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Umb Lage 06 - AK - Tirol

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Frauen in <strong>Tirol</strong> und ihre Lebensformen<br />

Fraueneinkommen<br />

Die Frau in der Arbeitswelt<br />

Mädchen im Arbeitsleben<br />

Frauenbildung – Frauenkarrieren<br />

<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />

Rolle der Frau bei Energie und Verkehr<br />

Arbeitsmarktentwicklung<br />

Insolvenzen und Neugründungen<br />

Die <strong>Lage</strong><br />

der Arbeitnehmer<br />

und<br />

Arbeitnehmerinnen<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

20<strong>06</strong>


2<br />

Autoren der Studie<br />

Frauen und ihre Lebensformen<br />

Mag. Beate-Maria Frei, Mag. Verena Simetzberger, Dr. Reinhard Fischer<br />

Fraueneinkommen<br />

Mag. Hubert Zimmermann<br />

Die Frau in der Arbeitswelt<br />

Dr. Thomas Radner, Dr. Maria Haid, Mag. Helmut Hilgart, Dr. Jörg Hofer,<br />

Mag. Georg Humer, Dr. Domenico Rief<br />

Mädchen im Arbeitsleben<br />

Dr. Peter Schumacher<br />

Frauenbildung – Frauenkarrieren<br />

DDr. Erwin Niederwieser, Mag. Barbara Anschober, Mag. Walter Hotter,<br />

Mag. Brigitte Irowec<br />

<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />

Dr. Ulrike Tembler, Mag. Erich Kraus, Dr. Hans Lechleitner, Mag. Gabriela<br />

Schiestl, Mag. Judith Schimpfössl, Mag. Christian Schuster, Dr. Bernhard<br />

Sigmund, Mag. Johann Stolz<br />

Rolle der Frau bei Energie und Verkehr<br />

Mag. Hartwig Röck, Mag. Martin Stubenböck<br />

Arbeitsmarktentwicklung 2005<br />

Mag. Hubert Zimmermann<br />

Insolvenzen und Neugründungen<br />

Mag. Klaus Schönach<br />

Soweit im Folgenden personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher<br />

Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher<br />

Weise.<br />

Fotos: Illustriert wird der diesjährige Bericht durch Fotos von Ereignissen, Veranstaltungen und<br />

Wettbewerben, die im Laufe des letzten Jahres von der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> durchgeführt wurden.


Inhalt<br />

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7<br />

Frauen in <strong>Tirol</strong> und ihre Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15<br />

Fraueneinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 29<br />

Die Frau in der Arbeitswelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 49<br />

Mädchen im Arbeitsleben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 67<br />

Frauenbildung – Frauenkarrieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 75<br />

<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 101<br />

Rolle der Frau bei Energie und Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 119<br />

Arbeitsmarktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 135<br />

Insolvenzen und Neugründungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 151<br />

Impressum:<br />

Verleger und Herausgeber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für <strong>Tirol</strong>, 6010 Innsbruck<br />

Redaktion: Dr. Elmar Schiffkorn, Mag. Christine Mandl, Mag. Gabriela Huter<br />

Fotos: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>, Gerhard Berger<br />

Druck: RWF-Frömelt & Hechenleitner, Wattens • Layout: heko-grafic Tulfes<br />

3


4<br />

Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick<br />

✘ 18.900 Alleinerzieherinnen in <strong>Tirol</strong> – Jede dritte Ehe scheitert<br />

✘ Frauen müssen dazuverdienen – Nur 45 Prozent der beschäftigten<br />

Frauen arbeiten Vollzeit<br />

Teilzeitarbeit nicht Existenz sichernd – Oft unterqualifiziert<br />

Dominanter Frauenanteil bei Atypischen in <strong>Tirol</strong>: 71 Prozent<br />

✘ Jede zweite Frau mit Kindern findet Betreuungsangebot unzureichend<br />

– Zu wenig ganztägige Betreuung mit Mittagstisch für Kinder<br />

im Vorschul- und Schulbereich<br />

✘ Nur 55 Prozent aller Arbeitnehmer (43 Prozent weibliche, 65 Prozent<br />

männliche) in <strong>Tirol</strong> sind ganzjährig und Vollzeit beschäftigt<br />

Österreichweit niedrigster Wert<br />

✘ Enorme Dynamik am Arbeitsplatz – Ein Drittel der <strong>Tirol</strong>er Beschäftigten<br />

wechselt innerhalb von fünf Jahren Beruf oder Branche<br />

✘ Mehr als 100.000 Personen in <strong>Tirol</strong> nichtganzjährig beschäftigt<br />

✘ Durchschnittliches Jahresbruttoeinkommen der unselbstständig<br />

beschäftigten Frauen in <strong>Tirol</strong>: 15.391 Euro<br />

Bei ganzjährig Vollzeit beschäftigten Frauen in <strong>Tirol</strong>: 23.020 Euro<br />

brutto – Das sind um 2.671 Euro weniger als im Ö-Schnitt<br />

✘ Frauen und Männer in <strong>Tirol</strong> haben Österreichweit die niedrigsten<br />

Einkommen<br />

<strong>Tirol</strong> hat Österreichweit höchsten Anteil an Niedrigverdienern<br />

✘ Minderbezahlung zwischen Frau und Mann: 43 Prozent – <strong>Tirol</strong>er<br />

Frauen haben Österreichweit die zweithöchste Minderbezahlung<br />

✘ Einkommensverteilung klafft immer weiter auseinander<br />

60 Prozent der <strong>Tirol</strong>erinnen beziehen knapp 29 Prozent aller<br />

Arbeitsbruttoentgelte<br />

✘ Je niedriger die Arbeitnehmereinkommen umso höher die Reallohnverluste<br />

– Stärkste Einbußen in den Jahren 1996, 1997 und 2001<br />

✘ Mehr als zwei Drittel der Bediensteten im Handel sind weiblich –<br />

Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten haben Anteil der geringfügig<br />

Beschäftigten stark erhöht<br />

✘ Jedes zweite Arbeitsverhältnis im Handel wird innerhalb eines Jahres<br />

aufgelöst<br />

Arbeitsrechtliche Ansprüche Geringfügiger oftmals nicht bekannt<br />

✘ Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten gingen voll zu Lasten der<br />

berufstätigen Mütter<br />

Weitere Liberalisierung im Handel ist abzulehnen


Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick Auf einen Blick<br />

✘ Lehre: Knapp 40 Prozent aller Mädchen lernen Verkäuferin oder<br />

Friseurin<br />

✘ Mieten in <strong>Tirol</strong> vor allem in Ballungsgebieten nahezu unerschwinglich<br />

Knapp 30 Prozent des Haushaltseinkommens entfallen auf<br />

Wohnungskosten<br />

Gleichstellung von Wohn- und Mietzinsbeihilfe gefordert<br />

✘ Extreme Steigerung bei Energiepreisen seit 1995: Plus 120 Prozent<br />

beim Heizöl – Explodierende Energiekosten wirken sich noch<br />

dramatischer bei niedrigen Einkommen aus<br />

✘ Rekordwert in <strong>Tirol</strong>: Rund 71.000 <strong>Tirol</strong>er waren 2005 zumindest<br />

einmal arbeitslos<br />

✘ Im Monatsschnitt 17.439 Arbeitslose in <strong>Tirol</strong> – 1.553 Arbeitslose in<br />

Schulung – Arbeitslosenrate 5,8 Prozent – Samt Schulungsteilnehmern:<br />

6,3 Prozent<br />

✘ Starker Arbeitskräftezustrom aus dem Ausland nach <strong>Tirol</strong><br />

37.356 Personen = 13,3-Prozent-Anteil<br />

In acht Jahren stieg ihre Zahl in <strong>Tirol</strong> um 54 Prozent<br />

✘ 54 Prozent aller Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> kommen aus Saisonbranchen<br />

53 Prozent aller Arbeitslosen mit Einstellungszusage<br />

✘ In fünf Jahren Arbeitslosenzahl in <strong>Tirol</strong> um knapp 30 Prozent<br />

gestiegen – Lienz, Landeck und Imst zählen Österreichweit zu den<br />

Bezirken mit höchster Arbeitslosigkeit<br />

✘ <strong>Tirol</strong>: „Nur“ drei Prozent Arbeitslosenrate bei Angestellten =<br />

Vollbeschäftigung<br />

„Aber“ neun Prozent Arbeitslosenrate bei Arbeitern<br />

✘ 2.123 Arbeitnehmer von 605 Insolvenzen in <strong>Tirol</strong> betroffen<br />

Größter Konkurs: Firma Pittl<br />

129 Insolvenzen in Tourismus-Gastgewerbe mit 332 Mitarbeitern<br />

Bauwesen: 57 Firmen mit 232 Arbeitnehmern von Insolvenz betroffen<br />

Transportwesen: 48 Firmen, 247 betroffene Mitarbeiter<br />

Austria Tabak AG Schwaz: 90 Mitarbeiter verloren Arbeitsplatz<br />

5


Einleitung<br />

7


8<br />

Einleitung<br />

<strong>Tirol</strong> braucht Leistungskraft der Frauen<br />

WAW-Studien zur Ist-Situation für Frauen<br />

Eine zukunftsorientierte Gesellschaft setzt alle Hebel in Bewegung, um für<br />

Frauen mit Kind Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von<br />

Familie und Beruf zu schaffen: <strong>Tirol</strong> kann damit seine wirtschaftliche Leistungskraft<br />

steigern.<br />

In <strong>Tirol</strong> sind rund 174.000 Frauen erwerbsaktiv. Unter Einrechnung aller<br />

Unterbrechungen, wie Saisonbeschäftigung oder Arbeitslosigkeit, besetzen<br />

Arbeitnehmerinnen rund 93.000 Arbeitsplätze. Von den rund 27.000 am<br />

Markt orientierten <strong>Tirol</strong>er Betrieben sind fast 20.000 auf die Mitarbeit von<br />

Frauen angewiesen.<br />

Was besonders beeindruckend ist: Diejenigen Betriebe, die auf die Mitarbeit<br />

von Frauen setzen und diese fördern, indem die Rahmenbedingungen – wie<br />

Vereinbarkeit von Kind und Beruf, Karrieremöglichkeiten und Weiterbildungsangebote<br />

– passen, agieren und wirtschaften überdurchschnittlich<br />

erfolgreich am Markt.<br />

Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat daher in ihrem heurigen Bericht zur <strong>Lage</strong> der Arbeitnehmer<br />

und Arbeitnehmerinnen den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Situation<br />

der berufstätigen Frau gelegt. Aus den unterschiedlichsten Perspektiven<br />

werden dabei die Probleme am Arbeitsplatz und beim Einkommen durchleuchtet.<br />

Die Experten haben aber auch die sozialpolitische und gesellschaftliche<br />

Rolle der Frau hinterfragt sowie die besondere Problematik der<br />

Berufsunterbrechung wegen Kindererziehung aufgezeigt, vor allem im Hinblick<br />

auf Karriereplanung und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

Die Wirtschafts- und Arbeitsforschung West (WAW) am Zukunftszentrum<br />

<strong>Tirol</strong> hat in ihren Studien „Ein Kind (K)ein Hindernis im Berufsleben?“ (April<br />

2005) und „Berufliche Aufstiegschancen für Frauen in <strong>Tirol</strong>“ (Jänner 2004)<br />

die wichtigsten Fakten dazu detailliert herausgearbeitet.<br />

Vor allem wurde auch der Frage nachgegangen, welche Potenziale <strong>Tirol</strong><br />

dafür bietet, die Wirtschaftskraft und den Lebensstandard unseres Landes<br />

zu sichern. Ein wichtiger Teil dieser Potenziale wird gegenwärtig bloß unzureichend<br />

ausgeschöpft. Das gilt insbesondere auch für die Produktivkraft der<br />

erwerbsinteressierten Frauen. Dieser Kreis von Frauen sieht sich mit<br />

unzulänglichen Rahmenbedingungen konfrontiert, wenn es um die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie geht.<br />

Auf 41.200 Arbeitsplätzen bewältigen Frauen den Spagat Beruf – Familie<br />

Von den 93.430 (im Jahresdurchschnitt) beruflich engagierten Frauen erfüllten<br />

rund 41.200 Frauen parallel zu ihrer Erwerbstätigkeit auch jene Versor-


gungs- und Betreuungsaufgaben, die ein Kind im Haushalt notwendigerweise<br />

mit sich bringt. Diese (im Jahresdurchschnitt) 41.200 Frauen tragen<br />

mit ihrem Beschäftigungseinkommen auch zur Finanzierung des Haushaltsbudgets<br />

bei. Ohne den Verdienst der Frauen fände der Haushalt kein Auskommen.<br />

Wirtschaftsleben und Haushalte auf Frauenerwerbstätigkeit angewiesen<br />

<strong>Tirol</strong>s Wirtschaft und Gesellschaft ist auf die Leistungskraft der Frauen angewiesen.<br />

Diese Tatsache gilt in vielerlei Hinsicht. Frauen erbringen in <strong>Tirol</strong>er<br />

Betrieben einen wesentlichen Teil der Wertschöpfung des Wirtschaftsstandortes.<br />

Keine einzige Branche kommt ohne den engagierten Einsatz der dort<br />

beschäftigten Frauen aus. Ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten sind ein unverzichtbarer<br />

Teil der betrieblichen Leistungskette. Und doch scheinen Gesellschaft,<br />

Politik und Unternehmen diese Tatsache häufig zu verdrängen, wenn<br />

es darum geht, die Berufstätigkeit von Frauen durch geeignete Rahmenbedingungen<br />

abzusichern.<br />

Auch diese Fakten wurden in der Studie „Berufliche Aufstiegschancen für<br />

Frauen in <strong>Tirol</strong>“ der Wirtschafts- und Arbeitsforschung West (WAW) am<br />

Zukunftszentrum <strong>Tirol</strong> erhoben. Hier die wichtigsten Ergebnisse:<br />

Berufliche Aufstiegschancen für Frauen<br />

Die durch die Frauenerwerbstätigkeit erzielten Löhne und Gehälter sind zu<br />

einem unverzichtbaren Bestandteil des Familieneinkommens geworden.<br />

Ohne den direkten Beitrag der Frauen zur Finanzierung des Lebensstandards<br />

wären zahlreiche <strong>Tirol</strong>er Haushalte akut armutsgefährdet. Erst das<br />

Fraueneinkommen sichert dem Haushalt ein Auskommen.<br />

Ungleiche Zugangschancen zu gut bezahlten Arbeitsplätzen<br />

Allerdings findet der Einsatz der Frauen im Erwerbsleben nicht jene Anerkennung,<br />

die er verdient. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die<br />

zahlreichen Barrieren zu nennen, die Frauen auch in <strong>Tirol</strong> den Zugang zu gut<br />

bezahlten Arbeitsplätzen verwehren. Die Folgen dieser Chancenungleichheit<br />

lassen sich auf einen Blick erkennen: Selbst jahresdurchgängig mit voller<br />

Wochenarbeitszeit beschäftigte Frauen verdienen um ein Drittel weniger als<br />

Männer mit analogem Zeiteinsatz.<br />

Beruflicher Erfolg und Familienleben mit Kindern unvereinbar?<br />

Ein Teil der Zugangsbarrieren ist auf die unzureichende Unterstützung von<br />

Frauen zurückzuführen, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben<br />

mit Kindern (unter 14 Jahren) geht. Auch in diesem Zusammenhang<br />

spricht schon eine einzige Zahl eine deutliche Sprache: Unter den<br />

9


10<br />

Männer haben Einkommens-Vorsprung<br />

30jährigen Frauen schaffen es nur rund acht Prozent mit Kind (unter<br />

14 Jahre), eine Beschäftigung auszuüben, deren Entlohnung in den Top-20-<br />

Prozent-Bereich fällt. In der Gruppe der 40jährigen ist dieser Anteil mit rund<br />

13 Prozent auch kaum größer.<br />

Der Top-20-Prozent-Bereich bezieht sich auf jene 20 Prozent der <strong>Tirol</strong>er<br />

Frauen, denen es gelingt, ein Jahreseinkommen von zumindest 21.680 Euro<br />

zu erzielen. Das heißt, 80 Prozent der beschäftigten Frauen verdienen weniger<br />

als dieses Jahreseinkommen.<br />

Die in <strong>Tirol</strong> wohnenden Frauen sehen sich nicht in der <strong>Lage</strong>, einen Zugang<br />

zum Arbeitsmarkt zu finden, der auch nur annähernd den von Männern<br />

erreichten Positionen entspricht. Am deutlichsten zeigt sich der Vorsprung,<br />

den es für die <strong>Tirol</strong>erinnen aufzuholen gilt, im Bereich der Entlohnung. Der<br />

Vorsprung der Männer gegenüber den Frauen beträgt je nach Beschäftigungsform<br />

zwischen 31 und 43 Prozent. Dieser Einkommensunterschied<br />

wird aus der Sicht der Frauen noch durch weitere Faktoren akzentuiert:<br />

Weniger als die Hälfte der erwerbsaktiven Frauen kann überhaupt einer<br />

jahresdurchgängigen Vollzeitbeschäftigung nachgehen. Unter den Männern<br />

sind es dagegen immerhin zwei Drittel der Erwerbsaktiven. Dies zeigt, was<br />

die Frauen betrifft, eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie in<br />

vielen <strong>Tirol</strong>er Beschäftigungsverhältnissen.<br />

Frauen an einem kritischen Punkt ihrer Berufskarriere<br />

Vollzeitbeschäftigung<br />

Einkommensstagnation<br />

Einleitung<br />

Die Positionierung von Frauen am <strong>Tirol</strong>er Arbeitsmarkt durchläuft im Haupterwerbsalter<br />

drei kritische Punkte: Den Beginn des beruflichen Haupterwerbs,<br />

dies betrifft die Altersgruppe 29 bis 31 Jahre, den Höhepunkt der Leistungskraft<br />

im Alter zwischen 39 bis 41 Jahren und den Übergang zum dritten<br />

Abschnitt der Erwerbsbiografie im Alter zwischen 49 bis 51 Jahren.<br />

Am Anfang ihrer Haupterwerbszeit bei den 30jährigen sehen sich nur rund<br />

44 Prozent der Frauen in der <strong>Lage</strong>, einer Vollzeitbeschäftigung jahresdurchgängig<br />

nachzugehen. Bei den 40jährigen steigt der Anteil auf 54 Prozent und<br />

erreicht bei der Gruppe der 50jährigen rund 59 Prozent.<br />

Was das mittlere Jahreseinkommen betrifft, so ist dessen weiterer Verlauf für<br />

Frauen, die das Haupterwerbsalter erreicht haben, keineswegs motivierend:<br />

Nach 12.510 Euro bei den 30jährigen kommt es zu einem Abfall auf<br />

11.780 Euro für die 40jährigen und dann erst wieder zu einem leichten<br />

Anstieg auf 13.550 Euro bei den 50jährigen. (Stand 2002)


Die Zusammensetzung der Top-20-Prozent unter den <strong>Tirol</strong>er Frauen verändert<br />

sich im Laufe des Haupterwerbsalters deutlich. Dies hat je nach Berufsfeld<br />

durchaus verschiedene Gründe. So sind Lehrerinnen, die es schon mit<br />

30 Jahren unter die Top-20-Prozent geschafft haben, sehr selten (4 Prozent).<br />

Bei den 50jährigen, die mehr als 21.680 Euro verdienen, sind allerdings<br />

bereits 18 Prozent der Frauen im Unterrichtswesen tätig.<br />

Der Aufstieg zur Führungskraft ist ein zentraler Karriereschritt, um mit<br />

50 Jahren als Frau zu den besser Verdienenden zu zählen. Nahezu jede<br />

vierte Frau dieser Altersgruppe, die zu den Top-20-Prozent zählt, übt eine<br />

Führungsfunktion aus. Dagegen nimmt der Anteil der Frauen in einfachen<br />

Verwaltungs- und Büroberufen unter den Top-20-Prozent im Laufe des<br />

Haupterwerbsalters deutlich ab: Von nahezu der Hälfte auf rund ein Drittel<br />

der Frauen in der jeweiligen Altersgruppe.<br />

Wer schafft es?<br />

Führungsposition wichtig<br />

Kinder brauchen Zeit und Zuwendung – Und der Beruf?<br />

Am Beginn ihres Haupterwerbsalters sehen sich zahlreiche <strong>Tirol</strong>er Frauen<br />

vor einen Zwiespalt gestellt: Nutzen sie ihre erworbene Ausbildung, ihre<br />

Erfahrung und ihre Tatkraft im Berufsleben, dann bleibt wenig Spielraum für<br />

ein Familienleben mit Kindern. Nur wenige Betriebe bieten die Möglichkeit,<br />

eine erfolgreiche Berufstätigkeit mit einem verantwortungsvollen Engagement<br />

für die eigenen Kinder zu vereinen.<br />

Als Folge dieser Rahmenbedingungen verzichten neun von zehn Frauen, die<br />

es mit 30 Jahren unter die Top-20-Prozent geschafft haben, darauf, einem<br />

Kinderwunsch gegebenenfalls zu folgen.<br />

In den meisten Fällen ändert sich im Laufe des Haupterwerbsalters an dieser<br />

Konstellation nur wenig. Auch unter den 40jährigen hat nur eine unter zehn<br />

Frauen, die es unter die Top-20-Prozent geschafft haben, ein Kind.<br />

Was das Potenzial an beruflichen Möglichkeiten unter <strong>Tirol</strong>er Frauen betrifft,<br />

so zeigt eine Gruppe von ihnen besonders deutlich, was zu erreichen ist.<br />

Dies sind jene 6.610 Frauen, denen es gelungen ist, im Laufe von zehn Jahren<br />

durch Verdoppelung ihres Einkommens zu den Top-20-Prozent aufzusteigen.<br />

Die betreffenden Frauen gehörten Anfang der Neunzigerjahre noch<br />

An der Spitze, aber ohne Kinder<br />

Es wird nicht leichter<br />

Aufstieg in die Top-20-Prozent<br />

11


12<br />

In jungen Jahren<br />

Einleitung<br />

zu jenen Erwerbsaktiven, die in der unteren Hälfte der Einkommenspyramide<br />

positioniert waren. Diese untere Hälfte verdient gegenwärtig knapp über<br />

10.000 Euro. Zehn Jahre später war für diese Frauen bereits die 20.000-<br />

Euro-Grenze überschritten.<br />

Ein solcher Aufstieg gelingt in jungen Jahren leichter. Mehr als ein Drittel der<br />

30jährigen hat einen so weiten Aufstieg zu den Top-20-Prozent in den letzten<br />

zehn Jahren geschafft. Bei den 40jährigen gilt dies für ein Sechstel und<br />

bei den 50jährigen nur mehr für ein Zehntel.<br />

Berufliches Fortkommen erfordert geeignete Rahmenbedingungen<br />

Zu allererst ist in diesem Zusammenhang das berufliche Fortkommen von<br />

erwerbstätigen Frauen zu nennen. Wer nur immer auf der Stelle tritt, wird<br />

keine besondere Motivation am Arbeitsplatz verspüren. Das gilt insbesondere<br />

für Frauen, da diese (selbst bei ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung) mit<br />

gut einem Drittel weniger Lohn als ihre Kollegen rechnen müssen.<br />

Ein solches berufliches Fortkommen ist für Frauen nur dann absehbar, wenn<br />

die Voraussetzungen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie flächendeckend<br />

geschaffen sind. Das ist nicht der Fall. Nicht nur in <strong>Tirol</strong>, aber auch<br />

in <strong>Tirol</strong>.<br />

Folgen unzureichender Rahmenbedingungen<br />

Die bei weitem unzureichenden Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie haben zwei Konsequenzen: Den Verzicht auf Kinder<br />

oder das Zurückfallen in der Berufslaufbahn.<br />

Zum einen verzichtet eine zunehmende Zahl von Frauen darauf, die Verantwortung<br />

für ein Kind zu übernehmen. Angesichts der unzureichenden Bereitschaft<br />

der Väter und der Gesellschaft, die Verantwortung für Kinder gerecht<br />

zu teilen, konzentrieren sich diese Frauen darauf, ihre (oft durch lange Ausbildung<br />

erworbenen) Qualifikationen beruflich umzusetzen.<br />

Zum anderen führt die schlechte Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und<br />

Familie dazu, dass Frauen mit Kindern die sich ihnen bietenden Chancen<br />

beruflichen Fortkommens nicht nutzen können. Das zeigt eine Gegenüberstellung<br />

von berufstätigen Frauen „mit Kindern“ und Frauen „ohne Kinder“<br />

im Alter von 50 Jahren (also im letzten Drittel ihrer Erwerbstätigkeit): Trotz<br />

gleich hohen Anteils jahresdurchgängiger Beschäftigung verdienen Frauen<br />

„ohne Kinder“ um ein Drittel mehr als Frauen „mit Kindern“. In <strong>Tirol</strong> reicht ein<br />

Bruttomonatseinkommen (Jahreszwölftel) von knapp 2.000 Euro, um zu den<br />

Top-20-Prozent der erwerbstätigen Frauen zu zählen.


Vereinbarkeit von beruflichem Aufstieg und Kind nur selten möglich<br />

Eine Vereinbarkeit von Beruf und Kind ist in <strong>Tirol</strong> möglich, sie ist aber keineswegs<br />

weit verbreitet: Nur jede zwölfte <strong>Tirol</strong>erin mit Kind schafft es, über<br />

die 2.000 Euro Grenze (brutto pro Monat) zu kommen.<br />

Was möglich ist, wenn die Umstände stimmen, zeigen die mehr als zweitausend<br />

Frauen, die es bei gleichzeitiger Verantwortung für ein Kind<br />

geschafft haben, innerhalb der letzten fünf Jahre in die Top-20 Prozent der<br />

berufstätigen Frauen aufzusteigen.<br />

Eine gläserne Decke durchstoßen<br />

Betriebe brauchen beruflich engagierte Frauen<br />

Für ihr berufliches Fortkommen sind Frauen darauf angewiesen, in der<br />

Arbeitswelt ihres Betriebes ausreichend Chancen auf Bewährung, auf weiterführende<br />

Qualifizierungen und auf innerbetrieblichen Aufstieg zu erhalten.<br />

Die <strong>Tirol</strong>er Betriebe sind wiederum auf das Arbeitsangebot beruflich engagierter<br />

Frauen angewiesen. Rund 19.700 Unternehmen besetzen Arbeitsplätze<br />

in ihrem Betrieb auch mit Frauen. Bei der Besetzung von Vakanzen<br />

kommt dabei (im Durchschnitt aller dieser Betriebe) in jeweils knapp 47 Prozent<br />

der Fälle eine Frau zum Zug.<br />

Bieten Betriebe Chancen, wissen Frauen sie zu nutzen<br />

Bei etwas weniger als der Hälfte der von Frauen besetzten Arbeitsplätze wissen<br />

die Betriebe, dass die betreffenden Frauen auch Betreuungsaufgaben<br />

gegenüber ihren Kindern im Auge haben müssen. Auf 7.660 dieser Arbeitsplätze<br />

erbringen Frauen eine berufliche Leistung, die dem Betrieb eine Entlohnung<br />

von rund 2.000 Euro brutto (und mehr) wert ist. In knapp einem<br />

Fünftel dieser Fälle ist den Frauen der Aufstieg in diesen Top-20-Prozent-<br />

Bereich innerhalb der letzten fünf Jahre von dem Betrieb ermöglicht worden.<br />

In drei Branchen greifen Betriebe bei der Besetzung von Vakanzen häufiger<br />

auf Frauen zurück als auf Männer: Handelsbetriebe, Beherbergungs- und<br />

Gastgewerbebetriebe und Betriebe im Bereich Gesundheit und Soziales.<br />

Der Handel bietet bei weitem die meisten Arbeitsplätze für erwerbsinteressierte<br />

Frauen mit Kind: Mehr als 21.000 Arbeitsplätze sind im Handel mit<br />

Frauen besetzt. Die Sachgütererzeugung, Betriebe im Beherbergungs- und<br />

Gaststättenwesen und im Gesundheits- und Sozialwesen suchen jeweils in<br />

gleichem Ausmaß (rund 13.000 Arbeitsplätze) Frauen zur Erbringung der<br />

betrieblichen Produktions- und Serviceleistungen.<br />

Arbeitsplätze für Frauen mit Kind<br />

13


14<br />

Einleitung<br />

Ein Drittel der Frauen mit Kind verdient weniger als 1.000 Euro<br />

Allerdings können Frauen (mit Kind) auf einem Drittel der ihnen angebotenen<br />

Arbeitsplätze nur weniger als 1.000 Euro Monatslohn erzielen. In der Mehrheit<br />

der Fälle (rund 59 Prozent) haben die Beschäftigungsverhältnisse bei ihrer Beendigung<br />

kürzer als sechs Monate gedauert. Kleinbetriebe (bis zehn Arbeitsplätze)<br />

suchen häufiger als größere Betriebe das Arbeitsangebot von Frauen.<br />

Kinder senken das Einkommen<br />

Frauen im Alter von 50 Jahren ohne Kind verdienen um ein Drittel mehr als<br />

gleichaltrige Frauen mit Kind. Dieser Unterschied zeichnet sich bereits im<br />

Alter von 30 Jahren ab. 33 Prozent aller Frauen mit Kind verdienen weniger<br />

als 1.000 Euro brutto im Monat.<br />

Betriebe mit erhöhter Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

Von rund 27.700 <strong>Tirol</strong>er Betrieben greifen rund 19.700 Betriebe auf erwerbsaktive<br />

