19.06.2017 Views

Passion Genuss 01/2016 - passion_genuss_01_2016.pdf

Create successful ePaper yourself

Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.

PASSION<br />

<strong>01</strong><br />

2<strong>01</strong>6<br />

Magazin für Gastronomie<br />

und Gemeinschaftsverpflegung<br />

www.transgourmet.de<br />

GENUSS<br />

PORTRÄT<br />

Hannes Arendholz auf<br />

Grenzgang zwischen<br />

kulinarischen Welten S. 28<br />

SEAFOOD<br />

Über die Schulter geschaut:<br />

Seafood zum Greifen nah S. 48<br />

WILDER OSTEN<br />

Drei Pioniere über<br />

ihre gastronomischen<br />

Erfolgsgeschichten<br />

S. 10<br />

ARTISTIK<br />

AM HERD<br />

Blick hinter die Kulissen von Harald Wohlfahrts<br />

Gourmet-Theater in Mannheim S. 38


Wie gemacht für Profis:<br />

Servierfertige Quark-Desserts<br />

in zwei neuen Sorten – jetzt probieren!<br />

Inszenieren<br />

Sie ganz einfach<br />

unser neues Quark-<br />

Dessert Mandarine<br />

mit Oreo-Crunch<br />

und frischen<br />

Orangen.<br />

„ Ich nehme nicht irgendein Messer.<br />

Und auch nicht irgendeine Bouillon.“<br />

Jörg Faustmann, Küchenchef Fürstenkeller, Neubrandenburg<br />

Top-Prämien vom<br />

Messer<br />

bis zum<br />

Pacojet.<br />

NEU<br />

Jetzt auf vielen 5 kg-Dessert-Gebinden! Treuepunkte<br />

sammeln und tolle Küchenprämien sichern unter:<br />

www.milram-food-service.de/treueprogramm<br />

Unsere einzigartig-cremigen<br />

Quark-Desserts gibt es jetzt<br />

in zwei neuen Sorten.<br />

Das heißt: noch mehr Auswahl<br />

für Sie und noch mehr Platz<br />

für Ihre Kreativität.<br />

Informationen & Rezeptideen:<br />

www.milram-food-service.de<br />

Mit diesen und<br />

vielen weiteren<br />

Produkten können<br />

Sie Treuepunkte<br />

sammeln.<br />

Jetzt mitmachen und attraktive Prämien für Ihr Unternehmen sichern.<br />

Mehr Informationen unter www.ufs.com/Treueaktion


EDITORIAL<br />

Mehr Inspiration,<br />

mehr <strong>Genuss</strong><br />

Liebe Kundinnen und Kunden<br />

von Transgourmet,<br />

es wird ernst mit dem Wandel. Die rasante gesellschaftliche Veränderung drängt<br />

uns immer nachdrücklicher zu einer Antwort auf die Frage: Müssen sich die Wirtschaft,<br />

der Handel, die Gastronomie neu erfinden? Müssen wir uns neu erfinden?<br />

Es geht um Veränderung, Entscheidung, Wandel, es geht um Unwägbarkeiten<br />

und Risiken. Ist der eingeschlagene Weg noch der richtige? Wenn nicht, in welche<br />

Richtung soll man sich bewegen? Fragen, die jeder nur für sich selbst beantworten<br />

kann. Aber vielleicht ist die Zeit gerade jetzt richtig, darüber nachzudenken.<br />

Dabei wollen wir Ihnen helfen. Mit inspirierenden Geschichten von Menschen,<br />

die sich auf ihre ganz persönlichen Stärken besonnen haben und ihren eigenen<br />

Weg gegangen sind.<br />

Etwas Neues zu wagen erfordert Mut, doch das ist leichter gesagt als getan. „Im<br />

Vergleich mit anderen europäischen Ländern sind wir nicht mutig genug, sind<br />

festgefahren. Wir sind keine Pioniere in der Esskultur, wir trauen uns nicht viel“,<br />

kritisiert der junge Koch, Produktentwickler und Querdenker Hannes Arend holz,<br />

den wir auf seinen spannenden Grenzgängen zwischen den kulinarischen Welten<br />

begleiten (S. 28). Seine Meinung kann man durchaus kontrovers diskutieren.<br />

Genau das würden die drei leidenschaftlichen Kulinariker auch tun, die mit<br />

Tatkraft und mutigen Ideen gastronomische Leuchtturmprojekte geschaffen<br />

haben, die durchaus zu einem Kurswechsel motivieren können (S. 10). Wie weit<br />

man auch im Showbusiness mit Kreativität, Professionalität und engagierter<br />

Arbeit kommen kann, zeigt uns ein Besuch in Harald Wohlfahrts erfolgreichem<br />

Gourmettheater Palazzo Mannheim (S. 38). Wir wagen außerdem eine Prognose<br />

für die Zukunft der veganen Ernährung (S. 8) und stellen Ihnen mit der Rückkehr<br />

der Fermentation einen der heißesten, neuen Food-Trends vor (S. 26).<br />

Inspiration, Kreativität und Pioniergeist, die Themen dieser Ausgabe, haben<br />

auch vor der Gestaltung des Magazins nicht halt gemacht, das Sie jetzt in Händen<br />

halten. Sein neuer Titel soll die Leidenschaft für die Welt der Küche mit der<br />

Lust am <strong>Genuss</strong> verbinden und das veränderte Erscheinungsbild mehr Appetit<br />

auf den Inhalt machen. Ein Inhalt, der Sie auf Ihrem ganz persönlichen Weg in die<br />

Zukunft inspirieren und motivieren soll.<br />

Auf diesem Weg werden wir Sie gerne begleiten.<br />

Ihr<br />

Frank Seipelt,<br />

Geschäftsführung (Vorsitz) Transgourmet<br />

Central & Eastern Europe GmbH<br />

Ihr Kontakt zu uns<br />

Der Austausch mit Ihnen ist uns wichtig!<br />

Ihre Ideen, Anregungen, was Ihnen auf<br />

der Seele brennt – Ihr Fachberater hat ein<br />

offenes Ohr dafür.<br />

Oder schreiben Sie Kevin Nolte, Ihrem<br />

Ansprechpartner von <strong>Passion</strong><strong>Genuss</strong>:<br />

<strong>passion</strong>@transgourmet.de<br />

Frank Seipelt<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

3


INHALT<br />

INHALT<br />

<strong>01</strong><br />

2<strong>01</strong>6<br />

REPORTAGE<br />

10<br />

WILDER<br />

OSTEN<br />

INSPIRATION<br />

News & Termine<br />

Wir informieren Sie über Foodnews &<br />

Termine, die Sie nicht verpassen sollten.<br />

Seite 6<br />

Artistik am Herd<br />

Harald Wohlfahrts Palazzo Mannheim,<br />

wenige Stunden vor dem großen Event<br />

Seite 38<br />

Transgourmet Contact Center<br />

Die Revolution in Berlin<br />

Seite 44<br />

TRENDS<br />

SEAFOOD<br />

Kitchen vegan<br />

Immer mehr Menschen ernähren sich<br />

vegan. Was bedeutet das für die<br />

Gastronomie?<br />

Seite 8<br />

Transgourmet Seafood Akademie<br />

Bremerhaven<br />

Lernen von und mit preisgekrönten Profis<br />

Seite 48<br />

28<br />

Fermentation<br />

Fermentierte Nahrungsmittel: gesund<br />

und schmackhaft<br />

Seite 26<br />

BUCHTIPPS<br />

Lesenswertes für Profis<br />

Bücher rund ums Thema Fisch<br />

Seite 58<br />

WILDER OSTEN<br />

Drei Pioniere und<br />

ihre gastronomischen<br />

Erfolgsgeschichten<br />

Seite 10<br />

WEINWELT<br />

Giganten für den großen Durst<br />

Großflaschen stellen Sammler vor so<br />

manches Problem.<br />

Seite 60<br />

PORTRÄT<br />

Hannes Arendholz<br />

Jacqueline Vogt im Interview<br />

mit Hannes Arendholz<br />

Seite 28<br />

GLOSSE<br />

Von anspruchsvollen Gästen<br />

Über Köche, Service & „König“ Gast<br />

Seite 64<br />

GASTBEITRAG<br />

Wasser<br />

Michael Schröder über das wichtigste<br />

Glas auf dem Tisch<br />

Seite 36<br />

IMMER IM HEFT:<br />

6 Inspiration<br />

36 Gastbeitrag<br />

58 Buchtipps<br />

66 Impressum<br />

38<br />

48<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

4<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

5


INSPIRATION<br />

INSPIRATION<br />

News<br />

& Termine<br />

MINI<br />

BIO-BURGER<br />

Die „Dreierlei Woman’s Burger“<br />

zählen zu den Trendprodukten<br />

aus dem Transgourmet-Quality-<br />

Sortiment. Neben hochwertiger<br />

Fleischqualität, geringem Stückgewicht<br />

und niedrigem Einkaufspreis<br />

punkten die kleinen Bio-Burger von<br />

Transgourmet-Quality mit ihrem<br />

unverwechselbaren Geschmack:<br />

Ob mit Ziegenkäse, Honig & Walnuss,<br />

Birne-Blauschimmel oder als<br />

italienisch angehauchte Variante<br />

mit Mozzarella, Tomate, Pesto und<br />

Parmaschinken, hier ist bestimmt<br />

für jeden Gaumen die passende<br />

Variante dabei.<br />

Inspiration von Gilbert Korn-Fourcade,<br />

Innovationsreferent bei Transgourmet<br />

Spitzenweinjahrgang 2<strong>01</strong>5<br />

Selten hat ein Weinjahrgang so viele Vorschusslorbeeren<br />

erhalten wie der 2<strong>01</strong>5er. Laut Informationen<br />

des Deutschen Weininstituts konnten die Winzer<br />

dank kerngesunder und voll ausgereifter Trauben in<br />

allen Anbaugebieten Spitzenqualitäten einfahren.<br />

Freuen dürfen sich die Verbraucher auf ausgesprochen<br />

fruchtbetonte, harmonische Weißweine und<br />

intensive, gehaltvolle Rote. Darüber hinaus hat das<br />

Jahr 2<strong>01</strong>5 außergewöhnlich viele edelsüße Weine<br />

von der Auslese über die Trockenbeerenauslese bis<br />

hin zum Eiswein hervorgebracht.<br />

Shake it, mix it, love it!<br />

Buttermilch ist gesund und enthält fast alle wichtigen Nährstoffe<br />

der Milch, in erster Linie Mineralstoffe und Eiweiß.<br />

Sie besitzt wenig Fett und einen vollen, erfrischenden Geschmack:<br />

ein perfekter Drink für zwischendurch. Doch nicht<br />

nur pur ist Buttermilch ein <strong>Genuss</strong>. Kombiniert man sie mit<br />

frischen Zutaten und serviert sie als Shake, Smoothie oder<br />

Shot wird sie zum modernen Vitaminbooster. Die Frischli-<br />

Buttermilch im Sortiment von Transgourmet ist ungekühlt<br />

lange haltbar. Es gibt sie im praktischen 1-Liter-Gebinde mit<br />

wiederverschließbarem Drehverschluss.<br />

Reinklicken lohnt sich unter www.frischli.de.<br />

Brokkoli mal anders<br />

Frischer Brokkoli zählt zu den gesündesten Gemüsesorten und wird bei Verbrauchern<br />

immer beliebter. Er ist nicht nur reich an Vitaminen und Mineralstoffen, sondern auch<br />

an Sulforaphanen, einer Substanz, die Antioxidantien und Enzyme in den Immunzellen<br />

aktiviert. (Mehr Informationen: www.sulforaphane.eu)<br />

Brokkoli-Kresse hat im Vergleich zum reifen Gemüse einen deutlich höheren Anteil an<br />

Sulforaphanen. Nur 30 Gramm beinhalten 50-mal mehr, als in einer ganzen Brokkolipflanze<br />

steckt. Die Brokkoli-Kresse BroccoCress® von Koppert Cress ist mild im Geschmack,<br />

eignet sich mit ihrem hübschen Grün hervorragend zum Garnieren und Dekorieren vieler<br />

Gerichte und lässt sich besonders gut für Diäten einsetzen. BroccoCress® passt prima zu<br />

Käse und ist schon optisch das „i-Tüpfelchen“ auf jedem Sandwich.<br />

Büffel<br />

auf der<br />

Käsestraße<br />

Seit über 15 Jahren werden im sächsischen<br />

Landgut Chursdorf Wasserbüffel<br />

gezüchtet und deren Milch zu hochwertigem<br />

Käse verarbeitet. Die Tiere tummeln<br />

sich vom Frühjahr bis zum Herbst<br />

auf großflächigen Weiden und werden<br />

darüber hinaus ausschließlich mit hofeigen<br />

produziertem Heu gefüttert. Mit dem<br />

Chursdorfer Büffelmilchkäse hat Transgourmet<br />

seine „Deutsche Käsestraße“<br />

ergänzt und ist stolz, dieses tolle Produkt<br />

über seine Marke Transgourmet Ursprung<br />

anbieten zu können.<br />

Die Milch für die Herstellung des<br />

Transgourmet Ursprung-Käses stammt<br />

aus eigener Hofhaltung oder von regionalen<br />

kleinbäuerlichen Betrieben. Die Kriterien<br />

des ökologischen Landbaus werden<br />

strikt eingehalten.<br />

Film zum Thema:<br />

Scannen Sie den QR-Code mit Hilfe<br />

der Software ein, oder gehen Sie<br />

einfach im Internet auf<br />

https://vimeo.com/97721237<br />

Nicht verpassen<br />

Die eat&STYLE ist das größte Food-Festival Deutschlands. Neben Hamburg,<br />

München, Köln und Stuttgart reiht sich auch in diesem Jahr wieder Frankfurt<br />

am Main in die Riege der Gastgeberstädte ein. Die Besucher erwartet neben einem<br />

vielfältigen Programm aus interaktiven Workshops und Liveshows spezielle<br />

Themenwelten, die sich mit aktuellen kulinarischen Trends beschäftigen. Neben<br />

Probieren und Einkaufen besteht die Möglichkeit, mit Profis, Experten und<br />

Ausstellern ins Gespräch zu kommen. Transgourmet ist wie im vergangenen Jahr<br />

auch 2<strong>01</strong>6 der Logistikpartner der eat&STYLE.<br />

TERMINÜBERSICHT:<br />

Frankfurt, 28. bis 30. August, Halle 1.2, Messe Frankfurt<br />

Düsseldorf, <strong>01</strong>. bis 03. Oktober, Schmiedehalle, Areal Böhler<br />

