Umb Lage 06 - AK - Tirol
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Frauen in <strong>Tirol</strong> und ihre Lebensformen<br />
Fraueneinkommen<br />
Die Frau in der Arbeitswelt<br />
Mädchen im Arbeitsleben<br />
Frauenbildung – Frauenkarrieren<br />
<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />
Rolle der Frau bei Energie und Verkehr<br />
Arbeitsmarktentwicklung<br />
Insolvenzen und Neugründungen<br />
Die <strong>Lage</strong><br />
der Arbeitnehmer<br />
und<br />
Arbeitnehmerinnen<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
20<strong>06</strong>
2<br />
Autoren der Studie<br />
Frauen und ihre Lebensformen<br />
Mag. Beate-Maria Frei, Mag. Verena Simetzberger, Dr. Reinhard Fischer<br />
Fraueneinkommen<br />
Mag. Hubert Zimmermann<br />
Die Frau in der Arbeitswelt<br />
Dr. Thomas Radner, Dr. Maria Haid, Mag. Helmut Hilgart, Dr. Jörg Hofer,<br />
Mag. Georg Humer, Dr. Domenico Rief<br />
Mädchen im Arbeitsleben<br />
Dr. Peter Schumacher<br />
Frauenbildung – Frauenkarrieren<br />
DDr. Erwin Niederwieser, Mag. Barbara Anschober, Mag. Walter Hotter,<br />
Mag. Brigitte Irowec<br />
<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />
Dr. Ulrike Tembler, Mag. Erich Kraus, Dr. Hans Lechleitner, Mag. Gabriela<br />
Schiestl, Mag. Judith Schimpfössl, Mag. Christian Schuster, Dr. Bernhard<br />
Sigmund, Mag. Johann Stolz<br />
Rolle der Frau bei Energie und Verkehr<br />
Mag. Hartwig Röck, Mag. Martin Stubenböck<br />
Arbeitsmarktentwicklung 2005<br />
Mag. Hubert Zimmermann<br />
Insolvenzen und Neugründungen<br />
Mag. Klaus Schönach<br />
Soweit im Folgenden personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher<br />
Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher<br />
Weise.<br />
Fotos: Illustriert wird der diesjährige Bericht durch Fotos von Ereignissen, Veranstaltungen und<br />
Wettbewerben, die im Laufe des letzten Jahres von der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> durchgeführt wurden.
Inhalt<br />
Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7<br />
Frauen in <strong>Tirol</strong> und ihre Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15<br />
Fraueneinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 29<br />
Die Frau in der Arbeitswelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 49<br />
Mädchen im Arbeitsleben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 67<br />
Frauenbildung – Frauenkarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 75<br />
<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 101<br />
Rolle der Frau bei Energie und Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 119<br />
Arbeitsmarktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 135<br />
Insolvenzen und Neugründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 151<br />
Impressum:<br />
Verleger und Herausgeber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für <strong>Tirol</strong>, 6010 Innsbruck<br />
Redaktion: Dr. Elmar Schiffkorn, Mag. Christine Mandl, Mag. Gabriela Huter<br />
Fotos: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>, Gerhard Berger<br />
Druck: RWF-Frömelt & Hechenleitner, Wattens • Layout: heko-grafic Tulfes<br />
3
4<br />
Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick<br />
✘ 18.900 Alleinerzieherinnen in <strong>Tirol</strong> – Jede dritte Ehe scheitert<br />
✘ Frauen müssen dazuverdienen – Nur 45 Prozent der beschäftigten<br />
Frauen arbeiten Vollzeit<br />
Teilzeitarbeit nicht Existenz sichernd – Oft unterqualifiziert<br />
Dominanter Frauenanteil bei Atypischen in <strong>Tirol</strong>: 71 Prozent<br />
✘ Jede zweite Frau mit Kindern findet Betreuungsangebot unzureichend<br />
– Zu wenig ganztägige Betreuung mit Mittagstisch für Kinder<br />
im Vorschul- und Schulbereich<br />
✘ Nur 55 Prozent aller Arbeitnehmer (43 Prozent weibliche, 65 Prozent<br />
männliche) in <strong>Tirol</strong> sind ganzjährig und Vollzeit beschäftigt<br />
Österreichweit niedrigster Wert<br />
✘ Enorme Dynamik am Arbeitsplatz – Ein Drittel der <strong>Tirol</strong>er Beschäftigten<br />
wechselt innerhalb von fünf Jahren Beruf oder Branche<br />
✘ Mehr als 100.000 Personen in <strong>Tirol</strong> nichtganzjährig beschäftigt<br />
✘ Durchschnittliches Jahresbruttoeinkommen der unselbstständig<br />
beschäftigten Frauen in <strong>Tirol</strong>: 15.391 Euro<br />
Bei ganzjährig Vollzeit beschäftigten Frauen in <strong>Tirol</strong>: 23.020 Euro<br />
brutto – Das sind um 2.671 Euro weniger als im Ö-Schnitt<br />
✘ Frauen und Männer in <strong>Tirol</strong> haben Österreichweit die niedrigsten<br />
Einkommen<br />
<strong>Tirol</strong> hat Österreichweit höchsten Anteil an Niedrigverdienern<br />
✘ Minderbezahlung zwischen Frau und Mann: 43 Prozent – <strong>Tirol</strong>er<br />
Frauen haben Österreichweit die zweithöchste Minderbezahlung<br />
✘ Einkommensverteilung klafft immer weiter auseinander<br />
60 Prozent der <strong>Tirol</strong>erinnen beziehen knapp 29 Prozent aller<br />
Arbeitsbruttoentgelte<br />
✘ Je niedriger die Arbeitnehmereinkommen umso höher die Reallohnverluste<br />
– Stärkste Einbußen in den Jahren 1996, 1997 und 2001<br />
✘ Mehr als zwei Drittel der Bediensteten im Handel sind weiblich –<br />
Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten haben Anteil der geringfügig<br />
Beschäftigten stark erhöht<br />
✘ Jedes zweite Arbeitsverhältnis im Handel wird innerhalb eines Jahres<br />
aufgelöst<br />
Arbeitsrechtliche Ansprüche Geringfügiger oftmals nicht bekannt<br />
✘ Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten gingen voll zu Lasten der<br />
berufstätigen Mütter<br />
Weitere Liberalisierung im Handel ist abzulehnen
Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick<br />
✘ Lehre: Knapp 40 Prozent aller Mädchen lernen Verkäuferin oder<br />
Friseurin<br />
✘ Mieten in <strong>Tirol</strong> vor allem in Ballungsgebieten nahezu unerschwinglich<br />
Knapp 30 Prozent des Haushaltseinkommens entfallen auf<br />
Wohnungskosten<br />
Gleichstellung von Wohn- und Mietzinsbeihilfe gefordert<br />
✘ Extreme Steigerung bei Energiepreisen seit 1995: Plus 120 Prozent<br />
beim Heizöl – Explodierende Energiekosten wirken sich noch<br />
dramatischer bei niedrigen Einkommen aus<br />
✘ Rekordwert in <strong>Tirol</strong>: Rund 71.000 <strong>Tirol</strong>er waren 2005 zumindest<br />
einmal arbeitslos<br />
✘ Im Monatsschnitt 17.439 Arbeitslose in <strong>Tirol</strong> – 1.553 Arbeitslose in<br />
Schulung – Arbeitslosenrate 5,8 Prozent – Samt Schulungsteilnehmern:<br />
6,3 Prozent<br />
✘ Starker Arbeitskräftezustrom aus dem Ausland nach <strong>Tirol</strong><br />
37.356 Personen = 13,3-Prozent-Anteil<br />
In acht Jahren stieg ihre Zahl in <strong>Tirol</strong> um 54 Prozent<br />
✘ 54 Prozent aller Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> kommen aus Saisonbranchen<br />
53 Prozent aller Arbeitslosen mit Einstellungszusage<br />
✘ In fünf Jahren Arbeitslosenzahl in <strong>Tirol</strong> um knapp 30 Prozent<br />
gestiegen – Lienz, Landeck und Imst zählen Österreichweit zu den<br />
Bezirken mit höchster Arbeitslosigkeit<br />
✘ <strong>Tirol</strong>: „Nur“ drei Prozent Arbeitslosenrate bei Angestellten =<br />
Vollbeschäftigung<br />
„Aber“ neun Prozent Arbeitslosenrate bei Arbeitern<br />
✘ 2.123 Arbeitnehmer von 605 Insolvenzen in <strong>Tirol</strong> betroffen<br />
Größter Konkurs: Firma Pittl<br />
129 Insolvenzen in Tourismus-Gastgewerbe mit 332 Mitarbeitern<br />
Bauwesen: 57 Firmen mit 232 Arbeitnehmern von Insolvenz betroffen<br />
Transportwesen: 48 Firmen, 247 betroffene Mitarbeiter<br />
Austria Tabak AG Schwaz: 90 Mitarbeiter verloren Arbeitsplatz<br />
5
Einleitung<br />
7
8<br />
Einleitung<br />
<strong>Tirol</strong> braucht Leistungskraft der Frauen<br />
WAW-Studien zur Ist-Situation für Frauen<br />
Eine zukunftsorientierte Gesellschaft setzt alle Hebel in Bewegung, um für<br />
Frauen mit Kind Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf zu schaffen: <strong>Tirol</strong> kann damit seine wirtschaftliche Leistungskraft<br />
steigern.<br />
In <strong>Tirol</strong> sind rund 174.000 Frauen erwerbsaktiv. Unter Einrechnung aller<br />
Unterbrechungen, wie Saisonbeschäftigung oder Arbeitslosigkeit, besetzen<br />
Arbeitnehmerinnen rund 93.000 Arbeitsplätze. Von den rund 27.000 am<br />
Markt orientierten <strong>Tirol</strong>er Betrieben sind fast 20.000 auf die Mitarbeit von<br />
Frauen angewiesen.<br />
Was besonders beeindruckend ist: Diejenigen Betriebe, die auf die Mitarbeit<br />
von Frauen setzen und diese fördern, indem die Rahmenbedingungen – wie<br />
Vereinbarkeit von Kind und Beruf, Karrieremöglichkeiten und Weiterbildungsangebote<br />
– passen, agieren und wirtschaften überdurchschnittlich<br />
erfolgreich am Markt.<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat daher in ihrem heurigen Bericht zur <strong>Lage</strong> der Arbeitnehmer<br />
und Arbeitnehmerinnen den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Situation<br />
der berufstätigen Frau gelegt. Aus den unterschiedlichsten Perspektiven<br />
werden dabei die Probleme am Arbeitsplatz und beim Einkommen durchleuchtet.<br />
Die Experten haben aber auch die sozialpolitische und gesellschaftliche<br />
Rolle der Frau hinterfragt sowie die besondere Problematik der<br />
Berufsunterbrechung wegen Kindererziehung aufgezeigt, vor allem im Hinblick<br />
auf Karriereplanung und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
Die Wirtschafts- und Arbeitsforschung West (WAW) am Zukunftszentrum<br />
<strong>Tirol</strong> hat in ihren Studien „Ein Kind (K)ein Hindernis im Berufsleben?“ (April<br />
2005) und „Berufliche Aufstiegschancen für Frauen in <strong>Tirol</strong>“ (Jänner 2004)<br />
die wichtigsten Fakten dazu detailliert herausgearbeitet.<br />
Vor allem wurde auch der Frage nachgegangen, welche Potenziale <strong>Tirol</strong><br />
dafür bietet, die Wirtschaftskraft und den Lebensstandard unseres Landes<br />
zu sichern. Ein wichtiger Teil dieser Potenziale wird gegenwärtig bloß unzureichend<br />
ausgeschöpft. Das gilt insbesondere auch für die Produktivkraft der<br />
erwerbsinteressierten Frauen. Dieser Kreis von Frauen sieht sich mit<br />
unzulänglichen Rahmenbedingungen konfrontiert, wenn es um die Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie geht.<br />
Auf 41.200 Arbeitsplätzen bewältigen Frauen den Spagat Beruf – Familie<br />
Von den 93.430 (im Jahresdurchschnitt) beruflich engagierten Frauen erfüllten<br />
rund 41.200 Frauen parallel zu ihrer Erwerbstätigkeit auch jene Versor-
gungs- und Betreuungsaufgaben, die ein Kind im Haushalt notwendigerweise<br />
mit sich bringt. Diese (im Jahresdurchschnitt) 41.200 Frauen tragen<br />
mit ihrem Beschäftigungseinkommen auch zur Finanzierung des Haushaltsbudgets<br />
bei. Ohne den Verdienst der Frauen fände der Haushalt kein Auskommen.<br />
Wirtschaftsleben und Haushalte auf Frauenerwerbstätigkeit angewiesen<br />
<strong>Tirol</strong>s Wirtschaft und Gesellschaft ist auf die Leistungskraft der Frauen angewiesen.<br />
Diese Tatsache gilt in vielerlei Hinsicht. Frauen erbringen in <strong>Tirol</strong>er<br />
Betrieben einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung des Wirtschaftsstandortes.<br />
Keine einzige Branche kommt ohne den engagierten Einsatz der dort<br />
beschäftigten Frauen aus. Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten sind ein unverzichtbarer<br />
Teil der betrieblichen Leistungskette. Und doch scheinen Gesellschaft,<br />
Politik und Unternehmen diese Tatsache häufig zu verdrängen, wenn<br />
es darum geht, die Berufstätigkeit von Frauen durch geeignete Rahmenbedingungen<br />
abzusichern.<br />
Auch diese Fakten wurden in der Studie „Berufliche Aufstiegschancen für<br />
Frauen in <strong>Tirol</strong>“ der Wirtschafts- und Arbeitsforschung West (WAW) am<br />
Zukunftszentrum <strong>Tirol</strong> erhoben. Hier die wichtigsten Ergebnisse:<br />
Berufliche Aufstiegschancen für Frauen<br />
Die durch die Frauenerwerbstätigkeit erzielten Löhne und Gehälter sind zu<br />
einem unverzichtbaren Bestandteil des Familieneinkommens geworden.<br />
Ohne den direkten Beitrag der Frauen zur Finanzierung des Lebensstandards<br />
wären zahlreiche <strong>Tirol</strong>er Haushalte akut armutsgefährdet. Erst das<br />
Fraueneinkommen sichert dem Haushalt ein Auskommen.<br />
Ungleiche Zugangschancen zu gut bezahlten Arbeitsplätzen<br />
Allerdings findet der Einsatz der Frauen im Erwerbsleben nicht jene Anerkennung,<br />
die er verdient. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die<br />
zahlreichen Barrieren zu nennen, die Frauen auch in <strong>Tirol</strong> den Zugang zu gut<br />
bezahlten Arbeitsplätzen verwehren. Die Folgen dieser Chancenungleichheit<br />
lassen sich auf einen Blick erkennen: Selbst jahresdurchgängig mit voller<br />
Wochenarbeitszeit beschäftigte Frauen verdienen um ein Drittel weniger als<br />
Männer mit analogem Zeiteinsatz.<br />
Beruflicher Erfolg und Familienleben mit Kindern unvereinbar?<br />
Ein Teil der Zugangsbarrieren ist auf die unzureichende Unterstützung von<br />
Frauen zurückzuführen, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben<br />
mit Kindern (unter 14 Jahren) geht. Auch in diesem Zusammenhang<br />
spricht schon eine einzige Zahl eine deutliche Sprache: Unter den<br />
9
10<br />
Männer haben Einkommens-Vorsprung<br />
30jährigen Frauen schaffen es nur rund acht Prozent mit Kind (unter<br />
14 Jahre), eine Beschäftigung auszuüben, deren Entlohnung in den Top-20-<br />
Prozent-Bereich fällt. In der Gruppe der 40jährigen ist dieser Anteil mit rund<br />
13 Prozent auch kaum größer.<br />
Der Top-20-Prozent-Bereich bezieht sich auf jene 20 Prozent der <strong>Tirol</strong>er<br />
Frauen, denen es gelingt, ein Jahreseinkommen von zumindest 21.680 Euro<br />
zu erzielen. Das heißt, 80 Prozent der beschäftigten Frauen verdienen weniger<br />
als dieses Jahreseinkommen.<br />
Die in <strong>Tirol</strong> wohnenden Frauen sehen sich nicht in der <strong>Lage</strong>, einen Zugang<br />
zum Arbeitsmarkt zu finden, der auch nur annähernd den von Männern<br />
erreichten Positionen entspricht. Am deutlichsten zeigt sich der Vorsprung,<br />
den es für die <strong>Tirol</strong>erinnen aufzuholen gilt, im Bereich der Entlohnung. Der<br />
Vorsprung der Männer gegenüber den Frauen beträgt je nach Beschäftigungsform<br />
zwischen 31 und 43 Prozent. Dieser Einkommensunterschied<br />
wird aus der Sicht der Frauen noch durch weitere Faktoren akzentuiert:<br />
Weniger als die Hälfte der erwerbsaktiven Frauen kann überhaupt einer<br />
jahresdurchgängigen Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Unter den Männern<br />
sind es dagegen immerhin zwei Drittel der Erwerbsaktiven. Dies zeigt, was<br />
die Frauen betrifft, eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie in<br />
vielen <strong>Tirol</strong>er Beschäftigungsverhältnissen.<br />
Frauen an einem kritischen Punkt ihrer Berufskarriere<br />
Vollzeitbeschäftigung<br />
Einkommensstagnation<br />
Einleitung<br />
Die Positionierung von Frauen am <strong>Tirol</strong>er Arbeitsmarkt durchläuft im Haupterwerbsalter<br />
drei kritische Punkte: Den Beginn des beruflichen Haupterwerbs,<br />
dies betrifft die Altersgruppe 29 bis 31 Jahre, den Höhepunkt der Leistungskraft<br />
im Alter zwischen 39 bis 41 Jahren und den Übergang zum dritten<br />
Abschnitt der Erwerbsbiografie im Alter zwischen 49 bis 51 Jahren.<br />
Am Anfang ihrer Haupterwerbszeit bei den 30jährigen sehen sich nur rund<br />
44 Prozent der Frauen in der <strong>Lage</strong>, einer Vollzeitbeschäftigung jahresdurchgängig<br />
nachzugehen. Bei den 40jährigen steigt der Anteil auf 54 Prozent und<br />
erreicht bei der Gruppe der 50jährigen rund 59 Prozent.<br />
Was das mittlere Jahreseinkommen betrifft, so ist dessen weiterer Verlauf für<br />
Frauen, die das Haupterwerbsalter erreicht haben, keineswegs motivierend:<br />
Nach 12.510 Euro bei den 30jährigen kommt es zu einem Abfall auf<br />
11.780 Euro für die 40jährigen und dann erst wieder zu einem leichten<br />
Anstieg auf 13.550 Euro bei den 50jährigen. (Stand 2002)
Die Zusammensetzung der Top-20-Prozent unter den <strong>Tirol</strong>er Frauen verändert<br />
sich im Laufe des Haupterwerbsalters deutlich. Dies hat je nach Berufsfeld<br />
durchaus verschiedene Gründe. So sind Lehrerinnen, die es schon mit<br />
30 Jahren unter die Top-20-Prozent geschafft haben, sehr selten (4 Prozent).<br />
Bei den 50jährigen, die mehr als 21.680 Euro verdienen, sind allerdings<br />
bereits 18 Prozent der Frauen im Unterrichtswesen tätig.<br />
Der Aufstieg zur Führungskraft ist ein zentraler Karriereschritt, um mit<br />
50 Jahren als Frau zu den besser Verdienenden zu zählen. Nahezu jede<br />
vierte Frau dieser Altersgruppe, die zu den Top-20-Prozent zählt, übt eine<br />
Führungsfunktion aus. Dagegen nimmt der Anteil der Frauen in einfachen<br />
Verwaltungs- und Büroberufen unter den Top-20-Prozent im Laufe des<br />
Haupterwerbsalters deutlich ab: Von nahezu der Hälfte auf rund ein Drittel<br />
der Frauen in der jeweiligen Altersgruppe.<br />
Wer schafft es?<br />
Führungsposition wichtig<br />
Kinder brauchen Zeit und Zuwendung – Und der Beruf?<br />
Am Beginn ihres Haupterwerbsalters sehen sich zahlreiche <strong>Tirol</strong>er Frauen<br />
vor einen Zwiespalt gestellt: Nutzen sie ihre erworbene Ausbildung, ihre<br />
Erfahrung und ihre Tatkraft im Berufsleben, dann bleibt wenig Spielraum für<br />
ein Familienleben mit Kindern. Nur wenige Betriebe bieten die Möglichkeit,<br />
eine erfolgreiche Berufstätigkeit mit einem verantwortungsvollen Engagement<br />
für die eigenen Kinder zu vereinen.<br />
Als Folge dieser Rahmenbedingungen verzichten neun von zehn Frauen, die<br />
es mit 30 Jahren unter die Top-20-Prozent geschafft haben, darauf, einem<br />
Kinderwunsch gegebenenfalls zu folgen.<br />
In den meisten Fällen ändert sich im Laufe des Haupterwerbsalters an dieser<br />
Konstellation nur wenig. Auch unter den 40jährigen hat nur eine unter zehn<br />
Frauen, die es unter die Top-20-Prozent geschafft haben, ein Kind.<br />
Was das Potenzial an beruflichen Möglichkeiten unter <strong>Tirol</strong>er Frauen betrifft,<br />
so zeigt eine Gruppe von ihnen besonders deutlich, was zu erreichen ist.<br />
Dies sind jene 6.610 Frauen, denen es gelungen ist, im Laufe von zehn Jahren<br />
durch Verdoppelung ihres Einkommens zu den Top-20-Prozent aufzusteigen.<br />
Die betreffenden Frauen gehörten Anfang der Neunzigerjahre noch<br />
An der Spitze, aber ohne Kinder<br />
Es wird nicht leichter<br />
Aufstieg in die Top-20-Prozent<br />
11
12<br />
In jungen Jahren<br />
Einleitung<br />
zu jenen Erwerbsaktiven, die in der unteren Hälfte der Einkommenspyramide<br />
positioniert waren. Diese untere Hälfte verdient gegenwärtig knapp über<br />
10.000 Euro. Zehn Jahre später war für diese Frauen bereits die 20.000-<br />
Euro-Grenze überschritten.<br />
Ein solcher Aufstieg gelingt in jungen Jahren leichter. Mehr als ein Drittel der<br />
30jährigen hat einen so weiten Aufstieg zu den Top-20-Prozent in den letzten<br />
zehn Jahren geschafft. Bei den 40jährigen gilt dies für ein Sechstel und<br />
bei den 50jährigen nur mehr für ein Zehntel.<br />
Berufliches Fortkommen erfordert geeignete Rahmenbedingungen<br />
Zu allererst ist in diesem Zusammenhang das berufliche Fortkommen von<br />
erwerbstätigen Frauen zu nennen. Wer nur immer auf der Stelle tritt, wird<br />
keine besondere Motivation am Arbeitsplatz verspüren. Das gilt insbesondere<br />
für Frauen, da diese (selbst bei ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung) mit<br />
gut einem Drittel weniger Lohn als ihre Kollegen rechnen müssen.<br />
Ein solches berufliches Fortkommen ist für Frauen nur dann absehbar, wenn<br />
die Voraussetzungen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie flächendeckend<br />
geschaffen sind. Das ist nicht der Fall. Nicht nur in <strong>Tirol</strong>, aber auch<br />
in <strong>Tirol</strong>.<br />
Folgen unzureichender Rahmenbedingungen<br />
Die bei weitem unzureichenden Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie haben zwei Konsequenzen: Den Verzicht auf Kinder<br />
oder das Zurückfallen in der Berufslaufbahn.<br />
Zum einen verzichtet eine zunehmende Zahl von Frauen darauf, die Verantwortung<br />
für ein Kind zu übernehmen. Angesichts der unzureichenden Bereitschaft<br />
der Väter und der Gesellschaft, die Verantwortung für Kinder gerecht<br />
zu teilen, konzentrieren sich diese Frauen darauf, ihre (oft durch lange Ausbildung<br />
erworbenen) Qualifikationen beruflich umzusetzen.<br />
Zum anderen führt die schlechte Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und<br />
Familie dazu, dass Frauen mit Kindern die sich ihnen bietenden Chancen<br />
beruflichen Fortkommens nicht nutzen können. Das zeigt eine Gegenüberstellung<br />
von berufstätigen Frauen „mit Kindern“ und Frauen „ohne Kinder“<br />
im Alter von 50 Jahren (also im letzten Drittel ihrer Erwerbstätigkeit): Trotz<br />
gleich hohen Anteils jahresdurchgängiger Beschäftigung verdienen Frauen<br />
„ohne Kinder“ um ein Drittel mehr als Frauen „mit Kindern“. In <strong>Tirol</strong> reicht ein<br />
Bruttomonatseinkommen (Jahreszwölftel) von knapp 2.000 Euro, um zu den<br />
Top-20-Prozent der erwerbstätigen Frauen zu zählen.
Vereinbarkeit von beruflichem Aufstieg und Kind nur selten möglich<br />
Eine Vereinbarkeit von Beruf und Kind ist in <strong>Tirol</strong> möglich, sie ist aber keineswegs<br />
weit verbreitet: Nur jede zwölfte <strong>Tirol</strong>erin mit Kind schafft es, über<br />
die 2.000 Euro Grenze (brutto pro Monat) zu kommen.<br />
Was möglich ist, wenn die Umstände stimmen, zeigen die mehr als zweitausend<br />
Frauen, die es bei gleichzeitiger Verantwortung für ein Kind<br />
geschafft haben, innerhalb der letzten fünf Jahre in die Top-20 Prozent der<br />
berufstätigen Frauen aufzusteigen.<br />
Eine gläserne Decke durchstoßen<br />
Betriebe brauchen beruflich engagierte Frauen<br />
Für ihr berufliches Fortkommen sind Frauen darauf angewiesen, in der<br />
Arbeitswelt ihres Betriebes ausreichend Chancen auf Bewährung, auf weiterführende<br />
Qualifizierungen und auf innerbetrieblichen Aufstieg zu erhalten.<br />
Die <strong>Tirol</strong>er Betriebe sind wiederum auf das Arbeitsangebot beruflich engagierter<br />
Frauen angewiesen. Rund 19.700 Unternehmen besetzen Arbeitsplätze<br />
in ihrem Betrieb auch mit Frauen. Bei der Besetzung von Vakanzen<br />
kommt dabei (im Durchschnitt aller dieser Betriebe) in jeweils knapp 47 Prozent<br />
der Fälle eine Frau zum Zug.<br />
Bieten Betriebe Chancen, wissen Frauen sie zu nutzen<br />
Bei etwas weniger als der Hälfte der von Frauen besetzten Arbeitsplätze wissen<br />
die Betriebe, dass die betreffenden Frauen auch Betreuungsaufgaben<br />
gegenüber ihren Kindern im Auge haben müssen. Auf 7.660 dieser Arbeitsplätze<br />
erbringen Frauen eine berufliche Leistung, die dem Betrieb eine Entlohnung<br />
von rund 2.000 Euro brutto (und mehr) wert ist. In knapp einem<br />
Fünftel dieser Fälle ist den Frauen der Aufstieg in diesen Top-20-Prozent-<br />
Bereich innerhalb der letzten fünf Jahre von dem Betrieb ermöglicht worden.<br />
In drei Branchen greifen Betriebe bei der Besetzung von Vakanzen häufiger<br />
auf Frauen zurück als auf Männer: Handelsbetriebe, Beherbergungs- und<br />
Gastgewerbebetriebe und Betriebe im Bereich Gesundheit und Soziales.<br />
Der Handel bietet bei weitem die meisten Arbeitsplätze für erwerbsinteressierte<br />
Frauen mit Kind: Mehr als 21.000 Arbeitsplätze sind im Handel mit<br />
Frauen besetzt. Die Sachgütererzeugung, Betriebe im Beherbergungs- und<br />
Gaststättenwesen und im Gesundheits- und Sozialwesen suchen jeweils in<br />
gleichem Ausmaß (rund 13.000 Arbeitsplätze) Frauen zur Erbringung der<br />
betrieblichen Produktions- und Serviceleistungen.<br />
Arbeitsplätze für Frauen mit Kind<br />
13
14<br />
Einleitung<br />
Ein Drittel der Frauen mit Kind verdient weniger als 1.000 Euro<br />
Allerdings können Frauen (mit Kind) auf einem Drittel der ihnen angebotenen<br />
Arbeitsplätze nur weniger als 1.000 Euro Monatslohn erzielen. In der Mehrheit<br />
der Fälle (rund 59 Prozent) haben die Beschäftigungsverhältnisse bei ihrer Beendigung<br />
kürzer als sechs Monate gedauert. Kleinbetriebe (bis zehn Arbeitsplätze)<br />
suchen häufiger als größere Betriebe das Arbeitsangebot von Frauen.<br />
Kinder senken das Einkommen<br />
Frauen im Alter von 50 Jahren ohne Kind verdienen um ein Drittel mehr als<br />
gleichaltrige Frauen mit Kind. Dieser Unterschied zeichnet sich bereits im<br />
Alter von 30 Jahren ab. 33 Prozent aller Frauen mit Kind verdienen weniger<br />
als 1.000 Euro brutto im Monat.<br />
Betriebe mit erhöhter Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />
Von rund 27.700 <strong>Tirol</strong>er Betrieben greifen rund 19.700 Betriebe auf erwerbsaktive<br />
Frauen bei der Besetzung von offenen Stellen zurück. Von diesen<br />
19.700 Betrieben haben 1.800 Betriebe einem Teil der bei ihnen beschäftigten<br />
Frauen mit Kind einen Aufstieg in die Top-20-Prozent innerhalb der letzten<br />
fünf Jahre ermöglicht.<br />
Überdurchschnittlich erfolgreiche Betriebe<br />
Der Kreis dieser Betriebe mit Aufstiegschancen für Frauen unterscheidet<br />
sich in mehrfacher Hinsicht vom Durchschnitt aller Betriebe. Knapp die<br />
Hälfte dieser Betriebe beschäftigt mehr als 250 Personen. Die Betriebe<br />
beschäftigen zu nahezu gleichen Teilen sowohl Frauen als auch Männer.<br />
Zukunftsorientiert statt überholt<br />
Eine Region, die sich der Tatsache nicht bewusst ist, welche Produktivkraft<br />
von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft eingebracht wird, kann als überholt<br />
gelten. Sie vergeudet ein Potenzial, dessen sie bitter bedarf, um eine<br />
zukunftsorientierte Gestaltung unseres Landes sicherzustellen.<br />
Frauenerwerbstätigkeit stärkt <strong>Tirol</strong><br />
Das Ausmaß dieser Vergeudung kann in <strong>Tirol</strong> selbst abgelesen werden: Alle<br />
in <strong>Tirol</strong> aktiven marktfinanzierten Betriebe des Jahres 2004 haben im Zeitraum<br />
1999 bis 2004 die Zahl ihrer Arbeitsplätze um 3,5 Prozent aufgestockt.<br />
Im Vergleich dazu hat die Aufstockung der Arbeitsplätze folgende Größen<br />
erreicht: 7,5 Prozent bei Betrieben, die überhaupt Frauen beschäftigen,<br />
9,3 Prozent bei Betrieben, die Frauen mit Kindern beschäftigen, 10,1 Prozent<br />
bei Betrieben, die Frauen mit Kindern die Möglichkeit zu einem raschen Aufstieg<br />
bieten.<br />
Innsbruck, März 20<strong>06</strong>
Frauen in <strong>Tirol</strong> und ihre Lebensformen<br />
15
16<br />
Mehr Frauen als<br />
Männer in <strong>Tirol</strong><br />
Frauen in <strong>Tirol</strong><br />
und ihre Lebensformen<br />
Die Daten im Überblick<br />
Im Bundesland <strong>Tirol</strong> leben insgesamt 683.317 Menschen. Davon sind<br />
349.751 Personen weiblich und 333.566 Personen männlich. Es leben in<br />
<strong>Tirol</strong> also mehr Frauen als Männer.<br />
Im Laufe ihres Lebens sind Menschen, was ihre haushaltsbezogenen<br />
Lebensformen betrifft, altersspezifisch einem Wandel unterworfen. Dabei<br />
sind bestimmte Muster erkennbar, die bei Männern und Frauen verschieden<br />
sind.<br />
Auch wenn die Singlehaushalte unter den jungen Frauen zunehmen, so<br />
wählen jedoch die meisten Frauen in <strong>Tirol</strong> als Lebensform den Familienhaushalt.<br />
Dieser kann sowohl aus Ehepaaren als auch aus Lebensgemeinschaften<br />
mit Kindern oder ohne Kinder bestehen. Vor allem in der Altersgruppe<br />
zwischen 15 und 59 Jahren sind die meisten Frauen in der Familie<br />
mit oder ohne Beruf engagiert.<br />
Privathaushalte nach Haushaltstypen in <strong>Tirol</strong> (in 1.000)<br />
Jahresdurchschnitt 2004<br />
Jahresdurchschnitt 2004<br />
Haushaltstypen insgesamt 271,5 Alleinerziehende Väter (2,7)<br />
Familienhaushalte zus. 184,3 ohne weitere Personen (2,4)<br />
Einfamilienhaushalte zus. 179,5 mit weiteren Personen (x)<br />
Paare<br />
ohne Kinder<br />
ohne weitere Personen<br />
mit weiteren Personen<br />
. mit Kindern<br />
160,2<br />
60,2<br />
58,0<br />
(2,2)<br />
100,0<br />
Alleinerziehende Mütter<br />
ohne weitere Personen<br />
mit weiteren Personen<br />
Zwei- und Mehrfamilienhaushalte<br />
16,7<br />
15,3<br />
(x)<br />
4,7<br />
ohne weitere Personen 95,0 Nichtfamilienhaushalte zus. 87,3<br />
mit weiteren Personen 5,0 Einpersonenhaushalte 81,8<br />
Alleinerziehende Elternteile zus. 19,4 Männlich 32,1<br />
ohne weitere Personen 17,7 Weiblich 49,7<br />
mit weiteren Personen (x) Mehrpersonenhaushalte 5,5<br />
() Werte mit weniger als hochgerechnet 4.000 Haushalten für <strong>Tirol</strong> sind stark zufallsbehaftet<br />
(x) Werte mit weniger als 2.000 Haushalten für <strong>Tirol</strong> sind statistisch nicht interpretierbar.<br />
QUELLE: Statistik Austria
Durch die ständige Zunahme der Zahl von Scheidungen und Trennungen<br />
gewinnt jedoch die Lebensform des allein erziehenden Elternteiles immer<br />
mehr an Bedeutung. Im Jahr 2004 betrug die Scheidungsrate in <strong>Tirol</strong><br />
36,7 Prozent.<br />
Mit steigendem Alter und wenn die Kinder auf eigenen Füßen stehen, leben<br />
viele <strong>Tirol</strong>erinnen wieder mit dem Partner allein in einem Haushalt. Den<br />
Lebensabend selbst allerdings verbringen die <strong>Tirol</strong>er Frauen oft wieder<br />
alleine lebend.<br />
Scheidung<br />
Die Scheidungsrate in <strong>Tirol</strong> lag im Jahr 2004 bei 36,7 Prozent. In <strong>Tirol</strong> gibt es<br />
insgesamt 22.200 allein erziehende Elternteile. Beim Großteil der allein Erziehenden<br />
(18.900 Personen) handelt es sich um Frauen.<br />
Die Kinder bleiben nach einer Trennung oder Scheidung hauptsächlich bei<br />
der Mutter. Dies entspricht einerseits dem traditionellen Rollenbild und lässt<br />
sich andererseits auch dadurch erklären, dass das Arbeitsausmaß der Mutter<br />
in einer Partnerschaft auf Vereinbarkeit mit Kinderbetreuung hin ausgerichtet<br />
bleibt.<br />
Daraus ergibt sich fast zwangsläufig, dass nach einer Trennung oder Scheidung<br />
die Mutter auch weiterhin diejenige ist, die mehr zeitliche Ressourcen<br />
hat, um sich der Kinderbetreuung widmen zu können.<br />
Alleinerziehende Elternteile nach Geschlecht, Familienstand, Alter, Zahl der Kinder und<br />
Alter des jüngsten Kindes in <strong>Tirol</strong> (in 1.000)<br />
Jahresdurchschnitt 2004<br />
Alleinerziehende Elternteile ins.<br />
Familienstand:<br />
22,2<br />
ledig 6,1<br />
verheiratet, getrennt lebend (2,8)<br />
verwitwet 6,9<br />
geschieden 6,4<br />
Jahresdurchschnitt 2004<br />
Alleinerziehende Mütter<br />
Familienstand:<br />
18,9<br />
ledig 5,6<br />
verheiratet, getrennt lebend (2,1)<br />
verwitwet 5,6<br />
geschieden 5,6<br />
() Werte mit weniger als hochgerechnet 4.000 Personen in <strong>Tirol</strong> sind sehr stark zufallsbehaftet.<br />
QUELLE: Statistik Austria<br />
Allein erziehende Mütter sind nach Familienstand meist ledig, verwitwet oder<br />
geschieden. Die Lebensform der verheirateten, aber getrennt lebenden Frau<br />
ist am wenigsten oft vertreten.<br />
Frau arbeitet, Mann verdient<br />
Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von älteren Angehörigen – das war und<br />
ist vor allem Frauensache. Viel hat sich daran nicht geändert in den letzten<br />
Jahrzehnten. Das ist nicht nur eine gesellschaftspolitische Frage, sondern<br />
auch eine wirtschaftspolitische. Was die Frauen auf diesen Gebieten leisten,<br />
ist Arbeit – aber unbezahlte. Einer neuen Studie der <strong>AK</strong> Wien zufolge ist vor<br />
allem die unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen ungleich verteilt.<br />
Das Brutto-Inlandsprodukt wäre sogar um bis zu 140 Prozent höher, würde<br />
alle unbezahlte Arbeit inkludiert.<br />
Die erwachsenen Österreicher arbeiten durchschnittlich 40,3 Stunden pro<br />
Woche. Für die Frauen schaut es schlecht aus: 45,2 Stunden Arbeitszeit pro<br />
Jede dritte Ehe scheitert<br />
18.900 Alleinerzieherinnen<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
Unbezahlte Arbeit<br />
zwischen Männern und<br />
Frauen ungleich verteilt<br />
17
18<br />
Zwei Drittel der Arbeitsstunden<br />
der Frauen<br />
entfallen auf Haushalt<br />
und Kinderbetreuung<br />
Wie geht es den<br />
<strong>Tirol</strong>erinnen?<br />
Woche, nur 35,1 Stunden für die Männer. Eine berufstätige Frau arbeitet<br />
64 Stunden pro Woche, ein Mann 48,4 Stunden.<br />
Zwei Drittel der Arbeitsstunden der Frauen entfallen auf Haushalt und Kinderbetreuung<br />
– Tätigkeiten, die nicht entlohnt werden. Die Männer dagegen<br />
wenden vier Fünftel ihrer Arbeitszeit für – bezahlte – Erwerbsarbeit auf. Die<br />
Politik ist gefordert, etwas zu unternehmen, um die unbezahlte Arbeit<br />
gerechter zwischen Männern und Frauen zu verteilen. Gleichzeitig besteht<br />
so die Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Studienautorin Sybille Pirklbauer weist vor allem auf eine Konsequenz hin:<br />
Wegen der vielen unbezahlten Arbeit haben die Frauen nicht nur weniger Zeit<br />
für Erwerbsarbeit, es bleibt auch kaum Zeit für Bildung. Damit werden die<br />
ökonomischen Nachteile noch größer. Das Erwerbseinkommen der Frauen<br />
ist um fast 40 Prozent niedriger als jenes der Männer.<br />
In den letzten zwanzig Jahren hat sich an der Situation nicht viel geändert. Es<br />
zeigt sich zwar eine Tendenz zu einer stärkeren Beteiligung der Männer an<br />
der unbezahlten Hausarbeit. Die grundsätzliche geschlechtsspezifische Aufteilung<br />
wird jedoch nicht durchbrochen. Neuerdings werden zwar andere<br />
Familienmitglieder, vor allem die Kinder, stärker an der Hausarbeit beteiligt.<br />
Aber auch dabei bleibt alles beim Alten. Die traditionelle Arbeitsteilung wird<br />
bei den eigenen Kindern reproduziert: Jede vierte Frau wird mindestens ein<br />
Mal in der Woche von einer Tochter unterstützt, aber nur jede siebente erhält<br />
Unterstützung von einem Sohn.<br />
Immer mehr unbezahlte Arbeit wird mittlerweile auch an bezahlte Personen<br />
ausgelagert. Hier könnte angesetzt werden. Private Haushalte müssten<br />
durch öffentliche, flächendeckende und bedarfsgerechte Angebote (Kinderbetreuung<br />
und Pflege) entlastet werden. Hier könnten die Frauen entlastet<br />
werden und neue Arbeitsmöglichkeiten finden – diesmal aber mit Entlohnung.<br />
Genauso wichtig ist aber auch die partnerschaftliche Aufteilung der – notwendigen<br />
– unbezahlten Arbeit. Die Politik könnte Anreize dazu bieten. Ein<br />
Ansatzpunkt ist das Kinderbetreuungsgeld. Um mehr Männer zu Karenz und<br />
damit zu Kinderbetreuung zu motivieren, muss das System flexibler werden.<br />
Eine Möglichkeit wäre, das Kinderbetreuungsgeld zusammen zu schieben.<br />
Das heißt: Höhere Unterstützung in einem kürzeren Zeitraum. Außerdem<br />
könnte es statt der fixen jährlichen Zuverdienstgrenze eine Arbeitszeitgrenze<br />
geben, damit auch Männer Teilzeit arbeiten und Kindergeld erhalten.<br />
Auch in <strong>Tirol</strong> sieht die <strong>Lage</strong> nicht anders aus. Um die Situation der Frauen in<br />
<strong>Tirol</strong> genauer zu durchleuchten, hat das IMAD-Marktforschungsinstitut im<br />
Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> im November und Dezember 2005 eine umfangreiche<br />
Untersuchung zur Lebens- und Arbeitszufriedenheit von <strong>Tirol</strong>er Frauen in<br />
Auftrag gegeben. Wie leben und arbeiten die <strong>Tirol</strong>er Frauen? Mit welchen<br />
Problemen haben sie zu kämpfen? Wie partnerschaftlich leben Paare? Das<br />
ist nur ein kleiner Auszug aus einem Fragenkomplex, der insgesamt<br />
500 <strong>Tirol</strong>erinnen und <strong>Tirol</strong>er im November 2005 gestellt wurde.<br />
Die wesentlichsten Ergebnisse dieser Umfrage sind im Folgenden zusammengefasst.
Arbeitswelt und Familie<br />
Frage: „Die Arbeitswelt von heute nimmt besonders Rücksicht auf Familie<br />
und Kinder“.<br />
Nur 28,8 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Arbeitswelt von<br />
heute besonders Rücksicht auf Familie und Kinder nimmt. Hingegen teilen<br />
71,2 Prozent diese Auffassung nicht und finden, dass die Arbeitswelt von<br />
heute nicht Rücksicht auf die Familie und Kinder nimmt.<br />
Die Ansicht, dass die Arbeitswelt besonders Rücksicht auf Familie und Kinder<br />
nimmt, wird überdurchschnittlich oft von jenen Befragten vertreten, die<br />
der Meinung sind, dass im Beruf Frauen den Männern gleichgestellt sind und<br />
dass Frauen die gleichen Aufstiegschancen haben wie Männer.<br />
Befragte, die mit ihrer sozialen Absicherung weniger zufrieden sind, jene, die<br />
mit dem Ausmaß ihrer Freizeit weniger zufrieden sind, weiters jene, die mit<br />
ihrem Beruf weniger zufrieden sind und jene, die angeben, dass es nicht<br />
genügend Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung gibt, geben überdurchschnittlich<br />
oft an, dass die Arbeitswelt von heute nicht besonders Rücksicht<br />
auf Familie und Kinder nimmt.<br />
Beurteilung der Preise für Leben und Wohnen<br />
Frage: „Ich halte die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für angemessen“<br />
Ich halte die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für angemessen<br />
Häufigkeit Prozent Gültige Prozente<br />
stimme eher zu 103 20,6 20,7<br />
stimme eher nicht zu 394 78,8 79,3<br />
weiß nicht / keine Angabe 3 6 100,0<br />
Gesamt 500 100,00<br />
Nur rund ein Fünftel der Befragten hält die Preise für Leben und Wohnen in<br />
<strong>Tirol</strong> für angemessen. Rund acht von zehn der befragten <strong>Tirol</strong>er können dieser<br />
Aussage nicht zustimmen und halten die Preise für Leben und Wohnen in<br />
<strong>Tirol</strong> nicht für angemessen. Selbstständige geben häufiger an als die ande-<br />
Umfrage: Für 71% nimmt<br />
die Arbeitswelt von<br />
heute nicht Rücksicht auf<br />
Familie und Kinder<br />
Preise für Leben und<br />
Wohnen nicht<br />
angemessen<br />
19
20<br />
Schlechte Verdienstmöglichkeiten<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
ren, dass sie die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für angemessen halten.<br />
Dass sie die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für nicht angemessen halten,<br />
wird überdurchschnittlich oft von Befragten aus den Bezirken Innsbruck-Stadt<br />
und Kitzbühel angegeben.<br />
Beurteilung der Verdienstmöglichkeiten<br />
Frage: „Die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> beurteile ich als weniger attraktiv.“<br />
Die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> beurteile ich als weniger attraktiv<br />
Häufigkeit Prozent Gültige Prozente<br />
stimme eher zu 302 60,4 62,6<br />
stimme eher nicht zu 181 38,2 37,5<br />
weiß nicht / keine Angabe 17 3,4 100,0<br />
Gesamt 500 100,00<br />
Die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> werden von 62,5 Prozent der Befragten<br />
als eher weniger attraktiv beurteilt. Nur für jeden dritten <strong>Tirol</strong>er (37,5 Prozent)<br />
sind die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> attraktiv. Dass die Verdienstmöglichkeiten<br />
in <strong>Tirol</strong> attraktiv sind, geben Befragte mit formal höherer Schulbildung,<br />
Personen in Mehrgenerationenhaushalten und in Wohngemeinschaften und<br />
Befragte in Ausbildung häufiger an als die anderen. Weniger attraktiv werden<br />
die Verdienstmöglichkeiten vermehrt von Pensionisten und Hausfrauen<br />
gesehen.<br />
Zufriedenheit mit dem Haushalts-Einkommen<br />
Mit dem zur Verfügung stehenden Haushalts-Einkommen sind 22,2 Prozent<br />
der Befragten sehr zufrieden. Ziemlich zufriedenstellend ist für 57,6 Prozent<br />
der Befragten ihr zur Verfügung stehendes Haushaltseinkommen. Jeder<br />
Fünfte (20,2 Prozent) ist mit dem Haushaltseinkommen, das zur Verfügung<br />
steht, weniger bis gar nicht zufrieden.<br />
Wenig bis gar nicht zufrieden mit dem zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommen<br />
sind vor allem Frauen, Befragte, die alleine (mit oder ohne Kind)<br />
wohnen und jene, die in Mehrgenerationenhaushalten wohnen. Aber auch<br />
Personen mit einem monatlichen Netto-Haushalts-Einkommen bis<br />
1.500 Euro, Befragte, die sich für die Pension nicht ausreichend abgesichert<br />
fühlen, Personen, die mit ihrem Beruf wenig zufrieden sind und jene, die mit<br />
der beruflichen Karriere wenig zufrieden sind und weiters jene Befragte, die<br />
mit ihrer sozialen Absicherung wenig zufrieden sind.<br />
Wie steht’s mit der Partnerschaft?<br />
Mit der Partnerschaft sind 72,6 Prozent der befragten <strong>Tirol</strong>erinnen und <strong>Tirol</strong>er,<br />
die diese Frage beantworten können, sehr zufrieden. Weniger bis gar<br />
nicht zufrieden sind lediglich 7,2 Prozent der Befragten. Aus dieser Frage<br />
lässt sich zwar eine relativ hohe Zufriedenheit ablesen, aber auch die Tatsache,<br />
dass bei Unzufriedenheit in der Partnerschaft diese rascher als früher
auch aufgelöst wird. Die Scheidungs- bzw. Trennungszahlen sind deutliche<br />
Zeichen dafür.<br />
Frauen und Rollenbild<br />
Sind die jetzt über 60jährigen Frauen mit der Heirat oft aus dem Berufsleben<br />
ausgeschieden, so bleiben heute die jüngeren Frauen unabhängig vom<br />
Familienstand – mit oder ohne Partner / Kind – meistens erwerbstätig.<br />
In <strong>Tirol</strong> kommt es ab der Geburt eines Kindes zu einer traditionellen Aufteilung<br />
von Erwerbstätigkeit und Haushaltsaufgaben in der Partnerschaft.<br />
Der Mann wird in den meisten Fällen für eine gewisse Zeit Alleinverdiener<br />
und Familienerhalter. Die Frau hingegen scheidet oft für eine gewisse Zeit<br />
aus dem Berufsleben aus und kehrt nur mehr als „Dazuverdienerin“ ins<br />
Berufsleben zurück.<br />
Die klassische Berufslaufbahn der <strong>Tirol</strong>er Frau mit Familie mit Kindern beinhaltet<br />
Vollzeiterwerbstätigkeit bis zur Geburt des ersten Kindes. Im<br />
Anschluss an die Geburt widmet sie sich bis zum Eintritt des Kindes in den<br />
Kindergarten hauptsächlich dem Nachwuchs und kehrt dann meistens in<br />
eine Teilzeitbeschäftigung zurück.<br />
Die Frau in <strong>Tirol</strong> ist zu einem hohen Prozentsatz davon überzeugt, dass das<br />
Kind bei ihr am besten aufgehoben ist.<br />
Berufstätige <strong>Tirol</strong>er Mütter, die ihre Kinder fremd betreuen lassen, haben oft<br />
das Gefühl, dass sie „Rabenmütter“ sind, bzw. dieses Gefühl wird ihnen oft<br />
vermittelt. Daher werden Angebote zur Entlastung oft nicht im notwendigen<br />
Maß angenommen und eine Vollzeitbeschäftigung gar nicht angedacht.<br />
Öffentliche Einrichtungen haben eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz,<br />
was stark zur Aufrechterhaltung des traditionellen Rollenbildes beiträgt.<br />
Im Gegensatz dazu, kehren gut qualifizierte Frauen oft früh und zum Teil<br />
auch in eine Vollzeitbeschäftigung an den Arbeitsplatz zurück. In <strong>Tirol</strong> haben<br />
nun auch Frauen gute Ausbildungschancen und ergreifen diese auch oft.<br />
Diese Frauen bekommen durch die lange Ausbildung oft spät ihre Kinder<br />
und wollen ihre Berufslaufbahn nicht durch eine lange Betreuungsauszeit<br />
aufs Spiel setzen.<br />
In <strong>Tirol</strong> kommt es zu einer langsamen Veränderung des traditionellen Rollenbildes.<br />
Die jungen <strong>Tirol</strong>er Frauen lassen sich so nicht mehr in die Ecke der<br />
„Nur-Dazuverdienerin“ abdrängen, sondern wollen selbst „ihre Frau<br />
stehen“.<br />
Frau und Berufstätigkeit<br />
Gründe für die Berufstätigkeit<br />
Auf Grund einer Veränderung des traditionellen Rollenbildes der Frau, wollen<br />
viele – vor allem – jüngere Frauen durchgehend am Erwerbsleben teilnehmen.<br />
Durch die steigenden Scheidungsraten und Trennungen und einem dadurch<br />
bedingten gravierenden Wandel in der Lebensform sind aber auch viele<br />
Junge <strong>Tirol</strong>erinnen<br />
wollen „ihre Frau<br />
stehen“<br />
Frauen müssen<br />
dazuverdienen<br />
21
22<br />
Eigene Pension<br />
vielen Frauen wichtig<br />
Frauen gezwungen, einer Berufstätigkeit nachzugehen und für den Lebensunterhalt<br />
zu sorgen.<br />
Darüber hinaus lässt es die finanzielle Situation vieler Familien nicht mehr zu,<br />
dass die Frauen zu Hause bleiben. Viele <strong>Tirol</strong>erinnen müssen einer Erwerbstätigkeit<br />
nachgehen, damit das Haushaltseinkommen ausreicht.<br />
Für mehr als 70 Prozent der Berufstätigen aller Altersgruppen in <strong>Tirol</strong> ist die<br />
Sicherung des Lebensunterhaltes der Hauptgrund für ihre Berufstätigkeit.<br />
Aber auch die finanzielle Absicherung in der Pension ist für viele <strong>Tirol</strong>er ein<br />
wichtiger Grund einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.<br />
So arbeiten drei von zehn berufstätigen <strong>Tirol</strong>ern hauptsächlich, um einen<br />
eigenen Pensionsanspruch zu erwerben. Bei den in <strong>Tirol</strong> in der Arbeitswelt<br />
stehenden Frauen steigt der Anteil derer, die durch eine Berufstätigkeit einen<br />
eigenen Pensionsanspruch erwerben wollen, sogar über 40 Prozent an.<br />
Darüber hinaus ist aber auch die Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens<br />
für viele <strong>Tirol</strong>er Frauen ebenfalls ein nicht unerheblicher Grund für die Aufnahme<br />
einer Erwerbstätigkeit.<br />
Für 23,2 Prozent der berufstätigen Bevölkerung in <strong>Tirol</strong> ist die Selbstverwirklichung<br />
Hauptmotiv für eine Berufstätigkeit. 17,9 Prozent der in der Arbeitswelt<br />
stehenden <strong>Tirol</strong>er arbeiten hauptsächlich um sich mehr leisten zu können.<br />
Der Kontakt zu anderen Personen ist für 16,9 Prozent ein wichtiger<br />
Grund für die Aufnahme einer Berufstätigkeit. Für Frauen ist der Kontakt zu<br />
anderen Personen sogar der drittwichtigste Grund für ihre Erwerbstätigkeit.<br />
Arbeitszeit<br />
Drei Viertel aller Berufstätigen in <strong>Tirol</strong> arbeiten in Vollzeit. Lediglich 18,5 Prozent<br />
aller berufstätigen <strong>Tirol</strong>er sind teilzeitbeschäftigt. In geringfügigem Ausmaß<br />
sind 4 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Bevölkerung beschäftigt,
2,3 Prozent der Berufstätigen arbeiten in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.<br />
Betrachtet man jedoch lediglich die berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen, so sinkt der<br />
Anteil der Vollzeitbeschäftigten auf 45,5 Prozent. Auch der Anteil der geringfügig<br />
Beschäftigten ist bei den Frauen mit 6,8 Prozent höher als bei den<br />
Männern.<br />
Atypische Beschäftigungsformen erlangen am Arbeitsmarkt immer größere<br />
Bedeutung. Unterschiede zu einem „normalen Arbeitsverhältnis“ bestehen<br />
vor allem in arbeitsrechtlicher (z.B. keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit,<br />
keinen Urlaubsanspruch, kein Mutterschutz, usw.) und sozialrechtlicher (kein<br />
Krankengeld, kein Wochengeld, keine Arbeitslosenversicherung,…) Hinsicht.<br />
Für viele Frauen eröffnen aber Teilzeitarbeit und atypische Beschäftigungsverhältnisse<br />
die einzig realisierbare Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren.<br />
So sind es vor allem die Frauen, die in Teilzeit- und atypische<br />
Beschäftigungsverhältnisse hinein gedrängt werden.<br />
Eine Teilzeitbeschäftigung ermöglicht aber meist nur ein Einkommen, das für<br />
eine Existenzsicherung nicht ausreicht. In weiterer Folge ist auch keine pensionsrechtliche<br />
Absicherung gegeben.<br />
Für 86,7 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen ist ihre derzeitige Arbeitszeitregelung<br />
passend. Allgemein ist aber bei den Frauen der Wunsch nach<br />
Flexibilität der Arbeitszeit größer als bei den Männern. So ist eine flexiblere<br />
Zeiteinteilung für 56,5 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen Hauptänderungswunsch<br />
bei der Arbeitszeitregelung. Durch die Einführung der gesetzlichen<br />
Bestimmungen zur Elternteilzeit Neu wurde bereits ein wichtiger Schritt<br />
in diese Richtung geschaffen. Die neuen Bestimmungen lassen eine flexiblere<br />
Arbeitszeitgestaltung zu und ermöglichen es so den Frauen, nach<br />
einer Babypause wieder früher ins Berufsleben einzusteigen.<br />
Gleichstellung der Frauen im Berufsleben<br />
Obwohl das Gesetz den Frauen in der Arbeitswelt Gleichberechtigung,<br />
Chancengleichheit und gleichen Lohn bei gleichwertiger Arbeit verspricht, ist<br />
die Realität eine ganz andere. So sind viele Frauen noch Diskriminierungen<br />
ausgesetzt, vor allem durch Einkommensunterschiede.<br />
Nur 45 Prozent der<br />
beschäftigten Frauen<br />
arbeiten Vollzeit<br />
23
24<br />
<strong>Tirol</strong>er Frauen fühlen<br />
sich oft benachteiligt<br />
Teilzeit: Arbeiten oft<br />
unterqualifiziert<br />
Auch Kinder und dadurch bedingte Laufbahnunterbrechungen bringen es<br />
mit sich, dass Frauen immer noch deutlich weniger verdienen als Männer.<br />
Die Rückkehr ins Berufsleben nach einer Baby-Pause ist oft mit einem<br />
Wechsel des Arbeitsplatzes verbunden und bedeutet in vielen Fällen eine<br />
Dequalifizierung. Die meisten Frauen kehren in Teilzeit bzw. atypische<br />
Beschäftigungsverhältnisse zurück. Gerade Teilzeitbeschäftigungen sind oft<br />
nur in Branchen möglich, die durch minderqualifizierte Arbeiten und dementsprechend<br />
niedrigere Löhne gekennzeichnet sind. In weiterer Folge ist auch<br />
ein beruflicher Aufstieg kaum möglich.<br />
Die Mehrheit der in <strong>Tirol</strong> Beschäftigten ist nach wie vor der Meinung, dass<br />
Frauen für dieselbe Leistung weniger Bezahlung erhalten bzw. finanziell<br />
benachteiligt sind. Sie glauben nicht an eine Gleichstellung der Frauen im<br />
Berufsleben.<br />
Die Frauen in <strong>Tirol</strong> fühlen sich häufig im Berufsleben den Männern nicht<br />
gleichgestellt. Dies wird verstärkt von jenen Frauen so empfunden, deren<br />
berufliche Karriere nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen ist und die sich bei<br />
den Aufstiegschancen gegenüber den Männern benachteiligt fühlen.<br />
Zufriedenheit im Berufsleben – Aufstiegs- und Karrierechancen<br />
Grundsätzlich sind die <strong>Tirol</strong>er Frauen in ihrem Beruf zufrieden, wenn auch die<br />
berufliche Karriere für viele Frauen weniger zufrieden stellend als für Männer<br />
verläuft. Dies ist nicht zuletzt auch auf die größere Anzahl von in Teilzeit- und<br />
in atypischen Beschäftigungsverhältnissen beschäftigten Frauen zurückzuführen.<br />
Gerade bei Teilzeitbeschäftigungen sind oft Arbeiten zu verrichten,<br />
die nicht dem Ausbildungs- bzw. Qualifikationsniveau der Arbeitnehmerin<br />
entsprechen. Somit ist in weiterer Folge ein beruflicher Aufstieg dieser<br />
Beschäftigungsgruppe nur sehr schwer möglich.<br />
Es darf auch nicht übersehen werden, dass bei Teilzeitarbeit oft nur ein unzureichendes<br />
Einkommen erwirtschaftet werden kann und so die Verdienstmöglichkeiten<br />
dieser Beschäftigungsgruppe entsprechend schlechter sind.<br />
Die Doppelbelastung der Frau mit Kindern und Haushalt ist für viele Berufstätige<br />
in <strong>Tirol</strong> mit ein Grund für die geringeren Aufstiegschancen der Frauen<br />
im Berufsleben. Lediglich 25 Prozent der <strong>Tirol</strong>er Frauen sind der Meinung,<br />
dass sie dieselben Aufstiegs- und Karrierechancen haben wie Männer.<br />
Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist jedenfalls nach wie vor sehr<br />
gering.<br />
Was die Entfernung des Arbeitsplatzes anlangt, so ist zwar der überwiegende<br />
Teil der berufstätigen Frauen der Ansicht, dass es genügend Arbeitsplätze<br />
in zumutbarer Entfernung gibt. Allerdings sind 45,2 Prozent der<br />
Frauen der gegenteiligen Meinung.<br />
Überbelastet am Arbeitsplatz fühlen sich häufiger berufstätige Frauen mit<br />
Kindern. Diese Personengruppe ist auch der Meinung, dass es nicht genügend<br />
Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung gäbe, die Verdienstmöglichkeiten<br />
in <strong>Tirol</strong> wenig attraktiv seien, eine andere Arbeitszeitregelung für sie besser<br />
wäre und sie am Arbeitsplatz benachteiligt würden.
