des Romans «A<strong>im</strong>ée und<br />

Jaguar».) Da Frauen in ihren Freundschaften<br />

sowieso häufig sehr gefühlvoll und körperlich<br />

agieren, ist der Übergang zwischen<br />

einfacher Freundschaft und homoerotischer<br />

Liebe fliessend und eine Grenze nur<br />

schwierig zu ziehen, was die Lesben auch<br />

damals schon auszunutzen pflegten. Dem<br />

schwulen Mann hingegen traute der Staat<br />

Volkszersetzung zu, man sah ihn masturbierend<br />

und kopulierend durch die Lager<br />

an der Front ziehen, sich aus rein sexuellen<br />

Gründen mit dem Feind vereinen und damit<br />

zum Verlust des Krieges beitragen.<br />

Wohlgemerkt: Wir haben hier das Ausleben<br />

von Vorurteilen mit höchster staatlicher<br />

Legit<strong>im</strong>ierung vorliegen, <strong>im</strong>mer zu<br />

dem Zweck, Deutschland gross zu machen.<br />

Ebenso wie die Frauen während des<br />

Nationalsozialismus, einer Zeit des reinen<br />

Patriarchats, viel weniger wahrgenommen<br />

wurden als die Männer, sind sie auch heute<br />

häufig noch weniger sichtbar als diese und<br />

werden darum auch weniger kritisiert.<br />

Denn kritisiert werden, hiesse in diesem


Thema<br />

Toleranz in den eigenen Reihen<br />

7<br />

Fall zunächst einmal wahrgenommen<br />

werden. Angeblich hat die Kritik<br />

gegenüber Homosexuellen heutzutage sowieso<br />

stark abgenommen. (Ob das der oder<br />

die Einzelne dann so erlebt, ist eine andere<br />

Sache.) Lt. Einer Statistik von 2014 antworten<br />

87% der Deutschen auf die Frage «Sollte<br />

die Gesellschaft Homosexualität akzeptieren?»<br />

mit Ja (die Statistik weist keinen Wert<br />

für die Schweiz aus, es ist aber anzunehmen,<br />

dass dieser ähnlich hoch ausfallen<br />

würde). Offenbar ist sogar neuerdings<br />

Bisexualität die diskr<strong>im</strong>inierte Sexualform,<br />

wie der bisexuelle Underground-<br />

Artist Envie Koepke vor Kurzem in einem<br />

Interview darstellte.<br />

Lesben sind<br />

enttäuschte<br />

Heteras<br />

Damit wird auch<br />

klar, warum Schwule<br />

Lesben, die sich öffentlich<br />

als solche zu<br />

erkennen geben, nicht<br />

leiden können: Sie stellen<br />

sich – hier nun absolut genderkonform<br />

– über die Frau und kritisieren sie.<br />

Man sagt Lesben nach bzw. mutmasst, dass<br />

sie von Männern enttäuscht worden seien<br />

bzw. keinen Mann abgekriegt hätten, frustrierte<br />

Heteras eben (Klar, wenn man so aussieht<br />

und sich so anzieht!). Dies würde bei<br />

schwulen Männern merkwürdigerweise nie<br />

jemand vermuten, zumindest so lange es<br />

noch eine unbemannte Frau auf Erden gibt.<br />

Dass Frauen eventuell auch Qualitätsmerkmale<br />

bei Männern fordern, ist geradezu absurd.<br />

Frauen, die nun nicht zwangsweise<br />

hinter einem noch so hässlichen oder unintelligenten<br />

Mann herrennen sind erstens<br />

rätselhaft und zweitens sehr sehr frech. Das<br />

kann sich selbst ein schwuler Mann nicht gefallen<br />

lassen. Der Mann als das Mass aller<br />

Dinge wird durch das Lesbischsein quasi per<br />

se diskreditiert. Das geht natürlich gar nicht,<br />

auch wenn man <strong>im</strong> Fall selbst auf keinen Fall<br />

etwas mit irgendeiner Frau anfangen wollte.<br />

Dass Frauen eventuell<br />

auch Qualitätsmerkmale<br />

bei Männern fordern, ist<br />

geradezu absurd.<br />

Kann es vielleicht zudem ein klein wenig<br />

Neid sein, der in dem ganzen Besch<strong>im</strong>pfen<br />

von Lesben seinen Ausbruch findet? Aus<br />

Sicht der Schwulen haben es Lesben nämlich<br />

definitiv besser, wenn es zum Beispiel darum<br />

geht, ein Kind zu bekommen. Sie haben die<br />

Gebärmutter ja per Natur mit an Bord, ➔<br />

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CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


8 Thema<br />

Toleranz in den eigenen Reihen<br />

Wenn lesbische Frauen einen Kinderwunsch haben, ist von der «Community» nicht viel zu erwarten als ein Haufen blöder Sprüche, gerne mit<br />

dem Hinweis darauf, dass doch Sex mit einem Mann super sei.<br />

wohingegen der Mann nur seinen Samen abgibt.<br />

So weit die biologische Korrektheit.<br />

Aber: Natürlich sind es Frauen, die Kinder<br />

gebären. Dazu braucht es aber erst einmal<br />

einen Mann. Und zwar einen, mit dem man<br />

Sex hat. Üblicherweise ist das so, wir lassen<br />

jetzt mal Ideen von eingeführten Spermien-Raketen<br />

und In-vitro-Fertilisationen<br />

aussen vor. «Kein Problem», sagt der schwule<br />

Mann, «einmal Sex mit so einem gottgleichen<br />

Geschöpf wie mir. Ausser, sie zieht sich<br />

weiterhin so an, dann will die natürlich keiner.»<br />

(Siehe oben) Oh doch, lieber Fast-Gott,<br />

für Lesben ist das sehr wohl ein Problem mit<br />

einem Mann zu schlafen, sie haben nämlich<br />

Sex mit Frauen, weil sie diesen nicht mit<br />

Männern haben wollen. Das ist ungefähr so,<br />

als wenn ein Musl<strong>im</strong> doch nur diese eine<br />

Cervelat essen sollte oder ein Veganer dieses<br />

eine Glas Milch trinken. Und übrigens<br />

braucht es statistisch gesehen auch mehr als<br />

einen Beischlaf, um schwanger zu werden.<br />

In Anbetracht dessen ist es für lesbische<br />

Frauen ebenso schwierig wie für schwule<br />

Männer ein Kind zu bekommen.<br />

Blicken wir auf die Aufklärung<br />

Interessant ist, dass heute <strong>im</strong>mer schnell gejammert<br />

wird, statt sich an Aussagen zu erinnern,<br />

die zwar jahrhundertealt sind, trotzdem<br />

aber nicht an Gültigkeit verloren haben.<br />

So formulierte Immanuel Kant vor ca. 230<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

Jahren die damals längst notwendige und<br />

dennoch bahnbrechende Erkenntnis, Aufklärung<br />

– und diese wird verstanden als<br />

Grundlage jeglicher Toleranz - sei «der Ausgang<br />

des Menschen aus seiner selbst verschuldeten<br />

Unmündigkeit». Wir sind heute<br />

trotzdem <strong>im</strong>mer noch ganz selbstverständlich<br />

in Klischees und Vorurteilen verfangen,<br />

ohne uns, wie ebenfalls von Kant gefordert,<br />

Wenn die LGTB*-Gemeinschaft<br />

gleiche Rechte und Anerkennung<br />

fordert, wie kann sie<br />

das glaubwürdig, wenn sich<br />

die einzelnen Teilgruppen<br />

nicht grün sind?<br />

«unseres eigenen Verstandes zu bedienen».<br />

Warum wird das Outing eines schwulen Politikers<br />

oder eines schwulen Fussballers von<br />

allen Seiten so gefeiert? Ist das nicht gerade<br />

erst recht diskr<strong>im</strong>inierend, <strong>im</strong>pliziert man<br />

damit doch, dass Schwule eigentlich von Politik<br />

keine Ahnung haben und sicher bisher<br />

nicht einmal wussten, dass ein Ball rund ist.<br />

Umgekehrt ist es so, dass man allen fussballspielenden<br />

Frauen nachsagt, sie seien (zumindest<br />

latent) lesbisch, obwohl es unter<br />

diesen auch zahlreiche Mütter und glückliche<br />

Ehefrauen gibt.<br />

Je mehr man darüber nachdenkt, umso<br />

deutlicher wird, egal welcher «Randgruppe»<br />

ein Mensch angehört, er braucht <strong>im</strong>mer jemanden,<br />

auf den er wiederum herunterblicken<br />

kann, sonst kann er – vermeintlich –<br />

nicht glücklich werden. Das ist übrigens<br />

etwas, was schon die oben erwähnten Nationalsozialisten<br />

wunderbar ausgenutzt haben,<br />

indem sie in ihren Lagern eine Hierarchie<br />

unter den Gefangenen herstellten. Diejenigen,<br />

die danach weiter oben standen, waren<br />

bedeutend williger mit den Nazis zu kooperieren,<br />

weil sie wussten, es gibt noch jemanden,<br />

der unter ihnen steht.<br />

Genau an diesem Beispiel sollte auch<br />

klar werden, warum diese Haltung so pervers<br />

ist: Weil sie den Falschen nutzt. Wenn<br />

die LGTB*-Gemeinschaft gleiche Rechte<br />

und Anerkennung fordert, wie kann sie das<br />

glaubwürdig, wenn sich die einzelnen Teilgruppen<br />

nicht grün sind? Wenn Lesben über<br />

Männer <strong>im</strong> Kosmetikstudio grinsen, wenn<br />

Schwule über Frauen in Militaryhosen hetzen<br />

und alle gemeinsam finden, bi gehe nun<br />

mal gar nicht, entscheiden müsse man sich<br />

schon. Vielleicht sollte jeder einfach mal seine<br />

eigene Toleranzskala checken und auf<br />

ihre Tolerierbarkeit hin überprüfen. Damit<br />

wäre ein Anfang gemacht.


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13<br />

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CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


10<br />

KOLUMNE<br />

MICHI RÜEGG<br />

Ich, die Liebe<br />

und Genesis<br />

Michi Rüegg spricht<br />

erstmals über Gefühle.<br />

VON Michi Rüegg<br />

I<br />

ch werde häufig auf Sex angesprochen.<br />

Weil ich oft darüber geschrieben habe.<br />

Über Sex zu schreiben, ist seltsamerweise<br />

noch <strong>im</strong>mer ein Tabu. Selbst unter<br />

uns Homos. Das ist umso erstaunlicher, als<br />

dass es unter uns an sich kein mehrheitsfähigeres<br />

Thema gibt als die Kopulation.<br />

Nun mag man einwerfen, Sex sei halt<br />

so etwas, das man lieber tue als darüber zu<br />

reden. Ich persönlich finde, man kann beides.<br />

Ich kann sowohl essen, als auch Kochbücher<br />

anschauen. Das eine schliesst das<br />

andere nicht aus.<br />

Mir ist allerdings aufgefallen, dass ich<br />

bei allem Sex praktisch nie über Liebe geschrieben<br />

habe. Vielleicht ist Liebe so etwas,<br />

das ich lieber selber erlebe als darüber zu<br />

schreiben. Vielleicht traue ich der Liebe auch<br />

nicht, weil sie mich häufiger <strong>im</strong> Stich gelassen<br />

hat als der Sex.<br />

In den ersten Jahren meines jüngeren<br />

Lebens habe ich die Liebe als eine erhöhte<br />

Form der sexuellen Anziehung erlebt. Letztere<br />

bildete die Basis, doch es war, wie wenn<br />

sie ein Romantik-Plugin in sich getragen<br />

hätte. Es war nicht nur die körperliche Anziehung,<br />

es war das Gesamtpaket. Das Wissen<br />

darum, dass man künftig nur noch in<br />

Gegenwart dieser einen Person vollkommenes<br />

Glück verspüren kann. Ein einzelnes Lächeln<br />

konnte Beton zum Schmelzen bringen.<br />

Nicht von ungefähr ist das Herz Sinnbild der<br />

Liebe. Tatsächlich merkte ich, wie der Motor<br />

meines Körpers in den Overdrive ging, wenn<br />

der Geliebte mich berührte.<br />

Natürlich habe ich nach einiger Zeit<br />

gemerkt, dass dieses Gefühl der Liebe eine<br />

Täuschung sein kann. Häufiger noch denn<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