München 28. bis 30. Oktober, Zenith – Die Kulturhalle<br />

Hamburg, 11. bis 13. November, Schuppen 52<br />

Stuttgart 18. bis 20. November, Messe Stuttgart<br />

Klein, kleiner, Micro Leaf<br />

Vom Keltenhof in Filderstadt bei<br />

Stuttgart kommen winzige Micro-<br />

Leaf-Salate, deren jung geerntete<br />

Blättchen etwa 4 bis 5 cm hoch und<br />

noch feiner als Baby-Leaf-Salate<br />

sind. Sie werden bereits drei Wochen<br />

nach der Aussaat von Hand<br />

geerntet, sind sehr aromatisch und<br />

lassen sich aufgrund ihres hübschen<br />

Äußeren vielfältig einsetzen.<br />

Die Mischung „Micro Leaf Mix“<br />

besteht aus würzigen Asia-Salaten<br />

mit rotem und grünem Mizuna oder<br />

Tatsoi sowie verschiedenen Senfvarietäten<br />

und ist in gekühlten<br />

200 Gramm-Schalen erhältlich.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

6<br />

7


TRENDS<br />

ANZEIGE TREND<br />

Kitchen<br />

vegan<br />

Laut einer Studie des Markt- und Organisationsforschungs-Instituts<br />

YouGov aus dem Jahr 2<strong>01</strong>4<br />

liegt die Anzahl der praktizierenden Veganer in<br />

Deutschland bei 1,5 Prozent, Tendenz steigend.<br />

Text: Philipp Stein<br />

empfänglich wie heute, was einer veganen<br />

Lebensweise zugutekommt. Der ständige<br />

Konsum von Fleisch und die damit verbundene<br />

Massentierhaltung gilt gerade in städtischer<br />

Umgebung als unattraktiv. In diesen<br />

Kreisen heißt es: Wenn Fleisch, dann bitte in<br />

exzellenter Qualität. Aber unter der Woche<br />

ernähren sich auch bekennende Genießer<br />

häufig weitgehend ohne tierische Produkte.<br />

Es ist gar nicht lange her, sagen wir so<br />

fünf Jahre, da galten Veganer noch<br />

als Spinner. Vom Freundeskreis belächelt,<br />

erledigten sie ihre Einkäufe im Reformhaus,<br />

beschworen demonstrativ den<br />

Verzicht auf tierische Produkte aller Art und<br />

bestärkten sich alle gegenseitig auf fast<br />

schon religiöse Art in ihrem Glauben.<br />

Diese Zeiten sind vorbei, Veganismus hat<br />

sich längst aus der missionarischen Ecke<br />

gelöst. Fleisch und Fisch sind ohnehin bei<br />

vielen out, und wer darüber hinaus auch<br />

auf Milch, Honig, Butter, ja sogar Leder und<br />

Daunen verzichtet, wird heutzutage von einer<br />

breiten Masse akzeptiert. Die vegane<br />

Lebensweise und speziell die vegane Ernährung<br />

ist inzwischen nicht mehr nur bei<br />

ideologischen Extremisten en vogue. Restaurants<br />

wie das Cookies Cream in Berlin<br />

locken Besucherscharen mit veganen Drei-<br />

Gänge-Menüs, die großen Supermarktketten<br />

führen vegane Produktlinien ein, selbst<br />

Ikea bietet fleischlose Köttbullar aus Kichererbsen<br />

und Grünkohl an. Das Thema schafft<br />

es in Talkshows zur besten Sendezeit, Kochzeitschriften<br />

kommen nicht mehr ohne vegane<br />

Rezepte aus. Die Szene hat sogar Stars<br />

wie den Koch Attila Hildmann, der in vielen<br />

TV-Sendungen aufgetreten ist und<br />

mit seinen Büchern gutes Geld verdient.<br />

Dass die vegane Ernährung nicht mehr in<br />

die muffelige Öko-Ecke gestellt wird, hat<br />

mehrere Gründe. Zum einen argumentieren<br />

ihre Anhänger nicht mehr so ideologisch<br />

und verbissen wie zu früheren<br />

Zeiten. Es geht nicht mehr ausschließlich<br />

um das Tierwohl und die eigene moralische<br />

Überlegenheit, sondern ganz generell<br />

um eine gesündere Lebensweise,<br />

um Achtsamkeit – sich selbst und der<br />

Umwelt gegenüber. Zum anderen ist die<br />

Gesellschaft toleranter und sensibler<br />

gegenüber alternativen Ernährungsgewohnheiten<br />

geworden.<br />

Sensiblere Konsumenten<br />

Fast jeder kennt heutzutage jemanden<br />

aus dem Freundeskreis, der eine Allergie<br />

oder eine Unverträglichkeit wie Laktoseintoleranz<br />

aufweist. Dass man bei<br />

einer Einladung zum Essen auch Vegetarier<br />

und Veganer berücksichtigt, liegt<br />

nahe. Außerdem: Noch nie waren die<br />

Menschen für biologische Produkte so<br />

Raum für Experimente<br />

Hinzu kommt, dass internationale Küchen<br />

seit vielen Jahren den Gaumen eines<br />

durchschnittlichen Essers beeinflussen.<br />

Ein Couscous-Salat mit Falafel, wie<br />

es ihn beim Ma rokkaner gibt? Schmeckt<br />

auch denen, die sonst nur Döner essen.<br />

Reis mit Kimchi und gebratenem Tofu?<br />

Mögen vielleicht auch jene, die normalerweise<br />

Schweinefleisch süß-sauer bestellen.<br />

Und selbst den Kreisen, denen die<br />

Askese fremd ist, bietet der Verzicht auf<br />

tierische Produkte Raum für Experimente:<br />

Das weltberühmte Noma in Kopenhagen<br />

serviert Wurzeln und Flechten, fast jedes<br />

Restaurant der Sterneklasse bietet mittlerweile<br />

vegetarische und vegane Gänge an.<br />

Wagt man einen Ausblick in die Zukunft,<br />

wird es vielleicht so sein, dass die Anzahl<br />

konsequenter Veganer langfristig in etwa<br />

stabil bleibt, der Anteil der sogenannten<br />

Flexi-Veganer aber sicherlich deutlich ansteigen<br />

wird.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

8


WILDER OSTEN<br />

WILDER OSTEN<br />

Wilder Osten<br />

Man muss kein Abenteurer sein, um sich auf unbekanntes Terrain zu<br />

wagen. Aber man braucht eine klare Vision, der man folgen kann, man<br />

braucht eine große Portion Pioniergeist, Mut und Beharrlichkeit. Und<br />

manchmal hilft es auch, ein bisschen verrückt zu sein.<br />

Text: Bernd Müller — Fotos: Carsten Costard, Daniela Haug, Thomas Kniest<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

10<br />

11


WILDER OSTEN<br />

Unternehmerin Heike Struthoff<br />

vor ihrem Herzensprojekt, dem LeuchtTurm<br />

LEUCHTTURM<br />

51° 29’ 30“ Nord /<br />

14° 06’ 59“ Ost<br />

Der rot-weiß gestreifte Leuchtturm<br />

mit den Koordinaten 51° 29’ 30“<br />

Nord / 14° 06’ 59“ Ost ist auf keiner<br />

Seekarte eingezeichnet, und auch an Nordund<br />

Ostseeküste sucht man ihn vergeblich.<br />

Stattdessen findet man das maritime<br />

Wahrzeichen in jedem guten Hotelführer, wo<br />

es erholungssuchenden Reisenden mit vier<br />

leuchtenden Sternen den Weg in die Lausitz<br />

weist. Die Lausitz? Im Westen nahezu unbekannt,<br />

hat sich der ehemalige Braunkohle-<br />

Tagebau im Osten einen zweifelhaften Ruf<br />

als hoffnungslos zerstörte Landschaftsruine<br />

erworben. Mitte des letzten Jahrhunderts<br />

rissen mächtige Abraumbagger riesige<br />

Wunden in Feld, Wald und Wiese, dutzende<br />

Dörfer wurden entsiedelt und abgetragen.<br />

Nach und nach verwandelte sich die gewachsene<br />

Region in eine Mondlandschaft<br />

gewaltigen Ausmaßes, bis nach Jahrzehnten<br />

des Raubbaus auch die Brikettfabriken,<br />

Kohleumschlagplätze und Kraftwerke sterben<br />

mussten – und mit ihnen die Arbeitsplätze.<br />

Ganze Familien verließen in Scharen<br />

die Region, die Lausitz blutete aus.<br />

Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik sagt,<br />

dass Energie nur umgewandelt, aber nicht<br />

vernichtet werden kann. Vor allem mit Beginn<br />

der Wende floss eine neue, völlig andere<br />

Energie zurück in die Lausitz. Eine, die<br />

der Landschaft ihre Schätze nicht nehmen,<br />

sondern zurückgeben will. Nach Jahrzehnten<br />

der Rekultivierung entsteht zwischen Berlin<br />

und Dresden durch die Flutung früherer Tagebaue<br />

eine spektakuläre Wasserwelt, in<br />

der über zwanzig künstliche Seen zu einer<br />

der größten Wasserlandschaften Europas<br />

zusammenwachsen. Noch ist es eine Landschaft<br />

der Kontraste: Auf der einen Seite<br />

idyllische Seen, die schon vor Jahrzehnten<br />

rekultiviert wurden, in direkter Nachbarschaft<br />

Gruben, die gerade erst geflutet<br />

werden. Doch mutige Ideen und eine milliardenschwere<br />

staatliche Finanzspritze zeigen<br />

bereits beachtliche Erfolge. Nur etwas<br />

ganz Wesentliches fehlt. Die Region braucht<br />

dringend Investoren, Menschen mit Engagement<br />

und Pioniergeist.<br />

Wie es einst begann<br />

Im Sommer 2006 sitzt Heike Struthoff am<br />

Ufer des schon fast vollständig gefluteten<br />

Geierswalder Sees und beobachtet die ersten<br />

Erholungssuchenden, die zu Fuß, mit<br />

dem Boot oder auf dem Rad die Gegend<br />

erkunden. Ein Wassersportverein hat sich<br />

gegründet, ein Rundweg für Spaziergänger<br />

und Radfahrer ist angelegt, aber ansonsten<br />

befindet man sich am Geierswalder See in<br />

einem kulinarischen Ödland. Was hier fehlt,<br />

ist eine gute Gastronomie, denkt sich die<br />

begeisterte Sportseglerin, vielleicht sogar<br />

ein kleines Hotel mit einem gemütlichen<br />

Res taurant und einer Seeterrasse. »<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

12<br />

13


WILDER OSTEN<br />

LEUCHTTURM<br />

Das Team vom Leuchtturm<br />

Man muss wissen, Heike Struthoff und ihr<br />

Mann haben lange in der Gastronomie gearbeitet.<br />

Das war damals in Berlin, bevor<br />

das Paar die Tankstelle ihres Vaters in Hoyerswerda<br />

übernommen hat. Und obwohl<br />

zwischenzeitlich ein eigenes Autohaus entstanden<br />

ist, hat die Leidenschaft für die<br />

Gastronomie die beiden nie losgelassen.<br />

Von nun an steht Heike Struthoff Jahr für<br />

Jahr beim Bürgermeister, fragt nach Grundstücken,<br />

erkundigt sich nach dem aktuellen<br />

Stand des Baurechts und wirbt unermüdlich<br />

für ihr Herzensprojekt. Abends im Wohnzimmer<br />

wird diskutiert, gedacht und gezeichnet,<br />

bis die ersten Entwürfe immer konkretere<br />

Formen annehmen.<br />

später zum Wahrzeichen für die Energie und<br />

den Ideenreichtum einer ganzen Region<br />

werden wird: ein Leuchtturm.<br />

Auch wenn der Bürgermeister das extravagante<br />

Projekt von Anfang an unterstützt,<br />

der weite Weg zu seiner Realisation ist voller<br />

Hindernisse. Ein jahrelanger Hürdenlauf beginnt.<br />

Die Bank will überzeugt sein, ständig<br />

ändern sich die Bebauungspläne, es muss<br />

nachfinanziert werden, und auch der Verkauf<br />

des Ufergrundstücks durch die Sanierungsgesellschaft<br />

LMBV zieht sich endlos hin, bis<br />

es endlich an die Gemeinde und damit an die<br />

zukünftigen Hoteliers übertragen werden<br />

kann. Man kann die Jahre auch so zusammenfassen:<br />

Wenn die zukünftige Hotelbesitzerin<br />

nicht über eine so unerschöpfliche,<br />

strahlende Energie und zugleich charmante<br />

Überzeugungskraft verfügen würde, dann<br />

könnte heute kein Gast den 360-Grad-Blick<br />

über die fast endlose Seenlandschaft vom<br />

rot-weißen Leuchtturm genießen.<br />

Heike Struthoff bespricht mit Küchenchef<br />

Daniel Paula (rechts) und Restaurantleiter<br />

Volkmar Geißler die Speisekarte<br />

»Wenn wir diese<br />

Vision umsetzen,<br />

dann muss es<br />

etwas Besonderes,<br />

Einmaliges sein.«<br />

Eine Idee zu haben, genügt nicht<br />

rant mit Außenterrasse und ein hauseigener<br />

Bootsanlieger, der wassersportbegeisterten<br />

Ungewöhnliche Ideen fließen ein, werden<br />

Gästen den Landgang ermöglicht. Doch<br />

überprüft, übernommen oder verworfen.<br />

eine Frage bleibt offen: Wie nutzt man einen<br />

Nur eine Vorgabe ist von Anfang an gesetzt:<br />

Leuchtturm, der keinem Ozeanriesen, sondern<br />

Einer dieser banalen, rechteckigen Hotelkästen<br />

erlebnishungrigen Touristen den Weg<br />

darf es auf keinen Fall werden. Das<br />

in die Lausitz weisen soll? Wieder reifen Ideen,<br />

würde die ambitionierte Wassersportlerin<br />

nicht zulassen. „Wenn wir diese Vision umsetzen“,<br />

erklärt sie ihrem Mann, „dann muss<br />

es etwas Besonderes, Einmaliges sein.“ Und<br />

Ihre Beharrlichkeit zahlt sich aus. Gemeinsam<br />

mit Architekt Mike Meder kann Heike<br />

Struthoff ihren Traum vom Leuchtturmhotel<br />

in die Realität umsetzen. Insgesamt 26<br />

wieder werden Ideen verworfen. Schließ-<br />

lich fällt die Entscheidung: In 22 Meter Höhe<br />

über dem Wasserspiegel wird der Leuchtturm<br />

ein Turmzimmer erhalten, verteilt auf<br />

plötzlich ist sie da, die verrückte Idee. Heike<br />

Struthoff hat ein Symbol vor Augen, das rienhaus sollen es werden, dazu ein Restau-<br />