Es sind dies vor allem jene Frauen, die Beruf, Haushalt und Kinder unter<br />
einen Hut bekommen müssen.<br />
Die Verantwortung für die Familie und den Haushalt, der immer noch traditionell<br />
der Frau zugewiesen wird einerseits, und das gleichzeitige Engagement<br />
im Beruf andererseits werden zur Doppelbelastung.<br />
Doppelbelastung<br />
Die Doppelbelastung von Familie und Beruf wird vor allem von berufstätigen<br />
Frauen, die alleine mit Kindern leben, als besonders stark empfunden.<br />
Durch die immer stärker werdenden Anforderungen in der Arbeitswelt einerseits<br />
und der Verantwortung für die Familie und Kinder andererseits, fühlen<br />
sich viele Frauen einem großen Stress ausgesetzt.<br />
Viele berufstätige Frauen würden sich zur Verringerung der Doppelbelastung<br />
flexiblere Arbeitszeiten wünschen. Auch eine verstärkte Mitarbeit des Partners<br />
im Haushalt wird von den berufstätigen Frauen als hilfreich zur Verringerung<br />
der Doppelbelastung angesehen.<br />
Unterbrechung der Berufstätigkeit wegen Kinderbetreuung<br />
Nach der Baby-Pause steigen rund 78 Prozent der Frauen wieder ins Berufsleben<br />
ein. Davon kehren 36,4 Prozent wieder an den alten Arbeitsplatz<br />
zurück und 41,6 Prozent beginnen ihre Arbeit an einem neuen Arbeitsplatz.<br />
22,1 Prozent der Frauen aber steigen nach einer Baby-Pause nicht wieder<br />
ins Berufsleben ein.<br />
Allerdings ist eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung für viele Frauen nicht<br />
denkbar, da sie sich zumindest vorübergehend selbst der Erziehung bzw.<br />
Betreuung ihrer Kinder widmen möchten. Ein Großteil der Frauen ist nach<br />
einer Baby-Pause nur noch geringfügig bzw. atypisch beschäftigt. Ein Einkommen<br />
aus einem Teilzeit- oder atypischen Beschäftigungsverhältnis ist<br />
aber einerseits nicht existenzsichernd und zieht andererseits auch verminderte<br />
Sozialversicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld und<br />
niedrige Pensionen nach sich.<br />
Die Karenzzeit wird in <strong>Tirol</strong> traditionellerweise zum größten Teil immer noch<br />
von der Frau in Anspruch genommen.<br />
Allerdings könnte sich jede zweite berufstätige Frau bzw. Frau in Karenz in<br />
<strong>Tirol</strong> vorstellen, dass ihr berufstätiger Mann bzw. Lebenspartner in Karenz<br />
gehen und sich dann um das Baby und den Haushalt kümmern würde. Trotzdem<br />
ist eine Väterkarenz nach wie vor für 49,3 Prozent der berufstätigen<br />
Frauen und Frauen in Karenz nicht vorstellbar.<br />
Vor allem für die jüngeren berufstätigen Männer (26 – 40 Jahre) wäre eine<br />
Männerkarenz vorstellbar. 57,7 Prozent der in <strong>Tirol</strong> berufstätigen Männer<br />
können sich vorstellen, anstelle ihrer berufstätigen Frau in Karenz zu gehen,<br />
um sich um das Baby und den Haushalt zu kümmern.<br />
Alleinerziehende unter<br />
enormem Stress<br />
Karenz in <strong>Tirol</strong><br />
ist weiblich<br />
25
26<br />
Jede zweite Frau mit<br />
Kindern findet<br />
Betreuungsangebot<br />
unzureichend<br />
Zu wenig ganztägige<br />
Betreuung mit<br />
Mittagstisch für Kinder<br />
im Vorschul- und<br />
Schulbereich<br />
Gründe für die traditionelle Karenz der Frau sind unter anderem: Der bessere<br />
Verdienst des Mannes, die Nichtfähigkeit der Männer im Haushalt und in der<br />
Kindererziehung aber auch, dass die Frau sich selber um die Kinder kümmern<br />
möchte.<br />
Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
Nach der Baby-Pause und vor dem Wiedereinstieg ins Berufsleben muss<br />
sich jede Frau Gedanken machen, wie sie die Betreuung ihres Kindes organisiert.<br />
Selbst wenn sie nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, gilt es die<br />
Kinderbetreuung zu managen.<br />
Es stellen sich für die berufstätigen Mütter u.a. auch die Fragen, wer sich im<br />
Falle von Krankheit der Kinder um diese kümmert, wie Schulferien bzw.<br />
schulautonome Tage überbrückt werden können, unvorhergesehene freie<br />
Tage gemanagt werden, wer die Kinder bei früherem Schulunterrichtsende<br />
beaufsichtigt.<br />
Mehr als jede zweite Frau mit Kindern unter 18 Jahren ist der Meinung, dass<br />
das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen in <strong>Tirol</strong> nicht ausreichend<br />
ist.<br />
In der Stadt Innsbruck halten 52,4 Prozent der Frauen das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen<br />
für nicht ausreichend, im Bezirk Innsbruck Land<br />
steigt der Prozentsatz der mit der Kinderbetreuungssituation nicht Zufriedenen<br />
sogar auf 63,8 Prozent an. Auch in den weiteren <strong>Tirol</strong>er Bezirken sind die<br />
Frauen mehrheitlich der Ansicht, dass es zu wenig Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />
gibt.<br />
So müssen in <strong>Tirol</strong> bei 61,5 Prozent der berufstätigen Frauen mit einem Kind<br />
bis 3 Jahre Familienmitglieder während der Berufstätigkeit der Mutter die<br />
Betreuung des Kindes übernehmen. Nur jede zehnte berufstätige <strong>Tirol</strong>er<br />
Mutter nimmt die Dienste einer Tagesmutter in Anspruch.<br />
Obwohl viele Frauen mit Kindern lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen,<br />
damit sie Familie und Beruf vereinbaren können, wünschen sich dennoch<br />
34,6 Prozent der berufstätigen Frauen in <strong>Tirol</strong> mit einem Kind bis<br />
3 Jahre eine ganztägige Betreuung mit Mittagstisch für ihr Kind.<br />
In der Altersgruppe der 4- bis 6jährigen Kinder in <strong>Tirol</strong> werden zwar die<br />
Mehrzahl in einer Kinderbetreuungseinrichtung betreut, trotzdem entsprechen<br />
viele Betreuungsplätze hinsichtlich der Öffnungszeiten und sonstigen<br />
Rahmenbedingungen aber nicht der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So<br />
würden beispielsweise in der Stadt Innsbruck immerhin 30,8 Prozent der<br />
berufstätigen Frauen mit einem Kind zwischen 4 und 6 Jahren eine ganztägige<br />
Betreuung mit Mittagstisch benötigen.<br />
Bei jeder zweiten berufstätigen Frau in <strong>Tirol</strong> mit Kindern zwischen 6 und<br />
12 Jahren übernehmen nach der Schule vorrangig Familienmitglieder<br />
während ihrer eigenen Berufstätigkeit die Betreuung. Viele Betreuungseinrichtungen<br />
entsprechen qualitativ nicht dem Bedarf der Arbeitswelt und sind<br />
nur schlecht mit einer Erwerbstätigkeit der Frau zu vereinbaren. So wünschen<br />
sich 40 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen, die über ein Netto-
Haushaltseinkommen bis zu 730 Euro monatlich verfügen, eine Nachmittagsbetreuung<br />
mit Mittagstisch für ihr Kind.<br />
Im Bezirk Innsbruck Stadt sind fast 60 Prozent der Frauen der Ansicht, dass<br />
die Preise für Kindergarten und Hort nicht angemessen sind. Auch im Bezirk<br />
Innsbruck Land sind rund 59 Prozent der Frauen derselben Meinung.<br />
Da die <strong>Tirol</strong>er Frauen auf Grund der schwierigen Kinderbetreuungssituation<br />
gezwungen sind, bereits vor dem Wiedereintritt ins Berufsleben die Kinderbetreuung<br />
nach ihrem individuellen Bedarf zu organisieren und zu managen,<br />
ist der Großteil der Frauen dann auch mit der gewählten Kinderbetreuung<br />
zufrieden.<br />
Sorge um die Zukunft der sozialen Absicherung<br />
Mehr als jeder zweite in <strong>Tirol</strong> Beschäftigte hat schon eher Sorge um die<br />
Zukunft seiner sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Pension.<br />
Bei den Frauen steigt der Anteil derjenigen, die Sorgen um die Zukunft<br />
ihrer sozialen Absicherung haben, sogar über den Durchschnitt an.<br />
Für die Pension bzw. für das Alter nicht ausreichend abgesichert fühlen sich<br />
vor allem <strong>Tirol</strong>er bis 40 Jahre.<br />
Allgemein ist die Tendenz so, dass der Lebensstandard im Alter durch die<br />
Pensionen nicht mehr abgesichert werden kann.<br />
Vor allem bei den <strong>Tirol</strong>er Frauen ist der Anteil derjenigen, die einen eigenen<br />
existenzsichernden Pensionsanspruch haben bzw. einmal erwerben werden,<br />
gering.<br />
Durch Laufbahnunterbrechungen infolge Kindererziehung und -betreuung<br />
erwerben Frauen oft zu wenig Versicherungsmonate im Hinblick auf eine<br />
existenzsichernde Eigenpension. Denkt eine Frau an eine ausreichende<br />
Eigenversorgung im Alter, so müsste sie in ihrem Arbeitsleben möglichst<br />
durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgehen und möglichst hoch verdienen.<br />
Diese Voraussetzungen sind aber nur dann gegeben, wenn die<br />
Frauen entweder kinderlos bleiben oder aber auch die Männer die Verantwortung<br />
für Kindererziehung, -betreuung und Haushalt übernehmen und die<br />
Frauen so möglichst durchgehend eine Vollzeitbeschäftigung ausüben<br />
können.<br />
Die Rückkehr ins Berufsleben nach einer Berufsunterbrechung infolge Kindererziehung<br />
wird für viele Frauen zu einer sozialrechtlichen Falle. Von den<br />
meisten Frauen wird eine Teilzeitbeschäftigung gewünscht, da sie für viele<br />
die einzige Möglichkeit bietet, den Spagat zwischen Familie und Beruf zu<br />
schaffen. Eine Teilzeitarbeit ist aber einerseits nicht Existenz sichernd und<br />
zieht andererseits neben arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Nachteilen<br />
niedrige Pensionen nach sich.<br />
Frauen, die den Wiedereinstieg in Vollzeit- bzw. in Teilzeitarbeit nicht schaffen,<br />
rutschen nicht selten in atypische Beschäftigungsverhältnisse ab. Atypische<br />
Beschäftigungsverhältnisse sind gekennzeichnet durch keinerlei sozialrechtliche<br />
Absicherung. Oft erkennen Frauen erst Jahre später die enormen<br />
Auswirkungen. Wenn überhaupt haben sie nur eine sehr niedrige Eigen-<br />
Teilzeitarbeit ist nicht<br />
Existenz sichernd<br />
27
28<br />
Kindererziehung wird für<br />
Pension nun besser<br />
honoriert<br />
Zeiten mit geringem<br />
Einkommen beeinflussen<br />
Pensionshöhe nachteilig<br />
pension (Höhe der Pension ist abhängig von der Höhe des Einkommens)<br />
bzw. überhaupt keine. So beträgt die durchschnittliche Frauenpension in<br />
Österreich 735 Euro, Männer erhalten im Durchschnitt monatlich 1.287 Euro<br />
an Pension.<br />
Pensionsrechtliche Aspekte<br />
Die mit der Pensionsharmonisierung ab 1. Jänner 2005 gültigen pensionsrechtlichen<br />
Neuerungen bringen für Frauen sowohl Vor- als auch Nachteile.<br />
Durch die Umstellung der bisherigen Ersatzzeitenanrechnung für Kindererziehung<br />
auf Beitragszeiten innerhalb des Pensionskontos (für Geburten ab<br />
1. Jänner 2005) erfolgte auch eine deutliche Verbesserung der Honorierung<br />
von Zeiten der Kindererziehung. Ein Monat Kindererziehung ist nunmehr mit<br />
1.350 Euro zu bewerten und im individuellen Pensionskonto als Beitragszeit<br />
erfasst. Wie bisher gilt dies allerdings nur für die ersten vier Lebensjahre des<br />
Kindes, erfolgt innerhalb dieser Zeit eine weitere Geburt, verkürzt sich die<br />
Anrechnung für das ältere Kind dementsprechend. Bei Zwillingsgeburten<br />
erfolgt eine Anrechnung bis zu max. fünf Jahren nach der Geburt.<br />
Durch die Bewertung der Kindererziehungszeit als Beitragszeit ist künftig<br />
auch der Zugang zur Alterspension, bei der im Regelfall der Nachweis von<br />
180 Beitragsmonaten erforderlich ist, sicher erleichtert. Andererseits wird<br />
durch die Einführung des Pensionskontos de facto der Lebensverdienst als<br />
Bemessungsgrundlage für die Pensionsberechnung herangezogen, sodass<br />
auch Zeiten mit geringerem Einkommen (Teilzeit, geringfügige Beschäftigung<br />
mit Beitragszahlung etc.) die Höhe der Pension nachteilig beeinflussen.<br />
Die geschilderten Grundsätze gelten allerdings uneingeschränkt nur für<br />
Frauen, die ab 1. Jänner 2005 erstmalig Versicherungszeiten erwerben. Für<br />
die nunmehr bereits länger im Erwerbsleben stehenden Frauen gelten noch<br />
jahrelange Übergangsbestimmungen, die eine Mischung beider Systeme<br />
(bisherige Pensionsberechnung bzw. Pensionskonto) vorsehen.<br />
Frauen, die am 1. Jänner 2005 bereits das 50. Lebensjahr vollendet hatten,<br />
verbleiben überhaupt gänzlich im alten System und sind daher von den<br />
Neuerungen nicht betroffen.
Fraueneinkommen<br />
29
30<br />
Einkommenserhebung<br />
bei Selbstständigen<br />
kaum möglich<br />
Fraueneinkommen<br />
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Einkommenssituation<br />
der Unselbstständigen, auf die Einkommen der Selbstständigen wird<br />
hier nur kurz und exemplarisch eingegangen.<br />
Einkommen der Selbstständigen<br />
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Einkommen selbstständig Erwerbstätiger<br />
sehr viel schwerer erfassbar sind als die der Unselbstständigen. Oftmals<br />
können Selbstständige ihr laufendes Einkommen nicht wirklich kennen.<br />
Grundlage der Einkommensdaten der Selbstständigen ist die Einkommenssteuerstatistik.<br />
Da die letzte Erhebung aus dem Jahr 2001 resultiert, wird hier<br />
auf die von der Statistik Austria für das Jahr 2003 fortgeschriebenen Einkommensdaten<br />
zurückgegriffen (erstellt für den „Bericht des Rechnungshof<br />
gemäß Art1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003“).<br />
Die Aussagekraft und Qualität der Einkommenssteuerdaten sind mit den Einkommensdaten<br />
der Unselbstständigen (Lohnsteuerstatistik und Beitragsgrundlagenstatistik<br />
des Hauptverbandes) nahezu nicht vergleichbar: So liegen<br />
die Einkommen der ausschließlich selbstständig Erwerbstätigen oftmals<br />
derart weit unter dem Einkommensniveau der unselbstständig Erwerbstätigen,<br />
dass es nach vernünftigen Maßstäben nicht mehr einsichtig ist, warum<br />
überhaupt einer selbstständigen Arbeit nachgegangen wird.<br />
Die Durchschnittsjahresbruttoeinkommen der ausschließlich selbstständig<br />
Erwerbstätigen, die sich aus Einkommen der Land- und Forstwirtschaft, aus<br />
selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung<br />
zusammensetzen, machten bei den Männern im Jahr 2003 in Österreich<br />
30.105 Euro aus, bei den Frauen 16.080 Euro. Die Selbstständigeneinkommen<br />
der Frauen lagen damit um minus 44 Prozent unter jenen der Männer.<br />
Wegen der besonders großen Streuung der Einkommen unselbstständig<br />
Erwerbstätiger und der relativ häufig vorkommenden negativen Einkünfte<br />
bzw. Verluste ist unbedingt die Verwendung von Medianeinkommen (mittle-
es Einkommen) zu empfehlen, da diese von den Extremwerten an den<br />
Enden der Skala (Negativeinkommen und besonders hohe Einkommen) weit<br />
weniger beeinflusst werden. Mittleres Einkommen und Durchschnittseinkommen<br />
fallen im Selbstständigenbereich derart weit auseinander, dass<br />
rund 70 Prozent der Einkommensbezieher unter dem Durchschnittseinkommen<br />
liegen, bzw. erreichen die mittleren Einkommen nicht einmal die Hälfte<br />
des Durchschnittseinkommens.<br />
Die mittleren Jahresbruttoeinkommen der Frauen (7.885 Euro) waren 2003<br />
um minus 43 Prozent niedriger als die der Männer (11.314 Euro):<br />
Generell bezogen im Jahr 2003 die Hälfte aller ausschließlich selbstständig<br />
Erwerbstätigen Jahresbruttoeinkommen von weniger als 11.314 Euro. Deutlich<br />
darüber lag das Einkommensniveau bei denjenigen, die sowohl Einkünfte<br />
aus Selbstständigentätigkeit als auch Einkommen aus nichtselbstständiger<br />
Arbeit bezogen: Diese Einkommensbezieher („Mischfälle“) bezogen<br />
mehr als doppelt so hohe Einkommen wie die ausschließlich selbstständig<br />
Erwerbstätigen.<br />
Die mit großem Abstand höchsten Einkommen werden in der Branche<br />
„Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“ erzielt (mittleres Jahresbruttoeinkommen<br />
2003 von 40.982 Euro, das sind mehr als 3,6 mal soviel wie<br />
der Branchendurchschnitt von 11.314 Euro).<br />
Zu den Branchen mit niedrigen Einkommensbezügen zählen die Wirtschaftsbereiche<br />
„Erbringung sonstiger öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen“<br />
(8.496 Euro) und das „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“<br />
(8.582 Euro).<br />
Differenziert nach Geschlecht werden in den gleichen Branchen im Schnitt<br />
die höchsten und niedrigsten Selbstständigeneinkommen erzielt. Allerdings<br />
31
32<br />
Jeder dritte<br />
Selbstständige ist<br />
weiblich<br />
Durchschnittliches<br />
Jahresbrutto der<br />
unselbstständig<br />
beschäftigten Frauen<br />
in <strong>Tirol</strong>: 15.391 Euro<br />
sind die Unterschiede bei den hohen Einkünften bei den Männern deutlich<br />
stärker ausgeprägt als bei den Frauen. Ausschließlich selbstständig<br />
erwerbstätige Männer erzielten mit einem mittleren Einkommen von<br />
77.252 Euro im „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“ um 5,6 mal so<br />
hohe Einkünfte wie im Branchendurchschnitt, Frauen mit 19.278 Euro<br />
Jahreseinkommen nur 2,4 mal so hohe Einkommen wie im Durchschnitt aller<br />
Frauen. Mit einem Mindereinkommen von minus 75 Prozent im Vergleich<br />
zum Männereinkommen weist diese Branche die höchsten geschlechtsspezifischen<br />
Einkommensunterschiede auf.<br />
Nur knapp 34 Prozent aller ausschließlich selbstständig Erwerbstätigen<br />
(256.194) sind Frauen. 51 Prozent der Frauen sind in den drei Wirtschaftsbranchen<br />
„Unternehmensbezogene Dienstleistungen und Realitäten“, „Handel“<br />
und „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“ berufstätig. Während die<br />
Selbstständigeneinkommen der Frauen im Handel (7.802 Euro mittleres Jahresbruttoeinkommen)<br />
dem Branchendurchschnitt entsprechen, zählen das<br />
„Beherbergungs-Gaststättenwesen“ (6.547 Euro) und die „Unternehmensbezogenen<br />
Dienstleistungen und Realitäten“ (7.751 Euro) zu den Branchen<br />
mit unterdurchschnittlichen Selbstständigeneinkommen.<br />
Der geschlechtsspezifische Einkommensnachteil macht in diesen drei Branchen<br />
zwischen 59 Prozent (Unternehmensbezogene Dienstleistungen, Realitäten)<br />
und 42 Prozent (Beherbergungs-Gaststättenwesen) aus (Branchendurchschnitt<br />
43 Prozent).<br />
In den Wirtschaftsabschnitten „Fischerei-Fischzucht“, „Bergbau-, Steine,-<br />
Erdengewinnung“ und in der „Öffentlichen Verwaltung inklusive Sozialversicherung“<br />
liegen die Fraueneinkommen über den Männereinkommen. Allerdings<br />
sind diese Zahlen wegen der geringen Besetzungsanzahl (insgesamt<br />
216 ausschließlich selbstständig Erwerbstätige) nicht repräsentativ.<br />
Einkommensverteilung innerhalb der Arbeitnehmer<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
Von den im Jahr 2003 in <strong>Tirol</strong> wohnhaften lohnsteuerpflichtigen 315.609 Arbeitnehmern<br />
waren 45,9 Prozent Frauen. Infolge des überdurchschnittlichen<br />
Frauenanteils bei den geringfügig Beschäftigten lag der Frauenanteil bei der<br />
Gesamtheit der Lohnsteuerpflichtigen höher als bei den Standard- bzw. vollversicherungspflichtigen<br />
Beschäftigten (45 Prozent).<br />
Von der gesamten in <strong>Tirol</strong> ausbezahlten Bruttolohnsumme von 6,78 Mrd.<br />
Euro entfielen nur 32,4 Prozent auf Frauen, das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen<br />
der Frauen (15.391 Euro) lag um 43 Prozent unter jenem<br />
der Männer (27.200 Euro). Ohne Geschlechtsberücksichtigung betrug der<br />
durchschnittliche Jahresbruttoverdienst eines Arbeitnehmers (inklusive<br />
Lehrlinge, geringfügig Beschäftigte und Beamte) in <strong>Tirol</strong> 21.780 Euro.<br />
55,4 Prozent aller Arbeitnehmerinnen in <strong>Tirol</strong>, das waren mehr als<br />
80.000 Frauen, bezogen 2003 ein Jahresbruttoeinkommen von weniger als<br />
15.000 Euro und lagen damit unter dem arithmetischen Mittelwert bzw. dem<br />
Durchschnittseinkommen aller Frauen. Bei den Männern erreichte der Anteil<br />
der Niedrigverdiener (15.000 Euro) mit 27,6 Prozent bzw. 47.000 Arbeitnehmern<br />
nur die Hälfte des Frauenanteils.
Einkommensverteilung der Arbeitnehmer (inkl. geringfügig Beschäftigte) in <strong>Tirol</strong> 2003<br />
Jahresbruttoverdienst in Euro<br />
bis 10.000 15.000 25.000 40.000 über<br />
10.000 15.000 25.000 40.000 100.000 100.000 Alle<br />
Arbeitnehmer<br />
ALLE 92.744 34.681 75.598 75.112 35.633 1.841 315.609<br />
Männer 35.500 11.633 38.128 54.179 29.593 1.716 170.749<br />
Frauen 57.244 23.048 37.470 20.933 6.040 125 144.860<br />
Verteilung<br />
ALLE 29,4% 11,0% 24,0% 23,8% 11,3% 0,6% 100%<br />
Männer 20,8% 6,8% 22,3% 31,7% 17,3% 1,0% 54,1%<br />
Frauen 39,5% 15,9% 25,9% 14,5% 4,2% 0,1% 45,9%<br />
Bezüge (in 1.000 Euro)<br />
ALLE 394.444 432.538 1.524.609 2.325.114 1.932.479 264.794 6.873.978<br />
Männer 147.957 145.657 790.051 1.686.798 1.625.091 248.840 4.644.394<br />
Frauen 246.487 286.881 734.558 638.316 307.388 15.954 2.229.584<br />
Verteilung<br />
ALLE 5,7% 6,3% 22,2% 33,8% 28,1% 3,9% 100%<br />
Männer 3,2% 3,1% 17,0% 36,3% 35,0% 5,4% 100%<br />
Frauen 11,1% 12,9% 32,9% 28,6% 13,8% 0,7% 100%<br />
Jahresdurchschnittsbruttoverdienste<br />
ALLE 4.253 12.472 20.167 30.955 54.233 143.832 21.780<br />
Männer 4.168 12.521 20.721 31.134 54.915 145.012 27.200<br />
Frauen 4.3<strong>06</strong> 12.447 19.604 30.493 50.892 127.632 15.391<br />
Differenz zwischen Frauen- Männerverdiensten<br />
Frauen 3% -1% -5% -2% -7% -12% -43%<br />
Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge, ohne Arbeitnehmer mit<br />
ausländischem oder unbekanntem Wohnsitz; Wohnortbezogen<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Im Bereich der Niedrigsteinkommen unter 10.000 Euro ist das geschlechtsspezifische<br />
Verhältnis ähnlich: Knapp 40 Prozent aller Frauen und 21 Prozent<br />
aller Männer zählen zu dieser untersten Einkommenskategorie.<br />
Bei den Bruttobezügen jenseits der 25.000-Euro-Grenze wird der Frauenanteil<br />
schon gering: Nur knapp 19 Prozent aller Frauen, aber die Mehrheit der<br />
33
34<br />
Nur 43 Prozent der <strong>Tirol</strong>er<br />
Arbeitnehmerinnen<br />
sind ganzjährig und<br />
Vollzeit beschäftigt<br />
65 Prozent der Männer<br />
ganzjährig und Vollzeit<br />
beschäftigt<br />
Minderbezahlung<br />
zwischen Frau und Mann:<br />
43 Prozent<br />
Männer (51 Prozent) fällt in diesen Einkommensbereich. Mit zunehmender<br />
Einkommenshöhe sinkt der Frauenanteil. Bei den Höchsteinkommen von<br />
mehr als 100.000 Euro sind nur noch 125 Frauen vertreten (7 Prozent der<br />
Höchsteinkommensbezieher, 0,1 Prozent aller Frauen), gegenüber 1.716<br />
Männern (93 Prozent der Höchsteinkommensbezieher,1 Prozent aller Männer).<br />
Bei den niedrigen Einkommensbeziehern handelt es sich überwiegend um<br />
Teilzeitbeschäftigte, Nichtganzjahresbeschäftigte und Lehrlinge, bzw. auch<br />
aus Kombinationen dieser Merkmale.<br />
• Innerhalb der Nichtganzjahresbeschäftigten, im Jahr 2003 waren das<br />
102.830 Personen bzw. 32,6 Prozent aller Arbeitnehmer, überwiegen die<br />
Arbeitslosen. Im Laufe des Jahres 2003 waren 67.735 Arbeitnehmer aus<br />
<strong>Tirol</strong> zumindest einmal arbeitslos. Des weitern zählen Karenzurlauberinnen,<br />
Präsenz- und Zivildiener, Ferialpraktikanten, Berufsein- bzw. Wiedereinsteiger<br />
jeglichen Alters, Berufsaussteiger und in die Pension abgehende<br />
Personen zu dieser Gruppe.<br />
• Die Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten (60.571 Arbeitnehmer bzw.<br />
19,2 Prozent aller Unselbstständigen) zählt zu den niedrigen Einkommensbeziehern:<br />
75 Prozent bezogen Jahresbruttoverdienste von weniger<br />
als 15.000 Euro, 55 Prozent von weniger als 10.000 Euro.<br />
Alle geringfügig Beschäftigten, die während des Jahres keine andere Form<br />
der Erwerbstätigkeit ausübten bzw. auch keine über dem Erwerbseinkommen<br />
liegende Pension bezogen, fallen per Definition in den Niedrigstlohnbereich<br />
und zählen zu den Teilzeitbeschäftigten.<br />
Auch bei den Teilzeitbeschäftigten gibt es eine starke Streuung der Verdienste:<br />
Immerhin bezogen 533 Teilzeitbeschäftigte (1 Prozent der Teilzeitbeschäftigten)<br />
über der Höchstbeitragsgrundlage (47.000 Euro) liegende<br />
Verdienste.<br />
• Von den 12.800 Lehrlingen fallen mehr als 98 Prozent in den Einkommensbereich<br />
von weniger als 15.000 Euro.<br />
Frauen zählen schon allein wegen der hohen Anteile Nichtganzjahresbeschäftigter<br />
(in <strong>Tirol</strong> 34 Prozent) und Teilzeitbeschäftigter (34 Prozent der<br />
Gesamtbeschäftigten bzw. auch bei den Ganzjahresbeschäftigten) überwiegend<br />
zu den Niedrigverdienern. Nur 43,3 Prozent der weiblichen Arbeitnehmer<br />
übten 2003 eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung aus.<br />
Bei den Männern kommen derartige Erwerbsverläufe deutlich seltener vor.<br />
Insbesondere ist die Teilzeitbeschäftigung in weitaus geringerem Ausmaß<br />
üblich (6,5 Prozent aller Gesamtbeschäftigten und 4,4 Prozent bei den Ganzjahresbeschäftigten).<br />
Bei der Beschäftigungsdauer ist hingegen der Unterschied<br />
zu den Frauen geringer, immerhin 31,4 Prozent aller männlichen<br />
Arbeitnehmer standen in <strong>Tirol</strong> weniger als 11 Monate in Beschäftigung<br />
(Nichtganzjahresbeschäftigte). Eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung übten<br />
65,3 Prozent aller in <strong>Tirol</strong> wohnhaften männlichen Arbeitnehmer aus.<br />
Der starke geschlechtsspezifische Verdienstunterschied in <strong>Tirol</strong> – die Minderbezahlung<br />
der Frauen in der Größenordnung von minus 43 Prozent ist der<br />
zweithöchste aller Bundesländer – ist sowohl vom überdurchschnittlich starken<br />
Teilzeitbeschäftigungsanteil als auch und zwar in weit stärkeren Aus-
maß, vom weitaus höchsten Anteil nichtganzjahresbeschäftigter Frauen in<br />
<strong>Tirol</strong> beeinflusst.<br />
Die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede bei den Arbeitnehmerverdiensten<br />
schwanken Österreichweit zwischen minus 29 Prozent in<br />
Wien und minus 44 Prozent in Vorarlberg und betragen im Länderdurchschnitt<br />
minus 39 Prozent.<br />
Die im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ niedrigen geschlechtsspezifischen<br />
Verdienstunterschiede in Wien sind eher durch Strukturfaktoren<br />
(niedrigste Teilzeit- und Nichtganzjahresbeschäftigtenquote der Frauen in<br />
Wien) als durch günstige Verdienstbedingungen, insbesondere für Frauen, in<br />
der Bundeshauptstadt verursacht.<br />
In Vorarlberg, dem Bundesland mit den höchsten geschlechtsspezifischen<br />
Verdienstunterschieden, beziehen die Frauen weit unterdurchschnittliche,<br />
die Männer jedoch über dem Österreichdurchschnitt liegende Arbeitseinkommen.<br />
Daraus resultieren die starken geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede.<br />
Die im Bundesländervergleich schlechte Einkommenssituation <strong>Tirol</strong>s –<br />
Frauen wie Männer beziehen in <strong>Tirol</strong> die jeweils niedrigsten Jahresdurchschnittsverdienste<br />
aller Bundesländer (Verdienste nach dem Wohnortkonzept)<br />
– hängt ebenfalls zu einem Teil mit den die Einkommen negativ beeinflussenden<br />
Faktoren „jährliche Arbeitsdauer“ und „Teilzeitbeschäftigungsausmaß“<br />
zusammen.<br />
Einkommensverteilung innerhalb der Arbeitnehmer<br />
nach Bundesländern<br />
<strong>Tirol</strong> weist sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen den bundesländerweit<br />
höchsten Anteil von Niedrigverdienern auf. Während in <strong>Tirol</strong><br />
27,6 Prozent der Männer und 55,4 Prozent aller Frauen Jahresbruttoeinkommen<br />
von weniger als 15.000 Euro bezogen, waren es Österreichweit<br />
25,7 Prozent aller Männer und 48,4 Prozent der Frauen. Nimmt man das<br />
Burgenland als Vergleich heran, ergibt sich folgendes Bild: <strong>Tirol</strong> weist im Vergleich<br />
dazu bei den Männern einen um 5 Prozentpunkte höheren Anteil von<br />
Niedrigverdienern auf, bei den Frauen liegt der Anteil um 6,2 Prozentpunkte<br />
höher.<br />
In den höheren Einkommensklassen sind die Arbeitnehmer in <strong>Tirol</strong> logischerweise<br />
deutlich schwächer vertreten als die anderen Bundesländer. Bei den<br />
Frauen wirkt sich das bereits ab der Einkommensgruppe über 25.000 Euro<br />
Jahresbruttoeinkommen aus: Im Einkommensbereich 25.000 bis 40.000 Euro<br />
und Über-40.000-Euro sind Arbeitnehmerinnen aus <strong>Tirol</strong> signifikant<br />
schwächer vertreten als die Kolleginnen aus allen anderen Bundesländern.<br />
In <strong>Tirol</strong> bezogen 2003 nur 14,5 Prozent der Frauen Bruttoeinkommen zwischen<br />
25.000 und 40.000 Euro. Österreichweit waren es 17,8 Prozent, in<br />
Kärnten, dem Land mit dem zweitniedrigsten Anteil in dieser Einkommensklasse,<br />
immerhin 15,5 Prozent.<br />
Im Bereich der Bruttojahresverdienste von mehr als 40.000 Euro, was bei<br />
Frauen bereits als „hohes Einkommen“ zu bezeichnen ist, waren in <strong>Tirol</strong> nur<br />
Frauen und Männer in<br />
<strong>Tirol</strong> haben Österreichweit<br />
jeweils niedrigste<br />
Jahresdurchschnittsverdienste<br />
<strong>Tirol</strong> hat Österreichweit<br />
höchsten Anteil an<br />
Niedrigverdienern<br />
35
36<br />
4,3 Prozent der Frauen vertreten, Österreichweit hingegen 7,5 Prozent. Nur<br />
Vorarlberg wies einen ähnlich niedrigen Anteil (4,4 Prozent) gut verdienender<br />
Frauen auf.<br />
Einkommensverteilung der Arbeitnehmer (inkl. geringfügig Beschäftigte) 2003<br />
Jahresbruttoverdienst in Euro<br />
bis 10.000 15.000 25.000 40.000 über Arbeit- Durchschnitts- +/–<br />
Bundesländer 10.000 15.000 25.000 40.000 100.000 100.000 nehmer verdienst<br />
Alle Arbeitnehmer<br />
Burgenland 23,1% 10,5% 26,4% 26,4% 12,9% 0,7% 115.399 23.771 -2,5%<br />
Kärnten 27,3% 10,7% 24,9% 23,9% 12,4% 0,7% 233.770 22.767 -6,6%<br />
Niederösterreich 23,7% 9,5% 23,7% 26,7% 15,2% 1,3% 689.111 25.652 5,2%<br />
Oberösterreich 25,8% 10,0% 23,7% 26,2% 13,6% 0,8% 617.289 23.903 -1,9%<br />
Salzburg 27,9% 10,9% 23,9% 23,9% 12,6% 0,8% 238.608 22.946 -5,9%<br />
Steiermark 26,3% 10,6% 24,2% 25,6% 12,5% 0,7% 514.435 23.142 -5,1%<br />
<strong>Tirol</strong> 29,4% 11,0% 24,0% 23,8% 11,3% 0,6% 315.609 21.780 -10,7%<br />
Vorarlberg 28,7% 9,8% 20,3% 25,9% 14,6% 0,7% 154.179 23.656 -3,0%<br />
Wien 25,3% 9,3% 21,8% 24,7% 17,2% 1,7% 722.397 26.823 10,0%<br />
ÖSTERREICH 26,0% 10,0% 23,4% 25,4% 14,1% 1,0% 3.600.797 24.377 0%<br />
Männliche Arbeitnehmer<br />
Burgenland 15,7% 6,0% 25,0% 34,0% 18,2% 1,1% 65.399 28.727 -3,1%<br />
Kärnten 19,7% 6,7% 24,2% 30,9% 17,3% 1,3% 128.212 27.651 -6,7%<br />
Niederösterreich 17,5% 5,4% 20,9% 32,9% 21,2% 2,1% 381.302 31.272 5,5%<br />
Oberösterreich 17,8% 5,5% 20,7% 34,4% 20,3% 1,4% 343.043 29.788 0,5%<br />
Salzburg 20,7% 6,4% 21,7% 31,1% 18,7% 1,5% 125.850 28.511 -3,8%<br />
Steiermark 18,8% 6,1% 22,9% 33,5% 17,5% 1,2% 285.955 28.177 -4,9%<br />
<strong>Tirol</strong> 20,8% 6,8% 22,3% 31,7% 17,3% 1,0% 170.749 27.200 -8,2%<br />
Vorarlberg 19,4% 6,1% 16,4% 33,8% 23,0% 1,3% 84.113 30.270 2,1%<br />
Wien 23,3% 7,3% 19,0% 26,0% 21,6% 2,8% 381.797 31.097 4,9%<br />
ÖSTERREICH 19,5% 6,2% 21,1% 31,6% 19,8% 1,7% 1.966.420 29.635 0%<br />
Weibliche Arbeitnehmer<br />
Burgenland 32,8% 16,4% 28,3% 16,4% 5,9% 0,1% 50.000 17.290 -4,2%<br />
Kärnten 36,6% 15,5% 25,8% 15,5% 6,5% 0,1% 105.558 16.834 -6,7%<br />
Niederösterreich 31,4% 14,6% 27,1% 19,0% 7,7% 0,2% 307.809 18.691 3,6%<br />
Oberösterreich 35,8% 15,6% 27,4% 15,8% 5,3% 0,1% 274.246 16.543 -8,3%<br />
Salzburg 36,0% 15,8% 26,4% 15,8% 5,8% 0,1% 112.758 16.735 -7,3%<br />
Steiermark 35,8% 16,2% 25,9% 15,7% 6,3% 0,1% 228.480 16.841 -6,7%<br />
<strong>Tirol</strong> 39,5% 15,9% 25,9% 14,5% 4,2% 0,1% 144.860 15.391 -14,7%<br />
Vorarlberg 39,9% 14,2% 25,1% 16,4% 4,4% 0,0% 70.<strong>06</strong>6 15.716 -12,9%<br />
Wien 27,6% 11,6% 24,9% 23,2% 12,2% 0,5% 340.600 22.032 22,1%<br />
ÖSTERREICH 33,7% 14,7% 26,2% 17,8% 7,3% 0,2% 1.634.377 18.050 0%<br />
Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge, ohne Arbeitnehmer mit ausländischem oder unbekanntem Wohnsitz;<br />
Wohnortbezogen<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>
Bei den Männern unterscheidet sich die Einkommensverteilung in <strong>Tirol</strong> vom<br />
Bundesdurchschnitt vor allem durch die unterschiedliche Verteilung im<br />
Bereich der höheren und der niedrigen Einkommen, im mittleren Einkommensbereich<br />
von 25.000 bis 40.000 Euro gibt es keinen signifikanten Unterschied,<br />
im Bereich von 15.000 bis 25.000 Euro, bei Männern ein unterdurchschnittliches<br />
Einkommen, liegt der <strong>Tirol</strong>anteil (22,3 Prozent der Einkommensbezieher)<br />
leicht über dem Bundesländerdurchschnitt (21,1 Prozent).<br />
Den Einkommensbereich von mehr als 40.000 Euro erreichten in <strong>Tirol</strong> nur<br />
18,3 Prozent, verglichen mit 21,6 Prozent im Bundesländerdurchschnitt.<br />
Als Konsequenz dieser bundesländerspezifischen Einkommensverteilungen<br />
ergibt sich, dass Frauen wie auch Männer in <strong>Tirol</strong> die niedrigsten Einkommen<br />
aller Bundesländer erzielen, wobei vor allem bei den Frauen der Einkommensabstand<br />
beträchtlich ist.<br />
Jahresbruttoverdienste in Österreich nach Branchen<br />
Die Statistik Austria hat die lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmerjahresbruttoeinkommen<br />
(Lohnsteuerstatistik) für den Rechnungshofbericht („Bezügebegrenzungsgesetz“)<br />
nach Wirtschaftsbranchen ausgewertet.<br />
Einkommen in <strong>Tirol</strong> sind<br />
die niedrigsten in Österreich<br />
<strong>Tirol</strong>er Frauen haben<br />
Österreichweit die<br />
höchste Minderbezahlung<br />
37
38<br />
Energie- und<br />
Wasserversorgung:<br />
Höchste Einkommen<br />
Im Vergleich zu den auf Monatsbasis standardisierten Arbeitnehmereinkommen<br />
laut Hauptverband Öst. Sozialversicherungsträger weisen die Jahreseinkommen<br />
generell eine deutlich stärkere Streuung nach Branchenzugehörigkeit<br />
auf, auch die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede<br />
sind stärker ausgeprägt.<br />
Österreich zählt im internationalen Vergleich zu den Ländern mit hohen Einkommensunterschieden<br />
zwischen den Branchen.<br />
Dies lässt sich am besten an Beispielen von Branchen zeigen, bei denen die<br />
Nichteinbeziehung der Beamten in der Beitragsgrundlagenstatistik keine<br />
Rolle spielt. Laut Monatsverdienstdaten des Hauptverbandes zählen die<br />
Branchen „Energie-Wasserversorgung“ (plus 68 Prozent über dem Branchendurchschnitt),<br />
„Kredit-Versicherungswesen“ (plus 47 Prozent) und<br />
„Sachgütererzeugung“ (plus 15 Prozent) zu den verdienstmäßig besten<br />
Branchen. Das gleiche Ergebnis zeigt sich auch bei den Jahresverdiensten<br />
auf Basis der Lohnsteuerstatistik: Allerdings weisen diese Daten eine im Ver-<br />
Jahresbruttoverdienste der Arbeitnehmer 2003 in Österreich<br />
Wirtschaftsabteilungen Alle Männer Frauen<br />
Minderbez.<br />
Frauen<br />
A Land-Forstwirtschaft 12.816 14.280 9.782 -31%<br />
B Fischerei, Fischzucht 11.919 13.018 8.255 -37%<br />
C Bergbau,Steine,Erdengewinnung 37.004 38.794 25.261 -35%<br />
D Sachgütererzeugung 29.767 33.692 20.114 -40%<br />
E Energie-Wassererzeugung 42.860 46.512 26.595 -43%<br />
F Bauwesen 24.314 25.108 18.571 -26%<br />
G Handel,Reparatur,Tankstellen 23.081 30.146 16.720 -45%<br />
H Beherbergungs-Gaststättenwesen 11.750 13.654 10.548 -23%<br />
I Verkehr,Nachrichtenübermittlung 24.591 26.407 19.677 -25%<br />
J Kredit-Versicherungswesen 40.997 52.760 28.903 -45%<br />
K Unternehmensdienste,Realitäten 24.<strong>06</strong>4 29.318 18.325 -37%<br />
L Öff. Verwaltung, Soz.Vers. 24.483 29.861 21.562 -28%<br />
M Unterrichtswesen 21.603 27.452 18.948 -31%<br />
N Gesundheits-Veterinär-Sozialwesen 21.759 31.321 19.2<strong>06</strong> -39%<br />
O Sonstige öff. Private Dienstleist. 20.996 28.156 16.393 -42%<br />
P Private Haushalte 12.649 13.385 12.572 -6%<br />
Q Exterritoriale Organisationen 18.363 23.539 14.860 -37%<br />
ALLE<br />
Abweichung Branchendurchschnitt<br />
24.686 29.969 18.378 -39%<br />
A Land-Forstwirtschaft -48% -52% -47%<br />
B Fischerei, Fischzucht -52% -57% -55%<br />
C Bergbau,Steine,Erdengewinnung 50% 29% 37%<br />
D Sachgütererzeugung 21% 12% 9%<br />
E Energie-Wassererzeugung 74% 55% 45%<br />
F Bauwesen -2% -16% 1%<br />
G Handel,Reparatur,Tankstellen -7% 1% -9%<br />
H Beherbergungs-Gaststättenwesen -52% -54% -43%<br />
I Verkehr,Nachrichtenübermittlung 0% -12% 7%<br />
J Kredit-Versicherungswesen 66% 76% 57%<br />
K Unternehmensdienste,Realitäten -3% -2% 0%<br />
L Öff. Verwaltung, Soz.Vers. -1% 0% 17%<br />
M Unterrichtswesen -12% -8% 3%<br />
N Gesundheits-Veterinär-Sozialwesen -12% 5% 5%<br />
O Sonstige öff. Private Dienstleist. -15% -6% -11%<br />
P Private Haushalte -49% -55% -32%<br />
Q Exterritoriale Organisationen -26% -21% -19%<br />
Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>
gleich zum Branchendurchschnitt noch günstigere Einkommenssituation<br />
auf. In der „Energie-Wasserversorgung“ macht das Einkommensplus zum<br />
Branchendurchschnitt plus 74 Prozent aus, im „Kredit-Versicherungswesen“<br />
plus 66 Prozent und in der „Sachgütererzeugung“ plus 21 Prozent.<br />
Deutliche Unterschiede gibt es bei den saisonal beeinflussten und geprägten<br />
Branchen: Während die Bauwirtschaft bei Monatsbetrachtung zu den gut<br />
bezahlenden Branchen zählt (plus 12 Prozent), ergibt sich bei Jahresbetrachtung<br />
ein leicht unterdurchschnittliches Einkommen (minus 2 Prozent).<br />
Die Arbeitnehmereinkommen im Beherbergungs-Gaststättenwesen liegen<br />
bei Monatsverdiensten Österreichweit um minus 31 Prozent (Frauenverdienste<br />
minus 18 Prozent) unter dem Branchendurchschnitt, beim Jahreseinkommen<br />
vergrößert sich der Abstand auf minus 52 Prozent (Frauen minus<br />
43 Prozent)!<br />
Auf Grund der bei Frauen häufiger ausgeübten Teilzeit- und Nichtganzjahresbeschäftigung<br />
sind die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede<br />
sowohl generell als auch in den einzelnen Branchen bei der Jahresbetrachtung<br />
stärker ausgeprägt als auf Monatsebene.<br />
Bei den auf Monatsbasis standardisierten Einkommen des Hauptverbandes<br />
macht die Minderbezahlung der Frauen im Verhältnis zu den Männerverdiensten<br />
minus 33 Prozent aus, bei den Jahresverdiensten minus 39 Prozent.<br />
Die niedrigsten geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede gibt es bei<br />
den „privaten Haushalten“ (auf Jahresbasis minus 6 Prozent, auf Monatsbasis<br />
minus 5 Prozent), dem „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“ (minus<br />
23 Prozent bzw. minus 17 Prozent) und in der Wirtschaftsabteilung „Verkehr<br />
und Nachrichtenübermittlung“ (minus 25 Prozent bzw. minus 19 Prozent).<br />
Überdurchschnittliche Jahreseinkommen beziehen die Frauen ebenso wie<br />
die Männer in den Produktionsbranchen „Energie- Wasserversorgung“,<br />
„Bergbau-, Steine- und Erdengewinnung“ und der „Sachgütererzeugung“,<br />
sowie im „Kredit- und Versicherungswesen“ (plus 57 Prozent). Dazu kommen<br />
für die Frauen noch die von öffentlichen Dienstgebern beeinflussten<br />
Branchen „Öffentliche Verwaltung, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen<br />
und Unterrichtswesen“.<br />
Von den beschäftigungsmäßig wichtigen Branchen bietet das „Beherbergungs-<br />
und Gaststättenwesen“ vor allem auf Grund der starken saisonalen<br />
Beschäftigungsbeschränkungen für die Arbeitnehmer über das gesamte<br />
Jahr die schlechtesten Verdienstbedingungen: Das lohnsteuermäßig erfasste<br />
Einkommen der Frauen (10.548 Euro Jahresbruttoeinkommen) lag 2003<br />
um minus 43 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Bei den Männern<br />
(13.654 Euro) machte die Minderbezahlung im Vergleich zum Branchendurchschnitt<br />
minus 54 Prozent aus.<br />
Unterdurchschnittliche Jahreseinkommen beziehen Frauen auch in den<br />
Branchen „Sonstige öffentliche und private Dienstleistungen“ und im „Handel“.<br />
In beiden Branchen gibt es überdurchschnittlich hohe Anteile von Teilzeitbeschäftigung,<br />
sowohl in Form von Standardbeschäftigungsverhältnissen<br />
als auch von geringfügiger Beschäftigung.<br />
Beherbergungs- und<br />
Gaststättenwesen:<br />
Schlechteste Verdienstbedingungen<br />
bei<br />
Jahresverdienst<br />
39
40<br />
Durchschnittsverdienst<br />
ganzjährig und Vollzeit<br />
beschäftigter Frauen in<br />
Österreich: 25.691 Euro<br />
brutto – In <strong>Tirol</strong> nur<br />
23.020 Euro brutto<br />
Jahresbruttoverdienste nach Beschäftigungsdauer<br />
und Beschäftigungsausmaß<br />
Die jährliche Arbeitsdauer und das Beschäftigungsausmaß (Vollzeit-, Teilzeitarbeit)<br />
sind wesentliche Einflussfaktoren der Arbeitnehmerverdienste. Dabei<br />
wirkt sich vor allem die jährliche Arbeitsdauer natürlich bei Jahresverdiensten<br />
wesentlich stärker aus als bei nach Arbeitstagen standardisierten<br />
Monatsverdiensten (Beitragsgrundlagenstatistik des Hauptverbandes).<br />
Während bei standardisierten Monatsverdiensten lediglich die betriebliche<br />
Zugehörigkeitsdauer als verdienstbestimmender Faktor auftritt (in der Regel<br />
werden dem Betrieb länger angehörige Arbeitnehmer besser entlohnt als<br />
neu eingetretene Arbeitnehmer), wirkt sich bei den Jahresverdiensten die<br />
Arbeitsdauer als direkter Multiplikator zusätzlich aus.<br />
Vergleicht man nur die Arbeitnehmerverdienste der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten<br />
so zeigt sich ein etwas anderes Bild. Grundsätzlich sind die Verdienste<br />
ganzjährig Vollzeitbeschäftigter deutlich höher als die Verdienste der<br />
Gesamtbeschäftigten. Der Einkommenszuwachs ist umso höher, je höher<br />
die Nichtganzjahresbeschäftigungsquote und die Teilzeitquote sind.<br />
So liegt beispielsweise auf Österreichebene der Durchschnittsverdienst<br />
ganzjährig vollzeitbeschäftigter Männer (37.105 Euro) um plus 25 Prozent,<br />
bei den Frauen (25.691 Euro) um plus 42 Prozent über dem Durchschnittsverdienst<br />
der jeweiligen Gesamtheit der Gruppe, also inklusive Teilzeitbeschäftigte<br />
und Nichtganzjahresvollzeitbeschäftigte. In <strong>Tirol</strong>, dem Land mit<br />
dem niedrigsten Anteil ganzjährig Vollzeitbeschäftigter, macht das Einkommensplus<br />
dieser Gruppe im Vergleich zum Gesamteinkommen bei den Männern<br />
plus 29 Prozent, bei den Frauen plus 50 Prozent aus.<br />
Jahresbruttoeinkommen ganzjährig Vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer 2003<br />
Burgen- Kärnten Nieder- Ober- Salz- Steier- <strong>Tirol</strong> Vorarl- Wien Österland<br />
österreich österreich burg mark berg reich<br />
ALLE 30.905 31.357 33.656 31.664 31.638 31.233 30.721 32.344 36.243 32.833<br />
MÄNNER 34.8<strong>06</strong> 35.405 37.948 36.107 36.302 34.952 35.056 37.628 40.976 37.105<br />
FRAUEN 24.025 24.630 26.083 23.239 24.131 24.413 23.020 22.692 30.116 25.691<br />
Abweichung vom Österreichdurchschnitt<br />
ALLE -5,9% -4,5% 2,5% -3,6% -3,6% -4,9% -6,4% -1,5% 10,4% 32.833<br />
MÄNNER -6,2% -4,6% 2,3% -2,7% -2,2% -5,8% -5,5% 1,4% 10,4% 37.105<br />
FRAUEN -6,5% -4,1% 1,5% -9,5% -6,1% -5,0% -10,4% -11,7% 17,2% 25.691<br />
Differenz zu Gesamtverdiensten<br />
ALLE 30% 38% 31% 32% 38% 35% 41% 37% 35% 35%<br />
MÄNNER 21% 28% 21% 21% 27% 24% 29% 24% 32% 25%<br />
FRAUEN 39% 46% 40% 40% 44% 45% 50% 44% 37% 42%<br />
Frauen verdienen weniger als Männer<br />
-31% -30% -31% -36% -34% -30% -34% -40% -27% -31%<br />
Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge, ohne Arbeitnehmer mit ausländischem oder unbekanntem Wohnsitz;<br />
Wohnortbezogen<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Ein weiterer Effekt ist, dass bei den ganzjährig Vollzeitbeschäftigten auch die<br />
geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede geringer ausfallen.<br />
Während Frauen bei den Gesamtverdiensten um minus 39 Prozent weniger<br />
als Männer verdienen, macht der Unterschied bei den ganzjährig Vollzeitbe-
schäftigten minus 31 Prozent aus. Ein kleiner Teil dieser Verdienstunterschiede<br />
dürfte auf das unterschiedliche Ausmaß von Überstundenleistungen<br />
zurückzuführen sein (Männer leisten im Durchschnitt mehr Überstunden als<br />
Frauen).<br />
Bei einer Differenzierung der Jahresbruttoeinkommen nach Jahresbeschäftigungsdauer<br />
und Arbeitszeit zeigt sich, dass die starke Minderbezahlung in<br />
<strong>Tirol</strong> (minus 10,7 Prozent) wesentlich vom hohen Anteil Nichtganzjahresbeschäftigter<br />
beeinflusst ist. Bei den ganzjährig Vollzeitbeschäftigten in <strong>Tirol</strong><br />
(Jahresdurchschnittsbruttoeinkommen von 30.721 Euro) verringert sich der<br />
Verdienstabstand zum Österreichdurchschnitt (32.833 Euro) auf minus<br />
6,4 Prozent.<br />
Der Verdienstabstand zum Bundesländerdurchschnitt verringert sich bei<br />
vollzeit- und ganzjahresbeschäftigten Männern auf minus 5,5 Prozent<br />
(männliche Arbeitnehmer insgesamt in <strong>Tirol</strong>: Minus 8,2 Prozent), die <strong>Tirol</strong>verdienste<br />
sind die drittniedrigsten aller Bundesländer (Burgenland: Minus<br />
6,2 Prozent, Steiermark: Minus 5,8 Prozent), der Verdienstunterschied zur<br />
Mehrheit der Bundesländer ist sehr gering.<br />
Die Jahresverdienste „normbeschäftigter“ Frauen liegen in <strong>Tirol</strong> immer noch<br />
deutlich niedriger als im Bundesländerdurchschnitt (minus 10,4 Prozent,<br />
zweitniedrigster Verdienst aller Bundesländer), im Vergleich zum „Frauen-<br />
Insgesamt-Verdienst“ (Minus 14,7 Prozent) jedoch etwas günstiger. Die<br />
höchsten Jahresverdienste ganzjährig vollzeitbeschäftigter Frauen werden in<br />
Wien bezogen (Plus 17,2 Prozent über dem Bundesländerdurchschnitt), die<br />
niedrigsten in Vorarlberg (Minus 11,7 Prozent).<br />
Die Teilzeitbeschäftigung wirkt sich zwar auf die Verdiensthöhe wesentlich<br />
aus, im <strong>Tirol</strong>-Österreichvergleich kommt diesem Faktor jedoch kein signifikanter<br />
Einfluss zu, da die Teilzeitquote relativ ähnlich ist (<strong>Tirol</strong>: 19,2 Prozent,<br />
Österreich: 18,9 Prozent)<br />
Frauen weisen in <strong>Tirol</strong> eine leicht überdurchschnittliche Teilzeitquote<br />
(34,2 Prozent in <strong>Tirol</strong>, 33,1 Prozent Österreichweit) auf, Männer eine leicht<br />
unterdurchschnittliche (6,5 Prozent zu 7,1 Prozent).<br />
Hinsichtlich der Auswirkung der Teilzeitbeschäftigung ist weiters zu berücksichtigen,<br />
dass die jährliche Arbeitsdauer einen weit stärkeren Einfluss auf<br />
Jahresverdienste<br />
normalbeschäftigter<br />
<strong>Tirol</strong>er Frauen sind<br />
zweitniedrigste in<br />
Österreich<br />
41
42<br />
Nur 55 Prozent aller<br />
Arbeitnehmer in <strong>Tirol</strong><br />
sind ganzjährig und<br />
Vollzeit beschäftigt:<br />
Niedrigster Wert in<br />
Österreich<br />
die Verdiensthöhe hat als das Beschäftigungsausmaß bzw. die Teilzeitbeschäftigung.<br />
Natürlich beziehen nichtganzjährig Teilzeitbeschäftigte die<br />
niedrigsten Verdienste (knapp 4.700 Euro im Jahr), allerdings liegen die<br />
Durchschnittsverdienste der Ganzjahresteilzeitbeschäftigten (15.000 Euro im<br />
Bundesländerdurchschnitt) deutlich höher als die der Nichtganzjahresvollzeitbeschäftigten<br />
(knapp 10.500 Euro).<br />
Die hinsichtlich Beschäftigungsdauer und Arbeitsausmaß <strong>Tirol</strong>spezifische<br />
Beschäftigungsstruktur erklärt ca. 40 Prozent des Minderverdienstes in <strong>Tirol</strong><br />
(minus 10,7 Prozent bei den „Arbeitnehmer-Insgesamt-Verdiensten“): Hätte<br />
<strong>Tirol</strong> eine Österreichgleiche Beschäftigungsstruktur, würde der Verdienstabstand<br />
immer noch minus 6,1 Prozent ausmachen. Würden hingegen (Alternativhypothese)<br />
in <strong>Tirol</strong> Verdienste nach dem Österreichweiten Niveau bezogen,<br />
läge der „Insgesamtverdienst“ auf Grund der abweichenden Beschäftigtenstruktur<br />
trotzdem um minus 5,1 Prozent unter dem Österreichwert.<br />
Beide Faktoren wirken sich aus, wobei dem Regionalfaktor (niedrige <strong>Tirol</strong>verdienste)<br />
stärkere Bedeutung zukommt.<br />
Bei der Beschäftigtenstruktur trägt nur die unterschiedliche Beschäftigtendauer<br />
zur Erklärung bei, die Teilzeitbeschäftigung liefert zur Klärung des<br />
regionalen Verdienstunterschiedes zwischen <strong>Tirol</strong> und dem Österreichschnitt<br />
keinen Beitrag.<br />
In <strong>Tirol</strong> waren im Jahr 2003 nur 55,2 Prozent aller Arbeitnehmer ganzjährig<br />
vollzeitbeschäftigt. Dies ist Österreichweit (60,4 Prozent) der weitaus niedrigste<br />
Wert. In Kärnten, dem Land mit der zweitniedrigsten Quote Vollzeitund<br />
Ganzjahresbeschäftigter, machte der Anteil 57,1 Prozent aus, im Burgenland,<br />
dem Bundesland mit dem höchsten Anteil, 63,4 Prozent.<br />
Bei den Frauen kann man eigentlich gar nicht mehr von einer „Normbeschäftigung“<br />
im Sinne einer ganzjährigen Vollzeitbeschäftigung reden, da<br />
sich diese Beschäftigungsform bereits in der Minderheit befindet: 2003<br />
waren Österreichweit nur 49,8 Prozent aller unselbstständig Erwerbstätigen<br />
in einer solchen Beschäftigung, die Mehrheit der Frauen ist Teilzeit – oder<br />
Nichtganzjahresbeschäftigt. <strong>Tirol</strong> weist mit 56,7 Prozent den höchsten Anteil<br />
derartiger Beschäftigungsformen auf.
Innerhalb der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten erreicht der Frauenanteil nur<br />
33 Prozent, in <strong>Tirol</strong> sogar nur 30 Prozent, was dem niedrigsten Anteil aller<br />
Bundesländer entspricht.<br />
Im Jahr 2003 übten bei den Männern 69,2 Prozent eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung<br />
aus. Nur in Wien und Kärnten ist die Ganzjahresvollzeitbeschäftigungsquote<br />
noch niedriger als in <strong>Tirol</strong> (65,3 Prozent).<br />
Männer (27 Prozent) wie Frauen (26,8 Prozent) weisen Österreichweit den<br />
gleichen Prozentsatz nichtganzjähriger Beschäftigungsformen auf. Die deutlich<br />
niedrigere „Normalbeschäftigungsquote“ der Frauen ist auf den höheren<br />
Anteil der ganzjährig Teilzeitbeschäftigten (Frauen: 23,3 Prozent, Männer:<br />
3,6 Prozent) zurückzuführen. Auch innerhalb der Nichtganzjahresbeschäftigten<br />
ist die Teilzeitquote der Frauen (9,8 Prozent aller Frauen) deutlich höher<br />
als die der Männer (3,5 Prozent).<br />
<strong>Tirol</strong> weist sowohl bei den Männern (31,4 Prozent) als auch insbesondere bei<br />
den Frauen (34 Prozent) einen weit überdurchschnittlichen Anteil Nichtganzjahresbeschäftigter<br />
auf. Insgesamt waren 102.830 Personen nichtganzjährig<br />
beschäftigt. Die Ursache dieses überproportionalen Anteils lässt sich vorerst<br />
nicht klären, kann jedoch nicht durch die Arbeitslosigkeit begründet werden.<br />
Die Arbeitslosenrate <strong>Tirol</strong>s liegt unter dem Bundesländerdurchschnitt, die personenbezogene<br />
Auswertung weist mit 67.735 Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> einen<br />
Österreichanteil von 8,7 Prozent aus, der Anteil <strong>Tirol</strong>s an den Nichtganzjahresbeschäftigten<br />
Österreichs erreicht hingegen 10,6 Prozent. Bei den Nichtganzjahresbeschäftigten<br />
erzielen Männer (plus 1,2 Prozent) wie Frauen (plus 6 Prozent)<br />
in <strong>Tirol</strong> über dem Bundesländerdurchschnitt liegende Einkommen.<br />
Auf die Gesamtverdienstsituation in <strong>Tirol</strong> wirkt sich die überdurchschnittliche<br />
Bezahlung Nichtganzjahresbeschäftigter wegen des generell niedrigen Einkommensniveaus<br />
der Nichtganzjahresbeschäftigten (9.152 Euro Jahresdurchschnittseinkommen<br />
in <strong>Tirol</strong>, bei Vollzeitbeschäftigten 10.532 Euro) nur<br />
geringfügig positiv aus. Viel stärker und in negativer Form wirkt sich der hohe<br />
Anteil Nichtganzjahresbeschäftigter aus, der das Gesamteinkommensniveau<br />
<strong>Tirol</strong>s deutlich drückt.<br />
Entwicklung der Einkommensverteilung in Österreich<br />
Zwischen 1995 und 2003 haben sich die Einkommensunterschiede verstärkt,<br />
die Einkommensverteilung ist ungleicher geworden.<br />
Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkommen in Österreich<br />
Einkommensanteile Quintile<br />
Jahr 1. 2. 3. 4. 5.<br />
1995 2,9% 10,9% 17,7% 24,1% 44,4%<br />
2003 2,3% 9,7%<br />
Differenz<br />
17,4% 24,5% 46,1%<br />
2003:1995 –0,6% –1,2% –0,3% 0,4% 1,7%<br />
kumulierte Quintile<br />
1995 2,9% 13,8% 31,5% 55,6% 100,0%<br />
2003 2,3% 12,0% 29,4% 53,9% 100,0%<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Mehr als<br />
100.000 Personen<br />
waren in <strong>Tirol</strong><br />
nichtganzjährig<br />
beschäftigt<br />
43
44<br />
Einkommensverteilung<br />
klafft immer weiter<br />
auseinander<br />
Während im Jahr 1995 auf die untersten 20 Prozent der unselbstständigen<br />
Arbeitseinkommensbezieher (1. Quintil) 2,9 Prozent der Bruttolohnsumme<br />
und auf die obersten 20 Prozent (5. Quintil) 44,4 Prozent entfielen, ist der<br />
Anteil beim 1. Quintil 2003 auf 2,3 Prozent gesunken, jener des 5. Quintils auf<br />
46,1 Prozent gestiegen. Generell hat eine Umverteilung von den unteren<br />
60 Prozent der Einkommensbezieher zu den 40 Prozent der oberen Einkommensbezieher<br />
im Ausmaß von 2,1 Prozent der gesamten Lohnsumme stattgefunden.<br />
Hauptgewinner dieser Umverteilung war das 5. Quintil (Plus<br />
1,7 Prozent), der Zuwachs im 4. Quintil fiel schon deutlich geringer aus (Plus<br />
0,4 Prozent). Die Einkommensbezieher im Bereich des 2. Quintils (im Bereich<br />
20 Prozent bis 40 Prozent der nach der Einkommenshöhe gereihten Arbeitnehmer)<br />
haben mit einem Minus von 1,2 Prozent den stärksten Verlust.<br />
Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkommen der Männer in Österreich<br />
Einkommensanteile Quintile<br />
Jahr 1. 2. 3. 4. 5.<br />
1995 3,7% 12,6% 17,6% 23,1% 43,1%<br />
2003 2,7% 11,6%<br />
Differenz<br />
17,6% 23,5% 44,6%<br />
2003:1995 -1,0% -1,0% 0,0% 0,4% 1,5%<br />
kumulierte Quintile<br />
1995 3,7% 16,3% 33,9% 57,0% 100,1%<br />
2003 2,7% 14,3% 31,9% 55,4% 100,0%<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Bei den Männern wanderten 1,9 Prozent der Gesamtbruttolohnsumme von<br />
den 2 untersten Quintilen zu den zwei obersten, bei den Frauen 1,7 Prozent<br />
von den 3 untersten Quintilen zu den zwei oberen. In beiden Fällen waren die<br />
Einkommensbezieher des 5. Quintils die Hauptbegünstigten (plus 1,5 Prozent),<br />
gefolgt vom 4. Quintil.
Bei den Frauen ist die Einkommensungleichheit noch stärker ausgeprägt als<br />
bei den Männern. Während die untersten 60 Prozent der Frauen nur<br />
28,9 Prozent der Arbeitsbruttoentgelte beziehen, sind es bei den Männern<br />
immerhin 31,9 Prozent. Genau umgekehrt verhält es sich bei den Einkommen<br />
zwischen 6. und 10. Dezil (4: und 5: Quintil). Die 40 Prozent der besserverdienenden<br />
Frauen beziehen 71,1 Prozent der gesamten Entgelte, bei den<br />
Männern 68,1 Prozent. Diese auf den ersten Blick etwas überraschenden<br />
Fakten hängen mit dem hohen Anteil teilzeit- und geringfügig beschäftigter<br />
Frauen zusammen.<br />
Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkommen der Frauen in Österreich<br />
Einkommensanteile Quintile<br />
Jahr 1. 2. 3. 4. 5.<br />
1995 2,5% 10,3% 17,8% 25,4% 44,0%<br />
2003 2,3% 9,4%<br />
Differenz<br />
17,2% 25,6% 45,5%<br />
2003:1995 -0,2% -0,9% -0,6% 0,2% 1,5%<br />
kumulierte Quintile<br />
1995 2,5% 12,8% 30,6% 56,0% 100,0%<br />
2003 2,3% 11,7% 28,9% 54,5% 100,0%<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Entwicklung der Arbeitnehmerverdienste seit 1995<br />
Von 1995 bis 2003 sind die in <strong>Tirol</strong> ausbezahlten Arbeitnehmerbruttoentgelte<br />
von 5,471 Milliarden Euro auf 6,874 Milliarden Euro gestiegen (plus 25,6 Prozent),<br />
die Nettolohnsumme erhöhte sich von 3,972 auf 4,798 Milliarden Euro<br />
(plus 20,8 Prozent).<br />
Die Zunahme der durchschnittlichen Brutto- (plus 15,7 Prozent) und Nettoverdienste<br />
(plus 11,2 Prozent) liegt deutlich unter diesen Zuwachsraten, da<br />
sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer um<br />
plus 8,6 Prozent erhöht hat. <strong>Tirol</strong> erreichte in diesem Zeitraum das höchste<br />
Beschäftigungswachstum aller Bundesländer (plus 5,7 Prozent im Bundesländerdurchschnitt),<br />
das Wachstum der Lohnsumme war auf Grund der<br />
positiven Beschäftigungsentwicklung ebenfalls überdurchschnittlich (nach<br />
Niederösterreich das zweithöchste).<br />
Bei realer, preisbereinigter Betrachtung, also unter Berücksichtigung der<br />
Inflation (13,6 Prozent) ist das Nettorealeinkommen im Jahr 2003 niedriger<br />
ausgefallen als im Jahr 1995 (minus 2,1 Prozent) und auch niedriger als im<br />
Jahr 2000.<br />
Einkommensungleichheit<br />
bei Frauen noch stärker:<br />
60 Prozent beziehen<br />
knapp 29 Prozent aller<br />
Arbeitsbruttoentgelte<br />
45
46<br />
Hohe Abzüge ließen<br />
Einkommen kaum<br />
wachsen<br />
Gesamtbeschäftigte, Bruttobezüge, Abzüge und Jahresdurchschnittsverdienste in <strong>Tirol</strong><br />
Jahr Arbeit- Brutto- Abzüge SV- Lohn- Jahresverdienst Inflation<br />
nehmer bezüge Beiträge steuer brutto netto VPI 86<br />
1995 290.568 5.470,8 1.498,3 850,9 647,4 18.828 13.671 128,4<br />
1996 290.665 5.547,5 1.543,8 868,4 675,4 19.085 13.774 130,8<br />
1997 294.028 5.670,1 1.652,6 895,7 756,9 19.284 13.663 132,5<br />
1998 297.371 5.853,3 1.726,4 926,7 799,7 19.683 13.878 133,7<br />
1999 303.750 6.096,3 1.815,9 965,9 850,0 20.070 14.092 134,5<br />
2000 309.986 6.384,7 1.845,8 1.0<strong>06</strong>,5 839,3 20.597 14.642 137,6<br />
2001 315.354 6.555,7 1.946,7 1.051,1 895,6 20.788 14.615 141,3<br />
2002 315.846 6.727,7 2.015,8 1.077,4 938,4 21.301 14.918 143,8<br />
2003 315.609 6.874,0 2.076,0 1.100,8<br />
Veränderung<br />
975,2 21.780 15.203 145,8<br />
2003:1995 8,6% 25,6% 38,6% 29,4% 50,6% 15,7% 11,2% 13,6%<br />
jährlich 1,0% 2,9% 4,2% 3,3% 5,3% 1,8% 1,3% 1,6%<br />
2000:1995 6,7% 16,7% 23,2% 18,3% 29,6% 9,4% 7,1% 7,2%<br />
jährlich 1,3% 3,1% 4,3% 3,4% 5,3% 1,8% 1,4% 1,4%<br />
2003:2000 1,8% 7,7% 12,5% 9,4% 16,2% 5,7% 3,8% 6,0%<br />
jährlich 0,6% 2,5% 4,0% 3,0% 5,1% 1,9% 1,3% 1,9%<br />
2001 1,7% 2,7% 5,5% 4,4% 6,7% 0,9% -0,2% 2,7%<br />
2002 0,2% 2,6% 3,5% 2,5% 4,8% 2,5% 2,1% 1,8%<br />
2003 -0,1% 2,2% 3,0% 2,2% 3,9% 2,2% 1,9% 1,4%<br />
Bruttobezüge, Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer in Millionen EUR<br />
Arbeitnehmer inklusive geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge; Wohnortbezogen<br />
Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria<br />
Hauptursache dafür war nicht primär der Preisanstieg – die Durchschnittsbruttoverdienstzunahme<br />
lag um 2 Prozent über der Inflationsrate – sondern<br />
vor allem der weit überdurchschnittliche Anstieg der Abzüge (plus 38,6 Prozent).<br />
Das Lohnsteueraufkommen ist zwischen 1995 und 2003 um plus 50,6<br />
Prozent gestiegen, die Sozialversicherungsbeiträge um plus 29,4 Prozent.<br />
Bereinigt um den Beschäftigungszuwachs erhöhte sich die Lohnsteuer um<br />
plus 39 Prozent, die Sozialversicherungsabgaben um plus 19 Prozent. Da<br />
der Anteil der Lohnsteuerpflichtigen an den Einkommensbeziehenden gefallen<br />
ist (von 85,8 Prozent im Jahr 1995 auf 82,4 Prozent im Jahr 2003), dürfte<br />
die effektive Lohnsteuerbelastung noch stärker angestiegen sein.<br />
Die Abgabenquote hat sich von 1995 bis 2003 in <strong>Tirol</strong> von 27,4 Prozent<br />
(Lohnsteuerbelastung: 11,8 Prozent, SV-Beiträge: 15,6 Prozent) auf<br />
30,2 Prozent erhöht (Lohnsteuerbelastung: 14,2 Prozent, SV-Beiträge:<br />
16 Prozent). Im Österreichschnitt erreichte im Jahr 2003 die Abgabenbelastung<br />
30,7 Prozent (1995: 27,7 Prozent).<br />
Die gegenüber Mitte der neunziger Jahre eingetretenen Realeinkommensverluste<br />
betreffen nahezu alle Einkommensbereiche, Männer wie Frauen,<br />
Ganzjahres- wie Nichtganzjahresbeschäftigte.