als Täuschung entpuppte sich die Liebe jedoch<br />

als Ent-Täuschung. In jungen Jahren<br />

bedient sich die Liebe einer Art Brandbombe.<br />

Sie entfacht <strong>im</strong>mer wieder aufs neue<br />

blendende Feuer, die alles fressen, was sich<br />

ihnen in den Weg stellt. Mit den Jahren werden<br />

die Feuer weniger. Die Liebe wird zur<br />

Glut, die zwar nicht die faszinierende Kraft<br />

der Flammen hat, dafür aber für ihre Beständigkeit<br />

geschätzt wird.<br />

«Ich widerstand der Versuchung,<br />

die Hand nach<br />

der Frucht auszustrecken.»<br />

Vor einigen Jahren traf ich an meiner<br />

Arbeitsstelle einen Heteromann gleichen Alters.<br />

Wir hegten freundschaftliche Gefühle<br />

für einander. Zumindest meinte er das. In<br />

Tat und Wahrheit war ich unglaublich verknallt<br />

in ihn. Wahrheit war ich unglaublich<br />

verknallt in ihn. Während Monaten träumte<br />

ich nachts von – nennen wir ihn – Robert.<br />

Diese Träume trugen übrigens alledas Label<br />

«FSK ab 18 Jahren». Nacht für Nacht hatte<br />

ich Sex mit Robert. So guten Sex, wie ich ihn<br />

in der Realität noch nie mit jemandem gehabt<br />

hatte. Einmal traf ich Robert <strong>im</strong> Traum<br />

auf dem Basketball-Court. Wir warfen ein<br />

paar Bälle, dann fielen wir über einander<br />

her. Mit einer Leidenschaft, die Glühbirnen<br />

zum Bersten gebracht hätte. Ich hatte bereits<br />

in HD geträumt, bevor die TV-Hersteller<br />

mit der Entwicklung so weit waren. Die Träume<br />

machten mich fertig, denn jeden Morgen<br />

traf ich an meiner Arbeitsstelle Robert, der<br />

freundlich grüsste.Einmal, während eines<br />

Betriebsausflugs, teilten wir ein Hotelz<strong>im</strong>mer.<br />

Ich war wie üblich etwas betrunken, <strong>im</strong><br />

Bett neben mir schlief – nur in Unterhose –<br />

Robert. Seit jener Nacht verstehe ich das erste<br />

Buch Moses.<br />

Robert war die verbotene Frucht, die<br />

vom Baume hing. Würde ich nach ihr greifen,<br />

wäre das Paradies für mich zu Ende. Ich hatte<br />

monatelang vermieden, die Frucht zu pflücken.<br />

Und dann, in jener Nacht, war da diese<br />

Schlange zwischen meinen Beinen. Sie sprach<br />

zu mir: «N<strong>im</strong>m sie dir, die Frucht, du willst<br />

sie doch.» Vielleicht sagte die Schlange auch<br />

nichts und ragte bloss empor. Die Botschaft<br />

war dennoch deutlich.<br />

Ich widerstand der Versuchung, die<br />

Hand nach der Frucht auszustrecken. Stattdessen<br />

wollte ich die niederträchtige Schlange<br />

zum Schweigen bringen.<br />

Leider blieb mein Kampf mit der<br />

Schlange auch dem vermeintlich schlafenden<br />

Robert nicht verborgen. Er missdeutete<br />

mein Tun und hielt es für profane Onanie.<br />

Entsprechend war er wenig erfreut und<br />

schickte mich ins Bad. Als ich die Schlange<br />

soweit hatte und sie ihren Speichel herauswürgte,<br />

wusste ich, dass auch meine Freundschaft<br />

mit Robert zu Ende war. Ich hatte die<br />

Schlange besiegt, doch gewonnen hatte sie<br />

trotzdem. Die verbotene Frucht verdarb<br />

kurz darauf am Ast.<br />

Seit jener Nacht begegne ich dem Gefühl<br />

der Liebe mit einer gewissen Skepsis.<br />

Mit den Schlangen hingegen habe ich mich<br />

wieder versöhnt.


Kultur<br />

Nik Hartmann auf Tour<br />

11<br />

KULTUR<br />

Der Hartmann macht auf harter Mann<br />

Hartmann ist während seiner Tournee durch die Schweiz ganz sich selbst. Ob das nun gut oder schlecht ist?<br />

Selten schafft es ein absolut «durch und<br />

durch» Hetero bei uns in den <strong>Cruiser</strong>. Letztes<br />

Mal war dies Mark Wahlberg. Hartmann<br />

hat – abgesehen von seinem Namen – für<br />

Gays wirklich nichts zu bieten. Und dennoch<br />

finden ihn (fast) alle «irgendwie toll»<br />

(Zitat <strong>Cruiser</strong>-Redaktion). <strong>Cruiser</strong> guckte<br />

sich also das Bühnenprogramm vom für<br />

Gays unerreichbaren Hetero an: «Nik Hartmann<br />

live». Der Name ist in diesem Fall tatsächlich<br />

Programm – der passionierte Wanderer<br />

steht in seiner Show auf der Bühne und<br />

erzählt. Geschichten vom Wandern, Anekdoten<br />

über andere Wandervögel, die ihn<br />

vom TV kennen (oder eben nicht), und Storys<br />

über seine Kindheit. Dies tut Nik Hartmann<br />

treffend und zielsicher, er schafft es<br />

mit wenigen Mitteln, eine Geschichte gross<br />

darzustellen, mit einem guten Gespür für<br />

das T<strong>im</strong>ing der Pointen. Und natürlich hatte<br />

beinahe jedes Erlebnis eine solche. Dennoch<br />

wird schnell klar, dass Hartmann kein<br />

Stand-up-Comedy-Programm <strong>im</strong> eigentlichen<br />

Sinne inszeniert, sondern eher einen<br />

humoristischen Vortrag mit grossem Unterhaltungspotenzial<br />

zum Besten gibt. Hartmann<br />

zeigt auf der Bühnen-Projektionswand<br />

Fotos von realen Personen, die er auf<br />

seinen Touren in den letzten zehn Jahren<br />

kennengelernt hat. Was nun genau Hartmanns<br />

Anspruch an sein Programm ist,<br />

wurde dem <strong>Cruiser</strong> an der Premiere nicht<br />

ganz klar, für das Hetero-Publikum war dies<br />

scheinbar auch irrelevant, denn letztendlich<br />

bot und bietet der Entertainer gute und solide<br />

Unterhaltung.<br />

Hartmann, die personifizierte Biederkeit,<br />

absolut skandalfrei und quasi amtlich<br />

beglaubigt massentauglich, schaffte es über<br />

die Jahre, dass die halbe Nation verfolgte,<br />

wie er und seine Entourage über Stock und<br />

Stein wanderte. Ergo gibt er sich auch<br />

in seinem Programm ohne Ecken und Kanten<br />

und politisch absolut korrekt. Und dennoch<br />

– oder gerade deshalb – liebt ihn das<br />

Publikum für seine Show. <strong>Cruiser</strong> findet,<br />

man kann sich das Programm durchaus mit<br />

der Schwiegermutti oder der besten Freundin<br />

anschauen.<br />

Nik Hartmann gastiert mit seinem<br />

Programm in der ganzen Deutschschweiz.<br />

(Haymo Empl)<br />

Nika Hartmann live: Freitag 10. März <strong>2017</strong><br />

20.00 Uhr, Winterthur, Casinotheater<br />

weitere Tourdaten auf: wwwnickhartmannlive.ch<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


12<br />

Kultur<br />

Buchtipp<br />

Adoption – irgendwie ein<br />

Dauerbrenner<br />

In Jasper Nicolaisens Roman «Ein schönes Kleid»<br />

wird ein schwuler Dauerbrenner thematisiert:<br />

Das Ergattern eines Kindes für ein schwules Paar.<br />

Von Birgit Kawohl<br />

J<br />

asper Nicolaisen, Jahrgang 1979,<br />

deutsch, schwul, Übersetzer und Autor<br />

(bisher) von Fantasyliteratur,<br />

n<strong>im</strong>mt eigene Erlebnisse mit der Aufnahme<br />

eines Pflegekindes als Ausgangspunkt für seinen<br />

Roman, der – so stellt der Autor gleich <strong>im</strong><br />

Vorwort klar – nicht als Ratgeber verstanden<br />

werden will. Ebenso wird betont, dass die<br />

Figuren keine realen Personen seien, aber angelehnt<br />

an ebensolche dargestellt würden.<br />

Nicolaisen will also unterhalten, warum<br />

nicht, in meinem Kopf entwickelten sich<br />

schnell absurde Szenerien rund um das Thema<br />

schwule Beziehung und «Kinderglück».<br />

Das schwule Paar Jannis und Levi<br />

Winter will nach langen Jahren einer funktionierenden<br />

Beziehung ein Kind zur Dauerpflege<br />

aufnehmen. Nach dem Ausfüllen<br />

komplexer Formulare und nach mehreren<br />

Terminen be<strong>im</strong> Jugendamt gelingt dies auch,<br />

der kleine Valentin darf bei ihnen einziehen.<br />

Schnell wurden die Erwartungen an<br />

eine unterhaltsame Lektüre auf den Boden<br />

der Tatsachen bzw. des Romans heruntergeholt.<br />

Die Beziehung von Jannis – offenbar<br />

das Alter Ego des Autors – und Levi, vormals<br />

eine Frau, jetzt ein Mann, bleibt ebenso blass<br />

und flach wie die Figuren selbst. Von Levi<br />

erfährt der Leser kaum etwas, ab und zu<br />

fungiert er als Stichwortgeber, <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

steht eindeutig Jannis. Das wäre prinzipiell<br />

auch okay bzw. dies könnte gelingen,<br />

wäre denn diese Figur plastischer ausgeformt.<br />

Man erfährt meist Klischees und erlebt<br />

das Paar in Standardsituationen, welche<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

zudem nicht besonders komisch geschildert<br />

sind, aber so wirken wollen. Wenn z. B.<br />

Jannis <strong>im</strong> Bus den Gurt des Kinderwagens<br />

nicht öffnen kann, haben sich die Mundwinkel<br />

der <strong>Cruiser</strong>-Buch-Rezensentin nicht<br />

zu einem Grinsen verzogen …<br />

Geradezu verstörend wirkte, dass der<br />

Hund des Paares, der zum Glück ziemlich<br />

schnell stirbt (bitte nicht missverstehen: wir<br />

alle lieben ja Hunde – also eigentlich),<br />

spricht, denn Jannis ist so einfühlsam, dass<br />

er Hunde und noch nicht sprechfähige<br />

Kleinkinder sprechen hören und verstehen<br />

kann. Da gab es doch mal einen Film mit<br />

John Travolta und Kirstie Alley, in dem das<br />

irgendwie besser unterhielt.*<br />

Hinzu kommen die <strong>im</strong> Roman eingestreuten<br />

Fragen des Jugendamtes bezüglich<br />

der Eignung der Pflegeeltern und das darauffolgende<br />

Gejammer über die Gemeinheit,<br />

dass man als schwules Paar solche Fragen<br />

beantworten müsse.<br />

Liebe Männer, die ihr Männer liebt, ihr<br />

mögt es kaum glauben, aber auch Hetero-<br />

Paare müssen sich einem solchen Fragenkatolog<br />

vom Jugendamt stellen. Ihr werdet hier –<br />

ausnahmsweise – nicht extra benachteiligt.<br />

Fazit: Hier wurde ein vielversprechendes<br />

(schwul-queeres) Thema verschenkt, da<br />

der Autor offenbar selbst zu wenig Distanz<br />

hatte, um locker mit diesem umgehen zu<br />

können. Schade.<br />

*Gemeint ist «Look who’s talking» von 1989.<br />

Buchtipp<br />

Jasper Nicolaisen: Ein schönes Kleid. Roman<br />

über eine queere Familie.<br />

Preis CHF 21.90<br />

ISBN 9783896562470


Thema<br />

Gay-Rugby<br />

13<br />

«Es braucht eine<br />

Portion Ehrgeiz»<br />

Die Rascals sind das erste und einzige Gay-Rugby-Team der Schweiz. Um nach<br />

zwei Jahren Bestand einen grossen Schritt weiterzukommen, gehen die<br />

Männer neue Wege. Und doch bleibt einiges auch be<strong>im</strong> Alten. Und das ist gut so.<br />

