Regional Centres of Expertise - Forum Umweltbildung
Regional Centres of Expertise - Forum Umweltbildung
Regional Centres of Expertise - Forum Umweltbildung
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
Regina Steiner, Gudrun Danter<br />
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong> (RCEs)<br />
Motor für Innovation und nachhaltige<br />
Entwicklung an Universitäten<br />
FORUM <strong>Umweltbildung</strong><br />
Strozzigasse 10<br />
1080 Wien<br />
Tel: 0043-1-402 47 01<br />
Fax: 0043-1-402 47 01-51<br />
E-Mail: forum@umweltbildung.at<br />
www.umweltbildung.at<br />
Im Auftrag von BMWF und BMLFUW
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Bildnachweis<br />
UNU-Institute for Advanced Studies: S. 7; SPES Zukunftsakademie: S. 22, 27, 32, 33,<br />
42; RCE Graz-Styria: S. 18, 25, 29, 46<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Umweltdachverband GmbH<br />
Verleger und Bezugsadresse: FORUM <strong>Umweltbildung</strong><br />
Strozzigasse 10, 1080 Wien Tel: 0043-1-402 47 01<br />
Fax: 0043-1-402 47 01-51<br />
E-Mail: forum@umweltbildung.at<br />
www.umweltbildung.at<br />
Das FORUM <strong>Umweltbildung</strong> ist eine Initiative des Bundesministeriums für Land-<br />
und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Abt. II/3 Nachhaltige Entwicklung)<br />
und des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (Abt. I/6 Politische<br />
Bildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung und <strong>Umweltbildung</strong>).<br />
Projektträger: Umweltdachverband gem. GmbH<br />
Layout: Irmgard Stelzer FORUM <strong>Umweltbildung</strong>, Cover skibargrafik-design<br />
Druck: BMWF - Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung<br />
ISSN 1990-9748<br />
Wien, Mai 2011<br />
2<br />
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) entspricht einer neuen, integrativen<br />
Perspektive für unseren Bildungsalltag. Oft als neues Paradigma beschrieben,<br />
sind ihre konzeptionellen Grenzen noch in Diskussion, ihre Entwicklung<br />
noch im Fluss. Für den Arbeitsfokus der „forum exkurse“ wurde BNE als Teil einer<br />
allgemeinen Bildungsaufgabe verstanden. BNE soll dabei insbesondere in<br />
der heranwachsenden Generation zur Humanisierung der Lebensverhältnisse<br />
und zu einem verständigen Umgang mit der Lebenswelt beitragen. Es ist ein<br />
neues Bildungskonzept, das auf dem Paradigma der nachhaltigen Entwicklung<br />
basiert und Begriffe wie Interdisziplinarität, Partizipation, systemisches Wissen<br />
und reflektierte Gestaltungskompetenz integriert. Mit 1. Jänner 2005 begann<br />
weltweit die UN-Dekade zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung.<br />
Für weitere Informationen: www.umweltbildung.at/nachhaltigkeit<br />
www.umweltbildung.at/bildungsstrategie
Inhalt<br />
Begriffsklärung 6<br />
Abstract 7<br />
Vorwort 9<br />
1 Einleitung 10<br />
2 Ausgangsüberlegungen für das Forschungsvorhaben 11<br />
3 Ziel der Untersuchung 12<br />
4 Forschungsfragen 12<br />
5 Forschungsmethoden 13<br />
6 Ergebnisse und Interpretation 14<br />
6.1 „Da ist dann doch wieder herausgekommen, es braucht Netzwerke…“ 14<br />
Entstehung/Entwicklung/Rahmenbedingungen<br />
6.2 „Impulsgeber für die Region“ 22<br />
Aktivitäten in den drei untersuchten Regionen<br />
6.3 „Da ist was Cooles dran, da müssen wir mitmachen“ 28<br />
Key-Actors und deren Einbindung und Vernetzung<br />
6.4 „Sustainability ist immer ein Entwicklungsprozess“ 32<br />
Ziele und Visionen<br />
6.5 „Diesen Mehrwert müssen viele erst erkennen“ 36<br />
Lernen/Bildung/Forschung und die Rolle von Universität/Hochschule<br />
6.6 „Das RCE hat schon einen sehr wichtigen Stellenwert mittlerweile“ 42<br />
Chancen und Herausforderungen<br />
7 Fazit und Empfehlungen 48<br />
Literatur 54<br />
Anhang 56<br />
forum exkurse 3
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
4<br />
75 Acknowledged RCEs<br />
(as <strong>of</strong> March 2010)<br />
Europe (22)<br />
Austria<br />
1. Graz-Styria<br />
Belgium<br />
2. Southern North Sea<br />
Germany<br />
3. Hamburg<br />
4. Munich<br />
5. Nuremberg<br />
6. Oldenburger Münsterland<br />
Greece<br />
7. Crete<br />
Ireland<br />
8. Ireland<br />
Netherlands<br />
9. Rhine-Meuse<br />
Portugal<br />
10. Açores<br />
11. Creias-Oeste<br />
12. Porto Metropolitan Area<br />
Russia<br />
13. Nizhny Novgorod<br />
14. Samara<br />
Spain<br />
15. Barcelona<br />
Sweden<br />
16. Skåne<br />
UK<br />
17. East Midlands<br />
18. London<br />
19. North East<br />
20. Severn<br />
21. Wales<br />
22. Yorkshire & Humberside<br />
Asia-Pacific (28)<br />
Cambodia<br />
23. Greater Phnom Penh<br />
China<br />
24. Anji<br />
25. Beijing<br />
India<br />
26. Bangalore<br />
27. Delhi<br />
28. Guwahati<br />
29. Kodagu<br />
30. Lucknow<br />
31. Pune<br />
RCEs<br />
Indonesia<br />
32. Bogor<br />
33. East Kalimantan<br />
34. Yogyakarta<br />
Japan<br />
35. Chubu<br />
36. Greater Sendai<br />
37. Hyogo-Kobe<br />
38. Kitakyushu<br />
39. Okayama<br />
40. Yokohama<br />
Korea<br />
41. Incheon<br />
42. Tongyeong<br />
Kyrgyzstan<br />
43. Kyrgyzstan
around the world<br />
Malaysia<br />
44. Penang<br />
Fiji and Pacific Islands<br />
45. Pacific<br />
Philippines<br />
46. Cebu<br />
47. Ilocos<br />
48. Northern Mindanao<br />
Thailand<br />
49. Cha-Am<br />
50. Trang<br />
Middle East & Africa (13)<br />
Egypt<br />
51. Cairo<br />
Ghana<br />
52. Ghana<br />
Jordan<br />
53. Jordan<br />
Kenya<br />
54. Greater Nairobi<br />
55. Kakamega-Western Kenya<br />
Malawi<br />
56. Zomba<br />
Mozambique<br />
57. Maputo<br />
Nigeria<br />
58. Kano<br />
59. Lagos<br />
South Africa<br />
60. KwaZulu Natal<br />
61. Makana & Rural Eastern<br />
RCEs weltweit (UNU-Institute for Advanced Studies)<br />
Cape<br />
Swaziland<br />
62. Swaziland<br />
Uganda<br />
63. Greater Mbarara<br />
Americas (12)<br />
Argentina<br />
64. Chaco<br />
Brazil<br />
65. Curitiba-Paraná<br />
Canada<br />
66. British Columbia<br />
(North Cascades)<br />
67. Greater Sudbury<br />
68. Montreal<br />
69. Saskatchewan<br />
70. Toronto<br />
Colombia<br />
71. Bogotá<br />
Guatemala<br />
72. Guatemala<br />
Mexico<br />
73. Western Jalisco<br />
USA<br />
74. Grand Rapids<br />
75. North Texas<br />
forum exkurse 5
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Begriffsklärung<br />
6<br />
Abkürzung Begriff<br />
BNE Bildung für Nachhaltige Entwicklung<br />
BenE München Bildung für eine nachhaltige Entwicklung München<br />
BMWF Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung<br />
CSR Corporate Social Responsibility (Soziale Verantwortung von<br />
Unternehmen)<br />
GenE Gestaltungskompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung<br />
NE Nachhaltige Entwicklung<br />
RCE <strong>Regional</strong> Centre <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
SPES lateinisch „H<strong>of</strong>fnung“, hier Akronym für „Studiengesellschaft<br />
für Projekte zur Erneuerung der Strukturen“<br />
UNU United Nations University
Abstract<br />
Die vorliegende Arbeit versteht sich als Teil der Begleitforschung zum RCE Graz-<br />
Styria (RCE = <strong>Regional</strong> Centre <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong> – im Rahmen der Dekade der Bildung<br />
für Nachhaltige Entwicklung). Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden Dokumente<br />
zu den RCEs recherchiert und daraus Interviewleitfäden entwickelt. Auf dieser<br />
Grundlage wurden Interviews mit jeweils einem Vertreter des RCE Graz-Styria,<br />
einer Vertreterin des nächstgelegenen RCE, BenE München und außerdem mit einem<br />
Vertreter einer schon seit über 30 Jahren in der <strong>Regional</strong>entwicklung tätigen<br />
Initiative, der SPES Zukunftsakademie in Schlierbach (Oberösterreich), geführt.<br />
In der vorliegenden Broschüre wird zunächst das Konzept der RCEs kurz vorgestellt.<br />
Danach werden die drei Bildungsinitiativen entlang den Themen Entstehung<br />
und Rahmenbedingungen, Aktivitäten, wesentliche Akteure und Einbindung in<br />
die Region, Ziele und Visionen, der Rolle der Universität im Netzwerk, der Chancen<br />
und Herausforderungen sowie den in den Interviews sichtbaren Begriffen von Forschung<br />
und Bildung diskutiert. Den Abschluss bilden eine Reihe von Empfehlungen,<br />
die sich aus den Erfahrungen der untersuchten Netzwerke für weitere RCEs<br />
ableiten lassen.<br />
Abstract<br />
This publication is part <strong>of</strong> the evaluation <strong>of</strong> the <strong>Regional</strong> Centre <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong> RCE<br />
Graz-Styria, an initiative in the framework <strong>of</strong> the UN Decade <strong>of</strong> Education for<br />
Sustainable Development. Part <strong>of</strong> the research consisted in collecting project<br />
documents regarding the RCEs and developing a questionnaire. On this basis, interviews<br />
were carried out with a representative <strong>of</strong> RCE Graz-Styria, with a representative<br />
<strong>of</strong> the nearest RCE, BenE Munich as well as with a representative <strong>of</strong> an<br />
initiative active in regional development for over 30 years, namely SPES Future<br />
Academy in Schlierbach, Upper Austria.<br />
The brochure starts out with a presentation <strong>of</strong> the concept <strong>of</strong> RCEs. Then, three<br />
education initiatives are discussed focussing on the following topics: emergence<br />
and general conditions, activities, key actors and regional integration, goals and<br />
visions, the role <strong>of</strong> the university in the network, opportunities and challenges as<br />
well as the understanding <strong>of</strong> research and education which became evident in the<br />
interviews. The booklet ends with a number <strong>of</strong> recommendations for future RCEs<br />
based on the experience in the networks under study.<br />
forum exkurse 7
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
8
Vorwort<br />
In Österreich hat das Land Steiermark die erste Initiative für ein RCE gestartet –<br />
unter konzeptioneller und operativer Leitung der Universität Graz, Institut für<br />
Geographie und Raumforschung. Dazu führte das FORUM <strong>Umweltbildung</strong> in Zusammenarbeit<br />
mit der Projektleitung einen Teil der wissenschaftlichen Begleitforschung<br />
durch. Ziel war es, die im Steirer RCE gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse<br />
einerseits für andere österreichische Regionen zu erfassen und zugänglich<br />
zu machen und andererseits einen österreichischen Beitrag zum Global Learning<br />
Space for Sustainability (die Plattform aller RCEs weltweit, getragen von der United<br />
Nations University) zu leisten. Dabei stand primär im Fokus, wie der Wissenstransfer<br />
zwischen Wissenschaft und Gesellschaft im Rahmen des RCEs abläuft, welche<br />
Erfahrungen dazu im RCE Graz-Styria, sowie an anderen Schnittstellen zwischen<br />
Wissenschaft und Praxis gesammelt wurden und welche Schlüsse daraus gezogen<br />
werden können. Als Referenzprojekte zum Vergleich für das RCE Graz-Styria<br />
dienten das RCE „BenE München“, gegründet auf Initiative einer Allianz verschiedener<br />
Bildungsträger der Stadt München und die SPES Zukunftsakademie, die sich<br />
als Impuls für die <strong>Regional</strong>- und Gemeindeentwicklung gezielt Anregungen von<br />
WissenschafterInnen zunutze macht. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem<br />
Forschungsprojekt münden in Empfehlungen für allfällige weitere österreichische<br />
RCE Initiativen.<br />
Die vorliegende Publikation entstand als Teil des Auftrags im Rahmen des Werkvertrags<br />
des FORUM <strong>Umweltbildung</strong> mit dem BMFLUW und dem BMUKK und wurde<br />
durch eine Teilfinanzierung seitens des BMWF unterstützt.<br />
Wir danken Frau Daniela Kuborn, Herrn Ing. Fritz Ammer und Herrn Dr. Clemens<br />
Mader für die Bereitschaft zu den Interviews.<br />
Regina Steiner<br />
forum exkurse 9
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
1 Einleitung<br />
RCE – <strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong> on Education for Sustainable Development<br />
– sind als Unterstützungsstruktur und Motor für Bildung für Nachhaltige Entwicklung<br />
gegründet worden. Die UNU (die United Nations University), der „Think Tank“<br />
der UN mit Sitz in Tokyo, entwickelte im Anschluss an die UN Weltkonferenz in<br />
Johannesburg 2002 dieses Konzept von lokal aktiven und global vernetzten Zentren.<br />
Diese sollen helfen die Ziele der UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung<br />
(2005-2014) zu erreichen, indem sie deren globale Zielsetzungen herunterbrechen<br />
auf die Ebene der Regionen und Gebiete, in denen sie tätig sind. Sie<br />
vernetzen bestehende Bildungsorganisationen in einer Region und Einzelpersonen<br />
aus dem formalen, nonformalen und informalen Bereich (VertreterInnen von<br />
Behörden, Gemeinden, lokalen Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen,<br />
VertreterInnen aus den Medien, aus dem Schulbereich, aus NGOs, Forschung,<br />
Kultur und anderen Organisationen, die sich mit Bildung und Nachhaltiger Entwicklung<br />
befassen), um Austausch von Erfahrungen und die Initiierung von neuen<br />
Projekten zu fördern. Gleichzeitig sind sie über die UNU Teil des „Global Learning<br />
Space for Sustainable Development“ (=Plattform aller RCEs weltweit, getragen<br />
von der UNU) und tauschen sich über ihre Projekterfahrung und globale Themen,<br />
wie Gesundheit, Jugend, Biodiversität, E-learning, Produktion und Konsum oder<br />
LehrerInnenbildung aus.<br />
10
Es gibt ein umfangreiches Prozedere der Anerkennung als RCE mit Peer Reviews.<br />
Die ersten sieben RCEs weltweit wurden 2005 anerkannt. Mittlerweile existieren<br />
bereits 85, davon 26 in Europa (vgl. Website UNU-IAS, 01.02.2011). Die RCEs in Graz<br />
und in München wurden 2007 von der UNU anerkannt.<br />
Die einzelnen RCEs haben ganz unterschiedliche Strukturen und Schwerpunkte.<br />
Gemeinsam sind ihnen die Elemente „Governance“ – betreffend das RCE Management,<br />
„Collaboration“ – das Engagement von AkteurInnen aller Ebenen des<br />
formalen, non-formalen und informalen Bildungsbereiches, „Research and Development“<br />
– dies bezieht sich auf die Rolle der Forschung (Universitäten und Hochschulen),<br />
die in die Aktivitäten der RCEs einbezogen sein muss und zur Gestaltung<br />
von Strategien guter kooperativer Aktivitäten beitragen soll, einschließlich der<br />
Zusammenarbeit mit anderen RCEs und „Transformative Education“ – einen Beitrag<br />
zu leisten zur Veränderung der aktuellen Bildungs- und Erziehungssysteme,<br />
um nachhaltiges Leben und Lebensstile in der Region zu fördern. (Website UNU-<br />
IAS, 04.06.2010)<br />
2 Ausgangsüberlegungen für das Forschungsvorhaben<br />
Das erste österreichische RCE entstand in der Steiermark. Das RCE Graz-Styria hatte<br />