„Nahezu alle Einkommensbereiche“ ist dabei in einem sehr umfassenden<br />
Sinn zu verstehen. Laut WIFO (Monatsberichte 9/2005) sind nur die Nettoverdienste<br />
im Bereich der obersten 10 Prozent (9. Dezil) real gestiegen. Je<br />
niedriger die Arbeitnehmereinkommen, desto höher die Reallohnverluste.<br />
Diese Entwicklung mit besonders starken Reallohnverlusten im Bereich der<br />
niedrigen Einkommen (bis zum 4. Dezil) ist primär die Folge der starken Ausweitung<br />
der Teilzeitbeschäftigung und der prekären bzw. atypischen Arbeitsverhältnisse,<br />
sowie der steigenden Arbeitslosigkeit. Von dieser Entwicklung<br />
sind sowohl Frauen als auch Männer betroffen: Zwar weisen Frauen einen<br />
höheren Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf, allerdings sind die<br />
Zuwachsraten bei den Männern stärker.<br />
Während die generell niedrigverdienenden Nichtganzjahresbeschäftigten<br />
auch in <strong>Tirol</strong> deutlich stärkere Reallohneinbußen hinnehmen mussten als die<br />
Ganzjahresbeschäftigten, sind die realen Einkommensminderungen bei den<br />
durchschnittlichen Jahresnettoverdiensten von Männern (18.526 Euro im<br />
Jahr 2002) und Frauen (11.286 Euro) in Folge der gleichmäßigen Nettoverdienstzunahme<br />
(plus 13 Prozent gegenüber 1995) gleich hoch ausgefallen.<br />
Durch diese gleichmäßige Verdienstentwicklung hat sich auch der<br />
geschlechtsspezifische Verdienstunterschied bei den Nettoverdiensten in<br />
<strong>Tirol</strong> (minus 39 Prozent) nicht verändert.<br />
Die etwas unter den Verdienstzuwächsen von Männern und Frauen liegende<br />
Verdienstzunahme der „Arbeitnehmer-Ingesamt“ erklärt sich aus der weit<br />
stärkeren Beschäftigungszunahme der Frauen (plus 17,5 Prozent Zuwachs<br />
gegenüber 1995, hingegen nur plus 2,1 Prozent bei den Männern): Dadurch<br />
ist der Frauenbeschäftigtenanteil allein in diesen acht Jahren von 42,4 Prozent<br />
auf 45,9 Prozent gestiegen und übertrifft inzwischen den Österreichweiten<br />
Wert (45,4 Prozent).<br />
Auf Grund der deutlich niedrigeren Frauenverdienste wirkt sich eine<br />
Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote auf die „Insgesamt-Verdienste“<br />
tendenziell einkommensmindernd aus.<br />
Die stärksten Reallohneinbußen mussten die Arbeitnehmer in den Jahren<br />
1996 und insbesondere 1997 und 2001 hinnehmen. 1997 und 2001 sanken<br />
sogar die nominellen Durchschnittsnettoverdienste, obwohl die Teuerung<br />
1,3 Prozent bzw. 2,7 Prozent ausmachte. Die Reallohnsteigerungen der folgenden<br />
Jahre konnten diese Rückschläge nicht mehr wettmachen.<br />
Die negative Reallohnentwicklung in <strong>Tirol</strong> war Österreichweit kein Sonderfall<br />
und entsprach nur der generellen Entwicklung. In allen Bundesländern lag<br />
die Nettoverdienstzunahme unter dem Preisanstieg: Der stärkste Nettover-<br />
Je niedriger die Arbeitnehmereinkommen<br />
umso höher die Reallohnverluste<br />
Stärkste Reallohneinbußen<br />
in den Jahren<br />
1996, 1997 und 2001<br />
47
48<br />
dienstzuwachs wurde im Burgenland (plus 12,9 Prozent) erzielt, der niedrigste<br />
in Wien (plus 8,6 Prozent). Der <strong>Tirol</strong>zuwachs von plus 11,2 Prozent lag<br />
über dem Bundesländermittel (plus 10,3 Prozent).<br />
Der im Österreichvergleich in <strong>Tirol</strong> noch etwas günstigere Einkommenszuwachs<br />
ist primär auf Strukturveränderungen bei den Beschäftigten zurückzuführen:<br />
Gegenüber 1996 hat sich der Anteil Ganzjahresbeschäftigter<br />
erhöht (von 66 Prozent auf 67,4 Prozent), während Österreichweit der Ganzjahresbeschäftigtenanteil<br />
leicht gesunken ist (von 73,5 Prozent auf 73,1 Prozent).<br />
Der Nettoverdienstzuwachs bei Ganzjahresbeschäftigten in <strong>Tirol</strong> lag<br />
unter dem Bundesländerdurchschnitt.
Die Frau in der Arbeitswelt<br />
49
50<br />
Grundsatz des gleichen<br />
Entgelts für Männer und<br />
Frauen im EG-Vertrag<br />
festgeschrieben<br />
Die Frau in der Arbeitswelt<br />
Gleichbehandlung in Europa<br />
Rechtliche Grundlagen<br />
Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern (das so genannte Prinzip<br />
des Gender Mainstreaming) ist ein Grundprinzip der Europäischen Union,<br />
das sich durch all ihre Politikbereiche zieht. Der EG-Vertrag sieht in seinen<br />
ersten Artikeln vor, dass es Aufgabe und Ziel der Gemeinschaft ist, bei all<br />
ihren Tätigkeiten die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.<br />
Hierfür wird der Europäischen Gemeinschaft die Kompetenz übertragen,<br />
Regelungen zu erlassen, um Diskriminierungen aus Gründen des<br />
Geschlechts zu bekämpfen. Auf Grundlage dieser Ermächtigung wurden auf<br />
europäischer Ebene mehrere Richtlinien zum Thema Gleichbehandlung<br />
erlassen, die die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes konkretisiert<br />
hat und die von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden mussten.<br />
Auch in Österreich bestand in dieser Hinsicht zum Teil Nachholbedarf und es<br />
musste das österreichische Gleichbehandlungsgesetz angepasst werden.<br />
Der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher<br />
oder gleichwertiger Arbeit war für die Europäische Gemeinschaft so wichtig,<br />
dass sie es bereits im Primärrecht, das heißt im EG-Vertrag selbst fixiert hat.<br />
Unter Entgelt versteht man jede Vergütung, die ein Arbeitgeber aufgrund des<br />
Dienstverhältnisses einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer unmittelbar<br />
oder mittelbar zukommen lässt, egal ob in bar oder als Sachleistung.<br />
Die im Bereich der Gleichbehandlung von Frauen und Männern auf europäischer<br />
Ebene erlassenen Richtlinien verbieten jegliche Diskriminierung, nicht<br />
nur beim Entgelt, sondern auch hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung,<br />
zur Berufsausbildung, zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die<br />
Arbeitsbedingungen. Weiters wurden Richtlinien zur schrittweisen Verwirklichung<br />
des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen<br />
Sicherheit und bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit sowie<br />
eine Richtlinie über die Umkehr der Beweislast bei Diskriminierungen aufgrund<br />
des Geschlechts erlassen. Neben den Antidiskriminierungsrichtlinien<br />
im Bereich des Arbeitslebens wurde im Dezember 2004 erstmals eine Richt-
linie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern<br />
und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und<br />
Dienstleistungen verabschiedet. Sie hält unter anderem fest, dass die<br />
Anwendung geschlechtsbasierter versicherungsmathematischer Faktoren<br />
abgeschafft werden sollte.<br />
Positive Diskriminierung<br />
Das Gleichbehandlungsprinzip hindert die Mitgliedstaaten aber nicht daran,<br />
zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts<br />
oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligung in der beruflichen<br />
Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu<br />
beschließen. Das bedeutet, dass positive Maßnahmen zur Förderung des<br />
unterrepräsentierten Geschlechts, wie beispielsweise Quotenregelungen<br />
zugunsten von Frauen bei der Nachbesetzung von Stellen in der öffentlichen<br />
Verwaltung grundsätzlich zulässig sind. Jedoch ist sicherzustellen, dass die<br />
Situation der Bewerber umfassend beurteilt und nicht allein auf die<br />
Geschlechtszugehörigkeit abgestellt wird. Eine automatische Bevorzugung<br />
von Frauen ohne Berücksichtigung des Einzelfalles ist nicht erlaubt. Voraussetzung<br />
der Zulässigkeit ist nach der Rechtsprechung des Europäischen<br />
Gerichtshofes, dass die Bevorzugung einer Frau nur bei gleichwertiger Qualifikation<br />
erfolgt, d.h. wenn bei objektiver Beurteilung die Verdienste der<br />
männlichen und weiblichen Bewerber als gleichwertig anzusehen sind. Man<br />
spricht in einem solchen Fall von einer positiven Diskriminierung.<br />
Mittelbare Diskriminierung<br />
Der Gleichbehandlungsgrundsatz auf EU-Ebene umfasst jedoch nicht nur<br />
die unmittelbare Diskriminierung, sondern auch alle Formen der mittelbaren<br />
Diskriminierung. Darunter versteht man eine Ungleichbehandlung, die nicht<br />
auf das Geschlecht als Unterscheidungsfaktor abzielt, sondern andere<br />
Gründe nennt. Diese Gründe treffen jedoch hauptsächlich Zugehörige eines<br />
bestimmten Geschlechts, sodass in der Praxis eben dieses Geschlecht diskriminiert<br />
wird. Eine mittelbare oder versteckte Diskriminierung liegt somit<br />
dann vor, wenn vordergründig geschlechtsneutrale Regelungen im Ergebnis<br />
für Frauen deutlich mehr benachteiligte Wirkungen haben als für Männer und<br />
wenn diese Benachteiligung nicht sachlich gerechtfertigt ist. Der Nachweis<br />
von mittelbarer Diskriminierung kann auch mit Statistiken oder mit Zahlenmaterial<br />
geführt werden. So wurden beispielsweise Regelungen, die Teilzeitbeschäftigte<br />
gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligen, als mittelbar<br />
diskriminierend gegenüber Frauen gewertet, da der Frauenanteil bei den<br />
Teilzeitbeschäftigten in der Regel überproportional hoch ist und daher vermehrt<br />
Frauen von dieser Benachteiligung betroffen waren. Durch dieses mittelbare<br />
Diskriminierungsverbot profitieren aber auch Männer, die sich als<br />
Teilzeitbeschäftigte ebenfalls auf die mittelbare Diskriminierung von Frauen<br />
berufen können und so den Vollzeitbeschäftigten gleich gestellt werden<br />
müssen. Werden beispielsweise Teilzeitbeschäftigte mit einem geringeren<br />
Stundensatz entlohnt als Vollzeitbeschäftigte bei gleicher Arbeit, so handelt<br />
es sich hierbei um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des<br />
Geschlechts. Der Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von einem betriebli-<br />
Betriebliches<br />
Pensionssystem<br />
gilt auch für<br />
Teilzeitbeschäftigung<br />
51
52<br />
Abkürzungen der Mitgliedstaaten:<br />
SK = Slowakei<br />
HU = Ungarn<br />
EL = Griechenland<br />
CZ = Tschechische Republik<br />
IT = Italien<br />
EE = Estland<br />
SI = Slowenien<br />
CY = Cypern<br />
PL = Polen<br />
LV = Lettland<br />
PT = Portugal<br />
LT = Litauen<br />
MT = Malta<br />
FI = Finnland<br />
ES = Spanien<br />
FR = Frankreich<br />
LU = Luxemburg<br />
IE = Irland<br />
DK = Dänemark<br />
SE = Schweden<br />
DE = Deutschland<br />
BE = Belgien<br />
AT = Österreich<br />
UK = Vereinigtes Königreich<br />
NL = Niederlande<br />
chen Pensionssystem widerspricht nach herrschender Rechtsprechung des<br />
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ebenfalls dem Gleichbehandlungsgebot.<br />
Der EuGH geht mittlerweile fast schon routinemäßig davon aus, dass<br />
Teilzeitbeschäftigte überwiegend weiblich sind. Dementsprechend ist eine<br />
Regelung, die Teilzeitbeschäftigte benachteiligt, in den meisten Fällen jedenfalls<br />
eine mittelbarere Diskriminierung, die einer objektiven Rechtfertigung<br />
für ihre Zulässigkeit bedarf.<br />
Rechtsdurchsetzung und Schadenersatz<br />
Insbesondere im Bereich der Rechtsdurchsetzung und der Schadenersatzansprüche<br />
bei Vorliegen einer Ungleichbehandlung aufgrund des<br />
Geschlechts haben die europäischen Vorgaben weit reichende Anpassungen<br />
der österreichischen Rechtslage erfordert. So hat nach der Richtlinie<br />
über die Beweislastregelungen ein beklagter Arbeitgeber, dem eine<br />
Ungleichbehandlung vorgeworfen wird, zu beweisen, dass kein Fall unmittelbarer<br />
oder mittelbarer Diskriminierung vorliegt. Nach alter Rechtslage<br />
hatte eine Frau, die einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichstellung<br />
geltend machen wollte, die Beweislast alleine zu tragen, auch wenn<br />
bestimmte Fakten viel leichter durch den Beklagten zu beweisen gewesen<br />
wären. Weiters hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Festsetzung<br />
einer Höchstgrenze für den Schadenersatz infolge von Diskriminierungen<br />
wegen des Geschlechts bei einer Einstellung der Gleichbehandlungsrichtlinie<br />
widerspricht. Kann der Arbeitgeber jedoch beweisen, dass die<br />
diskriminierte Bewerberin die zu besetzende Position wegen der besseren<br />
Qualifikation des tatsächlich eingestellten Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier<br />
Auswahl nicht erhalten hätte, dann ist eine Schadenersatzhöchstgrenze<br />
erlaubt. Da das österreichische Gleichbehandlungsgesetz<br />
generelle Schadenersatzobergrenzen bei Verletzung des Diskriminierungsverbotes<br />
bei Begründung des Arbeitsverhältnisses sowie beim beruflichen<br />
Aufstieg vorsah, war im Hinblick auf diese Judikatur des EuGH ein Änderungsbedarf<br />
gegeben. Auch wurde erst durch die Vorgaben des Europäischen<br />
Gerichtshofes die Möglichkeit eines immateriellen Schadenersatzanspruches<br />
für Diskriminierte ins österreichische Recht eingeführt. Neu war<br />
auch, dass nicht nur der tatsächlich entstandene Schaden, sondern auch<br />
der entgangene Gewinn als Schadenersatz verlangt werden kann.
EU-Förderprogramme<br />
Neben den rechtlichen Vorgaben gegen Diskriminierungen aufgrund des<br />
Geschlechts im Arbeitsleben nahm die EU auch eine Reihe von wichtigen<br />
Aktionsprogrammen an, wie beispielsweise das Programm über Chancengleichheit<br />
für Männer und Frauen, das DAPHNE-Programm über Maßnahmen<br />
zur Bekämpfung der Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen<br />
sowie das Programm zugunsten von Frauen beim Zugang zu Beschäftigung,<br />
Berufsausbildung und Förderung der Arbeitsbedingungen. Durch diese Programme<br />
werden Projekte in diesen Bereichen finanziell unterstützt.<br />
Ist-Situation<br />
Trotz all dieser Bemühungen zur Gleichbehandlung der Geschlechter auf<br />
EU-Ebene ist man von einer tatsächlichen Gleichstellung in vielen Bereichen<br />
des Arbeitslebens noch weit entfernt. So ist EU-weit das Management eindeutig<br />
Männerdominiert (69 Prozent) und der Prozentsatz der Frauen in<br />
Führungspositionen liegt bei nicht einmal einem Drittel, wobei Österreich<br />
Gleichstellung auch in<br />
der EU noch nicht<br />
Realität<br />
53
54<br />
Mehr als zwei Drittel der<br />
Bediensteten im Handel<br />
sind weiblich<br />
hier nicht nur unter dem EU-Schnitt liegt (EU: 31 Prozent, Ö: 28 Prozent),<br />
sondern die Frauenquote bei uns seit 1998 sogar um ein Prozent gesunken<br />
ist.<br />
Auch die Differenz in der Einkommenshöhe zwischen Frauen und Männern<br />
geht nur sehr langsam zurück. So verdienen EU-weit weibliche Arbeitnehmerinnen<br />
pro Stunde durchschnittlich um 15 Prozent weniger als ihre männlichen<br />
Kollegen, in Österreich ist der Durchschnittsstundenlohn der Frauen<br />
sogar 17 Prozent niedriger als jener der Männer. Im Vergleich zum Jahr 1998<br />
haben sich die Stundenlöhne in der EU um 2 Prozent und in Österreich um<br />
5 Prozent näher angeglichen.<br />
Die Frau im Handel – Arbeit im Wandel<br />
Glaubt man den Schlagzeilen in den Wirtschaftsteilen der Tages- und<br />
Wochenzeitungen nach dem Jahreswechsel, so hat sich der österreichische<br />
Handel im Jahr 2005 erstmals seit dem Jahre 2001 wieder über einen<br />
Zuwachs im Weihnachtsgeschäft erfreuen können. Dies befriedigt die heimischen<br />
Einzelhandelshäuser und Einkaufsketten sicher ungemein, da ja<br />
bekanntlich im Einzelhandel laut Statistik ein großer Teil des gesamten Jahresumsatzes<br />
speziell mit dem Weihnachtsgeschäft erwirtschaftet wird.<br />
Reiben sich somit die Kaufleute über das Adventgeschäft zufrieden die<br />
Hände, so ist neben dieser positiven Entwicklung zum Jahresende aber<br />
auch die daraus sich ergebende enorme Belastung der Handelsangestellten,<br />
insbesondere der im Handel beschäftigten Frauen, zu hinterfragen und die<br />
Arbeitssituation der im Verkauf unselbstständig tätigen Arbeitnehmerinnen<br />
im Verlaufe des gesamten Jahres einer genaueren Betrachtung und kritischen<br />
Würdigung zu unterziehen.<br />
Wie unter anderem auch aus einer umfangreichen Studie der <strong>AK</strong> Wien zur<br />
Situation von Beschäftigten im Handel aus dem Jahr 2004 hervorgeht, ist<br />
insbesondere im Zusammenhang mit dem von Arbeitgeberseite seit Jahren<br />
stark forcierten Bestreben, eine wirtschaftlich betonte Liberalisierung und<br />
Flexibilisierung der Rahmenbedingungen im Geschäftsleben durchzusetzen,<br />
der Handel eine besonders stark betroffene Branche.<br />
Dies vor allem deshalb, da es in diesem Bereich wegen der immer wieder<br />
aufflammenden und von Wirtschaftskammer und vor allem von der Industriellenvereinigung<br />
vehement eingeforderten, für den Wirtschaftsstandort<br />
Österreich angeblich so unbedingt „notwendigen“ Änderungen der Öffnungszeiten<br />
permanent zu einer durch alle Gesellschaftsschichten verlaufenden<br />
Diskussion über die möglichen Vor- und Nachteile von diesbezüglichen<br />
Regelungen gekommen ist.<br />
In den letzten Jahren waren im Handel im Jahresdurchschnitt ungefähr<br />
500.000 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei etwa 220.000 Beschäftigte im Einzelhandel<br />
angestellt sind. Mehr als zwei Drittel der Belegschaft des Einzelhandels<br />
sind Frauen. Im Rahmen der Untersuchung der Arbeitsbedingungen<br />
im Handel ergab sich, dass die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse zwar<br />
insgesamt gestiegen ist, die Fluktuation der Arbeitnehmerinnen sich aber<br />
nach wie vor als relativ hoch erweist und die allgemeine Beschäftigungsstabilität<br />
sich in Folge dessen als gering darstellt.
Insbesondere für die geringfügig beschäftigten Frauen in dieser Branche<br />
reduzieren sich die Chancen auf ein voll sozialversicherungspflichtiges<br />
Beschäftigungsverhältnis. Vor allem im Einzelhandel zeigt sich bezüglich der<br />
Beschäftigungsstabilität sowie der Chancen auf eine volle Wieder- oder Weiterbeschäftigung<br />
ein eher negativer Trend.<br />
Wie die Studie im Detail weiter ausführt, sind von diesen Entwicklungen im<br />
Handelsbereich in überwiegendem Ausmaß Frauen betroffen, deren Einkommenssituation<br />
sich durch die hohe Anzahl von Teilzeitarbeit in dieser<br />
Branche am stärksten verschlechtert hat. Zugleich wird festgestellt, dass<br />
das Ausmaß von nur geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in den letzten<br />
Jahren stark angestiegen ist und diese Art des Einkommenserwerbes für<br />
viele betroffene Arbeitnehmerinnen in Ermangelung einer besseren Alternative<br />
immer mehr zum Regelfall wird.<br />
Mit ein Grund für die überaus starke Zunahme von solchen atypischen<br />
Arbeitsverhältnissen waren sicher die Ausdehnung der Öffnungszeiten und<br />
die Zugangsmöglichkeit zur Sozialversicherung für geringfügig Beschäftigte<br />
in den Jahren 1997 und 1998, wobei aber zusätzlich zu erkennen ist, dass<br />
speziell der Einzelhandel und die großen Handelsketten in den letzten Jahren<br />
auch eine Reduktion der Lehrverhältnisse und deren Ersatz durch atypische<br />
Beschäftigungsformen vorgenommen haben. Die flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten<br />
für die Arbeitgeberseite sind wohl auch mitverantwortlich<br />
dafür, dass im Einzelhandel etwa 52 Prozent der Arbeitsverhältnisse innerhalb<br />
eines Jahres aufgelöst werden und sich somit in diesem Umfeld eine<br />
überproportionale Fluktuation von Arbeitnehmerinnen ergibt.<br />
Die erhebliche Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist überwiegend<br />
im Einzelhandel und in großen Betrieben zu finden, wobei sich die<br />
Anzahl geringfügiger Vereinbarungen vor allem im Einzelhandel laufend stark<br />
erhöht hat. Von dieser negativen Entwicklung sind wiederum mehrheitlich<br />
Frauen betroffen, da sie im Handelsbereich den überwiegenden Anteil an<br />
Arbeitnehmern im Rahmen von Teilzeitbeschäftigungen und geringfügigen<br />
Arbeitsverhältnissen stellen.<br />
Unter dem Aspekt der ansteigenden Teilzeitarbeitsquoten ist im Handel auch<br />
das etwas raschere Beschäftigungswachstum der Frauen gegenüber jenem<br />
der Männer zu sehen, wobei dieser „Vorsprung“ natürlich vorwiegend<br />
dadurch zustande kommt, dass hauptsächlich Frauen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen<br />
tätig sind.<br />
Statistisch gesehen hat die Teilzeitbeschäftigung im Handel in den letzten<br />
Jahren um fast 50 Prozent zugenommen, die geringfügige Beschäftigung hat<br />
sich innerhalb von acht Jahren um beinahe 70 Prozent erhöht, wobei der<br />
Anteil der geringfügigen Beschäftigungen am Gesamtbeschäftigungsausmaß<br />
bereits im Jahre 2002 mehr als 10 Prozent betragen hat und in weiterer<br />
Folge prozentuell deutlich stärker angestiegen ist, als die Zunahme der voll<br />
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse.<br />
Geringfügige Arbeitsverhältnisse sind dadurch gekennzeichnet, dass die<br />
Höhe des verdienten Entgelts bei monatlicher oder auch kürzerer Beschäftigung<br />
einen vorgegebenen Grenzwert nicht überschreiten darf. Dabei wird<br />
alljährlich eine bestimmte Einkommensgrenze festgesetzt, bis zu deren<br />
Erreichen es für das Arbeitsverhältnis nur die Unfallversicherungspflicht gibt<br />
Ausdehnung der<br />
Ladenöffnungszeiten hat<br />
Anteil der geringfügig<br />
Beschäftigten<br />
stark erhöht<br />
Jedes zweite<br />
Arbeitsverhältnis im<br />
Handel wird innerhalb<br />
eines Jahres aufgelöst<br />
55
56<br />
Geringfügig Beschäftigte<br />
sind ohne ausreichenden<br />
Sozialversicherungsschutz<br />
Arbeitsrechtliche<br />
Ansprüche Geringfügiger<br />
oftmals nicht bekannt<br />
(§ 5 Abs. 2 ASVG). Die volle Sozialversicherungspflicht ist erst ab Überschreitung<br />
dieses Grenzbetrages gegeben, der im Jahr 20<strong>06</strong> monatlich<br />
333,16 Euro und täglich 25,59 Euro beträgt.<br />
Daraus ergibt sich, dass bis zu diesen Grenzsätzen über die Unfallversicherung<br />
hinaus kein Sozialversicherungsschutz gegeben ist und sowohl vom<br />
Arbeitgeber als auch von der Arbeitnehmerin grundsätzlich keine Beitragsleistungen<br />
für die Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung sowie die<br />
Pensionsversicherung erbracht werden müssen. In diesem Falle ist die<br />
Arbeitnehmerin daher nur unfallversichert, wobei die dazu erforderliche<br />
Anmeldung durch den Arbeitgeber bei der zuständigen Gebietskrankenkasse<br />
zu erfolgen hat.<br />
Geringfügig beschäftigte Frauen können somit allein aus dieser nicht<br />
arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nach deren Beendigung<br />
auch kein Arbeitslosengeld beanspruchen. Ist eine geringfügig beschäftigte<br />
Arbeitnehmerin jedoch auf den Krankenversicherungsschutz angewiesen<br />
und möchte sie auch während dieser Erwerbstätigkeit Pensionsversicherungszeiten<br />
erwerben, so kann sie dies im Rahmen des seit 1998 möglichen<br />
„Optionsmodells“ gemäß § 19a ASVG durch freiwillige Beitragszahlungen an<br />
die Gebietskrankenkasse (47,01 Euro pro Monat im Jahr 20<strong>06</strong> ) realisieren.<br />
Ist die Sozialversicherungspflicht und eine damit sonst verbundene Leistung<br />
im Rahmen einer solchen Arbeitsvereinbarung somit stark reduziert, so ist<br />
aus Sicht des Arbeitsrechtes für die betroffenen Arbeitnehmerinnen aber<br />
jedenfalls zu beachten, dass alle arbeitsrechtlichen Ansprüche grundsätzlich<br />
auch bei Teilzeitbeschäftigungen und geringfügigen Arbeitsverhältnissen<br />
zustehen!<br />
In der arbeitsrechtlichen Beratung ist immer wieder festzustellen, dass auch<br />
Arbeitnehmerinnen im Handel, die ein geringfügiges Arbeitsverhältnis vereinbart<br />
haben, sich über arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlagen nicht ganz im<br />
Klaren sind und vom Arbeitgeber auch nichts dazu beigetragen wird, eine allfällige<br />
Wissenslücke im Interesse der Arbeitnehmerin zu schließen. Dadurch<br />
kommt es insbesondere bei solchen Arbeitsvereinbarungen häufig vor, dass<br />
die berechtigte Geltendmachung von Urlaubsanspruch, Weihnachts- und<br />
Urlaubsgeld, Abfertigung sowie vom Arbeitgeber zu bezahlender Entgeltfortzahlung<br />
im Krankheitsfall von der Arbeitnehmerin nicht gemacht wird.<br />
In diesem Zusammenhang ist jedenfalls an die Arbeitgeber im Handel zu<br />
appellieren, dass sie für den aus Arbeitnehmerinnensicht nicht wünschenswerten<br />
Fall, dass nämlich Vollbeschäftigungen durch atypische Arbeitsverhältnisse<br />
(wie insbesondere der geringfügigen Beschäftigung) ersetzt werden,<br />
zumindest auch alle arbeitsrechtlichen Grundlagen dieser Arbeitsverhältnisse<br />
berücksichtigen sowie die Ansprüche der Arbeitnehmerinnen<br />
umfassend und korrekt berechnen.<br />
Wie bereits ausgeführt, ist der Handel (aus geschlechtsspezifischer Sicht<br />
gesehen) eine typische Domäne der Frauen, da vor allem im Einzelhandel<br />
auch in Vollarbeitsverhältnissen überproportional viele Frauen beschäftigt<br />
sind. Bedingt durch den höheren Geringfügigkeits- und Teilzeitanteil der<br />
Frauen bei der Beschäftigungsquote, ergibt sich im Handel auch eine geringere<br />
Einkommensdynamik und somit ein niedrigeres Lohnniveau, wobei sich<br />
auch die relative Einkommensposition der Frauen in dieser Branche in den
letzten Jahren stärker zum Negativen hin verändert hat. Dies zeigt sich vor<br />
allem in der Bewertung im Rahmen einer Gesamteinkommensstatistik, die<br />
Gehälter über dem Mindestgehalt des Kollektivvertrages zur Grundlage<br />
haben.<br />
Unabhängig davon ist auch zu hinterfragen, ob diese atypischen Beschäftigungen<br />
von Frauen eventuell freiwillig aufgenommen werden, somit die<br />
Beschränkung auf ein Teilzeit- oder geringfügiges Einkommen aus zeitlichen<br />
Gründen notwendig ist oder ob der Arbeitsmarkt es auch den an Vollarbeitsverhältnissen<br />
interessierten Frauen nicht möglich macht, über Teilzeitbeschäftigungen<br />
hinaus voll beschäftigt zu werden.<br />
Ist die individuelle Grundlage für die Entscheidung bezüglich einer entsprechenden<br />
Vereinbarung im Handel auch nicht immer eindeutig objektivierbar,<br />
so kann dennoch festgehalten werden, dass Frauen meist länger geringfügig<br />
beschäftigt sind als Männer, wobei aber immerhin bei ungefähr einem Viertel<br />
der in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis beschäftigten Frauen innerhalb<br />
von zwei Jahren der Wechsel in ein voll sozialversicherungspflichtiges<br />
Arbeitsverhältnis gelingt. Dieses ist aber keinesfalls stets einem Vollzeitarbeitsverhältnis<br />
gleichzuhalten, da die volle Sozialversicherungspflicht ja<br />
bereits bei einer Teilzeitbeschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze zum<br />
Tragen kommt.<br />
Obwohl es noch keine eindeutigen statistischen Untersuchungen dahingehend<br />
gibt, ob der Markt den Frauen die geringfügigen oder teilzeitigen<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten aufzwingt (da aus Kostengründen zu wenig<br />
Vollzeitarbeitsverhältnisse angeboten werden) oder ob die betroffenen<br />
Frauen einfach nur versuchen, neben ihrer Tätigkeit im familiären Verband<br />
zusätzlich noch etwas dazu zu verdienen, muss noch einmal darauf hingewiesen<br />
werden, dass diese atypischen Arbeitsverhältnisse überwiegend von<br />
Frauen ausgeübt werden und sich daher auch alle damit verbundenen Nachteile<br />
(insbesondere was die persönliche Einkommenslage, die berufliche<br />
Anerkennung, die Weiterbildung, das berufliche Image, den Lebensstandard,<br />
die Mehrfachbelastung etc. betrifft) eben großteils nur auf Frauen<br />
negativ auswirken.<br />
Neben der an und für sich meist nicht befriedigenden Arbeits- und Einkommenssituation<br />
bei dieser Art von Arbeitsverhältnissen ist auch bei Vollarbeitsverhältnissen<br />
im Handel eine Entwicklung zu erkennen, die es insbesondere<br />
für Frauen mit Familie zunehmend schwerer macht, die an sie<br />
gestellten Anforderungen zu erfüllen, ohne dabei auf Kosten des Familienlebens<br />
laufend Zugeständnisse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen oder<br />
Abstriche im Zusammenhang mit Entgeltfragen machen zu müssen.<br />
Dazu kommt, dass Stress am Arbeitsplatz, unregelmäßige Arbeitszeiten und<br />
vor allem die aus arbeitmedizinischer Sicht oft auch starke physische<br />
Beanspruchung durch eher einseitige Tätigkeiten, die den Stütz- und<br />
Bewegungsapparat schädigen können, die Arbeit bei nicht ausreichender<br />
Berücksichtigung einer ergonomischen und menschengerechten Arbeitsplatzgestaltung<br />
für viele im Handel Beschäftigte zusehends schwieriger<br />
machen.<br />
In <strong>Tirol</strong> sind ungefähr drei Viertel der Mitarbeiter im Handel Frauen und ein<br />
großer Teil davon trägt durch das Arbeitseinkommen einen wichtigen oder<br />
Vollarbeit im Handel wird<br />
zunehmend seltener<br />
57
58<br />
Ausdehnung der<br />
Ladenöffnungszeiten<br />
ging voll zu Lasten der<br />
berufstätigen Mütter<br />
manchmal sogar dringend notwendigen Anteil zum Familienbudget bei,<br />
sodass sich auch hinsichtlich der zeitlichen Vereinbarkeit von Familie, Haushalt,<br />
Kind und Beruf jegliche neue Verschärfung der Arbeitsbedingungen im<br />
Handel überproportional auf Frauen auswirkt.<br />
In diesem Zusammenhang sind vor allem die Öffnungszeiten der Verkaufsgeschäfte<br />
und die ständige Diskussion über eine Ausdehnung dieser Zeiten<br />
ein Thema, das nicht nur zu sich widersprechenden Ansichten führt, sondern<br />
auch insbesondere bei weiblichen Handelsangestellten häufig Befürchtungen<br />
erweckt, dass mit einer weiteren Ausdehnung der jetzt schon relativ<br />
großzügigen Öffnungszeiten die Vereinbarkeit von privaten und dienstlichen<br />
Erfordernissen und Notwendigkeiten immer schwieriger fällt und somit in<br />
vielen Fällen die Familie durch die Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses<br />
im Handel leiden muss.<br />
Aus historischer Betrachtung ist eine ständige Ausdehnung der Öffnungszeiten<br />
unter dem Stichwort Liberalisierung seit Ende der Achtzigerjahre zu<br />
beobachten. Noch 1987 mussten die Ladengeschäfte (von speziellen Ausnahmen<br />
abgesehen) mit Samstagmittag schließen. Ab Dezember 1989<br />
wurde einmal monatlich ein langer Einkaufssamstag gesetzlich ermöglicht<br />
und mit dem Jahre 1997 wurde das Offenhalten der Handelsgeschäfte an<br />
jedem Samstagnachmittag bis um 17 Uhr erlaubt (Ausnahme: Vorweihnachtssamstage<br />
bis um 18 Uhr). Durch das Öffnungszeitengesetz 2003 kam<br />
es unter anderem neuerlich zu einer grundsätzlichen Ausdehnung der Offenhaltemöglichkeiten<br />
am Abend (Montag bis Freitag bis 21 Uhr und am Samstag<br />
bis 18 Uhr unter der Voraussetzung des Erlasses einer Verordnung des<br />
jeweiligen Landeshauptmannes).<br />
Eine von Vertretern des Handels ursprünglich unter dem Leitsatz der zusätzlichen<br />
Schaffung von Arbeitplätzen prognostizierte starke Zunahme von Vollzeitarbeitsplätzen<br />
konnte in diesem Zusammenhang bisher aber dennoch<br />
nicht beobachtet werden, sodass angenommen werden muss, dass die<br />
erweiterten Öffnungszeiten vom Handel entweder gar nicht voll übernommen<br />
wurden oder eher die Zusatzarbeit durch Mehrbelastungen des Stammpersonales<br />
oder die vermehrte Anstellung von geringfügig Beschäftigten<br />
oder Teilzeitarbeitnehmerinnen ausgeglichen worden ist.<br />
Da nicht immer davon auszugehen ist, dass eine Verlagerung der vereinbarten<br />
Arbeitszeiten in die späten Nachmittags- oder frühen Abendstunden<br />
oder auf den Samstagnachmittag von der betroffenen Arbeitnehmerin auch<br />
tatsächlich positiv gesehen (oder gar gewünscht) wird, ist zu erwarten, dass<br />
diesbezüglich vom Arbeitgeber thematisierte „freiwillige“ Abänderungen der<br />
vereinbarten Arbeitszeit und deren „Akzeptanz“ sich durchaus auch zu<br />
Lasten des Familienlebens von Arbeitnehmerinnen ausgewirkt haben und<br />
nach wie vor eine gemeinsame familiäre Freizeitgestaltung stark einschränken.<br />
Auch die langjährig aktuelle Diskussion über eine Zulässigkeit des Offenhaltens<br />
der Geschäfte am 8. Dezember (angeblich vorrangig deshalb, um dem<br />
Einkaufstourismus insbesondere nach Deutschland Einhalt zu gebieten)<br />
wurde zwar stark emotional geführt, hat aber letztendlich als nachteiliges<br />
Ergebnis für betroffene Arbeitnehmerinnen doch nur mit sich gebracht, dass<br />
an diesem Feiertag nunmehr von 10 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden
kann. Die Erbringung der Arbeitsleistung an diesem Festtag ist der Angestellten<br />
zwar theoretisch freigestellt (und kann laut kollektivvertraglicher<br />
Regelung von ihr auch verweigert werden, ohne dass es deswegen zu Nachteilen<br />
kommen darf), es kommt in der Praxis jedoch kaum vor, dass sich eine<br />
Arbeitnehmerin dem nachdrücklich formulierten „Wunsch“ ihres Arbeitgebers<br />
widersetzt, auch an diesem Arbeits„feier“tag zur Arbeitsleistung zur<br />
Verfügung zu stehen.<br />
Dass dafür zusätzlich zum Monatsgehalt die tatsächlich am Feiertag gearbeiteten<br />
Stunden und eine Zeitgutschrift zu leisten sind, mag aus pekuniärer<br />
Hinsicht einen kleinen Anreiz darstellen. Ob damit aber der Verlust der Möglichkeit,<br />
diesen Feiertag im familiären Rahmen zu genießen oder vielleicht<br />
selbst für Weihnachtsvorbereitungen zu nützen, ausgeglichen werden kann,<br />
wird in vielen Fällen zweifelhaft und nur ein schwacher Trost sein.<br />
Speziell die vier langen Einkaufssamstage vor dem Heiligen Abend stellen<br />
eine besondere Herausforderung und Belastung für die im Einzelhandel<br />
Beschäftigten dar. Dieser verstärkte Arbeitseinsatz wurde auch in einer Entscheidung<br />
des Obersten Gerichtshofes bereits im Jahre 1989 in der Form<br />
gewürdigt, dass für die Arbeitsleistung an diesen langen Samstagnachmittagen<br />
in der Vorweihnachtszeit, die bis 18 Uhr möglich ist, in jedem Falle ein<br />
Zuschlag zum Stundenlohn im Ausmaß von 100 Prozent als Abgeltung für<br />
die besondere Belastung zu bezahlen ist.<br />
Parallel zu den bereits relativ großzügigen Öffnungszeiten wird aber zusätzlich<br />
immer häufiger von Vertretern des Handels gefordert, dass auch am<br />
Sonntag das Offenhalten von Verkaufsgeschäften über die bereits jetzt<br />
zulässigen Möglichkeiten hinaus erlaubt wird.<br />
Begründet wird dies meist mit der fragwürdigen Argumentation, dass derzeit<br />
immer wieder Touristen vor geschlossenen Geschäften stehen würden und<br />
bei einer weiteren Liberalisierung der Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes<br />
mehr Umsatz und Gewinn gemacht werden könne.<br />
Speziell in der Landeshauptstadt wird auf den im Zusammenhang mit<br />
Ladenöffnung angeblich so liberalen Süden sowie auf die zahlungskräftigen<br />
potenziellen Kunden verwiesen. Dabei wird offensichtlich übersehen, dass<br />
auch in den italienischen Metropolen (Ausnahmen sind wie bei uns in Tourismuszentren<br />
möglich) an Sonntagen ebenfalls meist nur geschlossene Läden<br />
zu finden sind.<br />
Unabhängig davon wird in dieser Diskussion aber einmal mehr der Stellenwert,<br />
den der freie Sonntag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im<br />
Handel (und natürlich auch für viele andere Branchen) grundsätzlich hat,<br />
nicht berücksichtigt. Auch hier würde es wieder überwiegend die ohnehin<br />
schon stark belasteten Mitarbeiterinnen im Handel treffen, sodass schon aus<br />
dieser Sicht eine weitere Liberalisierung der Öffnungszeiten abzulehnen ist.<br />
Würde man hingegen die durch eine Mehrfachbelastung mit Familie, Haushalt<br />
und Berufstätigkeit manchmal schon an der Grenze der zumutbaren<br />
Belastbarkeit sich bewegenden Mitarbeiterinnen im Handel nach ihren Vorstellungen<br />
einer Flexibilisierung befragen, so würde sich in weiterer Folge<br />
sicher eine Diskussion darüber ergeben, wie ein Arbeitsplatz im Handel aussehen<br />
müsste, um es Frauen mit Familie zu ermöglichen, optimale Bedin-<br />
Es geht jetzt um den<br />
freien Sonntag<br />
Weitere Liberalisierung<br />
im Handel ist abzulehnen<br />
59
60<br />
Handel hätte ideale<br />
Voraussetzungen für<br />
frauen- und familienfreundliche<br />
Arbeitsplätze<br />
gungen vorzufinden, um möglichst alle Interessen und Notwendigkeiten<br />
abdecken zu können.<br />
Als Lösung wäre dann sicher ein gemeinsames Bestreben von Arbeitgebern<br />
und Arbeitnehmerinnen wünschenswert, für frauen- und familienfreundliche<br />
Arbeitsplätze im Handel eine individuelle „Flexibilisierung anderer Art“ als die<br />
bisher nur von Arbeitgeberseite geforderte zu vereinbaren. Diese neue Flexibilisierung<br />
sollte es den Frauen ermöglichen, die Arbeitsbedingungen so mitzugestalten,<br />
dass sie sich möglichst problemlos mit den familiären Vorgaben,<br />
Wünschen und Verpflichtungen in Einklang bringen lassen.<br />
Anstelle von gesellschaftspolitisch fragwürdigen Demontageversuchen von<br />
Sonntags- und Feiertagsruhe sollte also insbesondere im Handel besser<br />
darüber nachgedacht werden, wie sich die derzeit meist noch utopisch darstellende<br />
Vision einer umfassenden familien- und frauengerechten Arbeitszeit-<br />
und Arbeitsplatzgestaltung in eine baldige Realisierung verwandeln<br />
lässt.<br />
Schwangerschaft verboten<br />
Vor allem jüngere Stellenwerberinnen werden im Zuge von Vorstellungsgesprächen<br />
nicht nur nach ihren Erwartungen bezüglich der in Aussicht<br />
genommenen Tätigkeit sondern auch nach ihren privaten Plänen für die<br />
Zukunft, insbesondere nach einer geplanten oder gar schon bestehenden<br />
Schwangerschaft gefragt.<br />
Die dabei gewählten Vorgehensweisen – direkt oder indirekt im persönlichen<br />
Gespräch, durch Vorlage eines entsprechend verfassten Personalfragebogens<br />
oder psychologischen Tests – sind beinahe so vielfältig wie die zur<br />
Rechtfertigung für einen derartigen Informationsbedarf des Arbeitgebers<br />
vorgebrachten Gründe.<br />
Die Suche und Auswahl geeigneter neuer Mitarbeiter verursacht, gerade<br />
wenn diese Agenden an externe Berater ausgelagert werden, ebenso wie die<br />
Einschulung und Ausbildung nicht unerhebliche Kosten. Diese Investitionen<br />
sollen sich daher über einen längeren Zeitraum hinweg „bezahlt machen“.<br />
Auch im Kontakt mit Geschäftspartnern und Kunden wird die Kontinuität an<br />
bestimmten Schlüsselstellen zum (wirtschaftlichen) Erfolg eines Unternehmens<br />
beitragen.<br />
Aber: In der überwiegenden Zahl der Fälle treffen diese Argumente nicht einmal<br />
im Ansatz zu. Denn eine schwangere Arbeitnehmerin kann und wird – bis<br />
auf die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdenden Tätigkeiten – genau<br />
die gleichen Arbeiten verrichten. Der Zeitraum des absoluten Beschäftigungsverbotes<br />
vor und nach der Entbindung kostet den Arbeitgeber keinen<br />
Cent, hier bezahlt ausschließlich die Gebietskrankenkasse das Wochengeld.<br />
Gleiches gilt auch, falls die Schwangere aufgrund einer Gesundheitsgefährdung<br />
für sich oder das Kind vor dem Zeitraum des absoluten Beschäftigungsverbots<br />
nicht mehr arbeiten darf: In diesem Fall bezahlt die Gebietskrankenkasse<br />
ein „vorgezogenes Wochengeld“. Der Arbeitgeber kann daher<br />
vor und nach dem Mutterschutz bzw. der Karenz mit einer hundertprozentig<br />
einsetzbaren Arbeitnehmerin rechnen, während des Mutterschutzes oder<br />
der Karenz fallen für ihn keinerlei Kosten an. Es werden daher im Wesentli-
chen diese „Kosten-Argumente“ nur vorgeschoben, „ersparen“ wollen sich<br />
die meisten Arbeitgeber nur zusätzliche arbeitsrechtliche Verpflichtungen,<br />
die auf das Wohl von Mutter und Kind Bedacht nehmen.<br />
Daher sind direkte und indirekte Fragen nach einer bestehenden oder<br />
geplanten Schwangerschaft – wie auch jene nach einer „fixen“ Partnerschaft<br />
oder der Verwendung von Verhütungsmitteln – als unzulässige Eingriffe in die<br />
nach Artikel 8 Menschenrechtskonvention (MRK) geschützte Privat- oder<br />
Intimsphäre zu qualifizieren. Dass eine derartige Verletzung der Persönlichkeitsrechte<br />
eines Arbeitnehmers auch durch die Zustimmung des Betriebsrats<br />
zu einem Personalfragebogen nicht geheilt werden kann, versteht sich<br />
von selbst.<br />
Eine Arbeitnehmerin braucht daher Fragen zum Thema Schwangerschaft<br />
bzw. Familienplanung nicht zu beantworten und ist auch nicht verpflichtet,<br />
ihren potenziellen Arbeitgeber über eine bereits bestehende Schwangerschaft<br />
in Kenntnis zu setzen. Das Verschweigen der Schwangerschaft stellt<br />
nach ständiger Rechtsprechung selbst dann keinen Entlassungsgrund dar,<br />
wenn die Bewerberin ausdrücklich danach gefragt wurde.<br />
Ebenso wenig ist ein unter diesen Voraussetzungen zustande gekommener<br />
Vertrag nichtig oder wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung anfechtbar.<br />
Anlässlich des Einstellungsgesprächs geäußerte Fragen zum Thema<br />
Schwangerschaft stellen auch eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund<br />
des Geschlechts dar. Wird eine Bewerberin abgewiesen, weil sie derartige<br />
Fragen nicht beantworten wollte, auf die Diskriminierung hingewiesen hat<br />
oder schwanger ist, hat sie daher Anspruch auf Schadenersatz.<br />
Wesentlich seltener als Fragen im Zuge von Aufnahmeverfahren finden sich<br />
Klauseln in Arbeitsverträgen, wonach das Arbeitsverhältnis bei Eintritt einer<br />
Schwangerschaft automatisch beendet wird, die Arbeitnehmerin sich verpflichtet,<br />
innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht schwanger zu werden,<br />
bei Eintritt einer Schwangerschaft eine Konventionalstrafe zu bezahlen oder<br />
die entstandenen Einschulungs- oder Ausbildungskosten rückzuerstatten.<br />
Derartige Vertragsbestimmungen verstoßen in so eklatanter Weise gegen die<br />
Grundsätze der Rechtsordnung, dass sie jedenfalls nichtig sind.<br />
Teleheimarbeit: Ideal für Beruf und Familie?<br />
Einleitend ist zunächst festzuhalten, dass die Begriffe „Telearbeit“ und „Teleheimarbeit“<br />
häufig synonym verwendet werden. Dies ist insofern nicht ganz<br />
korrekt, als es sich bei „Telearbeit“ um den weiteren Begriff handelt – dieser<br />
Begriff umfasst nämlich auch jene Arbeitsplätze, die nicht am eigentlichen<br />
Betriebsstandort angesiedelt sind, sondern wo die Beschäftigten beispielsweise<br />
in dezentralen firmeneigenen Büros, Callcentern, etc. Dienstleistungen<br />
für den Betrieb erbringen und auf elektronischem Wege mit dem Betrieb<br />
verbunden sind. Hier fehlt also das Merkmal der „Heimarbeit“, da diese<br />
Arbeiten nicht von zu Hause aus erbracht werden.<br />
„Teleheimarbeit“ – jener Begriff also, der häufiger mit „Telearbeit“ gemeint<br />
sein dürfte – ist Arbeitsleistung von zu Hause aus, mit direkter elektronischer<br />
Anbindung an den Betrieb. War dies in den Anfängen eine Anbindung nur<br />
Frage nach Schwangerschaft<br />
muss nicht<br />
beantwortet werden<br />
61
62<br />
Teleheimarbeit mit viel<br />
Vorschusslorbeeren –<br />
Realität oft ganz anders<br />
Isolation- und<br />
Mobbinggefahr,<br />
Aufstiegschancen<br />
kaum gegeben<br />
mittels Telefon, BTX oder Standleitung, so rückt mittlerweile mehr und mehr<br />
das Internet die einzelnen Arbeitsplätze virtuell zusammen.<br />
Der Grundgedanke dabei ist jener, dass es ja eigentlich egal sei, ob die weitgehend<br />
am Computer erledigte und via Datenleitung verschickte Arbeit im<br />
Bürogebäude selbst oder aber zu Hause abgewickelt wird. Wenn aber dieselbe<br />
Arbeit genauso gut von zu Hause aus erledigt werden kann, so würden<br />
sich – so die oft gehörte Meinung – dadurch ungeahnte Vorteile für Arbeitgeber<br />
wie auch Arbeitnehmer ergeben.<br />
Der Arbeitgeber spart sich Kosten für Büroräumlichkeiten und deren Ausstattung,<br />
darüber hinaus ist es für Arbeitgeber bei Teleheimarbeitsverhältnissen<br />
im Unterschied zu den „herkömmlichen“ Arbeitsverhältnissen leichter<br />
vorstellbar, dass sie aufgrund der Art der Arbeitsleistung und der oftmals<br />
freien Zeiteinteilung als freie Dienstverhältnisse angesehen werden. Dazu<br />
kommt als ein Merkmal der Globalisierung, dass Telearbeiten auch ins (weit<br />
entfernte) Ausland verlagert werden können – so wie es zum Beispiel in der<br />
Softwarebranche schon lange üblich ist, Softwareentwickler in Indien mit der<br />
Firmenzentrale in Kalifornien elektronisch kommunizieren zu lassen.<br />
Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – so wird häufig argumentiert –<br />
ergäben sich Vorteile bei der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Beruf,<br />
eine höhere zeitliche Flexibilität und damit Anpassungsfähigkeit an familiäre<br />
Bedürfnisse, bessere persönliche Kontakte zu den Nachbarn, weiters aber<br />
auch die Möglichkeit des Kontakthaltens mit der Arbeitswelt anstelle des<br />
gänzlichen Ausstiegs aus dem Berufsleben, zusätzlich noch das Einsparen<br />
der Zeit und der Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstelle sowie das Schaffen<br />
von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Gebieten, und letztlich in Ermangelung<br />
von räumlich anwesenden Kollegen sogar das Vermeiden von belastendem<br />
Mobbing.<br />
Die tatsächlichen bisherigen Erfahrungen mit Teleheimarbeit haben aber<br />
gezeigt, dass die Arbeitsleistung von zu Hause aus durch den Mangel an<br />
informellen Kontakten mit Kolleginnen und Kollegen für Arbeitnehmerinnen<br />
zu einer Art von Isolation in der eigenen Wohnung führt. Es kann zwischen<br />
Berufs- und Privatleben nicht mehr exakt genug getrennt werden (z.B. wird<br />
dann häufig auch am Wochenende gearbeitet, weil während der Arbeitswoche<br />
nicht genug Zeit für die Arbeitsleistung erbracht werden konnte). Es<br />
kommt insgesamt zu einer noch stärkeren Doppelbelastung durch Kinderbetreuung<br />
und Arbeitsleistung mit darauf folgender Überforderung. Das herkömmliche<br />
Arbeitsverhältnis wird unter Umständen in einen freien Dienstvertrag<br />
(mit sämtlichen Nachteilen) umgewandelt. Unter Umständen werden<br />
Einzelleistungen oder Einzelprojekte mittels Werkvertrag zugekauft. Dass<br />
übrigens selbst Mobbing auch dann stattfinden kann, wenn Kollegen räumlich<br />
getrennt, ja sogar über weite Entfernungen getrennt sind, hat sich mittlerweile<br />
(insbesondere im Zeitalter des Internet) bereits herausgestellt.<br />
Häufig festzustellen ist auch, dass sich durch Teleheimarbeit die Aufstiegschancen<br />
verringern, insbesondere bleibt der Zugang zu Führungsfunktionen<br />
verwehrt. Dies unter anderem deshalb, weil zum einen Führungsfunktionen<br />
kaum im Wege der Teleheimarbeit ausgeübt werden können, zum anderen<br />
aber auch, weil in Teleheimarbeit beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen<br />
in der Gesamtbelegschaft weit weniger „wahrgenommen“ werden
– was aufgrund der räumlichen Distanz auch nicht allzu verwunderlich ist. So<br />
ist das Berufsleben und hierbei insbesondere der Informationsaustausch in<br />
einem erheblichen Ausmaß durch informelle Kontakte und Kommunikationsstrukturen<br />
gekennzeichnet, die – anders als etwa in einem E-Mail – „nebenbei“<br />
erfolgen und dennoch für eine interne Kommunikation unverzichtbar<br />
sind.<br />
Nicht zu vergessen ist auch der bei der Teleheimarbeit zu Problemen<br />
führende Aspekt der mangelnden Möglichkeit der betrieblichen Interessenvertretung:<br />
Betriebsratsarbeit wird durch Teleheimarbeitsplätze deutlich<br />
erschwert, dazu kommt, dass bei einer Ausgestaltung der Beschäftigung als<br />
freiem Dienstverhältnis oder Werkvertrag das aktive und passive Betriebsratswahlrecht<br />
nicht gegeben ist und daher auch keine betriebliche Interessenvertretung<br />
erfolgen kann.<br />
Es lässt sich daher insgesamt feststellen, dass die Teleheimarbeit bislang<br />
nicht jene Bedeutung erlangt hat, die man ihr noch vor Jahren prognostiziert<br />
hat. Mit Sicherheit handelt es sich aber nicht um jenes „ideale“ Hilfsmittel zur<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, als das es ursprünglich gesehen wurde.<br />
Diskriminierende Auflösung während der Probezeit<br />
Für den Beginn eines Arbeitsverhältnisses kann zwischen Arbeitgeber und<br />
Arbeitnehmer eine Probezeit vereinbart werden. Diese ist im Allgemeinen mit<br />
einem Monat limitiert und dient dazu, sowohl dem Arbeitgeber als auch dem<br />
Arbeitnehmer ihre Entscheidung bezüglich der Wahl des Arbeitsplatzes bzw.<br />
der Auswahl des Arbeitnehmers und seiner Qualifikation für die ihm zugedachte<br />
Position zu überprüfen und gegebenenfalls das Arbeitsverhältnis<br />
ohne Einhaltung von Fristen wieder aufzulösen.<br />
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die<br />
Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes, die im Falle des Vorliegens einer<br />
Schwangerschaft die Arbeitnehmerin vor Kündigungen und Entlassungen<br />
schützen, während der Probezeit keine Geltung haben. Frauen, die während<br />
des Arbeitsverhältnisses auf Probe ihrem Arbeitgeber eine Schwangerschaft<br />
mitteilen, setzen sich daher dem Risiko aus, dass der Arbeitgeber dies zum<br />
Anlass nimmt, das Arbeitsverhältnis sofort aufzulösen. Dies ist in der Vergangenheit<br />
auch mehrmals geschehen, auch der Oberste Gerichtshof sah<br />
ein derartiges Vorgehen als rechtlich erlaubt an, da die jederzeitige und<br />
grundlose Auflösbarkeit eines Probearbeitsverhältnisses gewahrt bleiben<br />
müsse.<br />
Eine erst vor kurzem ergangene richtungsweisende Entscheidung des Obersten<br />
Gerichtshofes stellte nunmehr fest, dass auch in der Probezeit eine Auflösung<br />
wegen Schwangerschaft der Arbeitnehmerin aufgrund der damit verbundenen<br />
Diskriminierung anfechtbar ist. Basis dafür stellt das Gleichbehandlungsgesetz<br />
dar, das vorsieht, dass Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitsverhältnis<br />
vom Arbeitgeber wegen des Geschlechtes gekündigt oder<br />
vorzeitig aufgelöst wurde, diese Auflösung beim Gericht anfechten können.<br />
Obwohl die Auflösung während der Probezeit im Gleichbehandlungsgesetz<br />
nicht expressis verbis angeführt wird, sieht der Oberste Gerichtshof eine<br />
analoge Anwendung für angebracht. Es wird nämlich im Gleichbehand-<br />
Auflösung während der<br />
Probezeit wegen<br />
Schwangerschaft<br />
diskriminierend<br />
63
64<br />
lungsgesetz auch normiert, dass für den Fall, dass ein Arbeitsverhältnis<br />
wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gebotes der<br />
geschlechtsneutralen und diskriminierungsfreien Stellenausschreibung nicht<br />
begründet wird, ein Schadenersatzanspruch des Stellenbewerbers gegenüber<br />
dem Arbeitgeber entsteht.<br />
Es wäre daher nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ein unüberwindbarer<br />
Wertungswiderspruch, wenn man nur die Nichtbegründung eines<br />
Arbeitsverhältnisses und eine Kündigung bzw. Entlassung, nicht aber auch<br />
eine aus Gründen der geschlechtlichen Diskriminierung erfolgende Auflösung<br />
eines Probedienstverhältnisses sanktionieren würde.<br />
Eine Auslegung des Gleichbehandlungsgesetzes im Sinne der RL<br />
76/207/EWG (Gleichbehandlungs-RL) gebiete daher, die Sanktionen des<br />
Gleichbehandlungsgesetzes auch dann anzuwenden, wenn der Grund für<br />
die Auflösung eines Probedienstverhältnisses in der Schwangerschaft einer<br />
Dienstnehmerin gelegen ist.<br />
Macht daher eine Arbeitnehmerin, deren Probearbeitsverhältnis gerade<br />
wegen ihrer Schwangerschaft aufgelöst wurde, die Diskriminierung glaubhaft<br />
und kann demgegenüber der beklagte Arbeitgeber dies nicht entkräften<br />
und beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist,<br />
dass ein anderes Motiv für die Auflösung ausschlaggebend war, hat das<br />
Gericht eine derartige Beendigung für rechtsunwirksam zu erklären und das<br />
Arbeitsverhältnis besteht aufrecht weiter. In diesem Fall hat der Arbeitgeber<br />
das Entgelt seit der unzulässigen Beendigung nachzubezahlen. Eine derartige<br />
Anfechtungsklage muss allerdings binnen 14 Tagen ab Zugang der Auflösungserklärung<br />
bei Gericht erfolgen.<br />
Die für das Eheleben abträgliche Schauspielerei und<br />
andere rechtliche Kuriosa<br />
Arbeitsrechtliche Gesetze sind mitunter sehr alt und daher etwas „ergraut“.<br />
Dies zeigt sich immer wieder an Formulierungen, die nur im historischen<br />
Zusammenhang erklärbar sind und eine Werthaltung aus der Vergangenheit<br />
widerspiegeln, die aus heutiger Sicht veraltet erscheint. Ein typisches Beispiel<br />
dafür bietet die aus dem Jahre 1859 stammende und zum Teil immer<br />
noch in Geltung stehende Gewerbeordnung, wonach ein Arbeiter entlassen<br />
werden kann, weil er „ungeachtet vorausgehender Verwarnung mit Feuer<br />
und Licht unvorsichtig umgeht“ oder „die übrigen Hilfsarbeiter … zu unordentlichem<br />
Lebenswandel … zu verleiten sucht“. Während man diese Tatbestände<br />
noch interpretativ durch Heranziehung neuer und gleichartiger<br />
Gefahrenmomente in die Gegenwart überführen kann, so etwa der nachlässige<br />
Umgang mit Radioaktivität oder bakteriellen und giftigen Stoffen, findet<br />
sich im Schauspielergesetz (SchauspG) aus dem Jahre 1922 ein besonderes<br />
Kuriosum:<br />
Denn gemäß § 31 Abs 1 SchauspG kann eine Darstellerin, die während des<br />
laufenden Bühnendienstvertrages heiratet, nur über Verlangen des Ehemannes<br />
den Bühnendienstvertrag binnen zwei Monaten nach der Eheschließung<br />
unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist lösen.
Dem aber noch nicht genug: Wurde eine derartige Kündigung ausgesprochen,<br />
so darf die Darstellerin gemäß § 31 Abs 2 SchauspG während der letzten<br />
vier Wochen des Bühnendienstvertrages „wenn der Ehemann am Vertragsorte<br />
wohnhaft ist, in keinem anderen Bühnenunternehmen, wenn der<br />
Ehemann an einem anderen Orte wohnhaft ist, nur an einem Bühnenunternehmen<br />
dieses Ortes tätig sein“.<br />
Offenbar war das gesellschaftliche Ansehen einer Schauspielerin in den turbulenten<br />
und wilden zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht<br />
besonders hoch, zeigte man sich doch als Frau öffentlich dem ganzen Publikum<br />
und war vielerlei Verleitungen zu einem unordentlichen Lebenswandel<br />
ausgesetzt. Durch die über Verlangen des Ehemannes bewirkte vorzeitige<br />
Beendigung des potenziell sittlichkeitsgefährdenden Bühnendienstvertrages<br />
sollte die nunmehr verheiratete Schauspielerin endgültig „bürgerlich“ werden.<br />
Der Umstand, dass Theaterauftritte der frisch vermählten Schauspielerin<br />
während der Kündigungsfrist nur mehr am Wohnort des Ehemannes zulässig<br />
sind, erklärt sich ebenfalls aus dem historischen Zusammenhang, nämlich<br />
aus der bis zum Jahr 1975 im österreichischen Familienrecht geltenden „Folgepflicht“<br />
der Ehefrau. In diesem Sinne verfügte § 92 ABGB bis zum Eherechts-Änderungsgesetz<br />
1975:<br />
„Die Gattin erhält den Namen des Mannes und genießt die Rechte seines<br />
Standes. Sie ist verbunden dem Manne in seinem Wohnsitz zu folgen, in der<br />
Haushaltung und Erwerbung nach besten Kräften beizustehen, und soweit<br />
es die häusliche Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln<br />
sowohl selbst zu befolgen, als befolgen zu machen.“<br />
Durch das Eherechtsänderungsgesetz 1975 wurde nun entsprechend der<br />
gesellschaftspolitischen Entwicklung das Prinzip der einvernehmlichen<br />
Gestaltung der Lebens- und Haushaltsverhältnisse der Ehegatten im Gesetz<br />
verankert. Offenbar hatte man aber im Zuge dieser Reform – vielleicht auch<br />
als Folge der zunehmenden juristischen Spezialisierung – übersehen, auch<br />
das Schauspielerrecht entsprechend anzupassen. Auf der anderen Seite<br />
nimmt es nicht Wunder, dass diese Bestimmung ein so unauffälliges arbeitsrechtliches<br />
Dasein fristet, denn höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser<br />
Thematik – und das ist eine wesentliche allgemeine Bestimmungsgröße<br />
zur rechtlichen Brisanz einer gesetzlichen Regelung – existiert nicht. Die über<br />
entsprechendes Verlangen des Ehemannes eingeleitete „bevorrechtete“<br />
Kündigungsmöglichkeit einer frisch vermählten Schauspielerin ist daher<br />
anscheinend schon lange „totes Recht“.<br />
Vom Rechtshistorischen aber nun zum Rechtsformalen<br />
Klar ist, dass der Inhalt des § 31 Schauspielergesetz rechtspolitisch überholt<br />
ist, eine sachliche Grundlage für einen Regelungsbedarf in diese Richtung ist<br />
– sofern sie jemals wirklich gegeben war – zwischenzeitig jedenfalls weggefallen.<br />
Trotzdem gehören diese Bestimmungen dem österreichischen<br />
Rechtsbestand an und zwar auch dann, falls diese aufgrund einer Verletzung<br />
des Gleichbehandlungsgrundsatzes und eines unzulässigen Eingriffs in die<br />
Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen. Denn<br />
65
66<br />
Antiquierte<br />
Bestimmungen<br />
im Arbeitsrecht<br />
auch verfassungswidrige Gesetze und Verordnungen sind solange anzuwenden,<br />
bis diese vom österreichischen Verfassungsgerichtshof aufgehoben<br />
wurden. Auch eine Heranziehung der Richtlinien der Europäischen Union<br />
über die Gleichbehandlung in der Arbeitswelt führen zu keinem konkreten<br />
Ergebnis, da zum einen die EU-Richtlinien § 31 SchauspG nicht unmittelbar<br />
verdrängen können und es zum anderen fraglich erscheint, ob eine für<br />
Frauen geltende „bevorrechtete“ Kündigungsmöglichkeit – selbst wenn<br />
diese ein entsprechendes „Verlangen“ des Ehemannes voraussetzt – eine<br />
unzulässige Diskriminierung darstellt. Viel eher wäre es denkbar, dass sich<br />
ein Mann mit dem juristischen Argument der Nichtumsetzung der EU-<br />
Gleichbehandlungsrichtlinien mit Erfolg darauf berufen kann, dass es ihm<br />
ebenfalls gestattet sein müsse, über Verlangen seiner Ehefrau den Bühnendienstvertrag<br />
vorzeitig aufzukündigen. Gerade als Schauspieler ist er – wie<br />
man ja aus den Boulevardblättern allgemein weiß – so vielen Verleitungen<br />
ausgesetzt. Bevor aber die juristische Analyse nunmehr zwar „geschlechtsneutrale“<br />
aber trotzdem überholte Vorstellungsklischees aufgreift:<br />
Vom Rechtsformalen abschließend zum Rechtspolitischen<br />
Klar und offensichtlich ist, dass § 31 SchauspG eine überkommene und diskriminierende<br />
Werthaltung sowohl gegenüber Frauen als auch gegenüber<br />
dem Berufsbild des Schauspielers im Allgemeinen verkörpert und sich zum<br />
Teil historisch aus der längstens aufgehobenen „Folgepflicht“ der Ehegattin<br />
gegenüber ihrem Ehemann erklären lässt. Nach den seit dem Jahre 1975<br />
geltenden Prinzipien des Eherechts sowie den darin zum Ausdruck kommenden<br />
und auch heute geltenden gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen<br />
entbehrt diese Regelung jeglicher sachlicher Grundlage. Auch wenn<br />
diese Regelung in der Praxis kaum eine Rolle spielt, so sollte doch das offenkundige<br />
Versehen des Gesetzgebers, gleichzeitig mit Abschaffung der „Folgepflicht“<br />
für Ehegattinnen auch § 31 SchauspG aufzuheben, möglichst bald<br />
nachgeholt werden. Schön langsam wär´s ja an der Zeit.