Ausblick vom Rundum-Balkon.<br />

Zimmer, fünf Ferienwohnungen und ein Fe-<br />

drei Etagen und mit einem spektakulären<br />

»<br />

Seit Beginn der Seefahrt dient ein Leuchtturm<br />

nicht nur zur Positionsbestimmung,<br />

er weist auch den Weg zurück in die Heimat.<br />

Symbolisch gilt das auch für das rot-weiß<br />

gestreifte Wahrzeichen am Ufer des Geierswalder<br />

Sees. Junge Menschen kehren von<br />

weit her zurück zu ihren Wurzeln. Gab es früher<br />

in der Region kaum noch Beschäftigung<br />

für sie, wird ihre Arbeitskraft mittlerweile<br />

dringend gebraucht. Unter den Rückkehrern<br />

ist auch Küchenchef Daniel Paula. Ohne<br />

Zögern ergreift er die Chance, die Leitung<br />

des geplanten Restaurants zu übernehmen.<br />

Drei Monate vor der offiziellen Eröffnung<br />

tritt Daniel seine neue Arbeitsstelle an. Ein<br />

Glücksfall für die Hoteliers: Der neue Küchenchef<br />

hat bereits zweimal eine Restaurant-Neueröffnung<br />

begleitet und weiß aus<br />

Erfahrung, dass eine Küchenplanung nur<br />

in der Theorie reibungslos funktioniert. Als<br />

Mann der Praxis packt er an, das gibt wertvollen<br />

Input. Und es hat sich gelohnt. Heute<br />

ist der Küchenbereich im Restaurant Mehr-<br />

Seen so perfekt durchorganisiert, dass Daniel<br />

Paula mit seinen zehn Mitarbeitern problemlos<br />

eine dreimal so große Zahl an Essen<br />

zubereiten kann wie ursprünglich geplant.<br />

Heike Struthoff denkt unkonventionell,<br />

sie liebt und lebt die Vielfalt. So hat sie mit<br />

MehrSeen auch kein reines Spezialitätenrestaurant<br />

für Fisch und Seafood konzipiert.<br />

Gekonnt verbindet die maritim inspirierte<br />

Speisekarte in ihrem umfangreichen Angebot<br />

Regionalität und Internationalität.<br />

Eine kulinarische Vielfalt, die lückenlos aus<br />

der Fülle der Transgourmet-Produktpalette<br />

schöpfen kann. Dass damit nicht nur bei<br />

den Gästen des gut besuchten Restaurants<br />

keine Wünsche offenbleiben, zeigt sich auch<br />

beim Buchungsstand von Übernachtungen,<br />

Festen und Feiern. Die gesamte Hotelanlage<br />

ist mittlerweile so beliebt, dass heiratswillige<br />

Pärchen bis 2<strong>01</strong>7 warten müssen, um im<br />

LeuchtTurm den Eintritt in den Bund der Ehe<br />

zu feiern.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

14<br />

15


WILDER OSTEN<br />

AYURVEDAKLINIK<br />

Ein Pionier<br />

ist ein<br />

Visionär<br />

Wer noch einen weiteren Beweis für den Pioniergeist<br />

des Seenlandes sucht, dem empfiehlt<br />

sich der Besuch eines ungewöhnlichen<br />

Lausitzer Wahrzeichens, das nur wenige Kilometer<br />

entfernt eine nahezu magische Anziehungskraft<br />

auf regenerationsbedürftige<br />

Körper und Seelen ausstrahlt: der Ayurveda-<br />

Turm des Senftenberger Seeschlösschens.<br />

Als älteste rekultivierte Wasserfläche des<br />

Lausitzer Seenlandes erfreut der Senftenberger<br />

See schon seit 1973 zahllose Badegäste<br />

und Wassersportler. An seinem Ufer<br />

beginnt eine andere, ebenso inspirierende<br />

Geschichte. Auch sie erzählt von einem Pionier.<br />

Sein Name ist Maik Zander.<br />

In der Nähe von Senftenberg aufgewachsen,<br />

legt ihm sein Vater das Zeichnen bereits in<br />

die Wiege und Maik Zander den Zeichenstift<br />

nie wieder aus Hand. Nach seinem Ingenieurstudium<br />

wird er als jüngster Hochschullehrer<br />

an die Ingenieurschule in Senftenberg<br />

gerufen. Während er den Studenten<br />

die Programmierung von CNC-Maschinen<br />

beibringt, lässt Maik Zander seiner Leidenschaft,<br />

dem technischen Zeichnen, freien<br />

Lauf. Schon als Kind hat er Häuser entworfen<br />

und technische Zeichnungen angefertigt.<br />

Endlich, mit der Wende, entstehen aus realistischen<br />

Entwürfen reale Gebäude. Darunter<br />

ein Haus, das ein Café, ein Restaurant<br />

und eine Bäckerei beherbergt. Dort lernt er<br />

seine Frau kennen, die das Geschäft führt,<br />

und steigt an ihrer Seite selbst in die Gastronomie<br />

ein. Dieser Moment wird zum<br />

Startschuss für die gastronomische Karriere<br />

des Senftenberger Pioniers. Zunächst<br />

verwirklicht Maik Zander seinen Traum von<br />

einem eigenen Strandrestaurant, bevor er<br />

nur wenige Jahre später den Bau der Lausitztherme<br />

in Angriff nimmt, einem Hotel<br />

mit 16 Zimmern und einer angeschlossenen<br />

Saunalandschaft, nur einen Steinwurf vom<br />

Wasser entfernt. Was im Rückblick wie mit<br />

leichter Hand realisiert aussieht, besteht<br />

in Wirklichkeit aus pausenlosem persönlichen<br />

Einsatz. Erholung findet nur für Maik<br />

Zanders Gäste statt. Er fungiert zugleich als<br />

Projektmanager, Bauleiter und Geschäftsführer,<br />

kümmert sich um die Aufgüsse in der<br />

Sauna und rennt nebenher ans Telefon, um<br />

Buchungen für Therme und Hotel entgegenzunehmen.<br />

Und Maik Zander muss sehr<br />

viel rennen, denn der Strom der Gäste reißt<br />

nicht ab.<br />

»<br />

Das Wellnesshotel Seeschlösschen ist<br />

eine Oase der Entspannung<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

16<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

17


WILDER OSTEN<br />

AYURVEDAKLINIK<br />

Marketingleiterin Sandy Perlitz<br />

(links) und Sandy Hieke im Yogaraum<br />

des Ayurveda-Turms<br />

Der Ayurveda-Arzt Vaidya Kumaran<br />

Rajsekhar praktiziert seit über<br />

15 Jahren in Deutschland<br />

Vom wachsenden Erfolg bestätigt, wagt<br />

Maik Zander den mutigen Schritt zum Wellnesshotel.<br />

Wieder kommt der geliebte Zeichenstift<br />

zum Einsatz. Bereits zwei Jahre<br />

später wird das neu gestaltete Wellnesshotel<br />

Seeschlösschen eröffnet. Man kann<br />

sich leicht vorstellen, welcher Belastung<br />

ein Hotelier ausgesetzt ist, der Umbau und<br />

Erweiterung seines Hauses im laufenden<br />

Betrieb durchführt und gleichzeitig als Projekt-<br />

und Bauleiter fungiert. Die Doppelbelastung<br />

fordert ihren Tribut, Maik Zander<br />

fühlt sich ausgebrannt. Dass im neuen<br />

Wellness-Resort ein Masseur mit Erfahrung<br />

in indischer Heilkunst arbeitet, ist ein glücklicher<br />

Zufall. Der Therapeut beherrscht nicht<br />

nur die klassischen Massagetechniken, er<br />

integriert auch ayurvedische Elemente<br />

in seine Behandlung. Maik Zander empfindet<br />

diese Anwendungen als äußerst<br />

wohltuend, und auch unter seinen Gästen<br />

registriert das Seeschlösschen eine bestän-<br />

dig wachsende Nachfrage. Maik Zanders<br />

Interesse an Ayurveda wächst behutsam,<br />

aber unaufhaltsam, und bald steht sein Entschluss<br />

fest. Er will die indische Heilkunst in<br />

das Wellnesskonzept des Seeschlösschens<br />

integrieren. Selbst wenn es die Neugestaltung<br />

der gesamten Anlage erfordert und sogar<br />

die Sterne-Ambitionen der hoteleigenen<br />

Gourmetküche in Frage stellt, auf die Maik<br />

Zander ganz besonders stolz ist. Er plant<br />

und entwirft erneut, und mit dem Ende<br />

der Bauarbeiten zeigt sich, wie logisch und<br />

konsequent der Bauherr das neue Konzept<br />

in sein 4-Sterne-Superior-Hotel integriert<br />

hat. Ein weithin sichtbares Zeichen ist der<br />

neue Ayurveda-Turm, der auf vier Ebenen<br />

ein speziell für ayurvedische Behandlungen<br />

ausgelegtes Therapiezentrum beherbergt.<br />

In seiner einladend warmen Atmosphäre<br />

findet auch der in Indien ausgebildete Ayurveda-Arzt<br />

Vaidya Kumaran Rajsekhar genügend<br />

Ruhe und Raum für seine Praxis.<br />

Auch wenn sich Maik Zander mit der Integration<br />

des Ayurveda-Konzepts von der Idee<br />

eines Michelinsterns verabschiedet hat,<br />

ein Feinschmeckerrestaurant sollte sein<br />

Sandak trotzdem bleiben. Das war anfangs<br />

keine leichte Aufgabe für den neuen Küchenchef,<br />

der aus der klassischen französischen<br />

Küche kommt. Mittlerweile beherrscht<br />

Mike Schulze diesen kulinarischen<br />

Spagat ganz hervorragend. Im stilvoll eingerichteten<br />

Hotelrestaurant serviert er heute<br />

nicht nur aufwendig zubereitete, klassische<br />

französische Gerichte, sondern überrascht<br />

auch Abwechslung suchende Feinschmecker<br />

mit gehobener, ayurvedisch inspirierter<br />

veganer Küche.<br />

Auf Gäste, die zu einer Ayurvedakur ins<br />

Seeschlösschen gekommen sind, wartet ein<br />

separates, nahezu privates Restaurant mit<br />

eigener, rein ayurvedischer Küche. Hier wird<br />

jede Speise individuell auf die jeweilige Be-<br />

handlung abgestimmt und konsequent<br />

nach ayurvedischen Prinzipien zubereitet,<br />

natürlich ebenfalls tagesfrisch und bevorzugt<br />

aus regionalen Bioprodukten.<br />

Auch wenn Maik Zander mit Abschluss der<br />

Bauarbeiten seinen Zeichenstift aus der<br />

Hand gelegt hat, er lässt ihn vorsichtshalber<br />

in Reichweite liegen. Wer weiß, was der umtriebige<br />

Unternehmer in Zukunft noch alles<br />

planen, zeichnen und bauen wird. Heute darf<br />

er sich aber erst einmal zurücklehnen und<br />

stolz sein auf das, was er am Senftenberger<br />

See geschaffen hat: ein außergewöhnliches<br />

Seeschlösschen mit einem märchenhaften<br />

Turm, den er mit mutigen Visionen und unerschöpflicher<br />

Energie zu einem weiteren<br />

Leuchtturmprojekt für die ganze Region gemacht<br />

hat.<br />

»<br />

Die Küche ist der Mittelpunkt des<br />

Seeschlösschens<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

18<br />

19


WILDER OSTEN<br />

OBERLINHAUS<br />

Es macht Spaß, mit Küchenleiter<br />

Henning Gödecke zu arbeiten<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

20<br />

21


WILDER OSTEN<br />

OBERLINHAUS<br />

Das Oberlinhaus, außen Idylle,<br />

innen modernste Rehaklinik<br />

Gesund ist<br />

nur, wer<br />

gesund isst<br />

Ortswechsel. Nur eine knappe Autostunde<br />

von Berlin entfernt, schlängelt sich die kleine<br />

Straße durch den Naturpark Hoher Fläming,<br />

führt an einer Steintherme vorbei, taucht<br />

tief in einen idyllischen Wald und endet<br />

nach vor einem imposanten Landhaus, das<br />

von Fachwerk und Türmchen dominiert wird.<br />

In einer lichtdurchfluteten Architektur<br />

nimmt der Gast vor weißen Tischdecken<br />

und adrett gefalteten Stoffservietten Platz,<br />

dezente Tischlampen verbreiten ein behagliches<br />

Licht. Die Auswahl unter 16 verschiedenen,<br />

frischen Salatvariationen vom<br />

einladenden Büffet wird von freundlichen<br />

Damen am Tisch serviert, ebenso der <strong>Genuss</strong><br />

versprechende Hauptgang: gebratenes<br />

Rückensteak vom Mecklenburger<br />

Strohschwein, dazu sautierte Locktower<br />

Champignons und Kartoffelgratin. Darf es<br />

zum Abschluss ein Latte-Macchiato-Pudding<br />

mit Sahne sein? Was sich wie der Besuch<br />

eines gutbürgerlichen Landgasthofes<br />

liest, beschreibt in Wirklichkeit die Kantine<br />

einer Rehaklinik. In der waldreichen Umgebung<br />

von Bad Bezig entstand das heutige<br />

Oberlinhaus zwischen 1898 und 1900 zunächst<br />

als Lungenheilstätte. Kurz nach der<br />

Wende erfolgte der Umbau zur Rehabilitationsklinik<br />

für orthopädische, rheumatische<br />

und psychosomatische Krankheiten. Das<br />

imposante Haupthaus wurde vorsichtig saniert,<br />

um vor allem die beeindruckende Außenfassade<br />

des hundertjährigen Gebäudes<br />

zu bewahren. Neue Bettenhäuser kamen<br />

hinzu, die wunderschöne Parklandschaft<br />

wurde belassen. Heute präsentiert sich die<br />

Reha-Klink als Ort der Erholung, des Wohlfühlens,<br />

Entspannens und Kraftschöpfens.<br />

Ein Ort, an dem man alles vermutet, nur<br />

nicht kämpferischen Pioniergeist. Aber da<br />

hat man Klinikleiterin Katrin Eberhardt und<br />

ihren Küchenchef Henning Gödecke noch<br />

nicht kennen gelernt.<br />

Katrin Eberhardt ist eine ebenso überzeugte<br />

wie überzeugende Kämpferin. Sie kämpft<br />

für eine frische, <strong>genuss</strong>volle Ernährung ihrer<br />

Patienten, sie kämpft für ihre hervorragend<br />

ausgestattete und besetzte Küche, sie<br />

kämpft gegen personal- und kostensparende<br />

Trends wie Outsourcing und den übermäßigen<br />

Einsatz von Convenienceprodukten.<br />

Kurz gesagt, sie steht konsequent für<br />

Überzeugungen ein, die in der Diskussion um<br />

angemessene Etats in der Gemeinschaftsverpflegung<br />

durchaus polarisieren können,<br />

und die ein knapp rechnender Kostenträger<br />

als Störfaktor der eigenen Komfortzone<br />

empfindet. Aber ohne diese Impulse, ohne<br />

diese positiven Störungen im System, gibt<br />

Nach der Auswahl vom riesigen<br />

Salatbüffet folgt für die Gäste der frisch<br />

zubereitete Hauptgang<br />

Das Essen wird den Patienten von<br />

freundlichen Damen am Tisch serviert<br />

es keinen Fortschritt, schon gar nicht in<br />

der Krankenhausverpflegung. Die, wie jede<br />

Selbsterfahrung als Patient beweist, mehr<br />

als verbesserungsbedürftig ist. Ihr zur Seite<br />

steht seit über 23 Jahren Küchenleiter Henning<br />

Gödecke, leidenschaftlicher Koch, ehemaliger<br />

Koch-Vizeweltmeister und in seiner<br />

Freizeit kompetenter Berater der Regionalmannschaft<br />

der Berlin-Brandenburgischen<br />

Köche. Katrin Eberhardt hat dafür gesorgt,<br />

dass seine Küche mit vier Köchen, zehn Küchenhilfen<br />

und zwei Diätassistentinnen professionell<br />

und vor allem äußert gutgelaunt<br />

besetzt ist. An jedem Tag wird hier frisch und<br />

liebevoll gekocht, die Kühlräume sind prall<br />

gefüllt mit Obst, Gemüse und Salaten. Sogar<br />

die Soßen werden frisch angesetzt, und<br />

auch Fonds werden selbst gezogen.<br />

Natürlich kosten motivierte Mitarbeiter und<br />

qualitativ hochwertiger Wareneinsatz etwas<br />

mehr Geld, und auch eine Katrin Eberhardt<br />

kann die finanziellen Rahmenbedingungen<br />

nicht nach Belieben verschieben. Aber Klinik-<br />

und Küchenleitung können innerhalb<br />

der gesetzten Grenzen intelligent und kreativ<br />

agieren. So müssen die Gäste wegen des<br />

höheren personellen und finanziellen Aufwands<br />

auf Wahlessen verzichten. Aber das<br />

tun sie gerne, wenn ihr Mittagsmenü dafür<br />

täglich frisch gekocht wird und zugleich hervorragend<br />

schmeckt. Qualitätsbewusstsein<br />

beweist die Klinik auch beim Einkauf von<br />

Fleisch. Auch hier kommt Unterstützung von<br />

Transgourmet: Nachdem Klinikleiterin und<br />

Küchenchef vor Ort die Aufzucht von Mecklenburger<br />

Strohschweinen begutachtet hatten<br />

und zurück in der Küche das Fleisch mit<br />

konventionellem Schweinefleisch vergleichen<br />

konnten, waren die beiden nachhaltig<br />

beeindruckt. Das hochwertige Fleisch saftete<br />

beim Garen nicht aus, behielt seine feste,<br />

aber zarte Konsistenz und der Geschmack<br />

zeigte sich voller und delikater. Jetzt findet<br />

sich das leckere Strohschwein auf dem Speiseplan<br />

der Klinik wieder.<br />

»<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 22<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 23


WILDER OSTEN<br />

Matthias Hiob freut sich, wenn<br />

es seinen Gästen schmeckt<br />

OBERLINHAUS<br />

Klinikleiterin Katrin Eberhardt (links)<br />

engagiert sich für eine gesunde,<br />

frische Küche<br />

Mit ihrem ganzheitlichen Anspruch an eine<br />

gute, gesunde Küche geht Katrin Eberhardt<br />

aber noch einen Schritt weiter. Sie will vermehrt<br />

heimische Landwirte in die Versorgung<br />

der Klinik einbinden.<br />

Aufgrund schwankender Abnahmemengen<br />

und einer nicht immer zuverlässig pünktlichen<br />

Anlieferung, ist die Umsetzung nicht<br />

ganz unproblematisch. Trotzdem, das Konzept<br />

der Klinik, vermehrt regionale Produkte<br />

einzukaufen, wird konsequent weitergeführt.<br />

Mit diesem Pioniergeist fühlt<br />

sich Transgourmet eng verbunden. Das wird<br />

bereits in so außergewöhnlichen Pilotprojekten<br />

wie der Einführung der Marke<br />

Transgourmet Ursprung deutlich. Solche<br />

regional und nachhaltig hergestellten Produkte<br />

stehen nicht nur für den Erhalt von<br />

jahrhundertelang gewachsenen Kulturlandschaften<br />

in deutschen Regionen. Mit ihnen<br />

verbinden sich auch wunderbare Geschichten.<br />

Geschichten von Aufzucht und Pflege,<br />

von Tradition und Verantwortung, von<br />

regionaler Verbundenheit, von der Liebe zu<br />

Natur, Mensch und Tier. Geschichten, die zu<br />

erzählen sich lohnt, denn sie sind Teil einer<br />

lebendigen Esskultur.<br />

Trifft man auf solch engagierte Menschen<br />

wie Heike Struthoff, Maik Zander oder auch<br />

Katrin Eberhardt, begreift man schnell, was<br />

sie alle verbindet: echter Pioniergeist. Mit<br />

unermüdlicher Tatkraft, mit Mut zum Risiko<br />

und ungewöhnlichen Ideen, die manchmal<br />

auch etwas verrückt erscheinen, treiben<br />

sie Projekte voran, die nicht nur eine ganze<br />

Region beleben können, sondern beweisen,<br />

dass auch im „Wilden Osten“ die Zukunft<br />

eine Zukunft hat. •<br />

Im Oberlinhaus wird jeden Tag<br />

frisch und liebevoll gekocht<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