Frauen bei der Besetzung von offenen Stellen zurück. Von diesen<br />

19.700 Betrieben haben 1.800 Betriebe einem Teil der bei ihnen beschäftigten<br />

Frauen mit Kind einen Aufstieg in die Top-20-Prozent innerhalb der letzten<br />

fünf Jahre ermöglicht.<br />

Überdurchschnittlich erfolgreiche Betriebe<br />

Der Kreis dieser Betriebe mit Aufstiegschancen für Frauen unterscheidet<br />

sich in mehrfacher Hinsicht vom Durchschnitt aller Betriebe. Knapp die<br />

Hälfte dieser Betriebe beschäftigt mehr als 250 Personen. Die Betriebe<br />

beschäftigen zu nahezu gleichen Teilen sowohl Frauen als auch Männer.<br />

Zukunftsorientiert statt überholt<br />

Eine Region, die sich der Tatsache nicht bewusst ist, welche Produktivkraft<br />

von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft eingebracht wird, kann als überholt<br />

gelten. Sie vergeudet ein Potenzial, dessen sie bitter bedarf, um eine<br />

zukunftsorientierte Gestaltung unseres Landes sicherzustellen.<br />

Frauenerwerbstätigkeit stärkt <strong>Tirol</strong><br />

Das Ausmaß dieser Vergeudung kann in <strong>Tirol</strong> selbst abgelesen werden: Alle<br />

in <strong>Tirol</strong> aktiven marktfinanzierten Betriebe des Jahres 2004 haben im Zeitraum<br />

1999 bis 2004 die Zahl ihrer Arbeitsplätze um 3,5 Prozent aufgestockt.<br />

Im Vergleich dazu hat die Aufstockung der Arbeitsplätze folgende Größen<br />

erreicht: 7,5 Prozent bei Betrieben, die überhaupt Frauen beschäftigen,<br />

9,3 Prozent bei Betrieben, die Frauen mit Kindern beschäftigen, 10,1 Prozent<br />

bei Betrieben, die Frauen mit Kindern die Möglichkeit zu einem raschen Aufstieg<br />

bieten.<br />

Innsbruck, März 20<strong>06</strong>


Frauen in <strong>Tirol</strong> und ihre Lebensformen<br />

15


16<br />

Mehr Frauen als<br />

Männer in <strong>Tirol</strong><br />

Frauen in <strong>Tirol</strong><br />

und ihre Lebensformen<br />

Die Daten im Überblick<br />

Im Bundesland <strong>Tirol</strong> leben insgesamt 683.317 Menschen. Davon sind<br />

349.751 Personen weiblich und 333.566 Personen männlich. Es leben in<br />

<strong>Tirol</strong> also mehr Frauen als Männer.<br />

Im Laufe ihres Lebens sind Menschen, was ihre haushaltsbezogenen<br />

Lebensformen betrifft, altersspezifisch einem Wandel unterworfen. Dabei<br />

sind bestimmte Muster erkennbar, die bei Männern und Frauen verschieden<br />

sind.<br />

Auch wenn die Singlehaushalte unter den jungen Frauen zunehmen, so<br />

wählen jedoch die meisten Frauen in <strong>Tirol</strong> als Lebensform den Familienhaushalt.<br />

Dieser kann sowohl aus Ehepaaren als auch aus Lebensgemeinschaften<br />

mit Kindern oder ohne Kinder bestehen. Vor allem in der Altersgruppe<br />

zwischen 15 und 59 Jahren sind die meisten Frauen in der Familie<br />

mit oder ohne Beruf engagiert.<br />

Privathaushalte nach Haushaltstypen in <strong>Tirol</strong> (in 1.000)<br />

Jahresdurchschnitt 2004<br />

Jahresdurchschnitt 2004<br />

Haushaltstypen insgesamt 271,5 Alleinerziehende Väter (2,7)<br />

Familienhaushalte zus. 184,3 ohne weitere Personen (2,4)<br />

Einfamilienhaushalte zus. 179,5 mit weiteren Personen (x)<br />

Paare<br />

ohne Kinder<br />

ohne weitere Personen<br />

mit weiteren Personen<br />

. mit Kindern<br />

160,2<br />

60,2<br />

58,0<br />

(2,2)<br />

100,0<br />

Alleinerziehende Mütter<br />

ohne weitere Personen<br />

mit weiteren Personen<br />

Zwei- und Mehrfamilienhaushalte<br />

16,7<br />

15,3<br />

(x)<br />

4,7<br />

ohne weitere Personen 95,0 Nichtfamilienhaushalte zus. 87,3<br />

mit weiteren Personen 5,0 Einpersonenhaushalte 81,8<br />

Alleinerziehende Elternteile zus. 19,4 Männlich 32,1<br />

ohne weitere Personen 17,7 Weiblich 49,7<br />

mit weiteren Personen (x) Mehrpersonenhaushalte 5,5<br />

() Werte mit weniger als hochgerechnet 4.000 Haushalten für <strong>Tirol</strong> sind stark zufallsbehaftet<br />

(x) Werte mit weniger als 2.000 Haushalten für <strong>Tirol</strong> sind statistisch nicht interpretierbar.<br />

QUELLE: Statistik Austria


Durch die ständige Zunahme der Zahl von Scheidungen und Trennungen<br />

gewinnt jedoch die Lebensform des allein erziehenden Elternteiles immer<br />

mehr an Bedeutung. Im Jahr 2004 betrug die Scheidungsrate in <strong>Tirol</strong><br />

36,7 Prozent.<br />

Mit steigendem Alter und wenn die Kinder auf eigenen Füßen stehen, leben<br />

viele <strong>Tirol</strong>erinnen wieder mit dem Partner allein in einem Haushalt. Den<br />

Lebensabend selbst allerdings verbringen die <strong>Tirol</strong>er Frauen oft wieder<br />

alleine lebend.<br />

Scheidung<br />

Die Scheidungsrate in <strong>Tirol</strong> lag im Jahr 2004 bei 36,7 Prozent. In <strong>Tirol</strong> gibt es<br />

insgesamt 22.200 allein erziehende Elternteile. Beim Großteil der allein Erziehenden<br />

(18.900 Personen) handelt es sich um Frauen.<br />

Die Kinder bleiben nach einer Trennung oder Scheidung hauptsächlich bei<br />

der Mutter. Dies entspricht einerseits dem traditionellen Rollenbild und lässt<br />

sich andererseits auch dadurch erklären, dass das Arbeitsausmaß der Mutter<br />

in einer Partnerschaft auf Vereinbarkeit mit Kinderbetreuung hin ausgerichtet<br />

bleibt.<br />

Daraus ergibt sich fast zwangsläufig, dass nach einer Trennung oder Scheidung<br />

die Mutter auch weiterhin diejenige ist, die mehr zeitliche Ressourcen<br />

hat, um sich der Kinderbetreuung widmen zu können.<br />

Alleinerziehende Elternteile nach Geschlecht, Familienstand, Alter, Zahl der Kinder und<br />

Alter des jüngsten Kindes in <strong>Tirol</strong> (in 1.000)<br />

Jahresdurchschnitt 2004<br />

Alleinerziehende Elternteile ins.<br />

Familienstand:<br />

22,2<br />

ledig 6,1<br />

verheiratet, getrennt lebend (2,8)<br />

verwitwet 6,9<br />

geschieden 6,4<br />

Jahresdurchschnitt 2004<br />

Alleinerziehende Mütter<br />

Familienstand:<br />

18,9<br />

ledig 5,6<br />

verheiratet, getrennt lebend (2,1)<br />

verwitwet 5,6<br />

geschieden 5,6<br />

() Werte mit weniger als hochgerechnet 4.000 Personen in <strong>Tirol</strong> sind sehr stark zufallsbehaftet.<br />

QUELLE: Statistik Austria<br />

Allein erziehende Mütter sind nach Familienstand meist ledig, verwitwet oder<br />

geschieden. Die Lebensform der verheirateten, aber getrennt lebenden Frau<br />

ist am wenigsten oft vertreten.<br />

Frau arbeitet, Mann verdient<br />

Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege von älteren Angehörigen – das war und<br />

ist vor allem Frauensache. Viel hat sich daran nicht geändert in den letzten<br />

Jahrzehnten. Das ist nicht nur eine gesellschaftspolitische Frage, sondern<br />

auch eine wirtschaftspolitische. Was die Frauen auf diesen Gebieten leisten,<br />

ist Arbeit – aber unbezahlte. Einer neuen Studie der <strong>AK</strong> Wien zufolge ist vor<br />

allem die unbezahlte Arbeit zwischen Männern und Frauen ungleich verteilt.<br />

Das Brutto-Inlandsprodukt wäre sogar um bis zu 140 Prozent höher, würde<br />

alle unbezahlte Arbeit inkludiert.<br />

Die erwachsenen Österreicher arbeiten durchschnittlich 40,3 Stunden pro<br />

Woche. Für die Frauen schaut es schlecht aus: 45,2 Stunden Arbeitszeit pro<br />

Jede dritte Ehe scheitert<br />

18.900 Alleinerzieherinnen<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

Unbezahlte Arbeit<br />

zwischen Männern und<br />

Frauen ungleich verteilt<br />

17


18<br />

Zwei Drittel der Arbeitsstunden<br />

der Frauen<br />

entfallen auf Haushalt<br />

und Kinderbetreuung<br />

Wie geht es den<br />

<strong>Tirol</strong>erinnen?<br />

Woche, nur 35,1 Stunden für die Männer. Eine berufstätige Frau arbeitet<br />

64 Stunden pro Woche, ein Mann 48,4 Stunden.<br />

Zwei Drittel der Arbeitsstunden der Frauen entfallen auf Haushalt und Kinderbetreuung<br />

– Tätigkeiten, die nicht entlohnt werden. Die Männer dagegen<br />

wenden vier Fünftel ihrer Arbeitszeit für – bezahlte – Erwerbsarbeit auf. Die<br />

Politik ist gefordert, etwas zu unternehmen, um die unbezahlte Arbeit<br />

gerechter zwischen Männern und Frauen zu verteilen. Gleichzeitig besteht<br />

so die Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Studienautorin Sybille Pirklbauer weist vor allem auf eine Konsequenz hin:<br />

Wegen der vielen unbezahlten Arbeit haben die Frauen nicht nur weniger Zeit<br />

für Erwerbsarbeit, es bleibt auch kaum Zeit für Bildung. Damit werden die<br />

ökonomischen Nachteile noch größer. Das Erwerbseinkommen der Frauen<br />

ist um fast 40 Prozent niedriger als jenes der Männer.<br />

In den letzten zwanzig Jahren hat sich an der Situation nicht viel geändert. Es<br />

zeigt sich zwar eine Tendenz zu einer stärkeren Beteiligung der Männer an<br />

der unbezahlten Hausarbeit. Die grundsätzliche geschlechtsspezifische Aufteilung<br />

wird jedoch nicht durchbrochen. Neuerdings werden zwar andere<br />

Familienmitglieder, vor allem die Kinder, stärker an der Hausarbeit beteiligt.<br />

Aber auch dabei bleibt alles beim Alten. Die traditionelle Arbeitsteilung wird<br />

bei den eigenen Kindern reproduziert: Jede vierte Frau wird mindestens ein<br />

Mal in der Woche von einer Tochter unterstützt, aber nur jede siebente erhält<br />

Unterstützung von einem Sohn.<br />

Immer mehr unbezahlte Arbeit wird mittlerweile auch an bezahlte Personen<br />

ausgelagert. Hier könnte angesetzt werden. Private Haushalte müssten<br />

durch öffentliche, flächendeckende und bedarfsgerechte Angebote (Kinderbetreuung<br />

und Pflege) entlastet werden. Hier könnten die Frauen entlastet<br />

werden und neue Arbeitsmöglichkeiten finden – diesmal aber mit Entlohnung.<br />

Genauso wichtig ist aber auch die partnerschaftliche Aufteilung der – notwendigen<br />

– unbezahlten Arbeit. Die Politik könnte Anreize dazu bieten. Ein<br />

Ansatzpunkt ist das Kinderbetreuungsgeld. Um mehr Männer zu Karenz und<br />

damit zu Kinderbetreuung zu motivieren, muss das System flexibler werden.<br />

Eine Möglichkeit wäre, das Kinderbetreuungsgeld zusammen zu schieben.<br />

Das heißt: Höhere Unterstützung in einem kürzeren Zeitraum. Außerdem<br />

könnte es statt der fixen jährlichen Zuverdienstgrenze eine Arbeitszeitgrenze<br />

geben, damit auch Männer Teilzeit arbeiten und Kindergeld erhalten.<br />

Auch in <strong>Tirol</strong> sieht die <strong>Lage</strong> nicht anders aus. Um die Situation der Frauen in<br />

<strong>Tirol</strong> genauer zu durchleuchten, hat das IMAD-Marktforschungsinstitut im<br />

Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> im November und Dezember 2005 eine umfangreiche<br />

Untersuchung zur Lebens- und Arbeitszufriedenheit von <strong>Tirol</strong>er Frauen in<br />

Auftrag gegeben. Wie leben und arbeiten die <strong>Tirol</strong>er Frauen? Mit welchen<br />

Problemen haben sie zu kämpfen? Wie partnerschaftlich leben Paare? Das<br />

ist nur ein kleiner Auszug aus einem Fragenkomplex, der insgesamt<br />

500 <strong>Tirol</strong>erinnen und <strong>Tirol</strong>er im November 2005 gestellt wurde.<br />

Die wesentlichsten Ergebnisse dieser Umfrage sind im Folgenden zusammengefasst.


Arbeitswelt und Familie<br />

Frage: „Die Arbeitswelt von heute nimmt besonders Rücksicht auf Familie<br />

und Kinder“.<br />

Nur 28,8 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Arbeitswelt von<br />

heute besonders Rücksicht auf Familie und Kinder nimmt. Hingegen teilen<br />

71,2 Prozent diese Auffassung nicht und finden, dass die Arbeitswelt von<br />

heute nicht Rücksicht auf die Familie und Kinder nimmt.<br />

Die Ansicht, dass die Arbeitswelt besonders Rücksicht auf Familie und Kinder<br />

nimmt, wird überdurchschnittlich oft von jenen Befragten vertreten, die<br />

der Meinung sind, dass im Beruf Frauen den Männern gleichgestellt sind und<br />

dass Frauen die gleichen Aufstiegschancen haben wie Männer.<br />

Befragte, die mit ihrer sozialen Absicherung weniger zufrieden sind, jene, die<br />

mit dem Ausmaß ihrer Freizeit weniger zufrieden sind, weiters jene, die mit<br />

ihrem Beruf weniger zufrieden sind und jene, die angeben, dass es nicht<br />

genügend Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung gibt, geben überdurchschnittlich<br />

oft an, dass die Arbeitswelt von heute nicht besonders Rücksicht<br />

auf Familie und Kinder nimmt.<br />

Beurteilung der Preise für Leben und Wohnen<br />

Frage: „Ich halte die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für angemessen“<br />

Ich halte die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für angemessen<br />

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente<br />

stimme eher zu 103 20,6 20,7<br />

stimme eher nicht zu 394 78,8 79,3<br />

weiß nicht / keine Angabe 3 6 100,0<br />

Gesamt 500 100,00<br />

Nur rund ein Fünftel der Befragten hält die Preise für Leben und Wohnen in<br />

<strong>Tirol</strong> für angemessen. Rund acht von zehn der befragten <strong>Tirol</strong>er können dieser<br />

Aussage nicht zustimmen und halten die Preise für Leben und Wohnen in<br />

<strong>Tirol</strong> nicht für angemessen. Selbstständige geben häufiger an als die ande-<br />

Umfrage: Für 71% nimmt<br />

die Arbeitswelt von<br />

heute nicht Rücksicht auf<br />

Familie und Kinder<br />

Preise für Leben und<br />

Wohnen nicht<br />

angemessen<br />

19


20<br />

Schlechte Verdienstmöglichkeiten<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

ren, dass sie die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für angemessen halten.<br />

Dass sie die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für nicht angemessen halten,<br />

wird überdurchschnittlich oft von Befragten aus den Bezirken Innsbruck-Stadt<br />

und Kitzbühel angegeben.<br />

Beurteilung der Verdienstmöglichkeiten<br />

Frage: „Die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> beurteile ich als weniger attraktiv.“<br />

Die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> beurteile ich als weniger attraktiv<br />

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente<br />

stimme eher zu 302 60,4 62,6<br />

stimme eher nicht zu 181 38,2 37,5<br />

weiß nicht / keine Angabe 17 3,4 100,0<br />

Gesamt 500 100,00<br />

Die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> werden von 62,5 Prozent der Befragten<br />

als eher weniger attraktiv beurteilt. Nur für jeden dritten <strong>Tirol</strong>er (37,5 Prozent)<br />

sind die Verdienstmöglichkeiten in <strong>Tirol</strong> attraktiv. Dass die Verdienstmöglichkeiten<br />

in <strong>Tirol</strong> attraktiv sind, geben Befragte mit formal höherer Schulbildung,<br />

Personen in Mehrgenerationenhaushalten und in Wohngemeinschaften und<br />

Befragte in Ausbildung häufiger an als die anderen. Weniger attraktiv werden<br />

die Verdienstmöglichkeiten vermehrt von Pensionisten und Hausfrauen<br />

gesehen.<br />

Zufriedenheit mit dem Haushalts-Einkommen<br />

Mit dem zur Verfügung stehenden Haushalts-Einkommen sind 22,2 Prozent<br />

der Befragten sehr zufrieden. Ziemlich zufriedenstellend ist für 57,6 Prozent<br />

der Befragten ihr zur Verfügung stehendes Haushaltseinkommen. Jeder<br />

Fünfte (20,2 Prozent) ist mit dem Haushaltseinkommen, das zur Verfügung<br />

steht, weniger bis gar nicht zufrieden.<br />

Wenig bis gar nicht zufrieden mit dem zur Verfügung stehenden Haushaltseinkommen<br />

sind vor allem Frauen, Befragte, die alleine (mit oder ohne Kind)<br />

wohnen und jene, die in Mehrgenerationenhaushalten wohnen. Aber auch<br />

Personen mit einem monatlichen Netto-Haushalts-Einkommen bis<br />

1.500 Euro, Befragte, die sich für die Pension nicht ausreichend abgesichert<br />

fühlen, Personen, die mit ihrem Beruf wenig zufrieden sind und jene, die mit<br />

der beruflichen Karriere wenig zufrieden sind und weiters jene Befragte, die<br />

mit ihrer sozialen Absicherung wenig zufrieden sind.<br />

Wie steht’s mit der Partnerschaft?<br />

Mit der Partnerschaft sind 72,6 Prozent der befragten <strong>Tirol</strong>erinnen und <strong>Tirol</strong>er,<br />

die diese Frage beantworten können, sehr zufrieden. Weniger bis gar<br />

nicht zufrieden sind lediglich 7,2 Prozent der Befragten. Aus dieser Frage<br />

lässt sich zwar eine relativ hohe Zufriedenheit ablesen, aber auch die Tatsache,<br />

dass bei Unzufriedenheit in der Partnerschaft diese rascher als früher


auch aufgelöst wird. Die Scheidungs- bzw. Trennungszahlen sind deutliche<br />

Zeichen dafür.<br />

Frauen und Rollenbild<br />

Sind die jetzt über 60jährigen Frauen mit der Heirat oft aus dem Berufsleben<br />

ausgeschieden, so bleiben heute die jüngeren Frauen unabhängig vom<br />

Familienstand – mit oder ohne Partner / Kind – meistens erwerbstätig.<br />

In <strong>Tirol</strong> kommt es ab der Geburt eines Kindes zu einer traditionellen Aufteilung<br />

von Erwerbstätigkeit und Haushaltsaufgaben in der Partnerschaft.<br />

Der Mann wird in den meisten Fällen für eine gewisse Zeit Alleinverdiener<br />

und Familienerhalter. Die Frau hingegen scheidet oft für eine gewisse Zeit<br />

aus dem Berufsleben aus und kehrt nur mehr als „Dazuverdienerin“ ins<br />

Berufsleben zurück.<br />

Die klassische Berufslaufbahn der <strong>Tirol</strong>er Frau mit Familie mit Kindern beinhaltet<br />

Vollzeiterwerbstätigkeit bis zur Geburt des ersten Kindes. Im<br />

Anschluss an die Geburt widmet sie sich bis zum Eintritt des Kindes in den<br />

Kindergarten hauptsächlich dem Nachwuchs und kehrt dann meistens in<br />

eine Teilzeitbeschäftigung zurück.<br />

Die Frau in <strong>Tirol</strong> ist zu einem hohen Prozentsatz davon überzeugt, dass das<br />

Kind bei ihr am besten aufgehoben ist.<br />

Berufstätige <strong>Tirol</strong>er Mütter, die ihre Kinder fremd betreuen lassen, haben oft<br />

das Gefühl, dass sie „Rabenmütter“ sind, bzw. dieses Gefühl wird ihnen oft<br />

vermittelt. Daher werden Angebote zur Entlastung oft nicht im notwendigen<br />

Maß angenommen und eine Vollzeitbeschäftigung gar nicht angedacht.<br />

Öffentliche Einrichtungen haben eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz,<br />

was stark zur Aufrechterhaltung des traditionellen Rollenbildes beiträgt.<br />

Im Gegensatz dazu, kehren gut qualifizierte Frauen oft früh und zum Teil<br />

auch in eine Vollzeitbeschäftigung an den Arbeitsplatz zurück. In <strong>Tirol</strong> haben<br />

nun auch Frauen gute Ausbildungschancen und ergreifen diese auch oft.<br />

Diese Frauen bekommen durch die lange Ausbildung oft spät ihre Kinder<br />

und wollen ihre Berufslaufbahn nicht durch eine lange Betreuungsauszeit<br />

aufs Spiel setzen.<br />

In <strong>Tirol</strong> kommt es zu einer langsamen Veränderung des traditionellen Rollenbildes.<br />

Die jungen <strong>Tirol</strong>er Frauen lassen sich so nicht mehr in die Ecke der<br />

„Nur-Dazuverdienerin“ abdrängen, sondern wollen selbst „ihre Frau<br />

stehen“.<br />

Frau und Berufstätigkeit<br />

Gründe für die Berufstätigkeit<br />

Auf Grund einer Veränderung des traditionellen Rollenbildes der Frau, wollen<br />

viele – vor allem – jüngere Frauen durchgehend am Erwerbsleben teilnehmen.<br />

Durch die steigenden Scheidungsraten und Trennungen und einem dadurch<br />

bedingten gravierenden Wandel in der Lebensform sind aber auch viele<br />

Junge <strong>Tirol</strong>erinnen<br />

wollen „ihre Frau<br />

stehen“<br />

Frauen müssen<br />

dazuverdienen<br />

21


22<br />

Eigene Pension<br />

vielen Frauen wichtig<br />

Frauen gezwungen, einer Berufstätigkeit nachzugehen und für den Lebensunterhalt<br />

zu sorgen.<br />

Darüber hinaus lässt es die finanzielle Situation vieler Familien nicht mehr zu,<br />

dass die Frauen zu Hause bleiben. Viele <strong>Tirol</strong>erinnen müssen einer Erwerbstätigkeit<br />

nachgehen, damit das Haushaltseinkommen ausreicht.<br />

Für mehr als 70 Prozent der Berufstätigen aller Altersgruppen in <strong>Tirol</strong> ist die<br />

Sicherung des Lebensunterhaltes der Hauptgrund für ihre Berufstätigkeit.<br />

Aber auch die finanzielle Absicherung in der Pension ist für viele <strong>Tirol</strong>er ein<br />

wichtiger Grund einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.<br />

So arbeiten drei von zehn berufstätigen <strong>Tirol</strong>ern hauptsächlich, um einen<br />

eigenen Pensionsanspruch zu erwerben. Bei den in <strong>Tirol</strong> in der Arbeitswelt<br />

stehenden Frauen steigt der Anteil derer, die durch eine Berufstätigkeit einen<br />

eigenen Pensionsanspruch erwerben wollen, sogar über 40 Prozent an.<br />

Darüber hinaus ist aber auch die Erwirtschaftung eines eigenen Einkommens<br />

für viele <strong>Tirol</strong>er Frauen ebenfalls ein nicht unerheblicher Grund für die Aufnahme<br />

einer Erwerbstätigkeit.<br />

Für 23,2 Prozent der berufstätigen Bevölkerung in <strong>Tirol</strong> ist die Selbstverwirklichung<br />

Hauptmotiv für eine Berufstätigkeit. 17,9 Prozent der in der Arbeitswelt<br />

stehenden <strong>Tirol</strong>er arbeiten hauptsächlich um sich mehr leisten zu können.<br />

Der Kontakt zu anderen Personen ist für 16,9 Prozent ein wichtiger<br />

Grund für die Aufnahme einer Berufstätigkeit. Für Frauen ist der Kontakt zu<br />

anderen Personen sogar der drittwichtigste Grund für ihre Erwerbstätigkeit.<br />

Arbeitszeit<br />

Drei Viertel aller Berufstätigen in <strong>Tirol</strong> arbeiten in Vollzeit. Lediglich 18,5 Prozent<br />

aller berufstätigen <strong>Tirol</strong>er sind teilzeitbeschäftigt. In geringfügigem Ausmaß<br />

sind 4 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Bevölkerung beschäftigt,


2,3 Prozent der Berufstätigen arbeiten in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.<br />

Betrachtet man jedoch lediglich die berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen, so sinkt der<br />

Anteil der Vollzeitbeschäftigten auf 45,5 Prozent. Auch der Anteil der geringfügig<br />

Beschäftigten ist bei den Frauen mit 6,8 Prozent höher als bei den<br />

Männern.<br />

Atypische Beschäftigungsformen erlangen am Arbeitsmarkt immer größere<br />

Bedeutung. Unterschiede zu einem „normalen Arbeitsverhältnis“ bestehen<br />

vor allem in arbeitsrechtlicher (z.B. keine Entgeltfortzahlung bei Krankheit,<br />

keinen Urlaubsanspruch, kein Mutterschutz, usw.) und sozialrechtlicher (kein<br />

Krankengeld, kein Wochengeld, keine Arbeitslosenversicherung,…) Hinsicht.<br />

Für viele Frauen eröffnen aber Teilzeitarbeit und atypische Beschäftigungsverhältnisse<br />

die einzig realisierbare Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren.<br />

So sind es vor allem die Frauen, die in Teilzeit- und atypische<br />

Beschäftigungsverhältnisse hinein gedrängt werden.<br />

Eine Teilzeitbeschäftigung ermöglicht aber meist nur ein Einkommen, das für<br />

eine Existenzsicherung nicht ausreicht. In weiterer Folge ist auch keine pensionsrechtliche<br />

Absicherung gegeben.<br />

Für 86,7 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen ist ihre derzeitige Arbeitszeitregelung<br />

passend. Allgemein ist aber bei den Frauen der Wunsch nach<br />

Flexibilität der Arbeitszeit größer als bei den Männern. So ist eine flexiblere<br />

Zeiteinteilung für 56,5 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen Hauptänderungswunsch<br />

bei der Arbeitszeitregelung. Durch die Einführung der gesetzlichen<br />

Bestimmungen zur Elternteilzeit Neu wurde bereits ein wichtiger Schritt<br />

in diese Richtung geschaffen. Die neuen Bestimmungen lassen eine flexiblere<br />

Arbeitszeitgestaltung zu und ermöglichen es so den Frauen, nach<br />

einer Babypause wieder früher ins Berufsleben einzusteigen.<br />

Gleichstellung der Frauen im Berufsleben<br />

Obwohl das Gesetz den Frauen in der Arbeitswelt Gleichberechtigung,<br />

Chancengleichheit und gleichen Lohn bei gleichwertiger Arbeit verspricht, ist<br />

die Realität eine ganz andere. So sind viele Frauen noch Diskriminierungen<br />

ausgesetzt, vor allem durch Einkommensunterschiede.<br />

Nur 45 Prozent der<br />

beschäftigten Frauen<br />

arbeiten Vollzeit<br />

23


24<br />

<strong>Tirol</strong>er Frauen fühlen<br />

sich oft benachteiligt<br />

Teilzeit: Arbeiten oft<br />

unterqualifiziert<br />

Auch Kinder und dadurch bedingte Laufbahnunterbrechungen bringen es<br />

mit sich, dass Frauen immer noch deutlich weniger verdienen als Männer.<br />

Die Rückkehr ins Berufsleben nach einer Baby-Pause ist oft mit einem<br />

Wechsel des Arbeitsplatzes verbunden und bedeutet in vielen Fällen eine<br />

Dequalifizierung. Die meisten Frauen kehren in Teilzeit bzw. atypische<br />

Beschäftigungsverhältnisse zurück. Gerade Teilzeitbeschäftigungen sind oft<br />

nur in Branchen möglich, die durch minderqualifizierte Arbeiten und dementsprechend<br />

niedrigere Löhne gekennzeichnet sind. In weiterer Folge ist auch<br />

ein beruflicher Aufstieg kaum möglich.<br />

Die Mehrheit der in <strong>Tirol</strong> Beschäftigten ist nach wie vor der Meinung, dass<br />

Frauen für dieselbe Leistung weniger Bezahlung erhalten bzw. finanziell<br />

benachteiligt sind. Sie glauben nicht an eine Gleichstellung der Frauen im<br />

Berufsleben.<br />

Die Frauen in <strong>Tirol</strong> fühlen sich häufig im Berufsleben den Männern nicht<br />

gleichgestellt. Dies wird verstärkt von jenen Frauen so empfunden, deren<br />

berufliche Karriere nicht zu ihrer Zufriedenheit verlaufen ist und die sich bei<br />

den Aufstiegschancen gegenüber den Männern benachteiligt fühlen.<br />

Zufriedenheit im Berufsleben – Aufstiegs- und Karrierechancen<br />

Grundsätzlich sind die <strong>Tirol</strong>er Frauen in ihrem Beruf zufrieden, wenn auch die<br />

berufliche Karriere für viele Frauen weniger zufrieden stellend als für Männer<br />

verläuft. Dies ist nicht zuletzt auch auf die größere Anzahl von in Teilzeit- und<br />

in atypischen Beschäftigungsverhältnissen beschäftigten Frauen zurückzuführen.<br />

Gerade bei Teilzeitbeschäftigungen sind oft Arbeiten zu verrichten,<br />

die nicht dem Ausbildungs- bzw. Qualifikationsniveau der Arbeitnehmerin<br />

entsprechen. Somit ist in weiterer Folge ein beruflicher Aufstieg dieser<br />

Beschäftigungsgruppe nur sehr schwer möglich.<br />

Es darf auch nicht übersehen werden, dass bei Teilzeitarbeit oft nur ein unzureichendes<br />

Einkommen erwirtschaftet werden kann und so die Verdienstmöglichkeiten<br />

dieser Beschäftigungsgruppe entsprechend schlechter sind.<br />

Die Doppelbelastung der Frau mit Kindern und Haushalt ist für viele Berufstätige<br />

in <strong>Tirol</strong> mit ein Grund für die geringeren Aufstiegschancen der Frauen<br />

im Berufsleben. Lediglich 25 Prozent der <strong>Tirol</strong>er Frauen sind der Meinung,<br />

dass sie dieselben Aufstiegs- und Karrierechancen haben wie Männer.<br />

Der Anteil der Frauen in Führungspositionen ist jedenfalls nach wie vor sehr<br />

gering.<br />

Was die Entfernung des Arbeitsplatzes anlangt, so ist zwar der überwiegende<br />

Teil der berufstätigen Frauen der Ansicht, dass es genügend Arbeitsplätze<br />

in zumutbarer Entfernung gibt. Allerdings sind 45,2 Prozent der<br />

Frauen der gegenteiligen Meinung.<br />

Überbelastet am Arbeitsplatz fühlen sich häufiger berufstätige Frauen mit<br />

Kindern. Diese Personengruppe ist auch der Meinung, dass es nicht genügend<br />

Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung gäbe, die Verdienstmöglichkeiten<br />

in <strong>Tirol</strong> wenig attraktiv seien, eine andere Arbeitszeitregelung für sie besser<br />

wäre und sie am Arbeitsplatz benachteiligt würden.