anfangs seinen Sitz am Institut für Geographie und Raumforschung der Universität<br />
Graz und wurde 2009 als fakultäres Zentrum an der Umwelt-, <strong>Regional</strong>- und Bildungswissenschaftlichen<br />
Fakultät eingerichtet. Es dient damit dem Wissenstransfer<br />
für eine nachhaltige Entwicklung, sowie regionaler Wertschöpfung in der Region<br />
Steiermark, aber auch als Schnittstelle im Bereich nachhaltige Entwicklung zwischen<br />
Universität und Bevölkerung. Das FORUM <strong>Umweltbildung</strong> führt in diesem<br />
Zusammenhang einen limitierten Teil der Begleitforschung durch. Die Erkenntnisse<br />
und Erfahrungen im RCE Graz-Styria im Vergleich mit ausgewählten weiteren<br />
Bildungsinitiativen der <strong>Regional</strong>entwicklung im Sinne einer Bildung für nachhaltige<br />
Entwicklung sollen für andere österreichische Regionen erfasst und zugänglich<br />
gemacht werden und können so auch Impulse für geplante weitere RCEs liefern.<br />
Ausgehend vom RCE Graz-Styria, das von einer Universität initiiert wurde, als<br />
Hauptuntersuchungsgegenstand, wurde ein weiteres RCE als Referenzprojekt<br />
untersucht – das RCE München – das von Stadt, Wirtschaftsunternehmen, NGOs<br />
u.a. gegründet wurde. Es wurden die Entstehungsbedingungen, die unterschiedlichen<br />
Organisationsformen, Zielvorstellungen, Aktivitäten, und Key-Actors, insbesondere<br />
die Rolle der Universität untersucht und verglichen. Als weiteres Refe-<br />
forum exkurse 11
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
renzprojekt wurde die SPES Zukunftsakademie untersucht, eine Initiative, die von<br />
AkteurInnen in der Region Schlierbach (Oberösterreich) ausging, die gezielt die<br />
<strong>Expertise</strong> von WissenschafterInnen einholten, um Impulse für die <strong>Regional</strong>- und<br />
Gemeindeentwicklung zu bekommen.<br />
Durch Teilnahme an steirischen RCE-Aktivitäten wie Netzwerktreffen und Workshops,<br />
Literatur- und Internetrecherche sowie Interviews mit Stakeholdern und<br />
ExpertInnen (RCE Graz, RCE München, SPES Zukunftsakademie) wurde das erforderliche<br />
Datenmaterial gesammelt. Kontakte mit weiteren <strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong><br />
<strong>Expertise</strong> anlässlich des „3rd European RCE Meeting“ in Graz (16.-18.12.2009), Eindrücke<br />
aus Gesprächen und Datenmaterial aus Vorträgen, ergänzten diese Daten<br />
und ermöglichten den Anschluss der österreichischen Erfahrungen an das internationale<br />
RCE-Netzwerk „Global Learning Space for Sustainability“.<br />
3 Ziel der Untersuchung<br />
Im Rahmen der Aktivitäten des FORUM <strong>Umweltbildung</strong> bietet die Begleitforschung<br />
zum Grazer <strong>Regional</strong> Centre <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong> (1) Neue Forschungserkenntnisse<br />
im Gebiet Forschungs-Bildungs-Kooperation in den Bereichen <strong>Regional</strong>entwicklung<br />
und Wissenstransfer im Zusammenhang mit einem RCE und (2) grundsätzlich<br />
eine Verbesserung der Praxis zur regionalen Zusammenarbeit bei Forschungs-Bildungskooperationen.<br />
Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen (3) eine Grundlage<br />
für Empfehlungen für allfällige weitere österreichische RCE Initiativen bieten.<br />
4 Forschungsfragen<br />
Dem konkreten Forschungsvorhaben zugrundeliegende Fragestellungen sind<br />
diesbezüglich:<br />
1. Was ist das Spezifische der drei untersuchten Initiativen?<br />
2. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen zwischen den untersuchten<br />
Bildungsclustern?<br />
3. Welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich aus den unterschiedlichen<br />
organisatorischen und operativen Ausrichtungen?<br />
4. Welche Empfehlungen lassen sich aus diesen Erkenntnissen für weitere RCEs<br />
ableiten?<br />
12
5 Forschungsmethoden<br />
Einleitend wurde zu allen drei untersuchten Bildungsinitiativen eine Dokumenten-<br />
sowie Internetrecherche durchgeführt. Diese bildete die Grundlage für Interviewleitfäden<br />
(siehe Anhang 1) mit Schlüsselpersonen der drei Initiativen.<br />
Anschließend wurden drei Einzelinterviews geführt, je eines mit einem Vertreter<br />
des Leitungsteams des RCE Graz, einer Vertreterin des RCE München, sowie einem<br />
Vertreter der SPES Zukunftsakademie in Schlierbach.<br />
Die Interviewpartner waren<br />
• Dr. Clemens Mader, Leiter des RCE Graz-Styria, Universität Graz<br />
• Ing. Fritz Ammer, ehemaliger Geschäftsführer der SPES Zukunftsakademie,<br />
jetzt in Pension und Konsulent der SPES Geschäftsleitung<br />
• Daniela Kuborn, bis Mitte 2010 Geschäftsführerin des RCE „BenE München<br />
e.V.“<br />
Die Interviews hatten eine Dauer zwischen 30 und 90 Minuten, wurden auf Band<br />
mitgeschnitten und anschließend transkribiert (nach Kuckartz/Dresing/Rädiker/<br />
Stefer; Transkriptionsregeln siehe Anhang 2).<br />
Die Auswertung der Interviews wurde inhaltsanalytisch und texthermeneutisch<br />
vorgenommen (vgl. Mayring, 2002 und 2007). Zunächst wurden die Interviews<br />
durchgelesen und relevante Stellen anhand der Leitfragen als deduktive Kategorien<br />
und im Zuge der Durcharbeitung der Texte neu gefundener (induktiv erstellter)<br />
Kategorien strukturiert (siehe Anhang 3). Die gefundenen Textstellen wurden sodann<br />
paraphrasiert, verdichtet und gebündelt. In einem weiteren Schritt wurden<br />
im Sinne einer Cross-Case-Analyse die drei untersuchten Fälle verglichen und Aussagen<br />
zu den Forschungsfragen getr<strong>of</strong>fen. Die Interpretationen wurden abschließend<br />
am Ausgangsmaterial rücküberprüft.<br />
Abschließend wurde der fertige Text den InterviewpartnerInnen zurückgespielt<br />
und diese um Kommentare zu den Interpretationen gebeten, um kommunikative<br />
Validierung zu ermöglichen.<br />
forum exkurse 13
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
6 Ergebnisse und Interpretation<br />
6.1 „Da ist dann doch wieder herausgekommen, es braucht Netzwerke…“<br />
Entstehung/Entwicklung/Rahmenbedingungen der RCEs Graz-Styria,<br />
BenE München und der SPES Zukunftsakademie in Schlierbach<br />
Die drei untersuchten Bildungscluster weisen unterschiedliche bis gegensätzliche<br />
Entstehungsbedingungen und Organisationsformen auf. Deshalb sind auch<br />
Tätigkeiten und Schwerpunkte verschieden, während die Ziele viele Ähnlichkeiten<br />
erkennen lassen.<br />
Ausgangspunkt für das RCE Graz-Styria war die Auftaktveranstaltung für die UN<br />
Dekade der BNE in Graz, die Konferenz „Committing Universities to Sustainable<br />
Development“, veranstaltet von den beiden Universitäten, der Karl Franzens Universität<br />
mit dem Institut für Geographie und Raumforschung und der TU Graz mit<br />
dem Institut für Ressourcenschonende und Nachhaltige Systeme, sowie Copernicus<br />
Campus und oikos International im April 2005. Hier wurde das Konzept der<br />
RCEs durch VertreterInnen der UNU vorgestellt und traf auf großes Interesse.<br />
2006 begann man mit den Vorbereitungen. Die tragenden Personen waren vor allem<br />
Pr<strong>of</strong>. Dr. Friedrich Zimmermann und Dr. Clemens Mader. „Dann haben wir viel<br />
herumgefragt, haben zuerst einmal Förderungen gesucht, beim Land, bei der Stadt,<br />
bei allen Möglichen, (…) da hat es geheißen: Nein, wozu noch ein Netzwerk? Es gibt<br />
schon so viele Netzwerke, brauchen wir nicht, was soll die Uni dabei?“ (I1/3/1) Erst<br />
eine Veranstaltung des Landes Steiermark zusammen mit der „Landentwicklung<br />
Steiermark“ zeigte den Bedarf, v.a. der Wirtschaft, an Vernetzung in den ländlichen<br />
Regionen in der Steiermark: „Da ist dann doch wieder herausgekommen, es braucht<br />
Netzwerke, die dann den Gedanken von Nachhaltigkeit in der steirischen Wirtschaft<br />
(…) verbreiten“ (I1/3/2).<br />
Es gab zunächst Anschubfinanzierung seitens der Universität (die auch jetzt noch<br />
Büro, Infrastruktur und Sekretariat zur Verfügung stellt), später auch von der Stadt<br />
Graz (in Form der Finanzierung einer Stelle). Seit Herbst 2009 ist das RCE Graz-Styria<br />
als Institut an der Umwelt-, <strong>Regional</strong>- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät<br />
der Universität Graz eingerichtet. Durch selbige wird seitdem eine Stelle finanziert.<br />
Projekte und ProjektpartnerInnen wurden zu Beginn eher zufällig gefunden,<br />
z.T. über persönliche Bekanntschaften, über Begegnungen auf Tagungen, bei in-<br />
14
Ergebnisse und Interpretation<br />
formellen Gesprächen „…man kommt zusammen, redet, was wir machen, was sie<br />
machen und dann überlegt man halt, was könnte man miteinander machen, überlegt,<br />
was können wir vom RCE dazu beitragen“ (I1/4/1), oder über Projektausschreibungen,<br />
etwa über das Projekt ProVision oder eine Ausschreibung der Stadt Graz.<br />
Einerseits braucht es Zeit, bis das RCE und dessen <strong>Expertise</strong> bekannt wird „Seit<br />
wir den Lehrpfad gemacht haben, haben wir ein Projekt, das wir wirklich herzeigen<br />
können, wo wir sagen können, ok, da steht ein Lehrpfad in der Region, der vermittelt<br />
nachhaltige Entwicklung. (…) Bevor wir den Lehrpfad gehabt haben, war es extrem<br />
schwierig zu erklären, was das RCE überhaupt macht!“ (I1/4/4), andererseits müssen<br />
öffentliche Stellen und andere ProjektpartnerInnen erst davon überzeugt werden,<br />
welchen Wert Forschungsintegration und Begleitforschung haben können.<br />
Jedes RCE hat eine andere Ausrichtung und interpretiert den Auftrag als RCE unterschiedlich.<br />
Gerade zu Beginn der weltweiten Initiative war noch nicht klar, wie<br />
sich diese Strukturen am besten entwickeln sollten, um nachhaltige Entwicklung<br />
in den Regionen bestmöglich zu fördern: „Es hat ja im zweiten Jahr der RCE Initiative<br />
(wo wir entstanden sind) noch niemand gewusst, wie sich die RCEs entwickeln<br />
sollen, was werden sie wirklich sein. Es hat eine Grundidee mit dem ‚nodal network‘<br />
gegeben, einen Knotenpunkt in einer Region zu bilden…“ (I1/9/5), wie diese Netzwerkidee<br />
jedoch ganz konkret wirken soll, war von der UNU nicht festgelegt.<br />
Mittlerweile versucht man Instrumente zu erstellen, um RCEs zu evaluieren, um<br />
herauszufinden, welche Strukturmerkmale sich bewähren, welche hinderlich sind<br />
(vgl. Mader, 2009c).<br />
Im August 2007 wurde das RCE Graz-Styria <strong>of</strong>fiziell als Teil des Netzwerkes der United<br />
Nations University (UNU) anerkannt. Dadurch soll ein weltweiter Austausch<br />
von Wissen und Erfahrungswerten aus dem regionalen Bereich ermöglicht werden.<br />
Das RCE Graz-Styria trägt durch seine Aktivitäten zu Bildung und Weiterbildung,<br />
insbesondere dem Wissenstransfer für eine Nachhaltige Entwicklung sowie<br />
regionaler Wertschöpfung in der Region Steiermark bei und dient als Schnittstelle<br />
im Bereich Nachhaltige Entwicklung zwischen Universität und Bevölkerung.<br />
forum exkurse<br />
15
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Als Ziele des RCE Graz-Styria werden auf der Website angeführt:<br />
• Vernetzung von lokalen und globalen Nachhaltigkeitsinitiativen<br />
• Projektinitiierung und Beratung im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung,<br />
<strong>Regional</strong>entwicklung, Tourismus und Innovationstransfer<br />
• Weltweiter Erfahrungsaustausch durch den „Global Learning Space for Sustain-<br />
able Development“<br />
• Förderung der Bewusstseinsbildung für nachhaltige Entwicklung in der Bevölkerung<br />
Das RCE Graz-Styria hat fünf Leistungsbereiche, die diese Ziele ermöglichen sollen:<br />
1. Transfer: Schwerpunkt dieses Leistungsbereichs ist der gegenseitige regionale<br />
und globale Wissens- und Erfahrungsaustausch. Gemeinsam mit regionalen<br />
und globalen Partnerinstituten werden Pilotprojekte initiiert und entwickelt.<br />
2. Weiterbildung: Das RCE bietet Weiterbildungsmöglichkeiten und richtet sich<br />
an Studierende, Lehrende, VertreterInnen der Wirtschaft, dem Tourismus, der<br />
Forschung, der <strong>Regional</strong>entwicklung und die breite Öffentlichkeit.<br />
3. Forschung: Die Bereiche transdisziplinäre Entwicklungsprozesse, Innovationstransfer<br />
und Bildung für nachhaltige Entwicklung sind die Forschungsschwerpunkte<br />
des RCE Graz-Styria.<br />
16<br />
Leistungsbereiche RCE Graz-Styria
Ergebnisse und Interpretation<br />
4. Bildung: In diesem Leistungsbereich wurden praxisorientierte Lehrveranstaltungen<br />
geschaffen, wie etwa intergenerationelle Lehrveranstaltungen. (I1/7/7)<br />
5. Nachhaltige Universität: Im Rahmen der 2004 gegründeten Task Force Nachhaltige<br />
Universität Graz entwickeln VertreterInnen aus Universitätsmanagement<br />
und Forschung, Studierende, Lehrende und regionale AkteurInnen<br />
Strategien und Maßnahmen für eine umweltfreundliche und sozial gerechte<br />
Universität.<br />
(vgl. Mader, 2008, Website RCE Graz-Styria, 19.05.2010, Folder Selbstbeschreibung<br />
RCE Graz-Styria)<br />
Die Gründung des RCE „BenE München e.V“ ging von einer Allianz mehrerer gesellschaftlicher<br />
AkteurInnen aus. In dieser Allianz haben sich auf Anregung der<br />
United Nations University (UNU) Münchner Bildungsträger, die Stadtverwaltung,<br />
zivilgesellschaftliche AkteurInnen wie Umwelt und EineWelt-Netzwerke und die<br />
Wirtschaft zusammengeschlossen, um für die Stadtregion München ein RCE zu<br />
gründen. Die formelle Akkreditierung des Netzwerks durch die UNU erfolgte im<br />
Januar 2007. Im Juli 2007 wurde der Trägerverein BenE München e. V. gegründet<br />
und im September 2007 eine Geschäftsstelle eingerichtet. BenE steht für Bildung<br />
für eine nachhaltige Entwicklung in München (BenE e.V. München 2009; S 11). Es<br />
ist im Grunde ein Netzwerk der Netzwerke, das in einem losen Verbund mit anderen<br />
steht.<br />
Das RCE München versteht sich als Impulsgeber und als Plattform, wo sich die<br />
Mitglieder treffen „und das was man gemeinsam machen kann, stellt man in diesen<br />
Pool, oder dafür steht diese Plattform zur Verfügung, um in bestimmten Überschneidungsbereichen<br />
zusammenzuarbeiten. Man hat Zugang zu verschiedenen<br />
Bereichen der Stadt, z.B. Eine Welt, oder globales Lernen, oder Unternehmen, oder<br />
<strong>Umweltbildung</strong>, Medien…“ (I3/1/10).<br />
In der Broschüre des RCE München „Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ein<br />
guter Anfang ist gemacht“ (2009) wird das Netzwerk wie folgt charakterisiert:<br />
Tätigkeitsbereiche der Mitglieder<br />
BenE München bietet seinen Mitgliedern eine Plattform für nachhaltigkeitsbezogene<br />
Aktivitäten. Die AkteurInnen repräsentieren einen gesellschaftlichen<br />
Querschnitt durch die Münchner Stadtgesellschaft: <strong>Umweltbildung</strong>seinrichtungen,<br />
Umweltberatung, Naturschutz, Kinder- und Jugendbildung, Fach- und<br />
forum exkurse<br />
17
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Hochschule, Friedenspädagogik, berufliche Bildung, Erwachsenenbildung,<br />