24<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

25


TRENDS<br />

TRENDS<br />

Die Fermentation<br />

ist zurück<br />

Kurz bevor sie in Vergessenheit geraten<br />

ist, haben wir sie zum Glück<br />

wiederentdeckt. Was in den Küchen<br />

der gesundheitsbewussten Einwohner von<br />

New York, San Francisco und Portland schon<br />

länger gang und gäbe ist, wird in Deutschland<br />

gerade aus der kulinarischen Mottenkiste<br />

geholt. Der aus den USA zu uns<br />

geschwappte Fermentationstrend vereint<br />

die Sehnsucht nach ehrlichen Lebensmitteln<br />

aus natürlichen Zutaten mit einem<br />

modernen ganzheitlichen Gesundheitsbewusstsein.<br />

Viele Studien belegen, dass die<br />

jahrelange Panikmache gegen jede Form<br />

von mikroskopischen Lebewesen komplett<br />

übertrieben und eigentlich kontraproduktiv<br />

war. Die meisten unserer lebenserhaltenden<br />

Körperfunktionen, ganz oben auf der Liste<br />

natürlich die Verdauung, sind ohne die Zuarbeit<br />

von Mikroorganismen gar nicht denkbar.<br />

Probiotische Ernährung heißt daher das<br />

neue Zauberwort und meint damit eine Ernährung,<br />

die aus lebendigen Lebensmitteln<br />

besteht und unseren Körper bei seiner Arbeit<br />

unterstützt.<br />

Ins kollektive kulinarische Bewusstsein<br />

rückt damit auch wieder, dass Fermentation<br />

aus unserer Lebensmittelproduktion<br />

gar nicht wegzudenken ist. Bier, Wein, Käse,<br />

Die gute alte Gärung, mit der unsere Großmütter<br />

Sauerkraut, Sauerteig und Sauermilch selber machten, ist<br />

einer der heißesten Food-Trends überhaupt.<br />

Text: Cathrin Brandes – Fotos: Florian Bolk<br />

Eingelegte, saure Bohnen sind vermutlich<br />

der Fermentationsklassiker schlechthin<br />

Brot, viele unserer beliebtesten Nahrungsmittel<br />

beruhen auf dem Arbeitseinsatz<br />

von Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen<br />

und Schimmel. Doch was passiert bei<br />

der Fermentation im Detail? Tatsächlich ist<br />

Fermentation mittlerweile ein Sammelbegriff<br />

für verschiedene Prozesse, bei denen<br />

Mikroorganismen zur Haltbarmachung oder<br />

Aufbereitung von Lebensmitteln eingesetzt<br />

werden. Kaffeebohnen und Teeblätter verlieren<br />

während des Fermentierens störende<br />

Gerbstoffe, asiatische Soja- oder Fischsoßen<br />

gewinnen durch Fermentation ebenso<br />

ihren typischen Geschmack wie bestimmte<br />

Rohwürste. Hering wird durch Vergärung zu<br />

Matjes, Traubensaft zu Wein, Milch zu Käse,<br />

Tee zu Kombucha. Die Liste ist lang.<br />

Am einfachsten erklärt ist die Fermentation<br />

von Gemüse, die sogenannte Milchsäuregärung<br />

oder auch Laktofermentation:<br />

Auf jeder Pflanze wohnen Bakterien, Pilze<br />

und Hefen, die nur darauf warten, das Gewächs<br />

endlich zersetzen zu können. Nach<br />

der Ernte legen sie damit eigenständig los.<br />

Je nachdem, welche Bedingungen für die<br />

Lagerung oder Verarbeitung von Gemüse<br />

herrschen, kommen die einen oder anderen<br />

Mikroorganismen oder auch gar keine zum<br />

Einsatz. Es leben bei der Milchsäuregärung<br />

verschiedene Bakterienstämme davon, den<br />

im Gemüse enthaltenen Zucker zu zersetzen<br />

und als Energiequelle zu nutzen. Vereinfacht<br />

gesagt geht man bei der Laktofermentation<br />

zur Konservierung des Gemüses eine<br />

Kooperation mit verschiedenen Milch- und<br />

Essigsäurebakterien ein. Das Gute daran ist,<br />

man arbeitet stets mit der Natur und nicht<br />

gegen sie.<br />

Für eine Lakto- oder Milchsäurefermentation<br />

wird dem kleingeschnittenen Gemüse<br />

durch Salz und Druck der eigene Saft entzogen,<br />

bis es vollkommen mit Salzlake bedeckt<br />

ist. Wenn nicht genügend Saft austritt, bzw.<br />

die Gemüsesorte wenig saftig ist, fügt man<br />

eine milde Salzlake hinzu. Das Salz hilft beim<br />

Auszug vom Gemüsesaft, dient der Würze<br />

und unterstützt die Konservierung.<br />

Das Gemüse muss immer komplett mit Flüssigkeit<br />

bedeckt sein, denn in der Luft lauern<br />

Hefen und vor allen Dingen Schimmelpilze,<br />

die die Fermentierung stören können. Die<br />

Milchsäurebakterien können in der Lake<br />

auch ohne Luft arbeiten. Wenn die Umgebung<br />

stimmt, bauen die Bakterien den Zucker<br />

fleißig in den Gemüsezellen ab. Dabei<br />

entstehen Milchsäure, Essigsäure, Alkohol<br />

und auch CO 2<br />

. Die ersten Tage geht es durch<br />

die CO 2<br />

-Bildung richtig ab, Bläschen bilden<br />

sich, manchmal auch leichter Schaum. Die<br />

Fermentation läuft. Je länger die Bakterien<br />

jedoch arbeiten, desto mehr Säuren werden<br />

produziert. Der PH-Wert sinkt und sinkt. Das<br />

Gemüse wird immer saurer und haltbarer, da<br />

die Säure alle Bakterien, die zu einer Verrottung<br />

beitragen könnten, abtötet. Am Ende<br />

sterben sogar die Milchsäurebakterien ab,<br />

wenn es auch ihnen zu sauer wird.<br />

Für uns Menschen ist rohes, saures Gemüse<br />

gleich doppelt gesund: Durch die Aufnahme<br />

der Milchsäurebakterien unterstützen wir<br />

nicht nur unsere Verdauung, sondern beleben<br />

gleichzeitig unsere Darmflora.<br />

Die moderne Wissenschaft hat gerade erst<br />

angefangen, die positiven Wirkungen einer<br />

aktiven und gesunden Darmflora auf unsere<br />

gesamte Gesundheit zu erforschen. Anhänger<br />

einer probiotischen Ernährung beschwören<br />

sie hingegen schon lange.<br />

Durch die rohe Haltbarmachung werden<br />

außerdem die meisten Vitamine erhalten,<br />

die beim Kochen zerstört würden. Das wussten<br />

vor Erfindung der Kühltechnik nicht nur<br />

unsere Urgroßmütter zu schätzen, sondern<br />

auch Seefahrer, die auf ihren langen Reisen<br />

stets ein Sauerkrautfass mitführten, um<br />

Skorbut zu vermeiden, eine Erkrankung, die<br />

durch Vitaminmangel entstehen kann.<br />

In einer Welt, in der im Kampf gegen Krankheitserreger<br />

ständig sterilisiert und pasteurisiert<br />

wird, haben auch die „guten“ Bakterien<br />

wenig Überlebenschancen. Ein plakatives<br />

Beispiel dafür ist der drohende Verlust der<br />

Löcher im berühmtesten Schweizer Käse,<br />

dem Emmentaler. Echter Emmentaler wird<br />

aus Rohmilch, also unpasteurisierter Milch<br />

hergestellt. Die in der Milch und am Kuheuter<br />

vorkommenden Milchsäurebakterien<br />

erzeugen während der Fermentation Gase,<br />

die Blasen in den Käse treiben. Durch die<br />

größere Hygiene in den Ställen und bei der<br />

Käseproduktion sterben die Bakterien aus,<br />

und der Emmentaler verliert seine Löcher.<br />

Seit der Fermentations-Trend aus den USA<br />

zu uns schwappte, gärt und blubbert es<br />

auch hierzulande in vielen Küchen. Das Land<br />

des Sauerkrauts begeistert sich wieder für<br />

die alte Kunst der Fermentation. Für Interessierte<br />

gibt es Kraut- und Kimchi-Workshops,<br />

Fermentationsgruppen und Tauschbörsen.<br />

In Berlin fand sogar eine Art Krautflashmob<br />

statt, die „SauerCrowd“, bei der 300<br />

Menschen zu Technobeats 500 Kilogramm<br />

Sauerkraut gestampft und geknetet haben.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

26<br />

27


PORTRÄT<br />

HANNES ARENDHOLZ<br />

DER<br />

GRENZ-<br />

GÄNGER<br />

Hannes Arendholz ist Koch, Produktentwickler,<br />

Foodstylist und Experte für vegane und vegetarische<br />

Gerichte. Im Interview berichtet er über seine Arbeit<br />

zwischen den kulinarischen Welten.<br />

Text: Jacqueline Vogt — Foto: Simone Neufing, Johannes Fucke<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

28<br />

29


PORTRÄT<br />

HANNES ARENDHOLZ<br />

Hannes Arendholz, geboren 1983, war sechs<br />

Jahre alt, als er in der elterlichen Küche versuchte<br />

Bonbons zu kochen, so wie er das im<br />

Fernsehen gesehen hatte. Er war 16 Jahre alt, als<br />

er im Landhaus Sonnenhof in der Eifel eine Ausbildung<br />

zum Koch begann und sieben Jahre älter, als<br />

er während seiner Zivildienstzeit beschloss: „Als angestellter<br />

Koch gehe ich in kein Restaurant zurück.“<br />

Er studierte Hotel-Betriebswirtschaft und arbeitete<br />

im Anschluss in der Produktentwicklung bei Sander<br />

Gourmet. Während dieser Tätigkeit bei dem Convenience-Hersteller,<br />

nahm er an Kochwettbewerben teil.<br />

Er gewann unter anderem den Linie Förderpreis und<br />

damit ein Praktikum im legendären Restaurant Noma<br />

in Kopenhagen. Später ließ er sich noch zum Diätkoch<br />

ausbilden. Inzwischen ist Hannes Arendholz längst<br />

selbstständig, als Rezeptentwickler, Berater, Foodstylist<br />

und vieles mehr – er hat Kontakt zu Großkunden und zu<br />

Endverbrauchern.<br />

Die Küche von Foodboom<br />

Früh hat Arendholz die Möglichkeiten des Internets und<br />

der sozialen Medien erkannt. Diese Kanäle zu nutzen,<br />

ist für ihn selbstverständlich und Teil seines geschäftlichen<br />

Konzepts. Er hat Veggie TV gegründet, eine werbefreie<br />

Internet-Plattform, auf der Videos mit kleinen<br />

Reportagen, Sketchen und vegetarischen Rezepten zu<br />

sehen sind. Seine Homepage Appetitbox.com ist seine<br />

Visitenkarte. Die Firma Foodboom, die er mit seinem<br />

Geschäftspartner Sebastian Heinz in Hamburg besitzt,<br />

arbeitet als multimediales Unternehmen, an dem sieben<br />

Festangestellte beteiligt sind. Foodboom dreht Filme,<br />

in denen Küchentechniken geschildert werden, veranstaltet<br />

virtuelle und analoge Kochkurse, berät Firmen<br />

und Endverbraucher. Er habe nicht mehr jeden Tag in<br />

einer Restaurantküche stehen wollen, weil er seinen Horizont<br />

habe erweitern wollen, erklärt Hannes Arendholz.<br />

Heute ist er Grenzgänger zwischen den kulinarischen<br />

Welten, er selbst beschreibt es so: „Meine Mitarbeiter<br />

und ich, wir sind Querdenker.“ Im Interview spricht er<br />

über seine Arbeit. »<br />

Das Team von Foodboom (v.l.n.r.):<br />

Simone Neufing, Hannes Arendholz, Sebastian Heinz,<br />

Kerstin Deharde, Doreen Kaufhold und Claudius Wölm<br />

Foodboom-Gründer Hannes Arendholz<br />

und sein Geschäftspartner, Sebastian Heinz<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