Von Andreas Faessler<br />

E<br />

in Novilonboden, eine schwefelgelbe<br />

Stirnwand, grelle Neonbeleuchtung,<br />

eine Spiegelwand mit Handläufen – es<br />

ist ein Gymnastikraum aus vergangenen<br />

Zeiten mit Patina mitten in Wiedikon. Die<br />

Zurich Rascals warten, bis die Damen mittleren<br />

Alters in Sportleggings und Wollstülpen<br />

mit ihren Verrenkungen fertig sind.<br />

Was will eine Rugbymannschaft hier<br />

an diesem für solcherart Mannschaftssport<br />

untypischen Ort? Die Rascals, seit Anfang<br />

2015 das erste Gay-Rugby-Team der Schweiz,<br />

stehen an einem Punkt des Umbruchs. So ist<br />

denn auch ihr ungewöhnlicher Trainingsraum<br />

eher ein Provisorium als fixe He<strong>im</strong>atstätte.<br />

Auf eine Wiese unter freiem H<strong>im</strong>mel<br />

oder wenigstens in eine ordentliche Sporthalle<br />

gehört ein echtes Rugbyteam schliesslich.<br />

Nicht, dass die Rascals das nicht schon<br />

gewesen wären: Die derzeit rund zwölf Mitglieder<br />

nehmen das Training ernst, sind<br />

sichtlich mit Herz dabei und pflegen Zusammenhalt,<br />

Respekt und Teamgeist – die<br />

Grundwerte jeder Sportformation, die etwas<br />

auf sich hält. Aber für mehr als das<br />

Training und gelegentliche Spass-Rugbyspiele<br />

reicht die aktuelle Situation der<br />

Rascals nicht. Ohne fixen Trainer wäre eine<br />

Teilnahme an ernsten Tournaments<br />

gar nicht möglich. «Darum wollen wir ➔<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


14<br />

Thema<br />

Gay-Rugby<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


Thema<br />

Gay-Rugby<br />

15<br />

professioneller werden», sagt Dani Merkle<br />

entschlossen. Der «Kopf» der Rascals ist die<br />

treibende Kraft, er plant und führt die Trainings.<br />

Bereits vor der Gründung des Teams<br />

hatte er Rugby-Luft geschnuppert und war<br />

der Sportart ziemlich schnell verfallen.<br />

«Wer einmal an einem Tournament war,<br />

der will nichts anderes mehr.»<br />

Einen ersten Schritt in ihre Zukunft<br />

haben die Rascals <strong>im</strong> vergangenen Herbst<br />

gemacht: Mit einem Crowdfunding sollte<br />

ein Trainingsort angemietet sowie ein Trainier<br />

engagiert werden, der die Rascals aufpeppt<br />

und auf ein höheres Level hebt. Via<br />

«Gay Sport Zürich», dem die Rascals angegliedert<br />

sind, kamen sie zum eingangs erwähnten<br />

Trainingsraum in Wiedikon. Aber<br />

der Wunsch nach einem eigenen Trainer erfüllte<br />

sich nicht – es konnte kein Coach gefunden<br />

werden.<br />

Mitte Februar hat Dani Merkle<br />

schliesslich den Entschluss gefasst, die Weichen<br />

neu zu stellen. «Die Ambitionen der<br />

einzelnen Mitglieder <strong>im</strong> Rascal-Team sind<br />

unterschiedlich. Die einen streben danach,<br />

in dieser Sportart weiterzukommen. Andere<br />

sehen es lockerer und schätzen einfach den<br />

Spass, die Bewegung und die Kameradschaft.<br />

So ist auch die Teilnehmerzahl an<br />

den jetzigen Trainings nie konstant.» ➔<br />

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CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


16<br />

Thema<br />

Gay-Rugby<br />

Natürlich wird nach Möglichkeit auch draussen trainiert. Hier beispielsweie <strong>im</strong> Trainingslager in Filzbach.<br />

©Bilder: Rascals<br />

Trotz dieser Diskrepanz und dem fehlenden<br />

gemeinsamen Ziel werden die Rascals<br />

als solche weiterbestehen. Fürderhin<br />

werden sie einmal <strong>im</strong> Monat nach München<br />

fahren und mit dem dortigen Gay-Rugby-<br />

Team, den Munich Monks, trainieren und<br />

spielen. «Die Münchner zeigten sofort Bereitschaft,<br />

als wir ihnen dies vorschlugen. Sie<br />

freuen sich darauf», sagt Dani.<br />

Wer sich von den Rascals professionalisieren<br />

will, der wird künftig bei etablierten<br />

Schweizer Rugbyteams trainieren. Die<br />

Mannschaft wird quasi teilausgelagert. Es<br />

gibt einige Mannschaften in der näheren<br />

Umgebung, wo die ambitionierten Rascals<br />

einzeln unterkommen können. «Und so<br />

wird das Geld aus dem Crowdfunding künftig<br />

auch zur Unterstützung derjenigen eingesetzt,<br />

welche diesen Weg gehen möchten»,<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

sagt Dani. Wer weiterkommen wolle, der<br />

müsse sich bewusst sein, dass ein regelmässiges<br />

Training unausweichlich ist und es<br />

auch eine Portion Ehrgeiz braucht. «Und ein<br />

gewisses Verletzungsrisiko muss man da<br />

auch in Kauf nehmen», fügt er an.<br />

Mitte Februar traf sich eine Gruppe<br />

von rund 40 Gay-Rugby-Spielern und<br />

-Neugierigen <strong>im</strong> glarnerischen Filzbach.<br />

Hier stand den Männern – und auch ein<br />

paar Frauen – <strong>im</strong> Rahmen des Gay Sport<br />

Zürich Trainingslagers ein ordentlicher<br />

Spielrasen zur Verfügung, wo sie sich bei<br />

bestem Wetter verausgaben konnten, ohne<br />

«Verluste» bei irgendwelchen Inneneinrichtungen<br />

zu riskieren. Neben <strong>im</strong>merhin sechs<br />

Rascals waren auch 15 Spieler der Munich<br />

Monks mit dabei – das Trainingswochenende<br />

gipfelte in einem 7er Rugby Match.<br />

«Ein Erfolg auf der ganzen Linie», zieht<br />

Dani Merkle Fazit zu den Trainingstagen<br />

hoch über dem Walensee. Jetzt freuen sich<br />

die Zürcher darauf, künftig regelmässig mit<br />

den Münchnern und auch ein paar Stuttgartern<br />

fürs gemeinsame Trainieren<br />

zusammenzukommen. Dass sich die<br />

Rascals – oder zumindest ein Teil davon –<br />

von nun an professionalisieren wird, heisst<br />

jedoch nicht, dass sie so, wie sie bisher existiert<br />

haben, Geschichte sein werden. Dani:<br />

«Die Rascals bleiben weiter unter dem Dach<br />

von Gay Sport Zürich.» Und: «Wir bieten ab<br />

sofort <strong>im</strong>mer am letzten Freitag <strong>im</strong> Monat<br />

einen Stammtisch an. So können Interessierte<br />

in lockerem Rahmen Kontakt zu uns<br />

aufnehmen.» Denn nach wie vor hat die<br />

Freude an Kameradschaft, Sport, Spass und<br />

Spiel oberste Priorität.


Thema<br />

Schwul in der Erziehungsanstalt<br />

17<br />

Homosexualität und Psychiatrie in der<br />

Erziehungsanstalt<br />

Sexualität war in schweizerischen Erziehungsanstalten bis in die Jahre um<br />

1970 ein Tabuthema. Am Beispiel der Anstalt Aarburg zeigt sich, dass die<br />

Problematisierung der jugendlichen Sexualität oftmals mit einer Wertung<br />

von Homosexualität einherging.<br />

Von Kevin Heiniger<br />

H<br />

omosexuelle Kontakte waren in nach<br />

aussen abgeschlossenen Institutionen<br />

mit gleichgeschlechtlichem Klientel<br />

wie etwa Klöster, Kasernen und Erziehungsanstalten<br />

bis weit ins 20. Jahrhundert ein<br />

Dauerthema – und zwar meistens dann,<br />

wenn es darum ging, diese verpönten Aktivitäten<br />

zu ahnden. In einer Anstalt für männliche<br />

Jugendliche war dieses sexuelle Problem<br />

wohl umso dringlicher, standen doch die<br />

Adoleszenten in der Blüte ihrer erwachenden<br />

Sexualität. Schon Robert Musil schrieb 1903<br />

in «Die Verwirrungen des Zöglings Törless»:<br />

«Dort, wo die jungen aufdrängenden Kräfte<br />

hinter grauen Mauern festgehalten wurden,<br />

stauten sie die Phantasie voll wahllos wollüstiger<br />

Bilder, die manchem die Besinnung<br />

raubten.» Und Musil musste es wissen,<br />

schliesslich hatte er selbst seine Jugendjahre<br />

in Militärakademien zugebracht.<br />

Verbotene Sexualkontakte<br />

Auch in der Erziehungsanstalt Aarburg<br />

(Kanton Aargau), darauf lassen die Akten<br />

schliessen, waren verbotene Sexualkontakte<br />

unter den internierten Jugendlichen an der<br />

Tagesordnung. Hinweise darauf liefern bereits<br />

die autobiografischen Erzählungen zweier<br />

ehemaliger Zöglinge, die sich in den 1920er<br />

Jahren auf der Festung Aarburg befanden.<br />

Jenö Marton lässt in «Zelle 7 wieder ➔<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


18 Thema<br />

Schwul in der Erziehungsanstalt<br />

Gelegenheiten boten sich in den Erziehungsanstalten viele. Wurde man erwischt, kam es zu unschönen Szenen. Hier aus dem Film «Der junge<br />

Törless» von Volker Schlöndorff aus dem Jahre 1965.<br />

frei …!» (1936) den einen Zögling zum anderen<br />

sagen: «Meine Freundschaft mit Vogelsang<br />

war den Herren nicht genehm. Du<br />

kennst ja noch den Vorfall letztes Jahr mit<br />

Buschkopf und Zingg. Die Anstalt müsse<br />

solche Elemente ausmerzen. Jetzt sehen die<br />

‹solche Elemente› in jeder Freundschaft.»<br />

Mit «solchen Elementen» waren offensichtlich<br />

Homosexuelle gemeint. Konkreter wird<br />

Colombo Farinoli in seinem unter Pseudonym<br />

veröffentlichten Roman «Jugend am<br />

Abgrund» (1937): «Der Zögling Brand zeigt<br />

kein Interesse an den Gesprächen. Er ist eigentlich<br />

einer der Unglücklichsten mit seiner<br />

widernatürlichen Veranlagung, die ihm<br />

hier ausgetrieben werden soll. Man nennt<br />

ihn das ‹Schweine-B›, aber er ist nicht der<br />

einzige ‹Homo›. Fast jeden Tag wird er geprügelt,<br />

weil er mit einem Kameraden er-<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

tappt wird. Aber scheinbar liebt er Prügel<br />

auf den Hintern. Nur merken die ‹gebildeten›<br />

Aufseher nichts.»<br />

Fast jeden Tag wird er<br />

geprügelt, weil er mit einem<br />

Kameraden ertappt wird.<br />

Die Akten und insbesondere die Personendossiers,<br />

die sich noch <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> heutigen<br />