Es sind dies vor allem jene Frauen, die Beruf, Haushalt und Kinder unter<br />

einen Hut bekommen müssen.<br />

Die Verantwortung für die Familie und den Haushalt, der immer noch traditionell<br />

der Frau zugewiesen wird einerseits, und das gleichzeitige Engagement<br />

im Beruf andererseits werden zur Doppelbelastung.<br />

Doppelbelastung<br />

Die Doppelbelastung von Familie und Beruf wird vor allem von berufstätigen<br />

Frauen, die alleine mit Kindern leben, als besonders stark empfunden.<br />

Durch die immer stärker werdenden Anforderungen in der Arbeitswelt einerseits<br />

und der Verantwortung für die Familie und Kinder andererseits, fühlen<br />

sich viele Frauen einem großen Stress ausgesetzt.<br />

Viele berufstätige Frauen würden sich zur Verringerung der Doppelbelastung<br />

flexiblere Arbeitszeiten wünschen. Auch eine verstärkte Mitarbeit des Partners<br />

im Haushalt wird von den berufstätigen Frauen als hilfreich zur Verringerung<br />

der Doppelbelastung angesehen.<br />

Unterbrechung der Berufstätigkeit wegen Kinderbetreuung<br />

Nach der Baby-Pause steigen rund 78 Prozent der Frauen wieder ins Berufsleben<br />

ein. Davon kehren 36,4 Prozent wieder an den alten Arbeitsplatz<br />

zurück und 41,6 Prozent beginnen ihre Arbeit an einem neuen Arbeitsplatz.<br />

22,1 Prozent der Frauen aber steigen nach einer Baby-Pause nicht wieder<br />

ins Berufsleben ein.<br />

Allerdings ist eine Rückkehr zur Vollbeschäftigung für viele Frauen nicht<br />

denkbar, da sie sich zumindest vorübergehend selbst der Erziehung bzw.<br />

Betreuung ihrer Kinder widmen möchten. Ein Großteil der Frauen ist nach<br />

einer Baby-Pause nur noch geringfügig bzw. atypisch beschäftigt. Ein Einkommen<br />

aus einem Teilzeit- oder atypischen Beschäftigungsverhältnis ist<br />

aber einerseits nicht existenzsichernd und zieht andererseits auch verminderte<br />

Sozialversicherungsleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld und<br />

niedrige Pensionen nach sich.<br />

Die Karenzzeit wird in <strong>Tirol</strong> traditionellerweise zum größten Teil immer noch<br />

von der Frau in Anspruch genommen.<br />

Allerdings könnte sich jede zweite berufstätige Frau bzw. Frau in Karenz in<br />

<strong>Tirol</strong> vorstellen, dass ihr berufstätiger Mann bzw. Lebenspartner in Karenz<br />

gehen und sich dann um das Baby und den Haushalt kümmern würde. Trotzdem<br />

ist eine Väterkarenz nach wie vor für 49,3 Prozent der berufstätigen<br />

Frauen und Frauen in Karenz nicht vorstellbar.<br />

Vor allem für die jüngeren berufstätigen Männer (26 – 40 Jahre) wäre eine<br />

Männerkarenz vorstellbar. 57,7 Prozent der in <strong>Tirol</strong> berufstätigen Männer<br />

können sich vorstellen, anstelle ihrer berufstätigen Frau in Karenz zu gehen,<br />

um sich um das Baby und den Haushalt zu kümmern.<br />

Alleinerziehende unter<br />

enormem Stress<br />

Karenz in <strong>Tirol</strong><br />

ist weiblich<br />

25


26<br />

Jede zweite Frau mit<br />

Kindern findet<br />

Betreuungsangebot<br />

unzureichend<br />

Zu wenig ganztägige<br />

Betreuung mit<br />

Mittagstisch für Kinder<br />

im Vorschul- und<br />

Schulbereich<br />

Gründe für die traditionelle Karenz der Frau sind unter anderem: Der bessere<br />

Verdienst des Mannes, die Nichtfähigkeit der Männer im Haushalt und in der<br />

Kindererziehung aber auch, dass die Frau sich selber um die Kinder kümmern<br />

möchte.<br />

Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

Nach der Baby-Pause und vor dem Wiedereinstieg ins Berufsleben muss<br />

sich jede Frau Gedanken machen, wie sie die Betreuung ihres Kindes organisiert.<br />

Selbst wenn sie nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, gilt es die<br />

Kinderbetreuung zu managen.<br />

Es stellen sich für die berufstätigen Mütter u.a. auch die Fragen, wer sich im<br />

Falle von Krankheit der Kinder um diese kümmert, wie Schulferien bzw.<br />

schulautonome Tage überbrückt werden können, unvorhergesehene freie<br />

Tage gemanagt werden, wer die Kinder bei früherem Schulunterrichtsende<br />

beaufsichtigt.<br />

Mehr als jede zweite Frau mit Kindern unter 18 Jahren ist der Meinung, dass<br />

das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen in <strong>Tirol</strong> nicht ausreichend<br />

ist.<br />

In der Stadt Innsbruck halten 52,4 Prozent der Frauen das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

für nicht ausreichend, im Bezirk Innsbruck Land<br />

steigt der Prozentsatz der mit der Kinderbetreuungssituation nicht Zufriedenen<br />

sogar auf 63,8 Prozent an. Auch in den weiteren <strong>Tirol</strong>er Bezirken sind die<br />

Frauen mehrheitlich der Ansicht, dass es zu wenig Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />

gibt.<br />

So müssen in <strong>Tirol</strong> bei 61,5 Prozent der berufstätigen Frauen mit einem Kind<br />

bis 3 Jahre Familienmitglieder während der Berufstätigkeit der Mutter die<br />

Betreuung des Kindes übernehmen. Nur jede zehnte berufstätige <strong>Tirol</strong>er<br />

Mutter nimmt die Dienste einer Tagesmutter in Anspruch.<br />

Obwohl viele Frauen mit Kindern lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen,<br />

damit sie Familie und Beruf vereinbaren können, wünschen sich dennoch<br />

34,6 Prozent der berufstätigen Frauen in <strong>Tirol</strong> mit einem Kind bis<br />

3 Jahre eine ganztägige Betreuung mit Mittagstisch für ihr Kind.<br />

In der Altersgruppe der 4- bis 6jährigen Kinder in <strong>Tirol</strong> werden zwar die<br />

Mehrzahl in einer Kinderbetreuungseinrichtung betreut, trotzdem entsprechen<br />

viele Betreuungsplätze hinsichtlich der Öffnungszeiten und sonstigen<br />

Rahmenbedingungen aber nicht der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So<br />

würden beispielsweise in der Stadt Innsbruck immerhin 30,8 Prozent der<br />

berufstätigen Frauen mit einem Kind zwischen 4 und 6 Jahren eine ganztägige<br />

Betreuung mit Mittagstisch benötigen.<br />

Bei jeder zweiten berufstätigen Frau in <strong>Tirol</strong> mit Kindern zwischen 6 und<br />

12 Jahren übernehmen nach der Schule vorrangig Familienmitglieder<br />

während ihrer eigenen Berufstätigkeit die Betreuung. Viele Betreuungseinrichtungen<br />

entsprechen qualitativ nicht dem Bedarf der Arbeitswelt und sind<br />

nur schlecht mit einer Erwerbstätigkeit der Frau zu vereinbaren. So wünschen<br />

sich 40 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er Frauen, die über ein Netto-


Haushaltseinkommen bis zu 730 Euro monatlich verfügen, eine Nachmittagsbetreuung<br />

mit Mittagstisch für ihr Kind.<br />

Im Bezirk Innsbruck Stadt sind fast 60 Prozent der Frauen der Ansicht, dass<br />

die Preise für Kindergarten und Hort nicht angemessen sind. Auch im Bezirk<br />

Innsbruck Land sind rund 59 Prozent der Frauen derselben Meinung.<br />

Da die <strong>Tirol</strong>er Frauen auf Grund der schwierigen Kinderbetreuungssituation<br />

gezwungen sind, bereits vor dem Wiedereintritt ins Berufsleben die Kinderbetreuung<br />

nach ihrem individuellen Bedarf zu organisieren und zu managen,<br />

ist der Großteil der Frauen dann auch mit der gewählten Kinderbetreuung<br />

zufrieden.<br />

Sorge um die Zukunft der sozialen Absicherung<br />

Mehr als jeder zweite in <strong>Tirol</strong> Beschäftigte hat schon eher Sorge um die<br />

Zukunft seiner sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit und Pension.<br />

Bei den Frauen steigt der Anteil derjenigen, die Sorgen um die Zukunft<br />

ihrer sozialen Absicherung haben, sogar über den Durchschnitt an.<br />

Für die Pension bzw. für das Alter nicht ausreichend abgesichert fühlen sich<br />

vor allem <strong>Tirol</strong>er bis 40 Jahre.<br />

Allgemein ist die Tendenz so, dass der Lebensstandard im Alter durch die<br />

Pensionen nicht mehr abgesichert werden kann.<br />

Vor allem bei den <strong>Tirol</strong>er Frauen ist der Anteil derjenigen, die einen eigenen<br />

existenzsichernden Pensionsanspruch haben bzw. einmal erwerben werden,<br />

gering.<br />

Durch Laufbahnunterbrechungen infolge Kindererziehung und -betreuung<br />

erwerben Frauen oft zu wenig Versicherungsmonate im Hinblick auf eine<br />

existenzsichernde Eigenpension. Denkt eine Frau an eine ausreichende<br />

Eigenversorgung im Alter, so müsste sie in ihrem Arbeitsleben möglichst<br />

durchgehend einer Erwerbstätigkeit nachgehen und möglichst hoch verdienen.<br />

Diese Voraussetzungen sind aber nur dann gegeben, wenn die<br />

Frauen entweder kinderlos bleiben oder aber auch die Männer die Verantwortung<br />

für Kindererziehung, -betreuung und Haushalt übernehmen und die<br />

Frauen so möglichst durchgehend eine Vollzeitbeschäftigung ausüben<br />

können.<br />

Die Rückkehr ins Berufsleben nach einer Berufsunterbrechung infolge Kindererziehung<br />

wird für viele Frauen zu einer sozialrechtlichen Falle. Von den<br />

meisten Frauen wird eine Teilzeitbeschäftigung gewünscht, da sie für viele<br />

die einzige Möglichkeit bietet, den Spagat zwischen Familie und Beruf zu<br />

schaffen. Eine Teilzeitarbeit ist aber einerseits nicht Existenz sichernd und<br />

zieht andererseits neben arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Nachteilen<br />

niedrige Pensionen nach sich.<br />

Frauen, die den Wiedereinstieg in Vollzeit- bzw. in Teilzeitarbeit nicht schaffen,<br />

rutschen nicht selten in atypische Beschäftigungsverhältnisse ab. Atypische<br />

Beschäftigungsverhältnisse sind gekennzeichnet durch keinerlei sozialrechtliche<br />

Absicherung. Oft erkennen Frauen erst Jahre später die enormen<br />

Auswirkungen. Wenn überhaupt haben sie nur eine sehr niedrige Eigen-<br />

Teilzeitarbeit ist nicht<br />

Existenz sichernd<br />

27


28<br />

Kindererziehung wird für<br />

Pension nun besser<br />

honoriert<br />

Zeiten mit geringem<br />

Einkommen beeinflussen<br />

Pensionshöhe nachteilig<br />

pension (Höhe der Pension ist abhängig von der Höhe des Einkommens)<br />

bzw. überhaupt keine. So beträgt die durchschnittliche Frauenpension in<br />

Österreich 735 Euro, Männer erhalten im Durchschnitt monatlich 1.287 Euro<br />

an Pension.<br />

Pensionsrechtliche Aspekte<br />

Die mit der Pensionsharmonisierung ab 1. Jänner 2005 gültigen pensionsrechtlichen<br />

Neuerungen bringen für Frauen sowohl Vor- als auch Nachteile.<br />

Durch die Umstellung der bisherigen Ersatzzeitenanrechnung für Kindererziehung<br />

auf Beitragszeiten innerhalb des Pensionskontos (für Geburten ab<br />

1. Jänner 2005) erfolgte auch eine deutliche Verbesserung der Honorierung<br />

von Zeiten der Kindererziehung. Ein Monat Kindererziehung ist nunmehr mit<br />

1.350 Euro zu bewerten und im individuellen Pensionskonto als Beitragszeit<br />

erfasst. Wie bisher gilt dies allerdings nur für die ersten vier Lebensjahre des<br />

Kindes, erfolgt innerhalb dieser Zeit eine weitere Geburt, verkürzt sich die<br />

Anrechnung für das ältere Kind dementsprechend. Bei Zwillingsgeburten<br />

erfolgt eine Anrechnung bis zu max. fünf Jahren nach der Geburt.<br />

Durch die Bewertung der Kindererziehungszeit als Beitragszeit ist künftig<br />

auch der Zugang zur Alterspension, bei der im Regelfall der Nachweis von<br />

180 Beitragsmonaten erforderlich ist, sicher erleichtert. Andererseits wird<br />

durch die Einführung des Pensionskontos de facto der Lebensverdienst als<br />

Bemessungsgrundlage für die Pensionsberechnung herangezogen, sodass<br />

auch Zeiten mit geringerem Einkommen (Teilzeit, geringfügige Beschäftigung<br />

mit Beitragszahlung etc.) die Höhe der Pension nachteilig beeinflussen.<br />

Die geschilderten Grundsätze gelten allerdings uneingeschränkt nur für<br />

Frauen, die ab 1. Jänner 2005 erstmalig Versicherungszeiten erwerben. Für<br />

die nunmehr bereits länger im Erwerbsleben stehenden Frauen gelten noch<br />

jahrelange Übergangsbestimmungen, die eine Mischung beider Systeme<br />

(bisherige Pensionsberechnung bzw. Pensionskonto) vorsehen.<br />

Frauen, die am 1. Jänner 2005 bereits das 50. Lebensjahr vollendet hatten,<br />

verbleiben überhaupt gänzlich im alten System und sind daher von den<br />

Neuerungen nicht betroffen.


Fraueneinkommen<br />

29


30<br />

Einkommenserhebung<br />

bei Selbstständigen<br />

kaum möglich<br />

Fraueneinkommen<br />

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Einkommenssituation<br />

der Unselbstständigen, auf die Einkommen der Selbstständigen wird<br />

hier nur kurz und exemplarisch eingegangen.<br />

Einkommen der Selbstständigen<br />

Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Einkommen selbstständig Erwerbstätiger<br />

sehr viel schwerer erfassbar sind als die der Unselbstständigen. Oftmals<br />

können Selbstständige ihr laufendes Einkommen nicht wirklich kennen.<br />

Grundlage der Einkommensdaten der Selbstständigen ist die Einkommenssteuerstatistik.<br />

Da die letzte Erhebung aus dem Jahr 2001 resultiert, wird hier<br />

auf die von der Statistik Austria für das Jahr 2003 fortgeschriebenen Einkommensdaten<br />

zurückgegriffen (erstellt für den „Bericht des Rechnungshof<br />

gemäß Art1 § 8 Bezügebegrenzungsgesetz für die Jahre 2002 und 2003“).<br />

Die Aussagekraft und Qualität der Einkommenssteuerdaten sind mit den Einkommensdaten<br />

der Unselbstständigen (Lohnsteuerstatistik und Beitragsgrundlagenstatistik<br />

des Hauptverbandes) nahezu nicht vergleichbar: So liegen<br />

die Einkommen der ausschließlich selbstständig Erwerbstätigen oftmals<br />

derart weit unter dem Einkommensniveau der unselbstständig Erwerbstätigen,<br />

dass es nach vernünftigen Maßstäben nicht mehr einsichtig ist, warum<br />

überhaupt einer selbstständigen Arbeit nachgegangen wird.<br />

Die Durchschnittsjahresbruttoeinkommen der ausschließlich selbstständig<br />

Erwerbstätigen, die sich aus Einkommen der Land- und Forstwirtschaft, aus<br />

selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung<br />

zusammensetzen, machten bei den Männern im Jahr 2003 in Österreich<br />

30.105 Euro aus, bei den Frauen 16.080 Euro. Die Selbstständigeneinkommen<br />

der Frauen lagen damit um minus 44 Prozent unter jenen der Männer.<br />

Wegen der besonders großen Streuung der Einkommen unselbstständig<br />

Erwerbstätiger und der relativ häufig vorkommenden negativen Einkünfte<br />

bzw. Verluste ist unbedingt die Verwendung von Medianeinkommen (mittle-


es Einkommen) zu empfehlen, da diese von den Extremwerten an den<br />

Enden der Skala (Negativeinkommen und besonders hohe Einkommen) weit<br />

weniger beeinflusst werden. Mittleres Einkommen und Durchschnittseinkommen<br />

fallen im Selbstständigenbereich derart weit auseinander, dass<br />

rund 70 Prozent der Einkommensbezieher unter dem Durchschnittseinkommen<br />

liegen, bzw. erreichen die mittleren Einkommen nicht einmal die Hälfte<br />

des Durchschnittseinkommens.<br />

Die mittleren Jahresbruttoeinkommen der Frauen (7.885 Euro) waren 2003<br />

um minus 43 Prozent niedriger als die der Männer (11.314 Euro):<br />

Generell bezogen im Jahr 2003 die Hälfte aller ausschließlich selbstständig<br />

Erwerbstätigen Jahresbruttoeinkommen von weniger als 11.314 Euro. Deutlich<br />

darüber lag das Einkommensniveau bei denjenigen, die sowohl Einkünfte<br />

aus Selbstständigentätigkeit als auch Einkommen aus nichtselbstständiger<br />

Arbeit bezogen: Diese Einkommensbezieher („Mischfälle“) bezogen<br />

mehr als doppelt so hohe Einkommen wie die ausschließlich selbstständig<br />

Erwerbstätigen.<br />

Die mit großem Abstand höchsten Einkommen werden in der Branche<br />

„Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“ erzielt (mittleres Jahresbruttoeinkommen<br />

2003 von 40.982 Euro, das sind mehr als 3,6 mal soviel wie<br />

der Branchendurchschnitt von 11.314 Euro).<br />

Zu den Branchen mit niedrigen Einkommensbezügen zählen die Wirtschaftsbereiche<br />

„Erbringung sonstiger öffentlicher und persönlicher Dienstleistungen“<br />

(8.496 Euro) und das „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“<br />

(8.582 Euro).<br />

Differenziert nach Geschlecht werden in den gleichen Branchen im Schnitt<br />

die höchsten und niedrigsten Selbstständigeneinkommen erzielt. Allerdings<br />

31


32<br />

Jeder dritte<br />

Selbstständige ist<br />

weiblich<br />

Durchschnittliches<br />

Jahresbrutto der<br />

unselbstständig<br />

beschäftigten Frauen<br />

in <strong>Tirol</strong>: 15.391 Euro<br />

sind die Unterschiede bei den hohen Einkünften bei den Männern deutlich<br />

stärker ausgeprägt als bei den Frauen. Ausschließlich selbstständig<br />

erwerbstätige Männer erzielten mit einem mittleren Einkommen von<br />

77.252 Euro im „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“ um 5,6 mal so<br />

hohe Einkünfte wie im Branchendurchschnitt, Frauen mit 19.278 Euro<br />

Jahreseinkommen nur 2,4 mal so hohe Einkommen wie im Durchschnitt aller<br />

Frauen. Mit einem Mindereinkommen von minus 75 Prozent im Vergleich<br />

zum Männereinkommen weist diese Branche die höchsten geschlechtsspezifischen<br />

Einkommensunterschiede auf.<br />

Nur knapp 34 Prozent aller ausschließlich selbstständig Erwerbstätigen<br />

(256.194) sind Frauen. 51 Prozent der Frauen sind in den drei Wirtschaftsbranchen<br />

„Unternehmensbezogene Dienstleistungen und Realitäten“, „Handel“<br />

und „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“ berufstätig. Während die<br />

Selbstständigeneinkommen der Frauen im Handel (7.802 Euro mittleres Jahresbruttoeinkommen)<br />

dem Branchendurchschnitt entsprechen, zählen das<br />

„Beherbergungs-Gaststättenwesen“ (6.547 Euro) und die „Unternehmensbezogenen<br />

Dienstleistungen und Realitäten“ (7.751 Euro) zu den Branchen<br />

mit unterdurchschnittlichen Selbstständigeneinkommen.<br />

Der geschlechtsspezifische Einkommensnachteil macht in diesen drei Branchen<br />

zwischen 59 Prozent (Unternehmensbezogene Dienstleistungen, Realitäten)<br />

und 42 Prozent (Beherbergungs-Gaststättenwesen) aus (Branchendurchschnitt<br />

43 Prozent).<br />

In den Wirtschaftsabschnitten „Fischerei-Fischzucht“, „Bergbau-, Steine,-<br />

Erdengewinnung“ und in der „Öffentlichen Verwaltung inklusive Sozialversicherung“<br />

liegen die Fraueneinkommen über den Männereinkommen. Allerdings<br />

sind diese Zahlen wegen der geringen Besetzungsanzahl (insgesamt<br />

216 ausschließlich selbstständig Erwerbstätige) nicht repräsentativ.<br />

Einkommensverteilung innerhalb der Arbeitnehmer<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

Von den im Jahr 2003 in <strong>Tirol</strong> wohnhaften lohnsteuerpflichtigen 315.609 Arbeitnehmern<br />

waren 45,9 Prozent Frauen. Infolge des überdurchschnittlichen<br />

Frauenanteils bei den geringfügig Beschäftigten lag der Frauenanteil bei der<br />

Gesamtheit der Lohnsteuerpflichtigen höher als bei den Standard- bzw. vollversicherungspflichtigen<br />

Beschäftigten (45 Prozent).<br />

Von der gesamten in <strong>Tirol</strong> ausbezahlten Bruttolohnsumme von 6,78 Mrd.<br />

Euro entfielen nur 32,4 Prozent auf Frauen, das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen<br />

der Frauen (15.391 Euro) lag um 43 Prozent unter jenem<br />

der Männer (27.200 Euro). Ohne Geschlechtsberücksichtigung betrug der<br />

durchschnittliche Jahresbruttoverdienst eines Arbeitnehmers (inklusive<br />

Lehrlinge, geringfügig Beschäftigte und Beamte) in <strong>Tirol</strong> 21.780 Euro.<br />

55,4 Prozent aller Arbeitnehmerinnen in <strong>Tirol</strong>, das waren mehr als<br />

80.000 Frauen, bezogen 2003 ein Jahresbruttoeinkommen von weniger als<br />

15.000 Euro und lagen damit unter dem arithmetischen Mittelwert bzw. dem<br />

Durchschnittseinkommen aller Frauen. Bei den Männern erreichte der Anteil<br />

der Niedrigverdiener (15.000 Euro) mit 27,6 Prozent bzw. 47.000 Arbeitnehmern<br />

nur die Hälfte des Frauenanteils.


Einkommensverteilung der Arbeitnehmer (inkl. geringfügig Beschäftigte) in <strong>Tirol</strong> 2003<br />

Jahresbruttoverdienst in Euro<br />

bis 10.000 15.000 25.000 40.000 über<br />

10.000 15.000 25.000 40.000 100.000 100.000 Alle<br />

Arbeitnehmer<br />

ALLE 92.744 34.681 75.598 75.112 35.633 1.841 315.609<br />

Männer 35.500 11.633 38.128 54.179 29.593 1.716 170.749<br />

Frauen 57.244 23.048 37.470 20.933 6.040 125 144.860<br />

Verteilung<br />

ALLE 29,4% 11,0% 24,0% 23,8% 11,3% 0,6% 100%<br />

Männer 20,8% 6,8% 22,3% 31,7% 17,3% 1,0% 54,1%<br />

Frauen 39,5% 15,9% 25,9% 14,5% 4,2% 0,1% 45,9%<br />

Bezüge (in 1.000 Euro)<br />

ALLE 394.444 432.538 1.524.609 2.325.114 1.932.479 264.794 6.873.978<br />

Männer 147.957 145.657 790.051 1.686.798 1.625.091 248.840 4.644.394<br />

Frauen 246.487 286.881 734.558 638.316 307.388 15.954 2.229.584<br />

Verteilung<br />

ALLE 5,7% 6,3% 22,2% 33,8% 28,1% 3,9% 100%<br />

Männer 3,2% 3,1% 17,0% 36,3% 35,0% 5,4% 100%<br />

Frauen 11,1% 12,9% 32,9% 28,6% 13,8% 0,7% 100%<br />

Jahresdurchschnittsbruttoverdienste<br />

ALLE 4.253 12.472 20.167 30.955 54.233 143.832 21.780<br />

Männer 4.168 12.521 20.721 31.134 54.915 145.012 27.200<br />

Frauen 4.3<strong>06</strong> 12.447 19.604 30.493 50.892 127.632 15.391<br />

Differenz zwischen Frauen- Männerverdiensten<br />

Frauen 3% -1% -5% -2% -7% -12% -43%<br />

Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge, ohne Arbeitnehmer mit<br />

ausländischem oder unbekanntem Wohnsitz; Wohnortbezogen<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Im Bereich der Niedrigsteinkommen unter 10.000 Euro ist das geschlechtsspezifische<br />

Verhältnis ähnlich: Knapp 40 Prozent aller Frauen und 21 Prozent<br />

aller Männer zählen zu dieser untersten Einkommenskategorie.<br />

Bei den Bruttobezügen jenseits der 25.000-Euro-Grenze wird der Frauenanteil<br />

schon gering: Nur knapp 19 Prozent aller Frauen, aber die Mehrheit der<br />

33


34<br />

Nur 43 Prozent der <strong>Tirol</strong>er<br />

Arbeitnehmerinnen<br />

sind ganzjährig und<br />

Vollzeit beschäftigt<br />

65 Prozent der Männer<br />

ganzjährig und Vollzeit<br />

beschäftigt<br />

Minderbezahlung<br />

zwischen Frau und Mann:<br />

43 Prozent<br />

Männer (51 Prozent) fällt in diesen Einkommensbereich. Mit zunehmender<br />

Einkommenshöhe sinkt der Frauenanteil. Bei den Höchsteinkommen von<br />

mehr als 100.000 Euro sind nur noch 125 Frauen vertreten (7 Prozent der<br />

Höchsteinkommensbezieher, 0,1 Prozent aller Frauen), gegenüber 1.716<br />

Männern (93 Prozent der Höchsteinkommensbezieher,1 Prozent aller Männer).<br />

Bei den niedrigen Einkommensbeziehern handelt es sich überwiegend um<br />

Teilzeitbeschäftigte, Nichtganzjahresbeschäftigte und Lehrlinge, bzw. auch<br />

aus Kombinationen dieser Merkmale.<br />

• Innerhalb der Nichtganzjahresbeschäftigten, im Jahr 2003 waren das<br />

102.830 Personen bzw. 32,6 Prozent aller Arbeitnehmer, überwiegen die<br />

Arbeitslosen. Im Laufe des Jahres 2003 waren 67.735 Arbeitnehmer aus<br />

<strong>Tirol</strong> zumindest einmal arbeitslos. Des weitern zählen Karenzurlauberinnen,<br />

Präsenz- und Zivildiener, Ferialpraktikanten, Berufsein- bzw. Wiedereinsteiger<br />

jeglichen Alters, Berufsaussteiger und in die Pension abgehende<br />

Personen zu dieser Gruppe.<br />

• Die Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten (60.571 Arbeitnehmer bzw.<br />

19,2 Prozent aller Unselbstständigen) zählt zu den niedrigen Einkommensbeziehern:<br />

75 Prozent bezogen Jahresbruttoverdienste von weniger<br />

als 15.000 Euro, 55 Prozent von weniger als 10.000 Euro.<br />

Alle geringfügig Beschäftigten, die während des Jahres keine andere Form<br />

der Erwerbstätigkeit ausübten bzw. auch keine über dem Erwerbseinkommen<br />

liegende Pension bezogen, fallen per Definition in den Niedrigstlohnbereich<br />

und zählen zu den Teilzeitbeschäftigten.<br />

Auch bei den Teilzeitbeschäftigten gibt es eine starke Streuung der Verdienste:<br />