Forschung und Wissenschaft, kirchliche Einrichtungen, staatliche Einrichtungen,<br />
Verwaltung, Kommune, Wirtschaft (vgl. BenE e.V. München 2009, S 23).<br />
Aufgabenpr<strong>of</strong>il / Ergebnisse der Netzwerkarbeit<br />
BenE München versteht sich als ein Bürgernetzwerk, das vorhandene Potenziale<br />
bündelt und neue erschließt. BenE München will die Öffentlichkeit für die Erfordernisse<br />
einer nachhaltigen Entwicklung sensibilisieren und das Engagement der<br />
BürgerInnen fördern. Mit innovativen Kommunikationsstrukturen bildet das RCE<br />
BenE München eine neuartige Diskursarena für Themen zur wirtschaftlichen, sozialen<br />
und ökologischen Nachhaltigkeit (vgl. BenE e.V. München 2009, S 11).<br />
Zielsetzung des Netzwerks<br />
Ziel ist es individuelle und gesellschaftliche Lernprozesse im Hinblick auf nachhaltige<br />
Wirtschafts- und Lebensweisen zu fördern und erforderliche Entwicklungsprozesse<br />
anzustoßen und zu begleiten. Das Nachhaltigkeitsprinzip soll als Querschnittsthema<br />
an allen Orten und in allen Bereichen verankert werden (vgl. BenE<br />
e.V. München 2009, S 11).<br />
Die inhaltlichen Schwerpunkte bis 2010 umfassen im Bereich ökologische Nachhaltigkeit<br />
die Themen Klima, Energie, Mobilität, im Bereich der wirtschaftlichen<br />
Nachhaltigkeit die Themen gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen<br />
und nachhaltiger Konsum sowie den Bereich „GenE – Gestaltungskompetenzen<br />
für eine nachhaltige Entwicklung“. Im Bereich soziale Nachhaltigkeit und Querschnittsthema<br />
beschäftigt sich das BenE München e.V mit Migration und interkulturellen<br />
Aspekten (vgl. BenE e.V. München 2009, S 17; Website BenE München<br />
e.V., 04.06.2010).<br />
Die Initiative SPES in Schlierbach (SPES ist einerseits das lateinische Wort für H<strong>of</strong>fnung<br />
und steht als Akronym für die Initiative: Studiengesellschaft für Projekte zur<br />
Erneuerung der Strukturen) ist nach und nach aus einem Diskussionskreis engagierter<br />
BürgerInnen in und um Schlierbach/Kirchdorf entstanden. Mitglied dieser<br />
Gruppe war auch Univ. Pr<strong>of</strong>. DI Dr. Johann Millendorfer 1 . Die Gruppe setzte sich<br />
1 Univ.-Pr<strong>of</strong>. DI Dr. Johann Millendorfer (1921-2001), Pionier der Systemanalyse, Entwickler einer<br />
neuen Methodik der empirischen Sozialforschung und der Prognose sozialer und ökonomischer<br />
Entwicklungen; zahlreiche Inputs über die Bedeutung des ländlichen Raumes und Dorferneuerung<br />
18
Ergebnisse und Interpretation<br />
mehrere Jahre lang intensiv mit den Thesen von Pr<strong>of</strong>. Millendorfer und Themen<br />
der Zukunftsgestaltung allgemein in allen Lebensbereichen und speziell auch in<br />
der Region auseinander. Ing. Ammer erzählt: „Das waren bis zu 30 Leute – Millendorfer<br />
war dabei – aber es waren auch immer wieder Familientreffen. Wir haben damals<br />
alle Kinder gehabt und sind mit den Kinderwägen diskutierenderweise durch<br />
die Gegend gezogen (…) es war ein sehr divergierender Haufen, wo ich mich <strong>of</strong>t gefragt<br />
habe, wieso gibt es uns überhaupt noch. (…) dennoch hat ein jeder in seinem<br />
Privatbereich etwas umgesetzt von dem, was wir diskutiert haben“ (I2/1/3). Es hat<br />
einige Zeit gedauert, bis der Verein gegründet worden ist, und dann hat es in Etappen<br />
die heute sichtbare Entwicklung gegeben. “ (I2/1/4).<br />
Die Entwicklungsschritte von SPES lassen sich wie folgt darstellen:<br />
1978: Die Thesen von Pr<strong>of</strong>. Dr. Johann Millendorfer zur Bedeutung der ländlichen<br />
Strukturen für eine positive Gesellschaftsentwicklung geben den Anstoß zur<br />
Gründung des SPES Vereins.<br />
1988: Die SPES Bildungs- und StudiengmbH & Co KG sowie die SPES Bildungs- und<br />
StudiengmbH werden gegründet. Die Idee, das SPES Seminarhaus zu kaufen und<br />
umzubauen, wird mit Unterstützung von 100 TeilhaberInnen verwirklicht.<br />
1995: Projekte in den Bereichen Gemeinde- und <strong>Regional</strong>entwicklung, Wirtschaft,<br />
Landwirtschaft, Gesundheit und Familie werden in Angriff genommen. Insbesondere<br />
das Projekt „Pro Nahversorgung“ bzw. „Lebensqualität durch Nähe“ findet<br />
zahlreiche InteressentInnen in Österreich und Deutschland.<br />
1998: „Vom MitArbeiter zum MitUnternehmer“ – „Unternehmer sein am Arbeitsplatz“<br />
das erste Projekt für die Wirtschaft wird vorgestellt.<br />
2001: In Zusammenarbeit mit dem AMS und dem Land OÖ entsteht die SPES Akademie<br />
Implacement Stiftung.<br />
2001: Gründung der Familienakademie.<br />
2002: Das Seminar-, Tagungs-, Kongresszentrum SPES Akademie wird eröffnet. Inbetriebnahme<br />
des SPES Ökohotels.<br />
(vgl. SPES Nachhaltigkeitsbericht 2005)<br />
2007: Das SPES Team Gesundheit & Lebensstil wird mit dem Verein „Kompetenzzentrum<br />
für gesunden und genussvollen Lebensstil im Genussland OÖ“ gegründet.<br />
2009: Eröffnung des Neubaus der SPES Zukunftsakademie. Änderung des Firmennamens<br />
auf SPES GmbH und SPES GmbH&CoKG.<br />
(vgl. SPES Website, 12.05.2010)<br />
forum exkurse<br />
19
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Die SPES Zukunftsakademie ist „Innovationsdrehscheibe, Lern- und Begegnungsort,<br />
wo Menschen Zukunft denken, kreativ sind, ihre Erfahrungen weiter geben<br />
und neue Lösungen entstehen, die H<strong>of</strong>fnung und Eigeninitiative stiften“ (SPES<br />
Website, 12.05.2010).<br />
Getragen wird die SPES Zukunftsakademie vom gemeinnützigen SPES-Verein und<br />
mehr als 100 privaten TeilhaberInnen. Sie ist eine überparteiliche Bildungseinrichtung.<br />
Die Aktivitäten dienen dem Gemeinwohl gegenwärtiger und künftiger<br />
Generationen und sind nicht auf Gewinn ausgerichtet. Fünf Projektteams erarbeiten<br />
Bildungsangebote, Projekte und Modelle in den Bereichen „Gemeinden &<br />
Regionen“, „Gesundheit & Lebensstil“, „Zukunftsfähiges Wirtschaften“, „Arbeitsstiftung“<br />
und „Familien-Akademie“. Sie beleuchten die Spannungsfelder unserer<br />
Gesellschaft mit dem Ziel, die Lebensqualität für die nächsten Generationen zu<br />
sichern. Eigene Kooperationsbüros im neuen Gebäude ermöglichen die Zusammenarbeit<br />
mit internationalen WissenschafterInnen, ZukunftsdenkerInnen und<br />
Projektträgern, um deren Know-how gezielt nach Oberösterreich zu holen und es<br />
hier zu nutzen. Über 1000 Projekte, Maßnahmen und Bildungsangebote wurden<br />
in den letzten zwei Jahrzehnten bereits erfolgreich umgesetzt. (vgl. SPES Website,<br />
12.05.2010)<br />
F<br />
20<br />
Die SPES Zukunftsakademie wurde 2008 renoviert und<br />
im Jahr 2009 neu eröffnet. (Foto: Walter Ebenh<strong>of</strong>er)
Ergebnisse und Interpretation<br />
Fritz Ammer betont, dass es dabei immer um bestimmte Werthaltungen, eine bestimmte<br />
Art zu denken bzw. einen bestimmten Geist gegangen ist, den „Geist von<br />
SPES“ (I2/2/4), der im Nachhaltigkeitsbericht der SPES Zukunftsakademie (2005, S<br />
4) in den Grundsätzen dargelegt wird:<br />
1. Nähe und <strong>Regional</strong>ität<br />
Wir schützen den Lebensraum, indem wir ihn nützen.<br />
2. Ausgewogenheit<br />
Wir beachten Sach-, Beziehungs- und Sinnebene.<br />
3. Vielfalt<br />
ist wichtig als Voraussetzung für Wahlmöglichkeit und Stabilität.<br />
4. Eigenverantwortung und Selbstorganisation<br />
Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe.<br />
5. Pro statt Contra<br />
Positive Zukunftsbilder geben Kraft.<br />
6. Immaterielle Erfolgsfaktoren<br />
sind materiellen Ergebnissen vorgelagert.<br />
7. Umkehr zum Leben<br />
Wir bemühen uns um lebensfreundliche Strukturen.<br />
8. Kooperation und Partnerschaftlichkeit<br />
Wir erreichen Ziele gemeinsam, die keiner alleine erreichen kann.<br />
9. Christliche Wertebasis<br />
ist das langfristig tragfähige Fundament für unsere Arbeit.<br />
forum exkurse<br />
21
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
6.2 „Impulsgeber für die Region“<br />
Aktivitäten in den drei untersuchten Regionen<br />
Von Lehrpfaden über Ökodörfer bis hin zu den UN Dekadenthemen – die Aktivitäten<br />
und Projekte der untersuchten Institutionen sind vielfältig und innovativ.<br />
Beim RCE Graz-Styria gehen die Initiativen fast ausschließlich von der Universität<br />
aus, Forschungsintegration spielt eine große Rolle. Im RCE München sind bei<br />
unterschiedlichen Aktivitäten jeweils unterschiedliche AkteurInnen aktiv. Das<br />
RCE erfüllt vorwiegend koordinierende Funktion. In der SPES Zukunftsakademie<br />
reichen die Aktivitäten weit zurück und entspringen Spannungsbereichen in der<br />
Region.<br />
Beim RCE Graz-Styria werden Aktivitäten sehr stark in Zusammenhang mit der<br />
Universität und Studierenden umgesetzt. In einem Forschungsprojekt gemeinsam<br />
mit dem Institut für Geographie und Raumforschung und dem Umweltamt<br />
der Stadt Graz geht es um die Erforschung der BürgerInnenbeteiligung. Finanziert<br />
wird das Projekt im Rahmen des bundesweiten ProVision Förderprogrammes für<br />
Nachhaltige Entwicklung. Studierende erforschen mittels qualitativer Forschung<br />
die Motivation und Partizipation der BürgerInnen, Beiträge zur städtischen Entwicklung<br />
zu leisten und welche zusätzlich motivierenden Maßnahmen die Stadt<br />
leisten kann. Außerdem haben Studierende im Rahmen des RCE Graz-Styria drei-<br />
bis vierseitige Infopakete für das Land Steiermark entwickelt, z.B. zu Fair Trade, zu<br />
Nachhaltigem Tourismus, zum Konzept Cradle to Cradle (Neue Produktionsmethoden),<br />
zum Global Marshall Plan. Diese wurden auf die Nachhaltigkeitswebsite des<br />
Landes Steiermark www.nachhaltigkeit.stmk.at gestellt. „Die Studierenden waren<br />
natürlich auch froh darüber, dass sie was machen können“ (I1/3/5), das für sie sinnvoll<br />
erschien. Sie bekamen sogar geringfügig dafür bezahlt. „Eine andere Gruppe<br />
hat Podcasts erstellt, über den Ablauf einer LV und diese sind auf der Bildungswelle 2<br />
dann erschienen. Dies freut auch wieder die Studierenden“ (I1/5/5).<br />
2 Eine Plattform von BNE Bildungsinitiativen: http://www.umweltbildung.at/cgi-bin/cms/<br />
af.pl?contentid=11108, 19.05.2010<br />
22
Nachhaltigkeitslehrpfad in Tr<strong>of</strong>aiach (Foto: RCE Graz-Styria)<br />
Ergebnisse und Interpretation<br />
Während für andere Universitäten Forschung und Lehre innerhalb der Universität<br />
im Vordergrund stehen, sieht die Universität Graz im Rahmen des RCE den Transfer<br />
der wissenschaftlichen <strong>Expertise</strong> in die Region als vorrangige Aufgabe. Konkret<br />
gab es z.B. dazu Anfragen von Institutionen, die mit dem RCE zusammenarbeiten<br />
wollen. So erstellten Studierende im Rahmen einer Lehrveranstaltung einen Businessplan<br />
für den Verein Keimblatt Ökodorf, der in der Oststeiermark ein Ökodorf<br />
gründen möchte. Dieser Vorschlag wurde bereits beim Treffen der potenziellen<br />
SiedlerInnen vorgestellt und für die konkrete Planung verwendet „…so könnte<br />
sich die ganze Sache auch wirtschaftlich finanzieren“ (I1/5/4).<br />
Für den Wissenstransfer werden auch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
genutzt. Lehrveranstaltungen, Vorlesungen und Diskussionsrunden<br />
der Uni werden live in Gemeindesäle, ländliche Regionen übertragen.<br />
„Dieses Angebot wurde gut angenommen, (…) die haben via Skype dran teilgenommen,<br />
haben ihre Fragen stellen können (...)“ (I1/8/5).<br />
Das RCE sieht sich auch als Schnittstelle zwischen den vier Universitäten in Graz,<br />
um die Aktivitäten, die hier schon laufen, zu sammeln und nach außen zu tragen.<br />
Transfer von Wissen ist für das RCE Graz-Styria ein wechselseitiger Prozess, in dem<br />
<strong>Expertise</strong> zur Verfügung gestellt wird, gleichzeitig setzt man sehr stark auf das<br />
Wissen in der Region. Im Rahmen einer intergenerationellen Lehrveranstaltung<br />
forum exkurse<br />
23
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
werden etwa innovative Nachhaltigkeits-Initiativen besucht. Dabei geht es nicht<br />
nur darum, etwas zu besichtigen, sondern „es sollen ins<strong>of</strong>ern auch neue Wege gegangen<br />
werden, als die Studierenden für die Leute dort was beitragen sollen (…),<br />
dass es nicht nur eine Einwegkommunikation ist, dass wir dort hinfahren, das anschauen,<br />
und wieder wegfahren, sondern dort etwas bewirken“ (I1/7/8). Dazu sollen<br />
sich die Studierenden „vorher mit dem Projekt schon befassen, sich selbst neue<br />
Ideen, konstruktive Fragen oder auch Kritiken überlegen (...), sodass es für die Leute<br />
dort interessant ist“ (I1/7/8). Großen Stellenwert hat auch der internationale Austausch.<br />
Im Rahmen eines EU-Projekts arbeitet das RCE Graz-Styria gemeinsam mit<br />
Rumänien und Italien an dem Ziel Train-the-Trainer-Programme im Bereich BNE zu<br />
entwickeln. NGOs, die im Bereich BNE tätig sein wollen, werden Tools und Lehrabläufe<br />
vorgestellt und Anregungen zur Vermittlung von BNE gegeben.<br />
Ähnlich wie das RCE Graz-Styria bemüht sich auch SPES sehr stark um die Verlebendigung<br />
der Region im Sinne von Nachhaltiger Entwicklung. Im Laufe der<br />
Zeit sind insgesamt 16 Projekte entstanden, etwa der Steinbacher Weg, der Bauernmarkt,<br />
die Geflügel GmbH in Schlierbach, die heute die größte österreichische<br />
Nestei-Produktion ist, Ök<strong>of</strong>eriendörfer, die Stiftskeller mit dem Festsaal, die<br />
„Nahwärme Schlierbach“ (Biomasseheizung), an der sich 30 Bauern und Bäuerinnen<br />
beteiligen. Ein Vortrag über den Global Marshall Plan löste großes Interesse<br />
aus und hatte längerfristige Aktivitäten zur Folge: „Es hat eine große Initiative gegeben<br />
in Kirchdorf und es gibt nach wie vor die Ökumenische Initiative unter anderem<br />
und andere Kreise da im Bezirk, die an diesem Thema lokal und global arbeiten“<br />
(I2/4/3). Die regionalen Initiativen strahlten auch in die Landespolitik aus: „Auch<br />
unsere Landesräte, die waren damals durchaus beeindruckt und da hat es dann diesen<br />
Landtagsbeschluss gegeben in Oberösterreich (…), dass die Themen ‚globale<br />
Perspektive‘ besonders in die Aktionsprogramme des Landes aufgenommen werden<br />
sollen“ (I2/4/3).<br />
Im Gegensatz zum RCE Graz-Styria und SPES, die in ihrer Arbeit einen starken Bezug<br />
zur regionalen Umgebung haben, setzt BenE München e.V. bisher bewusst<br />
auf die Koordinierung von Nachhaltigkeitsaktivitäten ausschließlich in der Stadt<br />
München. BenE München definiert sich als Koordinationsstelle und führt selbst<br />
wenige eigene Projekte durch. Die PartnerInnen schaffen sich ihre Aufgaben<br />
selbst: „Jeder macht das, was er machen will, was er machen kann, was er ohnehin<br />
macht (...)“ (I3/3/20). Sitzungen, Koordinations- und Netzwerktreffen sind „Impulsgeber,<br />
dass man sich trifft und dass man überlegt, was kann man machen“ (I3/3/20).<br />
24
Global Marshall Plan Academy (Foto: SPES-Akademie)<br />
Ergebnisse und Interpretation<br />