Jugendhe<strong>im</strong> befinden, sprechen eine differenziertere<br />

Sprache. Bis in die 1930er Jahre<br />

hinein finden sich darin nur wenige Hinweise<br />

auf das Sexualverhalten der internierten<br />

Jugendlichen. Das Vorgefallene muss in den<br />

frühen Beispielfällen richtiggehend zwischen<br />

den Zeilen gesucht werden. Dann<br />

aber, und zwar bis in die 1960er Jahre hinein,<br />

wurde der Topos jugendlicher Sexualität zu<br />

einem intensiv diskutierten Problemfeld,<br />

um das sich Anstaltsleitung, Psychiatrie und<br />

Fürsorgebehörden scharten. Gründe dafür<br />

finden sich auf unterschiedlichen Ebenen.<br />

Zum einen fand 1932 ein Direktorenwechsel<br />

statt: Der mit 28 Jahren recht junge Direktor<br />

Ernst Steiner problematisierte die jugendliche<br />

Sexualität auf eine andere Weise als sein<br />

Vorgänger Adolf Scheurmann, der zu dem<br />

Zeitpunkt die 70 bereits überschritten hatte.<br />

Zudem wurde in der Zwischenkriegszeit von<br />

Seiten der Fürsorgebehörden und der Versorgungsinstitutionen<br />

der Ruf nach einem<br />

Expertentum in Fragen der Behandlung


Thema<br />

Schwul in der Erziehungsanstalt<br />

19<br />

Nicht alle involvierten<br />

Jugendlichen wurden in<br />

der Folge psychiatrisch<br />

begutachtet.<br />

Gerne wurde in den He<strong>im</strong>en auch gespielt; ein guter Vorwand für Rangeleien aller Art. Und für<br />

Körperkontakt, notabene.<br />

schwieriger Klienten <strong>im</strong>mer lauter. Seit den<br />

späten 1930er Jahren zog die Anstaltsleitung<br />

<strong>im</strong>mer öfter einen Psychiater als beratende<br />

Instanz hinzu, wenn es darum ging, einen<br />

Jugendlichen, mit dem sie nicht zu Rande<br />

kam, zu beurteilen. Sehr oft war die sexuelle<br />

Entwicklung und generell das Sexualverhalten<br />

des «Exploranden» ein wichtiger zu klärender<br />

Punkt in diesen psychiatrischen Expertisen.<br />

Auch wurden Jugendliche oftmals<br />

psychiatrisch begutachtet, wenn die Anstaltsleitung<br />

von sexuellen Interaktionen<br />

mit anderen Zöglingen erfuhr.<br />

Verkehr mit 28 Kameraden<br />

Drei umfassende interne Untersuchungen,<br />

die in Aarburg in den Jahren 1939, 1949 sowie<br />

1958 geführt wurden, protokollieren die<br />

Art, die Häufigkeit und das Ausmass der sexuellen<br />

Aktivitäten der Anstaltszöglinge jener<br />

Jahrzehnte. Losgetreten wurden die Affären<br />

stets durch einen Denunzianten, der<br />

Mitzöglinge anschwärzte. Im Laufe der Einvernahmen<br />

wurde jeweils rund ein Drittel<br />

der jugendlichen Belegschaft in die Affären<br />

involviert, was darauf schliessen lässt, dass<br />

ein nicht geringer Anteil der Anstaltszöglinge<br />

in homosexuellen Interaktionen einen<br />

durchaus adäquaten Ersatz zur Triebabfuhr<br />

sah. Nicht alle involvierten Jugendlichen<br />

wurden in der Folge psychiatrisch begutachtet.<br />

Dies fand am ehesten bei solchen statt,<br />

die sich <strong>im</strong> Laufe der Untersuchung als besonders<br />

promiskuitiv erwiesen hatten, kurz<br />

vor der Entlassung standen oder sich sonst<br />

in ihrem Gebaren «verdächtig» gemacht hatten.<br />

So wurde etwa Bruno K., dem <strong>im</strong> Zuge<br />

der Affäre von 1958 sexueller Verkehr mit 28<br />

Kameraden nachgewiesen worden war, in<br />

der Expertise als «konstitutionell geschädigt»<br />

bezeichnet, der durch «sein unmännliches,<br />

geradezu weibisches Wesen» auffalle.<br />

Diese kurzen Beispiele illustrieren, in welche<br />

Richtung die Abklärungen von Anstaltsleitung<br />

und psychiatrischen Experten <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit homosexuellen Umtrieben<br />

zielten. Man wollte in erster Linie<br />

feststellen, ob es sich bei dem betreffenden<br />

Jugendlichen um einen «echten», einen konstitutionellen<br />

Homosexuellen handelte, oder<br />

ob die «Verfehlungen» eine s<strong>im</strong>ple Ersatzhandlung<br />

waren.<br />

Kevin Heiniger<br />

ist Historiker und als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter der Unabhängigen Expertenkommission<br />

Administrative Versorgungen<br />

tätig. Seine Dissertation «Krisen, Kritik<br />

und Sexualnot. Die ‹Nacherziehung›<br />

männlicher Jugendlicher in der Anstalt<br />

Aarburg (1893–1981)» ist <strong>im</strong> Chronos-<br />

Verlag erschienen.<br />

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CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


20<br />

Reportage<br />

Schubliothek Zürich<br />

Ein fast vergessener Ort<br />

Die Schwubliothek<br />

Mit über 4000 Titeln ist sie die grösste Bibliothek zum Thema Homosexualität<br />

in der Schweiz. Nicht viele finden den Weg hierher, um die Gesellschaft von<br />

Thomas und Klaus Mann, Bodo Kirchhoff, Alexander Ziegler, James Baldwin<br />

oder Hugo Loetscher zu suchen.<br />

Von Yvonne Beck<br />

D<br />

ie Schwubliothek liegt am Sihlquai<br />

67, <strong>im</strong> dritten Stock eines Wohnhauses<br />

in Zürich. Hier traf der <strong>Cruiser</strong><br />

die beiden ehrenamtlichen Bibliothekare<br />

Walter Bucher und Christoph Landolt und<br />

sprach mit ihnen über schwule Literatur, die<br />

Zukunft der Einrichtung und die zerstörerischen<br />

Faktoren des Internets.<br />

Was muss ein Buch erfüllen, um seine<br />

He<strong>im</strong>at in der Schwubliothek zu finden?<br />

Walter Bucher: Im Prinzip muss nur irgendetwas<br />

Schwules darin vorkommen oder der<br />

Autor ist homosexuell. Manchmal sind es<br />

jedoch auch nur ganz kleine homosexuelle<br />

Nuancen, die ein Buch für uns interessant<br />

machen. Wir haben sehr viele Bücher von<br />

schwulen Schweizer Autoren, auch wenn<br />

Homosexualität in ihren Büchern gar nicht<br />

thematisiert wird. Zum Beispiel von Hugo<br />

Loetscher, der sich ja in vielen seiner Bücher<br />

einer ganz anderen Thematik zuwendet. Unser<br />

Budget ist sehr klein, daher lege ich<br />

grossen Wert darauf, dass bei den belletristischen<br />

Neuanschaffungen ein gewisses Niveau<br />

vorhanden ist. Es gibt jedoch sicherlich<br />

einige Bücher in der Schwubliothek, die ich<br />

persönlich eher in die Schmuddelecke verdammen<br />

würde, aber hierbei handelt es sich<br />

meist um Schenkungen. Aber ohne Schenkungen<br />

könnten wir nicht existieren.<br />

Könnt Ihr mir ein bisschen über die Geschichte<br />

der Schwubliothek erzählen?<br />

Christoph Landolt: Gegründet wurde die<br />

Schwubliothek am 2. Januar 1985. Das ist ei-<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

gentlich recht spät, wenn man bedenkt, dass<br />

es das HAZ bereits in den 70er Jahren gab.<br />

Der Buch-Grundstock stammt aus den Beständen<br />

der SOH («Schweizerischen Organisation<br />

Homophiler»), die wiederum über<br />

Bücher des legendären Schwulenzirkel «Der<br />

Kreis» verfügte. So gibt es in der Schwubliothek<br />

einige Bücher, die einen Stempel vom<br />

Kreis, vom SOH und von der HAZ haben.<br />

Das macht sie zu wichtigen «Zeitzeugen» der<br />

Zürcher Schwulengeschichte. Inzwischen<br />

haben wir zirka 4000 Bücher und 500 DVDs<br />

zum Ausleihen.<br />

Wie finanziert Ihr Euch?<br />

Walter Bucher: Wir arbeiten fast alle ehrenamtlich.<br />

Es gibt ein Budget von CHF 2000.–<br />

pro Jahr. Davon werden 1000.– für Bücher<br />

und 1000.– für DVDs verwendet.<br />

Wer darf die Schwubliothek besuchen?<br />

Christoph Landolt: Jeder darf zu uns kommen.<br />

Ausleihen darf man ab 16 Jahren.<br />

Wie wird Euer Angebot angenommen?<br />

Walter Bucher: Wir haben zirka 500 Besucher<br />

<strong>im</strong> Jahr. Vor zehn Jahren waren es noch über<br />

1000. DVDs werden etwas besser angenommen<br />

als die Bücher. Wir haben ein paar<br />

Stammbesucher, die Bücher ausleihen, aber<br />

das sind inzwischen wirklich wenig geworden.<br />

Wer besucht die Schwubliothek?<br />

Christoph Landolt: Wir haben sehr viele<br />

langjährige Besucher. Die meisten sind eher<br />

älter. Bei den Jüngeren herrscht leider ein absolutes<br />

Desinteresse, sowohl bei den Büchern<br />

als auch den Filmen. Die Zeiten haben<br />

sich einfach geändert. Als ich mein Coming-out<br />

hatte, waren schwule Literatur<br />

und Filme extrem wichtig. Heute zeigen<br />

auch die Coming-out-Gruppen nur wenig<br />

Interesse daran.<br />

Walter Bucher: Ich denke, dies ist ein allgemeiner<br />

Trend. Auch in der Pestalozzi Bibliothek<br />

sind die Ausleihzahlen für Bücher seit<br />

Jahren rückläufig. DVDs und CDs laufen<br />

zwar noch recht gut, aber auch hier nehmen<br />

die Zahlen ab. Vieles lässt sich inzwischen<br />

ganz einfach <strong>im</strong> Internet herunterladen. Ab<br />

und zu haben wir jedoch Besucher, die zu<br />

Recherchezwecken kommen, denn viele der<br />

alten und unbekannteren Werke sind <strong>im</strong><br />

Netz nicht zu finden.<br />

Was ist die grösste Trouvaille der<br />

Schwubliothek?<br />

Christoph Landolt: Zum einen haben wir<br />

die alten Bände vom «Kreis», die seit kurzem<br />

jedoch auch in digitalisierter Form vorliegen.<br />

Sprich, <strong>im</strong> Internet frei für jeden zugänglich<br />

sind. Aber viele andere Bücher aus<br />

der «Kreis»-Zeit sind inzwischen vergriffen.<br />

Bei uns sind sie noch zu finden. Gerade <strong>im</strong><br />

Bereich der Belletristik. Wir haben bisher<br />

noch nie etwas weggeschmissen, deshalb<br />

sind wirklich einige kleine Schätze zu finden.<br />

Zum Beispiel Joseph Mühlberger «Die<br />

Knaben und der Fluss», dieses Buch werden<br />

heute nicht mehr viele lesen. Der dokumentarische<br />

Wert mit den Stempeln vom Kreis<br />

und der SOH ist jedoch nicht zu unterschät-


Reportage<br />

Schubliothek Zürich<br />

21<br />

zen. Wir haben sogar einige Bücher mit der<br />

Originalunterschrift des Autors.<br />

Wie sucht Ihr aus, welche Bücher bzw. Filme<br />

in die Bibliothek kommen?<br />

Walter Bucher: Ich lese viele Rezensionen,<br />

lasse mir Kataloge von den einschlägigen<br />

Buchverlagen schicken, besuche oft Buchhandlungen<br />

und recherchiere sehr viel <strong>im</strong><br />

Internet.<br />

Eure drei «Must»-Bücher, die jeder Schwule<br />

gelesen haben sollte?<br />

Christoph Landolt: Mir gefallen eher ältere<br />

Bücher wie von Edward Morgan Forster<br />

oder James Baldwin. Diese Literatur gefällt<br />

mir einfach besser, weil man merkt, dass es<br />

damals viel mehr Engagement gebraucht<br />

hat, um solche Themen aufzugreifen. Heute<br />

ist einfach alles so selbstverständlich und<br />

dadurch sehr oberflächlich.<br />

Walter Bucher: Sicher mal einen Klassiker<br />

wie «Der Tod in Venedig», aber ich mag auch<br />

Klaus Manns «Der Wendepunkt» und als<br />

neues Buch würde ich «Liebestod auf Long<br />

Island» von Gilbert Adair empfehlen – obwohl<br />

es vom Inhalt recht ähnlich ist wie der<br />

Tod in Venedig.<br />

Was wird am meisten ausgeliehen?<br />

Walter Bucher: Die Kr<strong>im</strong>is von Sunil Mann<br />

kommen gut an und die Bücher des in Basel<br />

lebenden Autors Alain Claude Sulzer werden<br />

auch sehr gerne gelesen. Christoph Geiser<br />

hingegen wird kaum mehr ausgeliehen.<br />

Christoph Landolt: Bei Büchern sind es ➔<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