Immerhin bezogen 533 Teilzeitbeschäftigte (1 Prozent der Teilzeitbeschäftigten)<br />

über der Höchstbeitragsgrundlage (47.000 Euro) liegende<br />

Verdienste.<br />

• Von den 12.800 Lehrlingen fallen mehr als 98 Prozent in den Einkommensbereich<br />

von weniger als 15.000 Euro.<br />

Frauen zählen schon allein wegen der hohen Anteile Nichtganzjahresbeschäftigter<br />

(in <strong>Tirol</strong> 34 Prozent) und Teilzeitbeschäftigter (34 Prozent der<br />

Gesamtbeschäftigten bzw. auch bei den Ganzjahresbeschäftigten) überwiegend<br />

zu den Niedrigverdienern. Nur 43,3 Prozent der weiblichen Arbeitnehmer<br />

übten 2003 eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung aus.<br />

Bei den Männern kommen derartige Erwerbsverläufe deutlich seltener vor.<br />

Insbesondere ist die Teilzeitbeschäftigung in weitaus geringerem Ausmaß<br />

üblich (6,5 Prozent aller Gesamtbeschäftigten und 4,4 Prozent bei den Ganzjahresbeschäftigten).<br />

Bei der Beschäftigungsdauer ist hingegen der Unterschied<br />

zu den Frauen geringer, immerhin 31,4 Prozent aller männlichen<br />

Arbeitnehmer standen in <strong>Tirol</strong> weniger als 11 Monate in Beschäftigung<br />

(Nichtganzjahresbeschäftigte). Eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung übten<br />

65,3 Prozent aller in <strong>Tirol</strong> wohnhaften männlichen Arbeitnehmer aus.<br />

Der starke geschlechtsspezifische Verdienstunterschied in <strong>Tirol</strong> – die Minderbezahlung<br />

der Frauen in der Größenordnung von minus 43 Prozent ist der<br />

zweithöchste aller Bundesländer – ist sowohl vom überdurchschnittlich starken<br />

Teilzeitbeschäftigungsanteil als auch und zwar in weit stärkeren Aus-


maß, vom weitaus höchsten Anteil nichtganzjahresbeschäftigter Frauen in<br />

<strong>Tirol</strong> beeinflusst.<br />

Die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede bei den Arbeitnehmerverdiensten<br />

schwanken Österreichweit zwischen minus 29 Prozent in<br />

Wien und minus 44 Prozent in Vorarlberg und betragen im Länderdurchschnitt<br />

minus 39 Prozent.<br />

Die im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ niedrigen geschlechtsspezifischen<br />

Verdienstunterschiede in Wien sind eher durch Strukturfaktoren<br />

(niedrigste Teilzeit- und Nichtganzjahresbeschäftigtenquote der Frauen in<br />

Wien) als durch günstige Verdienstbedingungen, insbesondere für Frauen, in<br />

der Bundeshauptstadt verursacht.<br />

In Vorarlberg, dem Bundesland mit den höchsten geschlechtsspezifischen<br />

Verdienstunterschieden, beziehen die Frauen weit unterdurchschnittliche,<br />

die Männer jedoch über dem Österreichdurchschnitt liegende Arbeitseinkommen.<br />

Daraus resultieren die starken geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede.<br />

Die im Bundesländervergleich schlechte Einkommenssituation <strong>Tirol</strong>s –<br />

Frauen wie Männer beziehen in <strong>Tirol</strong> die jeweils niedrigsten Jahresdurchschnittsverdienste<br />

aller Bundesländer (Verdienste nach dem Wohnortkonzept)<br />

– hängt ebenfalls zu einem Teil mit den die Einkommen negativ beeinflussenden<br />

Faktoren „jährliche Arbeitsdauer“ und „Teilzeitbeschäftigungsausmaß“<br />

zusammen.<br />

Einkommensverteilung innerhalb der Arbeitnehmer<br />

nach Bundesländern<br />

<strong>Tirol</strong> weist sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen den bundesländerweit<br />

höchsten Anteil von Niedrigverdienern auf. Während in <strong>Tirol</strong><br />

27,6 Prozent der Männer und 55,4 Prozent aller Frauen Jahresbruttoeinkommen<br />

von weniger als 15.000 Euro bezogen, waren es Österreichweit<br />

25,7 Prozent aller Männer und 48,4 Prozent der Frauen. Nimmt man das<br />

Burgenland als Vergleich heran, ergibt sich folgendes Bild: <strong>Tirol</strong> weist im Vergleich<br />

dazu bei den Männern einen um 5 Prozentpunkte höheren Anteil von<br />

Niedrigverdienern auf, bei den Frauen liegt der Anteil um 6,2 Prozentpunkte<br />

höher.<br />

In den höheren Einkommensklassen sind die Arbeitnehmer in <strong>Tirol</strong> logischerweise<br />

deutlich schwächer vertreten als die anderen Bundesländer. Bei den<br />

Frauen wirkt sich das bereits ab der Einkommensgruppe über 25.000 Euro<br />

Jahresbruttoeinkommen aus: Im Einkommensbereich 25.000 bis 40.000 Euro<br />

und Über-40.000-Euro sind Arbeitnehmerinnen aus <strong>Tirol</strong> signifikant<br />

schwächer vertreten als die Kolleginnen aus allen anderen Bundesländern.<br />

In <strong>Tirol</strong> bezogen 2003 nur 14,5 Prozent der Frauen Bruttoeinkommen zwischen<br />

25.000 und 40.000 Euro. Österreichweit waren es 17,8 Prozent, in<br />

Kärnten, dem Land mit dem zweitniedrigsten Anteil in dieser Einkommensklasse,<br />

immerhin 15,5 Prozent.<br />

Im Bereich der Bruttojahresverdienste von mehr als 40.000 Euro, was bei<br />

Frauen bereits als „hohes Einkommen“ zu bezeichnen ist, waren in <strong>Tirol</strong> nur<br />

Frauen und Männer in<br />

<strong>Tirol</strong> haben Österreichweit<br />

jeweils niedrigste<br />

Jahresdurchschnittsverdienste<br />

<strong>Tirol</strong> hat Österreichweit<br />

höchsten Anteil an<br />

Niedrigverdienern<br />

35


36<br />

4,3 Prozent der Frauen vertreten, Österreichweit hingegen 7,5 Prozent. Nur<br />

Vorarlberg wies einen ähnlich niedrigen Anteil (4,4 Prozent) gut verdienender<br />

Frauen auf.<br />

Einkommensverteilung der Arbeitnehmer (inkl. geringfügig Beschäftigte) 2003<br />

Jahresbruttoverdienst in Euro<br />

bis 10.000 15.000 25.000 40.000 über Arbeit- Durchschnitts- +/–<br />

Bundesländer 10.000 15.000 25.000 40.000 100.000 100.000 nehmer verdienst<br />

Alle Arbeitnehmer<br />

Burgenland 23,1% 10,5% 26,4% 26,4% 12,9% 0,7% 115.399 23.771 -2,5%<br />

Kärnten 27,3% 10,7% 24,9% 23,9% 12,4% 0,7% 233.770 22.767 -6,6%<br />

Niederösterreich 23,7% 9,5% 23,7% 26,7% 15,2% 1,3% 689.111 25.652 5,2%<br />

Oberösterreich 25,8% 10,0% 23,7% 26,2% 13,6% 0,8% 617.289 23.903 -1,9%<br />

Salzburg 27,9% 10,9% 23,9% 23,9% 12,6% 0,8% 238.608 22.946 -5,9%<br />

Steiermark 26,3% 10,6% 24,2% 25,6% 12,5% 0,7% 514.435 23.142 -5,1%<br />

<strong>Tirol</strong> 29,4% 11,0% 24,0% 23,8% 11,3% 0,6% 315.609 21.780 -10,7%<br />

Vorarlberg 28,7% 9,8% 20,3% 25,9% 14,6% 0,7% 154.179 23.656 -3,0%<br />

Wien 25,3% 9,3% 21,8% 24,7% 17,2% 1,7% 722.397 26.823 10,0%<br />

ÖSTERREICH 26,0% 10,0% 23,4% 25,4% 14,1% 1,0% 3.600.797 24.377 0%<br />

Männliche Arbeitnehmer<br />

Burgenland 15,7% 6,0% 25,0% 34,0% 18,2% 1,1% 65.399 28.727 -3,1%<br />

Kärnten 19,7% 6,7% 24,2% 30,9% 17,3% 1,3% 128.212 27.651 -6,7%<br />

Niederösterreich 17,5% 5,4% 20,9% 32,9% 21,2% 2,1% 381.302 31.272 5,5%<br />

Oberösterreich 17,8% 5,5% 20,7% 34,4% 20,3% 1,4% 343.043 29.788 0,5%<br />

Salzburg 20,7% 6,4% 21,7% 31,1% 18,7% 1,5% 125.850 28.511 -3,8%<br />

Steiermark 18,8% 6,1% 22,9% 33,5% 17,5% 1,2% 285.955 28.177 -4,9%<br />

<strong>Tirol</strong> 20,8% 6,8% 22,3% 31,7% 17,3% 1,0% 170.749 27.200 -8,2%<br />

Vorarlberg 19,4% 6,1% 16,4% 33,8% 23,0% 1,3% 84.113 30.270 2,1%<br />

Wien 23,3% 7,3% 19,0% 26,0% 21,6% 2,8% 381.797 31.097 4,9%<br />

ÖSTERREICH 19,5% 6,2% 21,1% 31,6% 19,8% 1,7% 1.966.420 29.635 0%<br />

Weibliche Arbeitnehmer<br />

Burgenland 32,8% 16,4% 28,3% 16,4% 5,9% 0,1% 50.000 17.290 -4,2%<br />

Kärnten 36,6% 15,5% 25,8% 15,5% 6,5% 0,1% 105.558 16.834 -6,7%<br />

Niederösterreich 31,4% 14,6% 27,1% 19,0% 7,7% 0,2% 307.809 18.691 3,6%<br />

Oberösterreich 35,8% 15,6% 27,4% 15,8% 5,3% 0,1% 274.246 16.543 -8,3%<br />

Salzburg 36,0% 15,8% 26,4% 15,8% 5,8% 0,1% 112.758 16.735 -7,3%<br />

Steiermark 35,8% 16,2% 25,9% 15,7% 6,3% 0,1% 228.480 16.841 -6,7%<br />

<strong>Tirol</strong> 39,5% 15,9% 25,9% 14,5% 4,2% 0,1% 144.860 15.391 -14,7%<br />

Vorarlberg 39,9% 14,2% 25,1% 16,4% 4,4% 0,0% 70.<strong>06</strong>6 15.716 -12,9%<br />

Wien 27,6% 11,6% 24,9% 23,2% 12,2% 0,5% 340.600 22.032 22,1%<br />

ÖSTERREICH 33,7% 14,7% 26,2% 17,8% 7,3% 0,2% 1.634.377 18.050 0%<br />

Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge, ohne Arbeitnehmer mit ausländischem oder unbekanntem Wohnsitz;<br />

Wohnortbezogen<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>


Bei den Männern unterscheidet sich die Einkommensverteilung in <strong>Tirol</strong> vom<br />

Bundesdurchschnitt vor allem durch die unterschiedliche Verteilung im<br />

Bereich der höheren und der niedrigen Einkommen, im mittleren Einkommensbereich<br />

von 25.000 bis 40.000 Euro gibt es keinen signifikanten Unterschied,<br />

im Bereich von 15.000 bis 25.000 Euro, bei Männern ein unterdurchschnittliches<br />

Einkommen, liegt der <strong>Tirol</strong>anteil (22,3 Prozent der Einkommensbezieher)<br />

leicht über dem Bundesländerdurchschnitt (21,1 Prozent).<br />

Den Einkommensbereich von mehr als 40.000 Euro erreichten in <strong>Tirol</strong> nur<br />

18,3 Prozent, verglichen mit 21,6 Prozent im Bundesländerdurchschnitt.<br />

Als Konsequenz dieser bundesländerspezifischen Einkommensverteilungen<br />

ergibt sich, dass Frauen wie auch Männer in <strong>Tirol</strong> die niedrigsten Einkommen<br />

aller Bundesländer erzielen, wobei vor allem bei den Frauen der Einkommensabstand<br />

beträchtlich ist.<br />

Jahresbruttoverdienste in Österreich nach Branchen<br />

Die Statistik Austria hat die lohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmerjahresbruttoeinkommen<br />

(Lohnsteuerstatistik) für den Rechnungshofbericht („Bezügebegrenzungsgesetz“)<br />

nach Wirtschaftsbranchen ausgewertet.<br />

Einkommen in <strong>Tirol</strong> sind<br />

die niedrigsten in Österreich<br />

<strong>Tirol</strong>er Frauen haben<br />

Österreichweit die<br />

höchste Minderbezahlung<br />

37


38<br />

Energie- und<br />

Wasserversorgung:<br />

Höchste Einkommen<br />

Im Vergleich zu den auf Monatsbasis standardisierten Arbeitnehmereinkommen<br />

laut Hauptverband Öst. Sozialversicherungsträger weisen die Jahreseinkommen<br />

generell eine deutlich stärkere Streuung nach Branchenzugehörigkeit<br />

auf, auch die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede<br />

sind stärker ausgeprägt.<br />

Österreich zählt im internationalen Vergleich zu den Ländern mit hohen Einkommensunterschieden<br />

zwischen den Branchen.<br />

Dies lässt sich am besten an Beispielen von Branchen zeigen, bei denen die<br />

Nichteinbeziehung der Beamten in der Beitragsgrundlagenstatistik keine<br />

Rolle spielt. Laut Monatsverdienstdaten des Hauptverbandes zählen die<br />

Branchen „Energie-Wasserversorgung“ (plus 68 Prozent über dem Branchendurchschnitt),<br />

„Kredit-Versicherungswesen“ (plus 47 Prozent) und<br />

„Sachgütererzeugung“ (plus 15 Prozent) zu den verdienstmäßig besten<br />

Branchen. Das gleiche Ergebnis zeigt sich auch bei den Jahresverdiensten<br />

auf Basis der Lohnsteuerstatistik: Allerdings weisen diese Daten eine im Ver-<br />

Jahresbruttoverdienste der Arbeitnehmer 2003 in Österreich<br />

Wirtschaftsabteilungen Alle Männer Frauen<br />

Minderbez.<br />

Frauen<br />

A Land-Forstwirtschaft 12.816 14.280 9.782 -31%<br />

B Fischerei, Fischzucht 11.919 13.018 8.255 -37%<br />

C Bergbau,Steine,Erdengewinnung 37.004 38.794 25.261 -35%<br />

D Sachgütererzeugung 29.767 33.692 20.114 -40%<br />

E Energie-Wassererzeugung 42.860 46.512 26.595 -43%<br />

F Bauwesen 24.314 25.108 18.571 -26%<br />

G Handel,Reparatur,Tankstellen 23.081 30.146 16.720 -45%<br />

H Beherbergungs-Gaststättenwesen 11.750 13.654 10.548 -23%<br />

I Verkehr,Nachrichtenübermittlung 24.591 26.407 19.677 -25%<br />

J Kredit-Versicherungswesen 40.997 52.760 28.903 -45%<br />

K Unternehmensdienste,Realitäten 24.<strong>06</strong>4 29.318 18.325 -37%<br />

L Öff. Verwaltung, Soz.Vers. 24.483 29.861 21.562 -28%<br />

M Unterrichtswesen 21.603 27.452 18.948 -31%<br />

N Gesundheits-Veterinär-Sozialwesen 21.759 31.321 19.2<strong>06</strong> -39%<br />

O Sonstige öff. Private Dienstleist. 20.996 28.156 16.393 -42%<br />

P Private Haushalte 12.649 13.385 12.572 -6%<br />

Q Exterritoriale Organisationen 18.363 23.539 14.860 -37%<br />

ALLE<br />

Abweichung Branchendurchschnitt<br />

24.686 29.969 18.378 -39%<br />

A Land-Forstwirtschaft -48% -52% -47%<br />

B Fischerei, Fischzucht -52% -57% -55%<br />

C Bergbau,Steine,Erdengewinnung 50% 29% 37%<br />

D Sachgütererzeugung 21% 12% 9%<br />

E Energie-Wassererzeugung 74% 55% 45%<br />

F Bauwesen -2% -16% 1%<br />

G Handel,Reparatur,Tankstellen -7% 1% -9%<br />

H Beherbergungs-Gaststättenwesen -52% -54% -43%<br />

I Verkehr,Nachrichtenübermittlung 0% -12% 7%<br />

J Kredit-Versicherungswesen 66% 76% 57%<br />

K Unternehmensdienste,Realitäten -3% -2% 0%<br />

L Öff. Verwaltung, Soz.Vers. -1% 0% 17%<br />

M Unterrichtswesen -12% -8% 3%<br />

N Gesundheits-Veterinär-Sozialwesen -12% 5% 5%<br />

O Sonstige öff. Private Dienstleist. -15% -6% -11%<br />

P Private Haushalte -49% -55% -32%<br />

Q Exterritoriale Organisationen -26% -21% -19%<br />

Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>


gleich zum Branchendurchschnitt noch günstigere Einkommenssituation<br />

auf. In der „Energie-Wasserversorgung“ macht das Einkommensplus zum<br />

Branchendurchschnitt plus 74 Prozent aus, im „Kredit-Versicherungswesen“<br />

plus 66 Prozent und in der „Sachgütererzeugung“ plus 21 Prozent.<br />

Deutliche Unterschiede gibt es bei den saisonal beeinflussten und geprägten<br />

Branchen: Während die Bauwirtschaft bei Monatsbetrachtung zu den gut<br />

bezahlenden Branchen zählt (plus 12 Prozent), ergibt sich bei Jahresbetrachtung<br />

ein leicht unterdurchschnittliches Einkommen (minus 2 Prozent).<br />

Die Arbeitnehmereinkommen im Beherbergungs-Gaststättenwesen liegen<br />

bei Monatsverdiensten Österreichweit um minus 31 Prozent (Frauenverdienste<br />

minus 18 Prozent) unter dem Branchendurchschnitt, beim Jahreseinkommen<br />

vergrößert sich der Abstand auf minus 52 Prozent (Frauen minus<br />

43 Prozent)!<br />

Auf Grund der bei Frauen häufiger ausgeübten Teilzeit- und Nichtganzjahresbeschäftigung<br />

sind die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede<br />

sowohl generell als auch in den einzelnen Branchen bei der Jahresbetrachtung<br />

stärker ausgeprägt als auf Monatsebene.<br />

Bei den auf Monatsbasis standardisierten Einkommen des Hauptverbandes<br />

macht die Minderbezahlung der Frauen im Verhältnis zu den Männerverdiensten<br />

minus 33 Prozent aus, bei den Jahresverdiensten minus 39 Prozent.<br />

Die niedrigsten geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede gibt es bei<br />

den „privaten Haushalten“ (auf Jahresbasis minus 6 Prozent, auf Monatsbasis<br />

minus 5 Prozent), dem „Beherbergungs- und Gaststättenwesen“ (minus<br />

23 Prozent bzw. minus 17 Prozent) und in der Wirtschaftsabteilung „Verkehr<br />

und Nachrichtenübermittlung“ (minus 25 Prozent bzw. minus 19 Prozent).<br />

Überdurchschnittliche Jahreseinkommen beziehen die Frauen ebenso wie<br />

die Männer in den Produktionsbranchen „Energie- Wasserversorgung“,<br />

„Bergbau-, Steine- und Erdengewinnung“ und der „Sachgütererzeugung“,<br />

sowie im „Kredit- und Versicherungswesen“ (plus 57 Prozent). Dazu kommen<br />

für die Frauen noch die von öffentlichen Dienstgebern beeinflussten<br />

Branchen „Öffentliche Verwaltung, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen<br />

und Unterrichtswesen“.<br />

Von den beschäftigungsmäßig wichtigen Branchen bietet das „Beherbergungs-<br />

und Gaststättenwesen“ vor allem auf Grund der starken saisonalen<br />

Beschäftigungsbeschränkungen für die Arbeitnehmer über das gesamte<br />

Jahr die schlechtesten Verdienstbedingungen: Das lohnsteuermäßig erfasste<br />

Einkommen der Frauen (10.548 Euro Jahresbruttoeinkommen) lag 2003<br />

um minus 43 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Bei den Männern<br />

(13.654 Euro) machte die Minderbezahlung im Vergleich zum Branchendurchschnitt<br />

minus 54 Prozent aus.<br />

Unterdurchschnittliche Jahreseinkommen beziehen Frauen auch in den<br />

Branchen „Sonstige öffentliche und private Dienstleistungen“ und im „Handel“.<br />

In beiden Branchen gibt es überdurchschnittlich hohe Anteile von Teilzeitbeschäftigung,<br />

sowohl in Form von Standardbeschäftigungsverhältnissen<br />

als auch von geringfügiger Beschäftigung.<br />

Beherbergungs- und<br />

Gaststättenwesen:<br />

Schlechteste Verdienstbedingungen<br />

bei<br />

Jahresverdienst<br />

39


40<br />

Durchschnittsverdienst<br />

ganzjährig und Vollzeit<br />

beschäftigter Frauen in<br />

Österreich: 25.691 Euro<br />

brutto – In <strong>Tirol</strong> nur<br />

23.020 Euro brutto<br />

Jahresbruttoverdienste nach Beschäftigungsdauer<br />

und Beschäftigungsausmaß<br />

Die jährliche Arbeitsdauer und das Beschäftigungsausmaß (Vollzeit-, Teilzeitarbeit)<br />

sind wesentliche Einflussfaktoren der Arbeitnehmerverdienste. Dabei<br />

wirkt sich vor allem die jährliche Arbeitsdauer natürlich bei Jahresverdiensten<br />

wesentlich stärker aus als bei nach Arbeitstagen standardisierten<br />

Monatsverdiensten (Beitragsgrundlagenstatistik des Hauptverbandes).<br />

Während bei standardisierten Monatsverdiensten lediglich die betriebliche<br />

Zugehörigkeitsdauer als verdienstbestimmender Faktor auftritt (in der Regel<br />

werden dem Betrieb länger angehörige Arbeitnehmer besser entlohnt als<br />

neu eingetretene Arbeitnehmer), wirkt sich bei den Jahresverdiensten die<br />

Arbeitsdauer als direkter Multiplikator zusätzlich aus.<br />

Vergleicht man nur die Arbeitnehmerverdienste der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten<br />

so zeigt sich ein etwas anderes Bild. Grundsätzlich sind die Verdienste<br />

ganzjährig Vollzeitbeschäftigter deutlich höher als die Verdienste der<br />

Gesamtbeschäftigten. Der Einkommenszuwachs ist umso höher, je höher<br />

die Nichtganzjahresbeschäftigungsquote und die Teilzeitquote sind.<br />

So liegt beispielsweise auf Österreichebene der Durchschnittsverdienst<br />

ganzjährig vollzeitbeschäftigter Männer (37.105 Euro) um plus 25 Prozent,<br />

bei den Frauen (25.691 Euro) um plus 42 Prozent über dem Durchschnittsverdienst<br />

der jeweiligen Gesamtheit der Gruppe, also inklusive Teilzeitbeschäftigte<br />

und Nichtganzjahresvollzeitbeschäftigte. In <strong>Tirol</strong>, dem Land mit<br />

dem niedrigsten Anteil ganzjährig Vollzeitbeschäftigter, macht das Einkommensplus<br />

dieser Gruppe im Vergleich zum Gesamteinkommen bei den Männern<br />

plus 29 Prozent, bei den Frauen plus 50 Prozent aus.<br />

Jahresbruttoeinkommen ganzjährig Vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer 2003<br />

Burgen- Kärnten Nieder- Ober- Salz- Steier- <strong>Tirol</strong> Vorarl- Wien Österland<br />

österreich österreich burg mark berg reich<br />

ALLE 30.905 31.357 33.656 31.664 31.638 31.233 30.721 32.344 36.243 32.833<br />

MÄNNER 34.8<strong>06</strong> 35.405 37.948 36.107 36.302 34.952 35.056 37.628 40.976 37.105<br />

FRAUEN 24.025 24.630 26.083 23.239 24.131 24.413 23.020 22.692 30.116 25.691<br />

Abweichung vom Österreichdurchschnitt<br />

ALLE -5,9% -4,5% 2,5% -3,6% -3,6% -4,9% -6,4% -1,5% 10,4% 32.833<br />

MÄNNER -6,2% -4,6% 2,3% -2,7% -2,2% -5,8% -5,5% 1,4% 10,4% 37.105<br />

FRAUEN -6,5% -4,1% 1,5% -9,5% -6,1% -5,0% -10,4% -11,7% 17,2% 25.691<br />

Differenz zu Gesamtverdiensten<br />

ALLE 30% 38% 31% 32% 38% 35% 41% 37% 35% 35%<br />

MÄNNER 21% 28% 21% 21% 27% 24% 29% 24% 32% 25%<br />

FRAUEN 39% 46% 40% 40% 44% 45% 50% 44% 37% 42%<br />

Frauen verdienen weniger als Männer<br />

-31% -30% -31% -36% -34% -30% -34% -40% -27% -31%<br />

Arbeitnehmer inkl. geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge, ohne Arbeitnehmer mit ausländischem oder unbekanntem Wohnsitz;<br />

Wohnortbezogen<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Ein weiterer Effekt ist, dass bei den ganzjährig Vollzeitbeschäftigten auch die<br />

geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede geringer ausfallen.<br />

Während Frauen bei den Gesamtverdiensten um minus 39 Prozent weniger<br />

als Männer verdienen, macht der Unterschied bei den ganzjährig Vollzeitbe-


schäftigten minus 31 Prozent aus. Ein kleiner Teil dieser Verdienstunterschiede<br />

dürfte auf das unterschiedliche Ausmaß von Überstundenleistungen<br />

zurückzuführen sein (Männer leisten im Durchschnitt mehr Überstunden als<br />

Frauen).<br />

Bei einer Differenzierung der Jahresbruttoeinkommen nach Jahresbeschäftigungsdauer<br />

und Arbeitszeit zeigt sich, dass die starke Minderbezahlung in<br />

<strong>Tirol</strong> (minus 10,7 Prozent) wesentlich vom hohen Anteil Nichtganzjahresbeschäftigter<br />

beeinflusst ist. Bei den ganzjährig Vollzeitbeschäftigten in <strong>Tirol</strong><br />

(Jahresdurchschnittsbruttoeinkommen von 30.721 Euro) verringert sich der<br />

Verdienstabstand zum Österreichdurchschnitt (32.833 Euro) auf minus<br />

6,4 Prozent.<br />

Der Verdienstabstand zum Bundesländerdurchschnitt verringert sich bei<br />

vollzeit- und ganzjahresbeschäftigten Männern auf minus 5,5 Prozent<br />

(männliche Arbeitnehmer insgesamt in <strong>Tirol</strong>: Minus 8,2 Prozent), die <strong>Tirol</strong>verdienste<br />

sind die drittniedrigsten aller Bundesländer (Burgenland: Minus<br />

6,2 Prozent, Steiermark: Minus 5,8 Prozent), der Verdienstunterschied zur<br />

Mehrheit der Bundesländer ist sehr gering.<br />

Die Jahresverdienste „normbeschäftigter“ Frauen liegen in <strong>Tirol</strong> immer noch<br />

deutlich niedriger als im Bundesländerdurchschnitt (minus 10,4 Prozent,<br />

zweitniedrigster Verdienst aller Bundesländer), im Vergleich zum „Frauen-<br />

Insgesamt-Verdienst“ (Minus 14,7 Prozent) jedoch etwas günstiger. Die<br />

höchsten Jahresverdienste ganzjährig vollzeitbeschäftigter Frauen werden in<br />

Wien bezogen (Plus 17,2 Prozent über dem Bundesländerdurchschnitt), die<br />

niedrigsten in Vorarlberg (Minus 11,7 Prozent).<br />

Die Teilzeitbeschäftigung wirkt sich zwar auf die Verdiensthöhe wesentlich<br />

aus, im <strong>Tirol</strong>-Österreichvergleich kommt diesem Faktor jedoch kein signifikanter<br />

Einfluss zu, da die Teilzeitquote relativ ähnlich ist (<strong>Tirol</strong>: 19,2 Prozent,<br />

Österreich: 18,9 Prozent)<br />

Frauen weisen in <strong>Tirol</strong> eine leicht überdurchschnittliche Teilzeitquote<br />

(34,2 Prozent in <strong>Tirol</strong>, 33,1 Prozent Österreichweit) auf, Männer eine leicht<br />

unterdurchschnittliche (6,5 Prozent zu 7,1 Prozent).<br />

Hinsichtlich der Auswirkung der Teilzeitbeschäftigung ist weiters zu berücksichtigen,<br />

dass die jährliche Arbeitsdauer einen weit stärkeren Einfluss auf<br />

Jahresverdienste<br />

normalbeschäftigter<br />

<strong>Tirol</strong>er Frauen sind<br />

zweitniedrigste in<br />

Österreich<br />

41


42<br />

Nur 55 Prozent aller<br />

Arbeitnehmer in <strong>Tirol</strong><br />

sind ganzjährig und<br />

Vollzeit beschäftigt:<br />

Niedrigster Wert in<br />

Österreich<br />

die Verdiensthöhe hat als das Beschäftigungsausmaß bzw. die Teilzeitbeschäftigung.<br />

Natürlich beziehen nichtganzjährig Teilzeitbeschäftigte die<br />

niedrigsten Verdienste (knapp 4.700 Euro im Jahr), allerdings liegen die<br />

Durchschnittsverdienste der Ganzjahresteilzeitbeschäftigten (15.000 Euro im<br />

Bundesländerdurchschnitt) deutlich höher als die der Nichtganzjahresvollzeitbeschäftigten<br />

(knapp 10.500 Euro).<br />

Die hinsichtlich Beschäftigungsdauer und Arbeitsausmaß <strong>Tirol</strong>spezifische<br />

Beschäftigungsstruktur erklärt ca. 40 Prozent des Minderverdienstes in <strong>Tirol</strong><br />

(minus 10,7 Prozent bei den „Arbeitnehmer-Insgesamt-Verdiensten“): Hätte<br />

<strong>Tirol</strong> eine Österreichgleiche Beschäftigungsstruktur, würde der Verdienstabstand<br />

immer noch minus 6,1 Prozent ausmachen. Würden hingegen (Alternativhypothese)<br />

in <strong>Tirol</strong> Verdienste nach dem Österreichweiten Niveau bezogen,<br />

läge der „Insgesamtverdienst“ auf Grund der abweichenden Beschäftigtenstruktur<br />

trotzdem um minus 5,1 Prozent unter dem Österreichwert.<br />

Beide Faktoren wirken sich aus, wobei dem Regionalfaktor (niedrige <strong>Tirol</strong>verdienste)<br />

stärkere Bedeutung zukommt.<br />

Bei der Beschäftigtenstruktur trägt nur die unterschiedliche Beschäftigtendauer<br />

zur Erklärung bei, die Teilzeitbeschäftigung liefert zur Klärung des<br />

regionalen Verdienstunterschiedes zwischen <strong>Tirol</strong> und dem Österreichschnitt<br />

keinen Beitrag.<br />

In <strong>Tirol</strong> waren im Jahr 2003 nur 55,2 Prozent aller Arbeitnehmer ganzjährig<br />

vollzeitbeschäftigt. Dies ist Österreichweit (60,4 Prozent) der weitaus niedrigste<br />

Wert. In Kärnten, dem Land mit der zweitniedrigsten Quote Vollzeitund<br />

Ganzjahresbeschäftigter, machte der Anteil 57,1 Prozent aus, im Burgenland,<br />

dem Bundesland mit dem höchsten Anteil, 63,4 Prozent.<br />

Bei den Frauen kann man eigentlich gar nicht mehr von einer „Normbeschäftigung“<br />

im Sinne einer ganzjährigen Vollzeitbeschäftigung reden, da<br />

sich diese Beschäftigungsform bereits in der Minderheit befindet: 2003<br />

waren Österreichweit nur 49,8 Prozent aller unselbstständig Erwerbstätigen<br />

in einer solchen Beschäftigung, die Mehrheit der Frauen ist Teilzeit – oder<br />

Nichtganzjahresbeschäftigt. <strong>Tirol</strong> weist mit 56,7 Prozent den höchsten Anteil<br />

derartiger Beschäftigungsformen auf.