Zu speziellen Fragen, die sich sehr stark an den Dekadenthemen (der Dekade der<br />
Bildung für Nachhaltige Entwicklung) orientieren, werden auch ReferentInnen<br />
eingeladen, die neue Perspektiven einbringen. Im letzten Jahr anlässlich des Jahresthemas<br />
„Energie“ beteiligte sich das Netzwerk sehr aktiv „da gab es viele Initiativen,<br />
sehr große Events, Projekte, bei denen wir uns als Netzwerk beteiligt haben<br />
(…), z.B. der Münchner Klimaherbst“ (I3/3/19). Dieses Modell des „Klimaherbstes“<br />
machte sogar Schule und wurde von der Stadt Köln übernommen. Weitere Dekadethemen,<br />
zu denen es Aktivitäten gab, waren Mobilität, nachhaltiges Wirtschaften<br />
und nachhaltiger Konsum.<br />
ReferentInnen als ImpulsgeberInnen werden auch zu einzelnen Netzwerktreffen<br />
eingeladen (Die jährlichen Netzwerktreffen werden alternierend von einzelnen<br />
Netzwerken für das gesamte RCE ausgerichtet, hier geht es um Ideenaustausch,<br />
Vernetzung und neue Impulse) oder zur Mitgliederversammlung. Die Aufgaben<br />
der Geschäftsführung sind Koordination und Verwaltung, die Organisation von<br />
Events, sie stellt Förderanträge und veranlasst, dass „Leuchtturmprojekte“ finanziell<br />
unterstützt werden, sie erstellt Newsletter, verwaltet die Website und bereitet<br />
die Treffen des Vorstandes inhaltlich vor „das muss schon sehr knackig sein und gut<br />
vorbereitet, diese Konferenz, damit die Herrschaften auch kommen. Wenn das nicht<br />
forum exkurse<br />
25
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
ziehen würde, also wenn es plätschert, dann würden die nicht mehr kommen (…)<br />
Insgesamt eine gut durchdachte Agenda (…), mit Dingen, die wirklich für die Stadt<br />
München, für das gemeinsame Projekt essentiell sind, das ist das Allerwichtigste“<br />
(I3/3/22). Außerdem organisiert die Geschäftsführung Workshops, z.B. Strategieworkshops<br />
für den Managementkreis oder Netzwerkmanagement-Workshops.<br />
Auch zum neuen Schwerpunktthema „GenE“ gab es Workshops, etwa mit Dennis<br />
Meadows.<br />
Auf „Best Practice“-Beispiele und Modelle wird sowohl beim RCE Graz-Styria wie<br />
bei der SPES Zukunftsakademie besonderer Wert gelegt. Fritz Ammer von SPES<br />
bezeichnet es als „Die Macht des Modells. Das ist es, was die heutige Zeit braucht“<br />
(I2/5/4) und definiert den Bau von Modellen als „unsere Aufgabe“ und „best practice“<br />
als die Möglichkeit, um von den Besten zu lernen und Skepsis ab- und Vertrauen<br />
in Nachhaltigkeit aufzubauen. Ammer begründet die Bedeutung von praktischen<br />
Modellen mit einem eindrücklichen Bild, das vom Philosophen H. Christ<strong>of</strong><br />
Günzl stammt: „Wenn auf der Welt Millionen von Störchen weiß sind, dann kannst<br />
du sagen: Die Störche sind weiß. Aber nur so lange bis es einen einzigen schwarzen<br />
gibt. Nach wie vor sind Millionen Störche weiß, aber du kannst nicht mehr sagen: Die<br />
Störche sind weiß. Das ist die Macht des Modells. Du brauchst nur ein einziges funktionierendes<br />
Modell“ (I1/1/6). Als derartige Modelle bezeichnet Ammer die Initiativen,<br />
die in und um Schlierbach begründet wurden, etwa der „Steinbacher Weg“<br />
oder der Bauernmarkt, „Lebensqualität durch Nähe“, „Zeitbank 55+“ uva.<br />
Für das RCE Graz-Styria war der Nachhaltigkeitslehrpfad in Zusammenarbeit<br />
mit dem lokalen Jugendzentrum Tr<strong>of</strong>aiach ein solch zukunftsweisendes Modell.<br />
Die Initiative ging vom RCE aus und wurde gerne aufgegriffen. „Ja, die waren super<br />
<strong>of</strong>fen dafür. (…) Die möchten gerne wieder so etwas mit uns machen.“ (I1/7/1)<br />
Modelle helfen auch neue KooperationspartnerInnen auf die eigenen Aktivitäten<br />
aufmerksam zu machen. Im Juni 2008 wurde der Nachhaltigkeitslehrpfad als <strong>of</strong>fizielles<br />
Projekt der UN-Dekade „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ durch die<br />
österreichische UNESCO-Kommission ausgezeichnet.<br />
26
RCE-Workshops mit Studierenden (Foto: RCE Graz-Styria )<br />
Ergebnisse und Interpretation<br />
Weitere Kreise zog das Projekt durch eine Studentin, die am Projekt Nachhaltigkeitslehrpfad<br />
mitgearbeitet hatte und jetzt ein Praktikum in Vorarlberg macht. Die<br />
Leiterin des Praktikum-Projektes ist die Mutter eines Kindes in einer Schule, die<br />
einen Nachhaltigkeits-Maturajahrgang macht. Die Mutter „hat vom RCE gehört,<br />
und ist an uns herangetreten, ob wir nicht dieses Projekt wissenschaftlich begleiten<br />
können“ (I1/4/5).<br />
Die Universität Graz selbst gilt als zukunftsweisendes Modell durch den Nachhaltigkeitsprozess,<br />
der sich immer weiter entwickelt und bereits als Beispiel für andere<br />
Universitäten dient: Im Rahmen eines Vortrages an der Universität St. Gallen<br />
(CH) wurde die Universität Graz als Musterbeispiel für Nachhaltigkeitsentwicklung<br />
vorgestellt. Die Universität St. Gallen möchte dem folgend eine Task Force einrichten,<br />
einen Nachhaltigkeitsbericht machen und eine/n SustainabilitykoordinatorIn<br />
einsetzen.<br />
forum exkurse<br />
27
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
6.3 „Da ist was Cooles dran, da müssen wir mitmachen“<br />
Wer sind die Key-Actors? Wie sind diese eingebunden und vernetzt?<br />
Ein wichtiger Faktor für die gelingende Arbeit der regionalen Kompetenzzentren<br />
liegt im Engagement der eingebundenen AkteurInnen. Aufgrund der unterschiedlichen<br />
Organisationsform sind auch die Verantwortlichkeiten und die Stellen,<br />
von denen die Impulse für die Aktivitäten der Bildungsnetzwerke ausgehen,<br />
unterschiedlich.<br />
Nachhaltige Entwicklung entsteht in Kooperation und durch die Partizipation der<br />
BürgerInnen, sozusagen als gemeinsames Anliegen für eine zukunftsfähige Region<br />
und Welt. Partizipation wird daher auch von der UNU, der United Nations University,<br />
die das Konzept von RCEs entwickelt hat, als Grundpfeiler für gelingende<br />
Nachhaltige Entwicklung gesehen.<br />
In Graz gehen Anstöße zur Kooperation bisher sehr stark von der Universität aus,<br />
es gibt noch wenig Initiativen von PartnerInnen oder anderen Institutionen „(...)<br />
Aber ich bin zuversichtlich, dass das anläuft, dass die sich stärker untereinander<br />
vernetzen, diese Netzwerkstruktur, die müssen wir erst aufbauen“ (I1/1/3). Es sind<br />
zwar KooperationspartnerInnen vorhanden, Veränderungsbedarf wird jedoch in<br />
Bezug auf die Identifikation mit dem RCE gesehen, eine Verbreiterung der Basis<br />
der Key-Actors, die Bereitschaft zur gemeinsamen Weiterentwicklung und damit<br />
des Wachstums des RCE: „Wenn es immer nur an mir hängt (....) oder an den Leuten,<br />
die wir da halt jetzt im engeren Kreis sind, da wird es nie größer, sich nichts weiterentwickeln“<br />
(I1/11/3). Mader h<strong>of</strong>ft für die Zukunft, dass sich ein stärkeres Mittragen<br />
der Idee des RCE entwickelt, „dass sie nicht sagen, die machen eh, sondern: Da ist<br />
was Cooles dran, da müssen wir mitmachen“ (I1/11/4). Grundsätzlich bringen seiner<br />
Ansicht nach Universitäten die Gewohnheit zum Networking mit, was ein Vorteil<br />
sei, wenn das RCE von der Uni ausgeht. Die Arbeit an EU- und internationalen<br />
Projekten steht täglich auf der Agenda, „(....) der Blick über den Tellerrand hinaus<br />
ist bei den Unis schon lange drinnen“ (I1/1/2). Im Gegensatz dazu sei allerdings die<br />
regionale Verankerung weniger gegeben. Synergien genutzt; als Beispiel dient die<br />
Zusammenarbeit mit dem <strong>Umweltbildung</strong>szentrum Steiermark. Eine besondere<br />
<strong>Expertise</strong> des RCE Graz-Styria gibt es bezüglich der Initiative „Nachhaltige Universität“,<br />
wo es als Schnittstelle beim Zusammenschluss der vier Grazer Universitäten<br />
fungiert. Geplant ist die Stärkung des Networkings mit der steirischen Wirtschaft<br />
und die Verbindung von Corporate Social Responsibility mit RCE-Aktivitäten:<br />
28
Ergebnisse und Interpretation<br />
Es „war schon vorher auch, dass einzelne Institute sich mit solchen Sachen (Anm.:<br />
CSR usw.) beschäftigt haben, aber nicht so sehr untereinander vernetzt. Jetzt versuchen<br />
wir auch, dass der wirtschaftliche Aspekt mehr in die Geographie hineinkommt<br />
und umgekehrt, das wird durch das RCE intern verstärkt“ (I1/3/2).<br />
In München stellt das RCE eine <strong>of</strong>fene Plattform dar: Wer sie nutzen will, kann sie<br />
nutzen. Erfahrungen zeigen, dass alleine dadurch viel erreicht und die jeweiligen<br />
Institutionen gestärkt werden. Das Engagement der beteiligten Institutionen ist<br />
unterschiedlich „manche warten noch auf ihre Stunde, aber die haben schon erkannt,<br />
dass da etwas Großes im Gange ist“ (I2/1/6). Die PartnerInnen stellen sich<br />
ihre Aufgaben selbst und „machen halt ihre Sachen“ (I2/1/7), teilen aber ihr Wissen<br />
der Plattform zur Verfügung, und arbeiten in bestimmten Überschneidungsbereichen<br />
zusammen. „Also wie gesagt, wenn alles freiwillig ist, muss man den Leuten<br />
einfach auch etwas zutrauen und man kann auch damit rechnen, dass die Ziele, die<br />
die Institutionen sich dann auch selber setzen, wenn sie Feuer gefangen haben, sehr,<br />
sehr gut sind“ (I3/5/36). Ähnlich ist es mit der Beteiligung der Hochschule: „Also,<br />
ich denke, das definiert die Universität selber, welche Rolle sie spielt, spielen kann.<br />
Es ist sowieso so, dass jeder nur die Rolle spielen kann, wo er Kapazitäten hat, (...)“<br />
(I2/6/38).<br />
Key-Actors sind im RCE München v.a. die Personen im Managementkreis: „In unserem<br />
Managementkreis sitzen ja nur Leute in Führungspositionen, also die Leiter<br />
oder die Referenten in Verwaltungen und damit ist natürlich gewährleistet, dass sich<br />
Ideen entwickeln können und diese Ideen dann in die Institutionen getragen werden<br />
und das ist, glaube ich, das, was wirklich innovativ und neuartig ist“ (I3/1/11). Dies<br />
erhöht die schnelle Umsetzung von Ideen, „wenn man nicht mühsam von unten<br />
sich den Weg suchen muss, sondern wenn man direkt mit der Führungsperson gemeinsam<br />
die Idee entwickelt hat, die es dann implementiert in ihrer Organisation<br />
[und] mitträgt“ (I3/2/12). Der Vorstand besteht aus etwa 20 Personen (VertreterInnen<br />
aus den kooperierenden Netzwerken), der sich etwa alle 6 bis 8 Wochen trifft,<br />
um Entscheidungen zu fällen.<br />
In Schlierbach besteht ein funktionierendes Netzwerk zwischen der Zukunftsakademie<br />
und EntscheidungsträgerInnen in Politik und Verwaltung, InteressensvertreterInnen<br />
sowie Vereinen und Betr<strong>of</strong>fenen in der Region. Es gibt lokale, bilaterale<br />
und internationale Zugänge: EU-Projekte, die Zusammenarbeit mit dem Ökosozialen<br />
<strong>Forum</strong> im Rahmen der Global Marshall-Plan-Initiative, die Implacement-Stiftung,<br />
die Familienakademie, Projekte zur Gemeinde- und <strong>Regional</strong>entwicklung.<br />
forum exkurse<br />
29
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Was die Teilnahme der BürgerInnen an Veränderungsprozessen betrifft, ist Fritz<br />
Ammer einerseits davon überzeugt, dass es heute große Ansprüche an Partizipationsmöglichkeiten<br />
gibt, andererseits beobachtet er kritisch, dass dies nicht<br />
unbedingt tatsächliche Beteiligung bedeutet: „Wir leben in einem Zeitalter der<br />
Bürgergesellschaft: Es kommt auf das Volk an, (…) das ist ganz wichtig, aber ohne<br />
Personen, die sich exponieren und gleichsam als Kristallisationskerne dienen, entsteht<br />
nichts! In Wirklichkeit (...) braucht es immer einzelne Pioniere, Vordenker (...)<br />
und Visionäre“ (I3/7/2). Veränderer werden aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur<br />
auch angefeindet und seien nicht immer die freundlichsten. Als konkretes Beispiel<br />
wird die Agenda 21 genannt, bei der von einigen bereits vor Jahren sehr viel Vorarbeit<br />
geleistet wurde und manche „in diesem Prozess zerrieben wurden“ (I3/7/3).<br />
Ammer streicht heraus, dass es wesentlich ist, dass die Pioniere, die Vordenker und<br />
aktiven Persönlichkeiten auch die für sie richtigen Aufgaben im Prozess übernehmen<br />
können. Die Frage ist: „Wie gehen wir mit den Menschen um, die wirklich neue<br />
Ideen haben, die aber vielleicht nicht so ganz so sympathisch sind, und welche Rolle<br />
erhalten sie?“ (I2/8/2).<br />
30<br />
Wolfgang Mader und Harald Gruber (Kernteamleiter Agenda 21 aus Bad Zell) beim<br />
Demonstrieren der Bedeutung von Netzwerken (Foto: SPES-Akadmie)
6.4 „Sustainability ist immer ein Entwicklungsprozess“<br />
Ziele und Visionen<br />
Ergebnisse und Interpretation<br />
Die Tätigkeit der RCEs spannt sich zwischen der Orientierung an Visionen und<br />
der pragmatischen Ausrichtung an Rahmenbedingungen und finanziellen bzw.<br />
zeitlichen Ressourcen auf. Die große Vision, die hinter der Gründung der RCEs<br />
steckt, für die Region zu konkretisieren, ist ein langfristiger Prozess, der noch lange<br />
nicht abgeschlossen ist.<br />
Eines der zentralen Ziele des RCE Graz-Styria ist die Ermöglichung des Wissenstransfers<br />
„zwischen lokal und global, zwischen research and practice, zwischen experts<br />
and students – for sustainability“ (I1/9/3). Mader räumt ein, dass dies eine<br />
sehr breite Vision sei, in die alles hineinpassen könne. Im Moment erlaube auch<br />
die dünne Personaldecke nicht, dass sehr viel Energie in eine genauere Ausdifferenzierung<br />
der Vision gesteckt werde. „Wir sind bei der Basisentwicklung eigentlich,<br />
zuerst haben wir uns klar werden müssen, was wir eigentlich sind“ (I1/5/3). Erst später,<br />
wenn mit regionalen Partnerinstitutionen der Bedarf sowie die Kompetenzbereiche<br />
klarer sind, könne die Vision präzisiert und konkretisiert werden. Der Leiter<br />
des RCE Graz ist zuversichtlich, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren der Nachhaltigkeitsgedanke<br />
schon viel konkreter verwirklicht werden kann und das RCE<br />
bedarfsorientiert arbeiten wird 3 . Ein Ziel, das angestrebt wird, ist die Förderung<br />
von organisationalem, regionalem Lernen (lernende Regionen). Dazu gehört auch<br />
die Stärkung der regionalen Wertschöpfung durch Bildung. Dies bedeutet gleichzeitig<br />
eine Stärkung der Attraktivität der Regionen, die etwa Landflucht und Abwanderung<br />
in städtische Bereiche vermindern kann. Es geht um Empowerment in<br />
den Regionen, führt Mader aus, also Unterstützung von Menschen, damit sie sich<br />
selbst helfen können, um die Verringerung der Abhängigkeit von außen.<br />
Ein weiteres Ziel des RCE ist es, Aktivitäten, die schon bestehen (vor allem an den<br />
Universitäten), nach außen zu tragen, etwa Forschungen der Technischen Universität,<br />
z.B. Forschung zu regionaler Wertschöpfung (Pr<strong>of</strong>. Dr. Narodoslawsky), oder<br />
die Forschungen im Bereich Methoden der Alternativmedizin oder zu Gesundheit<br />
3 Seit dem Sommersemester 2010 finden jedes Semester Lehrveranstaltungen statt, im Rahmen<br />