Mädchen im Arbeitsleben<br />
67
68<br />
Lehre: Knapp 40% aller<br />
Mädchen lernen<br />
Verkäuferin oder<br />
Friseurin<br />
Mädchen im Arbeitsleben<br />
Die Berufswahl – das alte Lied<br />
Die Klage über das einseitige Berufswahlverhalten der Mädchen ist alt: Als<br />
wäre es ein Naturgesetz, zieht es weibliche Jugendliche unverändert in<br />
hoher Konzentration in ganz bestimmte Berufe. Die Integration von Mädchen<br />
in so genannten Männerberufen kommt kaum vom Fleck. Die nachstehende<br />
Aufstellung listet die zehn häufigsten Lehrberufe der Mädchen sowie der<br />
Burschen im Jahr 2004 auf:<br />
Anzahl der Anteil an<br />
Lehrlinge Gesamtzahl<br />
der<br />
Lehrlinge<br />
1. Einzelhandelskauffrau 1.214 27,4%<br />
2. Friseurin und Perückenmacherin 531 12,0%<br />
3. Bürokauffrau 474 10,7%<br />
4. Hotel- und Gastgewerbeassistentin 411 9,3%<br />
5. Restaurantfachfrau 363 8,2%<br />
6. Köchin 228 5,2%<br />
7. Blumenbinderin und -händlerin (Floristin) 110 2,5%<br />
8. Pharmazeutisch-kaufmänn. Assistentin 93 2,1%<br />
9. Restaurantfachfrau und Köchin 91 2,1%<br />
10. Chemielabortechnikerin 82 1,9%<br />
Summe 3.597 81,4%<br />
Nicht ganz so hoch ist die Konzentration traditionell bei den Burschen:<br />
1. Koch 696 8,2%<br />
2. Kfz-Techniker 632 7,4%<br />
3. Maschinenbautechniker 517 6,1%<br />
4. Einzelhandelskaufmann 479 5,6%<br />
5. Tischler 475 5,6%<br />
6. Sanitär- und Klimatechniker (Gas, Wasser, Heizung) 463 5,4%<br />
7. Maurer 412 4,8%<br />
8. Elektroinstallationstechnik mit Prozessleit- und Bustechnik 354 4,2%<br />
9. Elektroinstallationstechniker 336 3,9%<br />
10. Zimmerer 265 3,1%<br />
Summe 4.629 54,3%
Dass die Einkommensschere zwischen männlichen und weiblichen Dienstnehmern<br />
bereits in der Ausbildung grundgelegt wird, zeigt ein Blick auf die<br />
jeweiligen Lehrlingsentschädigungen. In den zehn häufigsten Mädchenlehrberufen<br />
werden während der gesamten Lehrzeit (basierend auf den aktuellen<br />
Kollektivvertragsdaten) weniger als 25.000 Euro brutto verdient. In den zehn<br />
häufigsten Burschenberufen sind es über 30.000 Euro brutto. Das ist ein<br />
Unterschied von mehr als 20 Prozent! Dabei ist freilich zu bedenken, dass<br />
Phänomene wie Teilzeitarbeit oder unterschiedliche Karriereverläufe im Vergleich<br />
der Lehrlinge miteinander noch keine Rolle spielen. Es kann also festgestellt<br />
werden, dass sich die weiblichen Lehrlinge in den signifikant niedriger<br />
bezahlten Lehrberufen wieder finden.<br />
Interessanterweise fassen aber auch weibliche Jugendliche in gerade jenen<br />
traditionellen Männerberufen langsam Fuß, die ihrerseits zu den eher wenig<br />
bezahlten Professionen zählen. Bei den Tischlern ist der Mädchenanteil<br />
aktuell bei 6 Prozent, bei den Malern und Anstreichern gar bei 26 Prozent –<br />
beides keine Hochlohnbranchen.<br />
Auch ein Blick auf die Spartenverteilung erhellt die Situation. Im Gewerbe<br />
und Handwerk sind nur 20 Prozent der Lehrlinge weiblich, in der Industrie<br />
gar nur 14 Prozent. Lediglich im Handel stellen die Mädchen mit 68 Prozent<br />
die Mehrzahl. In den Sparten Tourismus, Information sowie Banken und Versicherungen<br />
ist das Verhältnis in etwa ausgewogen.<br />
Diese Situation ist aus unterschiedlichen Perspektiven dramatisch: Unter<br />
dem Aspekt der Gleichbehandlung der Geschlechter ist es freilich inakzeptabel,<br />
dass die unterschiedliche Einkommens- und Karriereentwicklungsmöglichkeit<br />
von Mädchen und Burschen einfach hingenommen wird. Aber<br />
auch von Seiten der Wirtschaft wird der Ruf immer lauter, das Potenzial von<br />
in zukunftsträchtigen Berufen qualifizierten jungen Frauen und Mädchen<br />
nicht brach liegen zu lassen. Der Facharbeitermangel lässt grüßen!<br />
Eine Fülle von Initiativen und Projekten will weibliche Jugendliche ermuntern,<br />
ihre Berufswahlentscheidung auf einer breiten Basis zu treffen und sich auch<br />
der Option technischer und handwerklicher Berufe nicht von vorne herein zu<br />
verschließen. Diese Initiativen tragen Namen wie „Girls crack IT“, „Amazone“,<br />
„M.U.T. Mädchen und Technik“, „telm@ – Frauen in Telekommunikation<br />
und Informatik“, „fForte – Frauen in Forschung und Technologie“ „Femtech“,<br />
„F.I.T. – Frauen in Technikberufen“, „Mädchenmacht“, „Technik Frau“,<br />
„MiT - Mädchen in die Technik“ oder „MeEC – Mädchen entdecken EDV und<br />
Technik“. Mit öffentlichen Mitteln, unter Einbeziehung der Sozialpartner und<br />
teilweise auch im Rahmen EU-geförderter Entwicklungspartnerschaften wird<br />
der Kampf gegen die Rollenbilder in den Köpfen der Berufsanwärterinnen<br />
geführt.<br />
In <strong>Tirol</strong> ist insbesondere die Initiative „M.U.T – Mädchen und Technik“ sowie<br />
die Aktion „Girls-Day“ präsent. Beide Aktivitäten werden von der Arbeitsmarktförderungs<br />
GmbH des Landes koordiniert. Der Girls-Day ist ein international<br />
veranstalteter Mädchenzukunftstag, der – im Jahr 20<strong>06</strong> am 27. April<br />
– versucht, möglichst vielen Mädchen im Pflichtschulbereich einen Schnuppertag<br />
in technologischen Betrieben zu ermöglichen.<br />
Ein Problembewusstsein bei Entscheidungsträgern und Medien darf vorausgesetzt<br />
werden. Ein Durchbruch ist angesichts der vorliegenden Statistikdaten<br />
zur Lehrlingsausbildung noch in weiter Ferne.<br />
Weibliche Lehrlinge öfter<br />
in niedrig bezahlten<br />
Lehrberufen<br />
Girls Day am 27. April<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
69
70<br />
Mädchen in<br />
Männerberufen:<br />
Angst vor „Problemen“<br />
Vorurteile bei den Betrieben<br />
Eine Bremse bei der Berufswahlentscheidung der Mädchen hin zu technischen<br />
Berufen liegt nicht nur in den Köpfen der Mädchen, tradierten Rollenbildern<br />
und mangelnder Motivation seitens der Eltern und der Schule sondern<br />
auch bei den Betrieben selbst. Viele meinen, die Aufnahme eines<br />
Mädchens in ihre Männermannschaft würde das gesamte Betriebsklima<br />
„hormonell überfordern“. Die Erfahrungen vieler Mädchen, die es probiert<br />
haben, scheinen dem Recht zu geben. Weniger sexuelle Anspielungen als<br />
vielmehr sexistische Vorbehalte der männlichen Kollegenschaft über die<br />
berufliche Eignung weiblicher Mitarbeiter werden häufig berichtet. Im Übrigen<br />
halten sich hartnäckig Missverständnisse und Falschinformationen,<br />
deren Unausrottbarkeit ganz offensichtlich System hat. Etwa jener Mythos,<br />
wonach die Aufnahme eines Mädchens enorme <strong>Umb</strong>aumaßnahmen im<br />
Bereich der Nasszellen und Umkleideräume mit sich brächte. Tatsächlich<br />
sind geschlechtsgetrennte Toilettenanlagen erst ab mindestens fünf männlichen<br />
und fünf weiblichen Arbeitnehmern vorgeschrieben. Ähnliches gilt für<br />
Waschräume und Umkleideräume. Die oftmals vorgebrachten Bedenken der<br />
Betriebe über unzumutbare finanzielle Belastungen bei der Aufnahme von<br />
Mädchen entpuppen sich als Ausreden.<br />
Sexuelle Belästigung von weiblichen Jugendlichen<br />
Das Thema ist freilich schwer zu fassen und zu quantifizieren. Erfahrungen<br />
der <strong>AK</strong>-Jugendabteilung in zahllosen Gesprächen mit weiblichen Lehrlingen<br />
sowie Ferialarbeiterinnen und Praktikantinnen lassen aber den Schluss zu,<br />
dass das Problem einige Relevanz besitzt. Seitens der <strong>Tirol</strong>er Anwaltschaft<br />
für Gleichbehandlungsfragen wird die Zahl der belästigten Frauen und<br />
Mädchen in Arbeitsverhältnissen mit 40 bis 50 Prozent geschätzt. Im Zusammenhang<br />
mit Jugendlichen ist insbesondere zu bedenken, dass der Problemkreis<br />
sexueller Belästigung immer auch vor dem Hintergrund eines<br />
bestehenden Autoritäts- und Ausbildungsverhältnisses zu sehen und zu<br />
bewerten ist.<br />
Die beschriebenen Belästigungen reichen von vorgeblich freundschaftlich<br />
und kollegial intendierten Verhaltensweisen wie Begrüßungs- und<br />
Abschiedsbussis, denen sich Jugendliche nur schwer entziehen können,<br />
über anzügliche Bemerkungen bis hin zu groben körperlichen Übergriffen.<br />
Die Situation der betroffenen Mädchen muss – im Vergleich zu ihren erwachsenen<br />
Geschlechtsgenossinnen – als doppelt schwierig bezeichnet werden:<br />
Zum einen ist aufgrund des jugendlichen Alters und der neuen Situation im<br />
Berufs- und Arbeitsleben die Wahrnehmung sowie Definitionsmacht über<br />
das Vorliegen einer Belästigung noch nicht ausreichend entwickelt. Weibliche<br />
Jugendliche können oft noch nicht ausreichend bestimmen und selbst<br />
empfinden, was nun als inakzeptabler Übergriff und was als offensichtliche<br />
betriebliche Gepflogenheit zu betrachten ist. Zum zweiten ist die Möglichkeit<br />
der Abstellung derartiger Missstände für jene, die in der betrieblichen<br />
Hierarchie an allerletzter Stelle stehen, natürlich besonders eingeschränkt.
Schwangere Lehrlinge<br />
Eine nicht unerhebliche Zahl von Lehrmädchen wird während ihrer Ausbildung<br />
schwanger, was freilich massive Auswirkungen auf den Bestand des<br />
Lehrverhältnisses bzw. die Möglichkeiten des Berufsabschlusses hat. Insbesondere<br />
in jenen Fällen, in denen der Zeitpunkt des Arbeitsverbots nach dem<br />
Mutterschutzgesetz vor der Halbzeit der Lehrzeitdauer liegt, bringen<br />
Schwangerschaft und Geburt eine dramatische Verzögerung der Ausbildungszeit<br />
mit sich. Gemäß den Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes<br />
sind bei Vorliegen entsprechender Ausfallszeiten sogenannte Ergänzungslehrverträge<br />
abzuschließen. Da dies in der Regel erst nach einer<br />
Karenzzeit erfolgen wird, wird der Zeitpunkt des Lehrabschlusses um Jahre<br />
hinausgezögert. Mädchen, deren Schwangerschaft in die zweite Lehrzeithälfte<br />
fällt, haben es da leichter. Ihnen bleibt jedenfalls das Recht auf ausnahmsweisen<br />
Antritt zur Lehrabschlussprüfung. Wenn es Ihnen gelingt, eine<br />
entsprechende Betreuung des Kindes während noch verbleibender Berufsschulzeiten<br />
zu organisieren, ist ein Lehrabschluss im ursprünglich vorgesehenen<br />
Zeitrahmen grundsätzlich möglich.<br />
Der allgemeine Lehrstellenmarkt<br />
Unverändert darf der Lehrstellenmarkt in unserem Bundesland im Vergleich<br />
zu anderen als „gesund“ bezeichnet werden. Rund die Hälfte aller Pflichtschulabgänger<br />
absolviert eine Berufsausbildung im dualen System. Dennoch<br />
sind die Schwierigkeiten unübersehbar. Ein über die statistische<br />
Monatsbetrachtung mehr oder weniger ausgewogenes Verhältnis von<br />
Lehrstellensuchenden und offenen Lehrplätzen verzerrt den Blick auf die<br />
Fakten. Die hohe Zahl an offenen Lehrstellen im Tourismus sowie die regionale<br />
Verteilung der offenen Plätze bringen mit sich, dass die Lehrstellensuche<br />
für eine sehr große Zahl an jungen Leuten nach wie vor schwierig und oft<br />
über Monate erfolglos ist. Seit langem werden deshalb insbesondere auf<br />
Bundesebene Maßnahmen diskutiert, deren jüngstes und maßgeblichstes<br />
vorläufiges Produkt, die so genannten Blum-Förderungen darstellen –<br />
benannt nach dem Regierungsbeauftragten für die Lehrlingsausbildung,<br />
dem Vorarlberger Egon Blum.<br />
Demnach erhalten Lehrbetriebe, die ab September 2005 einen zusätzlichen<br />
Lehrling (mehr als am Stichtag 31. Dezember 2004) aufnehmen, eine monatliche<br />
Förderung von 400 Euro im ersten, 200 Euro im zweiten und 100 Euro<br />
im dritten Lehrjahr. Der beschäftigungspolitische Effekt dieses staatlichen<br />
Füllhorns bleibt freilich abzuwarten. Es steht zu befürchten, dass es zu<br />
großen „Mitnahmeeffekten“ kommen wird und Betriebe, die ohnehin die Aufnahme<br />
von Lehrlingen geplant haben, ohne Not zusätzlich belohnt werden.<br />
Auf der Strecke bleiben wie immer jene Betriebe, die ohnehin schon bisher<br />
an der Grenze ihrer Möglichkeiten und mit viel Engagement ihrer Ausbildungsverpflichtung<br />
nachgekommen sind. Trotzdem: Jeder in die Jugendbeschäftigung<br />
investierte Euro ist grundsätzlich zu begrüßen. Die schon bisher<br />
nach den Bestimmungen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes finanzierten<br />
sogenannten „JASG-Lehrgänge“ wird es jedenfalls noch weiter brauchen<br />
und werden diese durch die allenfalls neu geschaffenen Lehrplätze in<br />
Blum-geförderten Lehrbetrieben keinesfalls ersetzt werden können.<br />
Die Hälfte aller<br />
Pflichtschulabgänger<br />
in <strong>Tirol</strong> absolviert<br />
eine Lehre<br />
71
72<br />
Schnuppern im<br />
rechtlichen Graubereich<br />
Praktikanten<br />
Ein immer größeres bildungs- aber auch rechtspolitisches Problem stellt die<br />
Vielzahl an freiwillig oder verpflichtend geleisteten betrieblichen Praktika dar.<br />
Da gibt es zum einen jene im Rahmen AMS-geförderter Maßnahmen üblichen<br />
Betriebserprobungen oder die seit langem bewährten berufspraktischen<br />
Tage und Wochen an den Polytechnischen Schulen. Neu ist die Möglichkeit,<br />
während der Unterrichtszeit eine individuelle Berufsorientierungszeit<br />
in Betrieben zu verbringen und nunmehr auch die Gelegenheit, dies außerhalb<br />
der Unterrichtszeit – in den Ferien also – zu tun. Daneben verlangen die<br />
Lehrpläne der meisten Berufsbildenden höheren Schulen Pflichtpraktika in<br />
Betrieben, ebenso die Fachhochschulen und eine Vielzahl von Hochschulstudien.<br />
Insgesamt also stellt sich neben die regulären ordnungsgemäß<br />
gemeldeten Dienstverhältnisse eine immer größere Zahl von als Praktika<br />
oder Schnuppern bezeichneten Beschäftigungsverhältnissen im rechtlichen<br />
Graubereich. Allen gemeinsam ist, dass eine einheitliche, für Betroffene<br />
sowie Betriebe gleichermaßen transparente arbeitsrechtliche Regelung bis<br />
heute aussteht. Es muss unterstellt werden, dass an einer derartigen Regelung<br />
seitens der Politik kein Interesse besteht. Schließlich erbringen gerade<br />
im Sozial- und Gesundheitsbereich Tausende von jungen Österreicherinnen<br />
und Österreichern unbezahlte Arbeitsleistung im Rahmen derartiger Praktika.<br />
Diese alle zu legalisieren und sozialversicherungsrechtlichen und lohnrechtlichen<br />
Standards zu unterziehen hätte freilich auch budgetäre Auswirkungen.<br />
Ungeachtet dessen fordert die Arbeiterkammer seit vielen Jahren ein Praktikantengesetz<br />
– und dies durchaus auch im Interesse der Betriebe. Schließlich<br />
sind es die Betriebe, die aus Angst vor rechtlicher Unsicherheit und allfällig<br />
drohenden Haftungsfolgen sich der Aufnahme von Praktikanten zunehmend<br />
verschließen und damit eine Rekrutierungschance möglicher künftiger<br />
dringend benötigter Fachkräfte verlieren. Die derzeitige Situation ist tatsächlich<br />
unbefriedigend. In der Mehrzahl der Wirtschaftszweige fehlen Regelungen<br />
vollständig und haben die beschriebene Zurückhaltung der Betriebe bei<br />
der Aufnahme von Praktikanten zur Folge, in anderen Bereichen wiederum<br />
bestehen zwar Regelungen. Diese sind aber derart teuer für die Betriebe,<br />
dass dies wiederum nicht zur Bereitstellung von Praxisplätzen verführt.<br />
Wenn ein Metallbetrieb etwa einem derartigen Pflichtpraktikanten einen<br />
Monatslohn von 838 Euro brutto gewähren muss, mehr als einem Lehrling im<br />
3. Lehrjahr, der sich immerhin schon mindestens zwei Jahre lang als Mitarbeiter<br />
im Betrieb bewährt hat, ist dies tatsächlich schwer verständlich.<br />
Probleme der Lehrlinge<br />
Wenngleich eingeräumt werden muss, dass die Sichtweise der Arbeiterkammer<br />
auf insgesamt rund 13.000 Lehrverhältnisse nicht vollständig sein kann,<br />
so können die Erfahrungen, wie sie in der Jugendabteilung der <strong>AK</strong>-Zentrale<br />
in Innsbruck und in den acht Geschäftsstellen in den Bezirken gemacht werden,<br />
doch als repräsentativ bezeichnet werden. Tausende telefonische und<br />
hunderte persönliche Anfragen allein in der Fachabteilung in Innsbruck lassen<br />
ein realistisches Bild der Situation der Lehrlinge im Lande zeichnen.
Arbeitszeit<br />
Für Jugendliche sind die zeitlichen Rahmenbedingungen für Erwerbsarbeit<br />
im Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz verhältnismäßig streng<br />
geregelt. Ein Umstand der Übertretungen vielfach herausfordert. Insbesondere<br />
im Tourismus und in den sonstigen Dienstleistungsbranchen Handel,<br />
Blumenbinder, Friseure, usw. kommt es regelmäßig und teilweise auch eklatant<br />
zu Verstößen gegen die Schutzbestimmungen. Die Arbeiterkammer verfolgt<br />
hierbei eine durchaus pragmatische Linie: Die Leistung gelegentlicher<br />
auch verbotener Überstunden bei erhöhtem Arbeitsanfall wird dabei reaktionslos<br />
zur Kenntnis genommen, insofern die Abgeltung der geleisteten<br />
Mehrarbeit sichergestellt ist. Gröbere Überschreitungen, wie sie immer noch<br />
in unverminderter Häufigkeit im Hotel- und Gastgewerbe mit Wochenarbeitszeiten<br />
oft bis zu 80 Stunden (!) beobachtet werden, können hingegen<br />
nicht scharf genug verurteilt werden. Dabei ist es eine Erfahrungstatsache,<br />
dass gerade bei besonders hohem Anfall von Überstunden keinerlei finanzielle<br />
oder andersartige Abgeltung erfolgt. Aber auch in anderen Branchen<br />
sind österreichische Rechtsvorschriften oft nicht das Papier wert, auf dem<br />
sie gedruckt sind: In Handelsbetrieben in den Fremdenverkehrsgegenden<br />
etwa ist die verbotene Sonntagsarbeit von Jugendlichen der Normalfall.<br />
Ausbildung<br />
Allen zu würdigenden Bemühungen vieler Lehrbetriebe und der übrigen handelnden<br />
Personen und Institutionen in der Lehrlingsausbildung (siehe Kapitel<br />
Initiativen) zum Trotz gibt es sie immer noch: Jene „Lehrbetriebe“, in<br />
denen Ausbildung so gut wie überhaupt nicht oder nur am Rande stattfindet:<br />
Friseurlehrlinge, die das Haare schneiden nur aus dem Berufsschulunterricht<br />
kennen, Bürolehrlinge, die nie in der Buchhaltung eingesetzt wurden, Hotelund<br />
Gastgewerbeassistenten, die die Hotelrezeption nur von außen kennen,<br />
Köche, die am Salatplatz in die Jahre kommen, Einzelhandelskaufleute, die<br />
überwiegend Kaffeetassen abwaschen, Fliesenleger, die Handlanger bleiben,<br />
usw. Es fehlt eine flächendeckende Evaluierung der Lehrlingsausbildung.<br />
Die verpflichtende Führung ausbildungsbegleitender Lernfortschrittsaufzeichnungen<br />
(Ausbildungspässe), wie sie die Arbeiterkammer seit Jahren<br />
fordert, könnte dem ein Ende bereiten.<br />
Arbeitsklima<br />
Hier liegt der Kummer der meisten Lehrlinge, die sich an die Arbeiterkammer<br />
wenden. Streit und Missverständnisse im Kreis der Kollegen und mit Vorgesetzten<br />
lassen den Arbeitsalltag für Teenager „zur Hölle“ werden. Dass<br />
pubertierende Jugendliche am Scheitern beruflicher Beziehungen im Lehrbetrieb<br />
auch häufig mit Schuld sind, liegt auf der Hand. Es muss aber jedenfalls<br />
beobachtet werden, dass die Bereitschaft der Betriebe, sich der Lehrlingsausbildung<br />
auch als pädagogischer und psychologischer Herausforderung<br />
im Umgang mit Heranwachsenden zu stellen, über die Jahre abgenommen<br />
hat. Das mag mit zunehmendem Konkurrenzdruck und anderen<br />
Entwicklungen erklärt werden können. Angesichts des drohenden Facharbeitermangels<br />
wird an der Herstellung eines positiven und gedeihlichen<br />
Vielfache Übertretungen<br />
bei der Arbeitszeit<br />
Hotel- und Gastgewerbe:<br />
Wochenarbeitszeit für<br />
Lehrlinge oft bis zu<br />
80 Stunden<br />
Evaluierung der<br />
Lehrlingsausbildung<br />
fehlt<br />
73
74<br />
Große Initiativen der<br />
<strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>: Ausbilderforum,<br />
Ausbildungsverbund und<br />
Lehre mit Matura<br />
Arbeitsklimas, das auch die eine oder andere Dummheit von Jugendlichen<br />
verträgt und für viele Erfolgserlebnisse von Lehrlingen sorgt, kein Weg vorbeiführen.<br />
Initiativen für eine bessere Lehrlingsausbildung<br />
Eine Reihe von Maßnahmen wurden in der letzten Zeit – zumeist im Zusammenspiel<br />
der Sozialpartner mit dem Land <strong>Tirol</strong> – entwickelt, um die Qualität<br />
der Ausbildung zu verbessern und um die Lehrlingsausbildung als attraktiven<br />
Weg neben anderen schulischen beruflichen Qualifizierungen zu positionieren.<br />
Zertifizierung der Ausbilder<br />
Im Rahmen des Sozialpartnerprojekts Ausbilderforum wurde gemeinsam mit<br />
dem Land <strong>Tirol</strong> ein standardisiertes Schulungsprogramm für Lehrlingsausbilderinnen<br />
und -ausbilder entwickelt, das sowohl die Bedeutung der ständigen<br />
berufsbegleitenden Weiterbildung für Trainerinnen und Trainer unterstreichen<br />
soll als auch einen Motivationsanreiz für in der Ausbildung Tätige<br />
bieten will, ihr berufspädagogisches Handeln regelmäßig zu überprüfen und<br />
zu verbessern.<br />
Ausbildungsverbund <strong>Tirol</strong><br />
Bereits im zweiten Jahr ist der Ausbildungsverbund <strong>Tirol</strong> aktiv und vermittelt<br />
Hunderte von Lehrlingen in Kursmaßnahmen bzw. Partnerbetriebe, wo<br />
ergänzende sowie zusätzliche Ausbildungsinhalte des jeweiligen Lehrberufes<br />
erlernt werden können. Diese Initiative erlangt insbesondere vor dem<br />
Hintergrund einer zunehmenden betrieblichen Spezialisierung und dem<br />
unveränderten Anspruch einer ausgeglichenen Standardisierung der Berufsausbildung<br />
große Bedeutung.<br />
Ausgezeichneter <strong>Tirol</strong>er Lehrbetrieb<br />
Seit einigen Jahren verleiht das Land <strong>Tirol</strong> – auf Vorschlag von Arbeiterkammer<br />
und Wirtschaftskammer – dieses Prädikat an besonders bemühte Lehrbetriebe<br />
im Lande. Knapp hundert <strong>Tirol</strong>er Firmen verfügen aktuell über dieses<br />
jeweils auf drei Jahre verliehene Gütesiegel. Diese Zahl ist im Vergleich<br />
zu etwa 5.000 Lehrbetrieben insgesamt viel zu gering. Die mangelnde Bereitschaft<br />
einer größeren Zahl von Betrieben, sich den Herausforderungen einer<br />
Auszeichnung zu stellen, muss kritisiert werden.<br />
Lehre mit Matura<br />
Um ein attraktives Bildungsangebot für leistungsstarke Lehrinteressenten zu<br />
schaffen und damit insgesamt einen Imageimpuls für die duale Ausbildung<br />
zu geben, wurde in <strong>Tirol</strong> ein völlig eigenständiges Modell einer in die Lehrlingsausbildung<br />
integrierten Berufsreifeprüfung kreiert, das über die in anderen<br />
Bundesländern angebotenen Varianten weit hinaus geht. Die recht<br />
erheblichen Mittel zur Umsetzung dieses Modells werden maßgeblich vom<br />
Land <strong>Tirol</strong> sowie von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer bereitgestellt.
Frauenbildung – Frauenkarrieren<br />
75
76<br />
Mehr Mädchen als Buben<br />
in den Allgemeinbildenden<br />
höheren Schulen<br />
Frauenbildung –<br />
Frauenkarrieren<br />
Mädchen haben stark aufgeholt<br />
„Mädchen vom Land“ – das stand viele Jahrzehnte als Synonym für schlechtere<br />
Bildungschancen von Mädchen bei unzureichender regionaler Versorgung<br />
mit mittleren und höheren Schulen sowie Universitäten. Wir haben für<br />
dieses Themenheft die Daten der letzten 20 Jahre analysiert und ausgewertet,<br />
ob dieses Bild auch heute noch gilt oder ob sich die Situation für die<br />
Mädchen verbessert hat.<br />
Die Daten wurden in einer Längsschnittdarstellung für die Jahre 1982/83,<br />
1992/93 und 2002/03 von der Statistik Austria zusammengestellt. Dies<br />
ermöglicht eine Beurteilung der Entwicklung der letzten 20 Jahre. Die in diesem<br />
Beitrag dargestellten Daten stellen Auszüge aus diesen Auswertungen<br />
dar.<br />
In absoluten Zahlen betrachtet, ist die Zahl der Volksschüler annähernd<br />
gleich geblieben, jene der Hauptschüler um rund 16 Prozent gesunken und<br />
die Zahl der Schüler an der AHS-Unterstufe um rund 14 Prozent gestiegen.<br />
Im Schuljahr 1982/83 besuchten von den ca. 10- bis 14jährigen 6.107 die<br />
AHS-Unterstufe und 32.433 die Hauptschule, im Jahr 2002/03 waren 6.951<br />
Mädchen und Burschen in der AHS-Unterstufe und 27.095 in der Hauptschule.<br />
Das Verhältnis der Zahl der Hauptschüler zur Zahl der AHS Unterstufenschüler<br />
beträgt derzeit 3,9:1, 1982/83 waren es 5,1:1.<br />
Auffallend ist, dass im Schuljahr 1982/83 der Anteil der Burschen in der<br />
AHS-Unterstufe noch 55 Prozent betrug, jener der Mädchen 45 Prozent,<br />
während es 20 Jahre später nahezu umgekehrt ist. 46,6 Prozent der AHS-<br />
Unterstufenschüler sind Burschen und 53,4 Prozent sind Mädchen. Dies<br />
hängt sicher mit der besseren Erreichbarkeit von höheren Schulen durch den<br />
Ausbau des Angebotes zusammen. Darüber hinaus sind frühere<br />
geschlechtsspezifische Zuweisungen von Schullaufbahnen durch intensive<br />
Bewusstseinsbildung doch auch sukzessiv verschwunden.
Anteile der Burschen und Mädchen in der AHS-Unterstufe in Prozent 1982-2002<br />
Schuljahr Gesamt davon Burschen % davon Mädchen %<br />
1982/83 6107 55,0 45,0<br />
1992/93 6490 49,4 50,6<br />
2002/03 6951 46,6 53,4<br />
Auch in der AHS-Oberstufe hat der Anteil der Mädchen mit 57,8 Prozent<br />
(2002/03) gegenüber 50,3 Prozent (1982/83) deutlich zugenommen. Für<br />
einen Vergleich der Schülerleistungen nach Geschlecht bietet die PISA Studie<br />
2003 1) Daten für die Absolventen der Unterstufe der AHS (getestet wurden<br />
15jährige Schülerinnen und Schüler) in den Bereichen Mathematik,<br />
Lesen, Naturwissenschaften und in der Problem-Löse-Kompetenz.<br />
Mittelwert gesamt Mittelwert Mädchen Mittelwert Burschen<br />
Mathematik 571 562 585<br />
Lesen 572 582 555<br />
Naturwissenschaften 566 560 577<br />
Problemlösen 572 568 578<br />
BMHS: Nach wie vor geschlechtsspezifische Schultypen<br />
Nach wie vor sehr unterschiedlich sind die Anteile zwischen Mädchen und<br />
Burschen in den Berufsbildenden Schulen. Betrachtet man die Berufsbildenden<br />
Schulen insgesamt, so zeigt sich annähernd ein ausgewogenes<br />
Geschlechterverhältnis. Bei den verschiedenen Formen der Berufsschule<br />
und der Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen zeigen sich aber<br />
erhebliche Unterschiede.<br />
Bei den technisch gewerblichen mittleren Schulen sind es 68 Prozent Burschen<br />
und 32 Prozent Mädchen, wobei hier auch die Ausbildungsbereiche<br />
Bekleidung, Kunstgewerbe und Fremdenverkehr eingerechnet sind und sich<br />
der Anteil der Mädchen im Verhältnis vor 20 Jahren sogar leicht verringert<br />
hat!<br />
Bei den kaufmännischen mittleren Schulen ist der Mädchenanteil von<br />
70 Prozent auf 56 Prozent zurückgegangen. Ein wenig „aufgeholt“ haben die<br />
Burschen bei den sozialberuflichen mittleren Schulen wo ihr Anteil von<br />
4,8 auf 16,6 Prozent gestiegen ist.<br />
Etwas anders, aber grundsätzlich nach wie vor nicht sehr befriedigend ist die<br />
Situation bei den Berufsbildenden höheren Schulen. Zwar ist der Anteil der<br />
Mädchen an den technisch gewerblichen höheren Schulen von 14 Prozent<br />
auf 29 Prozent gestiegen, 71 Prozent sind aber nach wie vor Burschen. Auch<br />
bei den kaufmännischen höheren Schulen hat sich der Mädchenanteil von<br />
51 Prozent auf 58 Prozent erhöht.<br />
Anteile der Burschen und Mädchen in den technisch gewerblichen höheren Schulen <strong>Tirol</strong>s<br />
1982–2002<br />
Schuljahr Gesamt davon Burschen % davon Mädchen %<br />
1982/83 2541 86,1 13,9<br />
1992/93 3273 79 21<br />
2002/03 4195 71,1 28,9<br />
1) Haider, Günter / Reiter, Claudia<br />
(Hrsg.); PISA 2003 – Internationaler<br />
Vergleich von<br />
Schülerleistungen; Graz 2004<br />
71 Prozent männliche<br />
Schüler in Berufsbildenden<br />
höheren<br />
Schulen<br />
77
78<br />
78 Prozent der<br />
Volksschullehrer<br />
sind weiblich<br />
Die Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe und die höheren Lehranstalten<br />
für land- und forstwirtschaftliche Berufe (Kematen) waren 1982/83<br />
noch eine reine Mädchendomäne. Im Schuljahr 2002/03 besuchten immerhin<br />
21 Burschen diese höheren Schulen und zehn Burschen die HBLA<br />
Kematen, die Anteile sind aber nach wie vor nur 1,3 Prozent bzw. 5,6 Prozent.<br />
Pädagogische Berufe bleiben „Frauendomäne“<br />
Eine leichte Geschlechterverschiebung ergab sich auch bei den Schulen und<br />
Akademien des Gesundheitswesens, in denen die Anteile der Burschen um<br />
einige Prozentpunkte gestiegen sind. Der Beruf der Kindergärtnerin ist nach<br />
wie vor ein Frauenberuf, denn 512 Schülerinnen stehen derzeit 3 Schüler<br />
gegenüber, das bedeutet einen Mädchenanteil von 99, 4 Prozent. Ähnlich ist<br />
es in den Bildungsanstalten für Sozialpädagogik.<br />
Auch der Beruf des Lehrers ist nach wie vor frauendominiert. Im Gegenteil:<br />
Hier ist sogar eine deutliche Zunahme des Frauenanteils zu verzeichnen.<br />
Während 1982/83 noch 31 Prozent der Studierenden an den Pädagogischen<br />
Akademien Männer waren, sind es derzeit nur noch 23 Prozent. Noch weniger<br />
sind es in den religionspädagogischen Akademien, in denen die Religionslehrer<br />
ausgebildet werden, 86 Prozent der künftigen Religionslehrer<br />
sind Frauen.<br />
Anteile der Burschen und Mädchen in den Pädagogischen Akademien <strong>Tirol</strong>s 1982-2002<br />
Schuljahr Gesamt davon Burschen % davon Mädchen %<br />
1982/83 627 31,1 68,9<br />
1992/93 629 21,5 78,5<br />
2002/03 1118 23,1 76,9<br />
Die Dominanz der Frauen in den pädagogischen Berufen kommt auch in der<br />
Tabelle „Lehrer im Bundesland <strong>Tirol</strong> nach Geschlecht und Schultyp“ zum<br />
Ausdruck.<br />
Anteile der Frauen und Männer am Lehrpersonal der Volksschulen <strong>Tirol</strong>s 1982-2002<br />
Schuljahr Gesamt davon Männer % davon Frauen %<br />
1982/83 2360 35,7 64,3<br />
1992/93 2568 29,1 70,9<br />
2002/03 3126 21,1 78,9<br />
Anteile der Frauen und Männer am Lehrpersonal der technisch-gewerblichen mittleren<br />
und höheren Schulen <strong>Tirol</strong>s 1982-2002<br />
Schuljahr Gesamt davon Männer % davon Frauen %<br />
1982/83 477 84,9 15,1<br />
1992/93 620 79,5 20,5<br />
2002/03 755 74,4 25,6<br />
Mit Ausnahme der wirtschaftsberuflichen mittleren und höheren Schulen hat<br />
der Frauenanteil unter den Lehrern in allen Schultypen zwischen 1982/83<br />
und 2002/03 deutlich zugenommen. Mehrheitlich Männer unterrichten an<br />
den Polytechnischen Schulen (56, 5 Prozent), an den Berufsschulen (74,4<br />
Prozent), an den technisch gewerblichen mittleren und höheren Schulen<br />
(74,4 Prozent), an den Akademien für Sozialarbeit (52,6 Prozent – inzwischen<br />
in Fachhochschulstudiengänge umgewandelt) und in den Akademien der<br />
Lehrer und Erzieherbildung (mit 61,3 Prozent). Daraus lässt sich auch ein
genereller Trend ablesen, dass Frauen in den schlechter bezahlten pädagogischen<br />
Berufen stark überrepräsentiert sind.<br />
Mädchen erobern die Mehrheit an Universitäten<br />
Im Gegensatz zur Schulstatistik liegen für die Universitäten und Hochschulen<br />
bereits die Daten für das Studienjahr 2003/04 vor, sodass die Vergleichszahlen<br />
die Jahre 1993/94 und 1983/84 betreffen. Die neue Medizinische Universität<br />
ist in diesen Daten noch Teil der Leopold Franzens Universität Innsbruck.<br />
Insgesamt haben es die Mädchen in den vergangenen 20 Jahren geschafft,<br />
die Burschen anteilsmäßig zu überholen. Waren an der Universität Innsbruck<br />
vor 20 Jahren nur 39,1 Prozent Frauen, so sind es 20 Jahre später bereits<br />
50,4 Prozent. Besonders deutlich ist die Zunahme im Bereich der Rechtswissenschaften,<br />
in der Medizin und in der Technik, wenngleich bei den technischen<br />
Studien nach wie vor 74,5 Prozent Männer und 25,5 Prozent Frauen<br />
studieren. Eine (teilweise) Erklärung dafür liefert die PISA Studie 2003, bei<br />
der bei den 15jährigen Schülerinnen und Schülern auch das Interesse und<br />
die Freude an Mathematik erhoben wurde. Unter 14 europäischen Vergleichsländern<br />
weisen die österreichischen Mädchen dabei die geringsten<br />
Werte auf und es ist anzunehmen, dass sich dies auch auf die spätere Studienwahl<br />
auswirkt.<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat erstmals auch auswerten lassen, wie viele Mädchen und<br />
Burschen mit Herkunftsland <strong>Tirol</strong> an den Österreichischen Universitäten stu-<br />
Uni Innsbruck:<br />
Mehr Studentinnen<br />
als Studenten<br />
Ordentliche Studierende mit Herkunfts-Bundesland <strong>Tirol</strong> an wissenschaftlichen Universitäten<br />
2003/04 1993/94 1983/84<br />
insges.<br />
Absolut in %<br />
insges.<br />
männl. weibl. männl. weibl.<br />
absolut in %<br />
männl. weibl. männl.<br />
insges.<br />
weibl.<br />
absolut in %<br />
männl. weibl. männl. weibl.<br />
Universität Wien 728 266 462 36,5 63,5 791 336 455 42,5 57,5 449 205 244 45,7 1,8<br />
Universität Graz 153 67 86 43,8 56,2 119 69 50 58,0 42,0 104 59 45 56,7 43,3<br />
Universität<br />
Innsbruck<br />
10.079 4.826 5.253 47,9 52,1 11.811 6.539 5.272 55,4 44,6 7.411 4.387 3.024 59,2 40,8<br />
Universität<br />
Salzburg<br />
225 92 133 40,9 59,1 191 92 99 48,2 51,8 203 108 95 53,2 46,8<br />
Techn. Universität<br />
Wien<br />
240 205 35 85,4 14,6 500 442 58 88,4 11,6 280 265 15 94,6 5,4<br />
Techn. Universität<br />
Graz<br />
275 247 28 89,8 10,2 468 440 28 94,0 6,0 212 204 8 96,2 3,8<br />
Montanuniversität<br />
Leoben<br />
47 41 6 87,2 12,8 105 98 7 93,3 6,7 50 48 2 96,0 4,0<br />
Univ. für Bodenkultur<br />
Wien<br />
99 68 31 68,7 31,3 242 192 50 79,3 20,7 171 149 22 87,1 12,9<br />
Vet.med. Universität<br />
Wien<br />
68 19 49 27,9 72,1 115 70 45 60,9 39,1 87 70 17 80,5 19,5<br />
Wirtschaftsuniversität<br />
Wien<br />
120 66 54 55,0 45,0 250 157 93 62,8 37,2 135 92 43 68,1 31,9<br />
Universität Linz 107 90 17 84,1 15,9 112 97 15 86,6 13,4 33 26 7 78,8 21,2<br />
Universität<br />
Klagenfurt<br />
59 29 30 49,2 50,8 28 14 14 50,0 50,0 13 8 5 61,5 38,5<br />
insgesamt 1) 12.048 5.907 6.141 49,0 51,0 14.482 8.378 6.104 57,9 42,1 9.053 5.549 3.504 61,3 38,7<br />
1) ohne künstlerische Universitäten und ohne Mehrfachzählung; Studierende an mehreren Universitäten wurden nur einmal gezählt.<br />
Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik<br />
79
80<br />
Nur jeder dritte Student<br />
an der Innsbrucker<br />
Universität stammt<br />
aus <strong>Tirol</strong><br />
Nur knapp 11 Prozent<br />
weibliche Professorinnen<br />
an der Uni Innsbruck<br />
dieren. Von den 31.458 Studierenden an der Universität Innsbruck weisen<br />
nämlich nur 10.079 <strong>Tirol</strong> als Herkunfts-Bundesland aus. An die 2.000 junge<br />
<strong>Tirol</strong>erinnen und <strong>Tirol</strong>er studieren an anderen österreichischen Universitäten,<br />
der Großteil davon an der Universität Wien, gefolgt von der technischen Universität<br />
Graz und der technischen Universität in Wien. Die Frauenanteile weisen<br />
dabei erhebliche Schwankungen auf und reichen von 10,2 Prozent an<br />
der Technischen Universität Graz bis 72,1 Prozent an der Veterinärmedizinischen<br />
Universität in Wien.<br />
Studierende an Fachhochschulen – Mädchen holen auf<br />
Im Gegensatz zu den Universitäten studieren an den <strong>Tirol</strong>er Fachhochschulen<br />
noch mehrheitlich Männer, nämlich 59,2 Prozent gegenüber 40,8 Prozent<br />
Frauen. Hier haben wir die Entwicklung der letzten 5 Jahre verglichen, weil<br />
der Fachhochschulsektor erst rund zehn Jahre alt ist und die ersten Aufbaujahre<br />
noch keine aussagekräftigen Vergleichszahlen bieten.<br />
Im Studienjahr 1999/2000 war der Anteil der Burschen an den <strong>Tirol</strong>er Fachhochschulen<br />
mit 72,3 Prozent noch wesentlich höher. Dies liegt in erster<br />
Linie daran, dass noch keine Studiengänge in den Sozialwissenschaften<br />
angeboten wurden. Außerdem haben die Mädchen im Bereich der technischen<br />
Studiengänge mit 15 Prozent gegenüber derzeit 17,5 Prozent noch<br />
einen etwas niedrigeren Anteil aufgewiesen. Innerhalb der einzelnen Fachbereiche<br />
weisen die Wirtschaftswissenschaften ein in etwa ausgeglichenes<br />
Geschlechterverhältnis auf, während in der Technik die Männer dominieren<br />
und in den Sozialwissenschaften die Frauen.<br />
Studierende an Fachhochschulen in <strong>Tirol</strong> nach Fachhochschulbereichen<br />
Fachbereich 2004/05 1999/2000<br />
insges.<br />
absolut in %<br />
insges.<br />
absolut in %<br />
männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.<br />
Technik 411 339 72 82,5 17,5 180 153 27 85,0 15,0<br />
Sozialwissenschaften<br />
77 16 61 20,8 79,2 - - - - -<br />
Wirtschaftswissenschaften<br />
1516 832 684 54,9 45,1 469 316 153 67,4 32,6<br />
insgesamt 2004 1187 817 59,2 40,8 649 469 180 72,3 27,7<br />
Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik<br />
Universitätsprofessorinnen – Eine seltene Spezies<br />
Völlig unbefriedigend ist die Situation nach wie vor im Bereich der Lehrpersonen<br />
an der Universität Innsbruck. Zwar sind auch hier Fortschritte im<br />
Sinne einer Gleichstellungspolitik von Frauen und Männern zu verzeichnen,<br />
die Entwicklung geht aber recht schleppend vor sich. Unter den Universitätsprofessoren<br />
waren im Studienjahr 2002/03 nur 10,5 Prozent Frauen,<br />
während es 1992/93 lediglich 4,3 Prozent und 1982/83 gar nur 1,3 Prozent<br />
waren. In etwa verdoppelt hat sich der Anteil der Frauen bei den Universitätsassistenten<br />