Innerhalb der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten erreicht der Frauenanteil nur<br />

33 Prozent, in <strong>Tirol</strong> sogar nur 30 Prozent, was dem niedrigsten Anteil aller<br />

Bundesländer entspricht.<br />

Im Jahr 2003 übten bei den Männern 69,2 Prozent eine ganzjährige Vollzeitbeschäftigung<br />

aus. Nur in Wien und Kärnten ist die Ganzjahresvollzeitbeschäftigungsquote<br />

noch niedriger als in <strong>Tirol</strong> (65,3 Prozent).<br />

Männer (27 Prozent) wie Frauen (26,8 Prozent) weisen Österreichweit den<br />

gleichen Prozentsatz nichtganzjähriger Beschäftigungsformen auf. Die deutlich<br />

niedrigere „Normalbeschäftigungsquote“ der Frauen ist auf den höheren<br />

Anteil der ganzjährig Teilzeitbeschäftigten (Frauen: 23,3 Prozent, Männer:<br />

3,6 Prozent) zurückzuführen. Auch innerhalb der Nichtganzjahresbeschäftigten<br />

ist die Teilzeitquote der Frauen (9,8 Prozent aller Frauen) deutlich höher<br />

als die der Männer (3,5 Prozent).<br />

<strong>Tirol</strong> weist sowohl bei den Männern (31,4 Prozent) als auch insbesondere bei<br />

den Frauen (34 Prozent) einen weit überdurchschnittlichen Anteil Nichtganzjahresbeschäftigter<br />

auf. Insgesamt waren 102.830 Personen nichtganzjährig<br />

beschäftigt. Die Ursache dieses überproportionalen Anteils lässt sich vorerst<br />

nicht klären, kann jedoch nicht durch die Arbeitslosigkeit begründet werden.<br />

Die Arbeitslosenrate <strong>Tirol</strong>s liegt unter dem Bundesländerdurchschnitt, die personenbezogene<br />

Auswertung weist mit 67.735 Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> einen<br />

Österreichanteil von 8,7 Prozent aus, der Anteil <strong>Tirol</strong>s an den Nichtganzjahresbeschäftigten<br />

Österreichs erreicht hingegen 10,6 Prozent. Bei den Nichtganzjahresbeschäftigten<br />

erzielen Männer (plus 1,2 Prozent) wie Frauen (plus 6 Prozent)<br />

in <strong>Tirol</strong> über dem Bundesländerdurchschnitt liegende Einkommen.<br />

Auf die Gesamtverdienstsituation in <strong>Tirol</strong> wirkt sich die überdurchschnittliche<br />

Bezahlung Nichtganzjahresbeschäftigter wegen des generell niedrigen Einkommensniveaus<br />

der Nichtganzjahresbeschäftigten (9.152 Euro Jahresdurchschnittseinkommen<br />

in <strong>Tirol</strong>, bei Vollzeitbeschäftigten 10.532 Euro) nur<br />

geringfügig positiv aus. Viel stärker und in negativer Form wirkt sich der hohe<br />

Anteil Nichtganzjahresbeschäftigter aus, der das Gesamteinkommensniveau<br />

<strong>Tirol</strong>s deutlich drückt.<br />

Entwicklung der Einkommensverteilung in Österreich<br />

Zwischen 1995 und 2003 haben sich die Einkommensunterschiede verstärkt,<br />

die Einkommensverteilung ist ungleicher geworden.<br />

Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkommen in Österreich<br />

Einkommensanteile Quintile<br />

Jahr 1. 2. 3. 4. 5.<br />

1995 2,9% 10,9% 17,7% 24,1% 44,4%<br />

2003 2,3% 9,7%<br />

Differenz<br />

17,4% 24,5% 46,1%<br />

2003:1995 –0,6% –1,2% –0,3% 0,4% 1,7%<br />

kumulierte Quintile<br />

1995 2,9% 13,8% 31,5% 55,6% 100,0%<br />

2003 2,3% 12,0% 29,4% 53,9% 100,0%<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Mehr als<br />

100.000 Personen<br />

waren in <strong>Tirol</strong><br />

nichtganzjährig<br />

beschäftigt<br />

43


44<br />

Einkommensverteilung<br />

klafft immer weiter<br />

auseinander<br />

Während im Jahr 1995 auf die untersten 20 Prozent der unselbstständigen<br />

Arbeitseinkommensbezieher (1. Quintil) 2,9 Prozent der Bruttolohnsumme<br />

und auf die obersten 20 Prozent (5. Quintil) 44,4 Prozent entfielen, ist der<br />

Anteil beim 1. Quintil 2003 auf 2,3 Prozent gesunken, jener des 5. Quintils auf<br />

46,1 Prozent gestiegen. Generell hat eine Umverteilung von den unteren<br />

60 Prozent der Einkommensbezieher zu den 40 Prozent der oberen Einkommensbezieher<br />

im Ausmaß von 2,1 Prozent der gesamten Lohnsumme stattgefunden.<br />

Hauptgewinner dieser Umverteilung war das 5. Quintil (Plus<br />

1,7 Prozent), der Zuwachs im 4. Quintil fiel schon deutlich geringer aus (Plus<br />

0,4 Prozent). Die Einkommensbezieher im Bereich des 2. Quintils (im Bereich<br />

20 Prozent bis 40 Prozent der nach der Einkommenshöhe gereihten Arbeitnehmer)<br />

haben mit einem Minus von 1,2 Prozent den stärksten Verlust.<br />

Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkommen der Männer in Österreich<br />

Einkommensanteile Quintile<br />

Jahr 1. 2. 3. 4. 5.<br />

1995 3,7% 12,6% 17,6% 23,1% 43,1%<br />

2003 2,7% 11,6%<br />

Differenz<br />

17,6% 23,5% 44,6%<br />

2003:1995 -1,0% -1,0% 0,0% 0,4% 1,5%<br />

kumulierte Quintile<br />

1995 3,7% 16,3% 33,9% 57,0% 100,1%<br />

2003 2,7% 14,3% 31,9% 55,4% 100,0%<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Bei den Männern wanderten 1,9 Prozent der Gesamtbruttolohnsumme von<br />

den 2 untersten Quintilen zu den zwei obersten, bei den Frauen 1,7 Prozent<br />

von den 3 untersten Quintilen zu den zwei oberen. In beiden Fällen waren die<br />

Einkommensbezieher des 5. Quintils die Hauptbegünstigten (plus 1,5 Prozent),<br />

gefolgt vom 4. Quintil.


Bei den Frauen ist die Einkommensungleichheit noch stärker ausgeprägt als<br />

bei den Männern. Während die untersten 60 Prozent der Frauen nur<br />

28,9 Prozent der Arbeitsbruttoentgelte beziehen, sind es bei den Männern<br />

immerhin 31,9 Prozent. Genau umgekehrt verhält es sich bei den Einkommen<br />

zwischen 6. und 10. Dezil (4: und 5: Quintil). Die 40 Prozent der besserverdienenden<br />

Frauen beziehen 71,1 Prozent der gesamten Entgelte, bei den<br />

Männern 68,1 Prozent. Diese auf den ersten Blick etwas überraschenden<br />

Fakten hängen mit dem hohen Anteil teilzeit- und geringfügig beschäftigter<br />

Frauen zusammen.<br />

Verteilung der lohnsteuerpflichtigen Bruttoeinkommen der Frauen in Österreich<br />

Einkommensanteile Quintile<br />

Jahr 1. 2. 3. 4. 5.<br />

1995 2,5% 10,3% 17,8% 25,4% 44,0%<br />

2003 2,3% 9,4%<br />

Differenz<br />

17,2% 25,6% 45,5%<br />

2003:1995 -0,2% -0,9% -0,6% 0,2% 1,5%<br />

kumulierte Quintile<br />

1995 2,5% 12,8% 30,6% 56,0% 100,0%<br />

2003 2,3% 11,7% 28,9% 54,5% 100,0%<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Entwicklung der Arbeitnehmerverdienste seit 1995<br />

Von 1995 bis 2003 sind die in <strong>Tirol</strong> ausbezahlten Arbeitnehmerbruttoentgelte<br />

von 5,471 Milliarden Euro auf 6,874 Milliarden Euro gestiegen (plus 25,6 Prozent),<br />

die Nettolohnsumme erhöhte sich von 3,972 auf 4,798 Milliarden Euro<br />

(plus 20,8 Prozent).<br />

Die Zunahme der durchschnittlichen Brutto- (plus 15,7 Prozent) und Nettoverdienste<br />

(plus 11,2 Prozent) liegt deutlich unter diesen Zuwachsraten, da<br />

sich im gleichen Zeitraum die Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer um<br />

plus 8,6 Prozent erhöht hat. <strong>Tirol</strong> erreichte in diesem Zeitraum das höchste<br />

Beschäftigungswachstum aller Bundesländer (plus 5,7 Prozent im Bundesländerdurchschnitt),<br />

das Wachstum der Lohnsumme war auf Grund der<br />

positiven Beschäftigungsentwicklung ebenfalls überdurchschnittlich (nach<br />

Niederösterreich das zweithöchste).<br />

Bei realer, preisbereinigter Betrachtung, also unter Berücksichtigung der<br />

Inflation (13,6 Prozent) ist das Nettorealeinkommen im Jahr 2003 niedriger<br />

ausgefallen als im Jahr 1995 (minus 2,1 Prozent) und auch niedriger als im<br />

Jahr 2000.<br />

Einkommensungleichheit<br />

bei Frauen noch stärker:<br />

60 Prozent beziehen<br />

knapp 29 Prozent aller<br />

Arbeitsbruttoentgelte<br />

45


46<br />

Hohe Abzüge ließen<br />

Einkommen kaum<br />

wachsen<br />

Gesamtbeschäftigte, Bruttobezüge, Abzüge und Jahresdurchschnittsverdienste in <strong>Tirol</strong><br />

Jahr Arbeit- Brutto- Abzüge SV- Lohn- Jahresverdienst Inflation<br />

nehmer bezüge Beiträge steuer brutto netto VPI 86<br />

1995 290.568 5.470,8 1.498,3 850,9 647,4 18.828 13.671 128,4<br />

1996 290.665 5.547,5 1.543,8 868,4 675,4 19.085 13.774 130,8<br />

1997 294.028 5.670,1 1.652,6 895,7 756,9 19.284 13.663 132,5<br />

1998 297.371 5.853,3 1.726,4 926,7 799,7 19.683 13.878 133,7<br />

1999 303.750 6.096,3 1.815,9 965,9 850,0 20.070 14.092 134,5<br />

2000 309.986 6.384,7 1.845,8 1.0<strong>06</strong>,5 839,3 20.597 14.642 137,6<br />

2001 315.354 6.555,7 1.946,7 1.051,1 895,6 20.788 14.615 141,3<br />

2002 315.846 6.727,7 2.015,8 1.077,4 938,4 21.301 14.918 143,8<br />

2003 315.609 6.874,0 2.076,0 1.100,8<br />

Veränderung<br />

975,2 21.780 15.203 145,8<br />

2003:1995 8,6% 25,6% 38,6% 29,4% 50,6% 15,7% 11,2% 13,6%<br />

jährlich 1,0% 2,9% 4,2% 3,3% 5,3% 1,8% 1,3% 1,6%<br />

2000:1995 6,7% 16,7% 23,2% 18,3% 29,6% 9,4% 7,1% 7,2%<br />

jährlich 1,3% 3,1% 4,3% 3,4% 5,3% 1,8% 1,4% 1,4%<br />

2003:2000 1,8% 7,7% 12,5% 9,4% 16,2% 5,7% 3,8% 6,0%<br />

jährlich 0,6% 2,5% 4,0% 3,0% 5,1% 1,9% 1,3% 1,9%<br />

2001 1,7% 2,7% 5,5% 4,4% 6,7% 0,9% -0,2% 2,7%<br />

2002 0,2% 2,6% 3,5% 2,5% 4,8% 2,5% 2,1% 1,8%<br />

2003 -0,1% 2,2% 3,0% 2,2% 3,9% 2,2% 1,9% 1,4%<br />

Bruttobezüge, Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer in Millionen EUR<br />

Arbeitnehmer inklusive geringfügig Beschäftigte und Lehrlinge; Wohnortbezogen<br />

Quelle: Lohnsteuerstatistik, Statistik Austria<br />

Hauptursache dafür war nicht primär der Preisanstieg – die Durchschnittsbruttoverdienstzunahme<br />

lag um 2 Prozent über der Inflationsrate – sondern<br />

vor allem der weit überdurchschnittliche Anstieg der Abzüge (plus 38,6 Prozent).<br />

Das Lohnsteueraufkommen ist zwischen 1995 und 2003 um plus 50,6<br />

Prozent gestiegen, die Sozialversicherungsbeiträge um plus 29,4 Prozent.<br />

Bereinigt um den Beschäftigungszuwachs erhöhte sich die Lohnsteuer um<br />

plus 39 Prozent, die Sozialversicherungsabgaben um plus 19 Prozent. Da<br />

der Anteil der Lohnsteuerpflichtigen an den Einkommensbeziehenden gefallen<br />

ist (von 85,8 Prozent im Jahr 1995 auf 82,4 Prozent im Jahr 2003), dürfte<br />

die effektive Lohnsteuerbelastung noch stärker angestiegen sein.<br />

Die Abgabenquote hat sich von 1995 bis 2003 in <strong>Tirol</strong> von 27,4 Prozent<br />

(Lohnsteuerbelastung: 11,8 Prozent, SV-Beiträge: 15,6 Prozent) auf<br />

30,2 Prozent erhöht (Lohnsteuerbelastung: 14,2 Prozent, SV-Beiträge:<br />

16 Prozent). Im Österreichschnitt erreichte im Jahr 2003 die Abgabenbelastung<br />

30,7 Prozent (1995: 27,7 Prozent).<br />

Die gegenüber Mitte der neunziger Jahre eingetretenen Realeinkommensverluste<br />

betreffen nahezu alle Einkommensbereiche, Männer wie Frauen,<br />

Ganzjahres- wie Nichtganzjahresbeschäftigte.


„Nahezu alle Einkommensbereiche“ ist dabei in einem sehr umfassenden<br />

Sinn zu verstehen. Laut WIFO (Monatsberichte 9/2005) sind nur die Nettoverdienste<br />

im Bereich der obersten 10 Prozent (9. Dezil) real gestiegen. Je<br />

niedriger die Arbeitnehmereinkommen, desto höher die Reallohnverluste.<br />

Diese Entwicklung mit besonders starken Reallohnverlusten im Bereich der<br />

niedrigen Einkommen (bis zum 4. Dezil) ist primär die Folge der starken Ausweitung<br />

der Teilzeitbeschäftigung und der prekären bzw. atypischen Arbeitsverhältnisse,<br />

sowie der steigenden Arbeitslosigkeit. Von dieser Entwicklung<br />

sind sowohl Frauen als auch Männer betroffen: Zwar weisen Frauen einen<br />

höheren Anteil atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf, allerdings sind die<br />

Zuwachsraten bei den Männern stärker.<br />

Während die generell niedrigverdienenden Nichtganzjahresbeschäftigten<br />

auch in <strong>Tirol</strong> deutlich stärkere Reallohneinbußen hinnehmen mussten als die<br />

Ganzjahresbeschäftigten, sind die realen Einkommensminderungen bei den<br />

durchschnittlichen Jahresnettoverdiensten von Männern (18.526 Euro im<br />

Jahr 2002) und Frauen (11.286 Euro) in Folge der gleichmäßigen Nettoverdienstzunahme<br />

(plus 13 Prozent gegenüber 1995) gleich hoch ausgefallen.<br />

Durch diese gleichmäßige Verdienstentwicklung hat sich auch der<br />

geschlechtsspezifische Verdienstunterschied bei den Nettoverdiensten in<br />

<strong>Tirol</strong> (minus 39 Prozent) nicht verändert.<br />

Die etwas unter den Verdienstzuwächsen von Männern und Frauen liegende<br />

Verdienstzunahme der „Arbeitnehmer-Ingesamt“ erklärt sich aus der weit<br />

stärkeren Beschäftigungszunahme der Frauen (plus 17,5 Prozent Zuwachs<br />

gegenüber 1995, hingegen nur plus 2,1 Prozent bei den Männern): Dadurch<br />

ist der Frauenbeschäftigtenanteil allein in diesen acht Jahren von 42,4 Prozent<br />

auf 45,9 Prozent gestiegen und übertrifft inzwischen den Österreichweiten<br />

Wert (45,4 Prozent).<br />

Auf Grund der deutlich niedrigeren Frauenverdienste wirkt sich eine<br />

Erhöhung der Frauenbeschäftigungsquote auf die „Insgesamt-Verdienste“<br />

tendenziell einkommensmindernd aus.<br />

Die stärksten Reallohneinbußen mussten die Arbeitnehmer in den Jahren<br />

1996 und insbesondere 1997 und 2001 hinnehmen. 1997 und 2001 sanken<br />

sogar die nominellen Durchschnittsnettoverdienste, obwohl die Teuerung<br />

1,3 Prozent bzw. 2,7 Prozent ausmachte. Die Reallohnsteigerungen der folgenden<br />

Jahre konnten diese Rückschläge nicht mehr wettmachen.<br />

Die negative Reallohnentwicklung in <strong>Tirol</strong> war Österreichweit kein Sonderfall<br />

und entsprach nur der generellen Entwicklung. In allen Bundesländern lag<br />

die Nettoverdienstzunahme unter dem Preisanstieg: Der stärkste Nettover-<br />

Je niedriger die Arbeitnehmereinkommen<br />

umso höher die Reallohnverluste<br />

Stärkste Reallohneinbußen<br />

in den Jahren<br />

1996, 1997 und 2001<br />

47


48<br />

dienstzuwachs wurde im Burgenland (plus 12,9 Prozent) erzielt, der niedrigste<br />

in Wien (plus 8,6 Prozent). Der <strong>Tirol</strong>zuwachs von plus 11,2 Prozent lag<br />

über dem Bundesländermittel (plus 10,3 Prozent).<br />

Der im Österreichvergleich in <strong>Tirol</strong> noch etwas günstigere Einkommenszuwachs<br />

ist primär auf Strukturveränderungen bei den Beschäftigten zurückzuführen:<br />

Gegenüber 1996 hat sich der Anteil Ganzjahresbeschäftigter<br />

erhöht (von 66 Prozent auf 67,4 Prozent), während Österreichweit der Ganzjahresbeschäftigtenanteil<br />

leicht gesunken ist (von 73,5 Prozent auf 73,1 Prozent).<br />

Der Nettoverdienstzuwachs bei Ganzjahresbeschäftigten in <strong>Tirol</strong> lag<br />

unter dem Bundesländerdurchschnitt.


Die Frau in der Arbeitswelt<br />

49


50<br />

Grundsatz des gleichen<br />

Entgelts für Männer und<br />

Frauen im EG-Vertrag<br />

festgeschrieben<br />

Die Frau in der Arbeitswelt<br />

Gleichbehandlung in Europa<br />

Rechtliche Grundlagen<br />

Die Gleichbehandlung von Frauen und Männern (das so genannte Prinzip<br />

des Gender Mainstreaming) ist ein Grundprinzip der Europäischen Union,<br />

das sich durch all ihre Politikbereiche zieht. Der EG-Vertrag sieht in seinen<br />

ersten Artikeln vor, dass es Aufgabe und Ziel der Gemeinschaft ist, bei all<br />

ihren Tätigkeiten die Gleichstellung von Frauen und Männern zu fördern.<br />

Hierfür wird der Europäischen Gemeinschaft die Kompetenz übertragen,<br />

Regelungen zu erlassen, um Diskriminierungen aus Gründen des<br />

Geschlechts zu bekämpfen. Auf Grundlage dieser Ermächtigung wurden auf<br />

europäischer Ebene mehrere Richtlinien zum Thema Gleichbehandlung<br />

erlassen, die die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes konkretisiert<br />

hat und die von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden mussten.<br />

Auch in Österreich bestand in dieser Hinsicht zum Teil Nachholbedarf und es<br />

musste das österreichische Gleichbehandlungsgesetz angepasst werden.<br />

Der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher<br />

oder gleichwertiger Arbeit war für die Europäische Gemeinschaft so wichtig,<br />

dass sie es bereits im Primärrecht, das heißt im EG-Vertrag selbst fixiert hat.<br />

Unter Entgelt versteht man jede Vergütung, die ein Arbeitgeber aufgrund des<br />

Dienstverhältnisses einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer unmittelbar<br />

oder mittelbar zukommen lässt, egal ob in bar oder als Sachleistung.<br />

Die im Bereich der Gleichbehandlung von Frauen und Männern auf europäischer<br />

Ebene erlassenen Richtlinien verbieten jegliche Diskriminierung, nicht<br />

nur beim Entgelt, sondern auch hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung,<br />

zur Berufsausbildung, zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die<br />

Arbeitsbedingungen. Weiters wurden Richtlinien zur schrittweisen Verwirklichung<br />

des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen<br />

Sicherheit und bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit sowie<br />

eine Richtlinie über die Umkehr der Beweislast bei Diskriminierungen aufgrund<br />

des Geschlechts erlassen. Neben den Antidiskriminierungsrichtlinien<br />

im Bereich des Arbeitslebens wurde im Dezember 2004 erstmals eine Richt-


linie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern<br />

und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und<br />

Dienstleistungen verabschiedet. Sie hält unter anderem fest, dass die<br />

Anwendung geschlechtsbasierter versicherungsmathematischer Faktoren<br />

abgeschafft werden sollte.<br />

Positive Diskriminierung<br />

Das Gleichbehandlungsprinzip hindert die Mitgliedstaaten aber nicht daran,<br />

zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts<br />

oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligung in der beruflichen<br />

Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu<br />

beschließen. Das bedeutet, dass positive Maßnahmen zur Förderung des<br />

unterrepräsentierten Geschlechts, wie beispielsweise Quotenregelungen<br />

zugunsten von Frauen bei der Nachbesetzung von Stellen in der öffentlichen<br />

Verwaltung grundsätzlich zulässig sind. Jedoch ist sicherzustellen, dass die<br />

Situation der Bewerber umfassend beurteilt und nicht allein auf die<br />

Geschlechtszugehörigkeit abgestellt wird. Eine automatische Bevorzugung<br />

von Frauen ohne Berücksichtigung des Einzelfalles ist nicht erlaubt. Voraussetzung<br />

der Zulässigkeit ist nach der Rechtsprechung des Europäischen<br />

Gerichtshofes, dass die Bevorzugung einer Frau nur bei gleichwertiger Qualifikation<br />

erfolgt, d.h. wenn bei objektiver Beurteilung die Verdienste der<br />

männlichen und weiblichen Bewerber als gleichwertig anzusehen sind. Man<br />

spricht in einem solchen Fall von einer positiven Diskriminierung.<br />

Mittelbare Diskriminierung<br />

Der Gleichbehandlungsgrundsatz auf EU-Ebene umfasst jedoch nicht nur<br />

die unmittelbare Diskriminierung, sondern auch alle Formen der mittelbaren<br />

Diskriminierung. Darunter versteht man eine Ungleichbehandlung, die nicht<br />

auf das Geschlecht als Unterscheidungsfaktor abzielt, sondern andere<br />

Gründe nennt. Diese Gründe treffen jedoch hauptsächlich Zugehörige eines<br />

bestimmten Geschlechts, sodass in der Praxis eben dieses Geschlecht diskriminiert<br />

wird. Eine mittelbare oder versteckte Diskriminierung liegt somit<br />

dann vor, wenn vordergründig geschlechtsneutrale Regelungen im Ergebnis<br />

für Frauen deutlich mehr benachteiligte Wirkungen haben als für Männer und<br />

wenn diese Benachteiligung nicht sachlich gerechtfertigt ist. Der Nachweis<br />

von mittelbarer Diskriminierung kann auch mit Statistiken oder mit Zahlenmaterial<br />

geführt werden. So wurden beispielsweise Regelungen, die Teilzeitbeschäftigte<br />

gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligen, als mittelbar<br />

diskriminierend gegenüber Frauen gewertet, da der Frauenanteil bei den<br />

Teilzeitbeschäftigten in der Regel überproportional hoch ist und daher vermehrt<br />

Frauen von dieser Benachteiligung betroffen waren. Durch dieses mittelbare<br />

Diskriminierungsverbot profitieren aber auch Männer, die sich als<br />

Teilzeitbeschäftigte ebenfalls auf die mittelbare Diskriminierung von Frauen<br />

berufen können und so den Vollzeitbeschäftigten gleich gestellt werden<br />

müssen. Werden beispielsweise Teilzeitbeschäftigte mit einem geringeren<br />

Stundensatz entlohnt als Vollzeitbeschäftigte bei gleicher Arbeit, so handelt<br />

es sich hierbei um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des<br />

Geschlechts. Der Ausschluss von Teilzeitbeschäftigten von einem betriebli-<br />

Betriebliches<br />

Pensionssystem<br />

gilt auch für<br />

Teilzeitbeschäftigung<br />

51


52<br />

Abkürzungen der Mitgliedstaaten:<br />

SK = Slowakei<br />

HU = Ungarn<br />

EL = Griechenland<br />

CZ = Tschechische Republik<br />

IT = Italien<br />

EE = Estland<br />

SI = Slowenien<br />

CY = Cypern<br />

PL = Polen<br />

LV = Lettland<br />

PT = Portugal<br />

LT = Litauen<br />

MT = Malta<br />

FI = Finnland<br />

ES = Spanien<br />

FR = Frankreich<br />

LU = Luxemburg<br />

IE = Irland<br />

DK = Dänemark<br />

SE = Schweden<br />

DE = Deutschland<br />

BE = Belgien<br />

AT = Österreich<br />

UK = Vereinigtes Königreich<br />

NL = Niederlande<br />

chen Pensionssystem widerspricht nach herrschender Rechtsprechung des<br />

Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ebenfalls dem Gleichbehandlungsgebot.<br />

Der EuGH geht mittlerweile fast schon routinemäßig davon aus, dass<br />

Teilzeitbeschäftigte überwiegend weiblich sind. Dementsprechend ist eine<br />

Regelung, die Teilzeitbeschäftigte benachteiligt, in den meisten Fällen jedenfalls<br />

eine mittelbarere Diskriminierung, die einer objektiven Rechtfertigung<br />

für ihre Zulässigkeit bedarf.<br />

Rechtsdurchsetzung und Schadenersatz<br />

Insbesondere im Bereich der Rechtsdurchsetzung und der Schadenersatzansprüche<br />

bei Vorliegen einer Ungleichbehandlung aufgrund des<br />

Geschlechts haben die europäischen Vorgaben weit reichende Anpassungen<br />

der österreichischen Rechtslage erfordert. So hat nach der Richtlinie<br />

über die Beweislastregelungen ein beklagter Arbeitgeber, dem eine<br />

Ungleichbehandlung vorgeworfen wird, zu beweisen, dass kein Fall unmittelbarer<br />

oder mittelbarer Diskriminierung vorliegt. Nach alter Rechtslage<br />

hatte eine Frau, die einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichstellung<br />

geltend machen wollte, die Beweislast alleine zu tragen, auch wenn<br />

bestimmte Fakten viel leichter durch den Beklagten zu beweisen gewesen<br />

wären. Weiters hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Festsetzung<br />

einer Höchstgrenze für den Schadenersatz infolge von Diskriminierungen<br />

wegen des Geschlechts bei einer Einstellung der Gleichbehandlungsrichtlinie<br />

widerspricht. Kann der Arbeitgeber jedoch beweisen, dass die<br />

diskriminierte Bewerberin die zu besetzende Position wegen der besseren<br />

Qualifikation des tatsächlich eingestellten Bewerbers auch bei diskriminierungsfreier<br />

Auswahl nicht erhalten hätte, dann ist eine Schadenersatzhöchstgrenze<br />

erlaubt. Da das österreichische Gleichbehandlungsgesetz<br />

generelle Schadenersatzobergrenzen bei Verletzung des Diskriminierungsverbotes<br />

bei Begründung des Arbeitsverhältnisses sowie beim beruflichen<br />

Aufstieg vorsah, war im Hinblick auf diese Judikatur des EuGH ein Änderungsbedarf<br />

gegeben. Auch wurde erst durch die Vorgaben des Europäischen<br />

Gerichtshofes die Möglichkeit eines immateriellen Schadenersatzanspruches<br />

für Diskriminierte ins österreichische Recht eingeführt. Neu war<br />

auch, dass nicht nur der tatsächlich entstandene Schaden, sondern auch<br />

der entgangene Gewinn als Schadenersatz verlangt werden kann.