derer Studierende mit regionalen Partnerinstitutionen zusammenarbeiten und forschungsbegleitende<br />
Projekte mit nachhaltigem Nutzen unterstützen. Partnerinstitutionen sind Vereine,<br />
öffentliche Institutionen, Unternehmen sowie auch Initiativen der Studierenden selbst.<br />
forum exkurse<br />
31
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
und Sport an der Medizinischen Fakultät. Diese möchte das RCE unter das Motto<br />
Nachhaltigkeit stellen und an die Öffentlichkeit bringen 4 .<br />
Mader (2008) fasst seine Vision unter dem Stichwort „Sustainable Styria“ zusammen:<br />
„Für mich ist Nachhaltigkeit, dass man einen bewussteren Lebensstil hat, einen<br />
gerechteren Lebensstil. Und wenn wir dazu in der Steiermark etwas beitragen<br />
können – Sustainability ist immer ein Entwicklungsprozess, ist nie vollendet – dann<br />
können wir zufrieden sein“ (I1/9/3).<br />
Ähnlich sieht es Fritz Ammer von SPES: Für ihn ist eine wichtige Erkenntnis, die<br />
beachtet werden muss „dass alles was mit Leben und Lebensqualität zusammenhängt,<br />
eingebunden ist in einen Prozess des kontinuierlichen Entstehens. (…) Du<br />
kannst Leben nicht konservieren, (…) z.B. das Thema Nahversorgung, Lebensqualität<br />
in einer Gemeinde, das ist etwas, das muss täglich neu entstehen! Und es ist<br />
täglich gefährdet!“ (I2/3/4).<br />
32<br />
Blick in die Zukunft – EU-Projekt Pro Lebensqualität: Wer einem Stern folgt, kehrt nicht um.<br />
(Foto: SPES-Akademie)<br />
4 Mittlerweile gewann das Projekt Sustainability4U mit einer Ringvorlesung, wo dies gelungen<br />
ist (unter Koordinierung des RCE), den University Sustainability Award 2010 im Bereich Kommunikation<br />
und Entscheidungsfindung.<br />
www.umweltbildung.at/cgi-bin/cms/af.pl?contentid=12362
Ergebnisse und Interpretation<br />
Ammer sieht als eine der Aufgaben der SPES Zukunftsakademie, dass sie sich<br />
mit den brennenden Problemen und Entwicklungsengpässen der BürgerInnengesellschaft<br />
auseinandersetzt, mit den „Brandherden“ der Gesellschaft. Ammer<br />
setzt großes Vertrauen in die Kraft des Einzelnen und wehrt sich gegen die Ansicht,<br />
dass Menschen, insbesondere arme Menschen als machtlos angesehen<br />
werden. Wenn zum Beispiel gesagt wird „die Armen, die sind sowieso abhängig<br />
von den globalen Dimensionen“ (I2/4/1). Er meint im Gegenteil: „Der Bürger ist<br />
selber mitverantwortlich dafür, wie es daheim‚ in seiner kleinen Welt ausschaut.“<br />
(I2/4/2). Dazu braucht es jedoch ein funktionierendes Netzwerk und den schon<br />
oben beschriebenen „Geist der H<strong>of</strong>fnung (SPES)“, der verantwortlich ist für die<br />
langjährigen lebendigen und gelingenden Initiativen der Nachhaltigkeit. Insbesondere<br />
Toleranz und das Einlassen auf Verschiedenheit erhalten das Engagement:<br />
Eine Grundbedingung für eine erfolgreiche Entwicklung liegt sicher<br />
in der Bejahung der Gegensätze, dem JA zur Verschiedenheit, „weil sonst bleibt<br />
die Spannung nicht. Spannungen sind Vorboten kommender Veränderungen, d.h.<br />
wenn du die Spannung herausnimmst, dann hast du keine Energie mehr. Es muss<br />
spannend bleiben“ (I3/2/6). Diese Haltung zeigt sich auch im Akzeptieren der Unterschiede<br />
und eben auch der Fehler der Beteiligten, „wir sind verschieden, wir<br />
sind alle fehlerbehaftet, wir haben unsere Mängel, unsere Plus‘, unsere Hochs und<br />
Tiefs“ (I3/3/4). Nur wenn die Menschen mit allen ihren Stärken und Schwächen<br />
respektiert werden, entstehen gemeinsame, gelingende Projekte. Gegenseitiges<br />
Vertrauen und gemeinsame H<strong>of</strong>fnung ermöglicht das Engagement.<br />
Für Fritz Ammer ist klar, wer die Zukunft prägt und wer bewegt: „Es gibt den<br />
Spruch: Mehrheiten zementieren das Bestehende. Das bedeutet: Fortschritt ist nur<br />
über Minderheiten möglich. In Wirklichkeit braucht es immer auch den Einzelnen,<br />
es braucht immer einzelne Pioniere, Vordenker, Visionäre, Menschen mit Ideen, die<br />
trotz Wiederstand etwas riskieren…“ (I1/7/3). Woran es liegt, dass Ziele und Visionen<br />
lebendig bleiben? Am bereits angesprochenen Geist der H<strong>of</strong>fnung, der mit<br />
Verschiedenheit besonders gut umgehen kann, der Gegensätze fruchtbar macht,<br />
„der sich nicht gleich beleidigt zurückzieht, wenn er einen Streit verliert (…), sondern<br />
der einfach beharrlich bleibt und Veränderung zulässt“ (I2/2/3-4).<br />
Ammer möchte mit der SPES Zukunftsakademie die lange Zeit, die es braucht von<br />
der Entdeckung bzw. Entwicklung einer Problemlösung (die auch von der Wissenschaft<br />
kommen kann) bis zur Umsetzung auf breiter Basis, verkürzen. „Unsere<br />
Aufgabe wäre, diese lange Zeit (…) um die Hälfte zu verkürzen. Wenn wir, wie zur<br />
Zeit der Fall, von der Lösungsentwicklung bis zur praktischen Umsetzung 14 Jahre<br />
forum exkurse<br />
33
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
brauchen, dann möchten wir, dass in Oberösterreich in 7 Jahren etwas greift und<br />
nicht, dass wir 14 Jahre auf nachhaltige Lösungen und Verbesserungen warten müssen“<br />
(I2/5/1). Dazu braucht es auch neue Formen des Lernens.<br />
Daniela Kuborn betont auf die Frage nach den Zielen von BenE München e.V.<br />
die Eigenverantwortung der beteiligten Institutionen und Netzwerke: „Man hat<br />
sich am Anfang darauf geeinigt, dass man bestimmte Ziele erreichen will und da tut<br />
eben jeder einfach das, was er kann und geht seinen Weg“ (I3/5/36). Da das RCE eine<br />
Selbstverpflichtung ist und es für die Aktivitäten im RCE keine Bezahlung seitens<br />
des Netzwerkes gibt „kann man da auch nicht erwarten, dass jemand sich den Zielen,<br />
den gemeinsam getr<strong>of</strong>fenen Regeln unterwirft. Das muss man auch überhaupt<br />
nicht machen“ (I3/5/36). Daniela Kuborn sieht ihre Aufgabe nicht mehr darin, alle<br />
Leute von den Vorteilen des RCE zu überzeugen. In einem Strategieworkshop haben<br />
sie sich darauf geeinigt vom Gießkannenprinzip wegzugehen: „Wir konzentrieren<br />
uns auf wenige kleine Schritte und die halten wir beharrlich ein und da stehen<br />
wir dahinter. Und das gibt so viel Energie und Durchschlagskraft, dass es gar nicht<br />
nötig ist, anderen hinterherzulaufen“ (I2/5/38). Die kooperierenden Institutionen<br />
setzen sich ihre eigenen Ziele, die ihren jeweiligen Aufgabenbereichen entsprechen.<br />
Man hat sich darauf geeinigt, dass die Ziele des RCE München sich an die<br />
Ziele und Jahresthemen der Dekade der BNE anpassen. Allerdings wurden diese<br />
noch konkretisiert: „Ja, wir haben das natürlich schon noch einmal spezifiziert auf<br />
die Stadt, aber letztlich ist es jetzt nicht so, dass man jemanden darauf festnagelt“<br />
(I3/5/36).<br />
Als gemeinsame Ziele wurden definiert: (1) vorhandene Potenziale im BenE München<br />
zu bündeln, (2) individuelle und gesellschaftliche Lernprozesse zu fördern<br />
und Entwicklungsprozesse in Richtung nachhaltiger Wirtschafts- und Lebensweisen<br />
anzustoßen und (3) die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. BenE München will<br />
eine „neuartige Diskursarena für Themen zur wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen<br />
Nachhaltigkeit“ bilden (BenE München e.V. 2009, S. 11).<br />
34
6.5 „Diesen Mehrwert müssen viele erst erkennen“<br />
Was versteht man unter Lernen/Bildung/Forschung?<br />
Die Rolle der Universität/Hochschule<br />
Ergebnisse und Interpretation<br />
Der Wissenschaft wird im Prozess der Etablierung des Nachhaltigkeitsgedankens<br />
in Regionen ein unterschiedlicher Stellenwert beigemessen. Je nachdem,<br />
aus welchen Bereichen die Befragten kommen, sehen sie die Rolle von Forschung<br />
und Universität sehr differenziert.<br />
Beim RCE Graz-Styria wird der Begriff „Bildung“ sehr stark mit Hochschule verknüpft.<br />
So wird der Leistungsbereich “Bildung innerhalb der Uni“ durch Lehrveranstaltungen<br />
für Studierende und interdisziplinäre Praktika umgesetzt. Im Rahmen<br />
des RCE wurden auch neue Lehrveranstaltungen geschaffen, etwa das Intergenerationelle<br />
Lernen. Hier wird schon im Beruf stehenden oder älteren Personen die<br />
Teilnahme an Lehrveranstaltungen ermöglicht. Es entsteht eine Win-Win-Situation<br />
für beide Seiten: „Ich kann sagen, die Studierenden haben sehr viel von den Externen<br />
gelernt und werden danach auch ihr weiteres Studium ausrichten, sie haben<br />
gesehen, was der regionale Bedarf ist. Und für die Externen war interessant, dass sie<br />
gesehen haben, wie läuft universitäre Lehre und Forschung ab und dass sie neue Ideen<br />
bekommen haben, von den Studierenden, frisches Denken auch in den Diskussionen“<br />
(I1/8/3). In einem ab 2011 laufenden Projekt „Intergenerational Sustainable<br />
Entrepreneurship Programme“ werden gezielt universitäts-externe Personen und<br />
Studierende zusammengebracht, um gemeinsam an Lösungen für gesellschaftliche<br />
und umweltorientierte Herausforderungen zu arbeiten.<br />
Die Universität ist auch international in der Weiterbildung tätig. So wird etwa in<br />
einem internationalen Teacher Training Programm BNE an Lehrende in anderen<br />
Ländern vermittelt (z.B. in Ägypten). Wichtig ist es den ProponentInnen, die Kriterien<br />
der BNE in der Lehre abzubilden, wie u.a. Kompetenzförderung zur Umsetzung<br />
eigener Ideen, interdisziplinäres Arbeiten, aber auch Entrepreneurship und<br />
das Verstehen anderer Sprachen und anderer Perspektiven. In Zusammenhang<br />
mit Bildung wird Wissentransfer als sehr bedeutsam gesehen und zwar in Form<br />
von Vorträgen und Lehrveranstaltungen, aber auch durch Exkursionen. Wert gelegt<br />
wird aber auch auf die Vermittlung von praktischen Fähigkeiten und das Anwenden<br />
von Wissen „Methoden, wo es um praktische Umsetzung geht, muss man<br />
einmal ausprobiert haben, bevor man sie im pr<strong>of</strong>essionellen Kontext anwendet“<br />
(I1/9/2).<br />
forum exkurse<br />
35
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Der Stellenwert von Forschung ist im RCE Graz-Styria sehr prominent. Im Bereich<br />
Forschung geht es vor allem um die Beforschung von Transdisziplinarität: Wie können<br />
Universität und Gesellschaft gemeinsam Forschung betreiben zu beiderseitigem<br />
Vorteil? „Die Beforschten sind zugleich auch wieder die Forscher, weil es auch<br />
um Forschung zur Forschung geht, also wie funktioniert die Forschung (…)“ (I1/9/1).<br />
Interessant ist die Funktion von Forschung auch für die Betr<strong>of</strong>fenen außerhalb<br />
der Uni, z.B. zur BürgerInnenbeteiligung in Graz: „Wie funktioniert Forschung innerhalb<br />
dieses Projektes? (...) wie die Uni mit der Stadt zusammenarbeitet“ (I1/9/1).<br />
Ein Forschungsprojekt behandelt die Frage, „Aus welcher Motivation heraus sind<br />
Bürger in der Stadt Graz in der Entwicklung tätig, leisten Beiträge zur städtischen<br />
Entwicklung – und wie kann man diese Motivation seitens der Stadt durch regulative<br />
Maßnahmen auch fördern?“ (I1/2/7). Die Studierenden werden in die Forschung<br />
mit einbezogen, sie lernen dabei an realen Projekten. Nach Literaturrecherchen<br />
und theoretischer Beschäftigung mit dem Thema Partizipation sowie Unterstützung<br />
durch die Lehrenden durch Vorträge führen sie z.B. Interviews mit Bürgerinitiativen<br />
durch und andere Methoden der qualitativen Forschung und tragen so<br />
zum Forschungsprojekt bei. Dies wird von den Studierenden sehr geschätzt, „die<br />
machen Interviews (…), damit sie kennenlernen, wie funktioniert Forschung überhaupt,<br />
wie ist der Aufbau von einem Forschungsprojekt? Das ist für die Studierenden<br />
recht wertvoll“ (I1/2/7).<br />
Ein weiteres Forschungsthema (Thema der abgeschlossenen Dissertation des Befragten)<br />
ist die Frage „Wie wirkt ein kreatives Milieu, wie funktionieren integrative<br />
Entwicklungsprozesse?“ (vgl. Mader 2009a). Die Ergebnisse dieses Projektes sollen<br />
die Arbeit des RCE weiter entwickeln, aber auch als Evaluierungstool für andere<br />
RCEs zur Verfügung gestellt werden.<br />
Die Aktivitäten des RCE Graz-Styria, die ja fast ausschließlich von der Universität<br />
ausgehen, werden meist auch von den ProjektleiterInnen evaluiert. So wurde<br />
etwa das Projekt Nachhaltigkeitslehrpfad mit Fragebögen, die vor und nach dem<br />
Projekt von den Jugendlichen ausgefüllt wurden, beforscht, zu den Lehrveranstaltungen<br />
wird Feedback eingeholt.<br />
Die besondere Rolle der Universität im Falle des RCE Graz-Styria ist vermutlich deshalb<br />
gegeben, weil die Initiative vom Institut für Geographie und Raumforschung<br />
ausgegangen ist, das spezielle <strong>Expertise</strong> in Prozessunterstützung und Begleitforschung<br />
hat. Clemens Mader sieht die Rolle der wissenschaftlichen Forschung<br />
36
Ergebnisse und Interpretation<br />
innerhalb des RCE im Sinne einer Win-Win-Situation. Es kann sowohl die Universität,<br />
etwa die Studierenden durch Praxiserfahrung, wie auch die Region durch Forschungsbegleitung<br />
pr<strong>of</strong>itieren. Gleichzeitig werden derzeit noch Defizite in Vermittlung<br />
und Wahrnehmung eingeräumt „Ich glaube, es ist vielen überhaupt noch<br />
nicht bewusst, dass, wenn man Forschung in Entwicklungsprozesse integriert, dass<br />
das der Region, dem Projekt, dem Prozess auch irrsinnig viel bringen kann, vielleicht<br />
noch nicht direkt für den derzeitigen Prozess, aber halt dann für den nächsten, dass<br />
man den weiterentwickeln kann, dass man Methodik verbessern kann, dass man<br />
erkennt, wie kommen wir überhaupt zu Lösungen, dass man irgendwelche Umwege<br />
ein nächstes Mal gar nicht mehr gehen muss“ (I1/5/2). Das RCE ist bestrebt, diesen<br />
Mehrwert von Forschungsintegration aufzuzeigen.<br />
Im RCE München spielt der Bereich Forschung eine weniger große Rolle. Insbesondere<br />
der Bereich Begleitforschung zu Bildungsprozessen, wie er im RCE Graz-<br />
Styria vorherrschend ist, wird nicht als Aufgabe der Hochschule gesehen. Im RCE<br />
München scheint eine solche Form der Unterstützung nicht der Regelfall zu sein.<br />
Die Frage, ob die Hochschule von anderen NetzwerkpartnerInnen angefragt<br />
wird, um etwa eine Evaluation oder Begleitforschung zu machen, wird verneint.<br />
Kooperation scheint also eher im inhaltlichen Bereich über gemeinsame Themen<br />
zu entstehen. Als Grund dafür wird angegeben, dass zu wenig freie Kapazitäten<br />
vorhanden seien, um Aufgaben zu übernehmen, die über das hinausgehen, was<br />
ohnehin erfüllt werden muss. Welche Rolle die Universität spielt, definiert sie selber:<br />
„Es ist sowieso so, dass jeder nur die Rolle spielen kann, wo er Kapazitäten hat.<br />
Also niemand kann sagen: Du machst das und das, also das geht einfach nicht. Und<br />
das ist auch überhaupt nicht unser Konzept. Also die Universität spielt natürlich eine<br />
große Rolle, aber die hat ihr niemand aufoktroyiert“ (I3/5/39).<br />
Es ist anzunehmen, dass dadurch, dass das RCE München nicht von der Universität<br />