30<br />

31


PORTRÄT<br />

HANNES ARENDHOLZ<br />

In Kochmontur aber stets<br />

mit lockerer Kappe sieht<br />

man Hannes Arendholz<br />

bei der Arbeit<br />

Jacqueline Vogt: Herr Arendholz, was<br />

bedeutet das Kochen für Sie?<br />

Hannes Arendholz: Freude, Leidenschaft<br />

und die Möglichkeit, immer neue Dinge<br />

und Aromen zu entdecken und zu kombinieren.<br />

Die Beschäftigung mit Essen und<br />

Kochen ist für mich wie ein Buch, das nicht<br />

zu Ende geht.<br />

Wenn Kunden auf Sie zukommen, was<br />

wollen die in der Regel von Ihnen?<br />

Das ist unterschiedlich. Einige wollen<br />

Rezepturen entwickelt haben, die ohne<br />

künstliche Aromen und Geschmacksverstärker<br />

auskommen, sie wollen bestehende<br />

Rezepturen, die sie in ihrem Unternehmen<br />

schon haben, auf Clean Label<br />

umgearbeitet bekommen...<br />

Das bedeutet, dass bestimmte Inhaltsstoffe<br />

nicht mehr vorkommen und<br />

insgesamt alles möglichst transparent<br />

aufgelistet wird?<br />

»Wenn ich<br />

Speisekarten<br />

vergleiche,<br />

lesen sich viele<br />

wie Einheitsbrei.«<br />

Ja, genau. Man ruft mich aber auch an,<br />

wenn es um Arbeitsabläufe oder um<br />

Motivationstraining in einem Unternehmen<br />

geht. Und der größte Bereich ist die<br />

Rezeptentwicklung für Großkunden<br />

und Restaurants, außerdem Foodstyling<br />

und Messebetreuung.<br />

Sie haben also einen ganz guten Überblick<br />

über die Szene. Wo steht Ihrer Meinung<br />

nach Deutschland heute kulinarisch?<br />

Im Vergleich mit anderen europäischen<br />

Ländern sind wir nicht mutig genug, sind<br />

festgefahren. Wir sind keine Pioniere in der<br />

Esskultur, wir trauen uns nicht viel.<br />

Welches Beispiel haben Sie dafür?<br />

Wenn ich Speisekarten vergleiche, lesen<br />

sich viele wie Einheitsbrei. Wo sind die<br />

Leute, die sagen, wir kochen jetzt mal<br />

ganz anders, oder die sagen: Wir machen<br />

jetzt mal eine richtig gesunde Küche?<br />

Wer traut sich, Granatapfel zum Thunfisch<br />

zu servieren – wenn er überhaupt Thunfisch<br />

anbietet, der kommt ja meistens nur<br />

als Sushi vor...<br />

Köche und Gastronomen in Deutschland<br />

sind also nicht mutig genug in der Kombination<br />

von Aromen?<br />

Für alle gilt das nicht, aber für viele.<br />

Es heiß ja oft, dass das Regionale ein sehr<br />

großer Trend sei. Wie sehen Sie das?<br />

Ich würde das nicht Trend nennen, das<br />

Regionale ist einfach wichtig. Der Konsument<br />

will wissen, was er auf dem Teller hat<br />

und wo es herkommt. Fleisch, Gemüse,<br />

Obst, sogar Öl: Es gibt viele Möglichkeiten,<br />

regionale Produkte zu verwenden. Und<br />

wenn man das dem Gast zeigt, wenn man<br />

nachweist, was man verarbeitet, dann<br />

muss man sich auch nicht schämen, wenn<br />

man für sein Essen mehr Geld verlangt.<br />

Fehlen den Gastronomen Konzepte?<br />

Es gibt viele gute Konzepte. Vielleicht<br />

ist es eher so, dass wir in Deutschland<br />

insgesamt alle zu wenig aufs Essen achten.<br />

Die meisten fahren immer noch lieber ein<br />

großes Auto, als sich mit anderen Dingen<br />

zu beschäftigen, kulinarischen zum<br />

Beispiel. Essen müsste stärker wertgeschätzt<br />

werden, in allen Bereichen.<br />

Wie meinen Sie das?<br />

Zum Beispiel auch in der Gemeinschaftsverpflegung,<br />

in Seniorenheimen etwa:<br />

Wenn man sieht, was solche Einrichtungen<br />

oft als Budget für die Mahlzeiten zur Verfügung<br />

haben – dabei kann nichts richtig<br />

Gutes rumkommen.<br />

Sie reisen viel. Erleben Sie, dass in anderen<br />

Ländern mehr Wert aufs Essen gelegt<br />

wird als bei uns?<br />

Absolut. Das beginnt schon beim Angebot<br />

in den Supermärkten. Wenn ich zum Beispiel<br />

nach Amsterdam fahre, gibt es in den<br />

Supermärkten eine riesige Auswahl von<br />

geschnittenen, frischen Gemüsen. Man<br />

muss nicht Tiefkühlware nehmen, wenn<br />

man Arbeit sparen will. Und man bekommt<br />

sofort Lust, zu kochen. Oder nehmen Sie<br />

die Schweiz: Dort liegen in den Kühltruhen<br />

Hähnchen mit Kopf, das macht doch viel<br />

mehr Appetit. Es gibt zwar auch bei uns<br />

Supermärkte, die richtig aufdrehen, aber<br />

insgesamt würde ich sagen, dass in den<br />

Niederlanden, in der Schweiz, in England<br />

deutlich mehr los ist als bei uns. Hier ist<br />

»<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

32<br />

33


PORTRÄT<br />

HANNES ARENDHOLZ<br />

Gemeinsames Essen ist auch<br />

für das Team von Foodboom<br />

etwas Besonderes<br />

es so, dass im Lebensmitteleinzelhandel<br />

viel über die Mindesthaltbarkeit läuft. Je<br />

länger etwas haltbar ist, desto besser wird<br />

es gelistet. Im Ausland habe ich Märkte<br />

mit vielen Produkten gesehen, die zum<br />

Teil nur drei, vier Tage haltbar sind, das<br />

ist natürlich etwas ganz anderes. Solche<br />

Lebensmittel müssen nicht so stark vorbehandelt<br />

werden, das heißt, sie schmecken<br />

auch ganz anders.<br />

Der Kunde in Deutschland will ja offenbar<br />

Ware, die sich möglichst lange hält.<br />

Ehrlich gesagt bin ich mir in diesem Punkt<br />

nicht sicher, ob es am Endverbraucher<br />

liegt. Bei diesem Thema würde ich die<br />

Betreiber von Supermärkten in die Pflicht<br />

nehmen. Das möchte ich betonen: Die Industrie<br />

wäre soweit, ganz andere Produkte<br />

anzubieten. Es gibt die Rezepte, es gibt die<br />

Produktionsanlagen, es geht theoretisch<br />

alles. Aber für den Lebensmitteleinzelhandel<br />

ist das Mindesthaltbarkeitsdatum<br />

mit das Wichtigste. Trotzdem wird vieles<br />

weggeschmissen. Sehr beeindruckt hat<br />

mich, was ich in Südafrika gesehen habe.<br />

In großen Supermärkten wird aus Lebensmitteln,<br />

die nicht mehr verkauft werden<br />

können, gekocht. Die warmen Speisen<br />

kann man dann für kleines Geld kaufen.<br />

Das ist toll, nichts kommt um.<br />

Noch einmal zurück zum Beruf des<br />

Kochs: Viele Ausbildungsstellen sind<br />

unbesetzt, Nachwuchs fehlt. Woran liegt<br />

das Ihrer Meinung nach?<br />

In vielen Betrieben herrscht noch ein Ton<br />

wie in den Achtzigern, der Auszubildende<br />

steht ganz unten in der Hierarchie.<br />

Und in großen Betrieben wird oft nur mit<br />

Convenience-Produkten gearbeitet, wer<br />

soll da etwas lernen wollen? Auch sind<br />

die Strukturen in den Verbänden oft altbacken,<br />

auch die Lehrbücher sind es zum<br />

Teil. In der Branche wird meiner Erfahrung<br />

nach insgesamt der Jugend nicht genug<br />

zugehört. Dabei ist der Beruf immer noch<br />

faszinierend, und vor allem: Er eröffnet<br />

einem sehr viele Möglichkeiten.<br />

Zum Abschluss: Welche Food-Trends,<br />

welche Vorlieben haben in der nächsten<br />

Zeit Bestand?<br />

Ich denke, das Asiatische bleibt auf jeden<br />

Fall angesagt, und auch Streetfood wird<br />

ein Thema sein. •<br />

Rustikal meets Modern:<br />

die Experimentalküche<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

34<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

35


GASTBEITRAG<br />

GASTBEITRAG<br />

Können Sie mir<br />

bitte mal das<br />

Wasser reichen<br />

„Das wichtigste Glas auf dem Tisch“, sagt<br />

Jancis Robinson, eine der weltweit bedeutendsten<br />

Weinexpertinnen, „ist das Wasserglas“.<br />

Text: Michael Schröder<br />

Recht hat die Herausgeberin des Oxford<br />

Weinlexikons. Denn zwingender<br />

als die fast schon philosophisch<br />

anmutende Diskussion über das exakt passende<br />

Glas zu Riesling, Chardonnay oder<br />

Pinot Noir ist doch, dass wir ausreichend<br />

Wasser zu den Mahlzeiten trinken. Entgegen<br />

der alten Volksweisheit, Wasser verdünne<br />

die Magensäure und schade deshalb der<br />

Verdauung, trifft nach Ansicht der meisten<br />

Ernährungsphysiologen eher das Gegenteil<br />

zu. Mit Wasser „rutscht“ das Essen einfach<br />

besser hinunter, und außerdem transportiert<br />

und löst es die Nährstoffe in unserem<br />

Körper. Jeder kennt ja die Frage, die der Service<br />

im Restaurant gleich zu Beginn eines<br />

schönen Mahls stellt: „Darf ich Ihnen schon<br />

mal ein Wasser bringen?“ In aller Regel fällt<br />

die Entscheidung zwischen einem Mineralwasser<br />

mit Kohlensäure, einem „Stillen“<br />

oder der Medium-Variante. Doch so einfach<br />

will es vor allem die gehobene Gastronomie<br />

dem Gast nicht mehr machen. Schließlich<br />

hat die Getränkeindustrie schon vor Jahren<br />

festgestellt, dass mit Premium-Wasser bei<br />

gleichem Inhalt in der Flasche weitaus höhere<br />

Margen zu erzielen sind. Schicke Designer-Bouteillen<br />

mit einem „Gourmet“-Label<br />

und Lifestyle-Image sind seitdem in Top-<br />

Lokalen so selbstverständlich, wie früher<br />

eine Flasche Selters das Maß aller Wässerchen<br />

war. Wer also glaubt, dass Wasser nur<br />

Wasser ist, wird dort ganz schnell mal eines<br />

Besseren belehrt.<br />

Es geht allerdings noch exklusiver – mit<br />

teuren Edelgetränken der Luxusklasse für<br />

die Welt der Schönen und Reichen. Norwegisches<br />

Voss etwa, 420 Below aus Neuseeland,<br />

Fiji von den Fidschi-Inseln oder<br />

das neunmal gefilterte Tennessee-Wasser<br />

Bling h 2 o mit Swarovski-Kristallen kosten<br />

mitunter mehr als eine Flasche Wein. Mal<br />

entspringt das Wasser aus vulkanischem<br />

Hochland, mal entstammt es einem Gletscher<br />

oder setzt sich wie das Cape Grim nur<br />

aus tasmanischen Regentropfen zusammen.<br />

Den Vogel schießt jedoch Rokko No<br />

Mizu ab, jenes Kult-Mineralwasser aus einem<br />

mystischen Jungbrunnen in der japanischen<br />

Kobe-Region, wo die berühmten<br />

Wagyu-Rinder grasen und die Menschen<br />

über 100 Jahre alt werden. „Über 100“ gilt<br />

auch für alle, die das kostbare Nass hierzulande<br />

trinken wollen – natürlich in Euro.<br />

Diesseits dieser versnobten Welt aus raffinierten<br />

Marketingstrategien und modischem<br />

Kult um ausländische Glamour-Produkte<br />

interessiert den Normalsterblichen<br />

allerdings mehr, was er schlicht und einfach<br />

bei der Wahl des Wassers zu einem Menü<br />

beachten sollte. Da darf man es mit Harald<br />

Schmidt halten, der in seiner Late-Night-<br />

Show den legendären Satz prägte: „Ich sage<br />

‚Ja!’ zu deutschem Wasser.“ Auch Wasser-<br />

Sommeliers, die sich inzwischen neben den<br />

Wein-Sommeliers in so einigen deutschen<br />

Sternerestaurants etabliert haben, bestätigen,<br />

dass heimische Produkte aus ökologischen<br />

Gründen immer beliebter werden.<br />

Wenn sie dann noch premium heißen und<br />

ein wenig teurer sind als die Discountmarken,<br />

freut sich auch der Gastgeber. Wasser<br />

spielt eben bei der Mischkalkulation keine<br />

unwesentliche Rolle in der Gastronomie –<br />

mit Getränken macht sie rund 40 Prozent<br />

ihres Umsatzes.<br />

Grundsätzlich liegt man mit einem stillen,<br />

milden Wasser fast immer richtig. Zwar<br />

schmeckt die bittere Kohlensäure als Durstlöscher<br />

erfrischender, sie kommt jedoch vor<br />

allem schweren, tanninreichen Rotweinen in<br />

die Quere, weil sie die adstringierende Wirkung<br />

der Gerbstoffe verstärkt. Zu trockenen<br />

Weißen passt ein ausgewogenes Wasser mit<br />

mäßiger Kohlensäure, während süße Tropfen<br />

eine spannende Liaison mit kräftiger Kohlensäure<br />

eingehen. Keine Angst muss man<br />

übrigens vor einem hohen Gehalt an Kalzium,<br />

Natrium oder Magnesium haben, was den<br />

Geschmack des Weins verfälschen könnte.<br />

Erstaunlicherweise entpuppten sich bei<br />

einer Untersuchung der Stiftung Warentest<br />

die meisten Mineralwässer trotz ihres Namens<br />

als mineralstoffarm.<br />

Und wie steht es mit Leitungswasser? Nach<br />

einer jüngsten Umfrage des Online-Reservierungsportals<br />

Bookatable unter 1.500 Restaurantgästen<br />

würden 66 Prozent der Befragten<br />

kein „Kranenwasser“ bestellen, weil<br />

es ihnen fordernd und unhöflich erscheint.<br />

Während es also in manch anderen Ländern<br />

obligatorisch ist, eine Karaffe neutrales Leitungswasser<br />

gratis auf den Tisch zu stellen,<br />

scheint dies hierzulande verpönt zu sein.<br />

Dabei zählt Leitungswasser in Deutschland<br />

zu den am besten kontrollierten Lebensmitteln.<br />

Noch hält die Gastronomie dagegen,<br />

dass ja auch diese Dienstleistung irgendwie<br />

bezahlt werden müsse. Trendlokale wie<br />

das angesagte Berliner Sternerestaurant<br />

Nobelhart & Schmutzig gehen da bereits<br />

andere Wege: Gefiltertes Leitungswasser<br />

mit und ohne Kohlensäure ist dort im<br />

Menüpreis bereits inbegriffen.<br />

Michael Schröder war bis 2<strong>01</strong>4<br />

stellvertretender Chefredakteur<br />

und Politikchef des Mannheimer<br />

Morgen. Er schreibt seit vielen<br />

Jahren regelmäßig über das Thema<br />

Essen und Trinken und ist Herausgeber<br />

von Büchern zu kulinarischen Themen.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

36<br />

37


REPORTAGE<br />

PALAZZO<br />

Artistik<br />

am Herd<br />

Bereits zum 15. Mal umrahmt ein Vier-Gang-Gourmetmenü<br />

von Sternekoch Harald Wohlfahrt die erfolgreiche Dinnershow<br />

im Palazzo Mannheim. Als Garanten für den <strong>Genuss</strong> auf höchstem<br />

Niveau stehen neben der perfekten Vorbereitung harte,<br />

engagierte Arbeit, zuverlässige Lieferanten und viel Kreativität.<br />

Text: Rolf Kienle – Fotos: Christoph Blüthner<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

38<br />

39


REPORTAGE<br />

PALAZZO<br />

lich für das kulinarische Konzept des Palazzo<br />

Mannheim. Wohlfahrt legt das Vier-Gänge-<br />

Menü fest und geht es lange vor der Premiere<br />

detailliert mit Christian Adam durch.<br />

115 SPIELTAGE AM STÜCK<br />

„Man muss<br />

Struktur<br />

reinbringen,<br />

sonst<br />

funktioniert<br />

das nicht.“<br />

Küchenchef Christian Adam<br />

fühlt sich wohl in seinem Reich<br />

Qualität und schließlich auch die Menge<br />

der Zutaten verlangen nach einer intelligenten<br />

Logistik. Um ein Beispiel zu nennen:<br />

Die zwölf Tonnen Entenbrust und acht Tonnen<br />

Fisch und Meeresfrüchte, die zwischen<br />

November und März gebraucht werden,<br />

müssen in einer gleichbleibend hohen Qualität<br />

auf den Tisch kommen. Unterschiede<br />

darf es nicht geben. „Die Barbarie-Ente ist<br />

ein Top-Produkt aus Frankreich. Wir erhalten<br />

sie von Transgourmet“, erfahren wir. Frühzeitig<br />

muss Christian Adam mit den Zulieferern<br />

sprechen und Ware bestellen. Bei der Premium-Linie<br />

Qualité de Paris von Transgourmet<br />

fühlt er sich bestens aufgehoben.<br />

Harald Wohlfahrt zählt auch für den Küchenchef<br />

des Palazzo zu den großen Vorbildern<br />

der Branche. „Es ist eine Ehre, mit ihm<br />

zu arbeiten“, schwärmt Adam. Man spüre<br />

die Leidenschaft, mit der Wohlfahrt an seine<br />

Arbeit gehe. Das mache dann natürlich<br />

umso mehr Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten.<br />

Christian Adam ist seit 2<strong>01</strong>2 dabei,<br />

und es sieht so aus, als würde er dem Palazzo<br />

Mannheim weiterhin treu bleiben.<br />

460 BIS 480 MENÜS PRO ABEND<br />

12 T ENTENBRUST UND<br />

8 T FISCH & MEERESFRÜCHTE<br />

IN FÜNF MONATEN<br />

Die Küchencontainer, die dem Palazzo-Zelt<br />

eher unauffällig angegliedert wurden, sind<br />

mit moderner Küchentechnik ausgestattet:<br />

„Sous-vide“-Garer und Kombigeräte,<br />

alles das, was die Sterne-Küche andernorts<br />

auch aufbieten muss. Convenience und vorgefertigte<br />

Lebensmittel müssen draußen<br />

bleiben. Auch Hühnerfonds oder Trüffel soße<br />

sind hausgemacht. Und wenn zwei der Köche<br />

täglich Topfenknödel formen, kommt<br />

sowohl handwerklich als auch rechnerisch<br />

richtig was zusammen: 1.000 Knödel formen<br />

sie jeden Tag, das sind im Monat 24.000 oder<br />

in der ganzen Spielzeit über 100.000 Stück.<br />

„Ob das nervig sei“, fragt man automatisch.<br />

„Nein, überhaupt nicht. In zwei Stunden ist<br />

das erledigt, inklusive Vorbereitung.“ »<br />

Das Reich von Küchenchef Christian<br />

Adam in den Küchencontainern des<br />

Spiegelpalasts auf dem Europaplatz<br />

ist weiß, sachlich, nüchtern und zweckmäßig<br />

und bildet einen deutlichen Kontrast<br />

zu dem, was im Saal passiert. Im Jugendstil-<br />

Ambiente des eigens für die Darbietungen<br />

errichteten mobilen Spiegel-Pavillons dominiert<br />

die Glitzerwelt aus Show, Musik,<br />

Artistik, Spaß und natürlich gutem Essen.<br />

Die Dinnershow des Palazzo Mannheim steht<br />

in diesem Winter zum wiederholten Mal für<br />

kulinarische Highlights und ein abwechslungsreiches<br />

Showprogramm.<br />

Ein ganz wesentlicher Teil des Abends<br />

nimmt seinen Anfang lange bevor die Gäste<br />

ihre Plätze einnehmen und „die Kavaliere“<br />

mit Witz und umwerfendem Slapstick<br />

durchs Programm führen. Spätestens um<br />

die Mittagszeit ist die zehnköpfige Truppe<br />

um Christian Adam an Bord. Es sind durchweg<br />

Köche, die schon etwas gesehen haben<br />

von der Welt und beispielsweise in großen<br />

Ferienclubs in Spanien, Tunesien oder Griechenland<br />

am Herd standen. Sie können in<br />

größeren Dimensionen denken und sind gewohnt,<br />

in Teams zu arbeiten.<br />

Und sie können „Druck aushalten“, wie der<br />

Küchenchef sagt. Wir sprechen schließlich<br />

von 115 Spieltagen am Stück. 460 bis 480<br />

Menüs gehen jeden Abend raus, sechsmal<br />

die Woche, jeweils in einem Standard, der<br />

sehr hohen Ansprüchen genügen muss.<br />

Dahinter steht ein Name, der Auftrag und<br />

Pflicht gleichermaßen ist: Harald Wohlfahrt.<br />

Der Drei-Sterne-Koch aus der Baiersbronner<br />

Traube Tonbach, der zu den Besten seiner<br />

Zunft in Deutschland zählt, ist verantwort-<br />

Die Entenbrust ist ein Premium-Produkt<br />

aus dem Transgourmet-Sortiment<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

40<br />

41


REPORTAGE<br />

PASTEURISIERTE EIER<br />

Auch der Service hat im<br />

Palazzo alle Hände voll zu tun<br />

Riad Bourkhis ist charmanter<br />

Servicechef im Palazzo Mannheim<br />

Überhaupt, Organisation ist alles: „Man<br />

muss Struktur reinbringen, sonst funktioniert<br />

das nicht“, erklärt der Küchenchef. Da<br />

helfe auch die größte Portion Talent nicht.<br />

Wer in der Küche nicht mit Disziplin und<br />

Organisation ans Werk gehe, werde keinen<br />

Erfolg haben. Das ist auch im Palazzo so,<br />

zumal es nicht bei den 460 bis 480 Menüs<br />

pro Abend bleibt. Im Saluto, einem Bereich,<br />

der für Veranstaltungen vor der Dinnershow<br />

gebucht werden kann, wird zum Beispiel Fingerfood<br />

angeboten. Aufwendiger wird’s zudem,<br />

wenn Gäste vorab Unverträglichkeiten<br />

oder Allergien anmelden oder vegetarisch<br />

oder vegan essen wollen. Alles machbar,<br />

aber es kostet zusätzliche Manpower. Zwei<br />

Köche stehen dafür am Posten.<br />

Alle Gerichte tragen die Handschrift Harald<br />

Wohlfahrts. Er verwendet Produkte der<br />

Saison, garantiert Frische und volles Aroma.<br />

Zu den aktuellen Kompositionen gehören<br />

beispielsweise als Vorspeise eine mild<br />

geräucherte Eismeerforelle auf Ananas-<br />

Mango-Chutney und Thai-Vinaigrette. Der<br />

Zwischengang mit der Timbale von Zandermousseline<br />

und Jakobsmuscheln mit Krabbenbrot-Chip<br />

und rotem Thai-Curryschaum<br />

stimmt dann perfekt auf die lackierte<br />

Entenbrust mit Tannenhonig, schwarzem<br />

Pfeffer, karamellisiertem Rotkohl, Topfenknödeln<br />

und Kardamomsoße ein.<br />

PEGGYS geben dem Ei neue Perspektiven.<br />

Natürlich und sicher.<br />

• Pasteurisierte Eier aus deutscher Bodenhaltung<br />

• Flüssig, hygienisch und lebensmittelsicher<br />

• Für Personen, für die eine sichere Ernährung besonders<br />

wichtig ist – vom Kleinkind bis zum älteren Menschen<br />

Der Palazzo Mannheim ist mit rund 400.000<br />

Besuchern in seiner Laufzeit nach Angaben<br />

der Veranstalter die erfolgreichste Dinnershow<br />

Deutschlands. Zu diesem Erfolg haben<br />

neben den Aktiven auch zuverlässige Lieferanten<br />

wie Transgourmet beigetragen. •<br />

Mit PEGGYS können Eier endlich wieder ohne Einschränkung angeboten<br />

werden – vor allem weichgekochte Eier und Spiegeleier mit weichem Dotter.<br />

Entdecken Sie alle Vorteile und Informationen im<br />

PEGGYS Film auf www.peggys.de<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