22<br />

Reportage<br />

Schubliothek Zürich<br />

Globi, Herbert List, Thomas Mann und James Baldwin geben sich ein Stelldichein in der Schwubliothek.<br />

eher die neueren Sachen. Alles, was wir ein<br />

bisschen mehr präsentieren. Vermehrt werden<br />

Bücher aus dem ersten Raum ausgeliehen.<br />

Früher waren Comics sehr gefragt.<br />

Heute, seitdem wir sie <strong>im</strong> hinteren Raum<br />

ausstellen, fragt kaum mehr einer danach.<br />

Wobei Ralph König <strong>im</strong>mer noch sehr beliebt<br />

ist. Und auch bei den Filmen sind die Neuanschaffungen<br />

am beliebtesten.<br />

Habt Ihr auch lesbische Bücher <strong>im</strong> Sort<strong>im</strong>ent?<br />

Christoph Landolt: Eine Handvoll kann<br />

man sicher finden. Wie genau die hier hingekommen<br />

sind, weiss keiner. Bei den Filmen<br />

gibt es ein paar DVDs, die mit F gekennzeichnet<br />

sind. Aber der gesamte lesbische<br />

Bestand wurde der Bibliothek «Schema f»<br />

übergeben. Zurzeit ist dieser jedoch eingelagert.<br />

Falls das Regenbogenhaus jemals zustande<br />

kommt, würde es eine grosse gemeinsame<br />

Bibliothek geben mit einer lesbischen<br />

und einer schwulen Abteilung.<br />

Wozu braucht es heute noch eine<br />

Schwubliothek?<br />

Christoph Landolt: Vielleicht ist die<br />

Schwubliothek ein überholtes Relikt aus der<br />

Zeit, als man sich noch nicht getraut hat, in<br />

der ZB Bücher mit homosexuellen Inhalt<br />

auszuleihen und eine Pestalozzi-Bibliothek<br />

solche Bücher erst gar nicht geführt hat.<br />

Heute hat ja sogar Orell-Füssli eine schwule<br />

Ecke und <strong>im</strong> Internet bekommt man eh fast<br />

alles, was man will. Klar stellt sich da die<br />

Frage, braucht man noch einen Ort wie die<br />

Schwubliothek. Aber es gibt sonst keinen<br />

Ort, an dem man so konzentriert Bücher<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

zum Thema Schwulsein finden kann. In der<br />

ZB muss ich wissen, was ich suche, hier kann<br />

ich durch die Regale stöbern, bis ich das<br />

richtige gefunden habe. Ich denke, es wird<br />

<strong>im</strong>mer Menschen geben, die daran Freude<br />

haben.<br />

Was würdet Ihr Euch für die Schwubliothek<br />

wünschen?<br />

Christoph Landolt: Mehr Besucher! Unsere<br />

finanziellen Mittel sind leider sehr begrenzt.<br />

Früher hatten wir viel mehr Lesungen oder<br />

andere Events, die Aufmerksamkeit erregten.<br />

Die meisten Autoren wollen jedoch ein<br />

grösseres Publikum erreichen und würden<br />

uns daher von vornherein eine Absage geben.<br />

In den letzten fünf Jahren hat es nur<br />

zwe<strong>im</strong>al eine Lesung gegeben. Vielleicht<br />

fehlt uns auch einfach eine Eventgruppe, die<br />

Lesekreise, -diskussionen etc. ins Leben ruft.<br />

Walter Bucher: Vielleicht müsste man auf<br />

Facebook, Twitter und den ganzen sozialen<br />

Medien etwas aktiver werden. Oder Kurzbesprechungen<br />

von Büchern auf der Seite der<br />

HAZ veröffentlichen. Uns fehlt jemand, der<br />

aktiver nach aussen geht.<br />

Also, was konkret muss man ändern?<br />

Christoph Landolt: Die Öffnungszeiten<br />

sind nicht unbedingt ideal. Freitag- und<br />

Mittwochabend. Der Mittwoch ist noch ein<br />

bisschen besser. Viele wissen gar nicht, dass<br />

es uns gibt. Und vielleicht ist der Ort auch<br />

nicht der beste. Das Haus sieht aus wie ein<br />

Wohnhaus, man muss klingeln, um hereinzukommen,<br />

die Bibliothek liegt <strong>im</strong> dritten<br />

Stock. Ich denke, dies birgt eine gewisse<br />

Schwellenangst. Zufällig kommt sicher niemand<br />

hier vorbei. Wir hoffen, dass das Regenbogenhaus<br />

irgendwann einmal zustande<br />

kommt und sich die Situation dann zum Guten<br />

ändert.<br />

Walter Bucher: Man sagt ja, dass das Internet<br />

vieles zerstört hat. Das gesamte Nachtleben<br />

Zürichs hat sich geändert. Chatten und<br />

Grinder reichen aus. Man(n) braucht nicht<br />

mal mehr ausgehen. Ich denke jedoch, man<br />

unterschätzt wahrscheinlich, wie viele<br />

Schwule allein zuhause sitzen, weil es <strong>im</strong>mer<br />

weniger Orte wie diesen gibt.<br />

Könnt Ihr mir den Satz beenden: «Die<br />

Schwubliothek ist ein Ort …?»<br />

Christoph Landolt: … ein Ort der Inspiration.<br />

Wo sonst hat man noch so eine Präsenzbibliothek<br />

zum Thema Homosexualität. Ich<br />

fühle mich an Orten mit Büchern einfach<br />

wohl.<br />

Walter Bucher: Schön wäre ein Ort der Begegnung.<br />

Eine Ansammlung schwuler Geschichten<br />

und schwulen Wissens. Oder wie<br />

Jorge Luis es sagt: «Das Paradies habe ich<br />

mir <strong>im</strong>mer als eine Art Bibliothek vorgestellt.»<br />

Also müsste die Schwubliothek das<br />

Paradies auf Erden für den schwulen Zürcher<br />

Mann sein. (lacht)<br />

Schwubliothek<br />

Sihlquai 67<br />

8005 Zürich<br />

www.haz.ch/Schwubliothek<br />

Öffnungszeiten<br />

Mittwoch & Freitag 20.00 – 21.30 Uhr


KOLUMNE<br />

Mirko!<br />

23<br />

was man mit Heteros alles<br />

so tun kann<br />

Die Sonne wird wärmer, die Jungs zeigen Muckis<br />

und die aufkommenden Gefühle verwirren Mirko.<br />

VON Mirko<br />

I<br />

st doch geil, wenn d’Jungs wieder ihri<br />

Oberarme zeige chönnd, jetzt da die<br />

Sonne wieder wärmer scheint. Ich<br />

find’s super. Ok, alles ist plötzli oversexed<br />

und mr fühlt sich denn schnell mal underfucked.<br />

Ich habe das ja ziemlich <strong>im</strong> Griff. I<br />

hol mir, was ich bruuch. Kei Problem. Genug<br />

Fleisch hat’s ja auf dem Markt. Wenn<br />

ich von der Arbeit heifahre und abchecke,<br />

was <strong>im</strong> Zug <strong>im</strong> Angebot ist und dann Grindr<br />

durchsuch und der eine da hinten bei der<br />

Tür, der so cool mit einer Hand die Sporttasche<br />

des FC Dietikon über die Schulter<br />

geschlagen festhält, während er mit dem<br />

Daumen der anderen Hand über die<br />

Screens des Phones wischt und breit mit<br />

seinen Beinen in den engen Trainingshosen<br />

dasteht, mir aus der App entgegenlacht,<br />

Mann, dann ist’s aus mit meiner Coolness,<br />

chasch glaube. Und denn mach i das, wo<br />

alli sich ufrege drüber, aber ich mach das<br />

wirkli: Denn schriib i, was mir z Sinn<br />

chunnt und das isch nöd viel, wil s Bluet<br />

isch grad nöd <strong>im</strong> Hirni. LOL. Ich schriib<br />

denn: FICKE? (Grossbuchstaben, weil genau<br />

so will ich es in dem Moment.) Yeap.<br />

Und chasch gloube, de Typ döt isch noch<br />

em Training vom FC Dietike no uf en Abstecher<br />

mit mir id Sauna cho. Was mir<br />

gmacht hend, war genau so, wie ich’s auf<br />

Grindr gfröget han. Kurz und heftig und in<br />

Grossbuechstabe. Ich find Fussball toll. Die<br />

Jungs haben supergeile Ärsche.<br />

In dem Fall hat’s gepasst. Aber er musste<br />

dann zu seiner Freundin. Das war Scheisse.<br />

Weisch wie het’s mi gnärvt? Ich war<br />

nämlich schon very much in loooove, aber<br />

keine Chance und <strong>im</strong> Zug war er auch nie<br />

mehr. Ich ging sogar unauffällig am Samstag<br />

zu einem Match des FC Dietikon, e chli frischi<br />

Luft schnappe, habe ich mir gesagt, aber<br />

alles nur Ausrede, es ging schnurstracks<br />

Ich war nämlich schon very<br />

much in loooove.<br />

zum Fussballplatz. Ach, falsches T<strong>im</strong>ing.<br />

War die andere Mannschaft, die spielte.<br />

Glück gehabt! Ich wäre ja so was von uncool<br />

dagestanden. Ganz so eifach isch es halt<br />

doch nöd. Ich bin schon noch ein paar Mal<br />

wach geworden, hab an ihn gedacht und<br />

musste mir selber helfen, wenn du verstehst,<br />

was ich meine. Zum Fussballplatz ging ich<br />

übrigens auch mehr als nur einmal.<br />

Wenn ich so meine Kumpels höre, mit<br />

ihren Chicks, da bin ich ganz froh, dass ich<br />

meistens mit Bros rummache. Ich schwör’s!<br />

Jeder holt sich seinen Spass und pronto.<br />

Aber wie gseit: Ganz so einfach ist es nöd<br />

<strong>im</strong>mer. Ja, ich habe den Typen noch gesucht<br />

und ja, ich war sogar eifersüchtig, fuck, da<br />

hatten wir Hammersex und sonst war auch<br />

alles richtig und es hat gefunkt – und dann<br />

musste er weg. Wahrscheinlich findet sein<br />

Chick siin Arsch gar nicht so scharf wie ich.<br />

Mist, echt. Ich darf gar nicht daran denken.<br />

Das mit de Heteros ist halt auch nicht mehr<br />

so klar. Ich kenn’s von meinen Kumpels.<br />

Wenn ich mit denen mal rumhänge so zum<br />

Gamen und so, ein Bier dabei, dann erzählen<br />

sie, so vo «Schatz, ich gang no schnell<br />

d’Bohrmaschine b<strong>im</strong> Nachbar goge hole»<br />

und so. Ich glaub’s nöd … d’Bohrmaschine,<br />

usgrächnet. Ich verreck! Die Freundin<br />

schnappt nichts, obwohl sie doch weiss,<br />

dass ihr Typ selber eine Bohrmaschine hat<br />

und es gar nichts zu bohren gibt, ömel nöd<br />

mit de Maschine …<br />

Was mir durch den Kopf geht: Sex bekomme<br />

ich einfach. Jeder hat seinen Spass<br />

und pronto, wie gseit. Aber dann passiert so<br />

was wie mit dem Stürmer vom FC Dietike<br />

und dann bin ich plötzli nicht mehr so cool.<br />

Und plötzli wird i iifersüchtig, sogar wenn’s<br />

aussichtslos ist, und die andern, mit denen<br />

ich Spass habe, sind plötzli nümm interessant.<br />

Puhh, dä Früehlig goht jo voll ab!<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