EU-Förderprogramme<br />

Neben den rechtlichen Vorgaben gegen Diskriminierungen aufgrund des<br />

Geschlechts im Arbeitsleben nahm die EU auch eine Reihe von wichtigen<br />

Aktionsprogrammen an, wie beispielsweise das Programm über Chancengleichheit<br />

für Männer und Frauen, das DAPHNE-Programm über Maßnahmen<br />

zur Bekämpfung der Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen<br />

sowie das Programm zugunsten von Frauen beim Zugang zu Beschäftigung,<br />

Berufsausbildung und Förderung der Arbeitsbedingungen. Durch diese Programme<br />

werden Projekte in diesen Bereichen finanziell unterstützt.<br />

Ist-Situation<br />

Trotz all dieser Bemühungen zur Gleichbehandlung der Geschlechter auf<br />

EU-Ebene ist man von einer tatsächlichen Gleichstellung in vielen Bereichen<br />

des Arbeitslebens noch weit entfernt. So ist EU-weit das Management eindeutig<br />

Männerdominiert (69 Prozent) und der Prozentsatz der Frauen in<br />

Führungspositionen liegt bei nicht einmal einem Drittel, wobei Österreich<br />

Gleichstellung auch in<br />

der EU noch nicht<br />

Realität<br />

53


54<br />

Mehr als zwei Drittel der<br />

Bediensteten im Handel<br />

sind weiblich<br />

hier nicht nur unter dem EU-Schnitt liegt (EU: 31 Prozent, Ö: 28 Prozent),<br />

sondern die Frauenquote bei uns seit 1998 sogar um ein Prozent gesunken<br />

ist.<br />

Auch die Differenz in der Einkommenshöhe zwischen Frauen und Männern<br />

geht nur sehr langsam zurück. So verdienen EU-weit weibliche Arbeitnehmerinnen<br />

pro Stunde durchschnittlich um 15 Prozent weniger als ihre männlichen<br />

Kollegen, in Österreich ist der Durchschnittsstundenlohn der Frauen<br />

sogar 17 Prozent niedriger als jener der Männer. Im Vergleich zum Jahr 1998<br />

haben sich die Stundenlöhne in der EU um 2 Prozent und in Österreich um<br />

5 Prozent näher angeglichen.<br />

Die Frau im Handel – Arbeit im Wandel<br />

Glaubt man den Schlagzeilen in den Wirtschaftsteilen der Tages- und<br />

Wochenzeitungen nach dem Jahreswechsel, so hat sich der österreichische<br />

Handel im Jahr 2005 erstmals seit dem Jahre 2001 wieder über einen<br />

Zuwachs im Weihnachtsgeschäft erfreuen können. Dies befriedigt die heimischen<br />

Einzelhandelshäuser und Einkaufsketten sicher ungemein, da ja<br />

bekanntlich im Einzelhandel laut Statistik ein großer Teil des gesamten Jahresumsatzes<br />

speziell mit dem Weihnachtsgeschäft erwirtschaftet wird.<br />

Reiben sich somit die Kaufleute über das Adventgeschäft zufrieden die<br />

Hände, so ist neben dieser positiven Entwicklung zum Jahresende aber<br />

auch die daraus sich ergebende enorme Belastung der Handelsangestellten,<br />

insbesondere der im Handel beschäftigten Frauen, zu hinterfragen und die<br />

Arbeitssituation der im Verkauf unselbstständig tätigen Arbeitnehmerinnen<br />

im Verlaufe des gesamten Jahres einer genaueren Betrachtung und kritischen<br />

Würdigung zu unterziehen.<br />

Wie unter anderem auch aus einer umfangreichen Studie der <strong>AK</strong> Wien zur<br />

Situation von Beschäftigten im Handel aus dem Jahr 2004 hervorgeht, ist<br />

insbesondere im Zusammenhang mit dem von Arbeitgeberseite seit Jahren<br />

stark forcierten Bestreben, eine wirtschaftlich betonte Liberalisierung und<br />

Flexibilisierung der Rahmenbedingungen im Geschäftsleben durchzusetzen,<br />

der Handel eine besonders stark betroffene Branche.<br />

Dies vor allem deshalb, da es in diesem Bereich wegen der immer wieder<br />

aufflammenden und von Wirtschaftskammer und vor allem von der Industriellenvereinigung<br />

vehement eingeforderten, für den Wirtschaftsstandort<br />

Österreich angeblich so unbedingt „notwendigen“ Änderungen der Öffnungszeiten<br />

permanent zu einer durch alle Gesellschaftsschichten verlaufenden<br />

Diskussion über die möglichen Vor- und Nachteile von diesbezüglichen<br />

Regelungen gekommen ist.<br />

In den letzten Jahren waren im Handel im Jahresdurchschnitt ungefähr<br />

500.000 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei etwa 220.000 Beschäftigte im Einzelhandel<br />

angestellt sind. Mehr als zwei Drittel der Belegschaft des Einzelhandels<br />

sind Frauen. Im Rahmen der Untersuchung der Arbeitsbedingungen<br />

im Handel ergab sich, dass die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse zwar<br />

insgesamt gestiegen ist, die Fluktuation der Arbeitnehmerinnen sich aber<br />

nach wie vor als relativ hoch erweist und die allgemeine Beschäftigungsstabilität<br />

sich in Folge dessen als gering darstellt.


Insbesondere für die geringfügig beschäftigten Frauen in dieser Branche<br />

reduzieren sich die Chancen auf ein voll sozialversicherungspflichtiges<br />

Beschäftigungsverhältnis. Vor allem im Einzelhandel zeigt sich bezüglich der<br />

Beschäftigungsstabilität sowie der Chancen auf eine volle Wieder- oder Weiterbeschäftigung<br />

ein eher negativer Trend.<br />

Wie die Studie im Detail weiter ausführt, sind von diesen Entwicklungen im<br />

Handelsbereich in überwiegendem Ausmaß Frauen betroffen, deren Einkommenssituation<br />

sich durch die hohe Anzahl von Teilzeitarbeit in dieser<br />

Branche am stärksten verschlechtert hat. Zugleich wird festgestellt, dass<br />

das Ausmaß von nur geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen in den letzten<br />

Jahren stark angestiegen ist und diese Art des Einkommenserwerbes für<br />

viele betroffene Arbeitnehmerinnen in Ermangelung einer besseren Alternative<br />

immer mehr zum Regelfall wird.<br />

Mit ein Grund für die überaus starke Zunahme von solchen atypischen<br />

Arbeitsverhältnissen waren sicher die Ausdehnung der Öffnungszeiten und<br />

die Zugangsmöglichkeit zur Sozialversicherung für geringfügig Beschäftigte<br />

in den Jahren 1997 und 1998, wobei aber zusätzlich zu erkennen ist, dass<br />

speziell der Einzelhandel und die großen Handelsketten in den letzten Jahren<br />

auch eine Reduktion der Lehrverhältnisse und deren Ersatz durch atypische<br />

Beschäftigungsformen vorgenommen haben. Die flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten<br />

für die Arbeitgeberseite sind wohl auch mitverantwortlich<br />

dafür, dass im Einzelhandel etwa 52 Prozent der Arbeitsverhältnisse innerhalb<br />

eines Jahres aufgelöst werden und sich somit in diesem Umfeld eine<br />

überproportionale Fluktuation von Arbeitnehmerinnen ergibt.<br />

Die erhebliche Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist überwiegend<br />

im Einzelhandel und in großen Betrieben zu finden, wobei sich die<br />

Anzahl geringfügiger Vereinbarungen vor allem im Einzelhandel laufend stark<br />

erhöht hat. Von dieser negativen Entwicklung sind wiederum mehrheitlich<br />

Frauen betroffen, da sie im Handelsbereich den überwiegenden Anteil an<br />

Arbeitnehmern im Rahmen von Teilzeitbeschäftigungen und geringfügigen<br />

Arbeitsverhältnissen stellen.<br />

Unter dem Aspekt der ansteigenden Teilzeitarbeitsquoten ist im Handel auch<br />

das etwas raschere Beschäftigungswachstum der Frauen gegenüber jenem<br />

der Männer zu sehen, wobei dieser „Vorsprung“ natürlich vorwiegend<br />

dadurch zustande kommt, dass hauptsächlich Frauen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen<br />

tätig sind.<br />

Statistisch gesehen hat die Teilzeitbeschäftigung im Handel in den letzten<br />

Jahren um fast 50 Prozent zugenommen, die geringfügige Beschäftigung hat<br />

sich innerhalb von acht Jahren um beinahe 70 Prozent erhöht, wobei der<br />

Anteil der geringfügigen Beschäftigungen am Gesamtbeschäftigungsausmaß<br />

bereits im Jahre 2002 mehr als 10 Prozent betragen hat und in weiterer<br />

Folge prozentuell deutlich stärker angestiegen ist, als die Zunahme der voll<br />

sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse.<br />

Geringfügige Arbeitsverhältnisse sind dadurch gekennzeichnet, dass die<br />

Höhe des verdienten Entgelts bei monatlicher oder auch kürzerer Beschäftigung<br />

einen vorgegebenen Grenzwert nicht überschreiten darf. Dabei wird<br />

alljährlich eine bestimmte Einkommensgrenze festgesetzt, bis zu deren<br />

Erreichen es für das Arbeitsverhältnis nur die Unfallversicherungspflicht gibt<br />

Ausdehnung der<br />

Ladenöffnungszeiten hat<br />

Anteil der geringfügig<br />

Beschäftigten<br />

stark erhöht<br />

Jedes zweite<br />

Arbeitsverhältnis im<br />

Handel wird innerhalb<br />

eines Jahres aufgelöst<br />

55


56<br />

Geringfügig Beschäftigte<br />

sind ohne ausreichenden<br />

Sozialversicherungsschutz<br />

Arbeitsrechtliche<br />

Ansprüche Geringfügiger<br />

oftmals nicht bekannt<br />

(§ 5 Abs. 2 ASVG). Die volle Sozialversicherungspflicht ist erst ab Überschreitung<br />

dieses Grenzbetrages gegeben, der im Jahr 20<strong>06</strong> monatlich<br />

333,16 Euro und täglich 25,59 Euro beträgt.<br />

Daraus ergibt sich, dass bis zu diesen Grenzsätzen über die Unfallversicherung<br />

hinaus kein Sozialversicherungsschutz gegeben ist und sowohl vom<br />

Arbeitgeber als auch von der Arbeitnehmerin grundsätzlich keine Beitragsleistungen<br />

für die Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung sowie die<br />

Pensionsversicherung erbracht werden müssen. In diesem Falle ist die<br />

Arbeitnehmerin daher nur unfallversichert, wobei die dazu erforderliche<br />

Anmeldung durch den Arbeitgeber bei der zuständigen Gebietskrankenkasse<br />

zu erfolgen hat.<br />

Geringfügig beschäftigte Frauen können somit allein aus dieser nicht<br />

arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nach deren Beendigung<br />

auch kein Arbeitslosengeld beanspruchen. Ist eine geringfügig beschäftigte<br />

Arbeitnehmerin jedoch auf den Krankenversicherungsschutz angewiesen<br />

und möchte sie auch während dieser Erwerbstätigkeit Pensionsversicherungszeiten<br />

erwerben, so kann sie dies im Rahmen des seit 1998 möglichen<br />

„Optionsmodells“ gemäß § 19a ASVG durch freiwillige Beitragszahlungen an<br />

die Gebietskrankenkasse (47,01 Euro pro Monat im Jahr 20<strong>06</strong> ) realisieren.<br />

Ist die Sozialversicherungspflicht und eine damit sonst verbundene Leistung<br />

im Rahmen einer solchen Arbeitsvereinbarung somit stark reduziert, so ist<br />

aus Sicht des Arbeitsrechtes für die betroffenen Arbeitnehmerinnen aber<br />

jedenfalls zu beachten, dass alle arbeitsrechtlichen Ansprüche grundsätzlich<br />

auch bei Teilzeitbeschäftigungen und geringfügigen Arbeitsverhältnissen<br />

zustehen!<br />

In der arbeitsrechtlichen Beratung ist immer wieder festzustellen, dass auch<br />

Arbeitnehmerinnen im Handel, die ein geringfügiges Arbeitsverhältnis vereinbart<br />

haben, sich über arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlagen nicht ganz im<br />

Klaren sind und vom Arbeitgeber auch nichts dazu beigetragen wird, eine allfällige<br />

Wissenslücke im Interesse der Arbeitnehmerin zu schließen. Dadurch<br />

kommt es insbesondere bei solchen Arbeitsvereinbarungen häufig vor, dass<br />

die berechtigte Geltendmachung von Urlaubsanspruch, Weihnachts- und<br />

Urlaubsgeld, Abfertigung sowie vom Arbeitgeber zu bezahlender Entgeltfortzahlung<br />

im Krankheitsfall von der Arbeitnehmerin nicht gemacht wird.<br />

In diesem Zusammenhang ist jedenfalls an die Arbeitgeber im Handel zu<br />

appellieren, dass sie für den aus Arbeitnehmerinnensicht nicht wünschenswerten<br />

Fall, dass nämlich Vollbeschäftigungen durch atypische Arbeitsverhältnisse<br />

(wie insbesondere der geringfügigen Beschäftigung) ersetzt werden,<br />

zumindest auch alle arbeitsrechtlichen Grundlagen dieser Arbeitsverhältnisse<br />

berücksichtigen sowie die Ansprüche der Arbeitnehmerinnen<br />

umfassend und korrekt berechnen.<br />

Wie bereits ausgeführt, ist der Handel (aus geschlechtsspezifischer Sicht<br />

gesehen) eine typische Domäne der Frauen, da vor allem im Einzelhandel<br />

auch in Vollarbeitsverhältnissen überproportional viele Frauen beschäftigt<br />

sind. Bedingt durch den höheren Geringfügigkeits- und Teilzeitanteil der<br />

Frauen bei der Beschäftigungsquote, ergibt sich im Handel auch eine geringere<br />

Einkommensdynamik und somit ein niedrigeres Lohnniveau, wobei sich<br />

auch die relative Einkommensposition der Frauen in dieser Branche in den


letzten Jahren stärker zum Negativen hin verändert hat. Dies zeigt sich vor<br />

allem in der Bewertung im Rahmen einer Gesamteinkommensstatistik, die<br />

Gehälter über dem Mindestgehalt des Kollektivvertrages zur Grundlage<br />

haben.<br />

Unabhängig davon ist auch zu hinterfragen, ob diese atypischen Beschäftigungen<br />

von Frauen eventuell freiwillig aufgenommen werden, somit die<br />

Beschränkung auf ein Teilzeit- oder geringfügiges Einkommen aus zeitlichen<br />

Gründen notwendig ist oder ob der Arbeitsmarkt es auch den an Vollarbeitsverhältnissen<br />

interessierten Frauen nicht möglich macht, über Teilzeitbeschäftigungen<br />

hinaus voll beschäftigt zu werden.<br />

Ist die individuelle Grundlage für die Entscheidung bezüglich einer entsprechenden<br />

Vereinbarung im Handel auch nicht immer eindeutig objektivierbar,<br />

so kann dennoch festgehalten werden, dass Frauen meist länger geringfügig<br />

beschäftigt sind als Männer, wobei aber immerhin bei ungefähr einem Viertel<br />

der in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis beschäftigten Frauen innerhalb<br />

von zwei Jahren der Wechsel in ein voll sozialversicherungspflichtiges<br />

Arbeitsverhältnis gelingt. Dieses ist aber keinesfalls stets einem Vollzeitarbeitsverhältnis<br />

gleichzuhalten, da die volle Sozialversicherungspflicht ja<br />

bereits bei einer Teilzeitbeschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze zum<br />

Tragen kommt.<br />

Obwohl es noch keine eindeutigen statistischen Untersuchungen dahingehend<br />

gibt, ob der Markt den Frauen die geringfügigen oder teilzeitigen<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten aufzwingt (da aus Kostengründen zu wenig<br />

Vollzeitarbeitsverhältnisse angeboten werden) oder ob die betroffenen<br />

Frauen einfach nur versuchen, neben ihrer Tätigkeit im familiären Verband<br />

zusätzlich noch etwas dazu zu verdienen, muss noch einmal darauf hingewiesen<br />

werden, dass diese atypischen Arbeitsverhältnisse überwiegend von<br />

Frauen ausgeübt werden und sich daher auch alle damit verbundenen Nachteile<br />

(insbesondere was die persönliche Einkommenslage, die berufliche<br />

Anerkennung, die Weiterbildung, das berufliche Image, den Lebensstandard,<br />

die Mehrfachbelastung etc. betrifft) eben großteils nur auf Frauen<br />

negativ auswirken.<br />

Neben der an und für sich meist nicht befriedigenden Arbeits- und Einkommenssituation<br />

bei dieser Art von Arbeitsverhältnissen ist auch bei Vollarbeitsverhältnissen<br />

im Handel eine Entwicklung zu erkennen, die es insbesondere<br />

für Frauen mit Familie zunehmend schwerer macht, die an sie<br />

gestellten Anforderungen zu erfüllen, ohne dabei auf Kosten des Familienlebens<br />

laufend Zugeständnisse hinsichtlich der Arbeitsbedingungen oder<br />

Abstriche im Zusammenhang mit Entgeltfragen machen zu müssen.<br />

Dazu kommt, dass Stress am Arbeitsplatz, unregelmäßige Arbeitszeiten und<br />

vor allem die aus arbeitmedizinischer Sicht oft auch starke physische<br />

Beanspruchung durch eher einseitige Tätigkeiten, die den Stütz- und<br />

Bewegungsapparat schädigen können, die Arbeit bei nicht ausreichender<br />

Berücksichtigung einer ergonomischen und menschengerechten Arbeitsplatzgestaltung<br />

für viele im Handel Beschäftigte zusehends schwieriger<br />

machen.<br />

In <strong>Tirol</strong> sind ungefähr drei Viertel der Mitarbeiter im Handel Frauen und ein<br />

großer Teil davon trägt durch das Arbeitseinkommen einen wichtigen oder<br />

Vollarbeit im Handel wird<br />

zunehmend seltener<br />

57


58<br />

Ausdehnung der<br />

Ladenöffnungszeiten<br />

ging voll zu Lasten der<br />

berufstätigen Mütter<br />

manchmal sogar dringend notwendigen Anteil zum Familienbudget bei,<br />

sodass sich auch hinsichtlich der zeitlichen Vereinbarkeit von Familie, Haushalt,<br />

Kind und Beruf jegliche neue Verschärfung der Arbeitsbedingungen im<br />

Handel überproportional auf Frauen auswirkt.<br />

In diesem Zusammenhang sind vor allem die Öffnungszeiten der Verkaufsgeschäfte<br />

und die ständige Diskussion über eine Ausdehnung dieser Zeiten<br />

ein Thema, das nicht nur zu sich widersprechenden Ansichten führt, sondern<br />

auch insbesondere bei weiblichen Handelsangestellten häufig Befürchtungen<br />

erweckt, dass mit einer weiteren Ausdehnung der jetzt schon relativ<br />

großzügigen Öffnungszeiten die Vereinbarkeit von privaten und dienstlichen<br />

Erfordernissen und Notwendigkeiten immer schwieriger fällt und somit in<br />

vielen Fällen die Familie durch die Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses<br />

im Handel leiden muss.<br />

Aus historischer Betrachtung ist eine ständige Ausdehnung der Öffnungszeiten<br />

unter dem Stichwort Liberalisierung seit Ende der Achtzigerjahre zu<br />

beobachten. Noch 1987 mussten die Ladengeschäfte (von speziellen Ausnahmen<br />

abgesehen) mit Samstagmittag schließen. Ab Dezember 1989<br />

wurde einmal monatlich ein langer Einkaufssamstag gesetzlich ermöglicht<br />

und mit dem Jahre 1997 wurde das Offenhalten der Handelsgeschäfte an<br />

jedem Samstagnachmittag bis um 17 Uhr erlaubt (Ausnahme: Vorweihnachtssamstage<br />

bis um 18 Uhr). Durch das Öffnungszeitengesetz 2003 kam<br />

es unter anderem neuerlich zu einer grundsätzlichen Ausdehnung der Offenhaltemöglichkeiten<br />

am Abend (Montag bis Freitag bis 21 Uhr und am Samstag<br />

bis 18 Uhr unter der Voraussetzung des Erlasses einer Verordnung des<br />

jeweiligen Landeshauptmannes).<br />

Eine von Vertretern des Handels ursprünglich unter dem Leitsatz der zusätzlichen<br />

Schaffung von Arbeitplätzen prognostizierte starke Zunahme von Vollzeitarbeitsplätzen<br />

konnte in diesem Zusammenhang bisher aber dennoch<br />

nicht beobachtet werden, sodass angenommen werden muss, dass die<br />

erweiterten Öffnungszeiten vom Handel entweder gar nicht voll übernommen<br />

wurden oder eher die Zusatzarbeit durch Mehrbelastungen des Stammpersonales<br />

oder die vermehrte Anstellung von geringfügig Beschäftigten<br />

oder Teilzeitarbeitnehmerinnen ausgeglichen worden ist.<br />

Da nicht immer davon auszugehen ist, dass eine Verlagerung der vereinbarten<br />

Arbeitszeiten in die späten Nachmittags- oder frühen Abendstunden<br />

oder auf den Samstagnachmittag von der betroffenen Arbeitnehmerin auch<br />

tatsächlich positiv gesehen (oder gar gewünscht) wird, ist zu erwarten, dass<br />

diesbezüglich vom Arbeitgeber thematisierte „freiwillige“ Abänderungen der<br />

vereinbarten Arbeitszeit und deren „Akzeptanz“ sich durchaus auch zu<br />

Lasten des Familienlebens von Arbeitnehmerinnen ausgewirkt haben und<br />

nach wie vor eine gemeinsame familiäre Freizeitgestaltung stark einschränken.<br />

Auch die langjährig aktuelle Diskussion über eine Zulässigkeit des Offenhaltens<br />

der Geschäfte am 8. Dezember (angeblich vorrangig deshalb, um dem<br />

Einkaufstourismus insbesondere nach Deutschland Einhalt zu gebieten)<br />

wurde zwar stark emotional geführt, hat aber letztendlich als nachteiliges<br />

Ergebnis für betroffene Arbeitnehmerinnen doch nur mit sich gebracht, dass<br />

an diesem Feiertag nunmehr von 10 Uhr bis 18 Uhr offen gehalten werden


kann. Die Erbringung der Arbeitsleistung an diesem Festtag ist der Angestellten<br />

zwar theoretisch freigestellt (und kann laut kollektivvertraglicher<br />

Regelung von ihr auch verweigert werden, ohne dass es deswegen zu Nachteilen<br />

kommen darf), es kommt in der Praxis jedoch kaum vor, dass sich eine<br />

Arbeitnehmerin dem nachdrücklich formulierten „Wunsch“ ihres Arbeitgebers<br />

widersetzt, auch an diesem Arbeits„feier“tag zur Arbeitsleistung zur<br />

Verfügung zu stehen.<br />

Dass dafür zusätzlich zum Monatsgehalt die tatsächlich am Feiertag gearbeiteten<br />

Stunden und eine Zeitgutschrift zu leisten sind, mag aus pekuniärer<br />

Hinsicht einen kleinen Anreiz darstellen. Ob damit aber der Verlust der Möglichkeit,<br />

diesen Feiertag im familiären Rahmen zu genießen oder vielleicht<br />

selbst für Weihnachtsvorbereitungen zu nützen, ausgeglichen werden kann,<br />

wird in vielen Fällen zweifelhaft und nur ein schwacher Trost sein.<br />

Speziell die vier langen Einkaufssamstage vor dem Heiligen Abend stellen<br />

eine besondere Herausforderung und Belastung für die im Einzelhandel<br />

Beschäftigten dar. Dieser verstärkte Arbeitseinsatz wurde auch in einer Entscheidung<br />

des Obersten Gerichtshofes bereits im Jahre 1989 in der Form<br />

gewürdigt, dass für die Arbeitsleistung an diesen langen Samstagnachmittagen<br />

in der Vorweihnachtszeit, die bis 18 Uhr möglich ist, in jedem Falle ein<br />

Zuschlag zum Stundenlohn im Ausmaß von 100 Prozent als Abgeltung für<br />

die besondere Belastung zu bezahlen ist.<br />

Parallel zu den bereits relativ großzügigen Öffnungszeiten wird aber zusätzlich<br />

immer häufiger von Vertretern des Handels gefordert, dass auch am<br />

Sonntag das Offenhalten von Verkaufsgeschäften über die bereits jetzt<br />

zulässigen Möglichkeiten hinaus erlaubt wird.<br />

Begründet wird dies meist mit der fragwürdigen Argumentation, dass derzeit<br />

immer wieder Touristen vor geschlossenen Geschäften stehen würden und<br />

bei einer weiteren Liberalisierung der Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes<br />

mehr Umsatz und Gewinn gemacht werden könne.<br />

Speziell in der Landeshauptstadt wird auf den im Zusammenhang mit<br />

Ladenöffnung angeblich so liberalen Süden sowie auf die zahlungskräftigen<br />

potenziellen Kunden verwiesen. Dabei wird offensichtlich übersehen, dass<br />

auch in den italienischen Metropolen (Ausnahmen sind wie bei uns in Tourismuszentren<br />

möglich) an Sonntagen ebenfalls meist nur geschlossene Läden<br />

zu finden sind.<br />

Unabhängig davon wird in dieser Diskussion aber einmal mehr der Stellenwert,<br />

den der freie Sonntag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im<br />

Handel (und natürlich auch für viele andere Branchen) grundsätzlich hat,<br />

nicht berücksichtigt. Auch hier würde es wieder überwiegend die ohnehin<br />

schon stark belasteten Mitarbeiterinnen im Handel treffen, sodass schon aus<br />

dieser Sicht eine weitere Liberalisierung der Öffnungszeiten abzulehnen ist.<br />

Würde man hingegen die durch eine Mehrfachbelastung mit Familie, Haushalt<br />

und Berufstätigkeit manchmal schon an der Grenze der zumutbaren<br />

Belastbarkeit sich bewegenden Mitarbeiterinnen im Handel nach ihren Vorstellungen<br />

einer Flexibilisierung befragen, so würde sich in weiterer Folge<br />

sicher eine Diskussion darüber ergeben, wie ein Arbeitsplatz im Handel aussehen<br />

müsste, um es Frauen mit Familie zu ermöglichen, optimale Bedin-<br />

Es geht jetzt um den<br />

freien Sonntag<br />

Weitere Liberalisierung<br />

im Handel ist abzulehnen<br />

59


60<br />

Handel hätte ideale<br />

Voraussetzungen für<br />

frauen- und familienfreundliche<br />

Arbeitsplätze<br />

gungen vorzufinden, um möglichst alle Interessen und Notwendigkeiten<br />

abdecken zu können.<br />

Als Lösung wäre dann sicher ein gemeinsames Bestreben von Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmerinnen wünschenswert, für frauen- und familienfreundliche<br />

Arbeitsplätze im Handel eine individuelle „Flexibilisierung anderer Art“ als die<br />

bisher nur von Arbeitgeberseite geforderte zu vereinbaren. Diese neue Flexibilisierung<br />

sollte es den Frauen ermöglichen, die Arbeitsbedingungen so mitzugestalten,<br />

dass sie sich möglichst problemlos mit den familiären Vorgaben,<br />

Wünschen und Verpflichtungen in Einklang bringen lassen.<br />

Anstelle von gesellschaftspolitisch fragwürdigen Demontageversuchen von<br />

Sonntags- und Feiertagsruhe sollte also insbesondere im Handel besser<br />

darüber nachgedacht werden, wie sich die derzeit meist noch utopisch darstellende<br />