von 14,5 auf 30,4 Prozent und bei den Studienassistenten<br />
von 24,2 Prozent auf 48,8 Prozent. Etwas mehr Frauen als Männer gibt es<br />
lediglich bei den Bundeslehrern im Universitätsdienst mit 27 Frauen und<br />
26 Männern.
Lehrpersonen an der Universität Innsbruck nach Lehrpersonenkategorien<br />
2003/04 1993/94 1982/83<br />
Lehrpersonen- ins- absolut in % ins- absolut in % ins- absolut in %<br />
kategorie ges. männl. weibl. männl. weibl. ges. männl. weibl. männl. weibl. ges. männl. weibl. männl. weibl.<br />
Universitätsprofessoren/innen<br />
Außerordentliche<br />
237 212 25 89,5 10,5 164 157 7 95,7 4,3 160 158 2 98,8 1,3<br />
Universitätsprofessoren<br />
- - - - - 65 61 4 93,8 6,2 63 61 2 96,8 3,2<br />
Emeritierte Universitätsprofessoren/innen<br />
15 15 0 100,0 0,0 33 31 2 93,9 6,1 33 32 1 97,0 3,0<br />
Gastprofessoren/<br />
innen<br />
72 63 9 87,5 12,5 51 49 2 96,1 3,9 13 12 1 92,3 7,7<br />
Honorarprofessoren/innen<br />
45 44 1 97,8 2,2 46 46 0 100,0 0,0 19 19 0 100,0 0,0<br />
Universitätsdozenten/innen<br />
375 335 40 89,3 10,7 208 197 11 94,7 5,3 95 90 5 94,7 5,3<br />
Vertragsdozenten/innen<br />
14 12 2 85,7 14,3 - - - - - - - - - -<br />
Universitätsassistenten/innen<br />
408 284 124 69,6 30,4 732 615 117 84,0 16,0 593 507 86 85,5 14,5<br />
Vertragsassistenten/innen<br />
Bundes-, Vertrags-<br />
143 81 62 56,6 43,4 264 179 85 67,8 32,2 201 144 57 71,6 28,4<br />
lehrer/innen<br />
im Univ.Dienst<br />
Wissenschaftliche<br />
53 26 27 49,1 50,9 31 18 13 58,1 41,9 22 13 9 59,1 40,9<br />
Beamte/Vertragsbedienstete<br />
194 118 76 60,8 39,2 63 50 13 79,4 20,6 51 31 20 60,8 39,2<br />
Studienassistenten/innen<br />
41 21 20 51,2 48,8 52 39 13 75,0 25,0 62 47 15 75,8 24,2<br />
Demonstratoren/<br />
innen<br />
9 8 1 88,9 11,1 37 29 8 78,4 21,6 29 26 3 89,7 10,3<br />
Tutoren/innen 519 326 193 62,8 37,2 523 273 250 52,2 47,8 - - - - -<br />
Insgesamt 2.125 1.545 580 72,7 27,3 2.269 1.744 525 76,9 23,1 1.341 1.140 201 85,0 15,0<br />
Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik<br />
Wo Frauen dominieren: Erwachsenenbildung<br />
Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich bei der Erwachsenenbildung. Hier liegen<br />
allerdings längerfristige Vergleichszahlen nur für die Kurse an den <strong>Tirol</strong>er<br />
Volkshochschulen vor. Es ist sicher ein Manko, dass die Kursstatistiken in<br />
der Weiterbildung kaum geschlechtspezifisch erstellt und veröffentlicht werden.<br />
In den letzten 10 Jahren beträgt der Anteil der Frauen an den Kursen<br />
der Volkshochschule ziemlich konstant zwischen 80 und 83 Prozent. Besonders<br />
hoch ist dieser Anteil im Fachbereich Körper und Gesundheit mit<br />
89 Prozent, am niedrigsten bei Naturwissenschaften und Technik mit<br />
57,8 Prozent Frauenanteil.<br />
Im Rahmen einer Kulturstudie 1) im Auftrag von <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> und Land <strong>Tirol</strong> mit<br />
1000 Befragten wurde auch erhoben, welche Art von Kursen jemand sicher,<br />
vielleicht, eher nicht oder sicher nicht besuchen würde. Signifikante Unterschiede<br />
gab es hier bei Computerkursen, die eher von Männern und Kursen<br />
zu Gesundheit und Wellness, die eher von Frauen besucht würden. Auch an<br />
beruflich relevanten Kursen zeigen weibliche Befragte ein höheres Interesse.<br />
Die anderen Kursbereiche Sprachen, Handwerkliches und Künstlerisches<br />
zeigten keine nennenswerten Unterschiede im Interesse am Besuch solcher<br />
Kurse.<br />
1) Kultur in <strong>Tirol</strong>; Studie im Auftrag<br />
von Arbeiterkammer und<br />
Land <strong>Tirol</strong>, durchgeführt von<br />
Fessel-GfK zwischen November<br />
2003 und Jänner 2004.<br />
Die Studie kann als pdf –<br />
Datei in der bildungspol. Abteilung<br />
der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> angefordert<br />
werden.<br />
81
82<br />
Niedrigster Akademikerinnenanteil<br />
im Bezirk<br />
Landeck<br />
Etwas anders sieht dies bei einem Institut der vornehmlich beruflichen Weiterbildung,<br />
wie dem Berufsförderungsinstitut aus, dessen Daten für das<br />
Arbeitsjahr 2004/05 ausgewertet wurden. Mit 7.154 Teilnahmen weiblicher<br />
Kursbesucher war deren Zahl knapp höher als jene der 7.124 männlichen<br />
Kursteilnehmer. Wie die Tabelle zeigt, ergibt sich ein deutlich weibliches<br />
Übergewicht bei der Sparte Wellness und Gesundheit, Betriebswirtschaftslehre<br />
und Sprachen, während in den technischen Kursen kaum Frauen vertreten<br />
sind. Durchaus erfreulich die tatsächliche Geschlechterverteilung bei<br />
den Informationstechnologien, wo die weiblichen Kursbesucher stark aufgeholt<br />
haben und inzwischen eine Mehrheit stellen.<br />
Zur Weiterbildung finden sich in diesem Bericht noch weitere Beiträge mit<br />
Auswertungen spezifischer Angebote der Weiterbildung wie etwa der <strong>AK</strong>-<br />
Zukunftsaktie.<br />
Nur langsame Veränderung beim Bildungsstand<br />
Eine Auswertung der Volkszählung 2001 nach den Bildungsstand der <strong>Tirol</strong>er<br />
Wohnbevölkerung (15 Jahre und älter) zeigt, wie langsam sich eine höhere<br />
Bildungsbeteilung von Mädchen in der Statistik der Gesamtbevölkerung niederschlägt.<br />
Während der Anteil der Frauen an der Wohnbevölkerung mit<br />
Pflichtschulabschluss 61 Prozent beträgt, sind es beim Lehrabschluss<br />
37,1 Prozent, bei den Berufsbildenden mittleren Schulen 69,3 Prozent, bei<br />
den Berufsbildenden höheren Schulen 44 Prozent, bei der AHS 51,6 Prozent,<br />
bei Kollegs 62,5 Prozent, bei den Absolventen von Einrichtungen der<br />
Lehrerbildung 71,4 Prozent und bei den Personen mit Universitäts- oder<br />
Fachhochschulabschluss 37 Prozent.<br />
Hier fallen auch bezirksspezifische Unterschiede auf. Den höchsten Frauenanteil<br />
mit Universitäts- oder Hochschulabschluss weist Innsbruck Stadt<br />
mit 41,4 Prozent auf, den niedrigsten der Bezirk Landeck mit 28,4 Prozent.<br />
Dies hängt in erster Linie mit dem Arbeitsplatzangebot für Universitäts- und<br />
Hochschulabsolventen in den einzelnen Bezirken zusammen.<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> und die Bundesarbeitskammer befürworten ausdrücklich Aktivitäten,<br />
durch welche Mädchen ermuntert werden, verstärkt technischnaturwissenschaftliche<br />
Berufe zu ergreifen. Dazu zählen die Projekte „MUT –<br />
Mädchen und Technik“ http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/<br />
MUT_-_Maedchen_und_Techn8876.xml sowie „FIT – Frauen in die Technik“<br />
http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/Bildungsanliegen_FiT-
Fra4840.xml , die vom BMBWK, vom Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung<br />
und vom ESF (Europ. Sozialfonds) unterstützt werden.<br />
Einen wichtigen Stellenwert nimmt auch das Fach Berufsorientierung ein<br />
und die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> beteiligt sich an der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer<br />
für Berufsorientierung. Sie ist als verbindliche Übung in den 7. und 8. Schulstufen<br />
aller Schularten im Ausmaß von 32 Unterrichtsstunden vorgeschrieben<br />
und kann entweder als eigenes Fach oder integrativ mit anderen<br />
Fächern angeboten werden. Die Erfahrungen zeigen, dass sich die integrative<br />
Form kaum bewährt hat, sodass die Verankerung eines eigenen Faches<br />
gefordert wird. Aufgrund der Grobdaten der PISA Studie hält die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
auch genauere Analysen des Unterrichts in Mathematik und in den Naturwissenschaften<br />
an den Schulen der Sekundarstufen 1 und 2 für dringend<br />
geboten, weil anzunehmen ist, dass Inhalte, Didaktik und Methodik nicht<br />
gendergerecht sind. Mit dem Projekt des BMBWK IMST (Innovations in<br />
Mathematics, Science and Technology Teaching) wurde signalisiert, dass<br />
dieses Problem auch erkannt wurde. Die Umsetzung in die Unterrichtspraxis<br />
der Schulen erfolgt aber nur sehr zögerlich.<br />
Ruf nach Weiterbildung und Realität für Frauen<br />
Wenn Harry Potter auf Bahnsteig 9 3 /4 den Hogwarts-Express besteigt, weiß<br />
er, dass er in den folgenden Monaten wichtige Dinge für sein Leben als Zauberer<br />
lernen wird, manche, die ihm das Überleben sichern werden. Um seiner<br />
großen Herausforderung „Du-weißt-schon-wer“ gewachsen zu sein,<br />
muss er sich darüber hinaus zusätzliches Wissen aneignen, sei es, dass er<br />
weitere Inhalte lernt, von einem Mentor gecoacht wird oder die Ressourcen<br />
seiner Freunde anzapft. Ganz nebenbei eignet er sich von Band zu Band<br />
durch Erfahrungslernen Wissen an, das ihm nicht selten im folgenden Band<br />
hilfreich ist. In der „Muggel-Welt“ nennt man das „lebensbegleitende Weiterbildung“.<br />
So vielschichtig, bewusst und unbewusst, das Lernen funktioniert,<br />
so unterschiedlich sind die individuellen Zugänge zum Wissenserwerb. Die<br />
außer- und nachschulische (Weiter-) Bildung ist hierbei eine tragende Säule,<br />
denn durch die rasante technische Entwicklung, die Beschleunigung in der<br />
Erzielung neuer Forschungsergebnisse und der weltweiten Vernetzung veraltet<br />
das Fachwissen immer schneller. Arbeitnehmer sind gefordert, sich darauf<br />
einzustellen, um den Anforderungen des Berufes gewachsen zu bleiben.<br />
Der Zusammenhang zwischen Bildung und Beteiligung am Arbeitsmarkt zeigt<br />
drastische Zahlen: In <strong>Tirol</strong> waren im November 2005 insgesamt 16.568 Personen<br />
als arbeitslos (inklusive der Schulungsteilnehmer) verzeichnet, davon<br />
9.048 Frauen (54,6%) 1) . Im österreichweiten Vergleich haben im selben Monat<br />
49 Prozent der weiblichen und 46 Prozent der männlichen Arbeitslosen mit<br />
dem Abschluss der Pflichtschule ihren höchsten formalen Bildungsstand<br />
erreicht 2) . Auf <strong>Tirol</strong>er Verhältnisse umgelegt waren zu dieser Zeit 7.621 Männer<br />
und 8.118 Frauen arbeitslos, die maximal die Pflichtschule abgeschlossen<br />
haben und beim AMS als Arbeit suchend vorgemerkt waren. Das bedeutet<br />
zweierlei: Je niedriger der Bildungsgrad des Einzelnen, desto höher ist das<br />
Risiko, arbeitslos zu werden. Zum anderen ist aus diesen Zahlen erkennbar,<br />
dass mehr schlecht ausgebildete Frauen als Männer arbeitslos sind. Dazu<br />
kommt, dass in <strong>Tirol</strong> jeder Arbeitnehmer bzw. jede Arbeitnehmerin innerhalb<br />
Außer- und Nachschulische<br />
Weiterbildung<br />
wird immer wichtiger<br />
1) vgl. <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>: Wirtschafts- und<br />
Sozialstatistische Informationen,<br />
Nr. 4. – November 2005.<br />
2) vgl. AMS Österreich: Arbeitsmarkt<br />
und Bildung, November<br />
2005. – Wien: Dezember<br />
2005.<br />
83
84<br />
32.400 haben sich mit<br />
<strong>AK</strong>-Zukunftsaktie<br />
weitergebildet<br />
1) vgl. WAW Wirtschafts- und<br />
Arbeitsforschung West am<br />
Zukunftszentrum: Erwerbschancen<br />
und Berufslaufbahnen:<br />
<strong>Tirol</strong> und seine Teilregionen.<br />
– Innsbruck: Dezember<br />
2002<br />
von fünf Jahren den Beruf, die Branche oder beides wechselt 1) . Am Arbeitsmarkt<br />
herrscht also eine enorme Dynamik, mit der sowohl Arbeitnehmer als<br />
auch Berufswechsler und Arbeitssuchende umgehen müssen.<br />
Dass hier nicht nur ein besonderer Handlungsbedarf gegeben, sondern auch<br />
ein hohes Potenzial für Weiterbildung vorhanden ist, hat die Arbeiterkammer<br />
bereits 1999 berücksichtigt und ihr Förderinstrument „Zukunftsaktie“ eingeführt,<br />
das bis dato erfolgreich weitergeführt wurde. Die Besonderheit der<br />
Zukunftsaktie liegt darin, dass Arbeitnehmer mit einem jährlichen Betrag von<br />
bis zu 384 Euro finanziell unterstützt werden, wenn sie sich durch Kursbesuche<br />
berufsübergreifendes Wissen aneignen. Auf die Situation der Wiedereinsteiger<br />
bzw. Frauen, die eine längere Familienpause einlegen, wird hier<br />
besonders Bedacht genommen, weil sie durch eine relativ lange Abwesenheit<br />
vom Beruf erschwerte Bedingungen für die Wiederaufnahme einer<br />
Erwerbstätigkeit vorfinden. Ziel der Zukunftsaktie ist es, Arbeitnehmern und<br />
Berufsrückkehrern den Einstieg in die Weiterbildung zu erleichtern. Dabei<br />
liegt der inhaltliche Schwerpunkt der Zukunftsaktie in der Förderung berufsübergreifender<br />
Qualifikationsbereiche wie EDV (insbesondere die Basisqualifikation),<br />
Sprachen und Persönlichkeitsbildung. Das Nachholen der Lehrabschlussprüfung<br />
und des Hauptschulabschlusses wurde aufgrund ihrer<br />
besonderen Wichtigkeit bereits nach kurzer Zeit in die regulären <strong>AK</strong>-Beihilfen<br />
übernommen.<br />
Zukunftsaktie: Die private Weiterbildung ist weiblich!<br />
Wesentliches Merkmal der Zukunftsaktie ist die Unterstützung von Weiterbildungsaktivitäten,<br />
die die <strong>Tirol</strong>er Arbeitnehmer in Eigeninitiative und auf<br />
eigene Kosten, also privat, absolvieren. Seit dem Bestehen dieses Förderinstruments<br />
hat sich ganz klar die weibliche Dominanz unter den Teilnehmern<br />
abgezeichnet.<br />
Teilnehmer Zukunftsaktie 1999 bis 2005<br />
Absolut %<br />
M W M W<br />
EDV 6.379 11.500 36 64<br />
Sprachen 4.<strong>06</strong>0 10.182 29 71<br />
Persönlichkeitsbildung 40 113 26 74<br />
Berufsorientierung 31 95 25 75<br />
Summe 10.510 21.890<br />
Gesamt: TN % M % W<br />
32.400 32 68<br />
Die Gesamtauswertung ergibt ein Geschlechterverhältnis von 32 Prozent<br />
Männern und 68 Prozent Frauen. Bei genauerer Analyse kann man feststellen,<br />
dass bei den Veranstaltungen, die nicht die EDV-Qualifizierung betreffen,<br />
der Frauenanteil noch wesentlich höher ist. Insbesondere persönlichkeitsbildende<br />
Kurse (Rhetorik, Zeitmanagement, Konflikttraining, Stressbewältigung<br />
etc.) sowie die Sprachkurse scheinen Frauen deutlich stärker anzusprechen<br />
als Männer. Die Kursangebote in diesem Segment umfassen vor<br />
allem den Bereich der soft skills, der Schlüsselqualifikationen, die im Berufsleben<br />
zunehmend wichtiger werden. Durch die immer kürzere Halbwertszeit<br />
des Fachwissens sowie die Flut an Informationen, die täglich zu bewältigen
ist, sind Arbeitnehmer gefordert, zwischen relevantem und weniger relevantem<br />
Wissen zu unterscheiden, relevante Informationen auf die aktuelle Situation<br />
übertragen zu können (Transferkompetenz), zeit- und ressourceneffizient<br />
zu arbeiten und sich schnell auf neue Situationen einzustellen. Die<br />
zunehmende Arbeit in Projekten und Teams erfordert zudem spezielle Fähigkeiten<br />
und soziale Kompetenzen. Die Dynamik am Arbeitsmarkt bedingt,<br />
dass sich Arbeitnehmer berufsübergreifend qualifizieren, denn Fähigkeiten<br />
wie Verhandlungsführung, Sitzungsleitung, Verkaufsgespräche führen oder<br />
ähnliches sind neben den fachlichen Voraussetzungen wichtige Argumente<br />
in Bewerbungsverfahren.<br />
Interessant ist das Geschlechterverhältnis bei den intensiven Kursen zur<br />
Berufsorientierung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich beruflich<br />
neu ausrichten wollen oder müssen. In einem mehrwöchigen Abendkurs<br />
setzten sich die Teilnehmer mit ihrer individuellen Berufs- und Karriereplanung<br />
auseinander. Hier stehen drei Viertel Frauen ein Viertel Männern<br />
gegenüber. Diese Zahl ist insofern interessant, als sie nicht nur die Erfahrungen<br />
aus den <strong>AK</strong>-Bildungsberatungen (ca. ein Drittel Männer zu zwei Drittel<br />
Frauen) noch verstärkt, sondern auch zeigt, dass Frauen eher bereit sind,<br />
sich mit ihrer Berufsplanung auseinander zu setzen.<br />
Entwicklung der EDV-Kurse von 1999 bis 2005<br />
Betrachtet man die Detailauswertung der EDV-Kurse, die mit der Zukunftsaktie<br />
gefördert wurden, so findet sich im Jahr 2002 ein Bruch:<br />
EDV-Kurse von 1999 bis 2001 EDV-Kurse von 2002 bis 2005<br />
Jahr m w Gesamt Jahr m w Gesamt<br />
1999 1.031 1.781 2.812 2002 644 1.608 2.252<br />
2000 1.975 2.879 4.854 2003 453 1.049 1.502<br />
2001 1.736 2.689 4.425 2004 268 695 963<br />
2005 272 799 1.071<br />
Gesamt 4.742 7.349 12.091 Gesamt 1.637 4.151 5.788<br />
% 39 61 % 28 72<br />
In den Jahren 1999 bis 2001 wurden mit der Zukunftsaktie ohne Einschränkung<br />
alle EDV-Kurse gefördert. Somit fielen in diese Kategorie sowohl EDV-<br />
Basiskurse als auch sehr anspruchsvolle Kurse aus den Bereichen Programmierung,<br />
Netzwerktechnik, CNC/CAD etc., die vor allem Arbeitnehmer im<br />
technischen Umfeld ansprachen, wo wiederum vorwiegend Männer<br />
beschäftigt sind. Mit dem Wegfall dieses Kurssegments im Jahr 2002 geht<br />
auch der Anteil männlicher Kursbesucher von 39 auf 28 Prozent zurück. Ab<br />
dem Jahr 2002 wurden mit der Zukunftsaktie im EDV-Bereich Einsteiger-<br />
Kurse gefördert, die über das Niveau des Europäischen Computerführerscheins<br />
(ECDL) nicht hinausgehen. Wenig überraschend kann festgestellt<br />
werden, dass sieben von zehn Personen, die eine EDV-Basisqualifizierung<br />
absolvieren, Frauen sind. Wiedereinsteigerinnen, die den Europäischen<br />
Computerführerschein anstreben, sind in dieser Zielgruppe erfahrungsgemäß<br />
häufig vertreten. Für sie stellt dieser Kurs eine gute Möglichkeit dar,<br />
ihre EDV-Kenntnisse in der Familienpause aufzufrischen und den Wiedereinstieg<br />
ins Berufsleben vorzubereiten.<br />
Arbeitsmarkt verlangt<br />
mehr als Fachwissen<br />
85
86<br />
Betriebliche Weiterbildung<br />
wird zunehmend<br />
auf Arbeitnehmer<br />
abgewälzt<br />
1) vgl. APA Online-Journale:<br />
Weiterbildung ist Arbeitnehmer-Sache,<br />
5.12.2005.<br />
2) vgl. www.arbeiterkammer.at ><br />
Bildungspolitik > Chancen auf<br />
Weiterbildung. [Stand<br />
1.12.2005].<br />
3) vgl. Kammer für Arbeiter und<br />
Angestellte für Oberösterreich:<br />
Arbeitsklima-Index,<br />
Newsletter 1/2005. – Linz:<br />
August 2005.<br />
Weiterbildung im Betrieb: Vorteilsticket für gut Ausgebildete<br />
Wer ist für die Weiterbildung verantwortlich? Der Betrieb? Die Arbeitnehmerin<br />
oder der Arbeitnehmer? Der Staat? Das Land? Die Kammern? Eine vom<br />
Wirtschaftsbund in Auftrag gegebene Umfrage ergibt, dass Arbeitgeber zu<br />
45 Prozent die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter im Verantwortungsbereich der<br />
Arbeitnehmer sehen 1) . Die Verantwortung des Unternehmens wird mit<br />
34 Prozent angegeben, die des Staates mit 21 Prozent.<br />
In diesem Zusammenhang kommt eine aktuelle Umfrage der <strong>AK</strong> Wien zum<br />
Ergebnis, dass die Betriebe die Unterstützung ihrer Mitarbeiter zunehmend<br />
einschränken 2) . Konnten im Jahr 2003 noch 36 Prozent der Arbeitnehmer mit<br />
einer Unterstützung seitens des Betriebes rechnen, so sind es 2005 nur noch<br />
31 Prozent. Besonders für schlecht Qualifizierte wird die Spirale immer<br />
enger, denn nach dieser Umfrage wurden nur 14 Prozent der Pflichtschulabsolventen<br />
unterstützt, hingegen 51 Prozent der Akademiker, 42 Prozent der<br />
Maturanten, 32 Prozent der Fachschulabsolventen und 29 Prozent der Lehrabsolventen.<br />
Diese Zahlen sprechen für sich. Um diese Negativspirale zu<br />
durchbrechen, bedeutet das für Arbeitnehmer, dass sie sich selber um die<br />
möglichst frühe Höherqualifizierung kümmern müssen, indem sie z.B. den<br />
Lehrabschluss nachmachen oder die Berufsreifeprüfung absolvieren, damit<br />
sie eine bessere Chance haben, in den Genuss betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen<br />
zu kommen. Die laufende betriebliche Weiterbildung hat<br />
zusätzlich zur Höherqualifizierung den Nebeneffekt, dass Mitarbeiter bei der<br />
Erledigung ihrer Arbeit mit größerer Sicherheit und höherer Motivation ans<br />
Werk gehen. Das belegt der Arbeitsklima-Index der <strong>AK</strong> Oberösterreich, der<br />
in regelmäßigen Abständen die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer<br />
erhebt. Demnach korreliert die Freude in und an der Arbeit auch mit dem Bildungsstand<br />
3) . Der Resignationsindex liegt bei Arbeitnehmern, die nur die<br />
Pflichtschule absolviert haben, mit 67 von 100 Punkten an der Spitze, wobei<br />
Frauen in dieser Gruppe mit 69 Punkten deutlich vor den Männern<br />
(64 Punkte) liegen. Eine Investition in die Weiterbildung ist daher für Arbeitnehmer<br />
äußerst wichtig, doch auch für die Betriebe von vitalem Interesse.<br />
Zukunftsaktie im Betrieb<br />
In den Jahren 1999 bis 2001 hat die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> die Kooperation mit <strong>Tirol</strong>er<br />
Unternehmen gesucht und die „Zukunftsaktie im Betrieb“ eingeführt. Ziel<br />
war es, die Arbeitnehmer möglichst arbeitsplatznah in den Bereichen EDV<br />
und Sprachen weiter zu qualifizieren. Dazu wurden mit den Betrieben Vereinbarungen<br />
geschlossen, in denen die Kofinanzierung durch den Betrieb,<br />
die Abhaltung der Schulung in den Räumlichkeiten des Betriebes sowie in<br />
Zukunftsaktie im Betrieb: Gesamtauswertung 1999 bis 2001<br />
Teilnehmer<br />
Jahr Geschlecht EDV Sprachen Gesamt<br />
1999 W 22 0<br />
M 13 0<br />
2000 W 229 129<br />
M 260 234<br />
2001 W 37 40<br />
M 39 35<br />
Summen 600 438 1.038
der Arbeitszeit geregelt wurden. An dieser Aktion haben sich insgesamt<br />
42 Firmen beteiligt und 1.038 Arbeitnehmer von einer für sie kostenlosen<br />
Weiterbildung profitiert. Der Frauenanteil unter den Kursteilnehmer lag im<br />
Durchschnitt bei 44 Prozent.<br />
Eine Studie des IFES vom Dezember 2003 zur „Betrieblichen Weiterbildung<br />
der unselbstständig Erwerbstätigen“ 1) kommt zum Ergebnis, dass acht von<br />
zehn Arbeitnehmer die berufliche Weiterbildung für wichtig halten. Ob und in<br />
welchem Ausmaß ein Betrieb in die Weiterbildung seiner Mitarbeiter investiert,<br />
hängt demnach von mehreren Einflussfaktoren ab. So korrelieren die<br />
innerbetrieblichen berufsspezifischen Weiterbildungsmaßnahmen mit der<br />
Betriebsgröße, denn nur 14 Prozent der Kleinstbetriebe bis max. vier<br />
Beschäftigten fördern die Weiterbildungsaktivitäten ihrer Mitarbeiter, jedoch<br />
47 Prozent der Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten. Zudem ist die Förderung<br />
betriebsinterner Schulungen von Branche zu Branche unterschiedlich.<br />
Während im öffentlichen Dienst, im Gesundheits-, Banken- und Versicherungswesen<br />
die höchste Beteiligung mit 50 Prozent angegeben wird, finden<br />
sich die geringsten Fortbildungsquoten im Bauwesen/Baunebengewerbe<br />
mit 18 Prozent und im Fremdenverkehr mit 12 Prozent. Vor allem die<br />
letztgenannte Zahl lässt aufhorchen. Auch wenn sie für Gesamtösterreich<br />
gilt, so ist sie – herabgebrochen auf lokale Verhältnisse – für das viel zitierte<br />
Tourismusland <strong>Tirol</strong> nicht gerade ruhmreich. Ein besonderes Augenmerk verdient<br />
diese Zahl, wenn man bedenkt, dass im Beherbergungs- und Gaststättenwesen<br />
sechs von zehn Dienstnehmern weiblich 2) , die Anforderungen<br />
und Belastungen sehr hoch sind, die Qualität der Dienstleistung gleichsam<br />
die Visitenkarte des Betriebes (und in Folge des Gastlandes) darstellen und<br />
der Wunsch seitens der Arbeitnehmer nach einer Verbesserung ihrer Situation<br />
in den <strong>AK</strong>-Bildungsberatungen mit entsprechender Häufigkeit auftritt.<br />
Auch wenn Schulungsprogramme nicht alle Probleme der Branche lösen<br />
können, so gilt auch hier, mit entsprechenden Bildungsaktivitäten die Mitarbeiter<br />
für die Anforderungen des Berufes zu stärken. Denkbar sind gerade in<br />
diesem Bereich Kursinhalte, die über das unmittelbar Berufliche hinausgehen,<br />
wie z.B. Gesundheitsförderung, Fremdsprachen, Stressbewältigung<br />
etc.<br />
In Hinblick auf das Geschlecht zeigt sich in derselben Studie 1) , dass Männer<br />
(77 Prozent) tendenziell häufiger als Frauen (68 Prozent) an Kursen bzw.<br />
Schulungen teilnehmen, die vom Arbeitgeber finanziert und in der Arbeitzeit<br />
absolviert werden. Im Umkehrschluss besuchen mehr Frauen (22 Prozent)<br />
als Männer (12 Prozent) berufsspezifische Kurse zur Höherqualifizierung in<br />
ihrer Freizeit, wenn diese vom Betrieb bezahlt werden. Von den Befragten<br />
gaben 16 Prozent an, in den vorangegangenen zwölf Monaten von sich aus<br />
und ohne jede betriebliche Unterstützung berufsspezifische Weiterbildungsveranstaltungen<br />
besucht zu haben. Gegenüber der Vorgängerstudie aus<br />
dem Jahr 1999 findet sich hier eine Steigerung um 6 Prozentpunkte. Arbeitnehmer<br />
mit höherem Bildungsniveau sind mit 32 Prozent in dieser Gruppe<br />
die Spitzenreiter.<br />
Tatsächlich scheint die Zur-Verfügung-Stellung von Arbeitszeit für die Weiterbildung<br />
vielen Betrieben Probleme zu bereiten. Diese Erfahrung hat die <strong>AK</strong><br />
<strong>Tirol</strong> mit der Zukunftsaktie auch in den Vorgesprächen zur Durchführung von<br />
EDV- bzw. Sprachkursen in den Betrieben gemacht. „Das rechnet sich nicht“<br />
Betriebliche Weiterbildung<br />
hängt eng mit<br />
Betriebsgröße zusammen<br />
1) vgl. IFES Institut für empirische<br />
Sozialforschung GmbH:<br />
Betriebliche Weiterbildung bei<br />
unselbständig Erwerbstätigen:<br />
Berichtsband. – Wien:<br />
Dezember 2003.Archivnummer<br />
21917005 - - erstellt für<br />
die Arbeiterkammer Wien.<br />
2) vgl. <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>: Wirtschafts- und<br />
Sozialstatistische Informationen,<br />
Nr. 4. – November 2005.<br />
87
88<br />
Weiterbildungsbeteiligung<br />
für Frauen<br />
scheitert oft an Kinderbetreuungspflicht<br />
war eine häufig gehörte erste Aussage. Über den weiteren Nutzen der Weiterbildung<br />
in Hinblick auf bessere Qualität der Arbeitsleistung, Kundenzufriedenheit,<br />
Motivation etc. musste vielfach erst diskutiert und argumentiert<br />
werden.<br />
Motor für Weiterbildungsaktivitäten<br />
Die Aktion „Zukunftsaktie im Betrieb“ im Sinne eines Kooperationsmodells<br />
mit <strong>Tirol</strong>er Betrieben wurde nach dreijähriger Durchführung eingestellt. In<br />
Zusammenarbeit mit dem ÖGB konnten auf Initiative des Betriebsrates hin<br />
jedoch speziell für Textilarbeiterinnen EDV-Schulungen durchgeführt werden.<br />
Bei den Teilnehmerinnen handelte es sich vor allem um bildungsbenachteiligte<br />
Frauen, die in einer wirtschaftlich schwierigen Branche tätig<br />
sind. Hier wurden in drei Firmen für 47 Arbeiterinnen Basiskurse organisiert,<br />
die nicht das unmittelbare Arbeitsfeld betrafen. Daher wurden die Kurse von<br />
den Teilnehmerinnen in der Freizeit besucht und auch privat bezahlt. Mit<br />
Unterstützung des Betriebsrates, des ÖGB und der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> konnte darüber<br />
hinaus für manche Kurse eine Förderung über das Bildungsgeld update des<br />
Landes erreicht werden, nachdem es sich bei der Zielgruppe um bildungsbenachteiligte<br />
und schlecht qualifizierte Arbeitnehmerinnen in einer krisengeschüttelten<br />
Branche handelt. Aus dem Feedback des betreffenden<br />
Betriebsrates zu einem (nicht berufsspezifischen) EDV-Grundkurs für Näherinnen<br />
geht hervor, dass neben der fachlichen Qualifikation der Kurs dazu<br />
beigetragen hat, das Selbstbewusstsein der Arbeiterinnen zu stärken und<br />
dass er sehr positive Auswirkungen auf das Klima unter den Schulungsteilnehmerinnen<br />
hatte. Darüber hinaus hat die Betriebsleitung diese Bildungsaktivitäten<br />
durch die Überlassung von Schulungsräumlichkeiten sowie Internetanschluss<br />
unterstützt. Seitens einiger Teilnehmerinnen wurde der<br />
Wunsch geäußert, einen Fortsetzungskurs zu organisieren, was wiederum<br />
gelungen ist. An diesem Beispiel zeigt sich die Relevanz der betrieblichen<br />
Interessenvertretung, die vor Ort und in direktem Kontakt mit den Arbeiterinnen<br />
eine Verbesserung ihrer beruflichen Situation herbeizuführen bestrebt ist<br />
und die Betroffenen für die Wichtigkeit von Weiterbildung sensibilisiert. So<br />
konnte im Zusammenspiel der Interessenvertretungen der Grundstein für<br />
weitere Bildungsaktivitäten gelegt werden. Ganz nebenbei haben davon<br />
auch die Betriebe profitiert.<br />
Betriebliche Weiterbildung als „win-win“-Situation<br />
Dass die betriebliche Weiterbildung für Arbeitnehmende wie auch für das<br />
Unternehmen einen Nutzen hat, belegen einerseits die Förderungsaktivitäten<br />
seitens des Arbeitsmarktservice und andererseits Initiativen der Wirtschaft: Mit<br />
der Qualifizierungsförderung für Beschäftigte im Rahmen des ESF Ziel 3 wird<br />
der Betrieb unterstützt, wenn er Arbeitnehmerinnen – unabhängig vom Alter –<br />
in kostenpflichtigen Weiterbildungsveranstaltungen höher qualifiziert (ebenso<br />
Männer über 45 Jahre). Der Betrieb bezahlt in diesen Fällen ein Drittel der Kurskosten,<br />
das AMS und der ESF übernehmen die restlichen zwei Drittel bis maximal<br />
10.000 Euro, sodass der Kurs für die Arbeitnehmerin gratis ist.<br />
In dieser Hinsicht besteht vor allem bei der Qualifizierung von teilzeitbeschäftigten<br />
Frauen mit Kinderbetreuungspflichten noch Aufholbedarf. Eine
Befragung von Betriebsräten im Saarland kommt zum Ergebnis, dass Frauen<br />
bei der betrieblichen Weiterbildung per se nicht benachteiligt sind, dass sich<br />
jedoch ungleiche Zugangschancen in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />
Lebenssituation ergeben. Demnach sinkt die Weiterbildungsbeteiligung von<br />
Frauen rapide, wenn sie Kinder zu versorgen haben 1) . Nachdem Frauen im<br />
Allgemeinen der Ruf vorauseilt, eine hohe Loyalität zum Unternehmen aufzuweisen,<br />
sollte sich bei dieser Zielgruppe die betriebliche Investition in Weiterbildung<br />
doppelt rechnen.<br />
Die Weiterbildung im Betrieb spielt eine zentrale Rolle für beide Teile: Die<br />
Arbeitnehmer und den Betrieb. Für Arbeitnehmer ist mit einer beruflichen<br />
Höherqualifizierung immer auch eine fachliche Weiterentwicklung verbunden,<br />
die wiederum ihre positiven Auswirkungen im Betrieb zeigt. Der Besuch<br />
von Weiterbildungsmaßnahmen kann Arbeitnehmern Entfaltungsmöglichkeiten<br />
bieten, führt dazu, den eigenen „Wert“ am Arbeitsmarkt zu steigern und<br />
auf eben diesem flexibel zu bleiben. Damit kann der Arbeitnehmer oder die<br />
Arbeitnehmerin auch für Konkurrenzunternehmen attraktiv werden, was wiederum<br />
so manchen Betrieb von der Investition in die Höherqualifizierung der<br />
Mitarbeitenden abhält.<br />
Gleichzeitig ist bekannt, dass sich in der heutigen Wissensgesellschaft diejenigen<br />
Unternehmen am Markt behaupten, die sich auf „gute Köpfe“ im Unternehmen<br />
verlassen können. Nicht umsonst spricht man in der Personalvermittlung<br />
von „Headhunting“ und in Personalabteilungen von „Human Resources<br />
Management“. Der ökonomische Wert der Mitarbeiter ist und war immer<br />
schon ein Faktum, das sich im alltäglichen eigenen Verhalten als Konsumenten<br />
erkennen lässt: Man lässt sich die Haare von einem bestimmten Frisör<br />
schneiden, weil er eine besondere Technik beherrscht, die Kundin und ihren<br />
Geschmack kennt, weiß, wie er wenig Veränderungswillige langsam an modische<br />
Schnitte heranführt und obendrein immer die richtige Farbmischung findet.<br />
Man kauft seine Kleider in einem bestimmten Geschäft, weil die Verkäuferin<br />
in der Große-Größen-Abteilung besonders kompetent beraten hat, weil<br />
sie weiß, welche Schnitte für welche Problemlagen günstig sind und weil sie<br />
obendrein sehr wertschätzend auf ihre Kundschaft eingegangen ist. Dasselbe<br />
gilt für Köche, Juweliere, Barkeeper, Buchhalter und eine ganze Reihe anderer<br />
Berufe. Wechselt der Frisör den Salon, nimmt er in der Regel einen Teil seiner<br />
Kunden mit. Der Koch wechselt zumeist mit seinen besten Mitarbeitern,<br />
die er bereits zu einem gut eingespielten Team geformt hat, und die Buchhalterin<br />
wird von einem Headhunter abgeworben. Diese Beispiele sollen<br />
plastisch machen, welchen wirtschaftlich und monetär messbaren Wert gut<br />
ausgebildete und kompetente Mitarbeiter eines Unternehmens darstellen.<br />
Für Arbeitsplatzwechsler wird die Frage nach den Entwicklungsmöglichkeiten<br />
im neuen Unternehmen zunehmend relevant. Bietet ein Unternehmen<br />
Entwicklungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten, so ist das vielfach ein<br />
wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen einen Wechsel des<br />
Arbeitsplatzes.<br />
Eigeninitiative ist gefragt<br />
Kennzeichnend für die Situation der Frauen in der Weiterbildung ist ihre hohe<br />
Bereitschaft, berufsspezifische Weiterbildung in der Freizeit zu absolvieren,<br />
1) Arbeitskammer des Saarlandes<br />
(Hrsg.): Bericht an die<br />
Regierung 2005: Zur wirtschaftlichen,<br />
ökologischen,<br />
sozialen und kulturellen<br />
<strong>Lage</strong> der Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer. – Saarbrücken:<br />
2005.<br />
89
90<br />
Frauen bilden sich in<br />
ihrer Freizeit weiter<br />
1) http://www.bmsg.gv.at/cms/<br />
site/attachments/6/3/4/CH02<br />
54/CMS1056617560208/fb9<br />
9_kapitel_v_4.htm<br />
Autorinnen und Autor der<br />
wissenschaftlichen Fassung:<br />
Christopher Prinz, Eva Thalhammer,<br />
Ada Patrick<br />
das große Interesse an berufsübergreifenden Kursinhalten sowie die Auseinandersetzung<br />
mit der eigenen beruflichen Weiterentwicklung. Demgegenüber<br />
steht die betriebliche Realität, dass vor allem Frauen mit Kinderbetreuungspflichten<br />
in Hinblick auf den Besuch von betriebsinternen Schulungen<br />
vor terminlichen und organisatorischen Schwierigkeiten stehen. Dass<br />
schlecht qualifizierte Männer und Frauen einen erschwerten Zugang zur<br />
Höherqualifizierung haben bzw. dass Weiterbildung in einzelnen Branchen<br />
kein großes Thema ist, stellt die Bildungs- und Förderpolitik vor (nicht ganz<br />
neue) Herausforderungen und ist auch ein Auftrag an die Arbeitnehmer, in<br />
Hinblick auf die Erlangung einer Grundqualifizierung selber initiativ zu werden.<br />
Die berufliche Weiterentwicklung ist ein Prozess, bei dem die Weiterbildung,<br />
die formale wie die nicht formale, einen wichtigen Bestandteil darstellt.<br />
Die Arbeitnehmer erlangen damit ein höheres Maß an Flexibilität und führen<br />
selbst die Regie im Drehbuch ihrer Berufsbiografie. Damit entscheiden sie<br />
selbst, wann es Zeit für eine Neuausrichtung ist. Sie sind auch für den Fall,<br />
dass sie sich einmal umorientieren müssen, besser vorbereitet.<br />
Weiterbildungsberatung, ein Gebot der Stunde<br />
Beratung in der Weiterbildung hat in der Situation des gesellschaftlichen<br />
<strong>Umb</strong>ruchs und der Umstrukturierung vieler Wirtschaftsbereiche in den letzten<br />
Jahren als Orientierungshilfe an Bedeutung gewonnen. Mit der Zunahme<br />
und Verfestigung der Arbeitslosigkeit, der Suche nach neuen Formen der<br />
Arbeitsverteilung und Arbeitszeitgestaltung, der Einschränkung staatlicher<br />
Leistungen in der Weiterbildung und mit der Reduzierung sozialer Sicherungssysteme<br />
ist bei vielen Menschen Sorge und Ratlosigkeit entstanden:<br />
Die persönlichen und beruflichen Perspektiven sind unsicher, Entscheidungen<br />
sind schwieriger geworden. Das gilt auch für die Frage, ob die jeweils<br />
vorhandenen Qualifikationen noch ausreichen bzw. ob und durch welche<br />
Weiterbildung die Arbeitsmarktchancen der Einzelnen verbessert werden<br />
können. Hier kann Weiterbildungsberatung weiterhelfen und sie hat viel<br />
Resonanz – so die Erfahrungen im Rahmen der <strong>AK</strong>-Bildungsberatung – als<br />
Orientierungshilfe gefunden.<br />
Im Sinne des Gender Mainstreaming Prinzips müssen bei der Beratung zu<br />
Bildungs- und Berufsfragen die jeweiligen Situationen, Prioritäten und<br />
Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigt werden. Dazu muss<br />
man die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Bereichen Bildung<br />
und Arbeitsmarkt erst einmal kennen.<br />
Die Bildungsberatungsstatistik des EQUAL-Projektes „Tu-was.com“ zeigt,<br />
dass die Inanspruchnahme von Bildungsberatung bei Frauen mehr als zweimal<br />
so hoch liegt als bei Männern (siehe unten statistische Daten). Eine<br />
Erklärung könnte darin liegen, dass diese – bedingt durch Karenz – ihre<br />
berufliche Laufbahn öfter unterbrechen wollen bzw. müssen: „Eine Analyse<br />
der Lebensläufe aus dem Fertilitäts- und Familiensurvey 1996 1) (FFS) kam<br />
zum überraschenden Ergebnis, dass 1996 mehr Frauen ihre Erwerbstätigkeit<br />
aus Familiengründen unterbrachen als 20 Jahre zuvor.“ Dabei prägen unterschiedliche<br />
Wiedereinstiegsmodelle das Bild, je nachdem wie lange Frauen<br />
dem Arbeitsmarkt fernbleiben. Die Last der Vereinbarkeit von Beruf und Kin-
derbetreuung ruht überwiegend auf den Schultern der Frauen. Eine Berufsrückkehr<br />
ist für viele nur mehr in Teilzeit möglich. In Österreich arbeiten die<br />
meisten erwerbstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren in Teilzeit. Damit<br />
ist leider sehr oft der berufliche Abstieg und ein Einkommensverlust verbunden.<br />
Mittlerweile hat sich die Situation, was Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie betrifft, noch verschärft. Das Zukunftszentrum <strong>Tirol</strong> beschreibt aufgrund<br />
einer Studie der Wirtschafts- und Arbeitsmarktforschung West die<br />
<strong>Lage</strong> der Frauen am <strong>Tirol</strong>er Arbeitsmarkt so: „Nur eine von zehn, die zu den<br />
best bezahlten 20 Prozent gehören, ist auch Mutter. … Den Sprung in Toppositionen<br />
schaffen Frauen in der Regel allerdings nur, wenn sie auf Familie<br />
verzichten: Neun von zehn Frauen, die im obersten Einkommensfünftel rangieren,<br />
sind kinderlos.“ 1)<br />
Politische Verantwortliche wie Unternehmen sind daher gefordert Unterstützungsstrukturen<br />
zu schaffen, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
möglich machen. Untersuchungen haben die Indikatoren für den erfolgreichen<br />
Widereinsteig von Frauen identifiziert:<br />
• Kontakthaltemaßnahmen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung des Qualifikationsniveaus<br />
(z.B. durch Einbindung in firmeninterne Schulungen und<br />
Informationsnetzwerk)<br />
• Nutzung innovativer Arbeitszeitmodelle und moderner Arbeitsorganisation<br />
im Sinne eines nicht ganz vollzogenen Ausstiegs (Aufrechterhaltung einer<br />
geringfügigen Beschäftigung, Telearbeit etc.)<br />
• Veränderung der Sichtweise in Richtung: „Familienkompetenzen sind<br />
Schlüsselkompetenzen“<br />
Es ist unter anderem die Aufgabe der Bildungsberatung, auf diese Zusammenhänge<br />
hinzuweisen. Am Arbeitsmarkt haben es Arbeitnehmer mit einer<br />
bisher ungeahnten Dynamik an Job- und Berufswechseln zu tun: Eine weitere<br />
Studie der WAW-Synthesis im Auftrag des Zukunftszentrums <strong>Tirol</strong> zeigt,<br />
dass ein Drittel der Erwerbsaktiven in <strong>Tirol</strong> innerhalb von 5 Jahren den<br />
Betrieb oder sogar die Branche wechselt. Männer wie Frauen sind davon<br />
Arbeitslosenquote nach der Altersstruktur<br />
(Vorgemerkte arbeitslose Personen je Altersgruppe in % der unselbstständig Beschäftigten plus<br />
arbeitslose Personen je Altersgruppe)<br />
<strong>Tirol</strong> Österreich<br />
15- bis unter 19jährige, insgesamt 2004 2,0 2,4<br />
Männer 2004 1,6 1,9<br />
Frauen 2004 2,5 3,1<br />
15- bis unter 19jährige, insgesamt 2003 2,6 3,4<br />
19- bis unter 25jährige, insgesamt 2004 8,0 9,8<br />
Männer 2004 8,9 11,2<br />
Frauen 2004 7,2 8,5<br />
19- bis unter 25jährige, insgesamt 2003 6,7 8,8<br />
25- bis unter 40jährige, insgesamt 2004 5,6 7,0<br />
Männer 2004 5,6 7,2<br />
Frauen 2004 5,6 6,7<br />
25- bis unter 40jährige, insgesamt 2003 5,4 6,6<br />
40- bis unter 50jährige, insgesamt 2004 5,3 6,5<br />
Männer 2004 5,1 6,9<br />
Frauen 2004 5,6 5,9<br />
40- bis unter 50jährige, insgesamt 2003 5,1 6,2<br />
50- und Mehrjährige, insgesamt 2004 5,8 8,3<br />
Männer 2004 5,7 8,9<br />
Frauen 2004 6,0 7,4<br />
50- und Mehrjährige, insgesamt 2003<br />
Quelle: AMS Österreich<br />
5,9 9,0<br />
Last der Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Kindern<br />
auf den Schultern der<br />
Frauen<br />
Enorme Dynamik am<br />
Arbeitsplatz: Ein Drittel<br />
der <strong>Tirol</strong>er Beschäftigten<br />
wechselt innerhalb von<br />
fünf Jahren Beruf oder<br />
Branche<br />
1) Studie „F.E.S.T – Frauenerwerbseinkommen<br />
stärken<br />
<strong>Tirol</strong>“, Studie der WAW Synthesis<br />
im Auftrag des<br />
Zukunftszentrums <strong>Tirol</strong><br />
siehe unter:<br />
http://www.zukunftszentrum.at/<br />
themen/wirtschaftsforschung/<br />
FEST<br />
91
92<br />
gleichermaßen betroffen. Bei den Frauen kommen die oben erwähnten<br />
Erschwernisse dazu.<br />
Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik in <strong>Tirol</strong> nach Alter und Geschlecht zeigt<br />
die Notwendigkeit der Bildungs- und Berufsberatung bei Männern und bei<br />
Frauen. Ein Ausbau der Beratung ist einerseits für die Zielgruppe der Arbeitsuchenden<br />
im Rahmen des AMS notwendig, andererseits muss neben dem<br />
„Reparatur-Prinzip“ stärker das „Präventions-Prinzip“ forciert werden, d.h.<br />
mehr Bildungsberatung für „Noch-Beschäftigte“. Betrachtet man die Altersstruktur<br />
näher, so fällt auf, dass ein größerer Unterschied zwischen Männern<br />
und Frauen nur bei der Altersgruppe der 15- bis unter 19jährigen besteht.<br />
Weiterbildungsberatung hat auch wichtige Funktionen für das Bildungs- und<br />
Beschäftigungssystem. Sie soll im Weiterbildungsbereich die Nachfrageseite<br />
stärken, indem sie das Bildungsangebot transparent macht und die Belange<br />
des Konsumentenschutzes unterstützt. Daneben gehört es auch zu ihren Aufgaben,<br />
durch Bedarfsanalysen und Trägerberatung zur Verbesserung des Bildungsangebotes<br />
beizutragen sowie die Entwicklung und Umsetzung der <strong>Tirol</strong>er<br />
Bildungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik zu unterstützen. Weiterbildungsberatung<br />
übernimmt auch eine zunehmend wichtigere Rolle beim<br />
Auf- und Ausbau regionaler Kooperationsstrukturen und Netzwerke. Im Rahmen<br />
des EQUAL-Projektes „Tu-was.com“ konnten diesbezüglich wichtige<br />
Erfahrungen in <strong>Tirol</strong> gesammelt werden. Leider wurde dieses Projekt nicht<br />
sofort in ein permanentes Serviceangebot übergeführt.<br />
Aus den vielfältigen Funktionen der Bildungsberatung erklärt sich auch das<br />
Engagement des Bundes, durch Modellprojekte (z.B. BIB-Infonet, BIB-Tool)<br />
auf die Bedeutung der Bildungsberatung aufmerksam zu machen, mit<br />
Anschubfinanzierungen die Einrichtung von Beratungsstellen zu ermöglichen<br />
(etwa das Bildungsberatungsnetzwerk Steiermark) und damit die Entwicklung<br />
unterstützender Strukturen des Bildungssystems zu fördern.<br />
Dies geht auch aus dem Entschließungsantrag des EU-Rates der Bildungsminister<br />
von Mai 2004 deutlich hervor: „Alle europäischen Bürger sollten (…)<br />
in jedem Lebensabschnitt Zugang zu Bildungs- und Berufsberatung haben,<br />
wobei gefährdeten Einzelpersonen und Gruppen in besonderem Maß Rechnung<br />
zu tragen ist. Das Beratungsangebot muss flexibel und vielfältig gestaltet<br />
sein; dazu gehört der Einsatz innovativer Methoden und Technologien<br />
und aufsuchender Dienste. Die Personen, die Beratung in Anspruch nehmen,<br />
müssen (…) im Mittelpunkt stehen.“<br />
In der EU wird die Bedeutung der Bildungsberatung seit einiger Zeit gesehen<br />
und die Diskussion mit dem Begriff „lifelong guidance“ oder „career gui-
dance“ geführt. Maßnahmen zum Ausbau und zur Professionalisierung dieses<br />
Beratungsangebotes laufen in fast allen Mitgliedsstaaten der EU an.<br />
Zahlreiche Veröffentlichungen (u.a. OECD-Bericht „Bridging the gap“) und<br />
Untersuchungen zeigen Bedarf und Nutzen der Bildungsberatung auf. Auch<br />
in Österreich teilen immer mehr Bildungsexperten die Ansicht der Arbeiterkammer<br />
in Richtung Ausbau einer anbieterunabhängigen Bildungsberatung.<br />
Ziel der Weiterbildungsberatung<br />
Berufliche Weiterbildung in <strong>Tirol</strong> ist ein Bereich, der durch eine große Anzahl<br />
von Anbietern (geschätzt ca. 80 bis 100) und rund 10.000 Bildungsangeboten<br />
gekennzeichnet ist. Damit verbunden ist eine meist geringe Transparenz<br />
des Marktes auch hinsichtlich der Angebotsqualität. Weiterbildungsinteressenten<br />
haben oft Schwierigkeiten, die Angebote zu vergleichen. Sie brauchen<br />
deshalb zuverlässige Informationen, um sich zu orientieren und zum<br />
Teil auch weitere Hilfen, um zu einer auf ihre speziellen Belange abgestellten<br />
Entscheidung zu kommen.<br />
Eine Bildungsanbieter-unabhängige, neutrale, individuelle Beratung kann<br />
das leisten. Weiterbildungsberatung wird zu den „Support-Strukturen" für<br />
die Weiterbildung gezählt, zu wichtigen unterstützenden Strukturen, die zur<br />
Verbesserung der Transparenz und zur Qualitätssicherung beitragen.<br />
Wichtige Leistungen der Bildungsberatung sind:<br />
• Information, Orientierungs- und Entscheidungshilfe in Bildungsfragen und<br />
anderen Lebensbereichen geben<br />
• Transparenz im Weiterbildungsbereich erhöhen, z.B. durch die Herausgabe<br />
von Weiterbildungskatalogen und die Führung regionaler Bildungsund<br />
Bildungsförderdatenbanken<br />
• Motivierung zu Bildung<br />
• Bildungsträger und Bildungsverantwortliche beraten und auf eine Verbesserung<br />
des Bildungsangebotes hinwirken<br />
• durch Kooperation mit den regionalen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und<br />
Verwaltung zur Regionalentwicklung beitragen.<br />
• Berücksichtigung benachteiligter Bevölkerungsgruppen bei Orientierungs-<br />
und Entscheidungshilfe in Bildungsfragen<br />
• Durchführung von Informationsveranstaltungen für Multiplikatoren und<br />
Aufbau von Kommunikationsnetzen mit ihnen<br />
• Mitwirkung bei der Schul- und Weiterbildungsentwicklungsplanung<br />
• Wartung und Weiterentwicklung von Weiterbildungsdatenbanken<br />
<strong>AK</strong>-Bildungsberatung<br />
In den meisten Beratungsstellen hat die Zahl der Ratsuchenden in den letzten<br />
Jahren deutlich zugenommen. Die Bildungsabteilung der Arbeiterkammer<br />
<strong>Tirol</strong> führte im Jahr 2005 rund 1.400 persönliche und 6.000 telefonische<br />
Bildungsberatungen durch. Darüber hinaus wurden Tausende von Broschüren<br />
zu Spezialthemen („Die richtige Auswahl von Weiterbildungsangeboten“,<br />
„Richtig bewerben“, „Beruf und Einkommen“, Anerkennung von Bildungs-<br />
und Berufsabschlüssen“) verschickt und Informationsveranstaltun-<br />
Rund 100.000 Bildungsangebote<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
verlangen nach punktgenauer<br />
Beratung<br />
<strong>AK</strong> hat höchste<br />
Kompetenz bei<br />
Bildungsberatung<br />
93
94<br />
Jeder Dritte wünscht sich<br />
Bildungs- und Berufsberatung<br />
samt<br />
Kompetenzenbilanz<br />
gen angeboten. Die Beratungsstatistik weist ähnliche Tendenzen wie die<br />
„Tu-was.com“-Statistik auf, was den Anteil von Frauen betrifft. Die Arbeiterkammer<br />
<strong>Tirol</strong> betreut insgesamt 250.195 Mitglieder, davon sind 117.015<br />
weiblich und 133.180 männlich<br />
Erhebung des Bildungsberatungsbedarfs in <strong>Tirol</strong><br />
Zur Untermauerung der Forderung der <strong>AK</strong> gegenüber dem Land <strong>Tirol</strong> nach<br />
Ausbau der Bildungsberatung (<strong>AK</strong>-Konzept „<strong>Tirol</strong> als Bildungsland“, 2004)<br />
wurde das Marktforschungsunternehmen Market beauftragt, eine repräsentative<br />
Befragung bei 1.000 Personen durchzuführen, um den Beratungsbedarf<br />
in <strong>Tirol</strong> zu erheben. Die Market-Studie im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> dürfte in<br />
Österreich eine der ersten Studien sein, die den Bedarf an Bildungsberatung<br />
nachweisen kann.<br />
Es handelt sich um eine repräsentative Umfrage unter allen <strong>Tirol</strong>er Erwerbstätigen<br />
im Alter von 25 bis 55 Jahren. Die Studie wurde bewusst nicht nur auf<br />
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt, weil dieser spezifische<br />
Bedarf an Beratung, Information und Orientierung in Bildung und Beruf<br />
alle Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung betrifft und viele Biografien<br />
wechselnde oder gleichzeitige Tätigkeiten als Arbeitnehmer, Selbstständige,<br />
Arbeitslose, Studierende usw. aufweisen und die <strong>AK</strong> davon ausgeht, dass<br />
ein qualifiziertes Beratungsangebot für alle eingerichtet werden muss.<br />
Die Ergebnisse im Einzelnen<br />
Das zu Beginn des Interviews sehr konkret vorgetragene Angebot der Bildungs-<br />
und Berufsberatung samt Kompetenzenbilanz löst bei den Befragten<br />
sehr großes Interesse aus. 33 Prozent der Befragten können sich die Nutzung<br />
dieses Angebotes „auf jeden Fall vorstellen“. Interessant, dass sich<br />
wesentlich mehr Frauen (36 Prozent) als Männer (26 Prozent) für dieses<br />
Angebot interessieren. Nicht überraschend dabei ist das große Interesse der<br />
Arbeitsuchenden, obwohl diese mit dem Arbeitsmarktservice eine Anlaufstelle<br />
haben. Auch bei der tatsächlichen Nutzung des Bildungsberatungsangebotes<br />
ist der Frauenanteil derzeit wesentlich höher.<br />
Entscheidend ist, dass das Angebot nicht bei der Feststellung des „Marktwertes“<br />
stehen bleibt, sondern auch die für die Interessenten sehr wichtigen<br />
Beratungen etwa rund um finanzielle Unterstützungen oder Weiterbildungswege<br />
umfasst. Erst diese Gesamtheit macht das Angebot so attraktiv.<br />
Die Befragten nennen als kompetente Anbieter dieser Beratung an oberster<br />
Stelle das Arbeitsmarktservice (76 Prozent) und die Arbeiterkammer (74 Prozent),<br />
anschließend folgt die Wirtschaftskammer mit 49 Prozent und das<br />
Land (41 Prozent).<br />
Eine Befragung der <strong>AK</strong> Oberösterreich hat ergeben, dass sich 60 Prozent der<br />
<strong>AK</strong>-Mitglieder dafür aussprechen, dass die Arbeiterkammer die Bildungsberatung<br />
ausbaut. Bei dieser Reihung ist zu berücksichtigen, dass sich<br />
erwerbstätige Personen beim AMS nicht persönlich beraten lassen können.<br />
Das AMS bietet aber eine umfassende Grundlagenarbeit auf dem Sektor der<br />
Arbeitsmarktberatung.
57 Prozent der befragten Personen wünschen sich eine persönliche Beratung,<br />
74 Prozent wollen in jedem Fall einzeln beraten werden. 76 Prozent der<br />
Befragten geben an, dass die Beratung in allen Bezirksstädten stattfinden<br />
sollte. Frauen wünschen sich noch mehr als Männer regionalisierte Bildungsberatungsangebote.<br />
81 Prozent der Befragten sprechen sich für eine<br />
Beratung Montag bis Freitag tagsüber und am Abend aus. Männer interessieren<br />
sich mehr für Bildungsberatung am Abend, während Frauen sich mehr<br />
Angebote tagsüber wünschen (auch am Vormittag). Die Beratungsstatistik<br />
des EQUAL-Projektes „Tu-was.com“ bestätigt diese Umfrageergebnisse.<br />
Die wichtigsten Daten von „Tu-was.com“ auf einen Blick:<br />
1.289 Personen in rund 16 Monaten, davon 70 Prozent Frauen und 30 Prozent<br />
Männer<br />
13 Prozent der Ratsuchenden haben max. Pflichtschulabschluss<br />
47 Prozent sind Facharbeiter, d.h. Berufsausbildung ohne Matura<br />
20 Prozent Maturanten<br />
20 Prozent haben eine akademische Ausbildung bzw. postsekundäre Ausbildung<br />
44 Prozent befinden sich in der arbeitsmarktpolitisch schwierigen Altersklasse<br />
von 36 bis 55 Jahren.<br />
Leitfaden für das Modell Bildungsberatung <strong>Tirol</strong><br />
Das Land <strong>Tirol</strong> oder eine ihr nahe stehende Einrichtung (z.B. Arbeitsmarkt<br />
GmbH) übernimmt die Koordination der Bildungsberatungsanbieter in <strong>Tirol</strong><br />
• Die Koordination und die „Bildungsberatung <strong>Tirol</strong>“ ist als ständige Einrichtung<br />
zu installieren. Es konnten ausreichend Erfahrungen in Projekten<br />
gesammelt werden.<br />
• Die Bildungsberatungsanbieter bringen als Partner ihre Beratungskapazitäten<br />
ein. Sie bleiben als Partner des Landes <strong>Tirol</strong> eigenständig und<br />
sichtbar.<br />
• „Bildungsberatung <strong>Tirol</strong>“ ist durch das Land <strong>Tirol</strong> bekannt zu machen. Bei<br />
der Zielgruppenansprache sind die geschlechtsspezifischen Gewohnheiten<br />
bei der Nutzung der Medien zu beachten (Werbesprache, Schwerpunktthemen,<br />
Angebotsgestaltung etc.)<br />
• Das Land oder eine ihm nahe stehende Einrichtung sorgt für die zusätzlich<br />
notwendige Finanzierung für Öffentlichkeitsarbeit, Koordinationstätigkeit,<br />
Ausbau der Angebote für bestimmte Zielgruppen, Wartung der Bildungsdatenbank,<br />
Lernfeste, Evaluierung, Weiterbildung der Bildungsberater etc.<br />
• Das Land richtet eine Steuergruppe (primär Beratungsorgan) – zusammengesetzt<br />
aus den Partnereinrichtungen Land, Arbeiterkammer, Arbeitsmarktservice,<br />
Wirtschaftskammer etc. – ein.<br />
• Bei der Zusammensetzung der Berater muss auf eine Ausgewogenheit<br />
zwischen Männern und Frauen und auf den Erfahrungshintergrund<br />
(bestimmte Zielgruppen, Themen) geachtet werden.<br />
95
96<br />
Jeder braucht eine<br />
zweite Chance – BerufsreifeprüfungErfolgsmodell<br />
der <strong>AK</strong><br />
1) Schon zuvor gab es auf Basis<br />
der Berufsreifeprüfungsverordnung<br />
StGBl 167/1945 das<br />
Instrument der Berufsreifeprüfung.<br />
Sie diente hauptsächlich<br />
zum Priester berufenen Personen<br />
ohne Matura als Zugang<br />
zu einem Theologie Studium.<br />
Erst als Mitte der siebziger<br />
Jahre die Arbeiterkammern in<br />
Wien und Innsbruck Vorbereitungskurse<br />
auf diese Berufsreifeprüfung<br />
veranstalteten,<br />
gab es österreichweit eine<br />
nennenswerte Zahl von rund<br />
100 Teilnehmern. Diese Verordnung<br />
wurde 1997 durch ein<br />
zeitgemäßes Berufsreifeprüfungsgesetz<br />
abgelöst.<br />
2) Vgl.: IBW/ÖIBF Studie, Die<br />
Berufsreifeprüfung- eine erste<br />
Evaluierung, Wien 1999,<br />
http://www.erwachsenenbildung.at/services/publikationen/BRP_Evaluierung_<br />
1999_Langfassung.pdf<br />
Berufsreifeprüfung für Frauen maßgeschneidert<br />
Die Chance im zweiten Bildungsweg<br />
Der übliche Zugang zu einem Studium ist die Reifeprüfung einer Allgemein<br />
bildenden oder Berufsbildenden höheren Schule. Ist jemand Absolvent einer<br />
mindestens dreijährigen Berufsbildenden Schule, einer Krankenpflegeschule,<br />
einer Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst oder einer<br />
Lehrabschlussprüfung, so steht der Zugang zu einer Hochschule oder Universität<br />
auch durch die Absolvierung der Berufsreifeprüfung nach dem vollendeten<br />
19. Lebensjahr offen.<br />
Die Berufsreifeprüfung ist 1997 1) gesetzlich in Kraft getreten und besteht aus<br />
vier Teilprüfungen, die folgende Bereiche umfassen: Deutsch, Mathematik,<br />
lebende Fremdsprache und einen Fachbereich. Die Berufsreifeprüfung ist<br />
der Reifeprüfung (Matura) gleichzusetzen, da sie die Zulassung an Universitäten,<br />
Hochschulen, Fachhochschul-Studiengängen, Akademien und an<br />
Kollegs gewährt.<br />
Der Prüfungsantritt ist auch ohne formale Vorbereitung möglich, durchwegs<br />
absolvieren die Prüfungskandidaten aber einen Vorbereitungslehrgang.<br />
Diese werden vorwiegend von Erwachsenenbildungseinrichtungen (z.B.:<br />
BFI, WIFI, VHS usw.) angeboten. Die Kurse finden meist am Abend statt und<br />
geben denjenigen, die im Berufsleben stehen, die Chance, im zweiten Bildungsweg<br />
die Reifeprüfung nachzuholen. Vom Ministerium anerkannte<br />
Erwachsenenbildungseinrichtungen sind befugt, drei der vier Teilprüfungen<br />
abzunehmen. Eine Teilprüfung muss jedoch an einer höheren Schule mit<br />
Öffentlichkeitsrecht absolviert werden. Diese Schule stellt auch nach positiver<br />
Ablegung aller Teilbereiche das Reifeprüfungszeugnis aus. Der<br />
Abschluss kann nach eineinhalb Jahren gemacht werden. Es besteht aber<br />
die Möglichkeit, sich für die Absolvierung der Teilprüfungen mehr Zeit zu lassen.<br />
Die Berufsreifeprüfung wurde zuletzt unter der Bildungsinitiative „Lehre mit<br />
Matura“ bekannt gemacht, deren Ziel es ist, die Berufsreifeprüfung im<br />
Bereich der Berufsbildenden Pflichtschulen (Berufsschulen) zu etablieren.<br />
Durch diese Initiative soll die Basis für Vorbereitungskurse an Berufsschulen<br />
gelegt werden.<br />
Immer mehr Teilnehmer<br />
Im Jahre 1999, zwei Jahre nach der gesetzlichen Verankerung der Berufsreifeprüfung,<br />
wurde im Rahmen einer ersten Evaluierung 2) Bilanz gezogen, mit<br />
dem Ergebnis, dass das Konzept der Berufsreifeprüfung erfolgreich imple-
mentiert wurde. Im Mai 1999 konnte bei anbietenden Einrichtungen in Österreich<br />
eine Teilnehmerzahl von 4.512 Personen verzeichnet werden. Eine Gliederung<br />
nach Bildungsabschlüssen zeigte, dass von den 4.512 Teilnehmern<br />
63 Prozent einen Lehrabschluss vorweisen konnten, die anderen Teilnehmer<br />
waren hauptsächlich Absolventen einer Berufsbildenden mittleren Schule.<br />
Der Frauenanteil lag bei 53 Prozent.<br />
Am 24. Jänner 2005 wurde das „Erfolgsmodell der Berufsreifeprüfung“ in<br />
einer Veröffentlichung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft<br />
und Kultur mit Zahlen untermauert. Waren es 1999 noch 4.512 Personen, die<br />
sich österreichweit auf die Berufsreifeprüfung vorbereiteten, so wurden im<br />
Jänner 2005 über 8.000 Personen verzeichnet. Ein Blick auf die vergangenen<br />
Jahre veranschaulicht, dass sich die Zahl der Teilnehmer kontinuierlich<br />
gesteigert hat.<br />
Über 50 Prozent Frauenanteil<br />
Von den 8.000 Personen, die sich zurzeit österreichweit auf die Berufsreifeprüfung<br />
vorbereiten, sind 54 Prozent Frauen. Dieses Resultat zeigt, dass<br />
sich der Frauenanteil im Vergleich zum Jahr 1999 kaum verändert hat. Daraus<br />
lässt sich schließen, dass die Berufsreifeprüfung in Österreich gerne von<br />
Frauen in Anspruch genommen wird.<br />
Eine geschlechtsspezifische Betrachtung in Hinblick auf regionale Gegebenheiten<br />
kann andere Geschlechterverteilungen hervorbringen. Obwohl<br />
gesamtheitlich gesehen die Frauen in Österreich die Nase vorne haben, sind<br />
in <strong>Tirol</strong> die geschlechtsspezifischen Vergleiche sehr männerlastig.<br />
Geschlechtsspezifische Vergleiche in <strong>Tirol</strong><br />
In <strong>Tirol</strong> wird die Berufsreifeprüfung vorwiegend vom <strong>Tirol</strong>er Berufsförderungsinstitut<br />
(BFI) und dem <strong>Tirol</strong>er Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) angeboten.<br />
Das <strong>Tirol</strong>er Berufsförderungsinstitut (BFI) verzeichnet, betrachtet man<br />
BFI/Neuanmeldungen zur Berufsreifeprüfung<br />
<strong>Tirol</strong>er Jahr Neuanmeldungen, Neuanmeldungen, Neuanmeldungen<br />
Bildungsinstitut Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />
BFI 2002/03 157 62 (39) 95 (61)<br />
2003/04 218 102 (47) 116 (53)<br />
2004/05 227 112 (49) 115 (51)<br />
2005/<strong>06</strong> 256 117 (46) 139 (54)<br />
Frauenanteil bei Berufsreifeprüfung<br />
mehr als<br />
54 Prozent<br />
97
98<br />
Die vielen Biografien<br />
einer Frau<br />
1) Die Frühjahrsbuchungen von<br />
20<strong>06</strong> sind hier noch nicht<br />
berücksichtigt worden.<br />
die Jahre von 2002/03 bis 2005/<strong>06</strong>, zahlreiche Neuanmeldungen. Zwar<br />
nimmt beim BFI die Zahl der Neuanmeldungen bei Frauen jährlich zu, sie ist<br />
jedoch im Vergleich zu den jährlichen Neuanmeldungen bei Männern<br />
wesentlich geringer. Der jährliche Frauenanteil liegt, variierend je nach Jahr,<br />
immer unter 50 Prozent.<br />
Eine detaillierte Auflistung der Neuanmeldungen von Seiten des <strong>Tirol</strong>er Wirtschaftsförderunginstitutes<br />
liegt der <strong>AK</strong> nicht vor. Es ist anzunehmen, dass<br />
die jährlichen Neuanmeldungen im Vergleich zum <strong>Tirol</strong>er Berufsförderungsinstitut<br />
wesentlich geringer sind. Die unten angeführten Zahlen vom <strong>Tirol</strong>er<br />
Wirtschaftsförderungsinstitut geben lediglich Aufschluss über die seit<br />
2002/03 registrierten Personen. Diese Zahlen beinhalten sowohl Neuanmeldungen<br />
als auch bereits bestehende Anmeldungen und geben somit die Zahl<br />
der Teilnehmenden an. Der Frauenanteil ist hier, im Vergleich zum Anteil der<br />
Männer, wesentlich geringer.<br />
WIFI/Teilnehmende (Neuanmeldungen und bereits bestehende Anmeldungen)<br />
<strong>Tirol</strong>er AnmeldungenAnmeldungen Anmeldungen<br />
Bildungsinstitut Jahr Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />
WIFI 2002/03 155 43 (28) 112 (72)<br />
2003/04 259 83 (32) 176 (68)<br />
2004/05 240 86 (36) 154 (64)<br />
2005/<strong>06</strong> 1) 258 101 (39) 157 (61)<br />
Zahl der Absolventen der Berufsreifeprüfung<br />
In den Jahren 2001 bis 2003 haben österreichweit 1.879 Personen die<br />
Berufsreifeprüfung absolviert, davon waren 134 Personen (acht Prozent) aus<br />
<strong>Tirol</strong>. Bei den <strong>Tirol</strong>ern Absolventen wurde jeweils immer ein Frauenanteil von<br />
50 Prozent und mehr erreicht. Die <strong>Tirol</strong>erinnen stehen somit ihren männlichen<br />
Kollegen um nichts nach. Interessant erscheint auch der österreichweit<br />
geschlechtsspezifische Vergleich. Hier liegt der Frauenanteil in den Jahren<br />
2001 und 2002 über 50 Prozent.<br />
Bestandene Berufsreifeprüfungen<br />
<strong>Tirol</strong> Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />
2003 38 19 (50) 19 (50)<br />
2002 42 22 (52) 20 (48)<br />
2001 54 28 (52) 26 (48)<br />
Österreich Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />
2003 669 313 (47) 356 (53)<br />
2002 646 334 (52) 312 (48)<br />
2001 564 300 (53) 264 (47)<br />
Quelle: Statistik Austria, Prozentberechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Wege nach der Berufsreifeprüfung<br />
Wer die Berufsreifeprüfung in der Hand hat, hat grünes Licht für einen weiteren<br />