42<br />

EIPRO-Vermarktung GmbH & Co. KG<br />

Tel. +49 (0)44 42/9 45-1 · www.eipro.de


REPORTAGE<br />

TRANSGOURMET CONTACT CENTER<br />

Lukas Schwindt, verantwortlich für<br />

Organisation, Personal und Qualitätsmanagement<br />

mit Projektleiterin Dana<br />

Ratschke<br />

Anfragen. Ihre Arbeitsplätze sind hochmodern<br />

eingerichtet, Telefon, Email und Fax<br />

sind selbstverständlich, auch innovative<br />

Kommunikationskanäle wie „Webchat“ und<br />

„WhatsApp“ stehen den Kunden offen. Soziale<br />

Netzwerke wie „Facebook“ und „Twitter“<br />

halten ebenfalls Kontakt zu Mitarbeitern<br />

und Kunden.<br />

Freundliche und kompetente<br />

Betreuung an 365 Tagen im Jahr<br />

Es lebe die<br />

Revolution<br />

Visionäres Denken wird im<br />

Berliner Transgourmet Contact<br />

Center ganz großgeschrieben.<br />

So groß, dass eine<br />

„revolutionäre“ Bewegung<br />

entstanden ist, die den ganzen<br />

Unternehmensbereich<br />

beflügelt hat.<br />

Text: Bernd Müller – Fotos: Daniela Haug<br />

Schon der Empfang im Transgourmet Contact<br />

Center ist visionär. Bereits beim Eintritt<br />

in das einladend-designte, lichtdurchflutete<br />

Ambiente, das viel eher an die Rezeption<br />

eines Boutiquehotels als an eine konventionelle<br />

Anmeldung erinnert, wird der<br />

Besucher vom „revolutionären“ Geist begrüßt,<br />

der durch das junge Callcenter weht.<br />

Als kraftvolle Faust, die sich um den Telefonhörer<br />

schließt, streckt sich dieser Geist dem<br />

Besucher auch auf dem T-Shirt von Lukas<br />

Schwindt entgegen, einem der „Revolutionsführer“<br />

im Transgourmet Contact Center und<br />

verantwortlich für Organisation, Personal<br />

und Qualitätsmanagement.<br />

Das Transgourmet Contact Center ist die<br />

Kommunikationsschnittstelle der großen,<br />

weiten Transgourmet-Welt. Die Anforderungen<br />

an die über 150 Mitarbeiter in Berlin sind<br />

hoch. Rund um die Uhr und an 365 Tagen<br />

im Jahr nehmen sie Bestellungen aus dem<br />

15.000 Artikel umfassenden Produktkatalog<br />

entgegen und speisen sie blitzschnell<br />

ins Warenwirtschaftssystem ein, kümmern<br />

sich kompetent um Reklamationen und geben<br />

Antwort auf die unterschiedlichsten<br />

Das Transgourmet Contact Center ist einst<br />

unter der Prämisse gestartet, eine große<br />

zentrale Einheit aufzubauen, mit standardisierten,<br />

national einheitlichen Prozessen und<br />

hoher Kosteneffizienz. Die neue Führungsmannschaft<br />

um Leiter Joachim Priessnitz<br />

hatte ihre Intention folgendermaßen formuliert:<br />

„Wenn wir individuelle Kundenbetreuung,<br />

Top-Beratung, kurze Wartezeiten<br />

und schnellen, freundlichen Service wollen,<br />

dann müssen wir unseren Fokus konsequent<br />

auf Qualität legen. Dann müssen wir unseren<br />

Mitarbeitern und Kunden ein Angebot<br />

machen, dass sie nirgendwo anders finden.“<br />

Doch wie lässt sich eine solche Vision auf die<br />

eingefahrenen Arbeitsabläufe üblicher Callcenter<br />

übertragen?<br />

Die gesamte Führungsmannschaft, allen voran<br />

Leiter Joachim Priessnitz, nimmt sich vor,<br />

den Callcenter-Markt aufzumischen. Von<br />

nun an werden sämtliche Regeln und Standards,<br />

die in der Branche gelten, hinterfragt<br />

und auf den Prüfstand gestellt. Der innovative<br />

Geist beflügelt die Mitarbeiter. Sie bringen<br />

sich zunächst zurückhaltend, dann immer<br />

motivierter in den Prozess ein. Eine „revolutionäre“<br />

Bewegung entsteht, deren Mitglieder<br />

sich zu einem intelligenten Schwarm fügen,<br />

der sich aus eigenständigen Individuen zusammensetzt<br />

und doch ein gemeinsames<br />

Ziel verfolgt. Die „Revolution“ ist nicht mehr<br />

aufzuhalten.<br />

„Alle sagten ständig das geht nicht, bis einer<br />

kam, der das nicht wusste und einfach tat.“<br />

Das Zitat im Eingangsbereich des Transgourmet<br />

Contact Centers wird zum Leitmotiv des<br />

Handelns. Keine Idee wird ungeprüft verworfen,<br />

egal wie unorthodox oder unrealistisch<br />

sie auf den ersten Blick erscheint. Eine davon<br />

lautet: Können wir unseren Mitarbeitern<br />

helfen, Berufs- und Familienleben besser zu<br />

vereinbaren, indem wir uns dem Audit Beruf<br />

und Familie stellen? Bereits die Vorstellung,<br />

die teils harten Vorgaben der Auditoren in<br />

einer Callcenter-Umgebung umzusetzen,<br />

ist eigentlich absurd. Was für große Unternehmen<br />

und Ministerien machbar ist, erscheint<br />

für ein rund um die Uhr arbeitendes<br />

Callcenter mit Schichtdienst und flexiblen<br />

Arbeitszeiten unmöglich. Dana Ratschke,<br />

frisch zur Projektleiterin gekürt, lässt sich<br />

von der offensichtlichen Unmöglichkeit<br />

nicht entmutigen. Stattdessen folgt sie dem<br />

Unternehmensleitsatz und „macht einfach“.<br />

Zusammen mit einer engagierten Auditorin<br />

legt sie die Ziele fest, stellt gewohnte Arbeitsabläufe<br />

auf den Kopf, erbringt die notwendigen<br />

Nachweise und erhöht mittendrin<br />

sogar freiwillig die Zielvorgaben. Am Ende<br />

schafft das Team das scheinbar Unmögliche:<br />

Im August 2<strong>01</strong>2 wird das Transgourmet Contact<br />

Center als erstes Callcenter vom Familienministerium<br />

durch das Audit „Beruf und<br />

Familie“ zertifiziert. Verdiente Lorbeeren, auf<br />

denen man sich aber nicht lange ausruhen<br />

kann. Alle drei Jahre muss aufwendig rezertifiziert<br />

werden. Aber selbstverständlich hat<br />

es das Team um Dana Ratschke auch im vergangenen<br />

Jahr geschafft. »<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

44<br />

45


REPORTAGE<br />

TRANSGOURMET CONTACT CENTER<br />

dem neuesten Stand. Jeder Mitarbeiter wird<br />

in Theorie und Praxis kontinuierlich geschult<br />

und gefördert. Das reicht von individuellen<br />

Kompetenzanalysen über intensive Kommunikationstrainings<br />

bis zur Schulung von<br />

Warenwirtschaft und Wissensmanagement.<br />

Alle Mitarbeiter im Transgourmet<br />

Contact Center werden<br />

kontinuierlich geschult<br />

Dana Ratschke sorgt für die<br />

Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

Was Verantwortungsbewusstsein, visionäres<br />

Denken und Durchhaltevermögen für die<br />

Attraktivität eines Unternehmens bewirken<br />

können, zeigt uns Lukas Schwindt auf einem<br />

Rundgang durch das Center. Hier wurde ein<br />

modernes Umfeld geschaffen, in dem man<br />

konzentriert arbeiten und sich gleichzeitig<br />

wohlfühlen kann. Statt die üblichen Trennwände<br />

einzuziehen, hat man durch ein ausgefeiltes<br />

Akustikkonzept eine viel angenehmere<br />

Arbeitsatmosphäre geschaffen. Die<br />

locker im Raum verteilten Arbeitstische sind<br />

nach dem „Desksharing“-Prinzip einheitlich<br />

ausgestattet und werden von den Mitarbeitern<br />

flexibel genutzt.<br />

Einer von ihnen nimmt in diesem Moment<br />

eine ungewöhnliche Bestellung auf. Der<br />

Anruf kommt von einem Flusskreuzfahrt-<br />

Schiff, das am nächsten Tag zu einer ganz<br />

bestimmten Uhrzeit an einem ganz bestimmten<br />

Liegeplatz festmacht und dort<br />

seine Warenlieferung übernehmen möchte.<br />

„Das sind logistische Herausforderungen,<br />

die man nicht mit Standardlösungen bedienen<br />

kann“, erklärt Lukas Schwindt „Dafür<br />

setzen wir spezielle Teams ein, die die individuellen<br />

Bedürfnisse dieser Kunden ganz<br />

genau kennen.“<br />

Modernste Software zur Anrufunterstützung<br />

ermöglicht schnelles Reagieren, regelmäßige<br />

Trendanalysen optimieren ständig<br />

die Performance. Aber nicht nur technologisch<br />

ist das Transgourmet Contact Center auf<br />

Die „Revolution“ hinterlässt ihre Spuren. Die<br />

visionären Ideen und ihre konsequente Umsetzung<br />

bleiben der Branche nicht verborgen.<br />

Auf die Auszeichnungen „Bestes Call<br />

Center Deutschlands“, „Global Call Center of<br />

the Year“ und vor allem den begehrten „CCVT<br />

Quality Award 2<strong>01</strong>2“ ist die Mannschaft des<br />

Transgourmet Contact Centers ganz besonders<br />

stolz.<br />

Von Kind und Küche bis<br />

Schrill und Chill<br />

Die eigene Kompetenz, der Spaß an der Arbeit<br />

und die Bestätigung von innen und<br />

außen schweißen zusammen, machen aus<br />

den Mitarbeitern ein hochmotiviertes Team.<br />

Auch, wenn es manchmal stressig wird. Jeder<br />

Mensch geht mit Stress anders um. Manche<br />

brauchen einen Raum, um sich auszutoben<br />

und abzureagieren. Sie haben ihn bekommen.<br />

Wer will, nimmt sich jetzt eine kleine<br />

Auszeit im „Schrill“, schnappt sich einen<br />

Controller für die „Wii“ und trainiert damit<br />

für die teamübergreifenden Tennis-Meisterschaften.<br />

Oder quatscht mit Kollegen, hört<br />

Musik oder telefoniert, immer stilsicher umgeben<br />

von knallbuntem Graffiti.<br />

Wer stattdessen Ruhe sucht, um in der Pause<br />

neue Energie zu tanken, der zieht sich in<br />

die „Chill“-Zone zurück. In diesem Raum<br />

der Stille kann man sich entspannt in einen<br />

der Liegesessel sinken lassen, zu Obst oder<br />

Tee greifen, einfach nur träumen oder sich<br />

im exklusiven Shiatsu-Massagesessel die<br />

verspannten Muskeln lockern lassen. Doch<br />

was macht man, wenn man mit seinem Kind<br />

morgens vor der überraschend geschlossenen<br />

Kita steht? Das liebevoll mit Spielen und<br />

Ingo Gäbler, Trainer der Transgourmet Seafood<br />

Akademie, stellt eine neue Produktlinie vor<br />

Plüschtieren ausgestattete Kinderzimmer im<br />

Transgourmet Contact Center hält die Antwort<br />

bereit. „Man nimmt viel Druck von den<br />

Mitarbeitern“, erklärt Dana Ratschke, „wenn<br />

sie wissen, dass sie ihr Kind im Zweifel spontan<br />

mit zur Arbeit bringen können. Das geht<br />

hier völlig unbürokratisch.“ Im Team werden<br />

die Aufgaben dann anders verteilt. Wenn<br />

sie wollen, können die Mütter und Väter am<br />

komplett ausgestatteten Arbeitsplatz im<br />

Kinderzimmer leichte administrative Aufgaben<br />

übernehmen, während sie sich um ihre<br />

Kinder kümmern. Aber auch das ist nur ein<br />

Angebot, kein Muss. Die Eltern können sich<br />

auch ausschließlich der temporären Betreuung<br />

ihres Nachwuchses widmen.<br />

Im angrenzenden Seminarraum entdecken<br />

wir zwei gute Bekannte aus Bremerhaven.<br />

Thomas Schaub und Ingo Gäbler, Leiter und<br />

Trainer der Transgourmet Seafood Akademie,<br />

sind heute morgen zu einer Schulung an-<br />

gereist. Mit der Akademie in Bremerhaven<br />

besteht seit Jahren eine enge Zusammenarbeit,<br />

und man besucht sich gegenseitig<br />

zu Seminaren, Produktvorstellungen, Betriebsbesichtigungen<br />

und Verkostungen.<br />

Letzere steht heute ebenfalls auf dem Programm,<br />

gleich wird Profikoch Ingo Gäbler in<br />

der hochmodernen Küche des Transgourmet<br />

Contact Centers eine ganze Palette an maritimen<br />

Kostproben servieren, um dem theoretischen<br />

Teil die kulinarische Praxis folgen<br />

zu lassen. „Die Leute hier müssen die neuen<br />

Produkte nicht nur sehen“, erklärt Thomas<br />

Schaub. „Sie müssen sie auch schmecken.“<br />

Nur so werden sie später auch eine Geschmackserinnerung<br />

ans Produkt behalten.<br />

Zurück im Empfangsbereich verabschieden<br />

wir uns mit einer letzten Frage: „Welches Ziel<br />

haben sich die ‚Revolutionäre‘ eigentlich für<br />

2<strong>01</strong>6 gesetzt?“ „In diesem Jahr“, teilt uns<br />

Lukas Schwindt mit, „will das Transgourmet<br />

Contact Center das kundenorientierteste Unternehmen<br />

Deutschlands sein.“ Keine leichte<br />

Aufgabe, das ist klar. Aber, „die werden das<br />

einfach machen.“ •<br />

Immer up-to-date:<br />

eine Seminarteilnehmerin<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

46<br />

47


SEAFOOD<br />

SEAFOOD<br />

Trainieren mit<br />

einem Star<br />

Branchenexperten aus der Fischwirtschaft haben<br />

gewählt, geprüft und entschieden:<br />

Der begehrte Seafood Star 2<strong>01</strong>6 für die beste<br />

überbetriebliche Seafood-Schulung geht an die<br />

Transgourmet Seafood Akademie in Bremerhaven.<br />

Text: Bernd Müller – Fotos: Daniela Haug<br />

Während draußen ein eiskalter<br />

Januarwind die dicken Schneeflocken<br />

über die Straße fegt,<br />

herrscht im wohltemperierten Schulungsraum<br />

bei Transgourmet Seafood konzentrierte<br />

Stille. Fünfundzwanzig Abteilungsleiter<br />

und Fischfachverkäufer aus Cash & Carry-<br />

Märkten beugen sich gespannt über die Teller,<br />

die Ingo Gäbler, kreativer Küchenmeister<br />

und professioneller Akademie-Trainer, vor<br />

ihnen platziert hat.<br />

Je drei Reihen mit insgesamt acht Räucherlachs-Proben<br />

sollen sensorisch geprüft und<br />

bewertet werden. Keine leichte Aufgabe:<br />

Der Lachs ist mal von allerhöchster, mal von<br />

guter, mal von nur durchschnittlicher Qualität.<br />

Er stammt aus Irland, Norwegen, Dänemark<br />

oder Alaska, ist mal kalt, mal heiß<br />

geräuchert, wurde entweder von Hand, mit<br />

Injektionsnadeln oder im Kombinationsverfahren<br />

gesalzen, präsentiert sich mal ölig,<br />

mal trocken, zeigt sich angenehm bissfest<br />

oder fällt schon bei der ersten Berührung<br />

komplett auseinander.<br />

Verkostung verschiedener<br />

Räucherlachs-Qualitäten<br />

In der vierten Probe, einem norwegischen<br />

Zuchtlachs aus biologischer Aquakultur, der<br />

in einem kleinen Bremerhavener Familienbetrieb<br />

über Buchenholz geräuchert wurde,<br />

fällt den Seminarteilnehmern ein leicht<br />

bitterer Unterton auf. „Das ist eigentlich ein<br />

qualitativ hochwertiges Produkt, da darf so<br />

ein Fehlton nicht passieren“, kritisiert Ralf<br />

Forner, der charismatische Geschäftsleiter<br />

von Transgourmet Seafood. „Das lasse ich sofort<br />

überprüfen!“<br />

Wer könnte einem Seminarteilnehmer mehr<br />

über Fisch erzählen als jemand, dem man<br />

absolut nichts mehr über Fisch erzählen<br />

kann? Auf einer Nordseeinsel aufgewachsen<br />

und seit über 28 Jahren in der Fischbranche<br />

und im Foodservice aktiv, gilt Ralf Forner<br />

heute als Koryphäe im Handel mit frischen<br />