Vision einer umfassenden familien- und frauengerechten Arbeitszeit-<br />

und Arbeitsplatzgestaltung in eine baldige Realisierung verwandeln<br />

lässt.<br />

Schwangerschaft verboten<br />

Vor allem jüngere Stellenwerberinnen werden im Zuge von Vorstellungsgesprächen<br />

nicht nur nach ihren Erwartungen bezüglich der in Aussicht<br />

genommenen Tätigkeit sondern auch nach ihren privaten Plänen für die<br />

Zukunft, insbesondere nach einer geplanten oder gar schon bestehenden<br />

Schwangerschaft gefragt.<br />

Die dabei gewählten Vorgehensweisen – direkt oder indirekt im persönlichen<br />

Gespräch, durch Vorlage eines entsprechend verfassten Personalfragebogens<br />

oder psychologischen Tests – sind beinahe so vielfältig wie die zur<br />

Rechtfertigung für einen derartigen Informationsbedarf des Arbeitgebers<br />

vorgebrachten Gründe.<br />

Die Suche und Auswahl geeigneter neuer Mitarbeiter verursacht, gerade<br />

wenn diese Agenden an externe Berater ausgelagert werden, ebenso wie die<br />

Einschulung und Ausbildung nicht unerhebliche Kosten. Diese Investitionen<br />

sollen sich daher über einen längeren Zeitraum hinweg „bezahlt machen“.<br />

Auch im Kontakt mit Geschäftspartnern und Kunden wird die Kontinuität an<br />

bestimmten Schlüsselstellen zum (wirtschaftlichen) Erfolg eines Unternehmens<br />

beitragen.<br />

Aber: In der überwiegenden Zahl der Fälle treffen diese Argumente nicht einmal<br />

im Ansatz zu. Denn eine schwangere Arbeitnehmerin kann und wird – bis<br />

auf die Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdenden Tätigkeiten – genau<br />

die gleichen Arbeiten verrichten. Der Zeitraum des absoluten Beschäftigungsverbotes<br />

vor und nach der Entbindung kostet den Arbeitgeber keinen<br />

Cent, hier bezahlt ausschließlich die Gebietskrankenkasse das Wochengeld.<br />

Gleiches gilt auch, falls die Schwangere aufgrund einer Gesundheitsgefährdung<br />

für sich oder das Kind vor dem Zeitraum des absoluten Beschäftigungsverbots<br />

nicht mehr arbeiten darf: In diesem Fall bezahlt die Gebietskrankenkasse<br />

ein „vorgezogenes Wochengeld“. Der Arbeitgeber kann daher<br />

vor und nach dem Mutterschutz bzw. der Karenz mit einer hundertprozentig<br />

einsetzbaren Arbeitnehmerin rechnen, während des Mutterschutzes oder<br />

der Karenz fallen für ihn keinerlei Kosten an. Es werden daher im Wesentli-


chen diese „Kosten-Argumente“ nur vorgeschoben, „ersparen“ wollen sich<br />

die meisten Arbeitgeber nur zusätzliche arbeitsrechtliche Verpflichtungen,<br />

die auf das Wohl von Mutter und Kind Bedacht nehmen.<br />

Daher sind direkte und indirekte Fragen nach einer bestehenden oder<br />

geplanten Schwangerschaft – wie auch jene nach einer „fixen“ Partnerschaft<br />

oder der Verwendung von Verhütungsmitteln – als unzulässige Eingriffe in die<br />

nach Artikel 8 Menschenrechtskonvention (MRK) geschützte Privat- oder<br />

Intimsphäre zu qualifizieren. Dass eine derartige Verletzung der Persönlichkeitsrechte<br />

eines Arbeitnehmers auch durch die Zustimmung des Betriebsrats<br />

zu einem Personalfragebogen nicht geheilt werden kann, versteht sich<br />

von selbst.<br />

Eine Arbeitnehmerin braucht daher Fragen zum Thema Schwangerschaft<br />

bzw. Familienplanung nicht zu beantworten und ist auch nicht verpflichtet,<br />

ihren potenziellen Arbeitgeber über eine bereits bestehende Schwangerschaft<br />

in Kenntnis zu setzen. Das Verschweigen der Schwangerschaft stellt<br />

nach ständiger Rechtsprechung selbst dann keinen Entlassungsgrund dar,<br />

wenn die Bewerberin ausdrücklich danach gefragt wurde.<br />

Ebenso wenig ist ein unter diesen Voraussetzungen zustande gekommener<br />

Vertrag nichtig oder wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung anfechtbar.<br />

Anlässlich des Einstellungsgesprächs geäußerte Fragen zum Thema<br />

Schwangerschaft stellen auch eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund<br />

des Geschlechts dar. Wird eine Bewerberin abgewiesen, weil sie derartige<br />

Fragen nicht beantworten wollte, auf die Diskriminierung hingewiesen hat<br />

oder schwanger ist, hat sie daher Anspruch auf Schadenersatz.<br />

Wesentlich seltener als Fragen im Zuge von Aufnahmeverfahren finden sich<br />

Klauseln in Arbeitsverträgen, wonach das Arbeitsverhältnis bei Eintritt einer<br />

Schwangerschaft automatisch beendet wird, die Arbeitnehmerin sich verpflichtet,<br />

innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht schwanger zu werden,<br />

bei Eintritt einer Schwangerschaft eine Konventionalstrafe zu bezahlen oder<br />

die entstandenen Einschulungs- oder Ausbildungskosten rückzuerstatten.<br />

Derartige Vertragsbestimmungen verstoßen in so eklatanter Weise gegen die<br />

Grundsätze der Rechtsordnung, dass sie jedenfalls nichtig sind.<br />

Teleheimarbeit: Ideal für Beruf und Familie?<br />

Einleitend ist zunächst festzuhalten, dass die Begriffe „Telearbeit“ und „Teleheimarbeit“<br />

häufig synonym verwendet werden. Dies ist insofern nicht ganz<br />

korrekt, als es sich bei „Telearbeit“ um den weiteren Begriff handelt – dieser<br />

Begriff umfasst nämlich auch jene Arbeitsplätze, die nicht am eigentlichen<br />

Betriebsstandort angesiedelt sind, sondern wo die Beschäftigten beispielsweise<br />

in dezentralen firmeneigenen Büros, Callcentern, etc. Dienstleistungen<br />

für den Betrieb erbringen und auf elektronischem Wege mit dem Betrieb<br />

verbunden sind. Hier fehlt also das Merkmal der „Heimarbeit“, da diese<br />

Arbeiten nicht von zu Hause aus erbracht werden.<br />

„Teleheimarbeit“ – jener Begriff also, der häufiger mit „Telearbeit“ gemeint<br />

sein dürfte – ist Arbeitsleistung von zu Hause aus, mit direkter elektronischer<br />

Anbindung an den Betrieb. War dies in den Anfängen eine Anbindung nur<br />

Frage nach Schwangerschaft<br />

muss nicht<br />

beantwortet werden<br />

61


62<br />

Teleheimarbeit mit viel<br />

Vorschusslorbeeren –<br />

Realität oft ganz anders<br />

Isolation- und<br />

Mobbinggefahr,<br />

Aufstiegschancen<br />

kaum gegeben<br />

mittels Telefon, BTX oder Standleitung, so rückt mittlerweile mehr und mehr<br />

das Internet die einzelnen Arbeitsplätze virtuell zusammen.<br />

Der Grundgedanke dabei ist jener, dass es ja eigentlich egal sei, ob die weitgehend<br />

am Computer erledigte und via Datenleitung verschickte Arbeit im<br />

Bürogebäude selbst oder aber zu Hause abgewickelt wird. Wenn aber dieselbe<br />

Arbeit genauso gut von zu Hause aus erledigt werden kann, so würden<br />

sich – so die oft gehörte Meinung – dadurch ungeahnte Vorteile für Arbeitgeber<br />

wie auch Arbeitnehmer ergeben.<br />

Der Arbeitgeber spart sich Kosten für Büroräumlichkeiten und deren Ausstattung,<br />

darüber hinaus ist es für Arbeitgeber bei Teleheimarbeitsverhältnissen<br />

im Unterschied zu den „herkömmlichen“ Arbeitsverhältnissen leichter<br />

vorstellbar, dass sie aufgrund der Art der Arbeitsleistung und der oftmals<br />

freien Zeiteinteilung als freie Dienstverhältnisse angesehen werden. Dazu<br />

kommt als ein Merkmal der Globalisierung, dass Telearbeiten auch ins (weit<br />

entfernte) Ausland verlagert werden können – so wie es zum Beispiel in der<br />

Softwarebranche schon lange üblich ist, Softwareentwickler in Indien mit der<br />

Firmenzentrale in Kalifornien elektronisch kommunizieren zu lassen.<br />

Für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen – so wird häufig argumentiert –<br />

ergäben sich Vorteile bei der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Beruf,<br />

eine höhere zeitliche Flexibilität und damit Anpassungsfähigkeit an familiäre<br />

Bedürfnisse, bessere persönliche Kontakte zu den Nachbarn, weiters aber<br />

auch die Möglichkeit des Kontakthaltens mit der Arbeitswelt anstelle des<br />

gänzlichen Ausstiegs aus dem Berufsleben, zusätzlich noch das Einsparen<br />

der Zeit und der Kosten für die Fahrten zur Arbeitsstelle sowie das Schaffen<br />

von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Gebieten, und letztlich in Ermangelung<br />

von räumlich anwesenden Kollegen sogar das Vermeiden von belastendem<br />

Mobbing.<br />

Die tatsächlichen bisherigen Erfahrungen mit Teleheimarbeit haben aber<br />

gezeigt, dass die Arbeitsleistung von zu Hause aus durch den Mangel an<br />

informellen Kontakten mit Kolleginnen und Kollegen für Arbeitnehmerinnen<br />

zu einer Art von Isolation in der eigenen Wohnung führt. Es kann zwischen<br />

Berufs- und Privatleben nicht mehr exakt genug getrennt werden (z.B. wird<br />

dann häufig auch am Wochenende gearbeitet, weil während der Arbeitswoche<br />

nicht genug Zeit für die Arbeitsleistung erbracht werden konnte). Es<br />

kommt insgesamt zu einer noch stärkeren Doppelbelastung durch Kinderbetreuung<br />

und Arbeitsleistung mit darauf folgender Überforderung. Das herkömmliche<br />

Arbeitsverhältnis wird unter Umständen in einen freien Dienstvertrag<br />

(mit sämtlichen Nachteilen) umgewandelt. Unter Umständen werden<br />

Einzelleistungen oder Einzelprojekte mittels Werkvertrag zugekauft. Dass<br />

übrigens selbst Mobbing auch dann stattfinden kann, wenn Kollegen räumlich<br />

getrennt, ja sogar über weite Entfernungen getrennt sind, hat sich mittlerweile<br />

(insbesondere im Zeitalter des Internet) bereits herausgestellt.<br />

Häufig festzustellen ist auch, dass sich durch Teleheimarbeit die Aufstiegschancen<br />

verringern, insbesondere bleibt der Zugang zu Führungsfunktionen<br />

verwehrt. Dies unter anderem deshalb, weil zum einen Führungsfunktionen<br />

kaum im Wege der Teleheimarbeit ausgeübt werden können, zum anderen<br />

aber auch, weil in Teleheimarbeit beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen<br />

in der Gesamtbelegschaft weit weniger „wahrgenommen“ werden


– was aufgrund der räumlichen Distanz auch nicht allzu verwunderlich ist. So<br />

ist das Berufsleben und hierbei insbesondere der Informationsaustausch in<br />

einem erheblichen Ausmaß durch informelle Kontakte und Kommunikationsstrukturen<br />

gekennzeichnet, die – anders als etwa in einem E-Mail – „nebenbei“<br />

erfolgen und dennoch für eine interne Kommunikation unverzichtbar<br />

sind.<br />

Nicht zu vergessen ist auch der bei der Teleheimarbeit zu Problemen<br />

führende Aspekt der mangelnden Möglichkeit der betrieblichen Interessenvertretung:<br />

Betriebsratsarbeit wird durch Teleheimarbeitsplätze deutlich<br />

erschwert, dazu kommt, dass bei einer Ausgestaltung der Beschäftigung als<br />

freiem Dienstverhältnis oder Werkvertrag das aktive und passive Betriebsratswahlrecht<br />

nicht gegeben ist und daher auch keine betriebliche Interessenvertretung<br />

erfolgen kann.<br />

Es lässt sich daher insgesamt feststellen, dass die Teleheimarbeit bislang<br />

nicht jene Bedeutung erlangt hat, die man ihr noch vor Jahren prognostiziert<br />

hat. Mit Sicherheit handelt es sich aber nicht um jenes „ideale“ Hilfsmittel zur<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie, als das es ursprünglich gesehen wurde.<br />

Diskriminierende Auflösung während der Probezeit<br />

Für den Beginn eines Arbeitsverhältnisses kann zwischen Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer eine Probezeit vereinbart werden. Diese ist im Allgemeinen mit<br />

einem Monat limitiert und dient dazu, sowohl dem Arbeitgeber als auch dem<br />

Arbeitnehmer ihre Entscheidung bezüglich der Wahl des Arbeitsplatzes bzw.<br />

der Auswahl des Arbeitnehmers und seiner Qualifikation für die ihm zugedachte<br />

Position zu überprüfen und gegebenenfalls das Arbeitsverhältnis<br />

ohne Einhaltung von Fristen wieder aufzulösen.<br />

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die<br />

Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes, die im Falle des Vorliegens einer<br />

Schwangerschaft die Arbeitnehmerin vor Kündigungen und Entlassungen<br />

schützen, während der Probezeit keine Geltung haben. Frauen, die während<br />

des Arbeitsverhältnisses auf Probe ihrem Arbeitgeber eine Schwangerschaft<br />

mitteilen, setzen sich daher dem Risiko aus, dass der Arbeitgeber dies zum<br />

Anlass nimmt, das Arbeitsverhältnis sofort aufzulösen. Dies ist in der Vergangenheit<br />

auch mehrmals geschehen, auch der Oberste Gerichtshof sah<br />

ein derartiges Vorgehen als rechtlich erlaubt an, da die jederzeitige und<br />

grundlose Auflösbarkeit eines Probearbeitsverhältnisses gewahrt bleiben<br />

müsse.<br />

Eine erst vor kurzem ergangene richtungsweisende Entscheidung des Obersten<br />

Gerichtshofes stellte nunmehr fest, dass auch in der Probezeit eine Auflösung<br />

wegen Schwangerschaft der Arbeitnehmerin aufgrund der damit verbundenen<br />

Diskriminierung anfechtbar ist. Basis dafür stellt das Gleichbehandlungsgesetz<br />

dar, das vorsieht, dass Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitsverhältnis<br />

vom Arbeitgeber wegen des Geschlechtes gekündigt oder<br />

vorzeitig aufgelöst wurde, diese Auflösung beim Gericht anfechten können.<br />

Obwohl die Auflösung während der Probezeit im Gleichbehandlungsgesetz<br />

nicht expressis verbis angeführt wird, sieht der Oberste Gerichtshof eine<br />

analoge Anwendung für angebracht. Es wird nämlich im Gleichbehand-<br />

Auflösung während der<br />

Probezeit wegen<br />

Schwangerschaft<br />

diskriminierend<br />

63


64<br />

lungsgesetz auch normiert, dass für den Fall, dass ein Arbeitsverhältnis<br />

wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gebotes der<br />

geschlechtsneutralen und diskriminierungsfreien Stellenausschreibung nicht<br />

begründet wird, ein Schadenersatzanspruch des Stellenbewerbers gegenüber<br />

dem Arbeitgeber entsteht.<br />

Es wäre daher nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes ein unüberwindbarer<br />

Wertungswiderspruch, wenn man nur die Nichtbegründung eines<br />

Arbeitsverhältnisses und eine Kündigung bzw. Entlassung, nicht aber auch<br />

eine aus Gründen der geschlechtlichen Diskriminierung erfolgende Auflösung<br />

eines Probedienstverhältnisses sanktionieren würde.<br />

Eine Auslegung des Gleichbehandlungsgesetzes im Sinne der RL<br />

76/207/EWG (Gleichbehandlungs-RL) gebiete daher, die Sanktionen des<br />

Gleichbehandlungsgesetzes auch dann anzuwenden, wenn der Grund für<br />

die Auflösung eines Probedienstverhältnisses in der Schwangerschaft einer<br />

Dienstnehmerin gelegen ist.<br />

Macht daher eine Arbeitnehmerin, deren Probearbeitsverhältnis gerade<br />

wegen ihrer Schwangerschaft aufgelöst wurde, die Diskriminierung glaubhaft<br />

und kann demgegenüber der beklagte Arbeitgeber dies nicht entkräften<br />

und beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist,<br />

dass ein anderes Motiv für die Auflösung ausschlaggebend war, hat das<br />

Gericht eine derartige Beendigung für rechtsunwirksam zu erklären und das<br />

Arbeitsverhältnis besteht aufrecht weiter. In diesem Fall hat der Arbeitgeber<br />

das Entgelt seit der unzulässigen Beendigung nachzubezahlen. Eine derartige<br />

Anfechtungsklage muss allerdings binnen 14 Tagen ab Zugang der Auflösungserklärung<br />

bei Gericht erfolgen.<br />

Die für das Eheleben abträgliche Schauspielerei und<br />

andere rechtliche Kuriosa<br />

Arbeitsrechtliche Gesetze sind mitunter sehr alt und daher etwas „ergraut“.<br />

Dies zeigt sich immer wieder an Formulierungen, die nur im historischen<br />

Zusammenhang erklärbar sind und eine Werthaltung aus der Vergangenheit<br />

widerspiegeln, die aus heutiger Sicht veraltet erscheint. Ein typisches Beispiel<br />

dafür bietet die aus dem Jahre 1859 stammende und zum Teil immer<br />

noch in Geltung stehende Gewerbeordnung, wonach ein Arbeiter entlassen<br />

werden kann, weil er „ungeachtet vorausgehender Verwarnung mit Feuer<br />

und Licht unvorsichtig umgeht“ oder „die übrigen Hilfsarbeiter … zu unordentlichem<br />

Lebenswandel … zu verleiten sucht“. Während man diese Tatbestände<br />

noch interpretativ durch Heranziehung neuer und gleichartiger<br />

Gefahrenmomente in die Gegenwart überführen kann, so etwa der nachlässige<br />

Umgang mit Radioaktivität oder bakteriellen und giftigen Stoffen, findet<br />

sich im Schauspielergesetz (SchauspG) aus dem Jahre 1922 ein besonderes<br />

Kuriosum:<br />

Denn gemäß § 31 Abs 1 SchauspG kann eine Darstellerin, die während des<br />

laufenden Bühnendienstvertrages heiratet, nur über Verlangen des Ehemannes<br />

den Bühnendienstvertrag binnen zwei Monaten nach der Eheschließung<br />

unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist lösen.


Dem aber noch nicht genug: Wurde eine derartige Kündigung ausgesprochen,<br />

so darf die Darstellerin gemäß § 31 Abs 2 SchauspG während der letzten<br />

vier Wochen des Bühnendienstvertrages „wenn der Ehemann am Vertragsorte<br />

wohnhaft ist, in keinem anderen Bühnenunternehmen, wenn der<br />

Ehemann an einem anderen Orte wohnhaft ist, nur an einem Bühnenunternehmen<br />

dieses Ortes tätig sein“.<br />

Offenbar war das gesellschaftliche Ansehen einer Schauspielerin in den turbulenten<br />

und wilden zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht<br />

besonders hoch, zeigte man sich doch als Frau öffentlich dem ganzen Publikum<br />

und war vielerlei Verleitungen zu einem unordentlichen Lebenswandel<br />

ausgesetzt. Durch die über Verlangen des Ehemannes bewirkte vorzeitige<br />

Beendigung des potenziell sittlichkeitsgefährdenden Bühnendienstvertrages<br />

sollte die nunmehr verheiratete Schauspielerin endgültig „bürgerlich“ werden.<br />

Der Umstand, dass Theaterauftritte der frisch vermählten Schauspielerin<br />

während der Kündigungsfrist nur mehr am Wohnort des Ehemannes zulässig<br />

sind, erklärt sich ebenfalls aus dem historischen Zusammenhang, nämlich<br />

aus der bis zum Jahr 1975 im österreichischen Familienrecht geltenden „Folgepflicht“<br />

der Ehefrau. In diesem Sinne verfügte § 92 ABGB bis zum Eherechts-Änderungsgesetz<br />

1975:<br />

„Die Gattin erhält den Namen des Mannes und genießt die Rechte seines<br />

Standes. Sie ist verbunden dem Manne in seinem Wohnsitz zu folgen, in der<br />

Haushaltung und Erwerbung nach besten Kräften beizustehen, und soweit<br />

es die häusliche Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln<br />

sowohl selbst zu befolgen, als befolgen zu machen.“<br />

Durch das Eherechtsänderungsgesetz 1975 wurde nun entsprechend der<br />

gesellschaftspolitischen Entwicklung das Prinzip der einvernehmlichen<br />

Gestaltung der Lebens- und Haushaltsverhältnisse der Ehegatten im Gesetz<br />

verankert. Offenbar hatte man aber im Zuge dieser Reform – vielleicht auch<br />

als Folge der zunehmenden juristischen Spezialisierung – übersehen, auch<br />

das Schauspielerrecht entsprechend anzupassen. Auf der anderen Seite<br />

nimmt es nicht Wunder, dass diese Bestimmung ein so unauffälliges arbeitsrechtliches<br />

Dasein fristet, denn höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser<br />

Thematik – und das ist eine wesentliche allgemeine Bestimmungsgröße<br />

zur rechtlichen Brisanz einer gesetzlichen Regelung – existiert nicht. Die über<br />

entsprechendes Verlangen des Ehemannes eingeleitete „bevorrechtete“<br />

Kündigungsmöglichkeit einer frisch vermählten Schauspielerin ist daher<br />

anscheinend schon lange „totes Recht“.<br />

Vom Rechtshistorischen aber nun zum Rechtsformalen<br />

Klar ist, dass der Inhalt des § 31 Schauspielergesetz rechtspolitisch überholt<br />

ist, eine sachliche Grundlage für einen Regelungsbedarf in diese Richtung ist<br />

– sofern sie jemals wirklich gegeben war – zwischenzeitig jedenfalls weggefallen.<br />

Trotzdem gehören diese Bestimmungen dem österreichischen<br />

Rechtsbestand an und zwar auch dann, falls diese aufgrund einer Verletzung<br />

des Gleichbehandlungsgrundsatzes und eines unzulässigen Eingriffs in die<br />

Berufsausübungsfreiheit verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen. Denn<br />

65


66<br />

Antiquierte<br />

Bestimmungen<br />

im Arbeitsrecht<br />

auch verfassungswidrige Gesetze und Verordnungen sind solange anzuwenden,<br />

bis diese vom österreichischen Verfassungsgerichtshof aufgehoben<br />

wurden. Auch eine Heranziehung der Richtlinien der Europäischen Union<br />

über die Gleichbehandlung in der Arbeitswelt führen zu keinem konkreten<br />

Ergebnis, da zum einen die EU-Richtlinien § 31 SchauspG nicht unmittelbar<br />

verdrängen können und es zum anderen fraglich erscheint, ob eine für<br />

Frauen geltende „bevorrechtete“ Kündigungsmöglichkeit – selbst wenn<br />

diese ein entsprechendes „Verlangen“ des Ehemannes voraussetzt – eine<br />

unzulässige Diskriminierung darstellt. Viel eher wäre es denkbar, dass sich<br />

ein Mann mit dem juristischen Argument der Nichtumsetzung der EU-<br />

Gleichbehandlungsrichtlinien mit Erfolg darauf berufen kann, dass es ihm<br />

ebenfalls gestattet sein müsse, über Verlangen seiner Ehefrau den Bühnendienstvertrag<br />

vorzeitig aufzukündigen. Gerade als Schauspieler ist er – wie<br />

man ja aus den Boulevardblättern allgemein weiß – so vielen Verleitungen<br />

ausgesetzt. Bevor aber die juristische Analyse nunmehr zwar „geschlechtsneutrale“<br />

aber trotzdem überholte Vorstellungsklischees aufgreift:<br />

Vom Rechtsformalen abschließend zum Rechtspolitischen<br />

Klar und offensichtlich ist, dass § 31 SchauspG eine überkommene und diskriminierende<br />

Werthaltung sowohl gegenüber Frauen als auch gegenüber<br />

dem Berufsbild des Schauspielers im Allgemeinen verkörpert und sich zum<br />

Teil historisch aus der längstens aufgehobenen „Folgepflicht“ der Ehegattin<br />

gegenüber ihrem Ehemann erklären lässt. Nach den seit dem Jahre 1975<br />

geltenden Prinzipien des Eherechts sowie den darin zum Ausdruck kommenden<br />

und auch heute geltenden gesellschaftspolitischen Wertvorstellungen<br />

entbehrt diese Regelung jeglicher sachlicher Grundlage. Auch wenn<br />

diese Regelung in der Praxis kaum eine Rolle spielt, so sollte doch das offenkundige<br />

Versehen des Gesetzgebers, gleichzeitig mit Abschaffung der „Folgepflicht“<br />

für Ehegattinnen auch § 31 SchauspG aufzuheben, möglichst bald<br />

nachgeholt werden. Schön langsam wär´s ja an der Zeit.


Mädchen im Arbeitsleben<br />

67


68<br />

Lehre: Knapp 40% aller<br />

Mädchen lernen<br />

Verkäuferin oder<br />

Friseurin<br />

Mädchen im Arbeitsleben<br />

Die Berufswahl – das alte Lied<br />

Die Klage über das einseitige Berufswahlverhalten der Mädchen ist alt: Als<br />

wäre es ein Naturgesetz, zieht es weibliche Jugendliche unverändert in<br />

hoher Konzentration in ganz bestimmte Berufe. Die Integration von Mädchen<br />

in so genannten Männerberufen kommt kaum vom Fleck. Die nachstehende<br />

Aufstellung listet die zehn häufigsten Lehrberufe der Mädchen sowie der<br />

Burschen im Jahr 2004 auf:<br />

Anzahl der Anteil an<br />

Lehrlinge Gesamtzahl<br />

der<br />

Lehrlinge<br />

1. Einzelhandelskauffrau 1.214 27,4%<br />

2. Friseurin und Perückenmacherin 531 12,0%<br />

3. Bürokauffrau 474 10,7%<br />

4. Hotel- und Gastgewerbeassistentin 411 9,3%<br />

5. Restaurantfachfrau 363 8,2%<br />

6. Köchin 228 5,2%<br />

7. Blumenbinderin und -händlerin (Floristin) 110 2,5%<br />

8. Pharmazeutisch-kaufmänn. Assistentin 93 2,1%<br />

9. Restaurantfachfrau und Köchin 91 2,1%<br />

10. Chemielabortechnikerin 82 1,9%<br />

Summe 3.597 81,4%<br />

Nicht ganz so hoch ist die Konzentration traditionell bei den Burschen:<br />

1. Koch 696 8,2%<br />

2. Kfz-Techniker 632 7,4%<br />

3. Maschinenbautechniker 517 6,1%<br />

4. Einzelhandelskaufmann 479 5,6%<br />

5. Tischler 475 5,6%<br />

6. Sanitär- und Klimatechniker (Gas, Wasser, Heizung) 463 5,4%<br />

7. Maurer 412 4,8%<br />

8. Elektroinstallationstechnik mit Prozessleit- und Bustechnik 354 4,2%<br />

9. Elektroinstallationstechniker 336 3,9%<br />

10. Zimmerer 265 3,1%<br />

Summe 4.629 54,3%


Dass die Einkommensschere zwischen männlichen und weiblichen Dienstnehmern<br />

bereits in der Ausbildung grundgelegt wird, zeigt ein Blick auf die<br />

jeweiligen Lehrlingsentschädigungen. In den zehn häufigsten Mädchenlehrberufen<br />

werden während der gesamten Lehrzeit (basierend auf den aktuellen<br />

Kollektivvertragsdaten) weniger als 25.000 Euro brutto verdient. In den zehn<br />

häufigsten Burschenberufen sind es über 30.000 Euro brutto. Das ist ein<br />

Unterschied von mehr als 20 Prozent! Dabei ist freilich zu bedenken, dass<br />

Phänomene wie Teilzeitarbeit oder unterschiedliche Karriereverläufe im Vergleich<br />

der Lehrlinge miteinander noch keine Rolle spielen. Es kann also festgestellt<br />

werden, dass sich die weiblichen Lehrlinge in den signifikant niedriger<br />

bezahlten Lehrberufen wieder finden.<br />

Interessanterweise fassen aber auch weibliche Jugendliche in gerade jenen<br />

traditionellen Männerberufen langsam Fuß, die ihrerseits zu den eher wenig<br />

bezahlten Professionen zählen. Bei den Tischlern ist der Mädchenanteil<br />

aktuell bei 6 Prozent, bei den Malern und Anstreichern gar bei 26 Prozent –<br />

beides keine Hochlohnbranchen.<br />

Auch ein Blick auf die Spartenverteilung erhellt die Situation. Im Gewerbe<br />

und Handwerk sind nur 20 Prozent der Lehrlinge weiblich, in der Industrie<br />

gar nur 14 Prozent. Lediglich im Handel stellen die Mädchen mit 68 Prozent<br />

die Mehrzahl. In den Sparten Tourismus, Information sowie Banken und Versicherungen<br />

ist das Verhältnis in etwa ausgewogen.<br />

Diese Situation ist aus unterschiedlichen Perspektiven dramatisch: Unter<br />

dem Aspekt der Gleichbehandlung der Geschlechter ist es freilich inakzeptabel,<br />

dass die unterschiedliche Einkommens- und Karriereentwicklungsmöglichkeit<br />

von Mädchen und Burschen einfach hingenommen wird. Aber<br />

auch von Seiten der Wirtschaft wird der Ruf immer lauter, das Potenzial von<br />

in zukunftsträchtigen Berufen qualifizierten jungen Frauen und Mädchen<br />

nicht brach liegen zu lassen. Der Facharbeitermangel lässt grüßen!<br />

Eine Fülle von Initiativen und Projekten will weibliche Jugendliche ermuntern,<br />

ihre Berufswahlentscheidung auf einer breiten Basis zu treffen und sich auch<br />

der Option technischer und handwerklicher Berufe nicht von vorne herein zu<br />

verschließen. Diese Initiativen tragen Namen wie „Girls crack IT“, „Amazone“,<br />