Bildungsweg. Was Frauen nach der Berufsreifeprüfung machen können,<br />
sollen folgende zwei Beispiele zeigen. Es handelt sich hierbei um konkrete<br />
Fälle aus der <strong>AK</strong>-Bildungsberatung.<br />
Martina B. ist eine von jenen Frauen, die sich für die Berufsreifeprüfung entschieden<br />
haben. Nicht nur das Interesse sich persönlich weiterzubilden,
sondern auch der Wunsch, sich beruflich zu verändern, motivierte sie zur<br />
Teilnahme an den Vorbereitungskursen für die Berufsreifeprüfung.<br />
In jungen Jahren hat sich Martina B. nicht viel Gedanken über ihre Ausbildung<br />
gemacht. Sie hat frühzeitig das Gymnasium in der 7. Klasse abgebrochen,<br />
anschließend eine Lehre als Bürokauffrau gemacht und Erfahrungen<br />
im Berufsleben gesammelt. Erst als sie in der Arbeitswelt stand, wurde ihr<br />
bewusst, wie wichtig es ist, sich weiterzubilden. Sie suchte zudem eine Herausforderung<br />
und neue berufliche Perspektiven. Mit 26 Jahren stand ihr Entschluss<br />
fest, die Berufsreifeprüfung zu machen. Nach eineinhalb Jahren<br />
hatte sie die Reifeprüfung in der Hand und zugleich neue Chancen. Die<br />
Chance nahm sie wahr, in dem sie sich beim MCI in Innsbruck für einen Studienplatz<br />
bewarb und prompt aufgenommen wurde.<br />
Heute ist Martina B. eine von jenen Studentinnen, die sich mittels der Berufsreifeprüfung<br />
einen höheren Bildungsweg ermöglicht haben. Sie hat es<br />
geschafft, die Ausbildung für Management und Recht am MCI berufsbegleitend<br />
zu besuchen und ist stolz auf ihren Werdegang. Sie ist froh, dass sie<br />
zuvor eine Lehre gemacht hat. Damals als Teenager wäre sie nicht bereit<br />
gewesen, bis zur Matura die Schulbank zu drücken. „Da hatte ich andere<br />
Sachen im Kopf und wollte einfach was Praktisches machen“, erzählt Martina<br />
heute.<br />
Ähnlich wie Martina B. ist es auch Sonja W. ergangen. Nach der Krankenpflegeschule<br />
und fünfjähriger Berufserfahrung im Gesundheitsbereich,<br />
wollte Sonja B. sich beruflich verändern. Sie hat von der Möglichkeit gehört,<br />
die Reifeprüfung in eineinhalb Jahren abzulegen und hat sich über die<br />
Berufsreifeprüfung bei der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> im Rahmen einer Bildungsberatung informiert.<br />
Nach einem aufschlussreichen Beratungsgespräch und der Möglichkeit<br />
auf eine Bildungsbeihilfe, hat sie den Entschluss gefasst, sich für die<br />
Vorbereitungskurse anzumelden. Diese Entscheidung hat sie nicht bereut.<br />
Heute ist Sonja W. Studentin der Universität Innsbruck.<br />
Engagierte Frauen und Männer<br />
So wie Martina B. und Sonja W. gibt es in <strong>Tirol</strong> zahlreiche engagierte Frauen,<br />
die nach der Berufsreifeprüfung einen weiteren Bildungsweg antreten. Es<br />
wurde exemplarisch für <strong>Tirol</strong> erhoben, wie viele Frauen und Männer mit der<br />
Zugangsvoraussetzung einer Berufsreifeprüfung sich in einer weiteren Ausbildung<br />
befinden. Dabei wurden folgende Bildungseinrichtungen hinsichtlich<br />
der Kriterien „Berufsreifeprüfung“ und „Geschlechterverteilung“ analysiert 1) :<br />
Die Fachhochschule Kufstein, das Institut für Sozialpädagogik in Stams, das<br />
Ausbildungszentrum West in Innsbruck und die Universität Innsbruck.<br />
In der Fachhochschule Kufstein haben sich vom November 2000 bis April<br />
2005 sechsundzwanzig Personen mit Berufsreifeprüfung in Ausbildung<br />
<strong>Tirol</strong>er Bildungs- Jahr Personen mit Personen mit Personen mit<br />
einrichtungen Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung,<br />
Gesamt Frauen (Prozent) Männer (Prozent)<br />
Fach- von<br />
hochschule November 2000 26 9 (35) 17 (65)<br />
Kufstein bis April 2005<br />
1) Eine idente Angabe der Jahre<br />
(2000-2005) bei den jeweiligen<br />
Bildungseinrichtungen ist<br />
nicht möglich, da die einzelnen<br />
Bildungseinrichtungen<br />
unterschiedliche Zeitdokumentationen<br />
aufweisen.<br />
99
100<br />
1) z.B.: Gymnasium für Berufstätige,<br />
ausländisches Reifeprüfungszeugnis;<br />
befunden. Mit einem Frauenanteil von 35 Prozent liegen die Frauen unter der<br />
Prozentzahl der Männer.<br />
Betrachtet man die jährlichen Neuanmeldungen des Institutes für Sozialpädagogik<br />
in Stams und des Ausbildungszentrums West in Innsbruck, so<br />
zeigt sich, dass bei den Neuanmeldungen der Absolventen mit Berufsreifeprüfung<br />
die Frauen überwiegen.<br />
Interessant sind die Ergebnisse der Universität Innsbruck. In den Jahren<br />
2002 bis 2004 ist ein Zuwachs an Studierenden, die die Berufsreifeprüfung<br />
vorweisen konnten, zu verzeichnen.<br />
<strong>Tirol</strong>er Bildungs- Jahr Personen mit Personen mit Personen mit<br />
einrichtungen Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung,<br />
Gesamt Frauen (Prozent) Männer (Prozent)<br />
Universität WS 2002 168 82 (49) 86 (51)<br />
Innsbruck WS 2003 228 103 (45) 125 (55)<br />
WS 2004 247 116 (47) 131 (53)<br />
Im Wintersemester 2004 waren es 247 Personen mit Berufsreifeprüfung, die<br />
sich in einem Studium befanden. Der Frauenanteil lag dabei bei 47 Prozent.<br />
Betrachtet man im Wintersemester 2004 die anderen Bildungsabschlüsse<br />
von Frauen und Männern, die an der Universität Innsbruck studieren, so lässt<br />
sich erkennen, welchen Bildungsabschluss vor allem die Studentinnen<br />
haben. Es zeigt sich dabei, dass der Frauenanteil bei den Bildungswegen<br />
„Oberstufenrealgymnasium“ und „Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche<br />
Berufe“ signifikant hoch ist. Eine Matura eines naturwissenschaftlichen<br />
Gymnasiums oder einer höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt<br />
weisen mehrheitlich die männlichen Studenten vor. Zudem zeigt sich, dass<br />
die 247 Studierenden mit Berufsreifeprüfung zirka 1,3 Prozent von der<br />
Gesamtzahl der Studierenden an der Universität in Innsbruck ausmachen.<br />
WS 2004 /Zahl der Studierenden unter dem Gesichtspunkt<br />
der vorhergehenden Bildungswege<br />
Bildungswege Gesamt Männer Frauen<br />
Gymnasium 2.445 1.090 1.355<br />
Realgymnasium 2.158 1.254 904<br />
Oberstufenrealgymnasium 2.415 914 1.501<br />
Wirtschaftskundliches Realgymnasium 438 49 389<br />
Naturwissenschaftliches Realgymnasium 212 115 97<br />
Mathematisches Realgymnasium 20 16 4<br />
Höhere technische und gewerbliche Lehranstalt 1.681 1.307 374<br />
Handelsakademie 1.937 943 994<br />
Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe 836 36 800<br />
Berufsreifeprüfung 247 131 116<br />
Studienberechtigungsprüfung 560 266 294<br />
Sonstige Bildungswege 1) 6.675 - -<br />
Gesamt 19.624 9.473 10.151<br />
Informationen zur Berufsreifeprüfung<br />
Nähere Informationen zur Berufsreifeprüfung gibt es in der Bildungspolitischen<br />
Abteilung der Arbeiterkammer <strong>Tirol</strong>, Maximilianstraße 7, Innsbruck,<br />
Tel. 0 800 / 22 55 22-1515 oder auf der Homepage des Bundesministeriums<br />
für Bildung, Wissenschaft und Kultur (http://www.bmbwk.gv.at/schulen/<br />
recht/gvo/Bundesgesetz_ueber_die_B6431.xml)
<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />
101
102<br />
<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />
Zunächst ergeben sich diese Unterschiede bereits aus der Doppelbelastung<br />
Haushalt und Beruf und der schlechteren Einkommenssituation der Frauen.<br />
Betrachtet man einzelne Bereiche z.B. Versicherungen, so ist festzuhalten,<br />
dass es auch im Detail geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Bei KFZ-<br />
Versicherungen können sich zwar Frauen potenziell billiger versichern, gleiches<br />
gilt bei Risikolebensversicherungen, diese sind für Männer in der Regel<br />
teurer. Dagegen sind aber private Altersvorsorgeprodukte und Krankenversicherungen<br />
für Frauen üblicherweise teurer. Bislang mussten Frauen auch<br />
das „Geburtsrisiko“ alleine tragen. Erst eine EU-Richtlinie verbietet ausdrücklich,<br />
dass Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft<br />
auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen von<br />
Versicherungen führen dürfen. Diese EU-Richtlinie wird erst jetzt in Österreich<br />
umgesetzt. Eine generelle Gleichstellung im Zusammenhang mit dem<br />
Abschluss von Versicherungsverträgen ist noch immer nicht vorgesehen,<br />
obwohl dies die Richtlinie für Verträge, die nach dem 21. Dezember 2007<br />
neu abgeschlossen werden, grundsätzlich verlangt. Die Mitgliedstaaten<br />
müssen, wenn Ungleichbehandlungen auch weiterhin möglich sein sollten,<br />
regeln, dass proportionale Unterschiede bei den Prämien und Leistungen<br />
dann möglich sind, wenn sie auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen<br />
und statistischen Daten beruhen. Genau diese Möglichkeit zur<br />
Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Versicherungsbereich wird<br />
derzeit vom österreichischen Gesetzgeber wahrgenommen. So werden<br />
Frauen auch im Bereich der privaten Altersvorsorge weiterhin benachteiligt<br />
werden, dadurch, dass ihre höhere Lebenserwartung sich in den höheren<br />
Kosten niederschlagen wird. Frau sein kann also durchaus als teurer<br />
bezeichnet werden, denn gerade bei den kostspieligen Versicherungsprodukten<br />
werden Frauen zusätzlich zur Kasse gebeten.<br />
Vorurteile nicht schüren<br />
Wie bereits ausgeführt, muss man jedoch beim Umgang mit dem Thema<br />
frauenspezifischer Konsumentenschutz beachten, dass man nicht Vorurteile
dahingehend pflegt, dass das Bild vom manipulierbaren Massenpublikum<br />
mehr für Frauen gilt als für Männer. Das Bild der durch Frauenzeitschriften<br />
manipulierten Konsumentin darf durch eine frauenspezifische Behandlung<br />
des Themas Konsumentenschutz in keinem Fall gefördert werden. Ein solcher<br />
Umgang mit dem Thema würde dem Selbstbild der Frauen auch nicht<br />
gerecht, wie die IMAD-Umfrage im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> von November 2005<br />
zur Situation der Frauen in <strong>Tirol</strong> bestätigt. Dieser Studie zu Folge sind Frauen<br />
beispielsweise im gleichen Ausmaß im Grundbuch für das gemeinsame<br />
Heim eingetragen wie Männer. Auch beim Abschluss von Hauptmietverträgen<br />
hält sich das Verhältnis Mann-Frau die Waage. Urlaubskosten werden<br />
von 48 Prozent der Befragten zu gleichen Teilen getragen. Das BTV-Finanzbarometer<br />
vom Mai 2005 bestätigt diese Zahlen: Danach befassen sich<br />
immer mehr Frauen auch mit wirtschaftlichen Themen und stehen insoweit<br />
den Männern kaum nach. Gleiches gilt bei der Beschäftigung mit Geld und<br />
Finanzen und der Zuständigkeit für finanzielle Angelegenheiten in der Familie.<br />
Dennoch sind die vorhandenen Geschlechterunterschiede eine Tatsache<br />
und dürfen im Zusammenhang mit Konsumentenpolitik nicht unberücksichtigt<br />
bleiben. Diese Überlegungen zielen auf die Möglichkeiten der Konsumentenpolitik<br />
vor dem Hintergrund soziologischer Aspekte ab.<br />
Die Beratungspraxis der Rechts- und Konsumentenpoltischen Abteilung der<br />
<strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> belegt ebenfalls eine geschlechtsspezifische Verteilung von Problembereichen,<br />
dort wo sich Konsumentenschutz mit den juristischen<br />
Belangen der Konsumenten befasst. Auf diese Themen wird im Folgenden<br />
näher eingegangen. Gründe für eine Unterscheidung sind wohl in der<br />
Beschäftigungssituation, den damit verbundenen finanziellen Möglichkeiten<br />
und der Aufteilung familiärer Pflichten zu finden. Daraus ergibt sich im Rahmen<br />
der folgenden Erörterung das Eingehen auf geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede.<br />
Ethischer Konsum als Frauenthema<br />
In der überwiegenden Anzahl der Familien ist noch immer die Frau für den<br />
täglichen Einkauf hauptsächlich zuständig. Fragen ethischen Konsums lassen<br />
sich daher durchaus über Frauenkonsum transportieren. Beobachtet<br />
man beispielsweise spezielle Verkaufsaktionen von 3. Welt Läden, wird man<br />
feststellen, dass sich überwiegend Frauen von derartigen Aktionen angesprochen<br />
fühlen. Frauen werden massiv mit den Auswirkungen der Globalisierung<br />
im Zusammenhang mit ihrem Konsumverhalten konfrontiert. Dies gilt<br />
nicht nur beim Einkauf von Lebensmitteln, bei dem sie die Wahl zwischen<br />
neuseeländischen Birnen im Winter oder heimischen Äpfeln bzw. ägyptischen<br />
Frühkartoffeln oder heimischen Winterkartoffeln im Februar haben.<br />
Auch im Bereich des Textilienkaufes, der derzeit so günstig wie nie ist, ist<br />
Frau in vielen Fällen gefordert. Es ist davon auszugehen ist, dass jedenfalls<br />
der eigene Textilkonsum und jener der Kinder eher im Bereich der weiblichen<br />
Verantwortung liegen. Hier ist die Frage aufzuwerfen, um welchen „Preis“<br />
Textilien so günstig wie nie erworben werden. In China werden die Textilien<br />
unter Bedingungen hergestellt, die nur mit moderner Sklaverei bezeichnet<br />
werden können, zumeist von Frauen mit einem Monatslohn von unter 30<br />
Frauen sind hauptsächlich<br />
für den täglichen<br />
Einkauf zuständig<br />
103
104<br />
Mehr Transparenz und<br />
bessere Kennzeichnung<br />
bei Lebensmitteln<br />
Euro. Diese Frauen bekommen also für ihre Arbeit nicht einmal einen Euro<br />
pro Tag und dennoch werden derartige Sklavenhalterstaaten noch mit<br />
Zuschüssen von der Weltbank belohnt und von hochrangigen, meist männlichen<br />
Politikern und Wirtschaftskapitänen umgarnt. In diesem Zusammenhang<br />
hätten Konsumentinnen die Möglichkeit, ihre Marktmacht zu nutzen.<br />
Gerade Frauen müssten sich die Frage stellen, ob sie sich diesen Fakten<br />
wirklich verschließen wollen, aus Bequemlichkeit oder falsch verstandener<br />
Sparsamkeit. Dieses Konsumverhalten geht nämlich zu Lasten der eigenen<br />
wirtschaftlichen Sicherheit, Arbeitsplätze im europäischen Raum werden<br />
durch diese Art von Konsum vernichtet.<br />
Lebensmittel – Ernährung – Nachhaltigkeit<br />
Wenn es um bewusstes Konsumverhalten oder eine nachhaltige Ernährung<br />
geht, weitet sich die Haus- und Versorgungsarbeit durch den Anspruch an<br />
eine nachhaltige Alltagsökologie, immer weiter aus. Noch immer sind das<br />
Aufgaben, die vor allem durch bestehende Rollenklischees im Verantwortungsbereich<br />
der Frauen liegen.<br />
Dabei wird erwartet, dass eine permanente Fortbildung in Sachen Lebensmittel,<br />
Produktqualität oder der aktuellsten Lebensmittelkennzeichnung<br />
erfolgt. Der Alltag ist für viele Verbraucher, insbesondere für Frauen zwischen<br />
Beruf und Familie, durch die markt- und verbraucherpolitischen Strategien,<br />
die auf eine Verhaltensänderung der Konsumenten oder „der Haushalte“<br />
abzielen, noch komplizierter geworden.<br />
Nur wenn es mehr Transparenz und eine bessere Kennzeichnung bei<br />
Lebensmitteln gibt, kann ein Verbraucher entscheiden, ob er für hohe<br />
Lebensmittelqualität oder nachhaltig erzeugte Produkte ganz bewusst ein<br />
wenig mehr zu bezahlen bereit ist.<br />
Für einen wirksamen Konsumentenschutz ist es aus der Sicht der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
erforderlich, dass es transparente Märkte gibt. Die Informationsdefizite (z.B.<br />
Produktionsmethoden von Lebensmitteln, Herkunft der Rohstoffe) sollten<br />
neben besserer Kennzeichnung auch dadurch verbessert werden, dass<br />
mehr Marktbeobachtung insbesondere durch die Errichtung einer zentralen<br />
Beobachtungsstelle, die die Preisauszeichnung, Warenkennzeichnung und<br />
insbesondere die Einhaltung aller lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zu<br />
überprüfen hätte.<br />
Darüber hinaus ist es in Zukunft notwendig, eine verbraucherspezifische Bildung<br />
in Schulen einzuführen (z.B. verpflichtender Unterrichtsgegenstand,<br />
Verbraucherbildung in Schulen).<br />
Patientenrechte<br />
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Gesundheitswesen ist<br />
zumindest im verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot festgelegt und soll<br />
den gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Dennoch<br />
gibt es diskriminierende Faktoren im Gesundheitsbereich. Ein Beispiel<br />
für Defizite des Gesundheitssystems, die im erheblichen Maße Frauen<br />
betreffen, ist die mangelhafte Versorgung von Frauen bezüglich Herz-Kreis-
lauf-Erkrankungen. Die Symptome für einen Herzinfarkt sind bei Frauen subtiler<br />
als bei Männern und werden deswegen häufig nicht ernst genommen<br />
und/oder werden falsch diagnostiziert.<br />
Bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wegen eines Behandlungsfehlers<br />
sind sowohl Frauen als auch Männer mit zahlreichen Problemen<br />
konfrontiert. Bei einem Konflikt mit einem Arzt oder Krankenhaus sind Verbraucher<br />
grundsätzlich auf Anwälte oder dafür vorgesehene Einrichtungen<br />
(z. B. Patientenvertretung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> oder Patientenanwaltschaft) angewiesen,<br />
um zu ihrem Recht zu kommen.<br />
Einerseits geht es um eine Stärkung der Patientenrechte bei ärztlichen<br />
Behandlungsfehlern und andererseits um die Erleichterung der Durchsetzung<br />
der Ansprüche.<br />
Ein zentrales Problem ist noch immer die Frage, wer bei einem Behandlungsfehler<br />
den Zusammenhang zwischen einem gesundheitlichen Schaden<br />
und dem Kunstfehler beweisen muss.<br />
In der Regel obliegt dieser Beweis dem geschädigten Patienten, der auch zu<br />
beweisen hat, dass ein Verstoß gegen die ärztliche Kunst vorliegt.<br />
Da aber die Entscheidung über diese Fragen und über die Frage, ob eine<br />
Beweislastumkehr besteht, von der Wertung des Gerichts abhängt, sind<br />
Prozessverlauf und Prozesskostenrisiko vor Beginn eines Gerichtsverfahrens<br />
für die Patienten meist nicht abschätzbar.<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert daher, dass die Rechtsunsicherheit bei Behandlungsfehlern<br />
beseitigt werden muss. Geschädigte Patienten müssen durch eine Neuregelung<br />
der Beweislast besser gestellt werden. Bei einem gutachterlich<br />
festgestellten Behandlungsfehler sollte zukünftig der Arzt (Krankenhaus)<br />
nachweisen, dass dieser Fehler nicht zu den Gesundheitsschäden geführt<br />
hat.<br />
Schiedsstelle auch für niedergelassene Ärzte<br />
Grundsätzlich wird von den meisten geschädigten Patienten eine außergerichtliche<br />
Regelung angestrebt.<br />
In <strong>Tirol</strong> steht hierfür eine Schiedsstelle in Arzthaftpflichtfragen bei der Ärztekammer<br />
für <strong>Tirol</strong> zur Verfügung. Diese ist bei Behandlungsfehlern, die in<br />
Krankenhäusern durch Ärzte verursacht werden, anzurufen. Ein diesbezüglicher<br />
Antrag bei der Schiedsstelle führt auch zu einem entsprechenden<br />
außergerichtlichen Schiedsverfahren. Niedergelassene Ärzte, die einen<br />
Behandlungsfehler verursacht haben, sind jedoch nicht verpflichtet, sich<br />
einem Verfahren vor dieser Schiedsstelle zu unterziehen, es muss vielmehr<br />
eine Zustimmung dieses Arztes für ein außergerichtliches Verfahren erst eingeholt<br />
werden. Im Falle der Ablehnung durch den Verursacher (Arzt), ist der<br />
geschädigte Patient ausschließlich auf den Zivilrechtsweg angewiesen, mit<br />
den oben dargestellten Prozess- und Kostenrisiken sowie den Beweisproblemen.<br />
Es wird daher von der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> gefordert, dass auch niedergelassene Ärzte<br />
verpflichtet werden, sich an einem außergerichtlichen Verfahren zu beteiligen,<br />
falls der Patient eine außergerichtliche Schadensregulierung wünscht.<br />
Rechtsunsicherheit bei<br />
Behandlungsfehlern<br />
105
1<strong>06</strong><br />
Frauen übernehmen<br />
häufiger Bürgschaften –<br />
Mit oftmals fatalen<br />
Folgen<br />
Bürgen soll man würgen<br />
Übernahme von Bürgschaften<br />
Die Übernahme von Bürgschaften stellt nach wie vor ein Problem dar, das<br />
nach der IMAD-Umfrage im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> vom November 2005 zur<br />
Situation der Frauen in bedeutend größerem Ausmaß Frauen betrifft als<br />
Männer. Es stellt sich die Frage wieso Frauen häufiger als Männer bürgen.<br />
Frauen haben vermeintlich schlechtere Bonität<br />
Angehörige als Bürgen stehen in einem Naheverhältnis zum Kreditnehmer.<br />
Ihre freie Entscheidung, sich dem Wunsch nach der Übernahme einer Bürgschaft<br />
zu widersetzen, ist häufig durch das Risiko, die persönlichen Beziehungen<br />
zu belasten, beeinträchtigt. Dazu tritt die Hoffnung, dass das bisher<br />
erwiesene Vertrauen in den Partner auch weiterhin erhalten bleibt.<br />
Eine Erklärung, dass Frauen öfter als Männer für Bürgschaften in Anspruch<br />
genommen werden könnte darin liegen, dass aufgrund ihres häufig geringeren<br />
Einkommens und damit geringerer Bonität eher der Mann als Kreditnehmer<br />
auftritt, während die Frau zur Absicherung der Zahlungsverpflichtungen<br />
des Mannes herangezogen werden soll, was jedoch bei richtiger rechtlicher<br />
Betrachtung der fast immer anzutreffenden Bürgen- und Zahlerhaftung vollkommen<br />
bedeutungslos ist, da die Risiken gleich sind.<br />
Entwicklung der Rechtsprechung<br />
Der geringere Anteil an Bürgschaftsübernahmen durch Jüngere, wie sie sich<br />
aus der <strong>AK</strong>-Umfrage ergeben, dürfte nicht zuletzt eine Erklärung in der Entwicklung<br />
der Rechtslage, sowohl was die Gesetze, aber insbesondere was<br />
die Rechtsprechung in den vergangenen zehn Jahren anbelangt, finden.<br />
Diese dürfte zu größerer Vorsicht der Banken und Sparkassen geführt<br />
haben. Das Problembewusstsein für die so genannten Angehörigenbürgschaften<br />
erfuhr eine Steigerung Mitte der neunziger Jahre, als der deutsche<br />
Bundesgerichtshof infolge einer Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichteshofes<br />
die Bürgschaftsübernahme eines finanzschwachen<br />
Angehörigen für sittenwidrig erklärte. Auch der OGH hat sich den Argumenten<br />
der deutschen Rechtsprechung nicht verschlossen und in einer Leitentscheidung<br />
1995 eine Reihe von Kriterien festgelegt, die es zulassen, trotz<br />
des Bestehens der Vertragsfreiheit in der österreichischen Rechtsordnung,<br />
derartige vertragliche Vereinbarungen als sittenwidrig und nichtig zu beurteilen.<br />
Kriterien sind in diesem Zusammenhang die inhaltliche Missbilligung der<br />
Bürgschaftsvereinbarung und der Umstände des Zustandekommens wegen<br />
so genannter verdünnter Entscheidungsfreiheit, der fehlende Eigennutz des<br />
Bürgen, seine wirtschaftliche Unerfahrenheit, die Sinnlosigkeit der Haftung<br />
eines Vermögenslosen für die Schuld des Dritten, die Erkennbarkeit, dass<br />
der eigentliche Schuldner seiner Verpflichtung nicht wird nachkommen können<br />
oder ein grobes Missverhältnis zwischen dem Leistungsvermögen und<br />
der übernommenen Verpflichtung.<br />
Gesetzgeberische Maßnahmen<br />
Fast parallel zu dieser Entwicklung fanden sich auch Versuche des Gesetzgebers,<br />
das Problem Bürgschaft durch die Ausdehnung der bereits beste-
henden Regeln der § 98 Ehe-Gesetz (EheG) bzw. § 31 a Konsumentenschutz-Gesetz<br />
(KSchG) in den Griff zu bekommen. § 98 EheG hält fest, dass<br />
dann, wenn entweder im Zuge der Scheidung durch das Gericht oder durch<br />
vertragliche Vereinbarung der Ehegatten bestimmt wurde, wer im Innenverhältnis<br />
für gemeinsam aufgenommene Schulden haftet, das Gericht auf<br />
Antrag und mit Bindungswirkung für den Gläubiger festzustellen hat, dass<br />
derjenige, der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, als Hauptschuldner,<br />
der andere hingegen „nur“ als Ausfallsbürge haftet. Letzterer<br />
kann, vereinfacht gesagt, erst in Anspruch genommen werden, wenn der<br />
begehrte Betrag trotz Zwangsvollstreckungsversuchen gegen den Hauptgläubiger<br />
nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann. Eine<br />
weitere Informationspflicht legt der ehemalige § 31 KSchG, nunmehr § 25 a<br />
KSchG, den Unternehmern auf, die Kredite an Ehegatten, die Verbraucher<br />
sind, gewähren: Sie haben mittels Übergabe einer Urkunde zu belehren,<br />
dass dann, wenn die Ehegatten solidarisch haften, jeder Schuldner in beliebiger<br />
Reihenfolge in Anspruch genommen werden kann, dass die Haftung<br />
bei Scheidung aufrecht bleibt und dass nur das Gericht die Haftung eines<br />
der Partner auf eine Ausfallsbürgschaft einschränken kann.<br />
Für vertragliche Vereinbarungen nach dem 31. Dezember 1996 wurde die<br />
Informationspflicht für Unternehmen, deren Unternehmensgegenstand die<br />
Gewährung oder Vermittlung von Kreditverträgen ist, unter anderem so erweitert,<br />
dass der Unternehmer auf die wirtschaftliche <strong>Lage</strong> des Schuldners hinzuweisen<br />
hat, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine<br />
Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird.<br />
Unterlässt der Unternehmer dies, muss der Bürge nur zahlen, wenn er auch<br />
bei Kenntnis der genannten Umstände die Bürgschaft übernommen hätte.<br />
Richterliches Mäßigungsrecht<br />
Nach § 25 d KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit des Bürgen auch<br />
mäßigen oder erlassen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände es zu<br />
einem unbilligen Missverhältnis zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit<br />
des Bürgen und dessen Verbindlichkeit kommt. Dies allerdings nur dann,<br />
wenn die Umstände für das Missverhältnis bei der Begründung der Verbindlichkeit<br />
für den Gläubiger erkennbar waren. Außerdem ist das Interesse des<br />
Gläubigers an der Begründung der Haftung des Bürgen, das Verschulden<br />
des Bürgen am Eintreten jener Umstände, die das Missverhältnis begründet<br />
haben, der Nutzen des Bürgen und die – verkürzt – Abhängigkeit des Bürgen<br />
vom Schuldner zu berücksichtigen. Leider wird von dieser Möglichkeit in<br />
der Praxis selten Gebrauch gemacht.<br />
Es sind die Lebensumstände, die Bürgschaften für Frauen besonders risikoreich<br />
machen. Wenn Bürgschaften schlagend werden, entsteht ein Problem,<br />
das für Frauen viel schwerer zu bewältigen ist als für Männer. Es sind<br />
durch die nach wie vor herrschenden Strukturen bei der Aufteilung familiärer<br />
Pflichten gerade Frauen diejenigen, die sich in überwiegendem Maße der<br />
Kindererziehung widmen. Die Notwendigkeit der Versorgung des Kleinkindes<br />
durch die Mutter in den ersten Lebensmonaten nimmt die Entscheidung,<br />
wer Karenzurlaub in Anspruch nimmt und wer zugunsten der Kindererziehung<br />
seine berufliche Tätigkeit aufgibt, häufig vorweg. Dazu kommt, dass im<br />
Regelfall auch der Mann mehr verdient als die in gleicher Tätigkeit beschäf-<br />
Bei Trennung und<br />
Scheidung kommen<br />
die Probleme<br />
107
108<br />
Private Pensionsvorsorge<br />
wegen niedriger<br />
Einkommen für die<br />
meisten Frauen<br />
unerschwinglich<br />
tigte Frau verdienen würde, wodurch der wirtschaftliche Aspekt auf die<br />
Frage der Kinderbetreuung durchschlägt. Der in der Folge auftretende Mangel<br />
an beruflicher Weiterbildung und Erfahrung führt dazu, dass Frauen mit<br />
Kindern in das Berufsleben schwerer eingegliedert werden können als Männer<br />
und der Kinder wegen oft über Jahre örtlich und zeitlich unflexibel sind.<br />
Tritt nun zu dieser Situation die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft<br />
hinzu, ist schon bei kleineren Kreditbeträgen schnell die Grenze der Leistungsfähigkeit<br />
überschritten. Dies umso mehr, wenn partnerschaftliche Differenzen,<br />
Krankheit oder sonst nicht vorhersehbare oder nicht vorhergesehene<br />
Umstände das Geschehen beeinflussen.<br />
Altersvorsorge<br />
Die Sicherung des Lebensstandards im Alter beruht in Österreich auf den<br />
drei Säulen staatliche, betriebliche und private Vorsorge.<br />
Unabhängig davon, wie im Einzelnen Vorsorge betrieben wird, ist die Qualität<br />
der Altersvorsorge in erster Linie vom zur Verfügung stehenden Einkommen<br />
während des Erwerbslebens abhängig. Als unstrittig darf die Tatsache angesehen<br />
werden, dass es immer noch zum Teil eklatante Einkommensunterschiede<br />
zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bei gleicher Tätigkeit<br />
gibt. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass ceteris paribus<br />
Arbeitnehmerinnen für eine vergleichbare private Pensionsvorsorge einen<br />
relativ höheren Teil des Arbeitseinkommens aufwenden müssen.<br />
Gerade Frauen der unteren Einkommensschichten stoßen dabei sehr bald<br />
an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten und müssen bereits während<br />
ihres Berufslebens erhebliche finanzielle Abstriche zu Gunsten einer Zusatzpension<br />
in Kauf nehmen.<br />
Die IMAD-Umfrage der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat ergeben, dass Frauen häufiger der<br />
Ansicht sind, abgesehen von der Pension des Partners und der privaten Vorsorge,<br />
zukünftig keinen eigenen (staatlichen) Pensionsanspruch zu haben.<br />
Beinahe jede fünfte befragte Frau geht sogar davon aus, sicher keinen derartigen<br />
Anspruch zu haben bzw. in Zukunft zu erwerben.<br />
Dennoch antworteten auf die Frage „Sind Sie der Ansicht, dass Sie für die<br />
Pension bzw. fürs Alter ausreichend abgesichert sind“ Frauen in etwa gleich<br />
häufig mit „Ja“ wie Männer. Dies legt die Vermutung nahe, dass Frauen in<br />
stärkerem Ausmaß auf die Pension des Partners bzw. auf die eigene private<br />
Altersvorsorge angewiesen sind.<br />
Vor allem junge Arbeitnehmer unter 25 Jahre oder über 60jährige, Hausfrauen<br />
sowie in Ausbildung befindliche und Personen mit einem Haushaltseinkommen<br />
bis 1.500 Euro haben bislang noch nicht in eine eigene private<br />
Altersvorsorge investiert (Quelle: BTV-Finanzbarometer).<br />
Insgesamt sind lediglich knapp mehr als die Hälfte der befragten Männer<br />
und Frauen der Ansicht, dass sie für die Pension bzw. das Alter ausreichend<br />
abgesichert sind und ihnen genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen<br />
werden. Fast jeder dritte Befragte ist der Meinung, über keine ausreichende<br />
Vorsorge zu verfügen.
Ausreichend abgesichert fühlen sich vor allem über 60jährige, Pensionisten,<br />
Selbstständige und Beamten, Personen, die allein ohne Kind oder in Ehe /<br />
Lebensgemeinschaft ohne Kind wohnen und Befragte mit einem monatlichen<br />
Netto-Haushalts-Einkommen von mehr als 2.200 Euro.<br />
Nicht ausreichend abgesichert fühlen sich bis 40jährige, Arbeitsuchende,<br />
Befragte, die alleine mit Kind wohnen und Befragte in Wohngemeinschaften<br />
sowie Personen mit einem monatlichen Netto-Haushalts-Einkommen bis<br />
1.100 Euro.<br />
Insgesamt lässt die Umfrage den Schluss zu, dass sich Frauen insgesamt<br />
mehr um die Zukunft der sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit<br />
und Pension sorgen als Männer. Dieser Umstand dürfte mit der derzeit<br />
immer noch in den meisten Berufsbranchen bestehenden Einkommenskluft<br />
zwischen Frauen und Männern und der damit einhergehenden geringeren<br />
finanziellen Beitragsleistung der Frauen zu privater Vorsorge begründet<br />
sein.<br />
Schuldenfalle Fernabsatz<br />
Fernabsatz ist ein Marktsegment, das immer mehr Bedeutung gewinnt. Es<br />
ist evident, dass gerade Frauen beim Fernabsatz eine sehr stark umworbene<br />
Zielgruppe darstellen, was dazu führt, dass Frauen eher mit konsumentenrechtlichen<br />
Problemen, die sich aus diesem Segment ergeben, konfrontiert<br />
sind als Männer.<br />
Als eine gerade für Frauen typische Verschuldensfalle stellen sich dabei die<br />
Kaufangebote der Versandhäuser dar. Diese vermitteln sowohl in Katalogen<br />
als auch im Internet in schillernden Farben oft genug das Motto „heute<br />
bestellen und irgendwann später bezahlen“. Derartige Vertragsabschlüsse<br />
bergen aber die große Gefahr in sich, dass so mancher das Haushaltsbudget<br />
schnell nicht mehr unter Kontrolle hat und Haushaltsschulden stetig<br />
anwachsen. Wird mehr gekauft als das Haushaltsbudget ermöglicht, werden<br />
Schulden aufgebaut, die irgendwann nicht mehr bewältigt werden können.<br />
Verrechnungskonten<br />
Auch für den aufmerksamen Konsumenten kommt es gerade im Versandsektor<br />
immer wieder zu intransparenten Situationen. Eine Gefahr sind Dauerverrechnungskonten,<br />
bei denen Konsumenten von einem bestimmten Einkaufsrahmen<br />
Gebrauch machen können. Dabei werden Bestellungen auf ein<br />
Konto belastet, für das laufend Rückzahlungen zu leisten sind. Allzu oft wird<br />
dann übersehen, dass diese Konten in der Regel relativ schlechte Konditionen<br />
mit hohen Zinsen bieten. Noch dazu ist in vielen Fällen keine jährliche<br />
Verzinsung, sondern für den Konsumenten eine ungünstigere vierteljährliche<br />
oder sogar monatliche Zinsbelastung vorgesehen. Viele Konsumentinnen<br />
verlieren bei solchen Konten sehr schnell den Überblick und häufig kommt<br />
es dann zu Rückzahlungsproblemen.<br />
Ratenzahlung<br />
Es gibt zwar eine Reihe von speziellen Anforderungen an das Abzahlungsgeschäft<br />
wie den Ratenbrief, der im Konsumentenschutzgesetz (KSchG)<br />
Frauen sorgen sich mehr<br />
um eigene soziale<br />
Absicherung bei<br />
Krankheit,<br />
Arbeitslosigkeit und<br />
Pension<br />
Katalogbestellung eine<br />
häufige Schuldenfalle<br />
109
110<br />
Oft hohe Inkassokosten<br />
genau geregelt ist. Es ist aber wichtig festzuhalten, dass die Rechtswirksamkeit<br />
des Abzahlungsgeschäftes leider von der Errichtung des Ratenbriefes<br />
unabhängig ist. Der Ratenbrief erfüllt für die Konsumenten wichtige Informationspflichten<br />
und ist eine schriftliche Dokumentation über den Vertragsinhalt<br />
eines Abzahlungsgeschäftes. Das entspricht auch dem Bedürfnis des<br />
Konsumenten, da gerade durch die Teilzahlungspflicht eine besondere<br />
Schutzbedürftigkeit besteht. Leicht wird übersehen, dass das zu leistende<br />
Gesamtentgelt fast immer sehr deutlich über dem Barzahlungspreis liegt.<br />
Eine Schutzmaßnahme stellt die Pflicht zur Leistung einer Anzahlung spätestens<br />
bei der Übergabe der Sache dar, die bei einem Barzahlungspreis von<br />
220 Euro oder darunter zumindest 10 Prozent und darüber 20 Prozent des<br />
Barzahlungspreises betragen muss. Dennoch bieten diese Bestimmungen<br />
des KSchG keinen abschließenden Schutz vor übereilten Vertragsabschlüssen<br />
und vor unüberlegten Belastungen des Einkommens. Das wird besonders<br />
schlagend, wenn mehrere derartige Verbindlichkeiten mit Versandhäusern<br />
eingegangen werden und gleichzeitig mangels sorgfältiger Erstellung<br />
eines Haushaltsplanes die Einnahmen- und Ausgabensituation langfristig<br />
verkannt wird.<br />
Zahlungsschwierigkeiten<br />
Kann eine Forderung nicht mehr gezahlt werden, sollte möglichst rasch versucht<br />
werden, mit dem Versandhaus eine Vereinbarung hinsichtlich Ratenzahlung<br />
oder Stundung zu treffen. Derartige Forderungen werden sonst relativ<br />
rasch an Inkassobüros weitergeleitet. Es ist ein weit verbreiteter Glaube,<br />
dass ein Unternehmen mehrmals mahnen müsste, bevor es sich eines<br />
Inkassobüros bedienen kann oder eine Klage einreicht. Das Problem dabei<br />
ist, dass der Schuldner zusätzlich zu den Forderungsbeträgen aus Rechnungen<br />
und Mahnungen mit oft sehr hohen Inkassokosten belastet wird. Seit<br />
1. August 2002 gibt es eine gesetzliche Regelung, die unter anderem auch<br />
bezweckt, die Unsicherheit darüber zu beseitigen, in welcher Höhe Inkassokosten<br />
vom Konsumenten zu bezahlen sind. Voraussetzung dafür ist natürlich<br />
immer, dass die geltend gemachte Forderung überhaupt besteht und<br />
sich der Schuldner im Zahlungsverzug befindet, dass er also trotz Fälligkeit<br />
nicht rechtzeitig gezahlt hat. Zu ersetzen sind nur solche Kosten, die für notwendige<br />
und zweckmäßige Betreibungsmaßnahmen entstanden sind und<br />
die in einem angemessenen Verhältnis zur geltend gemachten Hauptforderung<br />
stehen. Oft machen Mitarbeiter von Inkassobüros sogar persönliche<br />
Hausbesuche, allerdings ist man nicht verpflichtet, diese Personen in die<br />
Wohnung zu lassen.<br />
In der Beratung der Rechts- und Konsumentenpolitischen Abteilung ist aufgefallen,<br />
dass Konsumentinnen immer wieder eingeschüchtert werden.<br />
Gerade vor diesem Hintergrund soll man auf keinen Fall etwas unterschreiben<br />
über dessen Inhalt man sich nicht vollständig im Klaren ist. So wird<br />
regelmäßig die Vereinbarung einer Ratenzahlung von der Unterfertigung<br />
eines Anerkenntnisses über die Hauptforderung und über die Inkassokosten<br />
abhängig gemacht. Das erscheint unter dem großen finanziellen Druck, der<br />
auf dem Schuldner lastet, sehr bedenklich, da die Inkassokosten oft überhöht<br />
sind.
Modellagenturen<br />
Aus der Einkommenssituation der Bevölkerung resultierend sind nicht<br />
wenige Frauen auf der Suche nach einem Nebeneinkommen, um das<br />
Gesamthaushaltseinkommen aufzubessern. Dabei mussten die Konsumentenschützer<br />
in ihrer täglichen Beratung feststellen, dass es immer mehr Firmen<br />
gibt, die Nebenerwerbstätigkeiten oder deren Vermittlung nur zum eigenen<br />
finanziellen Vorteil betreiben. Den Interessenten werden vielfach ohnedies<br />
knappe Mittel aus der Tasche gezogen. Zum Teil wird mit den Wünschen<br />
und Träumen von Frauen und Mädchen, aber auch zunehmend<br />
Männern, gespielt, indem ihnen eine Modellkarriere schmackhaft gemacht<br />
wird. Dies erfolgt meist mittels Anzeigen auch in Jugendzeitschriften. Es wird<br />
nach „interessanten und ausdrucksstarken“ sowie „hübschen und markanten“<br />
Gesichtern für Prospekt- und Katalogfotos, Filmproduktionen und Werbeaufnahmen<br />
gesucht. Wer sich auf ein derartiges Inserat hin meldet, wird<br />
zu einem Castingtermin gelockt, bei dem allenfalls einige Fotos gemacht<br />
werden. Wenig später erhält man eine Verständigung, dass man als Werbemodell<br />
sehr gut geeignet sei. Dann muss man jedoch für die Erstellung eines<br />
Registrierungsformulars, einer Setcard oder einer Internetpräsentation 280<br />
bis 510 Euro als Vorauszahlung leisten, wovon in den Inseraten in aller Regel<br />
keine Rede ist. In den meisten Fällen werden so Hoffnungen auf eine Modellkarriere<br />
geweckt und die Betroffenen lassen sich in Erwartung eines Nebenverdienstes<br />
auf derartige Verträge ein. Die vielen Beschwerden im Zusammenhang<br />
mit Firmen, die diese Praxis anwenden, zeigen allerdings, dass die<br />
meisten potenziellen Modells nie wieder von den Geschäftspartnern hören<br />
und auch der gewünschte Nebenverdienst ausbleibt. Aus rechtlicher Sicht<br />
handelt es sich bei den entsprechenden Verträgen meist um raffinierte juristische<br />
Vertragskonstrukte, aus denen die Firmen keine Vermittlungstätigkeit<br />
schulden, sondern nur eine Internetpräsentation oder die Erstellung einer<br />
einfachen Fotokarte, der so genannten Setcard. Eben nur diese Leistungen<br />
werden üblicherweise auch erbracht.<br />
Professionelle Models geben an, keine Vorkasse leisten zu müssen. Vielmehr<br />
werden allfällige Anfangskosten, Vermittlungskosten und Spesen von den<br />
laufenden Gagen in Abzug gebracht.<br />
Telefonkosten als Schuldenfalle<br />
Immer wieder stellen sich Telefonrechnungen als Schuldenfalle heraus.<br />
Dabei handelt es sich jedoch weniger um ein geschlechtsspezifisches Problem.<br />
Eher geht es dabei um ein altersspezifisches Problem, wie sich in der<br />
Beratung zeigt. Besonders junge Menschen geben als Grund für Schulden<br />
Telefon- bzw. Handyrechnungen an. Doch wo genau liegen diese Schuldenfallen?<br />
In der Beratungspraxis haben sich mehrere Ursachen gezeigt:<br />
Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Markt für Telefonie verändert wie<br />
kaum ein anderer, es gibt laufend neue technische Entwicklungen und Produktgestaltungen.<br />
Dies führt dazu, dass Konsumenten schwer aktuelle Entwicklungen<br />
und den Überblick über den Markt behalten können.<br />
Grundgebühr und Mindestvertragsdauer<br />
Mit Ausnahme des Telefonierens mit Wertkarten haben praktisch alle Ver-<br />
Modellagenturen: Frauen<br />
auf der Suche nach<br />
Nebenjobs<br />
Telefonrechnungen als<br />
Schuldenfalle<br />
111
112<br />
Unklare Forderungen<br />
über mehrere 100 Euro<br />
träge eine Mindestdauer. Die Grundgebühr für diese Dauer ist in jedem Fall –<br />
auch bei vorzeitiger Kündigung – zu bezahlen. Gegebenenfalls ist bei vorzeitiger<br />
Kündigung auch noch eine Gebühr für das im Vertrag enthaltene Handy<br />
zu bezahlen. Manchem Konsumenten ist nicht bewusst, dass mit dem<br />
Abschluss eines Mobilfunk-Vertrages eine Verbindlichkeit in der Höhe von<br />
mehreren hundert Euro eingegangen wird. Immer wieder kommt es dazu,<br />
dass neue Verträge abgeschlossen werden ohne dass bestehende alte<br />
beendet wurden. Oder es wird übersehen, dass im Fall der Kündigung<br />
Kosten für das Handy anfallen.<br />
Gesprächsgebühren<br />
Die oft nur nach eingehendem Studium der Tarife schlüssigen Kosten sind<br />
ein weiteres Problem. Vielen Konsumenten wird erst durch eine hohe Rechnung<br />
klar, wie teuer das Telefonieren oder der Datentransfer sind. Bei Mobilfunkverträgen<br />
spielt etwa die Taktung der Vergebührung auf die Monatsrechnung<br />
eine gewichtige und häufig unterschätzte Rolle. Beim Internetzugang<br />
ist entscheidend, welche Downloadrate und Uploadrate vereinbart<br />
wird und wie hoch die Kosten bei Überschreitung dieser Raten sind.<br />
Mehrwertdienste<br />
Im Bereich der Mobiltelefonie gibt es ein nahezu unüberschaubar großes<br />
Angebot an Mehrwertdienstleistungen, das zu einem großen Teil auf ein junges<br />
Publikum zielt. Zusätzlich zu scheinbar allgegenwärtiger Werbung in<br />
diversen Medien wird dieses Angebot auch durch das so genannte „Branding“<br />
von Handys durch die Mobilfunkanbieter präsentiert. Beim Branding<br />
werden unter mehreren Menüpunkten (etwa unter den Klingeltönen, Bildern<br />
oder Spielen) Links zu kostenpflichtigen Mehrwertangeboten im WAP platziert.<br />
Man kann, und das gilt vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene,<br />
diesem Angebot nicht ausweichen.<br />
Viele Konsumenten unterschätzen die (oft schwer in ihrer Gesamtheit zu<br />
erkennenden) Kosten für Download-Zeit und -Volumen, Klingeltöne, Chat-<br />
Foren und Abonnements. Zusätzlich erschwert eine gewisse Anonymisierung<br />
bei der Vertragsgestaltung mit Mehrwertdienstunternehmen, aufgrund<br />
der Verrechnung über die Telefonrechnung des Telekommunikationsbetreibers,<br />
die Transparenz, wer nun eigentlich Vertragspartner der Mehrwertdienstleistung<br />
ist. Diese Problematik wird auch erst mit Zustellung einer<br />
Rechnung sichtbar, oftmals sind Konsumenten plötzlich mit unklaren Forderungen<br />
über mehrere hundert Euro konfrontiert. Ist man der Ansicht, dass<br />
Forderungen zu Unrecht bestehen, kann binnen einer (meist vierwöchigen)<br />
Frist Einspruch erhoben und die Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-<br />
GmbH (RTR) als Schlichtungsstelle für Streitigkeiten eingeschaltet werden.<br />
In der Konsumentenberatung zeigt sich leider, dass seitens der Telekommunikationsbetreiber<br />
bei Rechnungseinsprüchen nicht zivilrechtlich argumentiert<br />
wird. In der Regel wird eine Verbindung nur technisch bestätigt und die<br />
Forderung, meist unter Androhung von Telefonsperre, Einschaltung eines<br />
Inkassobüros oder Klagseinbringung, weiter betrieben. Ein Beweis eines<br />
zivilrechtlich gültigen Vertrages zwischen Kunden und Mehrwertdienstbetrei-
er erfolgt in der Regel nicht, ebenso wenig der Nachweis, dass die einschlägigen<br />
Informationspflichten für die Erbringung von Mehrwertdiensten<br />
eingehalten wurden. Die RTR als Schlichtungsstelle überprüft wiederum nur<br />
die technische Verbindung, nicht jedoch die zivilrechtliche Gültigkeit von<br />
Forderungen. Diese Ausnahme des zivilrechtlichen Bereiches ist nicht einzusehen<br />
und nur mit Interessenpolitik zu erklären. Gerade auf diesem Gebiet<br />
wird unbedingt eine entsprechende Erweiterung des Aufgabenbereiches der<br />
RTR um die Überprüfung der zivilrechtlichen Grundlagen gefordert.<br />
Erfreulich in diesem Zusammenhang ist die Schaffung einer kostenlosen<br />
Serviceeinrichtung zur Unterbindung der Zusendung bestimmter Mehrwert-<br />
SMS auf www.sms-sperre.at. Hier kann man unter Eingabe der eigenen<br />
Nummer und der Nummer eines bestimmten Mehrwertdienstes die ungewollte<br />
Zusendung von Mehrwert-SMS wenigstens für die Zukunft unterbinden.<br />
Reiserecht<br />
Planung: Wer entscheidet über das Urlaubsziel<br />
Die IMAD-Umfrage der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat ergeben, dass in sieben von zehn Ehen<br />
oder Lebensgemeinschaften ohne Kinder beide Partner gemeinsam das<br />
Urlaubsziel entscheiden. In neun Prozent entscheidet der Mann, in 15 Prozent<br />
die Frau über das Urlaubsziel.<br />
In 48,5 Prozent der Ehen und Lebensgemeinschaften mit Kind entscheiden<br />
beide Partner zusammen das Reiseziel und in rund jeder vierten Ehe und<br />
Lebensgemeinschaft entscheidet die ganze Familie gemeinsam.<br />
Wer trägt die Urlaubskosten<br />
In der Umfrage wurde ebenfalls erhoben, dass in rund zwei Drittel der Beziehungen<br />
ohne Kinder die Urlaubskosten von beiden Partnern getragen werden.<br />
In jeder vierten Ehe oder Lebensgemeinschaft trägt hauptsächlich der<br />
Mann die Kosten des gemeinsamen Urlaubs, in rund jeder Zehnten wird der<br />
Urlaub hauptsächlich von der Frau finanziert.<br />
Bei der Hälfte der Ehen und Lebensgemeinschaften mit Kind kommt der<br />
Mann für die Finanzierung des Urlaubs auf, in 45,3 Prozent finanzieren beide<br />
Partner den Urlaub gemeinsam.<br />
Generelle Beschwerdenlage<br />
Im Bereich der reiserechtlichen Beschwerdefälle ist nach wie vor eine<br />
geringe Regulierungsbereitschaft der Reiseunternehmen festzustellen.<br />
Immer wieder zeigt die Praxis, dass bei Reisemängeln trotz klarer Rechtslage<br />
und eindeutiger österreichischer und EuGH-Judikatur Rechtsansprüche<br />
der Reisenden durch die Reiseunternehmen nicht erfüllt werden. Häufig werden<br />
Reisepreisminderungsansprüche entgegen der Rechtslage abgelehnt<br />
oder eine geringe Entschädigung in Form von Gutscheinen angeboten.<br />
Scheinbar wird darauf spekuliert, dass die verärgerten Kunden die gerichtli-<br />
Mehrwert-SMS<br />
unterbinden<br />
Reisekunden scheuen<br />
Risiko eines Prozesses<br />
113
114<br />
che Durchsetzung ihrer Rechte scheuen. Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung<br />
von Ansprüchen gegen Reiseunternehmen können diese immer<br />
noch einen Vergleich anbieten. Viele Reisekunden scheuen auch tatsächlich<br />
das Prozesskostenrisiko. Liegt keine Rechtsschutzdeckung vor, werden oft<br />
zu geringe Ersatzleistungen akzeptiert. Durch mitunter aufwendige außergerichtliche<br />
Interventionen durch die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> konnte häufig ein höherer Ersatz<br />
als der ursprünglich den Reisenden angebotene erlangt werden. Dennoch ist<br />
die Situation in diesem Bereich nicht zufrieden stellend.<br />
Bemerkenswertes zur neuen Fluggastrichtlinie<br />
Seit Februar 2005 ist eine neue europarechtliche Verordnung zum Schutz<br />
von Flugpassagieren in Kraft. Diese regelt den Anspruch auf Betreuungsund<br />
Ersatzleistungen im Fall von Überbuchung, Annullierung und großer<br />
Verspätung von Flügen. Diese Verordnung ersetzt eine ältere Regelung, die<br />
sich nur auf die Überbuchung von Linienflügen bezogen hatte. Nunmehr sind<br />
auch Charterflüge gleichermaßen erfasst. Im Einzelnen bestehen Ansprüche<br />
auf Betreuung während Wartezeiten durch Mahlzeiten und Erfrischungen,<br />
bei notwendigen Übernachtungen auch Hotelaufenthalte, Telefonate oder<br />
weitere Transportleistungen. Im Fall von Überbuchungen besteht Anspruch<br />
auf Geldersatz zwischen 250 bis 600 Euro, abhängig von der Entfernung der<br />
gebuchten Flüge, ebenso im Fall von Annullierungen. Ausgenommen hiervon<br />
sind allerdings unvorhersehbare und unabwendbare Ereignisse.<br />
Ansprüche aufgrund dieser Verordnung sind direkt gegenüber der Fluglinie<br />
geltend zu machen. Ein darüber hinausgehender Anspruch, etwa auf Schadenersatz<br />
gemäß dem Montrealer Übereinkommen oder auf Gewährleistung,<br />
bleibt trotzdem bestehen. Informationen zu den Passagierrechten liegen<br />
an allen europäischen Flughäfen auf.<br />
Die Verordnung gilt nicht für einen Flug in das Hoheitsgebiet der EU für den<br />
Fall, dass dieser Flug von einer Fluglinie mit Sitz außerhalb der EU ausgeführt<br />
wird.<br />
Weiters ist bei genauerer Betrachtung festzuhalten, dass sich die Verordnung<br />
ausdrücklich auf die ausführende Fuglinie bezieht. Viele Beförderungsverträge<br />
sehen nicht vor, dass Flüge unbedingt von einer bestimmten Luftfahrtgesellschaft<br />
durchgeführt werden müssen. Im so genannten Code-Sharing<br />
arbeiten Fluglinien zusammen und teilen Flüge untereinander auf. Diese<br />
Aufteilung wird häufig von Passagieren im Voraus nicht erkannt, was an sich<br />
vertragsrechtlich völlig unproblematisch, weil vereinbart, ist. Jedoch kann<br />
sich dies auf die Anwendbarkeit der Verordnung auf Rundflüge aus dem<br />
Gebiet der EU auswirken: Hat die ausführende Luftfahrtgesellschaft keinen<br />
Firmensitz in der EU, ist die Verordnung, wie dargestellt, nicht auf den Rückflug<br />
in die EU anzuwenden.<br />
Hinsichtlich dieser Fragen ist die Verordnung nachzubessern, was auf<br />
europäischer Ebene erfolgen muss.<br />
Österreich hat bisher das in der Verordnung bestimmte System zur Bestrafung<br />
von Luftfahrtgesellschaften, die Rechte von Passagieren verletzen,<br />
nicht umgesetzt. Die Europäische Kommission führt aus diesem Grund<br />
gegen Österreich neben Belgien, Luxemburg und Schweden ein Vertragsverletzungsverfahren.
Außerdem hat die Praxis gezeigt, dass sich die Fluggesellschaften der Zahlung<br />
der Ausgleichszahlungen, mit dem Argument, es handle sich um ein<br />
unabwendbares Ereignis, zu entziehen versuchen. Insoweit könnte es notwendig<br />
werden, die weitere Entwicklung in der Praxis auch durch Gerichtsverfahren<br />
zu klären.<br />
Wohnungskosten treffen Alleinerzieherinnen<br />
Die Mietkosten sind in den vergangenen Jahren insbesondere für private<br />
Mietwohnungen stark gestiegen. Dementsprechend halten auch acht von<br />
zehn befragten <strong>Tirol</strong>ern die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für nicht<br />
angemessen (IMAD-Umfrage der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>). Neben der OGM-Studie zur<br />
Kaufkraft der Österreicher vom September 2005, der zufolge die <strong>Tirol</strong>er die<br />
niedrigsten Haushaltseinkommen und die höchsten Lebenshaltungskosten<br />
haben, hat die im Jahr 2005 bundesweit durchgeführte Erhebung der Arbeiterkammer<br />
einmal mehr gezeigt, dass die Mieten vor allem im Ballungsgebiet<br />
Innsbruck nahezu unerschwinglich geworden sind.<br />
Junge Arbeitnehmerhaushalte, die 2003 und 2004 eine private Mietwohnung<br />
bezogen haben, zahlen laut dieser Erhebung in städtischen Ballungsgebieten<br />
durchschnittlich bereits 32 Prozent ihres Nettoeinkommens für ihre Wohnung<br />
ohne Heizung. Besonders hoch, nämlich im Schnitt 35 Prozent des<br />
Nettoeinkommens, ist die Belastung bei Mietwohnungen, die in diesem Zeitraum<br />
über einen Makler vermittelt wurden.<br />
Damit sind diese Haushalte nochmals stärker belastet als der Durchschnitt<br />
aller Haushalte, der in <strong>Tirol</strong> ohnehin mit Wohnkosten von 28,8 Prozent des<br />
Haushaltseinkommens zu kämpfen hat. Mit dem Anstieg der Mieten und der<br />
damit verbundenen höheren Belastung steigt die Unsicherheit, ob die Wohnung<br />
auch langfristig leistbar ist. Der gänzliche oder auch teilweise Wegfall<br />
eines Einkommens durch Trennung vom Partner, Arbeitslosigkeit oder auch<br />
Karenz können sich existenzgefährdend auswirken.<br />
Haushalte mit niedrigem Einkommen aber auch mit Kindern sind daher vermehrt<br />
auf geförderte Wohnungen und öffentliche Unterstützungen angewiesen.<br />
Für Alleinerzieherinnen ist die Situation am Wohnungsmarkt besonders<br />
schwierig. Jede zweite Alleinerzieherin in Österreich muss mit einem Einkommen<br />
unter der Armutsgrenze auskommen. Für sie stellen daher die<br />
hohen Preise am privaten Wohnungsmarkt ein besonderes Hindernis dar.<br />
Hinzu kommt, dass Frauen häufiger bei der Wohnungssuche diskriminiert<br />
werden als Männer. Bei der <strong>AK</strong>-Umfrage gaben 12 Prozent der befragten<br />
Frauen an, dass sie bei der Wohnungssuche schon einmal diskriminiert worden<br />
sind. Besonders erschreckend erscheint, dass laut dieser Umfrage in<br />
knapp drei von zehn Fällen der Grund für die Diskriminierung Kinder bzw.<br />
Schwangerschaften waren.<br />
Flächendeckende Mietzinsbeihilfe in allen <strong>Tirol</strong>er Gemeinden<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert zudem seit Jahren die Verankerung eines gesetzlichen<br />
Anspruches auf Mietzinsbeihilfe. Nur so kann eine flächendeckende Mietzinsbeihilfe<br />
in allen <strong>Tirol</strong>er Gemeinden auf Dauer gewährleistet werden. Mittels<br />
einer landesgesetzlichen Regelung müssten auch die Voraussetzungen<br />
für die Gewährung von Mietzinsbeihilfe vereinheitlicht werden. Derzeit müs-<br />
Mieten in Innsbruck<br />
nahezu unerschwinglich<br />
Knapp 30 Prozent des<br />
Haushaltseinkommens<br />
entfallen auf<br />
Wohnungskosten<br />
Hohe Mieten treffen<br />
Alleinerzieherinnen<br />
115
116<br />
Gleichstellung von<br />
Wohn- und Mietzinsbeihilfe<br />
gefordert<br />
sen sich Bezieher von Mietzinsbeihilfe von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich<br />
lange in der jeweiligen Gemeinde aufhalten. Die Wartefrist reicht<br />
von meist einem Jahr bis zu – im Extremfall – fünfzehn Jahren.<br />
Vereinheitlichung von Wohn- und Mietzinsbeihilfe<br />
Darüber hinaus müssten auch die verschiedenen Beihilfen, nämlich Wohnund<br />
Mietzinsbeihilfe, endlich vereinheitlicht werden. Derzeit ist die Wohnbeihilfe,<br />
die für geförderte Miet- und Eigentumswohnungen bezahlt wird, im<br />
Regelfall ungleich höher als die Mietzins- bzw. Annuitätenbeihilfe, was sachlich<br />
nicht zu rechtfertigen ist.<br />
Zumutbarkeitsgrenze<br />
Beziehern von Mietzins- und Annuitätenbeihilfe wird vom Land <strong>Tirol</strong> ein weit<br />
höherer Wohnungsaufwand zugemutet. Die „zumutbare Belastung“, die<br />
unter anderem ausschlaggebend dafür ist, ob und in welcher Höhe eine Beihilfe<br />
gewährt wird, wird auf Grund des Familieneinkommens und der Anzahl<br />
der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen nach einer Zumutbarkeitstabelle<br />
ermittelt. Diese wurde für die Mietzins- und Annuitätenbeihilfe<br />
seit 1998 nicht mehr angepasst. Im Unterschied dazu wurde die Zumutbarkeitsgrenze<br />
bei der Wohnbeihilfe nach dem Wohnbauförderungsgesetz laufend<br />
angepasst, sodass diese wesentlich höher liegt.<br />
Wohnungsaufwand<br />
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Wohn- und Mietzinsbeihilfe<br />
ergibt sich beim anrechenbaren Wohnungsaufwand. Während bei der Wohnbeihilfe<br />
die im ursprünglichen Finanzierungsplan vorgesehenen und von der<br />
Wohnbauförderung anerkannten Rückzahlungen als Aufwand zählen, ist der<br />
anrechenbare Aufwand bei der Mietzinsbeihilfe mit drei Euro pro Quadratmeter<br />
limitiert. Über Ansuchen einzelner Gemeinden beim Land <strong>Tirol</strong> werden<br />
bis zu höchstens vier Euro pro Quadratmeter als anrechenbarer Wohnungsaufwand<br />
berücksichtigt. Zahlt jemand höhere Miete bzw. hat jemand bei der<br />
Annuitätenbeihilfe höhere Rückzahlungen zu leisten, zählen diese nicht zum<br />
anrechenbaren Wohnungsaufwand. Diese Grenzen sind bei der Mietzinsbeihilfe<br />
trotz ständig steigender Wohnungspreise und Inflation seit 1998 nicht<br />
mehr angehoben worden.<br />
Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert daher die Gleichstellung von Wohn- und Mietzinsbeihilfe.<br />
Pro Quadratmeter soll ein bestimmter Wohnungsaufwand anerkannt werden,<br />
die Zumutbarkeit soll einheitlich gestaffelt werden und zwar nach Einkommen<br />
und zu versorgenden Familienangehörigen.<br />
Die Höhe des höchstens anzurechnenden Wohnungsaufwandes ist je nach<br />
budgetären Möglichkeiten festzulegen, etwa entsprechend dem aktuellen<br />
Richtwertmietzins, der zuletzt 5,49 Euro pro Quadratmeter betragen hat. In<br />
diese Berechnung könnten auch bestimmte Betriebskosten eingerechnet<br />
werden, da häufig ein Zusammenhang zwischen günstiger Miete und höheren<br />
Betriebskosten besteht. Immerhin betragen diese laut jüngster Mikrozensus-Erhebung<br />
für <strong>Tirol</strong> 1,60 Euro pro Quadratmeter. Dadurch entfiele<br />
auch die extrem komplizierte und für den Einzelnen undurchschaubare<br />
Berechnungsweise.
Absicherung der Wohnung für Frauen<br />
Viele Frauen, die in einer Partnerschaft leben – sei es nun Ehe oder Lebensgemeinschaft<br />
– leiten ihr Recht an der Wohnung lediglich von ihrem Partner<br />
ab. Dies kann sich im Fall des Todes des Partners, aber auch bei einer Trennung<br />
existenzgefährdend auswirken.<br />
Grundbücherliche Sicherstellung von Eigentum<br />
So ist in vielen Fällen, insbesondere bei Eigentumswohnungen, die vor dem<br />
1. Juli 2002 durch unverheiratete Paare erworben wurden, nur der männliche<br />
Partner ins Grundbuch eingetragen. Es war bis zu diesem Zeitpunkt nur für<br />
Eheleute möglich, gemeinsam Wohnungseigentum zu erwerben.<br />
Mit dem Wohnungseigentumsgesetz 2002 wurde endlich die Möglichkeit<br />
geschaffen, dass auch Paare ohne Trauschein gemeinsam Eigentümer einer<br />
Wohnung werden können. Es ist daher jeder Frau zu empfehlen, sich grundbücherlich<br />
absichern zu lassen. Die Verbücherung des Eigentumsrechts<br />
stellt die beste und wirksamste Form der Sicherstellung dar.<br />
Dennoch sind durch die bis dahin geltende Rechtslage nach wie vor lediglich<br />
bei 27 Prozent der Paare auch die Rechte der Frau an der Eigentumswohnung<br />
oder am Haus grundbücherlich gesichert. (Quelle: <strong>AK</strong>-Umfrage von<br />
IMAD).<br />
Absicherung von Eigentum für den Fall von Tod oder Trennung<br />
Ohne grundbücherliche Absicherung stehen im Fall des Todes des Mannes<br />
der Witwe allenfalls erbrechtliche Ansprüche zu, deren Durchsetzung jedoch<br />
insbesondere bei Vorhandensein mehrerer Erbberechtigter problematisch<br />
sein kann. Noch schwieriger wird die Situation bei einer bloßen Lebensgemeinschaft:<br />
Ohne entsprechende letztwillige Verfügung, hat die Lebensgefährtin<br />
keinerlei Erbanspruch und auch kein Recht, weiterhin in der gemeinsamen<br />
Wohnung zu verbleiben.<br />
Bei einer Ehescheidung gibt es zwar die Möglichkeit, dass der Frau die Wohnung<br />
oder das Haus zugesprochen wird. Allerdings sind die zu leistenden<br />
Abschlagszahlungen vielfach unerschwinglich. Trennen sich Lebensgefährten,<br />
hat die Frau ohne verbücherte Rechte an dem gemeinsam bewohnten<br />
Haus oder der Wohnung keinerlei Recht auf Weiterverbleib.<br />
Absicherung der Mietwohnung<br />
In Ehen oder Lebensgemeinschaften ohne Kind hat nur jede fünfte Frau<br />
gemeinsam mit ihrem Partner den Mietvertrag unterzeichnet und damit auch<br />
eigene Rechte an der Wohnung. Bei Lebensgemeinschaften oder Ehen mit<br />
Kind steigt der Anteil der gemeinsam unterzeichneten Mietverträge immerhin<br />
auf ein Drittel. Positiv zu vermerken ist allerdings die Entwicklung, dass<br />
immer mehr Frauen, nämlich mittlerweile annähernd gleich viele wie Männer,<br />
auch als alleinige Mieterin im Bestandvertrag stehen (Quelle: <strong>AK</strong>-Umfrage<br />
von IMAD).<br />
Oft fehlen Regelungen<br />
bei Trennung oder<br />
Todesfall<br />
117
118<br />
Mietrechtsabtretung und Eintrittsrechte<br />
Im Fall der Trennung der Partner oder wenn der Mann verstirbt, hat die nicht<br />
als Mieterin angeführte Frau nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich die<br />
Rechte an der bis dahin gemeinsamen Wohnung zu sichern.<br />
So ist sie bei einer Mietwohnung beispielsweise im Fall der Auflösung einer<br />
Lebensgemeinschaft nicht nur auf den guten Willen des (bisherigen) Partners,<br />
sondern auch auf die Zustimmung des Vermieters zum Weiterverbleib<br />
in ihrem Zuhause angewiesen. Diese Zustimmung zu erlangen, ist oftmals<br />
wegen der schlechteren Einkommenssituation der Frau problematisch. Ein<br />
gesetzliches Recht auf Verbleib für Lebensgefährten unter Lebenden gibt es<br />
nicht. Die (geschiedene) Ehefrau hat erst nach zwei Jahren des gemeinsamen<br />
Wohnens in der Mietwohnung ein Recht, in den Mietvertrag des weggezogenen<br />
Ehegatten einzutreten. Daneben gibt es noch die Möglichkeit,<br />
durch gerichtliche Entscheidung im Ehescheidungsverfahren die Übertragung<br />
der Rechte an der Wohnung auf die Frau zu erreichen.<br />
Bei Tod des Mannes ist der Eintritt sowohl der Witwe als auch der Lebensgefährtin<br />
in den Mietvertrag zwar grundsätzlich möglich, diese Möglichkeit<br />
gibt es aber bei Mietverträgen über Ein- und Zweifamilienhäuser nicht, hier<br />
fehlt jegliche Absicherung. Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert seit geraumer Zeit, den mit<br />
der Mietrechtsnovelle 2001 beseitigten mietrechtlichen Mindestschutz für<br />
Mieter von Ein- und Zweiobjekthäusern wieder herzustellen.<br />
Frauen sind daher in weit geringerem Ausmaß als Männer in der Befriedigung<br />
ihres Wohnbedürfnisses gesichert. Sie sind vielfach gefährdet, bei Eintritt<br />
unvorhergesehener Ereignisse wie Tod des Partners oder Trennung ihre<br />
Wohnung zu verlieren.