Fischen. Seine kompromisslose Haltung zu<br />

Qualität und Frische, sein Herz für Nachhaltigkeit,<br />

sein reicher Wissensschatz und<br />

nicht zuletzt sein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein<br />

gaben vor acht Jahren den<br />

Ausschlag, die Bremerhavener Transgourmet<br />

Seafood Akademie zu gründen.<br />

Mit einer eigenen Akademie für Fisch und<br />

Seafood war man damals in Deutschland<br />

einzigartig, und in dieser Form findet man<br />

solch eine breit aufgestellte Akademie andernorts<br />

auch heute nicht. Von der Qualität<br />

der Schulungen, Seminare und Workshops<br />

ganz zu schweigen.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

48<br />

49<br />

»<br />

Fisch ist seine Leidenschaft:<br />

Ralf Forner, Geschäftsleiter<br />

von Transgourmet Seafood


SEAFOOD<br />

SEAFOOD<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

50<br />

51


SEAFOOD<br />

SEAFOOD<br />

Leuchtend hellrote Kiemen,<br />

eines der wichtigsten Merkmale<br />

von frischem Fisch<br />

Das Kompetenz-Zentrum verfügt nicht nur<br />

über einen großzügigen Schulungsraum,<br />

sondern auch über einen modernen, hervorragend<br />

ausgestatteten Küchenbereich.<br />

Hier stehen den Teilnehmern vom Konvektomaten<br />

über Fritteusen und Kochinseln<br />

bis hin zur Griddleplatte und einem eigenen<br />

Räucherofen alles zur Verfügung, was man<br />

zur professionellen Fisch- und Seafood-<br />

Schulung braucht.<br />

beim Aufbau von Fischtheken mit an, unterstützen<br />

bei Sortimentsanalysen, der Erstellung<br />

von Speiseplänen und entwickeln<br />

eigene Produkte.“<br />

Die aus ganz Deutschland angereisten Abteilungsleiter<br />

und Fisch-Fachverkäufer, die sich<br />

an diesem kalten Wintertag in Bremerhaven<br />

versammelt haben, sind keine Anfänger,<br />

viele von ihnen sind Wiederholungstäter. Sie<br />

wissen, was sie hier erwartet. Oder besser:<br />

Sie glauben es zu wissen. Was die Teilnehmer<br />

in diesem Seminar erleben werden, ist mehr<br />

als das übliche Training on the Job. Es ist ein<br />

Experiment.<br />

Als das Programm für die kommenden Tage<br />

bekannt gegeben wird, zuckt es hier und<br />

da in den Gesichtern. „Es werden drei harte<br />

Tage“, kündigt Ralf Forner der Gruppe<br />

an. „Und Sie alle werden sehr wenig Schlaf<br />

bekommen. Aber dafür werden Sie sehr<br />

viel lernen.“ Zwar wird der allererste Seminartag<br />

mit einem entspannten maritimen<br />

Dinner auf dem Segelschulungsschiff Seute<br />

Deern ausklingen, aber auf den ursprünglich<br />

geplanten, anschließenden Besuch der<br />

berühmt-berüchtigten „letzten Kneipe vor<br />

New York“ im Restaurant Treffpunkt Kaiserhafen<br />

müssen die Teilnehmer aus gutem<br />

Grund verzichten. Denn schon frühmorgens<br />

um fünf Uhr steht ein Bus vor dem Hotel<br />

bereit, um die gesamte Gruppe in einen Oldenburger<br />

Cash & Carry-Markt zu bringen.<br />

Hier werden die Seminarteilnehmer zeigen<br />

können, ob sie das, was sie am ersten Seminartag<br />

gelernt haben, auch in der Praxis<br />

umsetzen können.<br />

Zunächst heißt es, eine komplette Fischtheke<br />

aufzubauen. „Und zwar“, so wünscht<br />

es Ralf Forner, „die schönste, die Oldenburg<br />

je gesehen hat.“ Und als ob dieser Anspruch<br />

nicht schon hoch genug wäre, hat er ein<br />

paar Fische in die Lieferung geschmuggelt,<br />

die den qualitätsgeschulten Blicken der Seminarteilnehmer<br />

nicht entgehen und die<br />

Wareneingangsprüfung nicht unreklamiert<br />

passieren dürften. Das Trainerteam steht<br />

schon bereit, um das Ergebnis und die kompromisslose<br />

Qualität des Angebots penibel<br />

zu überprüfen.<br />

Akademieleiter Thomas<br />

Schaub (rechts) in Aktion<br />

Viele Menschen lieben Fisch<br />

Zusammen mit Thomas Schaub, dem Mitbegründer<br />

und heutigem Leiter der Akademie,<br />

mit Küchenchef und Trainer Ingo<br />

Gäbler, Einkaufsleiter Arnd Huber, Nachhaltigkeits-Manager<br />

Jürgen Bergmann und<br />

der Unterstützung durch Stefanie Nienaber,<br />

dem Organisationstalent aus dem Sekretariat,<br />

plant die Akademie allein in diesem Jahr<br />

60 Seminare, Schulungen und Workshops<br />

für rund 1.100 Teilnehmer.<br />

„Im Prinzip bestimmen die Kunden das Programm,<br />

auch wenn es dann gemeinsam mit<br />

uns entwickelt wird“, erklärt Akademieleiter<br />

Thomas Schaub. „Als Akademie sind wir extrem<br />

vielseitig, nicht nur was das Programm<br />

unserer Seminare angeht. Unsere Experten<br />

begleiten und beraten Kunden aus Hotellerie,<br />

Gastronomie, GV und Cash & Carry,<br />

schulen deren Mitarbeiter vor Ort, packen<br />

Schließlich muss die Gruppe beweisen, dass<br />

sie mit den aus Bremerhaven angelieferten<br />

Produkten nicht nur ein attraktives Frischfisch-<br />

und Seafood-Angebot präsentieren,<br />

sondern es auch verkaufen kann. Bis in den<br />

Nachmittag hinein werden die Seminarteilnehmer<br />

Kunden ansprechen, beraten<br />

und animieren. Sie werden ihr ganzes Wissen,<br />

ihre Begeisterung und auch ihre Leidenschaft<br />

für Fisch benötigen, „um“, wie<br />

es Geschäftsleiter Ralf Forner augenzwinkernd<br />

verlangt, „mit ihrer Fischtheke einen<br />

Umsatz zu erzielen, der alle bisherigen Verkaufsrekorde<br />

in den Schatten stellt.“<br />

Hochmotiviert macht sich die Gruppe an die<br />

Arbeit. Begleitet vom Trainerteam und einer<br />

Kamera, werden sie unablässig mit Tipps,<br />

Tricks und guten Ratschlägen versorgt. Jeder<br />

Schritt wird notiert, jeder Handgriff dokumentiert.<br />

Filetieren und mehr:<br />

»<br />

Praxis Warenkunde<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

52<br />

53<br />

Sascha Lucht, Leiter der<br />

Qualitätssicherung, demonstriert,<br />

woran man frischen Fisch<br />

erkennt


SEAFOOD<br />

Trainer Ingo Gäbler (vorn) bereitet<br />

eine Verkostungsaktion vor<br />

SEAFOOD<br />

Highlight des Jahres 2<strong>01</strong>6:<br />

der begehrte Seafood Star<br />

Zurück in der Akademie unterstützt die<br />

umfangreiche Dokumentation alle Teilnehmer,<br />

ihre ganz persönlichen Erfahrungen<br />

während des Trainingstages aus einer neutraleren<br />

Perspektive zu bewerten. Gemeinsam<br />

bespricht man anschließend, was gut<br />

gelaufen und was optimierungsbedürftig<br />

ist. Diese Einsichten werden jeden einzelnen<br />

Teilnehmer nicht nur in den nächsten Tag,<br />

sondern auch später in den eigenen Verantwortungsbereich<br />

begleiten. Am Ende des<br />

langen Tages ist die Gruppe erschöpft, doch<br />

für eine Küchenparty scheint noch genügend<br />

Energie vorhanden zu sein. Alles, was<br />

in Oldenburg keine Abnehmer gefunden<br />

hat, wird unter der Regie von Küchenchef<br />

Ingo Gäbler geschuppt, geputzt, gegrillt,<br />

gedünstet und gebraten und mit großem<br />

<strong>Genuss</strong> verzehrt. Auch das kulinarische Vergnügen<br />

gehört zur Praxis.<br />

Maritimes Wahr- und Windzeichen<br />

von Bremerhaven, der Semaphor<br />

Das Schneetreiben hat nachgelassen. Müde,<br />

aber bereichert spazieren die ersten Teilnehmer<br />

durch den erleuchteten Hafen zurück<br />

ins Hotel. Es war ein herausfordernder,<br />

aber auch erlebnisreicher Seminartag. Auf<br />

das, was sie während dieser ausgefüllten<br />

Stunden gelernt und geleistet haben, kön-<br />

nen sie zurecht stolz sein. Und das auch aus<br />

einem weiteren Grund. Denn der Award, der der<br />

Transgourmet Seafood Akademie am 14. Februar<br />

2<strong>01</strong>6 verliehen wurde, ist nicht nur eine Bestätigung<br />

für das gesamte Team der Akademie,<br />

für ihr Engagement, ihre Ideen, ihre Kreativität,<br />

ihre Offenheit für neue Konzepte und ungewöhnliche<br />

Experimente. Er ist auch eine Auszeichnung<br />

für die hochmotivierten Teilnehmer,<br />

ohne die es die Transgourmet Seafood Akademie<br />

nicht geben würde. •<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

54<br />

Das aktuelle Seminarprogramm zu den Themen<br />

Surf & Turf, Seafood, Streetfood, Mediterrane Küche,<br />

Gesundheit & Wellness, Tapas & Mehr finden Sie unter<br />

http://www.tg-seafood.de/index.php/seafood-akademie/<br />

seminare-messen/<br />

Ein Team (v.l.n.r.): Jürgen Bergmann (Manager für Kommunikation und Nachhaltigkeit),<br />

Thomas Schaub (Akademieleiter), Stefanie Nienaber (Sekretariat), Arnd Huber (Einkaufsleitung),<br />

Ingo Gäbler (Trainer) und Geschäftsleiter Ralf Forner<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

55


SEAFOOD<br />

SEAFOOD<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

56<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

57


BUCHTIPPS<br />

BUCHTIPPS<br />

Ins Netz gegangen<br />

Buchtipps von Profis für Profis<br />

Fisch & Co. Vom Grill und aus dem Ofen, H. F. Ullmann Publishing,<br />

144 Seiten, 9,99 Euro<br />

Frischer Fisch aus heimischen Gewässern, Dort-Hagenhausen-Verlag,<br />

208 Seiten, 14,95 €<br />

Autor Valéry Drouet und Food-Fotograf Pierre-Louis Viel beweisen in ihrem Kochbuch<br />

ihr Faible für ausgefallene, nicht alltägliche Fisch-Rezepte. Das Buch startet mit „Sauce<br />

Tartare“ über „Rouille“ bis hin zu „Krustentierbisque“ und „Weißweinsud“ mit Querverweisen<br />

zu den jeweils passenden Fischen und widmet sich schließlich in über 60<br />

Rezepten dem Thema Fisch, Muscheln und Krustentieren, zunächst vom Grill, anschließend<br />

aus dem Ofen. Die Rezepte zeichnen sich durch originelle Zutaten und innovative<br />

Zubereitungsmöglichkeiten aus.<br />

Auf rund 200 Seiten bietet die Kochbuch-Expertin Marlisa Szwillus mehr als nur ein<br />

einfaches Fischkochbuch. Das in Zusammenarbeit mit dem Landesfischereiverband Bayern<br />

entstandene Buch enthält mehr als 100 regionaltypische Rezepte. Ergänzt werden<br />

die leicht nachkochbaren Rezepte durch illustrierte Porträts der wichtigsten heimischen<br />

Süß- und Salzwasserfische. Dazu gibt es informative Beiträge und unterhaltsame Geschichten<br />

rund um den Fisch, die interessante Einblicke in die Welt der Fischer geben.<br />

Abgerundet wird das Kochbuch durch eine Warenkunde und Tipps für die Küchenpraxis.<br />

Räuchern & Grillen von Fischen, Kosmos Verlag, 80 Seiten, 9,95 €<br />

Freitags Fisch, Umschau Verlag, 256 Seiten, 29,90 €<br />

Egal, ob das Veredeln von Fischen im Rauch stattfindet, heiß- oder kaltgeräuchert, ob<br />

Profigerät oder Ofen der Marke Eigenbau: Eine entscheidende Rolle spielt die Behandlung<br />

des Fisches vor dem Räuchern. Das Buch führt den Leser Schritt für Schritt in die<br />

Geschichte des Räucherns ein und erklärt in einfachen Schritten sowohl das Nass- als<br />

auch das Trockenräuchern. Nach einem kurzen Ausflug zu den Räucherkuriositäten, wird<br />

auch noch das perfekte Grillen von Fisch beschrieben. Ein informativ und hilfreiches<br />

Lehrbuch für kleines Geld.<br />

Zander, Karpfen, Aal, Flusskrebse: Eine erstaunliche Vielfalt an Fischen tummelt sich in<br />

deutschen Seen, Teichen und Flüssen und doch landet auf den Tellern der Fischesser<br />

oft geschmacksneutrale Importware. Jetzt rücken die heimischen Köstlichkeiten endlich<br />

in den Mittelpunkt! Harald Rüssel führt in die Welt des Angelns und der deutschen<br />

Süßwasserfische ein, erläutert Grundtechniken, Aufbewahrung und passende Gewürze.<br />

Frisch aus den regionalen Gewässern kommt der Fisch dann mit der passenden Soße<br />

und Beilagen auf den Tisch, abgestimmt auf die Jahreszeiten.<br />

Das große Buch vom Fisch, Teubner Verlag, 320 Seiten, 29,99 €<br />

Weber’s Seafood, Gräfe und Unzer Verlag, 144 Seiten, 14,99 €<br />

Fisch ist nicht nur ein gesundes Produkt, er setzt vor allem ein gewisses Know-how<br />

voraus. Das Standardwerk führt Step by Step durch die Kunst, mit den unterschiedlichsten<br />

Fischen in der Küche zu arbeiten: Fisch ausnehmen, filetieren und zubereiten.<br />

Alle wichtigen Informationen zum Thema sind auf dem neuesten wissenschaftlichen und<br />

gastronomischen Stand und machen dieses Buch für ambitionierte Köche und Einsteiger<br />

zu einem unverzichtbaren Nachschlagewerk. Limitierte Sonderausgabe mit neuem<br />

Coverdesign zum Aktionspreis.<br />

Grillexperte Jamie Purviance aus den USA stellt in seinem neuen Buch über 60 Rezepte<br />

aus allen Weltmeeren vor und verrät, wie man ganze Fische, Fischfilets und Spieße<br />

sowie Meeresfrüchte in allen Variationen zubereitet und grillt. Bei seiner Auswahl berücksichtigt<br />

er auch Fische, die nicht so häufig auf dem Grill landen, etwa Seesaibling,<br />

Wolfsbarsch oder Austern. Weitere 40 Rezepte machen Lust auf leckere und abwechslungsreiche<br />

Beilagen, aromatische Marinaden und Gewürzmischungen. Eine ideale Mischung<br />

für die nächste Grillparty.<br />

Die neue Fischkochschule, Christian Verlag, 320 Seiten, 39,99 €<br />

Fisch – Rezepte aus dem Meer, Phaidon by Edel, 312 Seiten, 35 €<br />

In über 150 internationalen Rezepten vom renommierten Fischkoch Tilmann Hahn, Porträts<br />

zu beliebten Fischarten und Meeresfrüchten, Warenkunde sowie Fotos zu Küchenpraxis<br />

wie Filetieren und Entschuppen entdecken Genießer die schmackhafte Welt der<br />

Salz- und Süßwasserfische. Dazu klärt Expertin Nicole Knapstein in verständlichen und<br />

informativen Texten über verantwortungsbewussten Fisch<strong>genuss</strong> auf. Ein umfassendes<br />

Buch zum Thema, das sowohl für anspruchsvolle Hobbyküche als auch für Kochanfänger<br />

geeignet ist.<br />

Ob Lachscarpaccio oder Penne mit Sardellen: Das Buch macht mit seinen mehr als 200<br />

mediterranen Rezepten und den appetitlichen Food-Fotos Lust, die Vielseitigkeit der<br />

Fischküche zu entdecken. Der Aufbau ist übersichtlich und nach den unterschiedlichen<br />

Fischarten und Meeresfrüchten gegliedert. Jedem Fisch ist eine eigene Seite gewidmet,<br />

auf der man Wissenswertes über Herkunft und die gängigsten Zubereitungsarten<br />

erfährt. Die Autoren starten mit weißfleischigen Rundfischen, im Anschluss folgen<br />

weißfleischige Plattfische, danach Fettfische und Süßwasserfische. Das abschließende<br />

Kapitel beschäftigt sich mit Meeresfrüchten.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