ausging, sondern von einer Allianz gesellschaftlicher AkteurInnen (vgl. oben) und<br />
einen Zusammenschluss von Bildungsnetzwerken darstellt, die Hochschule einen<br />
weniger zentralen Platz innerhalb des RCE einnimmt als beim RCE Graz-Styria. Die<br />
Hochschule München ist zwar Gründungsmitglied und auch im Vorstand vertreten,<br />
aber es gibt keine vordefinierten Aufgaben, die das RCE festgelegt hätte. „Also<br />
es gibt niemanden, der sagt, du hast jetzt die oder die Aufgabe. Wir verstehen uns<br />
selber als Plattform und da findet die Hochschule ihren Platz“ (I3/1/6). Die Mitarbeit<br />
im RCE hat jedoch in der Hochschule selber eine Entwicklung in Richtung<br />
NE bewirkt, z.B., dass „in allen Bereichen [Anm: der Hochschule] mittlerweile ein<br />
forum exkurse<br />
37
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
BNE-Beauftragter sitzt – das ist meist ein Dekan oder ein Stellvertreter (…). Die Hochschulleitung<br />
ist ganz begeistert von dieser Idee und steht da voll dahinter“ (I3/2/14).<br />
Das RCE München versteht sich als loser Zusammenschluss von Netzwerken und<br />
unterschiedlichen Bildungseinrichtungen. Es gibt daher auch keinen einheitlichen<br />
Bildungsbegriff, auch unter Bildung für Nachhaltige Entwicklung wird durchaus<br />
Unterschiedliches verstanden. Es gab allerdings in den letzten Jahren einige Strategieworkshops,<br />
wo diese Thematik zur Sprache kam und „man weiß – mittlerweile<br />
– wie man über die Thematik sprechen kann, oder dass es eben auch Unterschiede<br />
über die Auffassung der Thematik gibt (…). Es geht auch gar nicht darum, dass man<br />
das alles angleicht, man muss nur verstehen, wie man zusammen reden kann und<br />
dass man zusammen reden kann!“ (I3/4/32).<br />
Ein Thema der Bildung für Nachhaltige Entwicklung ist derzeit für das RCE München<br />
ganz zentral: Das systemisch-dynamische Lernen (vgl. Website BenE München/Projekte/GenE<br />
– Projektskizze). Es gibt dazu ein eigenes Projekt „GenE –<br />
Gestaltungskompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung“. Dazu wurden u.a.<br />
Workshops mit Dennis Meadows abgehalten und praktische Aktivitäten wie das<br />
Strategiespiel „fishbanks“ durchgeführt. Durch diese Methoden wurde aber nicht<br />
nur systemisches Denken gefördert, sondern auch Kommunikation, das Sprechen<br />
über BNE und NE, und andere s<strong>of</strong>t skills: „Jeder Mensch lernt auf diese Weise sehr<br />
viel, es ist nur eine Frage, wie man darüber reflektiert. Das ist wahrscheinlich sehr<br />
unterschiedlich. Da gibt es Leute, die reflektieren gar nicht, die wollen es auch nicht<br />
und andere, die reflektieren mehr“ (I3/5/33). Durch das Gespräch über Unterschiede<br />
und das Besprechen verschiedener Ansichten lassen sich viele Konflikte vermeiden.<br />
„Viele Treffen und viele Konferenzen sind eben genau deshalb, weil man<br />
sich nicht versteht, weil man sich vielleicht auch nicht verstehen will, Zeitverschwendung“<br />
(I3/5/34).<br />
In der SPES-Akademie spielten WissenschafterInnen in der Gründungszeit eine<br />
wichtige Rolle. So war Pr<strong>of</strong>. Johann Millendorfer (damals Studienleiter für internationale<br />
Analysen in Laxenburg) in der Gründungsgruppe dabei. Impulse kamen<br />
von Wissenschaftern wie Dr. Franz Josef Radermacher (Protagonist für den Global<br />
Marshall Plan), der im Gemeindesaal von Kirchdorf ein viel beachtetes Referat<br />
vor 800 Leuten hielt oder vom Philosophen Pr<strong>of</strong>. Fritj<strong>of</strong> Bergmann, der mit seinem<br />
Konzept der „Neuen Arbeit“ ein Gegenmodell zu Kapitalismus und Kommunismus<br />
vorlegt und immer wieder Station in der SPES-Akademie macht. Die Initiative zur<br />
38
Ergebnisse und Interpretation<br />
Kooperation ging jedoch von der Region aus, die sich ab und zu für spezielle Zwecke<br />
ExpertInnen holte und diese sehr genau auswählte: WissenschafterInnen, die<br />
sich auch mit den „Brandherden“ der Gesellschaft auseinandersetzen, von denen<br />
gibt es etliche, von denen „passen aber nur einige zu uns“ (I2/4/1).<br />
Frithj<strong>of</strong> Bergmann – Philosoph und Vordenker (rechts), und<br />
Martin Hollinetz – SPES-Teamleiter „Arbeit im Wandel“ (Foto: SPES-Akademie)<br />
Es braucht WissenschafterInnen, die die Leute aus der Region, aus dem ländlichen<br />
Raum ernst nehmen, so wie Pr<strong>of</strong>. Millendorfer, der sagte: „Ihr seid nicht die<br />
letzten von gestern, sondern die ersten von morgen (…). Bei einer Umkehr aus der<br />
Sackgasse werden die letzten die ersten sein“ (I3/1/2) und die auch die Sprache der<br />
Menschen in der Region sprechen. „Ich sehe, wie schwer sich ein Wissenschaftler<br />
bei einem Vortrag in einer Gemeinde tut, dort anzukommen. Der kommt aus einer<br />
anderen Welt, der hört eine Frage und rechtfertigt sich mit irgendwas (…) und der<br />
fühlt sich angegriffen, (…) weil die Welten nicht zusammenpassen. Ich glaube, es<br />
braucht schon jemanden dazwischen, einen Übersetzer…“ (I2/8/4). WissenschafterInnen<br />
können jedoch mit ihren Impulsen Innovationen auslösen, einen „Aha-<br />
Effekt! Wo man dann sagt: Super, das haben wir noch nie gedacht! Dieses unmittelbare…<br />
durchaus Erstaunen“ (I2/5/3). So entwickelten sich in Zusammenarbeit mit<br />
forum exkurse<br />
39
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
WissenschafterInnen etwa die Aktivitäten um den Global Marshall Plan oder das<br />
SeniorInnenselbsthilfeprojekt „Zeitbank 55+“.<br />
Durchaus skeptisch äußert sich Fritz Ammer über die Wirkung wissenschaftlicher<br />
Forschung und den Beitrag von renommierten WissenschafterInnen für die Entwicklung<br />
der Region. „Nur, ich glaube, das Bleibende sind nicht die Kometen mit<br />
dem leuchtenden Schweif, die da durch ihren Kosmos ziehen und verglühen, sondern<br />
das Bleibende ist das Territoriale, und was die BürgerInnen draus machen“<br />
(I2/4/4). Gleichzeitig betont er die gute Zusammenarbeit mit Pr<strong>of</strong>. Millendorfer,<br />
der vor allem in der Gründungszeit von SPES mit seinen Inputs über die Rolle des<br />
ländlichen Raumes für Entwicklung wegweisend für die Etablierung von SPES war.<br />
Auch die Bereitschaft von SPES, Heimat für die Wissenschaft zu sein, kann nach<br />
Fritz Ammer als Schlüssel für Zusammenarbeit fungieren „… wenn er [der Wissenschafter,<br />
wie etwa Fritj<strong>of</strong> Bergman] bei uns seinen ,Spind‘ hat, wo er Sachen ablagern<br />
kann und er zieht wieder einmal durch und kann sich wieder einmal updaten,<br />
(...) Wir möchten ein Stück Heimat sein, für die Kometen… Wo sich dann Zusammenarbeit<br />
ergeben kann, wo ein gewisser Geist (...) sich entwickeln kann“ (I2/4/4).<br />
Unsere Aufgabe in der Region ist es dann ein Problemlösungsmodell zu bauen.<br />
WissenschafterInnen leiden daran, „dass sie immer nur Applaus haben, dass sie begehrte<br />
Referenten sind, und dass sie gleichzeitg feststellen, es bleibt von dem, was<br />
sie weitergeben nichts... Es ist ein schlechtes Gefühl zu wissen ‘die Welt rennt in die<br />
Katastrophe, ich weiß genau, was zu tun wäre, aber es setzt niemand um‘… Und das<br />
wäre die Aufgabe von SPES.“ (I2/4/5). Wissenschaft kann Anstöße liefern. Die Übersetzung<br />
für die konkreten Bedürfnisse der Region, die tatsächliche Umsetzung,<br />
wird von den Menschen vor Ort geleistet. Als Beispiele nennt Fritz Ammer „Ich<br />
denke jetzt auch an unsere Entwicklung mit dem Global Marshall Plan, aber auch<br />
jetzt das ganze Thema Zeitbank: 55+, Senioren-Selbsthilfe, (…) wobei ich zwischen<br />
Wissenschaft und best practise irgendwo eine Verknüpfung sehe“ (I2/10/2).<br />
Hilfe von WissenschafterInnen in Form von Begleitforschung, Erforschung von<br />
Prozessen, wird jedoch nicht erwartet, denn solche Erkenntnisse „entstehen beim<br />
Tun!“ (I2/8/5). Es herrscht eher Misstrauen gegenüber dem Wissenschafter, der gut<br />
bezahlt mit gesicherter Existenz „seinen Gedanken nachhängen kann den ganzen<br />
Tag“ (I2/10/5) und er meint, dass „der Druck ein bisschen so in Richtung Anwendungsorientierung<br />
uns allen gut täte“ (I2/10/6).<br />
40
Ergebnisse und Interpretation<br />
6.6 „Das RCE hat schon einen sehr wichtigen Stellenwert mittlerweile“<br />
Welche Chancen und Herausforderungen sehen die Verantwortlichen der<br />
RCEs in Graz und München und SPES-Akademie?<br />
Herausforderungen für das RCE Graz-Styria sind hauptsächlich die eigene Position<br />
im Land zu finden, den Mehrwert einer Begleitforschung durch die Universität<br />
zu kommunizieren und Finanzierung für Projekte zu lukrieren. Für das RCE München<br />
stellt die unterschiedliche Denkweise der verschiedenen Netzwerke eine<br />
Herausforderung dar, die große Anforderungen an die Kommunikationskompetenz<br />
aller Beteiligten stellt. Die Zeit zwischen der wissenschaftlichen Erkenntnis<br />
und der konkreten Umsetzung von Problemlösungen zu verkürzen, VisionärInnen<br />
und VordenkerInnen zu ermutigen, nicht aufzugeben und den aktiven AkteurInnen<br />
genügend Wertschätzung zukommen zu lassen, sind Herausforderungen,<br />
die die SPES Zukunftsakademie sieht. Als Chancen durch das RCE in Graz<br />
werden z.B. Innovationen in der universitären Lehre gesehen, was attraktiv für<br />
Studierende sein kann oder die Möglichkeit Beratung für andere Institutionen<br />
anzubieten mithilfe eines im Rahmen des RCE entwickelten Evaluationstools.<br />
Austausch, Kontaktmöglichkeiten und das Kreieren gemeinsamer Projekte werden<br />
als einige der Vorteile durch das RCE in München beschrieben. Eine große<br />
Chance sieht die SPES Zukunftsakademie im Bauen von guten praktischen Modellen,<br />
um nachhaltige Entwicklung voranzutreiben.<br />
Mader bezeichnet es als Herausforderung sich als RCE in der Steiermark zu positionieren:<br />
„Viele RCEs – die Niederländer z.B. – die sehen sich als Schnittstelle für Bildungseinrichtungen.<br />
Bei uns in der Steiermark gibt es das schon, das macht das UBZ<br />
[das <strong>Umweltbildung</strong>szentrum Steiermark], die machen das hervorragend, es wäre<br />
ein Blödsinn, wenn wir in das hineingehen. Wir schauen halt, dass wir mit denen<br />
zusammenarbeiten…“ (I1/2/2). Eine große Stärke des RCE Graz-Styria jedoch, in<br />
Bezug auf Vorbildwirkung, „das ist die Nachhaltige Uni an sich und dass wir diesen<br />
Wissenstransfer aus der Uni heraus machen können“ (I1/2/3).<br />
Eine weitere große Herausforderung für das RCE Graz-Styria ist – nach Clemens<br />
Mader – anderen Initiativen den Mehrwert einer Begleitforschung deutlich zu machen.<br />
Er sieht die Intensivierung der Kommunikation und Vernetzung als Chance<br />
für die Vermittlung der Bedeutung des RCE „Je mehr wir eben nach außen publik<br />
werden, desto mehr werden dann auch die Leute auf uns zukommen“ (I1/4/7). Dann<br />
könne eine „Kompetenz- und Wirkungserweiterung der Uni“ (I1/7/5) erfolgen.<br />
forum exkurse<br />
41
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Ein wichtiger Aspekt ist die Partizipation der Studierenden und deren Austausch<br />
mit der Region, der Stadt, dem Umfeld. Von dem schon erwähnten Forschungsprojekt<br />
zur BürgerInnenbeteiligung der Stadt Graz in Kooperation mit dem RCE<br />
pr<strong>of</strong>itieren die Studierenden, da sie sich aktiv in den Forschungsprozess einbringen.<br />
Zukünftig könnten solche Kooperationsprojekte auch als „Marketingtool“ der<br />
Universität Graz gesehen werden. Als Beispiel verweist er auf das Studium der Umweltsystemwissenschaften,<br />
ein interdisziplinärer Studiengang, der in den 1990er<br />
Jahren von Studierenden entwickelt wurde. Dieses ist „einzigartig in dieser Form,<br />
dafür kommen Studierende aus ganz Österreich und auch international nach Graz,<br />
so könnte ich mir vorstellen, wenn wir uns auch mit dem RCE positionieren und das<br />
hinaustragen, dass die Studierenden auch zu uns kommen“ (I1/7/6).<br />
Clemens Mader hat in einem von der Nationalbank finanzierten Forschungsprojekt<br />
ein Modell entwickelt, wie Entwicklungsprozesse ablaufen. Es wurden Prinzipien<br />
identifiziert, die Zusammenwirken müssen, um integrative Prozesse zu ermöglichen,<br />
das sind: Leadership, ein soziales Netzwerk, Partizipation, Bildung und<br />
Forschung und eine gemeinsame Vision (vgl. Mader 2009a). Es zeigt auf: „wenn<br />
ihr euch entwickeln wollt in der Region, dann braucht ihr eine Vision für die Region,<br />
dann braucht ihr einen Key-Actor (Leadership), das kann ein Bürgermeister, ein regionaler<br />
Akteur, ein Lehrer sein,(…) dann braucht es ein soziales Netzwerk, das die<br />
Vision und den Prozess unterstützt (entweder mit financial oder human ressources<br />
oder beidem), dann braucht es Partizipation, dass man die Leute in der Region, die<br />
Betr<strong>of</strong>fenen auch einbindet. Dass man die Vision vermittelt an die gesamte Region,<br />
dass nicht nur der einzelne Akteur seine Vision vorantreibt, vielleicht mit einem<br />
kleineren oder größeren Netzwerk, sondern die Bevölkerung darf mitbestimmen bis<br />
zu einem gewissen Level“ (I1/11/7-11). Mader verweist dazu auf ein Stufenmodell,<br />
das darstellt, inwieweit Partizipation sinnvoll und hilfreich ist, und ab wann dadurch<br />
Entwicklungsprozesse verhindert oder zumindest verlangsamt werden. Die<br />
beiden Bereiche Bildung und Forschung müssen ebenfalls in den Gesamtprozess<br />
integriert werden. Im Falle von Nachhaltigkeitsprozessen würde das etwa bedeuten,<br />
zu vermitteln und bewusst zu machen: Was ist Nachhaltige Entwicklung? Die<br />
aktiv beteiligten Personen sollen sich im Laufe des Prozesses weiterbilden und<br />
weiterentwickeln im Sinne eines lebenslangen Lernens. Auch das „organisational<br />
learning“, oder „regional learning, das fällt in diesen Bildungsbereich hinein und dadurch<br />
wird auch ein creative milieu geschaffen, (…) , wo sie [die beteiligen Personen<br />
im Netzwerk] ihre Ideen und kreativen Fortschritt ausleben“ (I1/11/13) können.<br />
In diesen integrativen Prozess soll auch Forschung integriert sein: Forschung zu<br />
42
Ergebnisse und Interpretation<br />
Prozessbegleitung und Prozessweiterentwicklung. „Dass man sagt, ok, was lernen<br />
wir aus diesem Prozess, wie können wir das für den nächsten Prozess weiterentwickeln,<br />
vorantreiben“ (I1/11/14).<br />
RCE-Modell RCE Graz-Styria<br />
Dieses Modell zeigt für Mader auf, „woran es beim RCE noch mangelt, woran wir<br />
beim RCE noch arbeiten müssen: Die Vision, oder die Vermittlung der Vision vom<br />
RCE (…), ist noch nicht ganz klar eigentlich, wir können ja nicht irgendwie alles<br />
oder nichts machen – also eine klare Vision, an der sich die Leute anhalten können<br />
und mitarbeiten können“ (I1/11/16). Der zweite Schwachpunkt ist Partizipation:<br />
„…die Netzwerke, die Partner die wir haben, die sollen sich auch als Teil des RCE<br />
forum exkurse<br />
43
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