Rolle der Frau<br />
bei Energie und Verkehr<br />
119
120<br />
Rolle der Frau<br />
bei Energie und Verkehr<br />
Rollenverteilung in der Energiepolitik<br />
Ist es purer Zufall oder ist es selbstverständlich, dass das Thema „Frauen<br />
und Energie“ von einem Mann bearbeitet wird? Die Erklärung ist einfach:<br />
„Energie“ wird in einem hohen Ausmaß von Männern bestimmt! Dieses<br />
Manko wird aber in diesem Fall insoweit relativiert, als sich dieser Beitrag<br />
vornehmlich auf von Frauen erstellten Untersuchungen stützt.<br />
Ziel dieses Beitrags soll sein, das Thema bezüglich etwaiger geschlechtsspezifischer<br />
Unterschiede aufzuarbeiten. Im Anschluss geht es um das Aufzeigen<br />
der durch die steigenden Energiepreise ausgelösten zusätzlichen<br />
Arbeitnehmer- und Haushaltsbelastungen, um die Frage welche Handlungsmöglichkeiten<br />
sowohl für den einzelnen Bürger als auch für unser Land <strong>Tirol</strong><br />
zur Verfügung stehen und um eine Auslotung der Energiepolitik in Richtung<br />
sanfte Energie.<br />
Die energetische Rolle der Frau<br />
Energie ist Leben. Energie wird weder erzeugt noch verbraucht sondern nur<br />
umgewandelt. Ohne Energie gibt es kein Leben. Somit sind energetische<br />
Fragen immer eng mit uns selbst verbunden.<br />
Obwohl von einer breiten Bevölkerungsschicht die energetische Diskussion<br />
grundsätzlich als geschlechtsneutral geführt wird, zeigen sich bei näherem<br />
Hinsehen doch gewisse Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem<br />
Verhalten. Unter Letzterem ist insbesondere der Zugang und der<br />
Umgang mit dem Thema zu verstehen. Die Energie (als Begriff) ist eigentlich<br />
feminin, der Energieverbrauch wird der maskulinen Hälfte zugerechnet.<br />
Die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs „Energieverbrauch“ weist<br />
grundsätzlich auf eine Erhöhung der Entropie hin, also zu einer Verschiebung
von Ordnung (höherwertig) zur Unordnung (niederwertig). Eine Umkehrung,<br />
also eine Rückführung, in einen höheren energetischen Zustand (Abnahme<br />
der Entropie) ist unter gewissen Voraussetzungen möglich (etwa die<br />
Umwandlung von CO2 in gebundenen Kohlenstoff in Form der Biomasse),<br />
ist aber für den überwiegenden Teil der Atmosphäre nur theoretischer Natur.<br />
Die Folgen sind allseits bekannt: Treibhauseffekt und Klimaerwärmung.<br />
Die Assoziation daraus ist demgemäß, dass die Energie grundsätzlich mit<br />
dem Leben assoziiert, der Energieverbrauch eigentlich als Abgang, als Verlust<br />
empfunden wird. Dies mag rein zufällig sein, trotzdem gibt es im Energiebereich<br />
kleine geschlechtsspezifische Unterschiede.<br />
Diese sind aber insofern wichtig, als Männer und Frauen durch energiepolitische<br />
Maßnahmen unterschiedlich betroffen sind. Untersuchungen zeigen<br />
etwa, dass Frauen in der Regel bei Entscheidungen über den Wechsel des<br />
Stromversorgers für „Öko-Strom“ plädieren. Lohnunterschiede sorgen<br />
jedoch häufig dafür, dass sie diese Entscheidung nicht leicht treffen können<br />
und die finanziellen Beteiligungen, sowie Investitionen von Frauen im<br />
Bereich der regenerativen Energien niedrig sind. 1)<br />
Kurzer Abriss in die jüngere Geschichte<br />
Obwohl viele Frauen nach Ende des 2. Weltkrieges die Rolle von Männern<br />
übernehmen mussten, waren in den Fünfzigerjahren die Aufgabenbereiche<br />
und Rollen von Frauen und Männern wieder streng getrennt. „Es war typisch<br />
für die Frauen den Haushalt zu führen, den Mann und die Kinder zu umsorgen.<br />
Männer waren für den Erhalt der Familien zuständig und Frauen kochten,<br />
putzten“ 2) . Die zunehmende Elektrifizierung im Haushaltsbereich machte<br />
natürlich auch die Hausarbeit als solches leichter. Waschbrett und kohlebefeuertes<br />
Bügeleisen wurden durch Waschmaschine und elektrisches Bügeleisen<br />
ersetzt. Damit stieg auch der Energieverbrauch: Zwischen 1950 und<br />
1970 um das Sechsfache.<br />
Frauen wurden daher, insbesondere über die haushaltsmäßigen Zuständigkeiten,<br />
verstärkt als Zielgruppe für Haushaltsgeräte umworben. In die vorgelagerten<br />
Entscheidungen, bspw. welche Richtung die Energiepolitik verfolgt,<br />
waren sie aber nicht eingebunden.<br />
Der Zugang zum Energiebereich verläuft zumeist über naturwissenschaftlich-technische<br />
Ausbildungsgänge. Frauen sind auf Grund tradierter<br />
geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung im technikorientierten Bereich nur<br />
marginal vertreten. Dies trifft nicht nur im Ausbildungssektor, sondern auch<br />
auf den handwerklichen Bereich zu. „Damit haben Frauen sowohl politisch,<br />
als auch konzeptionell und planerisch weniger Einflussmöglichkeiten. Dies<br />
trifft sowohl die Ebene von Forschung und Wissenschaft als auch die der<br />
technischen Umsetzung und Ausführung.“ 3)<br />
Die Bedrohung, die von Energie ausgehen kann, wird von Frau und Mann in<br />
unterschiedlicher Weise wahrgenommen. „Verbunden ist die ausgeprägte<br />
Risikowahrnehmung von Frauen mit einer grundsätzlich stärkeren Ablehnung<br />
von (ausschließlich) technischen Lösungen und vor allem Großtechnologien,<br />
bei Präferenzen für dezentral anwendbare Technologien.“ 4) Im<br />
Bereich der Atomenergie ist die geschlechtsspezifische Risikowahrnehmung<br />
Zwischen 1950 und 1970<br />
stieg Energieverbrauch<br />
um das Sechsfache<br />
1) Gender Mainstreaming im<br />
Umweltbereich, Anmerkungen<br />
zur Internationalen Konferenz<br />
für Erneuerbare Energien“,<br />
Bonn 2004<br />
2) Forum ÖO Geschichte,<br />
Küche & Haushalt in den<br />
1950er Jahren<br />
3) Röhr, Ulrike: Gender & Energie<br />
- Aus der Sicht des Nordens,<br />
Life e.V. – FrauenUmweltNetz,<br />
Frankfurt<br />
4) Positionen zur nationalen<br />
Nachhaltigkeitsstrategie aus<br />
der Geschlechterperspektive,<br />
In: genastudien 1, Hrsg.<br />
genanet – Leitstelle<br />
Geschlechtergerechtigkeit &<br />
Nachhaltigkeit, BRD, Main<br />
9/2004; S. 16<br />
121
122<br />
Männer sind für technische<br />
Ausstattung, Frauen<br />
für Energiesparen<br />
zuständig<br />
1) Dörr, Gisela: Die Ökologisierung<br />
des Oikos. In: Schultz,<br />
Irmgard (Hg.): GlobalHaushalt.<br />
Globalisierung von Stoffströmen<br />
– Feminisierung von<br />
Verantwortung.<br />
Frankfurt/Main, Verlag für<br />
interkulturelle Kommunikation,<br />
1993 und Buko: Zwischen<br />
Sparstrümpfen und<br />
Gigabytes – der Ökologen<br />
Lust, der Frauen Frust. In:<br />
Forum entwicklungspolitischer<br />
Aktionsgruppen, Heft<br />
201/96,<br />
2) Peisendörfer, Peter: Umwelteinstellungen<br />
und Umweltverhalten<br />
in der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Empirische<br />
Befunde und Analysen auf<br />
der Grundlage der Bevölkerungsumfragen„Umweltbewusstsein<br />
in Deutschland<br />
1991 – 1998“. Umweltbundesamt<br />
(Hrsg.), Leske und<br />
Budrich, Opladen, 1999<br />
eindeutig nachgewiesen. Dies gilt nicht nur für die klassische Risikotechnologie<br />
Kernenergie, sondern lässt sich auch auf den Privathaushalt herunter<br />
brechen. Schon früh werden die Jungen bspw. an die Gefahren des Strom<br />
herangeführt: Sie lernen damit umzugehen. Mädchen hingegen werden mit<br />
dem Hinweis auf die Gefahren von Strom ferngehalten. Damit haben sie<br />
natürlich nur einen eingeengten Zugang zur männlich dominierten Energieversorgung<br />
und zur Energiepolitik.<br />
„Als Folge davon gibt es auch bei der Energieausstattung und umweltschonenden<br />
Energienutzung im Haushalt eine klare Geschlechtertrennung.<br />
Während Männer für die technische (und produktive investigative) Seite<br />
zuständig sind (Wärmedämmung, Heizkessel, Warmwasserbereitung), sind<br />
Frauen, wie überall im Umweltbereich, für die verhaltensabhängigen Einsparungen<br />
und deren Kommunikation an alle Familienmitglieder zuständig:<br />
Verzicht auf die Nutzung elektrischer Geräte, vernünftige Ladung der Waschund<br />
Geschirrspülmaschinen usw.“ 1)<br />
In der Nachhaltigkeitsstrategie sind im Allgemeinen nur zwei Ansatzpunkte<br />
erkennbar, nämlich einerseits die Erhöhung der Energieeffizienz und andererseits<br />
der Ausbau der erneuerbaren Energie. An und für sich betrachtet<br />
verfolgt diese Strategie einen sehr technozistischen Ansatz, der dem technisch-orientierten<br />
Lösungsmuster von Männern entspricht. Ansatzweise<br />
kommt bei den erneuerbaren Energien, bedingt durch die Schaffung neuer<br />
Arbeitsplätze, auch ein sozialer Ansatz zum Tragen. Was ist damit gemeint?<br />
Ein sozialer Ansatz würde eine Abkehr von den bisherigen rein technisch orientierten<br />
Lösungsmustern bedeuten, bzw. insbesondere die Agenda Energie<br />
wesentlich erweitern. Konkret heißt das nun, dass auch die unterschiedlichen<br />
Anforderungen und Bedürfnisse einbezogen werden, also vor allem auf<br />
die Nutzerinnen und Nutzer im Haushalt, aber auch die für die Gebäudeausstattung<br />
zuständigen Hausherren und Hausbesitzer im Vorfeld integriert werden.<br />
Das bedeutet nun, dass eigentlich auch die bisher angestrebten einseitigen<br />
Wachstumsziele hinterfragt werden, insbesondere jene, mit denen eine<br />
deutliche Steigerung des Energieverbrauchs einhergeht.<br />
Verhalten von Frauen im Umweltbereich<br />
Seit 1991 werden vom deutschen Umweltministerium und vom Umweltbundesamt<br />
regelmäßig Bevölkerungsbefragungen zum Umweltbewusstsein und<br />
-verhalten in Auftrag gegeben. Grundsätzlich kommt die Untersuchung zum<br />
Schluss, dass Frauen zwar ein deutlich geringeres Umweltwissen, trotzdem<br />
aber deutlich höhere Werte beim Umweltbewusstsein und vor allem beim<br />
Umweltverhalten haben. Im Jahre 1999 wurde diese Untersuchung auch<br />
nach Geschlechtern differenziert. 2)<br />
Umwelttypen Frauen Männer Energiesparen<br />
im Haushalt (m+w)<br />
Umweltignoranten 6% 14% 10%<br />
Umweltrhetoriker 28% 36% 28%<br />
Einstellungsgebundene Umweltschützer 31% 25% 16%<br />
Konsequente Umweltschützer 35% 25% 46%<br />
„Ein für den Bereich des Energiesparens wichtiges Ergebnis der Studie ist,<br />
dass Umweltbewusstsein im Alltag vorrangig mit den Bereichen Einkaufen/Konsum<br />
und Müllentsorgung verbunden wird und viel weniger mit den
Bereichen Energienutzung und Verkehrsverhalten (ebd., S. 12). Allgemein<br />
gilt, dass Frauen in den Bereichen Müll, Konsum und Verkehr ein höheres<br />
Umweltbewusstsein als Männer haben und sich auch umweltbewusster verhalten.<br />
Aus dem Rahmen fällt hier der Energiebereich, bei dem es kaum nennenswerte<br />
Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Das macht einmal<br />
mehr deutlich, dass dies offenbar nicht der Bereich ist, für den Frauen<br />
sich verantwortlich fühlen und/oder in dem sie Handlungsmöglichkeiten<br />
sehen.“ 1)<br />
Fehlgeleitete Appelle und fehlende Einflussnahme<br />
Im Unterschied zu den prestigeträchtigen Marketingprogrammen für den<br />
Kauf von Produkten aus dem Bereich der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik,<br />
die sich im Wesentlichen an den männlichen Konsumenten<br />
richten, sind die Maßnahmen im Bereich des Energiesparens weniger spannend,<br />
weniger innovativ und damit weniger prestigeträchtig. Dabei richten<br />
sich die Appelle hauptsächlich an Frauen, ohne diese explizit anzusprechen.<br />
Im Allgemeinen fungiert der „Verbraucher“ oder der „Haushalt“ als Adressat.<br />
„Diese allgemein den Haushaltskonsum betreffenden Aussagen lassen sich<br />
auch auf den Energiebereich übertragen. Zusätzlich liegen die Anforderungen,<br />
die sich aus dem Verzicht von energienutzenden Geräten im Haushalt<br />
herleiten, aber häufig außerhalb des Einflussbereiches der Frauen. Der wiederholten<br />
Aufforderung, die Wäsche auf die Leine zu hängen, statt den elektrischen<br />
Trockner zu verwenden, steht der fehlende Trockenraum entgegen.<br />
Der Aufforderung, energiesparend zu kochen, steht entgegen, dass<br />
75–80 Prozent der Haushalte in Deutschland mit einem Elektroherd ausgestattet<br />
sind, der ökonomisch und ökologisch schlechter ist als ein Gasherd.<br />
Aber die Entscheidung, ob sie auf einem Gas– oder Elektroherd kocht, liegt<br />
nicht bei der Konsumentin, sondern beim Vorhandensein von Anschlüssen –<br />
und die sind wiederum Sache des in der Regel männlichen Hausbesitzers.<br />
Und so schließt sich der Kreis: Nicht die Hausbesitzer werden aufgefordert,<br />
die Küchen mit Gasanschlüssen zu versehen, sondern die Frauen, auf ihren<br />
unökologischen Elektroherden nach dem Motto – Gut gekocht ist halb<br />
gespart 2) – energiesparend zu kochen.“ 3)<br />
Abschließend darf auch noch auf die Förderungspolitik im Energiebereich<br />
hingewiesen werden, die sich, so weit sie überhaupt noch seit der Liberalisierung<br />
vorhanden ist, vorrangig an energietechnischen Anlagen orientiert<br />
(etwa die Förderung von solarthermischen Anlagen, Ökostromförderung,<br />
Nahwärmeanschlussprämie, Kraft-Wärme-Kopplung). Das Energiesparen im<br />
Haushaltsbereich (Küche, Büro) wird dabei völlig außer Acht gelassen. Es<br />
gibt eigentlich auch keine Angebote, die sich gezielt an Frauen richten.<br />
Status Quo des Energiesektors in <strong>Tirol</strong><br />
Die (Energie)Preisentwicklungen vergangener Jahre in <strong>Tirol</strong><br />
Die wichtigsten Kenngrößen (Steigerungen seit 1995)<br />
• <strong>Tirol</strong>er Durchschnittslohn (Frauen, alle Beschäftigte): Plus 18,3 Prozent<br />
• <strong>Tirol</strong>er Durchschnittslohn (Männer, alle Beschäftigte): Plus 20,1 Prozent<br />
• Strompreis, 3.500 kWh: Plus 12 Prozent<br />
Förderungspolitik nimmt<br />
zu wenig Rücksicht auf<br />
„kleine“ Maßnahmen<br />
beim Energiesparen<br />
1) ebenda<br />
2) Energiespartipps des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft<br />
BRD<br />
3) Röhr, S. 7<br />
123
124<br />
Extreme Steigerung bei<br />
Energiepreisen seit 1995:<br />
Plus 120 Prozent beim<br />
Heizöl<br />
• Eurosuper: Plus 30,4 Prozent<br />
• Diesel: Plus 58,6 Prozent<br />
• Heizöl extra leicht, 2.000 Liter: Plus 118,5 Prozent<br />
• Bus und Bahn: Plus 57,4 bis 94,4 Prozent<br />
Wie ersichtlich, ergaben sich seit 1995 sowohl bei den Treibstoffen als auch<br />
bei den Fahrpreisen hohe Steigerungsraten. Gegenüber dem Jahr 1995 ist<br />
beispielsweise der Dieselpreis um knapp 60 Prozent, der Heizölpreis sogar<br />
um fast 120 Prozent gestiegen! Im Gegensatz dazu ist der Strompreis nur<br />
gering angehoben worden. Unter Einrechnung der Inflationsrate von knapp<br />
20 Prozent würde sich sogar eine leichte Verbilligung des Strompreises ergeben.<br />
Aber auch die Fahrpreise im VVT sind auf den typischen pendlerrelevanten<br />
Strecken mehr als 60 Prozent, bei den ÖBB mehr als 80 Prozent verteuert<br />
worden. Damit ergeben sich für die <strong>Tirol</strong>er Berufspendler und für viele <strong>Tirol</strong>er<br />
Haushalte hohe zusätzliche Belastungen. In diesem Zusammenhang ist<br />
nicht unwichtig zu erwähnen, dass das <strong>Tirol</strong>er Durchschnittseinkommen bei<br />
den Arbeitnehmern, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, zu den<br />
niedrigsten in Österreich zählt. Zwischen 1995 und 2004 ist das <strong>Tirol</strong>er<br />
Durchschnittseinkommen um 20,5 Prozent gestiegen. Bei den Frauen ergibt<br />
sich eine Steigerung um 18,3 Prozent. Daraus ergibt sich, dass die durch<br />
Energiepreissteigerungen ausgelösten Zusatzbelastungen grundsätzlich<br />
Frauen mehr belasten.<br />
Auswirkungen auf Haushalte und Pendler<br />
Ein <strong>Tirol</strong>er Berufspendler mit einer täglichen einfachen Wegstrecke zahlte im<br />
Jahr 1995 (Start des VVT) mit der ÖBB 48,3 Euro und mit dem Bus 59,6 Euro.<br />
Im Jahre 2005 müssen für die gleiche tägliche Wegstrecke 93,8 Euro bezahlt<br />
werden. Eine Preissteigerung also von mehr als 94 Prozent. Durch das<br />
Wabenmodell des VVT (seit 1. November 2001) gibt es aber auch Preissteigerungen,<br />
die noch höher ausfallen. Wie die jährlichen österreichweiten <strong>AK</strong>-<br />
Preiserhebungen ergeben haben, gehört der Verkehrsverbund <strong>Tirol</strong> zu den<br />
teuersten im Bundesgebiet. Neben dem Bund ist vor allem auch das Land<br />
<strong>Tirol</strong> gefordert, hier verbilligende Initiativen zu setzen. Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat diesbezüglich<br />
einen konkreten Maßnahmenkatalog vorgeschlagen und eingefordert.
Extreme Preisausschläge gab es auch beim Heizöl: Hier ergibt sich im Vergleichszeitraum<br />
1995 bis 20<strong>06</strong> eine Preissteigerung von mehr als 118 Prozent<br />
(1.000 Liter). Konkret bedeutet dies, dass etwa für eine 80-Quadratmeter-Wohnung<br />
die Heizkosten zwischen 1995 und 20<strong>06</strong> von durchschnittlich<br />
230,80 auf 504,70 Euro gestiegen sind. Eine besondere Belastung stellt die<br />
Heizölverteuerung für die Bewohner eines 130-Quadratmeter-Hauses dar:<br />
Hier stieg die Durchschnittsbelastung von jährlich 786,60 auf 1.718,70 Euro!<br />
Ein interessanter Vergleich ergibt sich aber mit einem absolut topgedämmten<br />
Wohnhaus: Bei einem 100-Quadratmeter-Haus mit Passivhaus-Qualität<br />
würde die Heizölrechnung nur knapp 121 Euro pro Jahr ausmachen. Diese<br />
Rechnung ist fiktiv, da solche Wohnungen keine externe Heizung benötigen,<br />
denn der Wärmebedarf wird durch andere Energieträger gedeckt.<br />
Kostenentwicklung im Bereich Energie- und Transportleistungen<br />
Jahr 2) Diesel 3)<br />
Treibstoffkosten ÖPNV 1)<br />
Mehrkosten in Euro zwischen 1995 – 20<strong>06</strong><br />
Strom Energiekosten für Raumheizung<br />
am Bsp. Heizöl<br />
(Euro pro Jahr)<br />
Euro- ÖBB VVT 3.500 5.000<br />
super 4)<br />
kWh kWh Typ I 5)<br />
Typ II 6) Typ III 7)<br />
1995 87,8 130,3 48,3 59,6 38,1 54,4 230,8 786,6 55,4<br />
1996 89,7 134,9 55,2 64,3 40,7 58,1 270,0 878,8 64,9<br />
1997 95,4 132,4 55,2 67,9 40,7 58,1 251,7 827,2 60,5<br />
1998 88,4 130,5 62,5 68,0 40,7 58,1 218,7 701,9 52,6<br />
1999 97,0 138,0 65,4 69,3 40,7 58,1 269,5 878,8 64,7<br />
2000 112,2 153,7 75,6 76,2 40,7 58,1 445,8 1.499,6 107,1<br />
2001 110,9 149,6 80,7 80,7 38,5 54,6 328,1 1.096,1 78,8<br />
2002 1<strong>06</strong>,9 145,9 80,8 83,3 38,2 54,2 315,4 1.031,7 75,8<br />
2003 103,5 144,1 85,8 85,5 41,4 57,3 279,4 955,7 67,1<br />
2004 121,7 159,4 87,5 87,5 44,2 61,3 399,6 1.348,6 96,0<br />
2005 136,4 168,7 90,6 90,6 42,9 59,2 483,1 1.635,1 116,1<br />
20<strong>06</strong> 139,3 170,0 93,8 93,8 42,9 59,2 504,7 1.718,7 121,3<br />
Monatskosten in Euro<br />
Monat Jahr<br />
• Pendelstrecke, 45 km, täglich: Diesel : 51,50 : 540,8<br />
Eurosuper : 39,70 : 395,0<br />
• Pendelstrecke, 45 km, täglich: ÖBB : 45,5 : 455,0<br />
VVT : 34,20 : 342,0<br />
• Strom, 5.000 kWh, TIWAG: : 4,8 : 57,6<br />
• Heizöl: Wohnung 80 m 2 , Bj. 1990, 75 kWh/m 2 *a : 273,9<br />
Haus 130 m 2 , Bj. 1980, 150 kWh/m 2 *a : 932,1<br />
Wohnung 100 m 2 , Bj. 2004, 15 kWh/m 2 *a : 65,9<br />
Durch die laufende Verteuerung der Energiekosten, steigen natürlich auch<br />
die Fahrtkosten. Für einen typischen <strong>Tirol</strong>er Haushalt verteuerten sich die<br />
jährlichen Haushaltskosten für Heizung (ohne Warmwasser) und Arbeitsfahrt<br />
in den letzten zehn Jahren zwischen 650 bis über 1.700 Euro! Je nach Alter<br />
und Größe der Wohnung oder tägliche Fahrtstrecke können sich die Kosten<br />
durchaus um den Faktor zwei bis drei erhöhen.<br />
Die steigenden Energiepreise treffen die unteren Einkommen und damit insbesondere<br />
die Frauen besonders hart!<br />
1) Preis Monatskarte für 45 km<br />
(entspricht 9 Waben)<br />
2) Grundsätzlich gelten die<br />
Jahresdurchschnittspreise;<br />
außer Erhebung am<br />
18.01.20<strong>06</strong><br />
3) 7l/100 km; Wohnort-Arbeitsplatz<br />
45km, 22<br />
Arbeitstage/Monat<br />
4) 8l/100 km; Wohnort-Arbeitsplatz<br />
45km, 22<br />
Arbeitstage/Monat<br />
5) Typ I: Wohnung 80 m 2 , Baujahr<br />
1990; 75 kWh/m 2 */Jahr;<br />
Verbrauch 7.200 kWh (entspricht<br />
720 l Heizöl)<br />
6) Typ II: Haus 130 m 2 ; Baujahr<br />
1980; 150 kWh/m 2 */Jahr;<br />
Verbrauch 25.350 kWh (entspricht<br />
2.535 l Heizöl)<br />
7) Typ III: Wohnung 100m 2 ;<br />
Baujahr 2004; 15<br />
kWh/m2*/Jahr; Verbrauch<br />
1.730 kWh (hypothetisch<br />
173 l Heizöl)<br />
125
126<br />
Gestiegene Energiekosten<br />
wirken sich noch<br />
dramatischer bei niedrigen<br />
Einkommen aus<br />
Es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass durch die steigenden Energiepreise<br />
vor allem die niedrigeren Einkommensschichten im besonderen Maße<br />
betroffen sind. Beispielsweise ergibt sich für einen angenommenen Durchschnittshaushalt<br />
mit einer Nettowohnnutzfläche von 130 Quadratmetern und<br />
einer täglichen Wegstrecke von 45 Kilometern (Arbeit-Wohnort und retour)<br />
im Zeitraum 1995 bis 20<strong>06</strong>, immerhin eine Mehrbelastung von mehr als<br />
1.300 Euro im Jahr. Für Bezieher niedriger Einkommen ergibt sich dadurch<br />
das Problem, dass sie einen immer größer werdenden Teil ihres Geldes zur<br />
Befriedigung ihres Wärmebedarfs (Heizung, Warmwasser) sowie für die notwendige<br />
Mobilität bereitstellen müssen. Hierzu nachfolgende Tabelle.<br />
Anteil der energierelevanten Kosten am Nettoverdienst<br />
Netto- Energie- Energieverdienst<br />
belastung belastung<br />
pro Jahr 1995 2005<br />
: 8.200,– 27,5% 36,8%<br />
: 12.000,– 18,8% 25,1%<br />
: 17.600,– 12,8% 17,1%<br />
: 25.600,– 8,8% 11,8%<br />
über : 60.400,– 3,7% 5,0%<br />
Die relative Belastung der <strong>Tirol</strong>er Arbeitnehmer (nicht der Haushalte) ist je<br />
nach Einkommenssituation unterschiedlich. Durch die gestiegenen Kosten<br />
im Energie- und Verkehrsbereich sind die Belastungen seit 1995 erheblich<br />
gestiegen. Musste ein Haushalt mit einem niederen Einkommen, bspw. eine<br />
Alleinerzieherin, im Jahre 1995 rund ein Viertel ihres Einkommens für Energie<br />
aufwenden, so stieg dieser Anteil 2005 immerhin auf mehr als ein Drittel.<br />
Für eine <strong>Tirol</strong>er Arbeitnehmerin mit einem jährlichen Nettoverdienst von<br />
17.600 Euro erhöhte sich die Belastung von 12,8 Prozent (1995) auf<br />
17,1 Prozent (2005). Hohe Einkommen werden von dieser Entwicklung nur<br />
relativ gering tangiert. Tatsache ist damit, dass steigende Energiepreise vor<br />
allem die niedrigen Einkommensschichten belasten. Damit wird zusehends<br />
der Weg in eine Überschuldung der Haushalte geebnet. Dem gilt es vorzubeugen.<br />
Die Politik ist daher insbesondere gefordert, die steigenden Energiepreise<br />
unter diesem Blickwinkel zu sehen.<br />
Was kann der Einzelne tun?<br />
Durch die stetig steigenden Rohstoff- und in Folge davon auch die Energiepreise<br />
nimmt die Unsicherheit unter den Betroffenen zu. Nachhaltige Lösungen<br />
für Heizungen, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden, können<br />
nur mittelfristig angeboten werden. In dieser Hinsicht darf vor allem auf die<br />
enorme Wirkung einer energetischen Sanierung (Wärmedämmung, Heizungssteuerung,<br />
Kesseltausch) hingewiesen werden, die Einsparungen von<br />
mehr als 60 Prozent erbringen. Sollte gegebenenfalls eine umfangreiche<br />
Sanierung am Wohnhaus oder beim Heizungssystem anstehen, so müsste<br />
aber auch die Form des künftigen Heizsystems geklärt werden.<br />
Trotzdem sind auch kurzfristige Maßnahmen in ihrer Wirkung beachtenswert,<br />
sei es durch die Zurücknahme der Vorlauftemperatur für Heizung und Warmwasser,<br />
sei es durch Sanierung zugiger Fenster und Türen, sei es durch den<br />
Einbau von Thermostatventilen oder durch bewusstes Stoßlüften von Fenstern.<br />
Auch kleine Maßnahmen, wie die Dämmung der obersten Geschoss-
decke, erbringen schon Einsparungen bis zu 20 Prozent! Für all diese Maßnahmen<br />
stehen entsprechende Mittel aus der Wohnbauförderung oder der<br />
Wohnhaussanierung zur Verfügung.<br />
Sanfte Energie – Perspektive für <strong>Tirol</strong>?<br />
Energiepolitik des Landes<br />
Die „Energiegewinnung“ (im eigentlichen Sinne handelt es sich immer um<br />
eine Umwandlung oder einen Transfer von einem Energiezustand in den<br />
anderen) ist in <strong>Tirol</strong> sehr eng mit der Erzeugung von Strom aus Wasserkraft<br />
verknüpft. Dies ist durchaus auch in einem geschichtlichen Kontext zu<br />
sehen, denn eine der größten Stromgewinnungsanlagen im damaligen KuK-<br />
Reich Österreich/Ungarn, bzw. selbst in Europa, war das heutige Kraftwerk<br />
der Donau-Chemie in Wiesberg, am Schnittpunkt zwischen Paznaun- und<br />
Stanzertal.<br />
Es versteht sich daher von selbst, dass die <strong>Tirol</strong>er Energiepolitik, so weit es<br />
überhaupt zulässig ist von einer solchen Politik zu sprechen, vom hauseigenen<br />
Energie-Versorgungs-Unternehmen, nämlich der TIWAG, bestimmt war<br />
und nach wie vor mitbestimmt wird. Erst durch die beiden Rohstoff- und<br />
Energiekrisen (1971/72 und 1979/80) ergab sich in der Nachfolgezeit ein<br />
Paradigmenwechsel, der die folgende Energie- und vor allem auch die<br />
Umweltpolitik stark prägte. In dieser Hinsicht unterstützend wirkten darüber<br />
hinaus die Volksabstimmung über das <strong>AK</strong>W Zwentendorf, die Ereignisse in<br />
der Hainburger Au, sowie – vor allem aus <strong>Tirol</strong>er Sicht – die Diskussionen<br />
rund um das geplante KW Dorfertal.<br />
Tatsache ist aber auch, dass die Stromgewinnung aus Wasserkraft – auch<br />
wenn das Potenzial in <strong>Tirol</strong> sehr groß und ausbaubar ist – nur einen Teil des<br />
gesamten <strong>Tirol</strong>er Energiebedarfs abzudecken vermag. Im Transport- und<br />
Wärmebereich spielen die fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas nach wie<br />
vor eine überragende Rolle. Insbesondere Letztgenanntes wird nun seit Jahren<br />
von der TIGAS (Landesgesellschaft) stark gefördert und vom Land funktionell<br />
unterstützt.<br />
Erdgas ist zwar aus umweltpolitischer Sicht (Schadstoffe) verträglicher als<br />
Erdöl, letztendlich aber sehr eng an den Marktmechanismen von Erdöl (timelag)<br />
gebunden. Die stark gestiegenen Erdölpreise seit Mitte 2005 treiben nun<br />
auch das Erdgas in Höhen, die für viele Erdgaskunden nicht mehr tragbar<br />
sind. Viele Betroffene haben sich, im Vertrauen auf eine moderate Preispolitik<br />
beim Erdgas, vor Jahren ihre Heizung auf Erdgas umstellen lassen.<br />
Angesichts der Preisentwicklung und der unsicheren Versorgungslage stellt<br />
sich nun für viele die Frage, ob dies wirklich die richtige Entscheidung war.<br />
Diese Frage kann nicht adhoc beantwortet werden. Hier spielen verschiedene<br />
Parameter eine Rolle, die beim einzelnen Betroffenen unterschiedlich<br />
gewichtet sind.<br />
Im Zuge des gegenständlichen Beitrags wird deshalb die Möglichkeit wahrgenommen,<br />
auf eine „sanfte“ Form der Energiegewinnung hinzuweisen,<br />
nämlich die der Umwandlung von Biomasse in Wärme und Strom, neben<br />
127
128<br />
50.000 Wohnungen<br />
werden mit Holz beheizt<br />
Enormes Sparpotenzial<br />
durch Wärmedämmung<br />
und Sanierung<br />
dem Energiesparen selbst. Sanft deshalb, da gerade hier die regionale Wertschöpfung<br />
sehr hoch, die Transportkette sehr gering und die Fokussierung<br />
auf Diversifizierung der Standorte unumgänglich ist.<br />
Biomasse als sanfte Energie für <strong>Tirol</strong><br />
In <strong>Tirol</strong> werden derzeit ca. 50.000 Wohneinheiten mit Holz beheizt. Der<br />
Brennholzverbrauch liegt im langjährigen Durchschnitt bei etwa 300.000<br />
Festmetern. Auf der anderen Seite steht aber ein jährliches, nachhaltiges<br />
Angebot von 500.000 Festmeter Brennholz aus dem <strong>Tirol</strong>er Wald gegenüber.<br />
Daneben ergibt sich noch ein großes Potenzial an Sägenebenprodukten<br />
(Rinde, Späne). Es versteht sich daher von selbst, dass dem <strong>Tirol</strong>er Wärmemarkt<br />
allein durch die Biomasse ein sehr großes Potenzial zur Verfügung<br />
steht.<br />
In diesem Zusammenhang darf natürlich auch die Frage des <strong>Tirol</strong>er Energiesparpotenzials<br />
nicht unbeachtet bleiben. Hier wäre vor allem zu prüfen, wie<br />
groß das Sparpotenzial bei Aufrechterhaltung des Nutzens wäre. Im Niedrigwärmebereich,<br />
insbesondere im Wohnungswesen, ist diese Frage relativ<br />
leicht zu beantworten. Hier darf vor allem an mittlerweile viele erfolgreiche<br />
Wohnhaussanierungen erinnert werden. Energieeinsparungen im Bereich<br />
zwischen 50 bis 70 Prozent sind somit leicht zu erzielen!<br />
Die Wärmedämmung spielt diesbezüglich die entscheidende Rolle. Das<br />
große Energieeinsparpotenzial ergibt sich durch den gegebenen älteren<br />
Hausbestand, der großteils keine Wärmedämmung aufweist. Bei Generalsanierungen<br />
(Fassade, Dach, Fenster, Heizung, etc.) sind durchaus höhere<br />
Einsparungen erreichbar. Durch die verbesserte Wärmedämmung ergibt sich<br />
auch der angenehme Nebeneffekt, dass die Temperatur an den Innenwänden<br />
steigt und das Raumklima dadurch verbessert wird.<br />
Bei Nutzung des sehr großen Energiesparpotenzials, insbesondere im Niedrigtemperaturbereich,<br />
ist es durchaus möglich, den gesamten Wärmebedarf<br />
im Wohnbereich mit Biomasse abzudecken. Aus Sicht einer nachhaltigen<br />
Energiepolitik wäre dies ein durchaus gangbarer Weg. Die Frage stellt sich<br />
aber nicht vom Standpunkt des Könnens sondern vielmehr von dem des<br />
Wollens aus, ob das Land <strong>Tirol</strong> bereit ist, hier eine energiepolitische Wende<br />
in Richtung sanfte Energie mit zu tragen.<br />
Forderungen der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
• Fokussierung der <strong>Tirol</strong>er Energiepolitik auf heimische Ressourcen.<br />
• Weitere Förderung und verstärkte Nutzung der sanften Energie, insbesondere<br />
der Biomasse. Dadurch wird auch die soziale Komponente (Wertschöpfung,<br />
Arbeitsplätze) entsprechend gewürdigt.<br />
• Nutzung des großen, vorhandenen Energiesparpotenzials in <strong>Tirol</strong>, insbesondere<br />
im Niedrigtemperaturbereich (Raumwärme).<br />
• Miteinbeziehung der Betroffenen und Konsumenten in die Agenda Energie.<br />
Die (geschlechts)spezifischen Anforderungen sind zu berücksichtigen.<br />
• Umstellung des bisherigen Tarifsystems: Energieversorgungsunterneh-
men sollen nicht primär am Verkauf der Ware Energie interessiert sein,<br />
sondern sich primär als Dienstleistungsunternehmen verstehen und etablieren.<br />
Nicht Kilowattstunden sind Handelsware, sondern die benötigte<br />
Raumtemperatur und das Warmwasser!<br />
• Fokussierung der Landesmittel auf den Bereich der Wohnhaussanierung.<br />
Fahren Frauen anders?<br />
Mobilitätsverhalten als Anpassung an Lebensstrukturen<br />
Vielfältige Veränderungen haben das Bundesland <strong>Tirol</strong> in den Jahren nach<br />
dem Krieg neu geprägt. Dies gilt für die Städte und den Zentralraum von<br />
<strong>Tirol</strong>, wo nach wie vor ein Großteil der Bevölkerung lebt, jedoch in noch viel<br />
größerem Maße für den ländlichen Raum, der viel zum Image und der<br />
Außensicht unseres Landes beiträgt.<br />
Insbesondere der ländliche Raum hat in den letzten Jahrzehnten einschneidende<br />
wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandlungen erfahren, weil die<br />
anfängliche Ausstattung mit Einrichtungen sehr unterentwickelt war. Der<br />
technische und sozioökonomische Strukturwandel hat – regional und zeitlich<br />
verschoben – Veränderungen im Wirtschaftsbereich, in den Bildungs- und<br />
Berufsstrukturen und am Arbeitsmarkt bewirkt. In der Analyse der Ist-Situation<br />
und von möglichen Veränderungen muss daher immer berücksichtigt<br />
werden, dass von sehr unterschiedlichen Lebens-, Arbeits- und Versorgungssituationen<br />
ausgegangen werden muss, je nach räumlicher <strong>Lage</strong>.<br />
Während in den oftmals zentrumsnahen prosperierenden Gebieten ländlicher<br />
Prägung die Ausdifferenzierung nach Grundbedarfsfunktionen sehr<br />
weit fortgeschritten ist und diese Wohngebiete als attraktiv erscheinen, gibt<br />
es genau entgegen gesetzte Erscheinungen und Tendenzen in peripheren<br />
ländlichen Regionen. Dies zeigt sich am Schrumpfen der Einwohnerzahlen,<br />
an der Überalterung von Dörfern, am Abwandern der jungen Bevölkerung<br />
aus strukturschwachen Gebieten mit schlechten Verkehrsanbindungen.<br />
Durch die allgemeine Erhöhung der Mobilität, gemessen an der zurückgelegten<br />
Entfernung pro Zeiteinheit, haben sich unsere Aktionsräume sehr<br />
stark ausgeweitet. Heute ist der Mensch auf unterschiedlichen Ebenen der<br />
Mobilität gefordert (Beruf, Versorgung, Ausbildung, Freizeit und Erholung,<br />
soziale Aktivitäten).<br />
Mobilität ist ein Schlüsselwort der heutigen Gesellschaft. Vielfach wird diese<br />
Frage aber auf die Zurücklegung einer Strecke zwischen Wohn- und Arbeitsort<br />
reduziert. Eine solche Vereinfachung entspricht aber nicht der Realität<br />
und unserem Zeitempfinden. Die Erwerbsmobilität wird ja nicht positiv, sondern<br />
als Belastung erlebt. Die Zurücklegung derselben Strecke als Freizeitaktivität<br />
ist schon deutlich positiver besetzt.<br />
Neben jenen Bevölkerungsgruppen, die – nennen wir es – Mobilitätseinschränkungen<br />
zu bewältigen haben (Senioren, Kinder, Menschen mit körperlichen<br />
oder geistigen Erschwernissen usw.) sind besonders Menschen<br />
betroffen, die aus diversen Ursachen heraus vielfältigere Lebensmuster aufweisen.<br />
129
130<br />
Mütter benötigen viel<br />
Zeit mit Bring- und Holdiensten<br />
der Kinder<br />
85 Prozent aller Berufstätigen<br />
benötigen bis zu<br />
30 Minuten zum<br />
Arbeitsplatz<br />
Grundsätzlich bezieht sich die Beobachtung auf beide Geschlechter, wobei<br />
jedoch bei objektiver Betrachtung Frauen deutlich mehr Aufgaben zu erledigen<br />
haben als Männer und daher auch eine viel spezifischere Mobilität aufweisen.<br />
Die sozioökonomischen Verhältnisse von Frauen haben sich die letzten<br />
Jahrzehnte sehr viel stärker verändert. Die traditionellen Strukturen, die<br />
Aufgabenteilung in der Partnerschaft und die Rollenbilder hinken mit den<br />
Veränderungen allerdings noch weit hinten nach. Haus- und Familienarbeit,<br />
sind im überwiegenden Maße Frauensache. Mütter verbringen einen Gutteil<br />
ihrer Zeit mit Bring- und Holdiensten, weil sie um die Sicherheit ihrer Kinder<br />
im Straßenverkehr fürchten, leisten oft Servicedienste für Kinder und hilfsbedürftige<br />
Familienangehörige und sind für die Erledigung vieler unterschiedlicher<br />
Aktivitäten in einem weiten Umfeld unterwegs.<br />
Alle diese Phänomene werden verstärkt, wenn Frauen aus ökonomischen<br />
Überlegungen, sowie aus Gründen der persönlichen Zufriedenheit, einer<br />
Erwerbstätigkeit nachgehen. Frauen in diesen Lebensmustern – also in der<br />
klassischen Mehrfachbelastung – erweisen sich als wahre Zeitmanagerinnen.<br />
Durchschnittlicher Weg zur Arbeit<br />
Aus der <strong>AK</strong>-Studie „Frauen und Beruf“ vom November 2005 ergeben sich<br />
jedoch hinsichtlich des durchschnittlichen Zeitaufwandes für den Weg zur<br />
Arbeit interessanterweise für <strong>Tirol</strong> keine signifikanten Unterschiede zwischen<br />
den Geschlechtern. Demnach erreichen 84,3 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er<br />
ihren Arbeitsplatz innerhalb von 30 Minuten.<br />
Durchschnittlicher Zeitaufwand zur Erreichung des Arbeitsplatzes<br />
Männer Frauen Frauen und Männer<br />
zuhause 3,7% 5,3% 4,4%<br />
bis 10 min 27,3% 27,1% 27,2%<br />
bis 15 min 36,0% 35,3% 35,7%<br />
ca. 20 min 13,7% 8,3% 11,2%<br />
ca. 30 min 8,1% 12,8% 10,2%<br />
ca. 40 min 3,1% 3,0% 3,1%<br />
ca. 1 Stunde 3,1% 2,3% 2,7%<br />
über 1 Stunde 5,0% 6,0% 5,4%<br />
IMAD-Studie im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> „Frauen im Beruf“ – November 2005<br />
Werden jedoch die Faktoren vielfältigerer Lebensmuster, wie bereits kurz<br />
beschrieben, berücksichtigt, d.h. die zusätzlich während eines Tages zu erledigenden<br />
Aufgaben, so ist nicht so sehr die aufgewendete Zeit zur Erreichung<br />
des Arbeitsplatzes (Erwerbsmobilität) entscheidend, sondern die<br />
Gesamt-Mobilitätszeit (inkl. Versorgungsmobilität). Darüber hinaus ist sehr<br />
wohl von Bedeutung, welche Art des Beschäftigungsverhältnisses besteht.<br />
Wenn für die täglichen Wege viel Zeit aufgewendet werden muss, so wirkt<br />
sich dies bei geringfügiger Beschäftigung und bei Teilzeitbeschäftigungen<br />
erheblich stärker aus, als bei einem vollen Beschäftigungsverhältnis. Eine<br />
Vollzeitbeschäftigung macht allein vom Zeitbudget her gesehen die Erledigung<br />
zusätzlicher Aufgaben unmöglich.<br />
Das Verhältnis von Gesamtmobilitätszeit zu reiner Arbeitszeit hat somit<br />
unmittelbar Auswirkungen auf die Wahl des Verkehrsmittels.
Wahl des Verkehrsmittels<br />
Zahlreiche Studien aus anderen Regionen zeigen, dass Frauen sehr viel häufiger<br />
Bus und Bahn in Anspruch nehmen oder ihre Wege zu Fuß bzw. mit<br />
dem Fahrrad erledigen als Männer. Tendenziell trifft dies auch für <strong>Tirol</strong> zu,<br />
jedoch in abgeschwächter Form. Unter dem Vorbehalt, dass Studien nur<br />
bedingt vergleichbar sind, zeigen sich in der IMAD-Studie einige auffällige<br />
Unterschiede im Mobilitätsverhalten, die es wert sind, gesondert betrachtet<br />
zu werden.<br />
Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Frauen (51,9 Prozent), die sich für<br />
den Weg zur Arbeit für das Auto entscheiden. Verglichen mit ähnlichen<br />
Untersuchungen in anderen Regionen, bedeutet dies für <strong>Tirol</strong> einen fast<br />
5 Prozent höheren Anteil. Es ist dabei nicht differenziert, ob das Auto von<br />
den <strong>Tirol</strong>erinnen nur als Mitfahrgelegenheit in Anspruch genommen wird.<br />
Österreichweit (ohne Wien) sind dies immerhin 14 Prozent, laut einer Studie<br />
in Oberösterreich 15 Prozent.<br />
Männer Männer Frauen Frauen Männer Männer und<br />
<strong>Tirol</strong> <strong>Tirol</strong> und Frauen Frauen <strong>Tirol</strong><br />
Auto lenkend 60% 33% 47%<br />
Auto mitfahrend 6% 14% 10%<br />
Auto insgesamt 66% 59,0% 47% 51,9% 57% 55,4%<br />
Bus / Bahn 14% 9,3% 16% 15,8% 15% 12,6%<br />
Fahrrad 6% 13,0% 8% 9,0% 7% 11,0%<br />
zu Fuß 14% 18,6% 29% 23,3% 22% 21,0%<br />
Verkehrsmittelwahl in Österreich – ohne Wien (Quelle: VCÖ, Herry/Snizek, grips OÖ / 2001; ergänzt und im<br />
Vergleich zur IMAD-Studie im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> „Frauen im Beruf“ – November 2005)<br />
Es wird noch näher zu untersuchen sein, ob das hohe Maß an Verwendung<br />
eines PKW am schlechten Angebot des ÖPNV in <strong>Tirol</strong> liegt, vor allem wenn<br />
man bedenkt, dass die Verfügbarkeit eines PKW für Frauen deutlich geringer<br />
ist als bei Männern. Bei einem vorhandenen Auto pro Haushalt ist das Fahrzeug<br />
zu 30,1 Prozent auf die Frau angemeldet, zu 67,4 Prozent jedoch auf<br />
den Mann.<br />
131
132<br />
Wer ist der Autohalter bei einem Auto pro Haushalt?<br />
Der Anteil jener Personen, die das Auto zur Anfahrt zum Arbeitsplatz nutzen,<br />
steigt signifikant im Stadtumlandbereich bis zu einer Entfernung von 30 Kilometern.<br />
Aus diesem Bereich kommt laut Befragung der Großteil der Berufspendler.<br />
Hier scheint nach Einschätzung der Fahrgäste aber auch die Relation<br />
zwischen aufgewendeter Zeit und Komfort (Flexibilität, bedarfsgerechte<br />
Fahrpläne, usw.) besonders ungünstig für die öffentlichen Verkehrsmittel<br />
auszufallen. Gestärkt wird dieses Argument durch die Fahrgastdaten zahlreicher<br />
Anbieter im ÖPNV. Bei kurzen Entfernungen (innerstädtisch, Bus und<br />
Straßenbahn) und hoher Frequenz an Fahrten, sowie bei langen Strecken<br />
(Zug), wo durch den Einsatz des Autos kein Zeitgewinn möglich ist, wird der<br />
ÖPNV überproportional in Anspruch genommen.<br />
Die Kostenseite spielt natürlich auch für die Wahl des Verkehrsmittels eine<br />
Rolle, jedoch in deutlich untergeordneter Form, wie vielfach angenommen<br />
wird. Die viel strapazierte „Milchmädchenrechnung“ tut ihr übriges dazu: Die<br />
Kosten für den PKW werden als Fixkosten angesetzt, die jedenfalls anfallen;<br />
Pendlerpauschale, gelegentliche Kilometergelder usw. werden als Reduktion<br />
der Fixkosten eingestuft. Im Gegensatz dazu werden Kosten für den ÖPNV<br />
als zusätzliche Aufwendungen interpretiert, von Kostenwahrheit also keine<br />
Spur.<br />
Ebenfalls nicht weiter differenziert wurde bei den einspurigen Fahrzeugen<br />
zwischen motorisiert (Motorrad, Moped) und nicht motorisiert (Fahrrad).<br />
Demzufolge setzen 11 Prozent der <strong>Tirol</strong>er auf ein einspuriges Fahrzeug. Verglichen<br />
mit den übrigen Österreichern sind dies um 4 Prozent mehr. 13 Prozent<br />
der <strong>Tirol</strong>er Männer benutzen für den Weg zur Arbeit ein einspuriges<br />
Fahrzeug. Bedenkt man die langen Wege zur Arbeit, die beträchtlichen<br />
Höhenunterschiede, die zu überwinden sind und den 6 Prozent Fahrradanteil<br />
bei Männern in anderen Bundesländern, so wird’s nicht immer nur das<br />
„Radl“ sein, was verwendet wird. So ganz außerhalb des Trends sind in diesem<br />
Punkt die <strong>Tirol</strong>er nicht. Eine Differenzierung in diesem Bereich scheint<br />
sehr wohl notwendig.<br />
Aus zahlreichen Untersuchungen wird deutlich, dass das Mobilitätsverhalten<br />
aus den konkreten Lebenssituationen resultiert, in denen sich die Menschen
efinden. Daraus ergeben sich spezifische Bedürfnisse an die räumliche und<br />
zeitliche Verteilung von Infrastrukturangeboten sowie deren verkehrliche<br />
Erreichbarkeit. Frauen sind dabei Expertinnen im Umgang mit den Verkehrsmitteln<br />
des Umweltverbundes. Viele Fahrten sind jedoch als Zwangsmobilität<br />
einzustufen. So ist das Fahrrad für berufstätige Mütter deshalb interessant,<br />
weil sie die Wege zwischen Erwerbsarbeit und Familie möglichst<br />
schnell bewältigen wollen.<br />
Brauchen Frauen andere Angebote im Nahverkehr?<br />
Die Antwort ist ganz einfach. Ja! Frauen sind neben den Schülern die Hauptnutzergruppe<br />
öffentlicher Verkehrsmittel.<br />
Diese Verkehrsangebote müssen dementsprechend attraktiv sein. Um den<br />
Standard zu heben bzw. eine Anpassung des Angebotes zu erreichen,<br />
könnte die frühzeitige Einbeziehung von Frauen in die Planung ein wertvoller<br />
Schritt sein. So wie bei vielen Fragen des gesellschaftlichen Lebens ist es<br />
jedoch wichtig, wirklich Betroffene zu hören, Kunden zu befragen, auch<br />
Feldversuche zu starten und nicht so sehr Delegierte in ein Gremium zu entsenden.<br />
Ein Beispiel: Die gezielte Förderung einer eigenständigen Mobilität von Kindern<br />
und Jugendlichen mit entsprechenden Verkehrsangeboten, Tarifgestaltungen<br />
(außerhalb des Schülerverkehrs) wäre bereits ein wesentlicher Beitrag<br />
zur Reduktion der Zwangsmobilität von Frauen.<br />
Ein Imagewechsel ist notwendig. Der Öffentliche Personennahverkehr<br />
(ÖPNV) hat vielfach noch das Image des Verkehrs der alten Mitbürger, der<br />
Kinder und der einkommensschwachen Personen. Kinder und Jugendliche<br />
müssen auf Grund ihres Alters und des zur Verfügung stehenden Geldes Bus<br />
und Bahn benützen. Sie werden oft als Gruppe wahrgenommen, die den<br />
öffentlichen Verkehr eigentlich gratis benützt. Für Frauen gilt ähnliches. Der<br />
öffentliche Verkehr darf nicht zum Notprogramm für jene gesehen werden,<br />
die sich kein Auto leisten können.<br />
Verkehrspolitische Forderungen der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
• Umfassende Mobilitätsstudie für das Bundesland <strong>Tirol</strong>.<br />
• Förderungen bei der Umsetzung von Anrufsammeltaxis.<br />
• Zusammenführung und Neuorientierung der bisherigen räumlichen Trennung<br />
von Wohnen-Ausbildung-Arbeit-Freizeit unter dem Aspekt der<br />
Nachhaltigkeit und der kurzen Wege.<br />
• Gestaltung von Aufenthalts- und Warteräumen und nach den Bedürfnissen<br />
der Fahrgäste; z.B. Jugendliche wollen Spaß und Kommunikation,<br />
also mit Freunden reden, lesen, essen oder evtl. die Schulaufgaben<br />
machen.<br />
• Umgestaltung des VVT in einen Gesamtdienstleister: Es geht nicht darum,<br />
Fahrpläne und die Tarifstruktur abzubilden. Es geht vor allem darum, die<br />
gesamte Palette an erforderlichen Dienstleistungen anzubieten, z.B.:<br />
Gesamtangebot an Freizeitmöglichkeiten mit Informationen über An- und<br />
Abreise, Öffnungszeiten, Preise evtl. Fußwege u.a. zu offerieren.<br />
Frauen und Schüler<br />
Hauptnutznießer der<br />
Öffis<br />
133
134<br />
• Einbeziehung aller in Ausbildung stehender Personen bis zum vollendeten<br />
26. Lebensjahr in eine modifizierte Schüler- und Lehrlingsfreifahrt.<br />
• Aufnahme von Mindestrentnern und Notstandshilfebeziehern in ein Sondertarifsystem.<br />
• Einführung einer elektronischen Erfassung der Fahrgastzahlen in allen Verkehrsmitteln<br />
des ÖPNV.<br />
• Grundsätzliche Auseinandersetzung mit der (Tarif)Entwicklung im Öffentlichen<br />
Personennahverkehr in <strong>Tirol</strong>, insbesondere unter dem Aspekt der<br />
dramatischen Situation bei den <strong>Tirol</strong>er Haushaltseinkommen.<br />
• Erarbeitung eines Generalverkehrsplanes, mit Zielrichtung einer nachhaltigen<br />
und sozialverträglichen Verkehrspolitik, unter Einbeziehung der <strong>AK</strong><br />
<strong>Tirol</strong> als gesetzliche Interessenvertretung der Berufspendler sowie der<br />
Sprecher anderer privater Verkehrsinitiativen.<br />
• Schaffung eines Anreizinstrumentariums für Job-Ticketing und betriebliches<br />
Mobilitätsmanagement.<br />
• Verbesserung des Wagenmaterials.<br />
• Überarbeitung der bestehenden ÖPNV-Förderung des Landes <strong>Tirol</strong>.<br />
• Preisstopp beim VVT: Preisanpassung nur dann, wenn entsprechende<br />
Investitionen in den öffentlichen Verkehr sichtbar sind.<br />
• Überarbeitung der Fahrtkostenbeihilfe des Landes.
Arbeitsmarktentwicklung 2005<br />
135
136<br />
Frauen dominieren bei<br />
atypischen Arbeitsverhältnissen<br />
Arbeitsmarktentwicklung 2005<br />
Österreichische Arbeitsmarktentwicklung<br />
Die Schwäche der derzeitigen Konjunktur – das Wirtschaftswachstum wird<br />
heuer niedriger (WIFO Prognose: Plus 1,9 Prozent) ausfallen als im Vorjahr<br />
(plus 2,4 Prozent) – und der hohe Arbeitskräftezustrom sind Ursache des<br />
weiteren Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Österreich. Damit nimmt die<br />
Arbeitslosigkeit nunmehr schon das fünfte Jahr in Folge zu.<br />
Im Monatsdurchschnitt des Jahres 2005 betrug die nach nationalen Standards<br />
errechnete Arbeitslosenrate in Österreich 7,2 Prozent und war um<br />
0,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.<br />
Insgesamt wurden 2005 im Monatsdurchschnitt 3.538.119 unselbstständige<br />
Beschäftigungsverhältnisse registriert. Davon entfielen 3.236.343 auf Standardarbeitsplätze<br />
(91,5 Prozent), die atypischen Arbeitsverhältnisse<br />
(301.776 bzw. 8,5 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse) setzten sich aus<br />
229.746 geringfügig Beschäftigten (6,5 Prozent), 45.368 geringfügig freien<br />
Beschäftigten (1,3 Prozent) und 26.662 freien Dienstverhältnissen (0,8 Prozent)<br />
zusammen. Generell muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen<br />
werden, dass dabei prinzipiell Arbeitsverhältnisse und nicht Personen<br />
gezählt werden. Dieser Hinweis ist insbesondere bei den atypischen<br />
Beschäftigungsformen zu berücksichtigen, da derartige Arbeitsverhältnisse<br />
oft von Personen ausgeübt werden, die auch in anderen Arbeitsverhältnissen<br />
beschäftigt sind.<br />
Bezogen auf die Gesamtheit der unselbstständigen Arbeitsverhältnisse<br />
machte der Frauenanteil 48,0 Prozent aus. Bei den Standardbeschäftigten,<br />
also den voll versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, war die Frauenquote<br />
mit 45,8 Prozent niedriger, bei den atypischen Arbeitsverhältnissen<br />
dominieren hingegen Frauen. 70 Prozent der geringfügigen, 59 Prozent der<br />
geringfügig freien Beschäftigungsverhältnisse und 50 Prozent der freien<br />
Dienstverträge werden von Frauen ausgeübt.<br />
In den letzten Jahren haben sich bei den Standardbeschäftigten und den<br />
freien Dienstverträgen die Frauenanteile erhöht, bei den geringfügigen und
den geringfügig freien Beschäftigungsverhältnissen ist er gesunken. Österreichweit<br />
hat die Zahl der bei den Sozialversicherungsträgern erfassten<br />
unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse, Standardbeschäftigte und<br />
atypisch Beschäftigte (bestehend aus geringfügig Beschäftigten, geringfügig<br />
freien Beschäftigten und freien Dienstverträgen) im Monatsdurchschnitt<br />
2005 um plus 1,3 Prozent zugenommen.<br />
Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der gesamten Arbeitsplätze<br />
bzw. Beschäftigungsverhältnisse um 45.300. Davon entfielen 79 Prozent der<br />
neuen Beschäftigungsverhältnisse auf Standardarbeitsverhältnisse (35.843),<br />
21 Prozent (9.457) auf atypische Arbeitsverhältnisse.<br />
Die Zunahme bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen (plus 3,2 Prozent)<br />
lag, wie in allen Jahren seit Einführung dieser Beschäftigungsformen,<br />
auch 2005 über dem Zuwachs an Standardarbeitsplätzen (plus 1,13). Am<br />
stärksten zugenommen haben die freien Dienstverhältnisse (plus 6,6 Prozent),<br />
die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stiegen um plus<br />
3,1 Prozent, die geringfügig freien Dienstverträge um plus 2,2 Prozent.<br />
Dem Trend der letzten Jahre entsprechend sind auch 2005 die atypischen<br />
Beschäftigungsverhältnisse bei den Männern (plus 4,0 Prozent) stärker als<br />
bei den Frauen (plus 2,9 Prozent) gestiegen. Diese Tendenz zeigt sich nicht<br />
nur bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen, sondern generell bei<br />
den Teilzeitbeschäftigten: Obwohl diese Beschäftigungsformen überwiegend<br />
von Frauen eingenommen werden, sind die Zuwächse bei den Männern<br />
höher.<br />
In regionaler Betrachtung weisen die westlichen Bundesländer und Wien die<br />
höchsten Anteile atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf: In Vorarlberg<br />
sind es 9,9 Prozent, in Salzburg 9,6 Prozent, in <strong>Tirol</strong> 9,2 Prozent und in Wien<br />
ebenfalls 9,2 Prozent. Österreichweit beträgt der Anteil 8,5 Prozent. Bei den<br />
Frauen liegt der Anteil derartiger atypischer Beschäftigungsformen<br />
(11,9 Prozent) mehr als doppelt so hoch wie bei den Männern (5,4 Prozent).<br />
Die Zuwachsraten bei der atypischen Beschäftigung schwankten im Jahr<br />
zwischen plus 1,7 Prozent in <strong>Tirol</strong> und plus 6,1 Prozent im Burgenland. In<br />
allen Bundesländern wuchsen atypische Beschäftigungsformen stärker als<br />
die Standardbeschäftigung. Eine Ausnahme gab es lediglich bei den weiblichen<br />
Arbeitnehmerinnen in <strong>Tirol</strong>, wo der Zuwachs bei der Standardbeschäftigung<br />
höher ausfiel als bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen.<br />
137
138<br />
Starker Arbeitskräftezustrom<br />
aus dem<br />
Ausland<br />
Bei der Standardbeschäftigung lagen die Zuwachsraten zwischen plus<br />
0,4 Prozent in Wien und plus 1,8 Prozent in Oberösterreich, Österreichweit<br />
wurden plus 1,1 Prozent erreicht. Positiv zu vermerken ist, dass die<br />
Zunahme bei den Standardbeschäftigten heuer deutlich höher als im Vorjahr<br />
(plus 0,5 Prozent), bzw. in den letzten Jahren ausgefallen ist: Die Standardbeschäftigtenzunahme<br />
des Jahres 2005 war die höchste seit 1991<br />
(Beschäftigungswachstum von plus 2,0 Prozent).<br />
Wie schon in den Vorjahren nahm die Frauenbeschäftigung (plus 1,8 Prozent)<br />
stärker zu als die Männerbeschäftigung (plus 0,6 Prozent)<br />
Während bei den Frauen die Zahl der Arbeitsplätze in allen Bundesländern<br />
zugenommen hat, hielt bei den Männern in Wien der Arbeitsplatzabbau an,<br />
in allen anderen Bundesländern gab es Beschäftigtenzunahmen (zwischen<br />
plus 0,1 Prozent in der Steiermark und plus 1,2 Prozent in Niederösterreich).<br />
Allerdings war die Beschäftigungszunahme auch im Jahr 2005 zu gering, um<br />
einen weiteren Anstieg der vorgemerkten Arbeitslosen (plus 3,6 Prozent) zu<br />
verhindern.<br />
Die Zunahme der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigender Beschäftigung<br />
ist nur durch den starken Arbeitskräftezustrom bzw. das steigende Arbeitskräfteangebot,<br />
nicht zuletzt aus dem Ausland, zu erklären. Hinzu kommt,<br />
dass, ebenso wie in den letzten Jahren, die Beschäftigungsausweitung vor<br />
allem durch Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung, auch innerhalb der Standardbeschäftigten,<br />
erfolgte.<br />
Wie in den letzten Jahren basiert auch heuer die Beschäftigungszunahme<br />
auf verstärkter Ausländerbeschäftigung. Im Monatsdurchschnitt 2005<br />
erhöhte sich die Ausländerbeschäftigung um plus 3,3 Prozent, die Inländerbeschäftigung<br />
nahm um plus 0,8 Prozent zu.<br />
Branchenmäßig basiert die Ausweitung der Standardbeschäftigung (plus<br />
1,1 Prozent) im heurigen Jahr alleine auf steigender Beschäftigung im<br />
Dienstleistungsbereich (plus 2,0 Prozent), der produktive Sektor musste<br />
einen starken Rückgang an Arbeitsplätzen (minus 1,5 Prozent) hinnehmen.<br />
Im primären Sektor stieg die Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft.<br />
Damit hat sich die schon im Jahr 2004 gezeigte branchenspezifische Entwicklung<br />
auch 2005 im Wesentlichen fortgesetzt. Der um die Karenz-, Kindergeldbezieher<br />
und Präsenzdiener bereinigte Zuwachs der Aktivbeschäftigten<br />
machte 1,0 Prozent aus (2004: Plus 0,3 Prozent).<br />
Innerhalb der Dienstleistungen entwickelten sich durchwegs alle Branchen<br />
(Ausnahme Gesundheits-Veterinär-Sozialwesen mit –0,5 Prozent) positiv.<br />
Besonders starke Beschäftigungsausweitungen wurden in den Wirtschaftsbereichen<br />
Unternehmensdienste-Realitätenwesen (plus 4,4 Prozent), Verkehr-Nachrichtenübermittlung<br />
(plus 4,4 Prozent) und Beherbergungs- Gaststättenwesen<br />
(plus 2,9) getätigt. Innerhalb der Branche Verkehr-Nachrichtenübermittlung<br />
war die Entwicklung sehr widersprüchlich, Beschäftigtenausweitungen<br />
im Land- und Flugverkehr standen Rückgänge in den<br />
Bereichen Nachrichtenübermittlung (minus 4,6 Prozent) und Schifffahrt<br />
gegenüber.<br />
Innerhalb des sekundären Sektors wurden, ebenso wie im Vorjahr, vor allem<br />
im Sachgüterbereich (minus 2,0 Prozent) Arbeitsplätze abgebaut, der<br />
Beschäftigtenstand in der Bauwirtschaft verblieb auf Vorjahresniveau.