24<br />

Fingerfertig<br />

<strong>Cruiser</strong> kocht<br />

Ein Prise<br />

Sommergefühl<br />

Sie kommen näher, die warmen und langen Tage. Und solange sie noch auf sich<br />

warten lassen, beschäftige ich mich wenigstens in der Küche mit dem Sommer.<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

VON Nihat<br />

D<br />

er Winter ist nicht meine Jahreszeit.<br />

Mindestens nicht, wenn eine Nebeldecke<br />

über dem Flachland liegt, und<br />

man nur anhand der Uhrzeit erahnt, dass<br />

eigentlich Tag ist. Da das Auswandern in<br />

südlichere, nebelfreie Gefilde wenig realistisch<br />

ist, begnüge ich mich mit einer Vorstellung<br />

von Sonne, Strand, Palmen und türkisfarbenem<br />

Meer. Natürlich kommen mir<br />

bei diesem Bild auch jede Menge Kindheitserinnerungen<br />

auf. Entsprechend passen zu<br />

diesem Bild eine Schale Hummus und frisches<br />

Fladenbrot. Geschmeidig, cremig,<br />

nach Sommer und Sonne schmeckend. Spätestens<br />

der Lärm be<strong>im</strong> Pürieren reisst mich<br />

aus den schönen Träumen zurück in die neblige<br />

Flachlandrealität. Zum Glück kann ich<br />

mich mit dem Hummus trösten …


Fingerfertig<br />

<strong>Cruiser</strong> kocht<br />

25<br />

Zutaten<br />

1 Dose Kichererbsen<br />

1 Zitrone, gepresst<br />

1 Knoblauchzehe, gepresst<br />

1 Avocado<br />

1 EL Tahina<br />

½ TL Kreuzkümmel, gemahlen<br />

Granatapfelkerne<br />

Olivenöl, Salz<br />

Zubereitung<br />

Kichererbsen abtropfen und abspülen.<br />

Zitronensaft und Tahina gut vermischen.<br />

Kreuzkümmel, Kichererbsen, Avocado<br />

hinzugeben und mit einem leistungsstarken<br />

Küchengerät pürieren, bis die Paste eine<br />

weiche, cremige Konsistenz erhält. (Falls<br />

erwünscht, kann man auch wenig Rahmquark<br />

hinzufügen.)<br />

Olivenöl erhitzen und gepressten Knoblauch<br />

kurz anbraten. Anschliessend zur Masse<br />

geben und vermengen.<br />

Mit Salz abschmecken und am Tisch<br />

mit frischem Fladenbrot geniessen.<br />

Be<strong>im</strong> Servieren mit Granatapfelkernen<br />

und einzelnen Kichererbsen verziehen<br />

und mit Olivenöl beträufeln.<br />

Info<br />

Nihat organisiert seit gut vier Jahren Kochkurse<br />

für einen guten Zweck, u.a. für Schulkinder<br />

in der Türkei. Und er ist als Störkoch oder als<br />

Caterer an privaten und geschäftlichen<br />

Anlässen unterwegs. «Daneben» drückt er als<br />

angehender Gymnasiallehrer seit Kurzem<br />

wieder die Schulbank.<br />

Die nächsten Kochkurse<br />

– Sonntag, 19. März Co-Kochkurs<br />

österreichisch-türkisch<br />

– Sonntag, 7. Mai Co-Kochkurs<br />

peruanisch-türkisch<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


26<br />

Serie<br />

Homosexualität in Geschichte und Literatur<br />

Frühlingshafte Regungen<br />

<strong>im</strong> Unterleib<br />

Zwei Schüler sind gut getarnt <strong>im</strong> Rebberg. Sie selber verstecken nichts voreinander.<br />

Sie naschen Trauben, aber nicht nur. Bald einmal sind sie erschöpft,<br />

aber nicht nur wegen des Traubenpflückens.<br />

Homosexualität in Geschichte<br />

und Literatur<br />

Mehr oder weniger versteckt findet sich das<br />

Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der<br />

Politik, in antiken Sagen und traditionellen<br />

Märchen – aber auch in Wissenschaft, Technik,<br />

Computerwelt. <strong>Cruiser</strong> greift einzelne Beispiele<br />

heraus, würzt sie mit etwas Fantasie,<br />

stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge<br />

und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und<br />

hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte<br />

Erkenntnisse. In dieser Folge: ein Theaterstück<br />

gegen verklemmte Sexualmoral und<br />

Widdertypen.<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


Serie<br />

Homosexualität in Geschichte und Literatur<br />

27<br />

VON ALAIN SOREL<br />

D<br />

er dritte Monat des Jahres <strong>2017</strong> ist angebrochen<br />

und der Machtwechsel steht<br />

unmittelbar bevor. Offiziell zumindest,<br />

auf dem Kalender, übern<strong>im</strong>mt der Frühling<br />

am 20. März vom Winter das Zepter.<br />

Hänschen Rilow und Ernst Röbel sind<br />

Jugendliche in einer deutschen Stadt. Zeitpunkt:<br />

Ende des 19. Jahrhunderts. Sie befinden<br />

sich nach einer Weinlese in einer romantischen<br />

St<strong>im</strong>mung und kehren nicht mit<br />

den andern nach Hause zurück. Stattdessen<br />

bleiben sie in den Rebbergen noch eine Weile<br />

nebeneinander <strong>im</strong> Grase liegen.<br />

Das Drama «Frühlings Erwachen» des<br />

deutschen Schriftstellers und Schauspielers<br />

Frank Wedekind schildert die Szene. «Man<br />

sieht sie hängen und kann nicht mehr …»,<br />

flüstert Röbel – und meint garantiert nicht<br />

nur die Trauben. Weltschmerz packt beide,<br />

sie wissen nicht, was kommen wird, aber<br />

dann ergreift Hänschen die Initiative: «Lass<br />

uns nicht traurig sein! – (Er küsst ihn auf<br />

den Mund.)» Ernst erwidert den Kuss: «Ich<br />

liebe dich, Hänschen, wie ich nie eine Seele<br />

geliebt habe …» Und Hänschen mag nicht an<br />

die Zukunft denken; es zählt der Augenblick<br />

und den wollen beide nun auskosten.<br />

Wider die Sexualmoral: Selbstbefriedigung<br />

von Schülern thematisiert<br />

In der Zeit des grossen Frühlingsfestes hat<br />

Wedekind das Stück vollendet, an Ostern<br />

1891. «Frühlings Erwachen» spielt unter<br />

Gymnasiasten und Schülerinnen in<br />

Deutschland. Es geht um den Abschied von<br />

der Kindheit, die Burschen und Mädchen<br />

entdecken ihre Sexualität. Welch ein Mut, in<br />

einer Epoche einer total verklemmten Sexualmoral<br />

<strong>im</strong> erstarrten Deutschland von Kaiser<br />

Wilhelm II. ein solches Stück zu veröffentlichen<br />

und dabei Schwangerschaften, die<br />

Selbstbefriedigung unter Jungen (<strong>im</strong> Kreis<br />

aufstellen und nach einer Münze in der<br />

Mitte «schiessen») und sogar homosexuelle<br />

Erfahrungen zum Thema zu machen. Unschwer<br />

zu erraten, dass das Drama autobiografische<br />

Züge aufweist. Wedekind lebte<br />

vom 24. Juli 1864 bis 9. März 1918. Das<br />

Schauspiel stiess auf so grossen gesellschaftlichen<br />

Widerstand, dass der Verfasser 15<br />

Jahre auf die Uraufführung warten musste;<br />

sie erfolgte in Berlin <strong>im</strong> Jahre 1906. Das Drama<br />

setzte ein Zeichen, aber die sexuelle Revolution<br />

liess noch lange auf sich warten.<br />

Klage gegen Zürcher Deutschlehrer<br />

abgeblitzt<br />

Die inhaltliche Sprengkraft des Stücks ist<br />

auch <strong>im</strong> 21. Jahrhundert ungebrochen.<br />

Welch ein Kompl<strong>im</strong>ent für Wedekind. Vor<br />

ein paar Jahren wurde ein Deutschlehrer der<br />

Zürcher Kantonsschule Rämibühl von der<br />

Mutter einer Schülerin wegen Weitergabe<br />

pornografischen Materials an Minderjährige<br />

angezeigt, weil er unter anderem «Frühlings<br />

Erwachen» <strong>im</strong> Unterricht behandelt<br />

hatte. Der Lehrer wurde diesbezüglich freigesprochen;<br />

die selbsternannte Tugendwächterin<br />

blitzte ab.<br />

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CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


28<br />

News<br />

National & International<br />

NEWS<br />

Umfrage zur Akzeptanz von Homosexuellen in der Gesellschaft<br />

Ob Olympische Spiele seinerzeit in Sotchi,<br />

Hitzlsperger-Outing, der kommende Songcontest<br />

in Kiew oder aktuell grad Trump:<br />

Homosexualität scheint derzeit nach wie vor<br />

(leider) ein Thema zu sein. Dabei findet eine<br />

große Mehrheit in Mitteleuropa, dass die<br />

Gesellschaft Homosexualität einfach akzeptieren<br />

sollte. Das geht zumindest aus einer<br />

Studie des amerikanischen Pew Research<br />

Centers hervor.<br />

Demnach ist die Akzeptanz von<br />

Schwulen und Lesben in Westeuropa überwiegend<br />

gross. Richtung Osten ändert sich<br />

das. So halten 46 Prozent der Polen Homosexualität<br />

für unakzeptabel, in Russland fällt<br />

die Ablehnung mit 74 Prozent noch wesentlich<br />

deutlicher aus. In Süd- und Nordamerika<br />

ist Homosexualität für die Mehrheit, kein<br />

Problem wie die Beispiele Brasilien und USA<br />

zeigen. Dagegen können Homosexuelle in<br />

islamischen Ländern, wie der Türkei, kaum<br />

mit Akzeptanz rechnen. Leider wurde die<br />

Schweiz in dieser Studie nicht erfasst. Das<br />

Statistikportal Statista hat die Ergebnisse in<br />

untenstehender Grafik zusammengefasst:<br />

Riesenchaos be<strong>im</strong> ESC und die bange Frage, ob dieser überhaupt stattfinden wird<br />