identifizieren und das RCE mit entwickeln“ (I1/11/15). Derzeit hängt noch sehr viel<br />
der Aufgaben zur Weiterentwicklung des RCE an den InitiatorInnen. Die anderen<br />
Bereiche sind schon gut entwickelt: „Bildung und Forschung machen wir recht gut<br />
im Moment, das sind auch unsere Kernkompetenzen. Social Network denke ich haben<br />
wir auch ein gutes. Darauf bauen und stehen unsere Projekte derzeit, auf dem<br />
Netzwerk, das wir bereits haben, wo wir die Leute dazu holen, Mittel akquirieren,<br />
Projekte haben, Projektpartner von NGOs und Vereinen, da kriegen wir unsere Projekte<br />
her, vom sozialen Netzwerk“ (I1/11/17).<br />
Das Modell kann als Instrument für die Evaluation von Entwicklungsprozessen<br />
auch in anderen Regionen und für andere Prozesse eingesetzt werden. Diese<br />
Kompetenz zählt zu den Stärken des RCE, damit können sie auch Beratung leisten.<br />
Dies hat auch schon stattgefunden, so z.B. bei einem <strong>Regional</strong>entwicklungsprojekt<br />
in Schweden. 2010 wurde vom RCE Graz-Styria in Zusammenarbeit mit der<br />
UNU eine online Reporting Plattform aufgebaut. Alle RCEs weltweit sind seit diesem<br />
Jahr aufgefordert ihre Jahresberichte in diese online Datenbank einzugeben<br />
und haben die Möglichkeit die Projekte der anderen einzusehen und von diesen<br />
zu lernen bzw. sich inspirieren zu lassen. Damit kombiniert ist die Evaluierung der<br />
RCEs und deren Projekte durch das Grazer Modell. Für das RCE Graz-Styria ergibt<br />
sich somit die einzigartige Möglichkeit anhand von unzähligen Projekten weltweit<br />
aus unterschiedlichen Kulturräumen und mit verschiedensten Herausforderungen<br />
zu lernen und diese Erkenntnisse den Studierenden zugänglich zu machen.<br />
Das RCE München hat sich als Organisation zum Thema Bildung für Nachhaltige<br />
Entwicklung einen wichtigen Stellenwert in der Stadt erarbeitet. Die Vorteile und<br />
Chancen sind „die schnellen Wege, die guten Kontakte, der Austausch, (…), also es<br />
ist schon sehr nah dran an einer fast nicht mehr wegzudenkenden… Organisation<br />
zum Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung, hat schon einen sehr wichtigen<br />
Stellenwert mittlerweile“ (I1/6/40). Den innovativen Mehrwert des RCE München<br />
stellt ein „(...) gedankliches Zusammenrücken, ein inhaltliches Zusammenrücken,<br />
mehr Absprache“ dar, „weil Projekte macht jeder sowieso (…), aber die gemeinsamen<br />
Gedanken und die gemeinsamen Ideen, das war vorher nicht“ (I3/1/10-13).<br />
Als Herausforderung, der man sich auch schon gestellt hat, wird die unterschiedliche<br />
„Sprache“, eine andere Denkweise, das unterschiedliche Verständnis von<br />
Prozessen und Begriffen der sehr diversen Mitgliedsorganisationen und Personenkreise<br />
gesehen. So agieren etwa Unternehmen tendenziell eher ergebnis-<br />
44
Ergebnisse und Interpretation<br />
orientiert und werden ungeduldig, wenn zu viel „herumgeredet“ wird, während<br />
VertreterInnen der Pädagogischen Hochschule, oder des Schulreferates gerne länger<br />
diskutieren und weniger Druck verspüren zu schnellen Entschlüssen kommen<br />
zu müssen. Um diese Thematik anzusprechen, wurden Netzwerkmanagement-<br />
Workshops oder auch Strategieworkshops, ein Workshop mit Dennis Meadows<br />
veranstaltet, die dazu beigetragen haben, dass man besser mit den Unterschieden<br />
umgehen kann und diese versteht. Zu den Möglichkeiten und Chancen, die das<br />
RCE BenE München bietet, sagt Frau Kuborn abschließend: Es ist den Institutionen<br />
selber überlassen, wie sie die Plattform nutzen „Man kann unglaublich viel<br />
dadurch erreichen, man kann die eigene Institution dadurch stärken“ (I3/6/39).<br />
Die Suche nach Finanzierung für das RCE Graz-Styria wird von Clemens Mader als<br />
große Herausforderung dargestellt: Projekte werden so ausgewählt „dass man halt<br />
schaut, wo sind irgendwo auch Fördertöpfe?“ (I1/4/6). Aktivitäten und Kooperationen<br />
entstehen „wo es Ausschreibungen, Förderungen ‚low hanging fruits‘ [gibt], z.B.<br />
ProVision war eine Ausschreibung, wo es um lokale Agenda 21 in Regionen geht“<br />
(I1/4/5). Hier konnte das Geographieinstitut <strong>Expertise</strong> u.a. im Bereich Partizipation<br />
anbieten „und die Stadt Graz fragt uns auch noch an, super! Machen wir das gemeinsam<br />
(...)“ (I1/4/5). ProjektpartnerInnen werden auch durch bestehende Kontakte<br />
gefunden, die für Ausschreibungen passen. Dass das Projekt Nachhaltigkeitslehrpfad<br />
mit dem Jugendzentrum in Tr<strong>of</strong>aiach realisiert wurde „ist nicht zuletzt auch<br />
daran gelegen, dass wir halt einen guten Kontakt zum Landesjugend-Referat haben,<br />
das Landesjugend-Referat fördert schulexterne Institutionen, da haben wir halt eine<br />
schulexterne Organisation als regionalen Partner gebraucht. Und ins<strong>of</strong>ern das Jugendzentrum<br />
und nicht eine Schule … Ist schon auch über Förderung gesteuert…“<br />
(I1/5/1) und versucht natürlich seine Ideen und seinen Nachhaltigkeitsgedanken zu<br />
verwirklichen (...)“ (I1/9/5).<br />
Im Gegensatz zum RCE Graz-Styria und München, wo es eine Sockelfinanzierung<br />
für den Betrieb gibt (u.a. durch die Ansiedelung bei Universität bzw. Pädagogischem<br />
Institut), ist die SPES Zukunftsakademie eigenfinanziert „wir sind nicht<br />
finanziert, wir müssen uns selber finanzieren“ (I3/5/2). Eine der wichtigsten Herausforderungen,<br />
der sich die SPES Zukunftsakademie stellen will, sieht Ammer darin,<br />
die Zeit zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Lösung von brennenden<br />
Problemen und deren konkreter Umsetzung zu verkürzen. „Wenn mir die Welt den<br />
Bach hinuntergeht, dann sind mir 30 Jahre zu lang“ (I2/5/2). Der Ausweg wird in der<br />
Erstellung von Pilotprojekten gesehen: „Das eine ist die Grundlagenforschung, das<br />
forum exkurse<br />
45
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
andere ist die praktische Forschung, aber dann braucht es den Modellbau“ (I2/5/2).<br />
Funktionierende Modelle zu bauen ermöglicht es auch SkeptikerInnen zu zeigen,<br />
dass neue Wege gangbar sind. Wenn jemand behauptet, dass Dinge nicht möglich<br />
seien, dann kann man am funktionierenden Beispiel zeigen, dass es doch geht<br />
(siehe oben, 6.2. Aktivitäten). Um die Kraft und Energie, die es für Veränderung<br />
braucht, zu bekommen, ist es wichtig, „dass wir an Spannungspunkten ansetzen,<br />
weil dort hast du Energie. Überall dort, wo es nur weh tut, hast du zu wenig Energie,<br />
das halten wir aus, dass es ein bisschen weh tut. Leiden ist leichter als Handeln.<br />
Es braucht schon einen richtigen Schmerz, dann bekommst du – z.B. in der Politik<br />
– entsprechende Ressourcen und Mittel“ (I2/5/1). Gerade wenn es um neue und<br />
ungewöhnliche Ideen geht, entsteht laut Ammer eine weitere Herausforderung,<br />
denn PionierInnen und VordenkerInnen werden meist in unserer Gesellschaft<br />
zu wenig geschätzt, sie sind <strong>of</strong>t ungewöhnliche Menschen, die nicht verstanden<br />
werden. „Ich muss also auch schauen, dass ich in einer Region ganz behutsam die<br />
Leute entdecke, die sich in der Vergangenheit aufgeopfert haben, vielleicht in der<br />
Zwischenzeit aber bitterböse und sauer geworden sind“ (I2/7/4), denn „du brauchst<br />
so Leute, ohne die passiert aber nichts! (…) Wir müssen bei uns in der Gemeinde<br />
recht aufpassen, dass wir in den Prozessen die Pioniere nicht verlieren“ (I2/8/1). Als<br />
wichtige Komponente für erfolgreiche und zukunftsweisende Arbeit im Bereich<br />
Nachhaltige Entwicklung betont Fritz Ammer daher die Wertschätzung für die involvierten<br />
AkteurInnen: „Es muss in der Region nicht nur Leute geben, die buddeln,<br />
sondern es muss auch die Leute geben, die diejenigen sehen, die buddeln! (…) aber<br />
nicht nur das banale Lob, sondern das Bewusstsein, es ist wertvoll, was ich tue ist<br />
wichtig. Jeder von uns will eine anerkannt sinnvolle Tätigkeit verrichten – danach<br />
haben wir Sehnsucht!“ (I3/7/4).<br />
46
7 Fazit und Empfehlungen<br />
Fazit und Empfehlungen<br />
7.1 Gründung und Rahmenbedingungen<br />
Die Gründung des RCE Graz-Styria geht auf engagierte Lehrende an der Universität<br />
zurück, in München auf eine Allianz von Netzwerken und Institutionen, in<br />
SPES auf einen Diskussionskreis interessierter, aktiver BürgerInnen. Entsprechend<br />
unterschiedlich sind die Key-Actors und die vorrangigen Handlungsfelder. In Graz<br />
sieht sich das RCE vor die Herausforderung gestellt, besser bekannt zu werden<br />
und die AkteurInnen in der Region von der Sinnhaftigkeit der Einbeziehung von<br />
Wissenschaft und Forschung in regionale Entwicklungsprozesse im Sinne einer<br />
Nachhaltigen Entwicklung zu überzeugen. Dementsprechend müssen Projekte<br />
gefunden, durchgeführt und auch kommuniziert werden, die aufzeigen, welche<br />
unterstützende Funktion eine Universität in Zusammenarbeit mit AkteurInnen vor<br />
Ort leisten kann. Das RCE Graz-Styria geht aktiv auf mögliche PartnerInnen zu, und<br />
bietet seine <strong>Expertise</strong> an. Die H<strong>of</strong>fnung ist, dass, wenn es Vorzeigeprojekte gibt,<br />
andere PartnerInnen aufmerksam auf die Vorzüge eines Kooperationsprojektes<br />
mit einer Universität werden und aktiv auf die ProponentInnen des RCE Graz-Styria<br />
zugehen. Der Vorteil dieser Gründungskonstellation ist, dass die <strong>Expertise</strong> der<br />
Universität ganz selbstverständlich einen Kernbestandteil aller bisherigen Projekte<br />
darstellt.<br />
Die ProponentInnen des RCE München brauchen nicht aktiv auf die Suche nach<br />
weiteren PartnerInnen zu gehen, es besteht bereits von Anfang an eine breite Basis<br />
von unterschiedlichen Institutionen, Key-Actors und Netzwerken, die gemeinsam<br />
das RCE tragen. Weitere InteressentInnen kommen hinzu, weil sie die Aktivitäten<br />
sehen, sie müssen nicht seitens des RCE geworben werden. Großangelegte<br />
Aktionen, wie der Münchner Klimaherbst sind weitere öffentlichkeitswirksame<br />
Aktivitäten. Da die Stadt München ein Mitglied des RCE ist, ebenso wie weitere bereits<br />
lang aktive Netzwerke mit großem Bekanntheitsgrad, werden die Initiativen<br />
des RCE in der Öffentlichkeit gut wahrgenommen. Das RCE nennt sich BenE München<br />
und knüpft dabei an Begriffe an, die in München bereits bekannt und positiv<br />
besetzt sind, es muss dadurch nicht mehr erklärt werden, was ein RCE ist und was<br />
dessen Ziele sind. Es gibt bereits eine Vielzahl von Aktivitäten durch die Mitgliedsorganisationen,<br />
die vom RCE zum Teil „nur“ mehr gebündelt und vernetzt werden<br />
müssen. Daraus entstehen wiederum neue Initiativen. Die Geschäftsleitung des<br />
RCE München kann sich daher auf die Zurverfügungstellung der organisatorischen<br />
Unterstützung und Managementaufgaben konzentrieren.<br />
forum exkurse 47
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Die SPES Zukunftsakademie ist aus einem Kreis aktiver und zum Teil in der Region<br />
sehr gut eingebetteten, bzw. einflussreichen BürgerInnen hervorgegangen, wie<br />
Bürgermeister, einer Vertreterin der Wirtschaftskammer, etc. und war somit von<br />
Anfang an in den unterschiedlichsten Bereichen des öffentlichen Lebens verankert.<br />
Mittlerweile haben sich Subprojekte gebildet, die sich auf unterschiedliche<br />
Aufgaben konzentrieren können, wie die Arbeitsstiftung, die Familien-Akademie<br />
oder die Initiative „Gemeinden & Regionen“ etc.<br />
Empfehlung: Bei der Gründung eines RCE erscheint es sinnvoll von vornherein<br />
eine breitgestreute Basis von unterschiedlichen Institutionen und bereits bestehenden<br />
Netzwerken zu schaffen und auch ProponentInnen aus Politik und<br />
Verwaltung mit ein zu beziehen. Dies kann schnell zu großem Bekanntheitsgrad<br />
verhelfen. Es ermöglicht, dass eine breite Palette von Kommunikationskanälen<br />
zur Verfügung steht und erleichtert effizientes Agieren ebenso wie das Finden<br />
gemeinsamer Aktionsbereiche trotz eventueller Schwierigkeiten durch unterschiedliche<br />
Sprache und Denkweisen (wenn diese angesprochen und reflektiert<br />
werden, vgl. BenE München). Wenn Universitätsinstitute mit Erfahrung in<br />
Begleitforschung von Anfang an im RCE eine wesentliche Rolle spielen, fördert<br />
dies, dass wissenschaftliche <strong>Expertise</strong> in Entwicklungsprozesse der Region eingespeist<br />
wird.<br />
7.2 Vision<br />
Eine grundlegende und gemeinsame Vision ist unverzichtbarer Bestandteil, um<br />
integrative Entwicklungsprozesse voranzubringen, postuliert Mader als Ergebnis<br />
seines Forschungsprojektes (vgl. Mader 2009a, b). Durch die „Mühen der Ebene“,<br />
die Alltagsarbeit und den „Kampf“ um Finanzen und Projekte, treten Visionen <strong>of</strong>t<br />
in den Hintergrund und geraten aus dem Blickfeld.<br />
Empfehlung: Es wäre günstig Strukturen zu schaffen, die gewährleisten, dass in<br />
regelmäßigen Abständen Zeit für Reflexion und Evaluation reserviert ist, wo die<br />
aktuellen Aktivitäten vor dem Hintergrund der vereinbarten Ziele und der dahinterliegenden<br />
Visionen reflektiert werden können, und darüber hinaus überprüft<br />
wird, ob die Ziele und Visionen noch den aktuellen Herausforderungen entsprechen<br />
oder adaptiert werden müssen. Hierzu könnten z.B. jährliche oder halbjährliche<br />
Strategieworkshops vereinbart werden.<br />
48
Fazit und Empfehlungen<br />
7.3 Selbstverständnis des RCE<br />
Bei der Befragung der beiden RCEs und der Präsentation der europäischen RCEs<br />
anlässlich der 3rd European RCE Conference in Graz im Dezember 2009 wurde von<br />
den VertreterInnen der Begriff RCE sehr unterschiedlich verwendet. So scheint<br />
etwa die Institution, z.B. die Universität, quasi synonym mit dem Begriff RCE verwendet<br />
zu werden. Bei anderen werden organisatorische Gremien, wie etwa der<br />
Vorstand, oder – in anderen Zusammenhängen wiederum – die Gesamtheit der<br />
vernetzten Netzwerke, als RCE bezeichnet. Es kann vermutet werden, dass diese<br />
Selbstbilder ein Abbild der Verantwortlichkeiten innerhalb des RCE widerspiegelt.<br />
In Graz etwa entstehen Aktivitäten vorwiegend durch die Initiative des Leiters des<br />
RCE an der Universität, in München werden Initiativen durch Mitgliedsorganisationen<br />
gesetzt, die zu unterschiedlichen Themen und Zeiten in unterschiedlichem<br />
Ausmaß aktiv sind.<br />
Empfehlung: Durch wiederholte Diskussion und Klärung des Selbstverständnisses<br />
kann das Bild und damit die Funktion und Mission des RCE sowohl nach<br />
innen immer wieder zur Disposition gestellt werden, wie auch klar nach außen<br />
kommuniziert werden.<br />
7.4 Ausgangspunkte der Aktivitäten<br />
Die Idee der RCEs ging von der UNU (der United Nations University) aus, die Nachhaltige<br />
Entwicklung durch Zusammenführen aller Kräfte aus ExpertInnen vor Ort<br />
in den Regionen, aus Politik und Verwaltung und durch <strong>Expertise</strong> von Wissenschaft<br />