Die Branchen des Sachgüterbereichs entwickelten sich mehrheitlich negativ,<br />
eine Ausnahme bildeten lediglich die Mehrheit der Metallbranchen und die<br />
Papier- Pappeerzeugung.<br />
Im Jahr 2005 waren monatsdurchschnittlich 252.657 Arbeitnehmer als<br />
arbeitslos gemeldet, das war gegenüber dem Vorjahreszeitraum eine<br />
Zunahme um monatsdurchschnittlich 8.777 Arbeitslose bzw. um plus<br />
3,6 Prozent. Die Arbeitslosenzunahme war damit etwas höher als im Vorjahresvergleichszeitraum.<br />
Trotz günstigerer Beschäftigungsentwicklung nahm<br />
die Zahl arbeitsloser Frauen (108.415: plus 4,6 Prozent) etwas stärker zu als<br />
die der Männer (144.238: plus 2,8 Prozent).<br />
Mit Ausnahme von Wien (minus 0,7 Prozent) verzeichneten alle Bundesländer<br />
einen Anstieg der Arbeitslosen, am stärksten Vorarlberg (plus 11,4 Prozent)<br />
und Oberösterreich (plus 7,0 Prozent).<br />
Im Jahr 2005 befanden sich monatsdurchschnittlich 48.590 Arbeitslose in<br />
Schulungskursen und waren, weil sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung<br />
standen, nicht in den offiziellen Arbeitslosenzahlen enthalten. Gegenüber<br />
dem Vorjahr hat sich die Zahl der Schulungsteilnehmer um knapp 14 Prozent<br />
erhöht. Unter Einbeziehung der sich auf Schulungskursen befindlichen<br />
Arbeitslosen waren 301.247 Arbeitslose monatsdurchschnittlich registriert,<br />
der Anteil der Schulungsteilnehmer machte 16 Prozent aus. Gegenüber dem<br />
Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen inklusive Schulungsteilnehmer um plus<br />
5,1 Prozent bzw. um monatsdurchschnittlich 14.722 Personen gestiegen.<br />
Österreichweit hat sich die nach nationalen Standards errechnete Arbeitslosenrate<br />
um plus 0,1 Prozentpunkte auf 7,2 Prozent erhöht. Lediglich Wien<br />
registrierte einen Rückgang der Arbeitslosenrate, in Salzburg verblieb die<br />
Arbeitslosigkeit auf Vorjahresniveau, in allen anderen Bundesländern ist sie<br />
gestiegen.<br />
Die Arbeitslosenrate in <strong>Tirol</strong> erreichte monatsdurchschnittlich 5,8 Prozent,<br />
nach 5,6 Prozent im Jahr 2004. Trotz dieses starken Anstiegs weisen nur<br />
Oberösterreich (4,7 Prozent) und Salzburg (5,1 Prozent) eine bessere<br />
Im Monatsschnitt<br />
252.657 Arbeitslose in<br />
Österreich<br />
Monatlich 48.590 Arbeitslose<br />
in Schulungen<br />
Arbeitslosenrate in <strong>Tirol</strong><br />
5,8 Prozent im Monatsschnitt<br />
139
140<br />
Arbeitslosenrate samt<br />
Schulungsteilnehmern:<br />
6,3 Prozent<br />
Arbeitsmarktbilanz auf. Die höchste Arbeitslosigkeit verzeichneten Wien<br />
(9,7 Prozent) und das Burgenland (9,0 Prozent).<br />
Würden die sich auf Schulungen befindlichen Arbeitslosen auch als Arbeitslose<br />
gezählt werden, würde die Arbeitslosenrate Österreichs auf 8,5 Prozent<br />
ansteigen (<strong>Tirol</strong>: 6,3 Prozent).<br />
Die nach EU-Standards ermittelte Arbeitslosigkeit in Österreich stieg auf<br />
5,1 Prozent, nach 4,8 Prozent im Jahr 2004.<br />
Weiterhin positiv entwickelte sich im Bundesländerdurchschnitt das von den<br />
Unternehmungen an das Arbeitsmarktservice gemeldete Stellenangebot,<br />
das nach wie vor steigende Tendenz aufweist (plus 10 Prozent). Trotz dieser<br />
Verbesserung standen den monatsdurchschnittlich 252.657 Arbeitslosen nur<br />
26.209 offene Stellen zur Verfügung!<br />
Ausgenommen von einer Verbesserung des Stellenangebots waren die Bundesländer<br />
Steiermark (minus 4 Prozent) und <strong>Tirol</strong> (minus 1 Prozent), wo sich<br />
der Stellenmarkt weiterhin verschlechterte.<br />
Beschäftigungsentwicklung in <strong>Tirol</strong><br />
Unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse in <strong>Tirol</strong><br />
Beschäftigungs- Standard- Beschäftigungsverhältnisse Alle<br />
verhältnisse besch. Geringfügige Freie geringfügig- Atypi-<br />
Freie schen<br />
Jahr Insgesamt Anteil Anteil Anteil Anteil<br />
1998 270.904 253.418 17.486 6,5% - - - - 17.486 6,5%<br />
1999 278.152 257.701 19.145 6,9% 1.3<strong>06</strong> 0,5% - - 20.451 7,4%<br />
2000 283.534 262.322 19.721 7,0% 1.491 0,5% - - 21.212 7,5%<br />
2001 288.497 266.626 20.316 7,0% 1.555 0,5% - - 21.871 7,6%<br />
2002 297.528 271.148 20.874 7,0% 1.648 0,6% 3.858 1,3% 26.380 8,9%<br />
2003 301.408 274.337 21.454 7,1% 1.636 0,5% 3.981 1,3% 27.071 9,0%<br />
2004 304.366 276.502 21.504 7,1% 1.896 0,6% 4.464 1,5% 27.864 9,2%<br />
2005 309.179 280.838 21.980 7,1% 1.803 0,6% 4.558 1,5% 28.341 9,2%<br />
Veränderung (Anteile in Prozentpunkten)<br />
2005:199814,1% 10,8% 25,7% 0,6% - - - - 62,1% 2,7%<br />
2005:2000 9,0% 7,1% 11,5% 0,1% 20,9% 0,1% - - 33,6% 1,7%<br />
2005:2002 3,9% 3,6% 5,3% 0,1% 9,4% 0,0% 18,1% 0,2% 7,4% 0,3%<br />
2003 1,3% 1,2% 2,8% 0,1% -0,7% -0,1% 3,2% 0,0% 2,6% 0,1%<br />
2004 1,0% 0,8% 0,2% 0,0% 15,9% 0,1% 12,1% 0,2% 2,9% 0,2%<br />
2005 1,6% 1,6% 2,2% 0,0% -4,9% 0,0% 2,1% 0,0% 1,7% 0,0%<br />
Jahreswerte sind 12 Monatsdurchschnittswerte<br />
Quelle: Hauptverband Öst. SV.Träger; Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>
Die Zahl der gesamtbeschäftigten Arbeitnehmer hat im Jahr 2005 um<br />
1,6 Prozent auf 309.179 zugenommen, bei den Standardbeschäftigten<br />
(280.838) machte der Zuwachs ebenfalls plus 1,6 Prozent aus, die atypischen<br />
Arbeitsverhältnisse haben sich um plus 1,7 Prozent auf 28.341 erhöht.<br />
Innerhalb der atypischen Beschäftigungsverhältnisse haben die geringfügigen<br />
(21.980) um plus 2,2 Prozent und die geringfügig freien Beschäftigungsverhältnisse<br />
(4.558) um plus 2,1 Prozent zugenommen. Der Rückgang bei<br />
den freien Dienstverträgen um minus 4,9 Prozent auf 1.803 Dienstverhältnisse<br />
hängt zwar auch mit den außergewöhnlich starken Zunahmen zwischen<br />
März und Juni des Jahres 2004 und den damit verbundenen Rückgängen<br />
in diesen Monaten im Jahr 2005 zusammen, hat sich jedoch in der<br />
zweiten Jahreshälfte 2005 auch als eigenständiger Trend durchgesetzt.<br />
Bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen weist <strong>Tirol</strong> den niedrigsten<br />
Zuwachs aller Bundesländer auf, bei den Standardarbeitsplätzen den zweithöchsten.<br />
Im Bundesländervergleich konnte nur Oberösterreich eine stärkere<br />
Beschäftigungsausweitung bei den vollversicherten Arbeitnehmern<br />
(plus 1,7 Prozent) erreichen.<br />
Im Vergleich zum Vorjahr war das Wachstum der Standardbeschäftigung in<br />
<strong>Tirol</strong> heuer doppelt so stark. Bei den Aktivbeschäftigten, also ohne Berücksichtigung<br />
von Karenz-, Kindergeldbeziehern und Präsenzdienern, machte<br />
die Beschäftigtenzunahme plus 1,8 Prozent aus. Damit lag das Wachstum<br />
über der Zuwachsrate der atypisch Beschäftigten.<br />
In <strong>Tirol</strong> ist der Frauenanteil bei den atypisch Beschäftigten höher (71,1 Prozent<br />
in <strong>Tirol</strong>, 66,9 Prozent im Bundesländerdurchschnitt) und bei den Standardbeschäftigten<br />
niedriger als im Österreichvergleich (45,4 Prozent in <strong>Tirol</strong>,<br />
46,2 Prozent im Bundesländerdurchschnitt).<br />
Im Unterschied zur Österreichweiten Entwicklung verzeichneten in <strong>Tirol</strong> die<br />
Frauen (plus 1,8 Prozent) eine stärkere Zunahme bei den atypischen<br />
Beschäftigungsverhältnissen als die Männer (plus 1,4 Prozent). Sowohl bei<br />
Frauen als auch bei Männern lagen die Zuwächse unter dem Wachstum der<br />
letzten beiden Jahre.<br />
Analog zur Österreichweiten Entwicklung basiert die Ausweitung bei der<br />
Standardbeschäftigung vor allem auf steigender Frauenbeschäftigung (plus<br />
2,0 Prozent). Die Männerbeschäftigung ist um plus 1,2 Prozent ausgeweitet<br />
worden.<br />
Die in <strong>Tirol</strong> schon seit 1998 anhaltende überdurchschnittliche Zunahme von<br />
ausländischen Standardbeschäftigten setzte sich auch im Jahr 2005 weiter<br />
fort, die Zahl der ausländischen Standardbeschäftigten hat sich um plus<br />
4,5 Prozent erhöht, nach einem Zuwachs von plus 5,2 Prozent im Vorjahr. Die<br />
Inländerbeschäftigung hat um plus 1,1 Prozent zugenommen (2004: plus<br />
0,2 Prozent). Im Vergleich zum Jahr 1997 hat sich die Ausländerbeschäftigung<br />
um plus 54,1 Prozent erhöht, die Zahl der standardbeschäftigten Inländer<br />
ist hingegen um plus 7,6 Prozent angestiegen.<br />
Der Ausländeranteil bei den standardbeschäftigten Arbeitnehmern macht<br />
nun in <strong>Tirol</strong> 13,3 Prozent aus, österreichweit 11,6 Prozent. Von den in <strong>Tirol</strong><br />
monatsdurchschnittlich 280.838 unselbstständig Beschäftigten hatten<br />
37.357 eine ausländische Staatsbürgerschaft.<br />
280.800 Standardbeschäftigte<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
Frauenanteil bei den<br />
Atypischen in <strong>Tirol</strong>:<br />
71 Prozent<br />
Ausländeranteil bei<br />
Standardbeschäftigung<br />
in <strong>Tirol</strong> liegt bei<br />
13,3 Prozent – Das sind<br />
37.356 Personen<br />
Innerhalb von acht<br />
Jahren stieg Zahl ausländischer<br />
Arbeitnehmer<br />
in <strong>Tirol</strong> um 54 Prozent<br />
141
142<br />
Gesamter Nettozuwachs<br />
ausländischer Arbeitnehmer<br />
in <strong>Tirol</strong> im Jahr 2005<br />
wird allein durch<br />
Deutsche abgedeckt<br />
Der Zustrom deutscher Arbeitskräfte hat auch 2005 angehalten. Bereits<br />
22 Prozent aller ausländischen Standardbeschäftigten entfallen auf Deutsche<br />
(8.279). Der gesamte Nettozuwachs ausländischer Arbeitnehmer (plus<br />
1.700) im Jahr 2005 wird allein durch Deutsche abgedeckt.<br />
Branchenmäßig basiert die positive Beschäftigungsentwicklung (4.668 zusätzliche<br />
Arbeitsplätze) nahezu zur Gänze auf Arbeitsplatzausweitungen in<br />
den Dienstleistungsbranchen (plus 4.654 Arbeitsplätze bzw. plus 2,5 Prozent).<br />
Das Beschäftigungsniveau im Produktionssektor verblieb auf<br />
Vorjahresniveau (plus 36 Arbeitsplätze), war also, im Unterschied zur österreichischen<br />
Entwicklung (minus 1,5 Prozent), nicht negativ.<br />
Die im Vergleich zum Vorjahr deutlich schwächere Beschäftigtenentwicklung<br />
im produktiven Sektor ist vor allem auf den Arbeitsplatzabbau in der <strong>Tirol</strong>er<br />
Bauwirtschaft (minus 1,4 Prozent) zurückzuführen: In den Branchen Bergbau,<br />
Steine- und Erdengewinnung, Sachgütererzeugung und Energie- und<br />
Wasserversorgung wurde die Beschäftigung ausgeweitet (plus 0,7 Prozent).<br />
In der Sachgütererzeugung hat die Beschäftigungsdynamik allerdings an<br />
Schwung verloren, der Zuwachs hat sich, verglichen mit 2004, halbiert.<br />
Innerhalb der Sachgütererzeugung, des gewerblich-industriellen Bereichs,<br />
gingen die stärksten Beschäftigungsimpulse von den Wirtschaftsabteilungen<br />
Herstellung Glas, Stein- und Erdwaren, der Holzbe- und Verarbeitung<br />
und der Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren aus.<br />
Der bereits seit Mitte der 80er Jahre anhaltende Verlust von Textilarbeitsplätzen<br />
hielt auch im Vorjahr weiter an (minus 15 Prozent), in dieser Branche gibt<br />
es in <strong>Tirol</strong> nur noch 662 Arbeitsplätze (im Jahr 1985 waren es noch 3.914).<br />
Arbeitsmarkt in <strong>Tirol</strong> nach Wirtschaftsabschnitten<br />
Durchschnitt Jänner 2005 bis Dezember 2005<br />
Veränderung gegenüber dem Zeitraum 2004<br />
Wirtschaftsabschnitte Standardbeschäftigte +/– Arbeitslose +/– AL-Rate +/–<br />
A Land- Forstwirtschaft 2.478 -23 -0.9% 259 +1 +0.4% 9.5% +0.1%<br />
B Fischerei,Fischzucht 7 +1 +16.7% 1 +0 +0.0% 12.5% -1.8%<br />
C Bergbau,Steine-,Erdengewinnung 758 +6 +0.8% 40 +2 +5.3% 5.0% +0.2%<br />
D Sachgütererzeugung 47.941 +318 +0.7% 1.785 +131 +7.9% 3.6% +0.2%<br />
E Energie-Wasserversorgung 2.950 +20 +0.7% 38 +5 +15.2% 1.3% +0.2%<br />
F Bauwesen 22.379 -308 -1.4% 3.073 +133 +4.5% 12.1% +0.6%<br />
G Handel,Reparatur,Tankstellen 43.997 +853 +2.0% 2.138 +154 +7.8% 4.6% +0.2%<br />
H Beherbergungs-Gaststättenwesen 30.179 +1.174 +4.0% 6.055 +262 +4.5% 16.7% +0.1%<br />
I Verkehr, Nachrichtenübermittlung 21.193 +676 +3.3% 764 +62 +8.8% 3.5% +0.2%<br />
J Kredit-,Versicherungswesen 8.854 +15 +0.2% 150 +18 +13.6% 1.7% +0.2%<br />
K Unternehmensdienste,Realitäten 15.248 +236 +1.6% 532 +65 +13.9% 3.4% +0.4%<br />
L Öff.Verw.,Landesvert.,Sozialvers. 28.848 +1.039 +3.7% 272 +22 +8.8% 0.9% +0.0%<br />
M Unterrichtswesen 12.881 +246 +1.9% 205 +9 +4.6% 1.6% +0.1%<br />
N Gesundheits-,Veter.-,Sozialwesen 18.219 +65 +0.4% 450 +53 +13.4% 2.4% +0.3%<br />
O Sonst. öff. pers. Dienstleistungen 13.040 +357 +2.8% 946 +100 +11.8% 6.8% +0.5%<br />
P Private Haushalte 372 -8 -2.1% 29 +3 +11.5% 7.2% +0.8%<br />
Q Exterritoriale Organisationen 3 +1 +50.0% 49 +12 +32.4% 94.2% -0.7%<br />
ALLE 280.838 +4.336 +1.6% 17.439 +1.071 +6.5% 5.8% +0.2%<br />
ALLE BRANCHEN 269.346 +4.668 +1.8% 16.783 +1.031 +6.5% 5.9% +0.3%<br />
Primärer Sektor 2.485 -22 -0.9% 260 +1 +0.4% 9.5% +0.1%<br />
Produktionssektor 74.028 +36 +0.0% 4.936 +271 +5.8% 6.3% +0.4%<br />
Dienstleistungssektor 192.833 +4.654 +2.5% 11.587 +759 +7.0% 5.7% +0.3%<br />
ALLE inklusive Präsenzdiener und KRG-KGB-Bezieher bei den Beschäftigten<br />
inklusive Schulabgänger und Sonstiger bei den Arbeitslosen<br />
Quelle: Hauptverband Öst. Sozialversicherungsträger, Arbeitsmarktservice • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>
In den Dienstleistungsbranchen gab es mit Ausnahme der privaten Haushalte<br />
in allen Wirtschaftsabteilungen Beschäftigungsausweitungen: Am<br />
stärksten expandierte der Beschäftigtenstand im Beherbergungs-Gaststättenwesen<br />
(plus 4,0 Prozent), in der Öffentlichen Verwaltung, Landesverteidigung,<br />
Sozialversicherung (plus 3,7 Prozent) und im Bereich Verkehr-Nachrichtenübermittlung<br />
(trotz Rückgängen bei der Nachrichtenübermittlung-<br />
Post ein Zuwachs von plus 3,3).<br />
Bei den Frauen fiel die Standardbeschäftigtenzunahme (plus 2,5 Prozent bei<br />
den „Aktivbeschäftigten“, plus 2,0 Prozent bei den Gesamtbeschäftigten<br />
inklusive Karenzgeldbezieherinnen) doppelt so stark aus wie bei den Männern<br />
(plus 1,2 Prozent). Trotzdem war die Beschäftigungsausweitung bei den<br />
Männern die höchste seit dem Jahr 1992.<br />
In der überwiegenden Mehrheit der Branchen verzeichneten Frauen eine<br />
günstigere Beschäftigungsentwicklung als Männer: Eine Ausnahme bildet<br />
das Beherbergungs-Gaststättenwesen, wo die Beschäftigungsausweitung<br />
der Männer höher als bei den Frauen ausfiel.<br />
Arbeitslosenentwicklung in <strong>Tirol</strong><br />
An der seit März 2001 anhaltenden negativen Arbeitsmarktentwicklung mit<br />
kontinuierlicher Zunahme der Arbeitslosen hat sich auch im Jahr 2005<br />
grundsätzlich nichts verändert, in allen Monaten mit Ausnahme vom März<br />
und Dezember (geringfügig niedrigere Arbeitslosenzahlen) wurden mehr<br />
Arbeitslose als im Vorjahr registriert. Im Monatsdurchschnitt 2005 waren<br />
17.439 Arbeitnehmer als arbeitslos gemeldet, das waren um monatsdurchschnittlich<br />
1.071 Personen bzw. plus 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr.<br />
Die Arbeitslosenzunahme im Jahr 2005 war höher als in den Vorjahrjahren<br />
(2004: plus 4,0 Prozent), Österreichweit verzeichnete <strong>Tirol</strong> den dritthöchsten<br />
Zuwachs (hinter Vorarlberg mit plus 11,4 Prozent und Oberösterreich mit<br />
plus 7,0 Prozent) aller Bundesländer.<br />
Im Monatsschnitt<br />
17.439 Arbeitslose in<br />
<strong>Tirol</strong><br />
143
144<br />
Weitere 1.553 Arbeitslose<br />
in Schulung<br />
Rekordwert in <strong>Tirol</strong>: Rund<br />
71.000 <strong>Tirol</strong>er waren 2005<br />
zumindest einmal<br />
arbeitslos<br />
46,2 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen waren Frauen (8.053). Die Arbeitslosenzunahme<br />
bei den Frauen (plus 7,1 Prozent) war geringfügig höher als<br />
bei den Männern (plus 6,1 Prozent). Die Arbeitslosenraten von Männern<br />
(5,8 Prozent) und Frauen (5,9 Prozent) unterscheiden sich nur unwesentlich.<br />
1.553 arbeitslose Personen in <strong>Tirol</strong> befanden sich 2005 monatsdurchschnittlich<br />
auf Schulungsmaßnahmen und waren daher nicht als Arbeitslose ausgewiesen.<br />
Entgegen dem Österreichweiten Trend ist die Zahl der arbeitslosen<br />
Schulungsteilnehmer in <strong>Tirol</strong> 2005 gesunken (minus 4 Prozent), während<br />
er im Bundesländerdurchschnitt um plus 14 Prozent gestiegen ist.<br />
Unter Einbeziehung der nicht als arbeitslos registrierten Schulungsteilnehmer<br />
beim Arbeitsmarktservice waren im Jahr 2005 monatsdurchschnittlich<br />
18.992 Erwerbspersonen in <strong>Tirol</strong> arbeitslos, um 1.009 oder plus 6,5 Prozent<br />
mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei Berücksichtigung, also Einrechnung der<br />
Schulungsteilnehmer zu den Arbeitslosen ist der Arbeitslosenzuwachs in<br />
<strong>Tirol</strong> und Österreich (plus 5,1 Prozent) nahezu gleich hoch.<br />
Infolge der unterschiedlichen Entwicklung bei den Schulungsmaßnahmen<br />
liegt nun der Anteil der Schulungsteilnehmer an den Gesamtarbeitslosen in<br />
<strong>Tirol</strong> bei nur 8,2 Prozent, gegenüber 16,1 Prozent im Bundesländerdurchschnitt.<br />
In <strong>Tirol</strong> waren Frauen überdurchschnittlich (50,5 Prozent) bei den<br />
Schulungsteilnehmern vertreten, Österreichweit erreichte der Frauenanteil<br />
nur 42,9 Prozent.<br />
Die monatsdurchschnittlichen und stichtagsbezogenen Bestandszahlen<br />
führen oftmals zu einer Unterschätzung der Arbeitslosenproblematik, insbesondere<br />
dann, wenn vergessen wird, die Zahlen als monatsdurchschnittlich<br />
zu bezeichnen und interpretieren.<br />
Aus den im gesamten Jahresverlauf 2005 erhobenen Daten geht hervor,<br />
dass insgesamt 107.321 Arbeitslosenfälle – 90.195 Arbeitslosenzugänge<br />
zwischen Jänner und Dezember sowie 17.126 Arbeitslose Ende Dezember<br />
2004 – bei den <strong>Tirol</strong>er Arbeitsmarktservicestellen registriert wurden, das<br />
waren um plus 3,9 Prozent mehr als im Vorjahresvergleichszeitraum.<br />
Die 90.195 Arbeitslosenzugänge (plus 3,5 Prozent) im Laufe des Vorjahres<br />
stellen einen noch nie in <strong>Tirol</strong> registrierten Rekordwert dar, selbst im Jahr<br />
1998, dem Jahr mit dem höchsten Durchschnittsbestand an Arbeitslosen<br />
(16.904), war der Arbeitslosenzugang (80.547) deutlich niedriger. Erfreulicherweise<br />
wurde auch bei den Arbeitslosenabgängen 2005 ein Höchstwert<br />
von 94.782 (plus 6,5 Prozent) erreicht.<br />
Obwohl derzeit noch keine personenbezogenen Auswertungen der Arbeitslosigkeit<br />
vorliegen, ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der von Arbeitslosigkeit<br />
betroffenen Personen im Jahr 2005 mit circa 71.000 Personen in <strong>Tirol</strong><br />
einen neuen Höchstwert erreicht haben.<br />
Die erneute Erhöhung der Arbeitslosenzugänge und -abgänge sind ein Indikator<br />
für die verstärkte, durch Arbeitslosigkeit erzwungene, hohe Mobilität<br />
der Arbeitnehmer.<br />
Trotz überproportional steigender Ausländerbeschäftigung nahm die Ausländerarbeitslosigkeit<br />
(plus 8,7 Prozent) auch im heurigen Jahr stärker zu als die<br />
der Inländer (plus 6,1 Prozent). Diese Entwicklung hält nun bereits das fünfte<br />
Jahr an. Die überproportionale Zunahme arbeitsloser Ausländer kann als
Indikator dafür gewertet werden, dass zusätzliche Ausländerbeschäftigung<br />
auch die Arbeitsplätze bereits integrierter Ausländer bedroht: Vom Jahr 2000<br />
bis 2005 hat sich die Ausländerbeschäftigung in <strong>Tirol</strong> um plus 41 Prozent<br />
erhöht, gleichzeitig hat die Arbeitslosigkeit ausländischer Erwerbstätiger um<br />
plus 52 Prozent zugenommen. Bei den Inländern hat sich die Zahl der<br />
Arbeitslosen im gleichen Zeitraum um plus 25 Prozent erhöht (bei einem<br />
Beschäftigungswachstum von plus 3,3 Prozent).<br />
Im Monatsdurchschnitt 2005 waren 2.943 ausländische Erwerbstätige als<br />
arbeitslos gemeldet, das waren 16,9 Prozent aller Arbeitslosen. Die Arbeitslosenrate<br />
der Ausländer betrug 7,3 Prozent, die der Inländer 5,6 Prozent.<br />
Es scheint offensichtlich, dass die seit dem Jahr 2000 stark zunehmende<br />
Neubeschäftigung von Ausländern sowohl bestehende Arbeitsplätze von<br />
Ausländern als auch von Inländern gefährdet.<br />
In <strong>Tirol</strong> spielt die saisonale Arbeitslosigkeit eine starke Rolle. Nahezu unabhängig<br />
von konjunkturellen Gegebenheiten zählt die saisonale Arbeitslosenbetroffenheit<br />
zur „normalen“ Berufslaufbahn (vor allem im Hotel-Gaststättenwesen,<br />
der Bauwirtschaft und der Land- und Forstwirtschaft): 54 Prozent<br />
aller Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> kommen aus diesen drei Wirtschaftsabschnitten.<br />
Speziell in Branchen mit starken saisonalen Beschäftigungsschwankungen<br />
überwiegen Arbeitslose mit Einstellungszusagen, allerdings kommt Arbeitslosigkeit<br />
mit späterer Einstellungszusage auch bei anderen Jobwechslern<br />
vor.<br />
In <strong>Tirol</strong> waren 53 Prozent aller Arbeitslosen im Jahr 2005 im Besitz einer Einstellungszusage,<br />
hatten also einen zugesicherten Arbeitsplatz bzw. eine sonstige<br />
Zukunftsperspektive (z.B. Einberufung zu Präsenzdienst), die Zeit in<br />
der Arbeitslosigkeit war schon von vornherein als klar begrenzt anzusehen;<br />
Eine Arbeitsplatzsuche stand in der Regel nicht im Vordergrund. Diese Form<br />
der Arbeitslosigkeit, bei der keine aktive Arbeitsplatzsuche seitens des<br />
Betroffenen stattfindet, wird nach der EU-Arbeitslosendefinition gar nicht zur<br />
Arbeitslosigkeit gezählt, die EU-Arbeitslosenkriterien sind also deutlich<br />
strenger als im österreichischen Maßstab.<br />
Gegenüber dem Jahr 2004 hat sich die Zahl der Arbeitslosen mit Einstellungszusage<br />
zwar erhöht (plus 3 Prozent), der Anteil der Arbeitslosen mit<br />
Einstellungszusage war leicht rückläufig.<br />
Arbeitslose Frauen (57 Prozent) können öfter als Männer (49 Prozent) eine<br />
Einstellungszusage vorweisen.<br />
Die durchschnittliche Vormerkdauer der zu Monatsende registrierten<br />
Arbeitslosen betrug 69 Tage („Dauer je Arbeitslosenfall“), die durchschnittliche<br />
Verweildauer der aus der Arbeitslosigkeit abgehenden Personen<br />
67 Tage. Während die Vormerkdauer in der Arbeitslosigkeit, das ist die Zeit<br />
zwischen Beginn der Arbeitslosigkeit und dem Erhebungszeitpunkt, also die<br />
noch nicht vollendete Arbeitslosendauer, im Jahr 2005 niedriger als im Vorjahr<br />
(72 Tage) ausgefallen ist, hat sich die Verweildauer der aus der Arbeitslosigkeit<br />
Abgehenden gegenüber dem Vorjahr nicht verändert.<br />
Bei beiden Formen der Arbeitslosendauer besteht zwischen Frauen und<br />
Männern kein Unterschied.<br />
54 Prozent aller Arbeitslosen<br />
in <strong>Tirol</strong> kommen<br />
aus Saisonbranchen<br />
53 Prozent aller Arbeitslosen<br />
in <strong>Tirol</strong> haben<br />
Einstellungszusage<br />
145
146<br />
Innerhalb von fünf<br />
Jahren stieg Zahl der<br />
Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> um<br />
knapp 30 Prozent<br />
Die Arbeitslosendauer korreliert mit dem Alter der Arbeitslosen. Junge<br />
Arbeitslose weisen die geringste Vormerk- und Verweildauer auf, mit steigendem<br />
Alter werden die Wiederbeschäftigungschancen kontinuierlich<br />
schlechter, die Arbeitslosendauer nimmt zu.<br />
Bei niedriger Verweildauer ist die Vormerkdauer niedriger als die Verweildauer,<br />
bei hoher Verweildauer liegt die Vormerkdauer der in der Arbeitslosigkeit<br />
verbleibenden Personen deutlich höher als die Verweildauer der aus<br />
der Arbeitslosigkeit abgehenden Personen.<br />
Hinsichtlich der generellen Arbeitslosenvormerkdauer fällt auf, dass 2005 der<br />
Arbeitslosenanstieg bei einer Vormerkdauer von drei bis sechs Monaten (plus<br />
11 Prozent) und insbesondere bei einer mit einer Dauer von sechs bis zwölf<br />
Monaten (plus 18 Prozent) überproportional zugenommen hat. Etwas weniger<br />
ungünstig entwickelte sich die Kurzzeitarbeitslosigkeit (unter drei Monate:<br />
plus 5 Prozent) und die Langzeitarbeitslosigkeit (mehr als 1 Jahr arbeitslos:<br />
plus 7 Prozent). Allerdings ist letztere Gruppe in <strong>Tirol</strong> relativ klein, nur 333 Personen<br />
oder 1,9 Prozent aller Arbeitslosen fallen in diese Kategorie.<br />
Im Jahr 2005 zählten in <strong>Tirol</strong> 7,9 Prozent der Arbeitslosen (monatsdurchschnittlich<br />
1.381 Arbeitslose) zu den Langzeitarbeitslosen mit einer Arbeitslosenvormerkdauer<br />
von mehr als sechs Monaten, ein im nationalen und<br />
internationalen Vergleich günstiger Wert.<br />
Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch die Schulung von Arbeitslosen<br />
nicht nur die Höhe der ausgewiesenen Arbeitslosigkeit beeinflusst, sondern<br />
auch die Vormerkdauer verkürzt wird: Schulungsteilnehmer gelten als<br />
Arbeitslosenabgänger, wodurch sich auch die Vormerkdauer verkürzt. Nach<br />
Ende der Schulungsmaßnahme werden diese Teilnehmer, soweit sie weiterhin<br />
arbeitslos sind, wiederum als Arbeitsloseneuzugänge registriert.<br />
In altersmäßiger Betrachtung wiesen ältere Arbeitnehmer (über 49 Jahre) die<br />
höchste Steigerungsrate auf (plus 13 Prozent), besonders stark war die<br />
Zunahme bei der, zahlenmäßig geringfügigen, Gruppe der über 59jährigen<br />
(plus 20 Prozent).<br />
Im mittelfristigen Vergleich zum Jahr 2000 hat sich die Anzahl der Arbeitslosen<br />
um plus 29 Prozent erhöht. Die stärkste Zunahme gab es bei den<br />
Jugendlichen (unter 25 Jahre plus 46 Prozent), bei den mittleren Jahrgängen<br />
(25 bis 49 Jahre: plus 23 Prozent) war der Zuwachs leicht unterdurchschnittlich,<br />
bei den älteren (plus 37 Prozent) leicht überdurchschnittlich.
Bei längerfristigen Arbeitslosenvergleichen muss auch die Änderung der<br />
Altersstruktur der Beschäftigten berücksichtigt werden. Zwischen 1990 und<br />
2005 hat sich die Zahl der Arbeitslosen insgesamt um plus 47 Prozent<br />
erhöht. Bei den Jugendlichen gab es einen leichten Zuwachs von plus 5 Prozent,<br />
bei den über 50jährigen hat sich die Zahl der Arbeitslosen mehr als verdoppelt<br />
(plus 109 Prozent). Ein Teil dieser altersspezifisch unterschiedlichen<br />
Arbeitslosenentwicklung erklärt sich durch die Änderung der Altersstruktur<br />
der Beschäftigten: Während der Anteil der Jugendlichen an den Beschäftigten<br />
von 26,1 Prozent im Jahr 1990 auf 17,9 Prozent im Jahr 2005 zurückgegangen<br />
ist, hat sich der Anteil älterer Arbeitnehmer von 12,8 Prozent auf<br />
15,6 Prozent erhöht.<br />
Nimmt man die Arbeitslosenrate (Anteil der Arbeitslosen an den unselbstständigen<br />
Erwerbspersonen) als Indikator für die Arbeitslosigkeit, so wird<br />
diese Änderung der Beschäftigungsstruktur berücksichtigt.<br />
Jugendliche Erwerbspersonen wiesen in <strong>Tirol</strong> seit 1990 durchwegs eine<br />
höhere Arbeitslosigkeit auf als ältere (ab 50 Jahre), ausgenommen die Jahre<br />
1998 bis 2000. Von 1990 bis 1998 und im Jahr 2004 war die Arbeitslosigkeit<br />
älterer Erwerbspersonen niedriger als im Altersdurchschnitt.<br />
Grundsätzlich hängt die Arbeitslosigkeit von der Arbeitslosenbetroffenheit<br />
und der Arbeitslosendauer ab. Wenn auch die Arbeitslosenrate von jugendlichen<br />
(6,4 Prozent im Jahr 2005) und älteren Erwerbspersonen (5,9 Prozent)<br />
nicht besonders stark differieren, so liegen trotzdem zwei unterschiedliche<br />
Arbeitslosenmuster vor: Während Jugendliche, mit Ausnahme der Lehrlinge,<br />
überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sinkt die Arbeitslosenbetroffenheit<br />
mit zunehmendem Alter. Umgekehrt verhält es sich mit<br />
der Arbeitslosendauer bzw. den Wiederbeschäftigungschancen. Je älter die<br />
Arbeitslosen, desto länger dauert in der Regel die Arbeitslosigkeit.<br />
Branchenspezifisch wiesen die Wirtschaftsabschnitte Unternehmensdienste-Realitäten,<br />
Kredit-Versicherungswesen und Gesundheits-Sozialwesen<br />
die höchsten Arbeitslosenzuwächse auf (knapp plus 14 Prozent). Grundsätzlich<br />
hat sich jedoch die Arbeitsmarktsituation in allen Bereichen verschlechtert,<br />
die Zahl der Arbeitslosen hat in allen 17 Wirtschaftsabschnitten zugenommen,<br />
sogar in Branchen mit starker Beschäftigungsausweitung (Entkoppelung<br />
von Beschäftigungs- und Arbeitslosenentwicklung). So waren die<br />
Arbeitslosenzuwachsraten trotz unterschiedlicher Beschäftigungsentwicklung<br />
im Dienstleistungssektor nahezu gleich hoch wie im Produktionssektor.<br />
Die berufsspezifische Arbeitslosenentwicklung verlief ähnlich wie die bran-<br />
Arbeitslosenrate bei<br />
Jugendlichen:<br />
6,4 Prozent<br />
147
148<br />
<strong>Tirol</strong>: „Nur“ drei Prozent<br />
Arbeitslosigkeit bei<br />
Angestellten – Das ist<br />
Vollbeschäftigung<br />
chenspezifische, in fast allen Berufsobergruppen ist die Arbeitslosigkeit<br />
gestiegen. Die Zuwachsraten bei den wichtigsten Berufsobergruppen, z.B.<br />
gewerblich-industrielle Berufe, Dienstleistungsberufe und Büroberufe, unterscheiden<br />
sich nur gering.<br />
Hinsichtlich der (formalen) Ausbildung der Arbeitslosen nahm die Arbeitslosigkeit<br />
2005 in allen Bereichen relativ gleichmäßig zu. Nach wie vor weisen<br />
Erwerbstätige mit Pflichtschule als höchstem formalen Bildungsabschluss<br />
die stärkste Arbeitslosigkeit (12,8 Prozent) auf. Die Arbeitslosigkeit von Lehrabsolventen<br />
entspricht dem Durchschnitt, Arbeitnehmer mit höheren Bildungsabschlüssen<br />
sind deutlich unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit<br />
betroffen.<br />
In den letzten 15 Jahren zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen<br />
formalen Bildungsabschluss und Arbeitslosenzuwachs: Je höher der Bildungsabschluss,<br />
desto stärker die Arbeitslosenzunahme. Zwischen 1990<br />
und 2005 nahm die Zahl der Arbeitslosen mit Pflichtschule als höchstem<br />
Schulabschluss um 20 Prozent zu, bei jenen mit Lehrabschluss um plus 70<br />
Prozent. Hingegen machte der Zuwachs bei Absolventen der mittleren Schulen<br />
plus 101 Prozent aus, bei den höheren Schulen plus 173 Prozent und bei<br />
Universitäts- und Akademieabsolventen plus 271 Prozent. Trotzdem ist die<br />
Arbeitsmarktsituation für schulisch besser Gebildete nach wie vor weit günstiger,<br />
was sich in den niedrigen Arbeitslosenraten dieser Gruppen widerspiegelt.<br />
Zu berücksichtigen ist, dass sich das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmer<br />
kontinuierlich erhöht. Die weit überdurchschnittliche Zunahme der Arbeitslosen<br />
mit höheren Bildungsabschlüssen war von einer gleichzeitigen Änderung<br />
des Bildungsniveaus der Beschäftigten begleitet, sodass sich die<br />
Arbeitslosenraten dieser Gruppen nur moderat erhöht haben und sich zwischen<br />
zwei und drei Prozent einpendeln. Eine Arbeitslosenrate von drei Prozent<br />
entspricht einem Wert, der als Vollbeschäftigungsmarke angesehen<br />
wird.<br />
In Anbetracht des starken Zusammenhangs von schulischer Ausbildung und<br />
Arbeitslosenrate verwundert es nicht, dass Arbeitslosigkeit überwiegend<br />
Erwerbspersonen mit Arbeiterberufen trifft (Arbeitslosenrate von 9,2 Prozent),<br />
während bei Angestellten (3,0 Prozent) nach wie vor von Vollbeschäftigung<br />
gesprochen werden kann.
Die Arbeitslosenzuwächse von 1990 bis 2005 fielen bei Männer und Frauen<br />
gleich stark aus (plus 47 Prozent).<br />
Der seit 2001 anhaltende Rückgang des dem Arbeitsmarktservice übermittelten<br />
Stellenangebots hat auch 2005 weiter angehalten, das monatliche<br />
Stellenangebot (1.767 offene Stellen) lag um minus 1 Prozent unter dem Vorjahresniveau<br />
und machte nur noch die Hälfte des im Jahr 2000 zur Verfügung<br />
stehenden Jobangebots auf.<br />
Rückläufig war das Stellenangebot bei den Rechts-, Verwaltungs- und<br />
Büroberufen, den Gesundheits-, Lehr- und Kulturberufen, den gewerblich<br />
und industriellen Berufen sowie den Dienstleistungsberufen.<br />
In regionaler Hinsicht herrscht in der Mehrheit der Bezirke weiterhin Stellenrückgang;<br />
Eine Ausnahme bildeten nur die Bezirke Schwaz, Landeck und<br />
Reutte. Im Landesdurchschnitt entfielen auf jede gemeldete offene Stelle<br />
10 Arbeitslose, in Lienz, dem Bezirk mit dem schlechtesten Stellenangebot,<br />
waren es 36 je offene Stelle (Stellenandrang).<br />
2005 hat die Arbeitslosigkeit in allen <strong>Tirol</strong>er Bezirken zugenommen, am<br />
stärksten in Kufstein (plus 12 Prozent Arbeitslose), am schwächsten in Kitzbühel<br />
(plus 2 Prozent) und Reutte (plus 3 Prozent).<br />
Ebenso wie auf <strong>Tirol</strong>ebene hat sich die Arbeitslosigkeit in fast allen Bezirken<br />
in nahezu allen Berufsabteilungen erhöht, am stärksten bei den Handelsund<br />
Verkehrsberufen.<br />
Hinsichtlich der Arbeitslosigkeit kann in <strong>Tirol</strong> in zwei Großregionen unterschieden<br />
werden: Im Zentralraum <strong>Tirol</strong>s (mit den Bezirken Innsbruck-Land,<br />
Innsbruck-Stadt, Schwaz, Kufstein) sowie im Bezirk Reutte ist die Arbeitsmarktsituation<br />
relativ günstig. Die peripheren, vorwiegend fremdenverkehrsund<br />
saisonal geprägten Bezirke Lienz, Landeck und Imst zählen hingegen<br />
Österreichweit zu den Bezirken mit der höchsten Arbeitslosigkeit.<br />
„Aber“ neun Prozent<br />
Arbeitslosigkeit bei<br />
Arbeitern<br />
Lienz, Landeck und Imst<br />
zählen Österreichweit zu<br />
den Bezirken mit der<br />
höchsten Arbeitslosigkeit<br />
149
150
Insolvenzen und Neugründungen 2005<br />
151
152<br />
2.123 Arbeitnehmer von<br />
605 Insolvenzen in <strong>Tirol</strong><br />
betroffen<br />
165 Konkurse,<br />
acht Ausgleiche,<br />
432 Abweisungen<br />
Insolvenzen und Neugründungen<br />
2005<br />
Insolvenzen<br />
Unternehmensinsolvenzen<br />
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist in <strong>Tirol</strong> im Jahre 2005 mit 605<br />
Unternehmen gegenüber dem Vorjahr (496) um 22 Prozent gestiegen.<br />
Obwohl dieser Anstieg auf den Anstieg der mangels Masse abgewiesenen<br />
Kurse zurückgeht und hier meist nur wenige Arbeitnehmer in den Betrieben<br />
tätig sind, ist trotzdem die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer nach den Erhebungen<br />
der <strong>AK</strong> mit 2.123 um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.686)<br />
gestiegen. Die Summe der Passiva bei den eröffneten Insolvenzen schätzt<br />
der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) mit 2<strong>06</strong> Millionen Euro um ein Drittel<br />
höher ein als noch ein Jahr zuvor (156 Millionen Euro). Damit hat sich<br />
nicht nur der steigende Trend bei der Anzahl der Unternehmensinsolvenzen<br />
im Jahre 2005 fortgesetzt, sondern es wurde auch ein trauriger Rekord in<br />
Bezug auf die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer und der Passiva erreicht.<br />
Österreichweit sind die gesamten Insolvenzen von 6.318 auf 7.056 (+12 Prozent)<br />
gestiegen. Die eröffneten Insolvenzen (einschließlich Anschlusskonkurse)<br />
sind um 8,3 Prozent auf 3.165 und die Zahl mangels Vermögens<br />
abgewiesener Konkursanträge gar um 15 Prozent auf 3.853 gestiegen. Wiederum<br />
abgenommen haben die gerichtlichen Ausgleiche (bereinigt um die<br />
Zahl der Anschlusskonkurse), nämlich von 50 auf 38. Die Passiva bei den<br />
Insolvenzen schätzt der KSV auf 2.540 Millionen Euro (Vorjahr: 2.426 Millionen<br />
Euro). Die von den Insolvenzen betroffenen Dienstnehmer sind um<br />
4,2 Prozent auf 22.700 gestiegen, die betroffenen Gläubiger um 4,5 Prozent<br />
auf 87.900.<br />
Insolvenzarten<br />
Die Firmenpleiten gliedern sich in <strong>Tirol</strong> in 165 eröffnete Konkurse (Vorjahr<br />
183), acht Ausgleichsverfahren (10) und 432 Abweisungen (303). Von den<br />
acht Ausgleichen wurden nur zwei angenommen, vier endeten im<br />
Anschlusskonkurs und zwei Verfahren sind noch offen. Bei den mangels
Masse abgewiesenen Konkursen wurde die Zahl der offiziellen Ediktsdatei<br />
um die Mehrfachnennungen bereinigt. 71 Prozent der Insolvenzen sind also<br />
Abweisungen, bei denen die Gläubiger – zu ihnen gehören auch Sozialversicherungsträger<br />
und andere öffentliche Gläubiger, somit mittelbar auch<br />
jeder Steuerzahler – einen 100prozentigen Forderungsausfall zu verzeichnen<br />
haben.<br />
Gliederung nach Branchen<br />
Bedingt durch den Karl Pittl Konkurs war im vergangenen Jahr die Metallbranche<br />
jene Branche, bei der am meisten Arbeitnehmer (414) betroffen<br />
waren. Traditionell ist die Tourismus- und Gastgewerbebranche mit an der<br />
Spitze der Insolvenzstatistik: 129 Firmen bzw. 332 Arbeitnehmer waren<br />
betroffen. Weitere Auffälligkeit ist, dass neben den vielen kleinen Gaststätten<br />
auch renommierte Hotels (Elisabeth Hotel in Mayrhofen, Karl-Heinz Deutschmann<br />
& Co in Obergurgl, System-Gastronomie GmbH in Innsbruck, Süß<br />
& Partner Gastro-BetriebsGmbH in Imst) betroffen waren. Die größten Konkurse<br />
im Handel betrafen die Firma Corda Geiger in Landeck und den Mineralölvertrieb<br />
Ronacher GmbH & Co KG ebenfalls in Landeck mit jeweils rund<br />
30 Betroffenen. Die Branche Bauwesen, die in den vergangenen Jahren<br />
immer mit an der Spitze war, war mit 57 Firmen bzw. 232 Arbeitnehmern erst<br />
an sechster Stelle. Dramatische Zuwächse gibt es im Transportwesen, mit<br />
den vielen Neugründungen im Bereich des Güterverkehrs. Nicht weniger als<br />
48 Firmen mit insgesamt 247 Arbeitnehmern mussten entweder den Gang<br />
zum Insolvenzrichter antreten oder es kam zu einer Konkursabweisung, weil<br />
kein verwertbares Vermögen mehr vorhanden war. Die weiteren bedeutenden<br />
Branchen waren die Wirtschaftsdienste und das Reinigungsgewerbe mit<br />
zusammen knapp 20 Prozent Anteil an den Insolvenzen.<br />
Firmen und Arbeitnehmer nach Branchen 2005<br />
Branchen Firmen Anteil in % Arbeitnehmer Anteil in %<br />
Nahrungsmittelerz. 7 1,2 15 0,7<br />
Holz. Möbelerzeugung 10 1,7 69 3,3<br />
Druckereien, Verlagswesen 2 0,3 24 1,1<br />
Chemie, Kunststoffv. 1 0,2 24 1,1<br />
Metallerzeugung, -bearbeitung 12 2,0 414 19,5<br />
Bauwesen 57 9,4 232 10,9<br />
Handel 131 21,7 243 11,4<br />
Tourismus, Gastgew. 129 21,3 332 15,6<br />
Transportwesen, Verkehr 48 7,9 247 11,6<br />
Versicherungswesen 14 2,3 2 0,1<br />
Reinigungsgewerbe 18 3,0 130 6,1<br />
Wirtschaftsdienste 127 21,0 295 13,9<br />
Sport, Kultur, Unterhaltung 22 3,6 26 1,2<br />
Übrige 27 4,5 70 3,3<br />
Gesamt<br />
Quelle: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
605 100,0 2.123 100,0<br />
Die größten Insolvenzen in <strong>Tirol</strong><br />
Gemessen an der Zahl der Arbeitnehmer bzw. Antragsteller bei der<br />
IAF-Service GmbH waren dies 2005:<br />
Karl Pittl Metallwerk GmbH, Fulpmes 283<br />
SSP Personalleasing GmbH, Lienz 153<br />
Clean-Up Gebäudeservice GmbH, Innsbruck 114<br />
Kröll Lufttechnik GmbH, Stans 43<br />
129 Insolvenzen in Tourismus<br />
und Gastgewerbe<br />
mit 332 Beschäftigten<br />
Bauwesen: 57 Firmen mit<br />
232 Arbeitnehmern von<br />
Insolvenz betroffen<br />
Dramatische Zuwächse<br />
im Transportwesen mit<br />
48 Firmen, 247 Mitarbeiter<br />
Größter Konkursfall:<br />
Firma Pittl<br />
153
154<br />
Austria Tabak AG in<br />
Schwaz geschlossen: 90<br />
Mitarbeiter betroffen<br />
Anton Wetscher GmbH, Tischlerei, Fügen 42<br />
Elisabeth Hotel & Restaurant GmbH, Mayrhofen 37<br />
Camdzic Mensur, Transporte, Innsbruck 36<br />
Frutschnig Roland, Transporte, Innsbruck 36<br />
Mineralölvertrieb Ronacher GmbH & Co KG, Landeck 33<br />
Corda Geiger, Landeck 31<br />
Wenn hier generell von betroffenen Arbeitnehmern die Rede ist, so ist die<br />
Zahl der tatsächlich verlorenen Arbeitsplätze immer schwer einzuschätzen.<br />
In der Realität laufen vielfältige Prozesse ab. Generell ist zu beobachten,<br />
dass Firmen in der Zeit vor dem Konkurs meist schon Arbeitsplätze<br />
abbauen, die dann in der aktuellen Beschäftigungsstatistik nicht mehr aufscheinen.<br />
Andererseits zeigen die Anmeldungen bei der IAF-Service- GmbH,<br />
dass oft die Zahl der Antragsteller die „offizielle Zahl“ der Arbeitplätze bei<br />
weitem übersteigt, weil viele Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Konkurs ihr<br />
Geld nicht mehr erhalten haben. So wies z.B. die Reinigungsfirma Clean up<br />
im Jahre 2003 noch 141 Arbeitsplätze auf, während sie zwei Monate vor<br />
Konkursstellung nur noch 68 Arbeitsplätze hatte. Tatsächlich haben sich<br />
allerdings 114 Antragsteller bei der IAF-Service-GmbH gemeldet. Zu erwähnen<br />
ist auch, dass es natürlich einen fließenden Übergang zwischen Arbeitnehmern<br />
aus <strong>Tirol</strong> und anderen Bundesländern oder Staaten gibt. So<br />
beschäftigte die in Konkurs gegangene Firma SSP-Personalleasing GmbH in<br />
Lienz ca. 120 Arbeitnehmer, die zu rund 60 Prozent aus Deutschland (vor<br />
allem aus Schwerin) kamen. Hier wurde die Geschäftsstelle Lienz vor<br />
enorme Probleme gestellt, weil nicht nur die Arbeitnehmer zum Teil schwer<br />
erreichbar waren, sondern es mussten auch in Kooperation mit der IAF-Service<br />
GmbH die arbeitsrechtlichen Ansprüche ermittelt werden, die aufgrund<br />
der Verträge mit den einzelnen Beschäftigerbetrieben entsprechend kompliziert<br />
waren.<br />
Auch gibt es Betriebsschließungen ohne Insolvenzverfahren, wie z.B. die<br />
Schließung des Werkes in Schwaz der Austria Tabakwerke AG mit rund<br />
90 Arbeitnehmern, die großteils im zweiten Halbjahr 2005 ihren Arbeitsplatz<br />
verloren haben und in der Insolvenzstatistik natürlich nicht aufscheinen.<br />
Gliederung nach Bezirken<br />
Wie aus unten stehender Tabelle hervorgeht, lagen die Bezirke Innsbruck-<br />
Stadt und Innsbruck-Land deutlich an der Spitze, sowohl in Bezug auf die<br />
Anzahl der Firmen als auch in Bezug auf die Anzahl der Arbeitnehmer. Sie<br />
Regionale Insolvenzverteilung 2005<br />
Bezirke Firmen Anteil in % Arbeitnehmer Anteil in %<br />
Ibk-Stadt 168 27,8 539 25,4<br />
Ibk-Land 145 24,0 587 27,6<br />
Imst 41 6,8 114 5,4<br />
Kitzbühel 63 10,4 139 6,5<br />
Kufstein 79 13,1 217 10,2<br />
Landeck 15 2,5 79 3,7<br />
Lienz 26 4,3 203 9,6<br />
Reutte 20 3,3 56 2,6<br />
Schwaz 48 7,9 189 8,9<br />
Gesamt 605 100,0 2.123 100,0<br />
Quelle: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>
machen zusammen rund 50 Prozent der Konkurse aus. Während es in Innsbruck<br />
eine leichte Entspannung gab (Vorjahr: 634 betroffene Arbeitnehmer)<br />
war auf Grund des Großkonkurses im Stubaital der Bezirk Innsbruck-Land<br />
besonders betroffen. Die Bezirke Kufstein, Lienz und Schwaz folgen mit<br />
jeweils acht bis zehn Prozent Anteil.<br />
Rechtsformen<br />
Die beiden Rechtsformen Einzelfirma und GmbH dominieren bei den<br />
Rechtsformen. Bei diesen beiden Rechtsformen sind auch rund 86 Prozent<br />
der betroffenen Arbeitnehmer vertreten.<br />
Anzahl Firmen und Arbeitnehmer nach Rechtsformen 2005<br />
Firmen Anteile Arbeitnehmer Anteile<br />
EINZELFIRMA 431 71,2% 681 32,1%<br />
OHG, KG 9 1,5% 30 1,4%<br />
OEG, KEG 43 7,1% 111 5,2%<br />
GMBH & Co KG 8 1,3% 122 5,7%<br />
AG 0 0,0% 0 0,0%<br />
GMBH 113 18,7% 1152 54,3%<br />
Limited 1 0,2% 27 1,3%<br />
SUMMEN 605 100,0% 2.123 100,0%<br />
Quelle: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Anmeldungen bei der IAF-Service GmbH<br />
In nachfolgender Tabelle sind die für das Jahr 2005 beantragten und ausbezahlten<br />
Ansprüche gegenüber der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds-Service-<br />
GmbH (IAF) ausgewiesen. Die Summe der ausbezahlten Gelder ist mit<br />
11,7 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr (17 Millionen Euro) stark zurückgegangen,<br />
obwohl bedeutend mehr Arbeitnehmer betroffen waren. Hier ist<br />
ein gewisser time-lag zu beachten, da die Dauer der Antragstellung (sechs<br />
Monate) und die Dauer der Bescheiderstellung zu beachten sind.<br />
In erster Linie sind die Abfertigungszahlen, die 2005 „nur“ 2,4 Millionen Euro<br />
gegenüber dem Vorjahr von 6,8 Millionen Euro ausmachten, zurückgegangen<br />
(im Jahre 2004). Bei diesen Summen handelt es sich jeweils um Nettobeträge.<br />
Im vergangenen Jahr gab es 2.<strong>06</strong>7 Antragsteller, die aus 350 verschiedenen<br />
Firmen stammten, die ihre Konkurseröffnung (Sitz) in <strong>Tirol</strong> hatten.<br />
Im Vorjahr waren es 1.600 Arbeitnehmer (inklusive Hettlage Österreich<br />
Beantragte und bezahlte IAF Forderungen – <strong>Tirol</strong> 2005<br />
Forderungstyp beantragt in % bezahlt in % Differenz<br />
Abfertigung 2.598.833 40,0% 2.375.897 39,8% -333.276<br />
Kosten/Brutto=Netto 513.628 2,9% 483.537 2,9% -17.873<br />
Kündigungsentschädigung 2.056.483 14,7% 1.980.325 14,7% -120.<strong>06</strong>5<br />
Laufendes Entgelt 4.018.848 21,7% 3.935.905 22,3% -56.180<br />
Schadenersatz 458.818 1,8% 322.637 1,2% -128.884<br />
Sonstige Ansprüche 245.911 1,9% 231.509 1,8% -33.432<br />
Urlaubsersatzleistung 1.012.810 8,5% 974.749 8,7% -23.489<br />
Urlaubszuschuss 328.098 2,8% 323.741 2,9% -10.766<br />
Weihnachtsremuneration 940.636 4,9% 934.974 5,0% -15.752<br />
Zinsen 153.951 0,9% 146.926 0,9% -3.352<br />
Summe 12.328.015 100,0% 11.710.200 100,0% -743.<strong>06</strong>9<br />
Quelle: IAF Service GmbH<br />
155
156<br />
<strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> vertrat die<br />
Ansprüche für 1.613 von<br />
Insolvenz betroffene<br />
Arbeitnehmer<br />
642 Privatkonkurse<br />
in <strong>Tirol</strong><br />
2.002 Arbeitnehmer), die aus insgesamt 341 Firmen stammten. Da das neue<br />
Verfahren Teilzuerkennungen vorsieht, wurden insgesamt 2.924 Bescheide<br />
ausgestellt, zusätzlich gab es 95 Bescheide, die eine teilweise oder gänzliche<br />
Abweisung beinhalteten.<br />
Der Großteil der Antragsteller, nämlich 1.647, stammten aus 155 Konkursfirmen,<br />
228 Arbeitnehmer aus 129 Firmen, die mangels Masse abgewiesen<br />
wurden, 76 Arbeitnehmer aus den acht beantragten Ausgleichen und der<br />
restliche Teil der Arbeitnehmer, nämlich 116 stammten aus den privaten<br />
Schuldenregulierungsverfahren, die bei den Bezirksgerichten abgehandelt<br />
werden.<br />
Vertretungen von der Arbeiterkammer<br />
Im Jahre 2005 meldeten die Arbeitsrechtliche Abteilung und die acht<br />
Geschäftsstellen der Arbeiterkammer <strong>Tirol</strong> für 1.613 Arbeitnehmer aus<br />
268 Firmen Insolvenzansprüche an. Die im Jahr 2005 von der <strong>AK</strong> angemeldete<br />
Forderungssumme betrug 7,8 Millionen Euro. Darüber hinaus waren die<br />
Wirtschaftspolitische Abteilung und die Geschäftsstellen in diversen Gläubigerausschüssen<br />
tätig.<br />
Neue Besteuerungsart – Erfolg der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />
Mit 1. Jänner 20<strong>06</strong> wurde die Besteuerungsart der ausbezahlten Insolvenzgelder<br />
geändert. Bisher wurden die IAF-Gelder nach dem Zuflussprinzip in<br />
jenem Jahr besteuert, in dem sie ausbezahlt wurden. Dadurch kam es zu<br />
zahlreichen Härtefällen, etwa wenn ein Lehrling seine Lehrlingsentschädigung<br />
erst in jenem Jahr bekommen hat, in dem er bereits Geselle war und<br />
aufgrund seines höheren Einkommens in die Steuerpflicht gefallen ist. Durch<br />
die Zusammenballung der Zahlungen ist es in den meisten Fällen zu Nachzahlungen<br />
gekommen, allerdings konnten auch im Jahr des Konkurses,<br />
wenn einige Monate weggefallen sind, Gutschriften gegen gerechnet werden.<br />
Die Arbeiterkammer <strong>Tirol</strong> hat in zahlreichen Gesprächen und Stellungnahmen<br />
die gleiche Regelung gefordert, wie sie bei den Pensionen besteht.<br />
Dieser Forderung hat sich die Bundesarbeitskammer angeschlossen und in<br />
den Verhandlungen mit dem Finanzministerium durchgesetzt. Kommt es<br />
nunmehr zu Nachzahlungen, werden diese jenem Jahr zugeordnet, in dem<br />
sie entstanden sind. Es kommt dann zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens,<br />
wenn für das alte Jahr schon eine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt<br />
wurde.<br />
Privatkonkurse<br />
Die eröffneten Privatkonkurse stiegen 2005 in Österreich von 4.670 Verfahren<br />
auf 5.343 (+14,4 Prozent). Zusätzlich gab es noch 1.117 mangels Masse<br />
abgewiesene Konkursanträge (+23,7 Prozent), was also Gesamtinsolvenzen<br />
von 6.460 ergibt. Die Insolvenzverbindlichkeiten schätzt der KSV auf<br />
763 Millionen Euro (697 Millionen Euro im Vorjahr).<br />
In <strong>Tirol</strong> stagnierte die Entwicklung bei 642 eröffneten Privatkonkursen,<br />
wobei die Veränderungen bezogen auf die 13 Bezirksgerichte sehr unter-
Eröffnete Privatkonkurse in <strong>Tirol</strong><br />
Bezirksgerichte 2004 2005 +/- Vj.<br />
Innsbruck Stadt 227 261 15,0%<br />
Hall 52 49 -5,8%<br />
Imst 28 23 -17,9%<br />
Kitzbühel 44 27 -38,6%<br />
Kufstein 66 62 -6,1%<br />
Landeck 23 18 -21,7%<br />
Lienz 15 27 80,0%<br />
Reutte 23 21 -8,7%<br />
Rattenberg 17 17 0,0%<br />
Schwaz 46 66 43,5%<br />
Silz 24 15 -37,5%<br />
Telfs 56 36 -35,7%<br />
Zell a.Z. 22 20 -9,1%<br />
Summen 643 642 -0,2%<br />
Quelle: Ediktsdatei BM f. Justiz<br />
schiedlich verliefen. Wie aus nachfolgender Tabelle hervorgeht, verbuchten<br />
Innsbruck-Stadt, Lienz und Schwaz Zuwächse. Signifikante Rückgänge gab<br />
es hingegen in Kitzbühel, Silz und Telfs mit jeweils knapp über 35 Prozent.<br />
<strong>Tirol</strong> war österreichweit das einzige Land, in dem die Zahlen stagnierten. Alle<br />
anderen Bundesländer verzeichneten Zuwächse, Kärnten plus 31 Prozent,<br />
Steiermark plus 27 Prozent, Wien und Niederösterreich je plus 20 Prozent.<br />
Der Schluss liegt nahe, dass es an den fehlenden Betreuungskapazitäten<br />
liegt, die den überschuldeten Haushalten Unterstützung bei ihrer Entschuldung<br />
geben können.<br />
Im Jahre 2005 haben nach Angaben der Schuldnerberatung <strong>Tirol</strong> 829 (Vorjahr:<br />
876) neue Klienten eine intensive Schuldnerberatung in Anspruch<br />
genommen. In insgesamt 483 Verfahren (Vorjahr: 517) konnte erfolgreich<br />
Hilfe gewährt werden, sei es in Form von Zahlungsplänen (273 Fälle), in Form<br />
von Abschöpfungsverfahren (124 Fälle) oder durch außergerichtliche Vergleiche<br />
(86 Fälle). 231 Verfahren (Vorjahr: 282) mussten wieder aufgenommen<br />
werden, weil diese Personen die geplanten Rückzahlungen nicht leisten<br />
konnten. Der durchschnittliche Schuldenstand, der im Jahre 2005 betreuten<br />
Klienten, betrug 71.670 Euro (wobei Schuldenstände unter 1.000 und über<br />
700.000 Euro nicht berücksichtigt wurden).<br />
Neugründungen<br />
Laut Mitgliederstatistik der Wirtschaftskammer Österreich gab es Ende 2005<br />
in Österreich 357.856 aktive Mitglieder (plus 3,4 Prozent) und in <strong>Tirol</strong> 33.482<br />
(plus 1,9 Prozent). Auch im Jahr 2004 war der Zuwachs in Österreich mit plus<br />
4 Prozent wesentlich höher als der Zuwachs in <strong>Tirol</strong> mit plus 2,8 Prozent.<br />
Nach der „vorläufigen“ Neugründungsstatistik der Wirtschaftskammer gab<br />
es im Jahr 2005 in Österreich 31.625 Neugründungen (plus 6,4 Prozent) und<br />
in <strong>Tirol</strong> 2.142, das ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr von knapp 5 Prozent.<br />
Da der Nettozuwachs bei den aktiven Mitgliedern in <strong>Tirol</strong> demgegenüber<br />
nur 619 betrug (Vorjahr: 881), gab es im gleichen Zeitraum entsprechend<br />
viele Betriebsschließungen oder Löschungen von Mitgliedschaften<br />
bei der Wirtschaftskammer, nämlich 1.523 (Vorjahr: 1.366).<br />
Neben den von der Wirtschaftskammer registrierten Mitgliedern gibt es noch<br />
157
158<br />
Entwicklung der Selbstständigen<br />
Aktive Mitglieder Wika Neugründungen Freiberufler<br />
Jahr <strong>Tirol</strong> Österreich <strong>Tirol</strong> Österreich <strong>Tirol</strong> Österreich<br />
2005 33.482 357.856 2.142 31.625 3.901 35.609<br />
2004 32.863 346.0<strong>06</strong> 2.247 29.715 3.640 33.904<br />
2003 31.982 332.624 2.394 28.237 3.401 32.004<br />
2002 31.015 321.378 1.980 25.828 3.194 30.331<br />
2001 30.<strong>06</strong>5 312.018 2.134 26.035 2.963 27.385<br />
2000 29.208 300.613 1.816 23.762 2.446 23.184<br />
1999 28.542 290.298 1.705 21.954 1.646 19.410<br />
Quelle: Wirtschaftskammer Österreich, Hauptverband<br />
die Freiberufler gemäß § 2 Abs.1 Ziffer 4 GSVG. In diese Kategorie fallen<br />
auch die neuen Selbstständigen, die leider nicht mehr separat, sondern<br />
zusammen mit den anderen freien Berufen, wie Wirtschaftstreuhänder, Dentisten,<br />
Künstler erfasst werden. Ende Dezember 2005 gab es in Österreich<br />
35.609 (plus 5 Prozent) und in <strong>Tirol</strong> 3.901 (plus 7,2 Prozent) Freiberufler.<br />
Gewerbeberechtigungen<br />
Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse des elektronischen Gewerberegisters<br />
besprochen. Mit Stichtag 31. Dezember 2005 gab es in Österreich<br />
615.790 (plus 2,7 Prozent) Berechtigungen. <strong>Tirol</strong> hatte mit 56.580 (plus<br />
1,2 Prozent) einen Anteil von 9,2 Prozent. Da ein Betrieb oft mehrere Gewerbeberechtigungen<br />
besitzt, ist die Zahl der Berechtigungen wesentlich höher<br />
als die Zahl der Unternehmen. Insgesamt gab es im Jahre 2005 in Österreich<br />
73.450 neue Berechtigungen (plus 11,1 Prozent), denen 52.125 Löschungen<br />
(plus 17 Prozent) gegenüberstanden. Ähnlich der Trend in <strong>Tirol</strong>:<br />
5.657 Begründungen (plus 4,4 Prozent) stehen 4.734 Löschungen (plus<br />
16,7 Prozent) gegenüber. Per Saldo wurden also 923 neue Berechtigungen<br />
ausgesprochen, denen rein statistisch per Saldo 619 neue aktive Wirtschaftsmitglieder<br />
gegenüber standen.<br />
In der folgenden Tabelle sind auch die wichtigsten Gewerbearten zusam-<br />
Gewerbeberechtigungen <strong>Tirol</strong> Österreich<br />
Berechtigungen gesamt 1.1.20<strong>06</strong> 56.580 615.790<br />
Berechtigungen gesamt 1.1.2005 55.919 599.610<br />
Begründungen 2005 5.657 73.450<br />
Löschungen 2005<br />
Reglementierte Gewerbe<br />
4.734 52.125<br />
Stand 1.1.20<strong>06</strong> 26.188 237.374<br />
Begründungen 2005 1.956 21.640<br />
Löschungen 2005<br />
Konzessionierte Gewerbe<br />
1.919 18.203<br />
Stand 1.1.2005 2.989 22.019<br />
Begründungen 2005 170 1.295<br />
Löschungen 2005<br />
Freie Gewerbe<br />
172 1.173<br />
Stand 1.1.2005 26.541 348.338<br />
Begründungen 2005 3.073 46.159<br />
Löschungen 2005<br />
Teilgewerbe<br />
2.611 32.172<br />
Stand 1.1.2005 466 3.442<br />
Begründungen 2005 76 622<br />
Löschungen 2005 26 223<br />
Quelle: Gewerberegister
mengefasst. In den hohen Zuwächsen bei den freien Gewerben mit 46.159<br />
bzw. 3.073 für <strong>Tirol</strong> ist die Liberalisierung der Gewerbeordnung zu erkennen,<br />
allen voran im Handel. Die freien Gewerbe wachsen weitaus am stärksten.<br />
Bei den konzessionierten Gewerben überwogen die 172 Löschungen bereits<br />
die 170 Begründungen, nahezu ausgewogen ist das Verhältnis bei den reglementierten<br />
Gewerben in <strong>Tirol</strong>. <strong>Tirol</strong> hat aber immer noch einen überdurchschnittlich<br />
hohen Anteil an reglementierten Gewerben (früher Handwerke).<br />
Beschäftigte Arbeitnehmer und Zahl der Arbeitgeber<br />
In <strong>Tirol</strong> wurden mit Stichtag Ende Juli 2005 insgesamt 29.459 Arbeitgeberbetriebe<br />
gezählt (plus 1,1 Prozent), die 273.598 Beschäftigte aufwiesen (plus<br />
1,6 Prozent). Die Zahl der Arbeitgeberbetriebe ist also um 316 gestiegen,<br />
136 dieses Saldos entfallen auf Betriebe, die nur geringfügig Beschäftigte<br />
anstellten. Zwar konnte die Zahl der Arbeitsplätze doch um rund 4.300<br />
gesteigert werden, leider kann aber bis dato aus der Statistik der Gebietskrankenkasse<br />
nicht ersehen werden, wie viele Arbeitsplätze davon Teilzeitarbeitsplätze<br />
sind.<br />
Zahl der Arbeitgeberbetriebe Beschäftigte<br />
Jahr Nur geringfügig<br />
Beschäftigte<br />
Standardbesch. Gesamt<br />
2005 3.916 25.543 29.459 273.598<br />
2004 3.780 25.363 29.143 269.264<br />
2003 3.873 25.<strong>06</strong>3 28.936 268.778<br />
2002 3.625 25.303 28.928 268.833<br />
2001 3.380 25.355 28.735 269.070<br />
Quelle: Hauptverband, <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>, Stand jeweils Ende Juli.(inkl. geringfügig Beschäftigte, ohne Beamte)<br />
In der oben angeführten Beschäftigungsstatistik, sind die 20.095 geringfügig<br />
Beschäftigten enthalten, zum Unterschied untenstehender Tabelle. Nicht<br />
enthalten sind allerdings die rund 20.000 Beamten in <strong>Tirol</strong> und die freien<br />
Dienstverhältnisse von rund 6.400.<br />
Regionale Verteilung<br />
In unten stehender Tabelle ist der Zuwachs von 4.388 Arbeitsplätzen (jeweils<br />
Juli des Jahres) auf die Bezirke aufgeteilt. Die höchsten Zuwächse gab es in<br />
Regionale Verteilung Arbeitnehmer und Veränderung<br />
Bezirke Arbeitnehmer Veränderung 2004 zu 2005<br />
absolut in %<br />
Ibk-Stadt 80.435 481 0,6%<br />
Ibk-Land 45.602 1.489 3,4%<br />
Imst 14.546 387 2,7%<br />
Kitzbühel 19.489 576 3,0%<br />
Kufstein 31.618 550 1,8%<br />
Landeck 13.112 4<strong>06</strong> 3,2%<br />
Lienz 12.531 61 0,5%<br />
Reutte 10.895 84 0,8%<br />
Schwaz 25.275 354 1,4%<br />
Gesamt 253.503 4.388 1,8%<br />
Quelle: Hauptverband, <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>, Stand jeweils Ende Juli (ohne geringfügig Beschäftigte, ohne Beamte)<br />
316 neue Arbeitgeberbetriebe<br />
in <strong>Tirol</strong>, davon<br />
jedoch 136 mit nur<br />
geringfügig Beschäftigten<br />
159
160<br />
Innsbruck-Land mit 1.489 Arbeitsplätzen bzw. plus 3,4 Prozent, es folgen<br />
dann die Bezirke Kitzbühel und Kufstein. Insgesamt ist sicher erfreulich,<br />
dass trotz der Rekordwelle bei den Pleiten ein positiver Saldo in allen Bezirken<br />
bei den Arbeitsplätzen gegeben ist.