Etwas mehr als zwei Monate noch bist zum<br />

ESC-Finale in Kiew. So es denn stattfinden<br />

wird. Hinter den Kulissen rumort es allem<br />

Anschein nach gewaltig. Und spätestens der<br />

Ticket-Verkauf offenbart auch jedem Fan das<br />

totale Organisationsdesaster in der Ukraine.<br />

Dies schreibt das onlineportal n-tv.de. Die<br />

Tickets konnten zu Beginn nur auf einer<br />

Webseite bestellt werden, die ausschliesslich<br />

in russisch gehalten war. Versuchte man die<br />

Tickets telefonisch zu ordern, hörte man die<br />

telefonische Ansage man sei auf der Warteliste<br />

(der Reporter von n-tv war auf Warteposition<br />

4800) und man solle sich gedulden.<br />

Aber auch wem es tatsächlich gelang,<br />

ein Ticket zu ergattern, wurde nicht unbedingt<br />

glücklich. In ESC-Foren beklagen diverse<br />

Nutzer, dass ihnen kurz nach dem<br />

Kauf eine Stornierungsnachricht zugegangen<br />

sei, da angeblich die Zahlung nicht abgewickelt<br />

werden konnte. Wie gewonnen, so<br />

zerronnen stellt n-tv in einem abschliessenden<br />

Beitrag ernüchtert fest.<br />

Schl<strong>im</strong>m hat die verantwortlichen des<br />

EBU (European Broadcasting Union, welche<br />

den Contest jeweils durchführt und für<br />

den Wettbewerb verantwortlich ist) die<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

Nachricht getroffen, dass zentrale Mitglieder<br />

des Produktionsteams für die Show in<br />

Kiew das Handtuch geworfen und ihren<br />

Rücktritt verkündet haben. Sie sähen sich<br />

unter den gegebenen Bedingungen ausser<br />

Stande, ihre Arbeit fortzuführen, lautete<br />

die Begründung. Sie seien blockiert und in<br />

ihren Freiheiten beschnitten worden. Der<br />

Kommentar der EBU dazu klang fast schon<br />

flehentlich. Man habe in der Ukraine auf<br />

die Einhaltung bereits vereinbarter Beschlüsse<br />

und des Zeitplans gedrungen –<br />

mal wieder. Was auch <strong>im</strong>mer am 13. Mai<br />

aus Kiew über die Bildschirme fl<strong>im</strong>mern<br />

wird – es wurde nicht nur mit Blut, Schweiss<br />

und Tränen, sondern auch mit jeder Menge<br />

Ärger, Intransparenz und Dilettantismus<br />

erarbeitet.


IKONEN<br />

VON DAMALS<br />

29<br />

Ikonen von<br />

damals<br />

In unserer losen Serie<br />

stellen wir Ikonen aus<br />

vergangenen Dekaden<br />

vor, berichten über gefallene<br />

Helden und hoffnungsvolle<br />

Skandalsternchen<br />

aus längst<br />

vergangenen (Gay-)<br />

Tagen. Tony Danza<br />

fanden fast alle mal toll.<br />

VON Haymo Empl<br />

N<br />

un, und weil wir in dieser Ausgabe<br />

einen so schönen Bericht über die Rascals<br />

haben (Seite 13), passt der weder<br />

«gefallene» (wird an dieser Stelle ja gerne genommen)<br />

noch so richtig «vergangene» Sitcomstar<br />

bestens hierher. Wobei, also ein<br />

bisschen «vergangen» sieht er ja – mittlerweile<br />

ist der Schauspieler 65 - schon aus.<br />

In den USA war Antonio Salvatore<br />

Iadanza – so heisst der Akteur bürgerlich –<br />

schon in den späten 1970er Jahre ein Sitcom-Star:<br />

«Taxi» hiess die Comedy Show<br />

und das war auch grad der Inhalt. Richtig<br />

spannend wurde es dann erst später mit<br />

«Wer ist hier der Boss». Spannend, weil es<br />

eine der ersten Sitcoms war, welche mit bestehenden<br />

Klischees bewusst brach und ➔<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


30 IKONEN<br />

VON DAMALS<br />

Tony Danza mit seiner Sitcom-Familie, ca. 1985. Man beachte die hübsche Garderobe. Eines der letzten aktuellen Bilder von Tony Danza aus<br />

dem Jahr 2014. <strong>Cruiser</strong> kauft eigentlich ungerne solche unvorteilhaften Fotos bei der Bildagentur. Aber man hatte dort nur dieses. Immerhin<br />

wusste man noch, wer «Tony Danza» ist.<br />

die klassische Rollenverteilung in Frage<br />

stellte. Wikipedia fasst die Handlung wie<br />

folgt zusammen: «Um seinem Kind ein<br />

besseres Leben bieten zu können, entscheidet<br />

sich der frühere Baseball-Spieler Tony<br />

Micelli dazu, mit seiner jungen Tochter<br />

Samantha aus dem New Yorker Stadtteil<br />

Brooklyn in ein kleines Städtchen nahe<br />

Fairfield County/Connecticut zu ziehen.<br />

Seinen ersten Job findet er als Haushälter<br />

bei Angela Bower, Chefin einer Werbeagentur<br />

und alleinerziehende Mutter ihres<br />

Sohnes Jonathan.»<br />

Wow: Wir haben also eine alleinerziehende,<br />

erfolgreiche Mutter und einen<br />

Machomann als Haushälter. Das war neu!<br />

Das war aufregend! Ja, das war geradezu unverschämt!<br />

Natürlich wurde alles hübsch<br />

fürs US-Fernsehen entsexualisiert... aber<br />

dennoch: Das Gesamtkonzept war für 1984<br />

sehr gewagt. Da kannte noch kein Mensch<br />

die feministischen Theorien einer Judith<br />

Butler. Und auch niemand hätte von<br />

«LGBT*» oder so gesprochen. Item: Wer sich<br />

weniger für den sozialgeschichtlichen Aspekt<br />

der Serie interessierte und vielleicht gar<br />

eine angehende Schwulette war, der fand<br />

Tony Danza als Tony irgendwie einfach faszinierend.<br />

So männlich, so attraktiv und<br />

doch so warmherzig. Hach!<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

Aufstieg und Fall<br />

Sitcoms verhandeln Stereotype – die Kunstfiguren<br />

dürfen sich <strong>im</strong> Genre nur innerhalb<br />

sehr enger Grenzen bewegen, so dass wenig<br />

Raum zur Weiterentwicklung der dargestellten<br />

Persönlichkeiten besteht. Es dauerte<br />

dann auch 173 Folgen, bis sich irgendetwas<br />

tat zwischen den Figuren «Tony» und<br />

«Angela Bower». Dass sich etwas tat, war<br />

wohl sehr zum Leidwesen der Gays. Denn<br />

Dass sich etwas tat, war<br />

wohl sehr zum Leidwesen<br />

der Gays.<br />

Theorien von Männlichkeit sowie theoretische<br />

Erkenntnisse über Wechselwirkungen<br />

medial vermittelter und sozial konstruierter<br />

Männlichkeitsbilder waren den Schwulen<br />

damals genauso egal, wie es auch heute<br />

(in vielen Fällen) noch ist. 20 Millionen<br />

Menschen in den USA guckten jeweils «Wer<br />

ist hier der Boss». In besagter 173. Folge<br />

dann das Geständnis der gegenseitigen<br />

Liebe und damit war auch jegliche Spannung<br />

(ja,ja, liebes ABC America, die war<br />

durchaus auch sexueller Natur, diese Spannung)<br />

zwischen den Protagonisten verfolgen.<br />

Ergo kam das Aus nach Folge 196.<br />

Leider irgendwie auch das Aus für<br />

Tony Danza. Denn es jagte danach ein<br />

schlechter Comebackversuch den nächsten.<br />

«Hudson Street» beispielsweise war die Geschichte<br />

von einem pensionierten Detektiv<br />

namens «Tony» (nun ja) und einer Zeitungsreporterin.<br />

Auch nun ja. Das fand das<br />

Publikum auch – und schaltete erst gar<br />

nicht ein. Nach einer Staffel war Schluss.<br />

Dann kam «The Tony Danza Show». Das<br />

mit der eigenen Show hat ausser bei «Ellen»<br />

eigentlich auch noch nie wirklich bei einem<br />

Sitcomstar funktioniert, auch hier war nach<br />

zwei Staffeln Schluss. 2008 folgte dann ein<br />

Kochbuch: «Don›t Fill Up on the Antipasto:<br />

Tony Danza›s Father-Son Cookbook». Das<br />

kann so schlecht nicht gewesen sein, denn<br />

es wurde – guckt man auf der US Amazon-Seite<br />

nach – noch eine Neuauflage <strong>im</strong><br />

Jahr 2010 gedruckt. Und sonst? Grillengezirpe.<br />

Gähnende Leere. Ein Uhu alleine <strong>im</strong><br />

Wald. Heisst: Danza hat derzeit nicht viele<br />

Projekte am Laufen, man sieht ihn (meist<br />

als sich selbst) als Gaststar in Sitcoms und<br />

offenbar unterrichtet er manchmal als Aushilfslehrer<br />

an Schauspielschulen.


Kultur<br />

Konzerttipp<br />

31<br />

KULTUR<br />

Christoph Braun – Improvisationen<br />

Ob mit Orchesterbegleitung oder Solo-<br />

Rezital – ein Konzertpianist hat bei seinen<br />

Auftritten so gut wie nie Noten vor sich.<br />

Mozart, Chopin, Rachmaninov oder was<br />

<strong>im</strong>mer er auch interpretiert, das Stück wird<br />

in- und auswendig beherrscht. Das ermöglicht<br />

dem Pianisten, sich voll und ganz auf<br />

die Interpretation des Stücks zu konzentrieren.<br />

Auch wenn Christoph Braun konzentriert<br />

am Flügel sitzt, ist der Notenhalter<br />

leer. Doch auswendig spielt er nicht. Muss<br />

er auch nicht, denn was ihn vom Gros der<br />

anderen Konzertpianisten unterscheidet:<br />

Brauns Musik entsteht ad hoc – wenigstens<br />

so gut wie. Der Zürcher spielt an seinen<br />

Konzerten nämlich ausschliesslich Improvisationen.<br />

Somit verfügt er über ein Talent,<br />

das vergleichsweise selten ist. Zumindest<br />

ist es bei wenigen Pianisten derart<br />

ausgeprägt, dass sie damit souverän vor einem<br />

Publikum auftreten und sogar wie er<br />

Tonträger einspielen – bereits derer drei hat<br />

er herausgebracht. «Das Klavierspiel nach<br />

Noten fällt mir schwer», bringt es Christoph<br />

Braun auf den Punkt. «Be<strong>im</strong> Improvisieren<br />

habe ich die vollkommene Freiheit. Es erlaubt<br />

mir, genauso zu spielen, wie mir in<br />

dem Moment ums Herz ist. Ich kann mich<br />

durch die <strong>im</strong>mer aus dem Augenblick entstehende<br />

Musik ausdrücken.»<br />

Studiert hat der Zürcher jedoch nie,<br />

das Konservatorium kam für ihn nicht in<br />

Frage, auch wenn Improvisation mittlerweile<br />

ein offizielles Studienfach ist. «Ich<br />

wollte bei meiner Musikwahl am Klavier<br />

einfach frei sein», begründet der Pianist<br />

seine Entscheidung. Es sei auch nie sein Ziel<br />

gewesen, Berufspianist zu werden. So hat<br />

Christoph Braun, der heute mit seinem Lebenspartner<br />

in Kilchberg wohnt, damals<br />

eine Ausbildung zum Musikalienhändler<br />

abgeschlossen.<br />

Zum kommenden Konzert meint<br />

Christoph Braun: «Ich versuche, Emotionen<br />

zu erzeugen – bei mir und be<strong>im</strong> Publikum.<br />

Ich möchte bei den Zuhörerinnen<br />

und Zuhörern innere Bilder, Geschichten,<br />

Filme auslösen. Damit be<strong>im</strong> Hören die Vorstellungskraft<br />

nicht allzu sehr eingeschränkt<br />

und kanalisiert wird, gebe ich den<br />

Stücken nur sehr allgemein gehaltene oder<br />

gar keine Titel.» Immerhin wissen wir, dass<br />

es sich um Spätromantik handeln wird.<br />

Dennoch dürfen wir auf das Konzert gespannt<br />

sein, denn nicht <strong>im</strong>mer verbindet<br />

der einzelne Zuhörer das Gehörte mit dem,<br />

was Christoph Braun für sich selbst<br />

‹hört›.«Es ist <strong>im</strong>mer wieder eine Freude zu<br />

erfahren, was von den einzelnen Gästen zu<br />

meiner Musik erlebt wird. Am meisten<br />

freut es mich jeweils, wenn sich dies komplett<br />

von meinen eigenen Vorstellungen unterscheidet.»<br />

Wir dürfen also gespannt<br />

sein! (Andreas Faessler / Haymo Empl).<br />

Christoph Braun: Piano Solo Improvisationen<br />

<strong>im</strong> spätromantisch-klassisch-virtuosen Stil am<br />

30. März <strong>2017</strong>, 19.30 Uhr<br />

«Jecklin» Forum <strong>im</strong> Jecklin Haus be<strong>im</strong><br />

Kunsthaus, Rämistrasse 20, Zürich<br />

Dauer ca. 1 Stunde<br />

Eintritt frei – Kollekte<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


32<br />

RATGEBER<br />

Dr. Gay<br />

Dr. Gay<br />

DR. GAY<br />

Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-Hilfe<br />

Schweiz. Die Fragen werden online auf<br />

www.drgay.ch gestellt. Ein Team von geschulten<br />

Beratern beantwortet dort deine Fragen,<br />

welche in Auszügen und anonymisiert <strong>im</strong><br />

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Telefon 061 681 31 32<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong><br />