anstreben will. Es besteht die Gefahr, dass dieses Konzept mehr oder weniger<br />
von außen an die Region herangetragen wird und dadurch die Ownership<br />
in den betr<strong>of</strong>fenen Regionen – zumindest zu Beginn – nicht gegeben ist und Akzeptanz<br />
und Interesse erst mühsam aufgebaut werden müssen. Die anfängliche<br />
Energie und Begeisterung der engagierten InitiatorInnen kann dadurch gebremst<br />
und enttäuscht werden, wenn man erst vermitteln muss, dass und was man zur<br />
Weiterentwicklung der Region beitragen möchte.<br />
Die Idee der SPES Zukunftsakademie entstand in der Region selbst und die Aktivitäten<br />
setzten an Problemen und Spannungspunkten der Region an, beispielsweise<br />
der starken Abwanderung in der Gemeinde Steinbach, wo versucht wurde,<br />
die Region wieder zu neu zu beleben, oder an Schwierigkeiten mit der Vermarktung<br />
regionaler Produkte und daher Gründung eines Bauernmarktes. Es war für<br />
forum exkurse 49
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Beteiligte wie Außenstehende klar, welche Vorzüge durch die Unterstützung<br />
im und durch das Netzwerk bestanden. Wenn die Initiative von Problemen in<br />
der Region ausgeht und nicht von einer übergeordneten Idee, die in die Region<br />
hineingetragen wird, ist die Akzeptanz und das Verständnis der Öffentlichkeit von<br />
vorne herein eher gegeben. Ideen für Aktivitäten in der Region rund um die SPES<br />
Zukunftsakademie entstehen z.T. am Stammtisch, VertreterInnen von SPES helfen<br />
bei der Konkretisierung von Ideen, geben Hilfestellung in der Anfangszeit eines<br />
Projektes und ziehen sich zurück, wenn das Projekt von selber weiterläuft. Die Projekte<br />
sind nicht abgeschlossen, wenn die MitarbeiterInnen von SPES das Projekt<br />
verlassen, sondern werden von den Beteiligten und Betr<strong>of</strong>fenen weitergeführt.<br />
Empfehlung: Idealerweise ist der Ausgangspunkt der RCE Initiative eine ganz<br />
konkrete Problematik vor Ort, die Initiative geht von den Betr<strong>of</strong>fenen aus, bzw.<br />
Leidtragende der problematischen Situation sind von Anfang an in die Gründung<br />
des RCE eingebunden. Die Aktivitäten orientieren sich sehr stark an den<br />
Bedürfnissen der Region selbst. Modelle, die aufgrund der Interessen der Leute<br />
vor Ort und mit diesen verwirklicht werden, bestehen in diesem Fall eher weiter,<br />
selbst wenn die Unterstützung von außen nicht mehr gegeben ist.<br />
7.5 Dezentrale Netzwerkknoten als lokale Impulsgeber<br />
Eines der den RCEs zugrundeliegenden Konzepte ist das „nodal network“, ein Netz<br />
mit Knotenpunkten – Haupt- und Nebenknoten, die miteinander und untereinander<br />
vernetzt sind. Nach Manuel Castells (2001) besteht ein Netzwerk aus Knoten<br />
und Strömen. Franz Rauch (2000) verbindet dieses Bild mit einem weiteren Konzept<br />
von Etienne Wenger (1998): Die Knoten hätten demnach die Merkmale von<br />
„Communities <strong>of</strong> Practice“ als Orte, an denen Menschen in gemeinsamer Praxis<br />
kollektiv Lernen und Wissen generieren. Während in den „Zentren“ der Knoten<br />
bzw. Communities <strong>of</strong> Practice gemeinsames relevantes Wissen entwickelt wird,<br />
wird dieses Wissen an der Peripherie (an den Verbindungsstellen zu den „Strömen“)<br />
ausgetauscht, damit hinterfragt und potentiell weiterentwickelt.<br />
50
Fazit und Empfehlungen<br />
Empfehlung: Dieses Bild regt einerseits an, zusätzlich zu den Hauptzentren,<br />
also den Geschäftsstellen der RCEs, weitere Knotenpunkte in den Regionen zu<br />
schaffen, die wiederum untereinander (also nicht unbedingt immer über das<br />
Hauptzentrum laufende) gemeinsame Aktivitäten durchführen (wie dies etwa<br />
im RCE München angedeutet wird). Andererseits wäre es interessant, die Weiterentwicklung<br />
von Impulsen aus den Zentren, die an der Peripherie verändert und<br />
adaptiert werden, zu beobachten und wiederum für andere nutzbar zu machen.<br />
Eine weitere Möglichkeit wäre, MultiplikatorInnen (z.B. Studierende, die aus den<br />
umliegenden Regionen kommen) auszubilden, die dann wiederum in ihre Herkunftsorte<br />
zurückgehen und dort aktiv sind.<br />
7.6 Kommunikation als zentrales Thema<br />
Ein gelungenes Projekt des RCE Graz-Styria ist die Vermittlung von wissenschaftlichen<br />
Erkenntnissen in ländliche Regionen durch die elektronische und interaktive<br />
Übertragung von Vorlesungen und Diskussionen in Gemeindesäle oder andere<br />
öffentlich zugängliche Orte. So können Ideen aus Forschung und Wissenschaft<br />
Leuten zugänglich gemacht werden, die sonst wenig Gelegenheit haben, mit<br />
WissenschafterInnen und ExpertInnen zu diskutieren. Auch in Kirchdorf konnten<br />
WissenschafterInnen prägende Impulse setzen, wie etwa der beschriebene Vortrag<br />
von Franz Josef Radermacher. Wie Fritz Ammer von der SPES Zukunftsakademie<br />
jedoch betont, braucht es großteils eine Übersetzung der Ausdrucksweise<br />
von WissenschafterInnen, die sonst von Laien nicht verstanden werden. Oftmals<br />
bestehen im Gegenteil, Vorbehalte gegenüber ExpertInnen, die aus den Zentren<br />
in ländliche Regionen kommen und als „nicht zu uns passend“ abgelehnt werden.<br />
Im RCE München hat man Workshops zum Finden einer gemeinsamen Sprache<br />
zwischen Leuten aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen organisiert,<br />
um besser kooperieren zu können.<br />
Empfehlung: Bei der Planung von Aktivitäten des RCE sollte den Bereichen Kommunikation<br />
und gegenseitiges Verständnis große Aufmerksamkeit gewidmet<br />
werden. Personen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen – auch<br />
wenn sie ähnliche Ziele und Interessen haben – besitzen <strong>of</strong>t unterschiedliche<br />
Denk- und Ausdrucksweisen. Diskussionen an neutralen Orten (etwa in Gemeindesälen,<br />
Wirtshäusern) und das bewusste Ansprechen von Unterschieden können<br />
Kommunikation auf gleicher Augenhöhe ermöglichen und Vorurteile ab- sowie<br />
Verständnis füreinander aufbauen, als Voraussetzung für gemeinsame Arbeit.<br />
forum exkurse 51
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
7.7 Key – Actors<br />
Wichtige Player in den Bildungsnetzwerken sind ExpertInnen, die ihr Wissen für<br />
Nachhaltigkeitsinitiativen zur Verfügung stellen, oder zusammen mit anderen<br />
Wissen generieren. Eine wesentliche Aufgabe kommt jedoch auch Personen zu,<br />
die dieses Wissen in angemessener Form kommunizieren können. Weiters braucht<br />
es Personen, die das Netzwerk koordinieren und die Strukturen schaffen, damit<br />
die ExpertInnen und die PraktikerInnen zusammenkommen, Wissen und Können<br />
austauschen und gemeinsam aktiv werden können.<br />
Empfehlung: Die ProponentInnen des RCE sollten sich von Anfang an über die<br />
unterschiedlichen Rollen, die ein Netzwerk braucht und über die geeigneten Personen,<br />
die diese Rollen besetzen könnten, verständigen. Es braucht einerseits ExpertInnen,<br />
die Wissen generieren und weitergeben, es braucht aber auch NetzwerkerInnen,<br />
die das Netzwerk zusammenhalten, die für die Sache brennen, in<br />
Zeiten der Stagnation neue Impulse setzen und die Motivation aufrechterhalten.<br />
7.8 Klima der Wertschätzung<br />
Netzwerke sind nach Boos/Exner/Heitger (2000) personenbezogene Beziehungsgeflechte,<br />
die auf gemeinsamen Basisinteressen beruhen und durch aktuelle<br />
Anlässe aktiviert werden. Ebenso zeigen die Erfahrungen der SPES Zukunftsakademie,<br />
dass gute persönliche Beziehungen, sowie gegenseitige Wertschätzung<br />
unabdingbar sind, um längerfristig gemeinsam für eine Sache arbeiten zu können.<br />
Empfehlungen: Wie bei anderen sozialen Netzwerken sollte auch bei RCEs auf<br />
die Qualität der Beziehungen zwischen den Mitgliedern und Beteiligten geachtet<br />
werden. Falls es notwendig scheint, sollten sich die ProponentInnen des RCE, zusätzlich<br />
zu den inhaltlichen und organisatorischen Aktivitäten, die Zeit nehmen<br />
für Teambildungsworkshops und Aktivitäten, die den Zusammenhalt fördern.<br />
52
Fazit und Empfehlungen<br />
7.9 Evaluation und Weiterentwicklung<br />
Im RCE Graz wurde im Zuge eines Forschungsprojektes ein Modell entwickelt,<br />
mit dem regionale Entwicklungsprozesse evaluiert werden können. Dieses wurde<br />
anlässlich der 3rd European RCE Conference in Graz im Dezember 2009 als mögliches<br />
Instrument zur Evaluation von RCEs diskutiert (vgl. Kapitel 6.6). Es wäre interessant,<br />
dieses Instrument (vgl. Mader 2009a) als Hintergrundfolie sowohl bei<br />
der Planung neuer RCEs wie auch zur Weiterentwicklung von bestehenden RCEs<br />
anzuwenden.<br />
forum exkurse 53
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Literatur<br />
BenE München e.V. (Hg.) (2009): Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ein guter<br />
Anfang ist gemacht. Broschüre Selbstbeschreibung. München: Eigenverlag.<br />
Boos, F., Exner, A. & Heitger, B. (2000): Soziale Netzwerke sind anders... In: journal<br />
für schulentwicklung 3, 2000, Klagenfurt.<br />
Castells, M. (2001): Die Netzwerkgesellschaft. Leske + Budrich, Opladen. zitiert in:<br />
Rauch, F. (2002): Ökolog und UMILE. In: umwelt&bildung 3/2002. Umweltdachverband<br />
(Hg.), Wien.<br />
Heintel, P. (2000): Wozu vernetzen? In: journal für schulentwicklung 3, 2000, Klagenfurt.<br />
Kuckarz, U., Dresing, T., Rädiker, S. & Stefer, C. (2007): Qualitative Evaluation. Der<br />
Einstieg in die Praxis. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Mader, C. (2009a): „Transdisciplinary Change Processes in Regions“, Dissertation,<br />
Universität Graz.<br />
Mader, C. (2009b): Principles for Integrative Development Processes towards Sustainability<br />
in Regions, Universität Graz.<br />
Mader, C. (2009c): Präsentationsunterlagen zum Workshop “Evaluation & Assessment<br />
<strong>of</strong> RCEs and Annual Reporting”, 3rd European RCE Conference, Universität<br />
Graz.<br />
Mader, C. et. al. (2008): <strong>Regional</strong> Centre <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong> (RCE) Graz-Styria. A process <strong>of</strong><br />
mobilization facing regional challenges. International Journals <strong>of</strong> Sustainability<br />
in Higher Education, Juni 2008.<br />
Mayring, P. (2002): Einführung in die Qualitative Sozialforschung. Weinheim und<br />
Basel: Beltz Verlag.<br />
Mayring, P. (2007): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim<br />
und Basel: Beltz Verlag.<br />
Rauch, F. (2000): Was hält Netzwerke zusammen? In: journal für schulentwicklung<br />
3, 2000, Klagenfurt.<br />
RCE Graz-Styria (o.J.): Folder Selbstbeschreibung.<br />
SPES (Hg.) (2005): Nachhaltigkeitsbericht. Neue Wirklichkeiten schaffen. Schlierbach:<br />
Eigenverlag.<br />
Wenger, E. (1998): Communities <strong>of</strong> Practice. Learning as a Social System. In:<br />
Systems Thinker, June 1998. In: Umweltdachverband (Hg.): umwelt&bildung<br />
3/2002.<br />
54
Websites<br />
BenE München e.V., www.bene-muenchen.muc.kobis.de/cms/front_content.php<br />
und www.bene-muenchen.de/<br />
FORUM <strong>Umweltbildung</strong>, www.umweltbildung.at<br />
RCE Graz-Styria, www.rce-graz.at<br />
SPES Zukunftsakademie, www.spes.co.at<br />
United Nations University/Institute <strong>of</strong> Advanced Studies – UNU-IAS,<br />
www.ias.unu.edu<br />
Literatur<br />
forum exkurse 55
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
Anhang<br />
Anhang 1: Interviewleitfäden<br />
a) Interview-Leitfaden RCEs<br />
1. Was waren die Gründe für das RCE?<br />
2. Was waren Gründungsbedingungen?<br />
3. Rahmenbedingungen jetzt?<br />
4. Was sind die Ziele/Visionen des RCE?<br />
5. Wer sind die Key-Actors?<br />
6. Was sind die Aufgaben, Rollen der einzelnen Mitgliedsinstitutionen?<br />
7. Wie funktioniert das Netzwerk (Verständnis von „Netzwerk“ in diesem Zusammenhang<br />
– gleicher Stellenwert oder Hierarchie)?<br />
8. Wie sind die Betr<strong>of</strong>fenen eingebunden, Partizipation?<br />
9. Von wem gehen die Initiativen/Projekte aus? Wie werden Projekte gefunden?<br />
10. Beispiele für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Projekte<br />
11. Was sind Vor- und Nachteile, wenn das RCE von der Stadt ausgeht (im Vergleich<br />
dazu, wenn es von einer NGO oder von einer Uni ausgeht)?<br />
12. Wie schaut die Forschung im RCE aus?<br />
13. Definitionen:<br />
a. Was versteht das RCE unter Forschung?<br />
b. Was versteht das RCE unter Bildung?<br />
14. Was sind Chancen und Herausforderungen des RCE aus heutiger Sicht?<br />
15. Was sind die weiteren Pläne?<br />
b) Interview-Leitfaden SPES<br />
1. Was waren die Gründe für die SPES Akademie?<br />
2. Rahmenbedingungen jetzt?<br />
3. Was sind die Ziele/Visionen?<br />
4. Wer sind die Key-Actors?<br />
5. Was sind die Aufgaben, Rollen der einzelnen Mitgliedsinstitutionen?<br />
6. Wie funktioniert das Netzwerk (Verständnis von „Netzwerk“ in diesem Zusammenhang<br />
– gleicher Stellenwert oder Hierarchie)?<br />
7. Wie sind die Betr<strong>of</strong>fenen eingebunden, Partizipation?<br />
8. Von wem gehen die Initiativen/Projekte aus? Wie werden Projekte gefunden?<br />
9. Beispiele für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Projekte<br />
56
10. Was sind Vor- und Nachteile der SPES Akademie im Vergleich zu einem RCE<br />
und im Vergleich dazu, wenn es von einer Uni ausgeht?<br />
11. Welchen Stellenwert haben WissenschafterInnen und hat die Forschung in<br />
der SPES Akademie?<br />
12. Definitionen:<br />
a. Was verstehen Sie unter Forschung?<br />
b. Was verstehen Sie unter Bildung?<br />
13. Was sind Chancen und Herausforderungen der SPES Akademie aus heutiger<br />
Sicht?<br />
14. Was sind die weiteren Pläne?<br />
Anhang 2: Verwendete Transkriptionsregeln<br />
1. Wörtliche Transkription (nicht lautsprachlich, nicht zusammenfassend).<br />
2. Sowohl Sprache als auch Interpunktion werden leicht geglättet, d. h. an das<br />
Schriftdeutsch angenähert.<br />
3. Deutliche und längere Pausen werden durch Auslassungspunkte markiert: …<br />
4. Auslassungen durch die/den Transkribierende/n: (…)<br />
5. Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstreichungen gekennzeichnet.<br />
6. Lautäußerungen der befragten Person, die eine Aussage unterstützen oder<br />
verdeutlichen (etwa Lachen oder Seufzen), werden in Klammern notiert.<br />
7. Einfügungen durch die AutorInnen sind in eckige Klammern gesetzt und<br />
nicht kursiv gestellt.<br />
(vgl. Kuckartz, Dresing, Rädiker, Claus 2007, S. 27f.).<br />
Anhang 3: Kategorien<br />
Aktivitäten<br />
Chancen<br />
Entwicklung<br />
Herausforderungen<br />
Initiative<br />
Partizipation<br />
Qualitätssicherung<br />
Rahmenbedingungen<br />
Uni<br />
Vernetzung<br />
Ziele<br />
Zukunftsvision<br />
Begriff Bildung<br />
Begriff Forschung<br />
Anhang<br />
forum exkurse 57
<strong>Regional</strong> <strong>Centres</strong> <strong>of</strong> <strong>Expertise</strong><br />
58