58<br />

59


WEINWELT<br />

WEINWELT<br />

Giganten<br />

für den<br />

großen<br />

Durst<br />

In vielen deutschen Weinkellern,<br />

von außen meist unscheinbar,<br />

schlummern Schätze berühmter<br />

Bordeaux-Châteaux und Burgunder-<br />

Domänen, alle von ihren stolzen<br />

Besitzern wohltemperiert zur vorerst<br />

letzten Ruhe gebettet.<br />

Text: Gerd Schenk — Foto: fotolia, Liebherr<br />

Versicherung und die Steuerfahndung, das<br />

sind Dinge, die ein Sammlerherz höherschlagen<br />

lassen – vor Aufregung.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

60<br />

Einträchtig liegen sie nebeneinander,<br />

ganz ordentlich zu Pyramiden aufeinandergestapelt<br />

oder in prächtigen<br />

Holzkisten verpackt. Die Namen klingen<br />

wie bei einem Klassentreffen der biblischen<br />

Geschichte: Jéroboam, Réhoboam, Salmanazar,<br />

Nebukadnezar, Méthusalem und natürlich<br />

Melchior und Balthasar. Auch für nicht<br />

bibelfeste Weinkenner ist das ein sehr erlauchter<br />

Kreis, denn die Heiligen Drei Könige<br />

und auch andere alt- und neutestamentarische<br />

Größen haben riesigen Bouteillen<br />

ihre Namen gegeben.<br />

Sammelleidenschaft habe nichts mit vordergründigem<br />

Besitzerstolz zu tun, hört<br />

man immer wieder aus dem Kreis der Weinschatzbesitzer,<br />

die sich nicht gerne als<br />

solche outen. Der Neid der Nachbarn, die<br />

Denn Wein zu sammeln, ist ein teures und<br />

exklusives Hobby. Und Exklusivität bedeutet<br />

meist auch Ausschluss der Öffentlichkeit.<br />

Man schätzt die Zweisamkeit im Keller, nur<br />

Sammler und Flasche, oder die kleine gesellige<br />

Runde unter Gleichgesinnten. Für viele<br />

Weinbesessene geht es dabei einzig um die<br />

perfekte Reife ihrer edlen Tropfen: Je kleiner<br />

die Flasche, desto schneller altert der<br />

Wein und umgekehrt. Grund genug, sich auf<br />

Großflaschen zu spezialisieren.<br />

Die unterschiedliche Entwicklung eines<br />

Weins in den verschiedenen Flaschengrößen<br />

lässt sich vor allem bei Bordeaux und Burgundern<br />

nachvollziehen: Etliche Weingüter<br />

haben dort schon immer herausragende<br />

Jahrgänge in Bouteillen zwischen 0,5 und<br />

18 Litern abgefüllt. Die biblisch orientierte<br />

Namensgebung für solche Sonderformate<br />

ist allerdings verwirrend und irreführend:<br />

»<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

61


WEINWELT<br />

WEINWELT<br />

In den verschiedenen französischen Anbaugebieten<br />

gibt es für die gleiche Flaschengröße<br />

unterschiedliche Bezeichnungen.<br />

Was in Bordeaux Jéroboam (4,5 bis 5 Liter)<br />

heißt, läuft im Burgund und in der Champagne<br />

unter Réhoboam. Die Jéroboams aus<br />

dem Burgund und der Champagner wiederum<br />

fassen nur drei Liter. Die Sechs-Liter-<br />

Flasche, als Méthusalem im Burgund und in<br />

der Champagne üblich, nennt man auf den<br />

Bordeaux-Châteaux Impériale. Die mit 18 Litern<br />

größte gebräuchliche Bouteille kommt<br />

aus dem Bordelais und wird als Melchior<br />

angeboten – allerdings nur ganz selten. In<br />

der Champagne gibt man sich ungewohnt<br />

bescheiden: Maximal 15 Liter werden dort<br />

in eine Flasche, die Nebukadnezar, gefüllt,<br />

umfangreichere Gebinde sind sehr selten.<br />

Das reicht auf jeden Fall, um eine größere<br />

Gesellschaft mit prickelndem Aperitif zu<br />

versorgen, denn die dickbauchige Bouteille<br />

bietet den Stoff von stattlichen 20 Flaschen.<br />

Während die Magnum (1,5 Liter) und Doppelmagnum<br />

(3 Liter) heute zu den marktgängigeren<br />

Großformaten zählen, haben<br />

die größeren Kaliber (ab 4,5 Liter) Seltenheitswert:<br />

Jéroboams und Méthusalems sind<br />

nicht im Weinladen um die Ecke zu bekommen.<br />

Da gilt es, Jagdinstinkt zu entwickeln<br />

und Ausdauer zu zeigen. Etwas Kleingeld<br />

in der Tasche schadet auch nicht, denn der<br />

Preis dieser exklusiven Bouteillen bestimmt<br />

sich nicht nur am wertvollen Inhalt, sondern<br />

auch am knappen Angebot. Und das<br />

zwingt einen Sammler, selbst bei den kleineren<br />

Großformaten tief ins Portemonnaie<br />

zu greifen. Nicht selten kostet eine Magnumflasche<br />

eines berühmten Erzeugers<br />

zwischen 500 und 1.000 Euro. Bei den noch<br />

selteneren Riesen-Bouteillen (ab Jéroboam)<br />

steigt der Preis exponentiell – wenn es sie<br />

überhaupt gibt.<br />

Der Run auf die Riesenflaschen begann erst<br />

Anfang der 1980er Jahre. Und er hat sich mit<br />

dem zehn Jahre später einsetzenden Bordeaux-Boom<br />

weiter verstärkt. Seitdem füllen<br />

auch immer mehr deutsche Winzer ihre<br />

Spitzenweine in Großflaschen ab, je nach<br />

Weintyp in die Bordeaux- oder Burgunderformate<br />

oder auch in überdimensionierte<br />

Schlegelflaschen. Die schlanke Flaschenform<br />

für Riesling wurde dabei zu einem recht<br />

ansehnlichen Kaliber vergrößert, mit einem<br />

Fassungsvermögen von bis zu sechs Litern.<br />

Die Größe der heiß begehrten Tropfen hingegen<br />

dämpft die Sammelleidenschaft<br />

bei Weinfreaks, die nicht über ausreichend<br />

Lagerkapazität verfügen. In den winzigen<br />

Kellerverschlägen einer Stadtwohnung oder<br />

im Untergeschoss eines Standard-Reihenhauses<br />

lassen sich Méthusalem & Co. kaum<br />

in größerer Stückzahl lagern. Allein die Kiste<br />

einer Melchior hat die Ausmaße eines Kinderpaddelbootes,<br />

kommen dann noch ein<br />

paar Salmanazars und Nebukadnezars hinzu,<br />

geht Stauraum für den Kartoffelvorrat<br />

zweier strenger Winter verloren. Und das<br />

alles wegen ein paar Litern Wein. Aber selbst<br />

wenn genug Platz vorhanden ist, werden<br />

die Probleme nicht kleiner. Regale für die<br />

Riesen-Bouteillen gibt es kaum. Am einfachsten<br />

werden die Giganten übereinandergestapelt<br />

oder lagern einfach und sicher<br />

in ihren Kisten.<br />

Und auch handelsübliche Weinklimaschränke<br />

sind nicht auf Sonderformate ausgelegt,<br />

die meisten Großflaschen können darin allenfalls<br />

quer gelagert werden. Ab Méthusalem<br />

passen sie dann eh nur noch stehend in<br />

den Schrank – wenn die Einlegeböden entfernt<br />

sind. Die einfachste, aber aufwendigste<br />

Lösung: Weißweine und Champagnerflaschen<br />

größeren Kalibers in der mit Eiswasser<br />

gefüllten Badewanne kühlen.<br />

Ist das Problem der Lagerung gelöst, stellt<br />

der Umgang mit den recht unhandlichen<br />

Schätzen die nächste Herausforderung dar:<br />

Wer solchen Riesen in Erwartung großen <strong>Genuss</strong>es<br />

mit dem repräsentativen Designer-<br />

Korkenzieher zu Leibe rückt, ist schnell<br />

mit seinem Latein am Ende. Für die längeren<br />

Korken ist die Spirale oft zu kurz und<br />

bohrt sich nur in den oberen Teil des Korkens,<br />

zudem rutschen die meisten Korkenzieher<br />

an der relativ großen Flaschenöffnung<br />

ab. Einfache Öffner und Muskelkraft<br />

sind das probatere Mittel, den lästigen<br />

Korken aus dem langen, engen Flaschenhals<br />

zu entfernen.<br />

Flaschengrößen<br />

in Bordeaux, Burgund<br />

und in der Champagne<br />

Magnum<br />

Bouteille<br />

Demi<br />

Bouteille<br />

Erheblichen Kraftaufwand erfordert auch<br />

das weitere Handling der Wein-Giganten:<br />

Eine volle Sechs-Liter-Flasche wiegt immerhin<br />

rund zehn Kilogramm, und die wollen<br />

beim Einschenken ins Glas oder beim<br />

Dekantieren erst einmal mit ruhiger Hand<br />

und Augenmaß bewegt werden. Etwas<br />

Übung schadet nicht, denn die relativ kleine<br />

Öffnung der Karaffe oder des Glases muss<br />

schon zielgenau getroffen werden. Für das<br />

Dekantieren von Großflaschen empfiehlt<br />

sich die Anschaffung einer Batterie von<br />

Karaffen, damit der Wein aus der üppigen<br />

Maxi-Bouteille möglichst gleich lange belüftet<br />

wird. Einziger Wermutstropfen: Karaffen<br />

mit einem Fassungsvermögen von sechs<br />

Litern sind zwar am Markt erhältlich, aber<br />

ebenso unhandlich wie Großflaschen. Und<br />

passen natürlich nur schwerlich in die handelsübliche<br />

Spülmaschine.<br />

Wer die schlussendlich leere Méthusalem<br />

oder Balthasar nicht in seine Trophäensammlung<br />

der trotz Hindernissen mit Freude<br />

genossenen Flaschen aufnehmen will<br />

oder – mangels Platz – kann, hat ein letztes,<br />

ganz echtes Problem. Die kommunalen<br />

Glascontainer mit ihren kleinen Öffnungen<br />

verwehren die Rückführung größerer<br />

Flaschen in den Recyclingprozess. •<br />

Nebukadnezar<br />

Impériale<br />

(Bordeaux)<br />

Balthazar<br />

Salmanazar<br />

Méthusalem<br />

(Burgund, Champagne)<br />

Doppelmagnum<br />

Jéroboam<br />

(Bordeaux)<br />

(Bordeaux)<br />

Réhoboam<br />

Jéroboam<br />

(Burgund, Champagne)<br />

Weinklimaschränke temperieren<br />

Ihre Schätzchen immer auf die<br />

richtige Temperatur (hier ein Modell<br />

von Liebherr)<br />

Melchior<br />

(Bordeaux)<br />

0,375 l 0,75 l 1,5 l 3 l 4,5 l 4,5 l / 5l 6 l 9 l 12 l 15 l<br />

18 l<br />

Standard Weinflasche<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16 PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

62<br />

63


GLOSSE<br />

Aber bitte mit<br />

Neu !<br />

Jetzt probieren !<br />

ohne Sahne<br />

Während der Begriff „Erlebnisgastronomie“ ursprünglich<br />

für die konzeptionelle Bespaßung der Gäste im<br />

Restaurant stand, hat sich der Spieß mittlerweile umgedreht.<br />

Heute erfahren Köche und Service immer häufiger,<br />

was es heißt, den Gast leibhaftig zu erleben und<br />

seine zunehmenden Marotten ertragen zu müssen.<br />

Text: Ingo Swoboda<br />

Alles fing relativ harmlos an, als<br />

sich eine zunächst überschaubare<br />

Gästeschar mit teils missionarischem<br />

Eifer von Fleisches- und Fischeslust<br />

verabschiedete, um mit dem Verzehr<br />

von Gemüse, Salat und legendärem Tofu –<br />

ursprünglich ein asiatisches Lebensmittel aus<br />

weißem Sojabohnenteig – gegen Massentierhaltung<br />

und Überfischung der Meere zu<br />

demons trieren. Die Gastronomie reagierte<br />

zunächst gelassen. Vegetarische Gerichte,<br />

meist aufgepeppte Beilagen und aufgeblasene<br />

Salatvariationen ohne Putenbruststreifen,<br />

waren schnell und günstig zu produzieren.<br />

Doch der geschmackliche Anspruch wuchs<br />

mit der Zahl der Gäste, die plötzlich ihre<br />

vegetarische Seite entdeckten und auch<br />

vor der Sternegastronomie nicht Halt<br />

machten. Und wem das eines Tages nicht<br />

mehr ausreichte, der verschrieb sich dem<br />

Veganismus und fing an, alle Nahrungsmittel<br />

tierischen Ursprungs zu meiden. Eine<br />

echte Herausforderung für jetzt zumeist<br />

überforderte Köche. Wer gar in die Königs-<br />

disziplin des Veganismus aufsteigen wollte,<br />

achtete peinlichst genau darauf, dass auch<br />

Kleidung und andere Gegenstände des Alltags<br />

frei von Tierprodukten waren.<br />

Überraschungseffekt<br />

Während die Unterhaltungsindustrie von<br />

diesem Trend nur wenig spürte, tauchten<br />

beispielsweise in der Weinbranche unerwartet<br />

Fragen nach veganen Produkten auf. Die<br />

meisten Winzer waren überrascht, doch bei<br />

der Verwendung von Gelatine, dem Milchprotein<br />

Kasein oder Hühnereiweiß für ihre<br />

Klärmethoden kommen Bestandteile von<br />

toten Tieren zum Einsatz, und deren Verarbeitung<br />

widerspricht dem veganen Gedanken.<br />

Die bewährte Marktwirtschaft regelte<br />

die Nachfrage ziemlich schnell, heute können<br />

Veganer auch in der Spitzengastronomie<br />

die Korken knallen lassen.<br />

Weniger Grund zur Freude haben jedoch<br />

Allergiker, deren Verzicht nicht auf Freiwilligkeit<br />

beruht, sondern eine Schikane der<br />

Natur ist. Erstaunlich ist der sprunghafte<br />

Anstieg von Intoleranzen, die sich vor allem<br />

in Lebensmittelunverträglichkeiten zeigen<br />

und damit die Gastronomie vor ein weiteres<br />

Problem stellen. Immer häufiger verwandelt<br />

sich die ansonsten gewünschte Tischreservierung<br />

zur Drohung für die Küchencrew:<br />

„Gerne essen alle Gäste das große Menü.“<br />

So weit, so gut. „Allerdings sollte es komplett<br />

histamin-, gluten- und laktosefrei sein,<br />

Krustentierallergien und intestinale Fruktoseintoleranzen<br />

berücksichtigen. Einer der<br />

Gäste verträgt keine Gewürze, Salz ist auch<br />

in nicht nachweisbaren Spuren völlig ausgeschlossen,<br />

und ein Gast ist allergisch gegen<br />

Alkohol – mit Ausnahme von Champagner.“<br />

Dies ist kein Witz: Es ist tatsächlich in einem<br />

Sternerestaurant passiert.<br />

Bleibt abzuwarten, wie sich der Unverträglichkeiten-Trend<br />

weiterentwickelt, und ob<br />

demnächst Pharmazeuten, Chemiker und<br />

Mediziner in der Küche stehen, oder jedes<br />

Gericht mit einem ellenlangen Beipackzettel<br />

serviert wird.<br />

PASSIONGENUSS <strong>01</strong>.16<br />

64<br />

www.frischli.de


Impressum<br />

Herausgeber<br />

Transgourmet Deutschland GmbH & Co. OHG<br />

Albert-Einstein. Str. 15, 64560 Riedstadt<br />

www.transgourmet.de,<br />

www.transgourmet-cee.de<br />

Objektverantwortung<br />

Regina Köhler, Kevin Nolte<br />

Idee & Konzeption<br />

Transgourmet Deutschland GmbH & Co. OHG<br />

Neuer Umschau Buchverlag GmbH<br />

Verlag<br />

Neuer Umschau Buchverlag GmbH<br />

www.umschau-verlag.de<br />

Redaktion<br />

Sabine Rumrich, Ingo Swoboda<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />

Christoph Blüthner, Florian Bolk, Cathrin Brandes,<br />

Carsten Costard, Pascal Fedorec, Johannes Fucke,<br />

Daniela Haug, Rolf Kienle, Julia Kirch, Thomas<br />

Kniest, Bernd Müller, Simone Neufing, Sabine Rumrich,<br />

Gerd Schenk, Michael Schröder, Philipp Stein,<br />

Ingo Swoboda, Charlotte Ullmer, Jacqueline Vogt<br />

© Transgourmet Deutschland GmbH & Co. OHG<br />

Nachdruck oder andere Arten der<br />

Veröffentlichung von Texten und Fotos<br />

bzw. das Abspeichern auf elektronischen<br />

Medien nur mit Genehmigung des<br />

Herausgebers.<br />

Druckfehler und Irrtümer vorbehalten<br />

Druck<br />

NINO Druck GmbH, 67435 Neustadt/Weinstraße<br />

www.ninodruck.de

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!