VON Vinicio Albani<br />

Soll ich meinen Eltern sagen,<br />

dass ich schwul bin?<br />

Ich habe einen Mann kennengelernt<br />

und es hat gefunkt zwischen<br />

uns. Leider habe ich bisher nicht<br />

den Mut gefunden, mich zu outen.<br />

Soll ich meine Eltern einweihen?<br />

Oder vielleicht besser jemand<br />

anderen? T<strong>im</strong> (21)<br />

Hallo T<strong>im</strong><br />

Das Coming-out ist für jeden unterschiedlich<br />

und persönlich. Du musst für dich entscheiden,<br />

ob und wann du wen in deinem<br />

Umfeld informierst. Eine neue Liebe kann<br />

ein Motivator dafür sein und dich dabei<br />

unterstützen. Es ist möglich, dass deine Eltern<br />

<strong>im</strong> ersten Moment negativ oder ablehnend<br />

reagieren. Diese Reaktion solltest du<br />

nicht überbewerten. Gib ihnen Zeit, sich an<br />

die neue Situation zu gewöhnen, so wie<br />

auch du deine Zeit gebraucht hast, dich so<br />

zu akzeptieren, wie du bist. Wenn du bereit<br />

bist, suche für das Gespräch einen ruhigen<br />

Moment ohne Stress und Zeitdruck. Erkläre<br />

ihnen, dass du <strong>im</strong>mer noch der Gleiche<br />

bist wie vorher und dass Schwulsein weder<br />

unnatürlich noch moralisch verwerflich ist.<br />

Es ist auch möglich, dass sie positiv reagieren<br />

und dich von Anfang an unterstützen.<br />

Vielleicht hilft es dir, erst nur mit einem Elternteil<br />

zu reden. Wenn du vorher eine vertraute<br />

Person einweihen möchtest, zum<br />

Beispiel die beste Freundin oder den besten<br />

Freund, könnte dich das in deinem Vorhaben<br />

ebenfalls stärken. Sollten deine Eltern<br />

damit nicht klarkommen, empfehle ich ihnen<br />

die Organisation FELS (fels-eltern.ch).<br />

Wenn du selber wegen deines Coming-outs<br />

unsicher bist, wende dich an das Angebot<br />

des Projekts DU BIST DU (du-bist-du.ch).<br />

Alles Gute, Dr. Gay<br />

Macht eine HPV-Impfung für<br />

uns Sinn?<br />

Mein Partner hat HPV. Wir leben<br />

monogam und ich gehe davon<br />

aus, dass ich das Virus auch<br />

habe. Wie verbreitet ist HPV<br />

eigentlich? Und was hat es für<br />

Auswirkungen auf mich und<br />

meinen Partner? Macht es Sinn,<br />

dass wir uns noch <strong>im</strong>pfen?<br />

Antonio (35)<br />

Hallo Antonio<br />

Infektionen mit den leicht übertragbaren<br />

Humanpapillomaviren (HPV) gehören weltweit<br />

zu den häufigsten sexuell übertragbaren<br />

Infektionen (STI). Es sind über 100 Subtypen<br />

des Virus bekannt. Einige HPV-Typen<br />

sind für die Entstehung von Feigwarzen<br />

verantwortlich. Dies sind vor allem die Subtypen<br />

6 und 11, aber auch andere. Gewisse<br />

Typen (u.a. 16 und 18) können in seltenen<br />

Fällen zu einem Analkarzinom führen, noch<br />

seltener zu einem Peniskarzinom. Schätzungsweise<br />

60 – 80% der sexuell aktiven Erwachsenen<br />

haben Antikörper gegen HPV <strong>im</strong><br />

Blut. Das bedeutet, ihr Immunsystem hat<br />

sich schon mit mindestens einem HPV-<br />

Subtyp auseinandergesetzt. Eine Impfung<br />

macht dann Sinn, wenn keine Infektion vorliegt,<br />

am besten vor dem ersten sexuellen<br />

Kontakt. Behandelt werden Feigwarzen mit<br />

Salben, Laser, Wegschneiden oder Vereisen.<br />

Weil häufig Rückfälle auftreten können, sind<br />

Nachkontrollen über längere Zeiträume erforderlich.<br />

Du als Partner solltest unbedingt<br />

mitbehandelt werden. Am besten, ihr informiert<br />

euch zusammen be<strong>im</strong> Arzt. Abgesehen<br />

von der Impfung in jungen Jahren kann<br />

man sich als sexuell aktiver Mensch leider<br />

nicht ausreichend gegen HPV schützen.<br />

Kondome schützen angesichts der leichten<br />

Übertragbarkeit nur sehr bedingt.<br />

Alles Gute, Dr. Gay


KOLUMNE<br />

Thommen meint<br />

33<br />

Die<br />

Hintersicht<br />

Es ist schon lange her, seit ein Schwuler einen<br />

anderen umgebracht hat.<br />

Kleinanzeigen<br />

Berlin Tolle<br />

Kleinwohnung<br />

VON PETER THOMMEN<br />

D<br />

ie Schwulen machen es eben anders.<br />

Sie nutzen unter sich den «sozialen<br />

Tod» auf Raten. Sie kennen die «Nadelstiche»<br />

und die «Hinterfotzigkeit». Es<br />

geht zu wie auf dem Dorfe. Jeder kennt aber<br />

nicht jeden wirklich. Nur die Gerüchte, falschen<br />

Zitate oder das eifersüchtige Intrigieren,<br />

das wir Basler in der Fasnacht (auch<br />

eine Art Subfamilie) kultiviert haben.<br />

Wir kommen – meist – aus einer heterosexuellen<br />

Familie und leben überwiegend in<br />

einer heteronormativen Gesellschaft. Damit<br />

möchte ich den meistens gestellten Vorwurf<br />

an sich selbst entkräften. Wir tragen Angelerntes<br />

unter uns herein. Wir tragen heterosexuelle<br />

Hierarchien herein, indem wir «gute»<br />

und «schlechte» Homosexuelle erkennen und<br />

benennen. Zuoberst sitzt der heterosexuellste<br />

Schwule, der Macho und zuunterst die weiblichste<br />

Tunte. 1 Schwule müssen <strong>im</strong>mer eine<br />

Erscheinung kennen, die noch schl<strong>im</strong>mer ist<br />

als sie selbst sind. Ein schönes Beispiel ist die<br />

Prostitution: Bei den Heteros ist der Freier<br />

über der Nutte. Aufgrund der sozialen Stigmatisierung<br />

des Homosexuellen ist der (meist<br />

heterosexuelle) Stricher aber über dem Freier.<br />

(Das hat sich dann <strong>im</strong> Bereich des Drogenstrichs<br />

wieder geändert.)<br />

Schwule tragen ihre Beschädigungen in<br />

der Gesellschaft draussen ohne Bedenken in<br />

die Gayclubs und Lokale herein. Wenn sie da<br />

auftauchen, können sie fre<strong>im</strong>ütig über alles<br />

reklamieren, was ihnen gerade nicht passt. Es<br />

fällt ihnen auf, dass sie nicht herzlich will-<br />

kommen geheissen werden, dass es mal keine<br />

Nippsachen wie Salzstängeli, Erdnüsse oder<br />

Chips auf den Tischen hat und dieses und jenes<br />

ist nicht recht und vieles mangelhaft.<br />

Wenn sie denn schon mal dahin kommen …<br />

Dabei verkennen sie völlig ihre eigene<br />

Situation. Sie sind gerade enttäuscht worden,<br />

oder haben sich emotional ausbeuten lassen<br />

und möchten <strong>im</strong> Grunde genommen mit<br />

Samthandschuhen angefasst (also geliebt)<br />

werden. Und dann wartet eben keine Ehefrau<br />

zuhause auf sie. Ich bin überzeugt, dass<br />

sie in einem «normalen» Lokal niemals so<br />

reagieren würden, auch wenn sie bereits<br />

mehrere Stangen in sich hinein geleert hätten.<br />

Die sollen nämlich bei den Heteros den<br />

Frust des Tages hinunterspülen.<br />

Schwule sind eine ganz spezielle Kundschaft,<br />

das weiss ich aus jahrzehntelanger Erfahrung.<br />

Das vielgeschmähte Milieu muss die<br />

Therapie ihrer Schädigungen übernehmen.<br />

Leider fallen die Aggressionen meistens auf<br />

die eigenen Leute zurück, in der Annahme,<br />

damit kaputt zu machen, was sie kaputt<br />

macht. Sie würden es nicht wagen, gegen die<br />

Normalität von Familie und Gesellschaft zu<br />

rebellieren. Stellvertreter für ihre Peiniger<br />

werden unter den eigenen Leuten ausgemacht.<br />

Letztlich bedienen sich Schwule auch<br />

nur der heterosexuellen Politik und Methoden,<br />

die sie vorgeführt bekommen haben.<br />

1<br />

siehe auch «schwules Gassenblatt» Nr. 17, die Geschichte<br />

von «Sister Macho» von René Reinhard (> arcados.com)<br />

Neu renoviert mit Autoabstellplatz und<br />

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CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


34<br />

Flashback<br />

<strong>Cruiser</strong> vor 30 Jahren<br />

Flashback<br />

<strong>Cruiser</strong> feiert sein 30jähriges Bestehen. Daher blicken wir während<br />

des ganzen Jahres an dieser Stelle auf die alten Ausgaben zurück.<br />

Von Moel Maphy<br />

S<br />

einerzeit waren HIV und AIDS ein<br />

grosses Thema. Die Tragödie – das<br />

grosse Sterben – spielte sich mitten<br />

in der Szene ab, jeder kannte irgendwen,<br />

der betroffen war. Entsprechend nahm die<br />

damals noch unheilbare Krankheit einen<br />

grossen und wichtigen Platz <strong>im</strong> <strong>Cruiser</strong> ein.<br />

Markus Christen führte vor 30 Jahren ein<br />

Gespräch mit Herbert Riedener.<br />

<strong>Cruiser</strong> hatte vor 30 Jahren aber auch<br />

weniger schwere Themen. Beispielsweise<br />

wurde enthusiastisch eine Modeseite ins<br />

Leben gerufen. Ebenfalls werden – wie man<br />

<strong>im</strong> Ausriss sehen kann – grad auch noch<br />

Tipps zur eigenen Typen-Best<strong>im</strong>mung gegeben.<br />

Wir spoilern schon mal: Es ist dann<br />

auch bei diesem einen Versuch mit der<br />

«Mode-Seite» geblieben.<br />

Herbert Riedener überlebte AIDS nicht, er starb 1994. Weitere Infos über das Wirken von<br />

Herbert Riedener hat schwulengeschichte.ch zusammengetragen.<br />

CRUISER MÄRZ <strong>2017</strong>


XXX<br />

XXX<br />

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