„M.U.T. Mädchen und Technik“, „telm@ – Frauen in Telekommunikation<br />

und Informatik“, „fForte – Frauen in Forschung und Technologie“ „Femtech“,<br />

„F.I.T. – Frauen in Technikberufen“, „Mädchenmacht“, „Technik Frau“,<br />

„MiT - Mädchen in die Technik“ oder „MeEC – Mädchen entdecken EDV und<br />

Technik“. Mit öffentlichen Mitteln, unter Einbeziehung der Sozialpartner und<br />

teilweise auch im Rahmen EU-geförderter Entwicklungspartnerschaften wird<br />

der Kampf gegen die Rollenbilder in den Köpfen der Berufsanwärterinnen<br />

geführt.<br />

In <strong>Tirol</strong> ist insbesondere die Initiative „M.U.T – Mädchen und Technik“ sowie<br />

die Aktion „Girls-Day“ präsent. Beide Aktivitäten werden von der Arbeitsmarktförderungs<br />

GmbH des Landes koordiniert. Der Girls-Day ist ein international<br />

veranstalteter Mädchenzukunftstag, der – im Jahr 20<strong>06</strong> am 27. April<br />

– versucht, möglichst vielen Mädchen im Pflichtschulbereich einen Schnuppertag<br />

in technologischen Betrieben zu ermöglichen.<br />

Ein Problembewusstsein bei Entscheidungsträgern und Medien darf vorausgesetzt<br />

werden. Ein Durchbruch ist angesichts der vorliegenden Statistikdaten<br />

zur Lehrlingsausbildung noch in weiter Ferne.<br />

Weibliche Lehrlinge öfter<br />

in niedrig bezahlten<br />

Lehrberufen<br />

Girls Day am 27. April<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

69


70<br />

Mädchen in<br />

Männerberufen:<br />

Angst vor „Problemen“<br />

Vorurteile bei den Betrieben<br />

Eine Bremse bei der Berufswahlentscheidung der Mädchen hin zu technischen<br />

Berufen liegt nicht nur in den Köpfen der Mädchen, tradierten Rollenbildern<br />

und mangelnder Motivation seitens der Eltern und der Schule sondern<br />

auch bei den Betrieben selbst. Viele meinen, die Aufnahme eines<br />

Mädchens in ihre Männermannschaft würde das gesamte Betriebsklima<br />

„hormonell überfordern“. Die Erfahrungen vieler Mädchen, die es probiert<br />

haben, scheinen dem Recht zu geben. Weniger sexuelle Anspielungen als<br />

vielmehr sexistische Vorbehalte der männlichen Kollegenschaft über die<br />

berufliche Eignung weiblicher Mitarbeiter werden häufig berichtet. Im Übrigen<br />

halten sich hartnäckig Missverständnisse und Falschinformationen,<br />

deren Unausrottbarkeit ganz offensichtlich System hat. Etwa jener Mythos,<br />

wonach die Aufnahme eines Mädchens enorme <strong>Umb</strong>aumaßnahmen im<br />

Bereich der Nasszellen und Umkleideräume mit sich brächte. Tatsächlich<br />

sind geschlechtsgetrennte Toilettenanlagen erst ab mindestens fünf männlichen<br />

und fünf weiblichen Arbeitnehmern vorgeschrieben. Ähnliches gilt für<br />

Waschräume und Umkleideräume. Die oftmals vorgebrachten Bedenken der<br />

Betriebe über unzumutbare finanzielle Belastungen bei der Aufnahme von<br />

Mädchen entpuppen sich als Ausreden.<br />

Sexuelle Belästigung von weiblichen Jugendlichen<br />

Das Thema ist freilich schwer zu fassen und zu quantifizieren. Erfahrungen<br />

der <strong>AK</strong>-Jugendabteilung in zahllosen Gesprächen mit weiblichen Lehrlingen<br />

sowie Ferialarbeiterinnen und Praktikantinnen lassen aber den Schluss zu,<br />

dass das Problem einige Relevanz besitzt. Seitens der <strong>Tirol</strong>er Anwaltschaft<br />

für Gleichbehandlungsfragen wird die Zahl der belästigten Frauen und<br />

Mädchen in Arbeitsverhältnissen mit 40 bis 50 Prozent geschätzt. Im Zusammenhang<br />

mit Jugendlichen ist insbesondere zu bedenken, dass der Problemkreis<br />

sexueller Belästigung immer auch vor dem Hintergrund eines<br />

bestehenden Autoritäts- und Ausbildungsverhältnisses zu sehen und zu<br />

bewerten ist.<br />

Die beschriebenen Belästigungen reichen von vorgeblich freundschaftlich<br />

und kollegial intendierten Verhaltensweisen wie Begrüßungs- und<br />

Abschiedsbussis, denen sich Jugendliche nur schwer entziehen können,<br />

über anzügliche Bemerkungen bis hin zu groben körperlichen Übergriffen.<br />

Die Situation der betroffenen Mädchen muss – im Vergleich zu ihren erwachsenen<br />

Geschlechtsgenossinnen – als doppelt schwierig bezeichnet werden:<br />

Zum einen ist aufgrund des jugendlichen Alters und der neuen Situation im<br />

Berufs- und Arbeitsleben die Wahrnehmung sowie Definitionsmacht über<br />

das Vorliegen einer Belästigung noch nicht ausreichend entwickelt. Weibliche<br />

Jugendliche können oft noch nicht ausreichend bestimmen und selbst<br />

empfinden, was nun als inakzeptabler Übergriff und was als offensichtliche<br />

betriebliche Gepflogenheit zu betrachten ist. Zum zweiten ist die Möglichkeit<br />

der Abstellung derartiger Missstände für jene, die in der betrieblichen<br />

Hierarchie an allerletzter Stelle stehen, natürlich besonders eingeschränkt.


Schwangere Lehrlinge<br />

Eine nicht unerhebliche Zahl von Lehrmädchen wird während ihrer Ausbildung<br />

schwanger, was freilich massive Auswirkungen auf den Bestand des<br />

Lehrverhältnisses bzw. die Möglichkeiten des Berufsabschlusses hat. Insbesondere<br />

in jenen Fällen, in denen der Zeitpunkt des Arbeitsverbots nach dem<br />

Mutterschutzgesetz vor der Halbzeit der Lehrzeitdauer liegt, bringen<br />

Schwangerschaft und Geburt eine dramatische Verzögerung der Ausbildungszeit<br />

mit sich. Gemäß den Bestimmungen des Berufsausbildungsgesetzes<br />

sind bei Vorliegen entsprechender Ausfallszeiten sogenannte Ergänzungslehrverträge<br />

abzuschließen. Da dies in der Regel erst nach einer<br />

Karenzzeit erfolgen wird, wird der Zeitpunkt des Lehrabschlusses um Jahre<br />

hinausgezögert. Mädchen, deren Schwangerschaft in die zweite Lehrzeithälfte<br />

fällt, haben es da leichter. Ihnen bleibt jedenfalls das Recht auf ausnahmsweisen<br />

Antritt zur Lehrabschlussprüfung. Wenn es Ihnen gelingt, eine<br />

entsprechende Betreuung des Kindes während noch verbleibender Berufsschulzeiten<br />

zu organisieren, ist ein Lehrabschluss im ursprünglich vorgesehenen<br />

Zeitrahmen grundsätzlich möglich.<br />

Der allgemeine Lehrstellenmarkt<br />

Unverändert darf der Lehrstellenmarkt in unserem Bundesland im Vergleich<br />

zu anderen als „gesund“ bezeichnet werden. Rund die Hälfte aller Pflichtschulabgänger<br />

absolviert eine Berufsausbildung im dualen System. Dennoch<br />

sind die Schwierigkeiten unübersehbar. Ein über die statistische<br />

Monatsbetrachtung mehr oder weniger ausgewogenes Verhältnis von<br />

Lehrstellensuchenden und offenen Lehrplätzen verzerrt den Blick auf die<br />

Fakten. Die hohe Zahl an offenen Lehrstellen im Tourismus sowie die regionale<br />

Verteilung der offenen Plätze bringen mit sich, dass die Lehrstellensuche<br />

für eine sehr große Zahl an jungen Leuten nach wie vor schwierig und oft<br />

über Monate erfolglos ist. Seit langem werden deshalb insbesondere auf<br />

Bundesebene Maßnahmen diskutiert, deren jüngstes und maßgeblichstes<br />

vorläufiges Produkt, die so genannten Blum-Förderungen darstellen –<br />

benannt nach dem Regierungsbeauftragten für die Lehrlingsausbildung,<br />

dem Vorarlberger Egon Blum.<br />

Demnach erhalten Lehrbetriebe, die ab September 2005 einen zusätzlichen<br />

Lehrling (mehr als am Stichtag 31. Dezember 2004) aufnehmen, eine monatliche<br />

Förderung von 400 Euro im ersten, 200 Euro im zweiten und 100 Euro<br />

im dritten Lehrjahr. Der beschäftigungspolitische Effekt dieses staatlichen<br />

Füllhorns bleibt freilich abzuwarten. Es steht zu befürchten, dass es zu<br />

großen „Mitnahmeeffekten“ kommen wird und Betriebe, die ohnehin die Aufnahme<br />

von Lehrlingen geplant haben, ohne Not zusätzlich belohnt werden.<br />

Auf der Strecke bleiben wie immer jene Betriebe, die ohnehin schon bisher<br />

an der Grenze ihrer Möglichkeiten und mit viel Engagement ihrer Ausbildungsverpflichtung<br />

nachgekommen sind. Trotzdem: Jeder in die Jugendbeschäftigung<br />

investierte Euro ist grundsätzlich zu begrüßen. Die schon bisher<br />

nach den Bestimmungen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes finanzierten<br />

sogenannten „JASG-Lehrgänge“ wird es jedenfalls noch weiter brauchen<br />

und werden diese durch die allenfalls neu geschaffenen Lehrplätze in<br />

Blum-geförderten Lehrbetrieben keinesfalls ersetzt werden können.<br />

Die Hälfte aller<br />

Pflichtschulabgänger<br />

in <strong>Tirol</strong> absolviert<br />

eine Lehre<br />

71


72<br />

Schnuppern im<br />

rechtlichen Graubereich<br />

Praktikanten<br />

Ein immer größeres bildungs- aber auch rechtspolitisches Problem stellt die<br />

Vielzahl an freiwillig oder verpflichtend geleisteten betrieblichen Praktika dar.<br />

Da gibt es zum einen jene im Rahmen AMS-geförderter Maßnahmen üblichen<br />

Betriebserprobungen oder die seit langem bewährten berufspraktischen<br />

Tage und Wochen an den Polytechnischen Schulen. Neu ist die Möglichkeit,<br />

während der Unterrichtszeit eine individuelle Berufsorientierungszeit<br />

in Betrieben zu verbringen und nunmehr auch die Gelegenheit, dies außerhalb<br />

der Unterrichtszeit – in den Ferien also – zu tun. Daneben verlangen die<br />

Lehrpläne der meisten Berufsbildenden höheren Schulen Pflichtpraktika in<br />

Betrieben, ebenso die Fachhochschulen und eine Vielzahl von Hochschulstudien.<br />

Insgesamt also stellt sich neben die regulären ordnungsgemäß<br />

gemeldeten Dienstverhältnisse eine immer größere Zahl von als Praktika<br />

oder Schnuppern bezeichneten Beschäftigungsverhältnissen im rechtlichen<br />

Graubereich. Allen gemeinsam ist, dass eine einheitliche, für Betroffene<br />

sowie Betriebe gleichermaßen transparente arbeitsrechtliche Regelung bis<br />

heute aussteht. Es muss unterstellt werden, dass an einer derartigen Regelung<br />

seitens der Politik kein Interesse besteht. Schließlich erbringen gerade<br />

im Sozial- und Gesundheitsbereich Tausende von jungen Österreicherinnen<br />

und Österreichern unbezahlte Arbeitsleistung im Rahmen derartiger Praktika.<br />

Diese alle zu legalisieren und sozialversicherungsrechtlichen und lohnrechtlichen<br />

Standards zu unterziehen hätte freilich auch budgetäre Auswirkungen.<br />

Ungeachtet dessen fordert die Arbeiterkammer seit vielen Jahren ein Praktikantengesetz<br />

– und dies durchaus auch im Interesse der Betriebe. Schließlich<br />

sind es die Betriebe, die aus Angst vor rechtlicher Unsicherheit und allfällig<br />

drohenden Haftungsfolgen sich der Aufnahme von Praktikanten zunehmend<br />

verschließen und damit eine Rekrutierungschance möglicher künftiger<br />

dringend benötigter Fachkräfte verlieren. Die derzeitige Situation ist tatsächlich<br />

unbefriedigend. In der Mehrzahl der Wirtschaftszweige fehlen Regelungen<br />

vollständig und haben die beschriebene Zurückhaltung der Betriebe bei<br />

der Aufnahme von Praktikanten zur Folge, in anderen Bereichen wiederum<br />

bestehen zwar Regelungen. Diese sind aber derart teuer für die Betriebe,<br />

dass dies wiederum nicht zur Bereitstellung von Praxisplätzen verführt.<br />

Wenn ein Metallbetrieb etwa einem derartigen Pflichtpraktikanten einen<br />

Monatslohn von 838 Euro brutto gewähren muss, mehr als einem Lehrling im<br />

3. Lehrjahr, der sich immerhin schon mindestens zwei Jahre lang als Mitarbeiter<br />

im Betrieb bewährt hat, ist dies tatsächlich schwer verständlich.<br />

Probleme der Lehrlinge<br />

Wenngleich eingeräumt werden muss, dass die Sichtweise der Arbeiterkammer<br />

auf insgesamt rund 13.000 Lehrverhältnisse nicht vollständig sein kann,<br />

so können die Erfahrungen, wie sie in der Jugendabteilung der <strong>AK</strong>-Zentrale<br />

in Innsbruck und in den acht Geschäftsstellen in den Bezirken gemacht werden,<br />

doch als repräsentativ bezeichnet werden. Tausende telefonische und<br />

hunderte persönliche Anfragen allein in der Fachabteilung in Innsbruck lassen<br />

ein realistisches Bild der Situation der Lehrlinge im Lande zeichnen.


Arbeitszeit<br />

Für Jugendliche sind die zeitlichen Rahmenbedingungen für Erwerbsarbeit<br />

im Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz verhältnismäßig streng<br />

geregelt. Ein Umstand der Übertretungen vielfach herausfordert. Insbesondere<br />

im Tourismus und in den sonstigen Dienstleistungsbranchen Handel,<br />

Blumenbinder, Friseure, usw. kommt es regelmäßig und teilweise auch eklatant<br />

zu Verstößen gegen die Schutzbestimmungen. Die Arbeiterkammer verfolgt<br />

hierbei eine durchaus pragmatische Linie: Die Leistung gelegentlicher<br />

auch verbotener Überstunden bei erhöhtem Arbeitsanfall wird dabei reaktionslos<br />

zur Kenntnis genommen, insofern die Abgeltung der geleisteten<br />

Mehrarbeit sichergestellt ist. Gröbere Überschreitungen, wie sie immer noch<br />

in unverminderter Häufigkeit im Hotel- und Gastgewerbe mit Wochenarbeitszeiten<br />

oft bis zu 80 Stunden (!) beobachtet werden, können hingegen<br />

nicht scharf genug verurteilt werden. Dabei ist es eine Erfahrungstatsache,<br />

dass gerade bei besonders hohem Anfall von Überstunden keinerlei finanzielle<br />

oder andersartige Abgeltung erfolgt. Aber auch in anderen Branchen<br />

sind österreichische Rechtsvorschriften oft nicht das Papier wert, auf dem<br />

sie gedruckt sind: In Handelsbetrieben in den Fremdenverkehrsgegenden<br />

etwa ist die verbotene Sonntagsarbeit von Jugendlichen der Normalfall.<br />

Ausbildung<br />

Allen zu würdigenden Bemühungen vieler Lehrbetriebe und der übrigen handelnden<br />

Personen und Institutionen in der Lehrlingsausbildung (siehe Kapitel<br />

Initiativen) zum Trotz gibt es sie immer noch: Jene „Lehrbetriebe“, in<br />

denen Ausbildung so gut wie überhaupt nicht oder nur am Rande stattfindet:<br />

Friseurlehrlinge, die das Haare schneiden nur aus dem Berufsschulunterricht<br />

kennen, Bürolehrlinge, die nie in der Buchhaltung eingesetzt wurden, Hotelund<br />

Gastgewerbeassistenten, die die Hotelrezeption nur von außen kennen,<br />

Köche, die am Salatplatz in die Jahre kommen, Einzelhandelskaufleute, die<br />

überwiegend Kaffeetassen abwaschen, Fliesenleger, die Handlanger bleiben,<br />

usw. Es fehlt eine flächendeckende Evaluierung der Lehrlingsausbildung.<br />

Die verpflichtende Führung ausbildungsbegleitender Lernfortschrittsaufzeichnungen<br />

(Ausbildungspässe), wie sie die Arbeiterkammer seit Jahren<br />

fordert, könnte dem ein Ende bereiten.<br />

Arbeitsklima<br />

Hier liegt der Kummer der meisten Lehrlinge, die sich an die Arbeiterkammer<br />

wenden. Streit und Missverständnisse im Kreis der Kollegen und mit Vorgesetzten<br />

lassen den Arbeitsalltag für Teenager „zur Hölle“ werden. Dass<br />

pubertierende Jugendliche am Scheitern beruflicher Beziehungen im Lehrbetrieb<br />

auch häufig mit Schuld sind, liegt auf der Hand. Es muss aber jedenfalls<br />

beobachtet werden, dass die Bereitschaft der Betriebe, sich der Lehrlingsausbildung<br />

auch als pädagogischer und psychologischer Herausforderung<br />

im Umgang mit Heranwachsenden zu stellen, über die Jahre abgenommen<br />

hat. Das mag mit zunehmendem Konkurrenzdruck und anderen<br />

Entwicklungen erklärt werden können. Angesichts des drohenden Facharbeitermangels<br />

wird an der Herstellung eines positiven und gedeihlichen<br />

Vielfache Übertretungen<br />

bei der Arbeitszeit<br />

Hotel- und Gastgewerbe:<br />

Wochenarbeitszeit für<br />

Lehrlinge oft bis zu<br />

80 Stunden<br />

Evaluierung der<br />

Lehrlingsausbildung<br />

fehlt<br />

73


74<br />

Große Initiativen der<br />

<strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>: Ausbilderforum,<br />

Ausbildungsverbund und<br />

Lehre mit Matura<br />

Arbeitsklimas, das auch die eine oder andere Dummheit von Jugendlichen<br />

verträgt und für viele Erfolgserlebnisse von Lehrlingen sorgt, kein Weg vorbeiführen.<br />

Initiativen für eine bessere Lehrlingsausbildung<br />

Eine Reihe von Maßnahmen wurden in der letzten Zeit – zumeist im Zusammenspiel<br />

der Sozialpartner mit dem Land <strong>Tirol</strong> – entwickelt, um die Qualität<br />

der Ausbildung zu verbessern und um die Lehrlingsausbildung als attraktiven<br />

Weg neben anderen schulischen beruflichen Qualifizierungen zu positionieren.<br />

Zertifizierung der Ausbilder<br />

Im Rahmen des Sozialpartnerprojekts Ausbilderforum wurde gemeinsam mit<br />

dem Land <strong>Tirol</strong> ein standardisiertes Schulungsprogramm für Lehrlingsausbilderinnen<br />

und -ausbilder entwickelt, das sowohl die Bedeutung der ständigen<br />

berufsbegleitenden Weiterbildung für Trainerinnen und Trainer unterstreichen<br />

soll als auch einen Motivationsanreiz für in der Ausbildung Tätige<br />

bieten will, ihr berufspädagogisches Handeln regelmäßig zu überprüfen und<br />

zu verbessern.<br />

Ausbildungsverbund <strong>Tirol</strong><br />

Bereits im zweiten Jahr ist der Ausbildungsverbund <strong>Tirol</strong> aktiv und vermittelt<br />

Hunderte von Lehrlingen in Kursmaßnahmen bzw. Partnerbetriebe, wo<br />

ergänzende sowie zusätzliche Ausbildungsinhalte des jeweiligen Lehrberufes<br />

erlernt werden können. Diese Initiative erlangt insbesondere vor dem<br />

Hintergrund einer zunehmenden betrieblichen Spezialisierung und dem<br />

unveränderten Anspruch einer ausgeglichenen Standardisierung der Berufsausbildung<br />

große Bedeutung.<br />

Ausgezeichneter <strong>Tirol</strong>er Lehrbetrieb<br />

Seit einigen Jahren verleiht das Land <strong>Tirol</strong> – auf Vorschlag von Arbeiterkammer<br />

und Wirtschaftskammer – dieses Prädikat an besonders bemühte Lehrbetriebe<br />

im Lande. Knapp hundert <strong>Tirol</strong>er Firmen verfügen aktuell über dieses<br />

jeweils auf drei Jahre verliehene Gütesiegel. Diese Zahl ist im Vergleich<br />

zu etwa 5.000 Lehrbetrieben insgesamt viel zu gering. Die mangelnde Bereitschaft<br />

einer größeren Zahl von Betrieben, sich den Herausforderungen einer<br />

Auszeichnung zu stellen, muss kritisiert werden.<br />

Lehre mit Matura<br />

Um ein attraktives Bildungsangebot für leistungsstarke Lehrinteressenten zu<br />

schaffen und damit insgesamt einen Imageimpuls für die duale Ausbildung<br />

zu geben, wurde in <strong>Tirol</strong> ein völlig eigenständiges Modell einer in die Lehrlingsausbildung<br />

integrierten Berufsreifeprüfung kreiert, das über die in anderen<br />

Bundesländern angebotenen Varianten weit hinaus geht. Die recht<br />

erheblichen Mittel zur Umsetzung dieses Modells werden maßgeblich vom<br />

Land <strong>Tirol</strong> sowie von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer bereitgestellt.


Frauenbildung – Frauenkarrieren<br />

75


76<br />

Mehr Mädchen als Buben<br />

in den Allgemeinbildenden<br />

höheren Schulen<br />

Frauenbildung –<br />

Frauenkarrieren<br />

Mädchen haben stark aufgeholt<br />

„Mädchen vom Land“ – das stand viele Jahrzehnte als Synonym für schlechtere<br />

Bildungschancen von Mädchen bei unzureichender regionaler Versorgung<br />

mit mittleren und höheren Schulen sowie Universitäten. Wir haben für<br />

dieses Themenheft die Daten der letzten 20 Jahre analysiert und ausgewertet,<br />

ob dieses Bild auch heute noch gilt oder ob sich die Situation für die<br />

Mädchen verbessert hat.<br />

Die Daten wurden in einer Längsschnittdarstellung für die Jahre 1982/83,<br />

1992/93 und 2002/03 von der Statistik Austria zusammengestellt. Dies<br />

ermöglicht eine Beurteilung der Entwicklung der letzten 20 Jahre. Die in diesem<br />

Beitrag dargestellten Daten stellen Auszüge aus diesen Auswertungen<br />

dar.<br />

In absoluten Zahlen betrachtet, ist die Zahl der Volksschüler annähernd<br />

gleich geblieben, jene der Hauptschüler um rund 16 Prozent gesunken und<br />

die Zahl der Schüler an der AHS-Unterstufe um rund 14 Prozent gestiegen.<br />

Im Schuljahr 1982/83 besuchten von den ca. 10- bis 14jährigen 6.107 die<br />

AHS-Unterstufe und 32.433 die Hauptschule, im Jahr 2002/03 waren 6.951<br />

Mädchen und Burschen in der AHS-Unterstufe und 27.095 in der Hauptschule.<br />

Das Verhältnis der Zahl der Hauptschüler zur Zahl der AHS Unterstufenschüler<br />

beträgt derzeit 3,9:1, 1982/83 waren es 5,1:1.<br />

Auffallend ist, dass im Schuljahr 1982/83 der Anteil der Burschen in der<br />

AHS-Unterstufe noch 55 Prozent betrug, jener der Mädchen 45 Prozent,<br />

während es 20 Jahre später nahezu umgekehrt ist. 46,6 Prozent der AHS-<br />

Unterstufenschüler sind Burschen und 53,4 Prozent sind Mädchen. Dies<br />

hängt sicher mit der besseren Erreichbarkeit von höheren Schulen durch den<br />

Ausbau des Angebotes zusammen. Darüber hinaus sind frühere<br />

geschlechtsspezifische Zuweisungen von Schullaufbahnen durch intensive<br />

Bewusstseinsbildung doch auch sukzessiv verschwunden.


Anteile der Burschen und Mädchen in der AHS-Unterstufe in Prozent 1982-2002<br />

Schuljahr Gesamt davon Burschen % davon Mädchen %<br />

1982/83 6107 55,0 45,0<br />

1992/93 6490 49,4 50,6<br />

2002/03 6951 46,6 53,4<br />

Auch in der AHS-Oberstufe hat der Anteil der Mädchen mit 57,8 Prozent<br />

(2002/03) gegenüber 50,3 Prozent (1982/83) deutlich zugenommen. Für<br />

einen Vergleich der Schülerleistungen nach Geschlecht bietet die PISA Studie<br />

2003 1) Daten für die Absolventen der Unterstufe der AHS (getestet wurden<br />

15jährige Schülerinnen und Schüler) in den Bereichen Mathematik,<br />

Lesen, Naturwissenschaften und in der Problem-Löse-Kompetenz.<br />

Mittelwert gesamt Mittelwert Mädchen Mittelwert Burschen<br />

Mathematik 571 562 585<br />

Lesen 572 582 555<br />

Naturwissenschaften 566 560 577<br />

Problemlösen 572 568 578<br />

BMHS: Nach wie vor geschlechtsspezifische Schultypen<br />

Nach wie vor sehr unterschiedlich sind die Anteile zwischen Mädchen und<br />

Burschen in den Berufsbildenden Schulen. Betrachtet man die Berufsbildenden<br />

Schulen insgesamt, so zeigt sich annähernd ein ausgewogenes<br />

Geschlechterverhältnis. Bei den verschiedenen Formen der Berufsschule<br />

und der Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen zeigen sich aber<br />

erhebliche Unterschiede.<br />

Bei den technisch gewerblichen mittleren Schulen sind es 68 Prozent Burschen<br />

und 32 Prozent Mädchen, wobei hier auch die Ausbildungsbereiche<br />

Bekleidung, Kunstgewerbe und Fremdenverkehr eingerechnet sind und sich<br />

der Anteil der Mädchen im Verhältnis vor 20 Jahren sogar leicht verringert<br />

hat!<br />

Bei den kaufmännischen mittleren Schulen ist der Mädchenanteil von<br />

70 Prozent auf 56 Prozent zurückgegangen. Ein wenig „aufgeholt“ haben die<br />

Burschen bei den sozialberuflichen mittleren Schulen wo ihr Anteil von<br />

4,8 auf 16,6 Prozent gestiegen ist.<br />

Etwas anders, aber grundsätzlich nach wie vor nicht sehr befriedigend ist die<br />

Situation bei den Berufsbildenden höheren Schulen. Zwar ist der Anteil der<br />

Mädchen an den technisch gewerblichen höheren Schulen von 14 Prozent<br />

auf 29 Prozent gestiegen, 71 Prozent sind aber nach wie vor Burschen. Auch<br />

bei den kaufmännischen höheren Schulen hat sich der Mädchenanteil von<br />

51 Prozent auf 58 Prozent erhöht.<br />

Anteile der Burschen und Mädchen in den technisch gewerblichen höheren Schulen <strong>Tirol</strong>s<br />

1982–2002<br />

Schuljahr Gesamt davon Burschen % davon Mädchen %<br />

1982/83 2541 86,1 13,9<br />

1992/93 3273 79 21<br />

2002/03 4195 71,1 28,9<br />

1) Haider, Günter / Reiter, Claudia<br />

(Hrsg.); PISA 2003 – Internationaler<br />

Vergleich von<br />

Schülerleistungen; Graz 2004<br />

71 Prozent männliche<br />

Schüler in Berufsbildenden<br />

höheren<br />

Schulen<br />

77


78<br />

78 Prozent der<br />

Volksschullehrer<br />

sind weiblich<br />

Die Höheren Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe und die höheren Lehranstalten<br />

für land- und forstwirtschaftliche Berufe (Kematen) waren 1982/83<br />

noch eine reine Mädchendomäne. Im Schuljahr 2002/03 besuchten immerhin<br />

21 Burschen diese höheren Schulen und zehn Burschen die HBLA<br />

Kematen, die Anteile sind aber nach wie vor nur 1,3 Prozent bzw. 5,6 Prozent.<br />

Pädagogische Berufe bleiben „Frauendomäne“<br />

Eine leichte Geschlechterverschiebung ergab sich auch bei den Schulen und<br />

Akademien des Gesundheitswesens, in denen die Anteile der Burschen um<br />

einige Prozentpunkte gestiegen sind. Der Beruf der Kindergärtnerin ist nach<br />

wie vor ein Frauenberuf, denn 512 Schülerinnen stehen derzeit 3 Schüler<br />

gegenüber, das bedeutet einen Mädchenanteil von 99, 4 Prozent. Ähnlich ist<br />

es in den Bildungsanstalten für Sozialpädagogik.<br />

Auch der Beruf des Lehrers ist nach wie vor frauendominiert. Im Gegenteil:<br />

Hier ist sogar eine deutliche Zunahme des Frauenanteils zu verzeichnen.<br />

Während 1982/83 noch 31 Prozent der Studierenden an den Pädagogischen<br />

Akademien Männer waren, sind es derzeit nur noch 23 Prozent. Noch weniger<br />

sind es in den religionspädagogischen Akademien, in denen die Religionslehrer<br />

ausgebildet werden, 86 Prozent der künftigen Religionslehrer<br />

sind Frauen.<br />

Anteile der Burschen und Mädchen in den Pädagogischen Akademien <strong>Tirol</strong>s 1982-2002<br />

Schuljahr Gesamt davon Burschen % davon Mädchen %<br />

1982/83 627 31,1 68,9<br />

1992/93 629 21,5 78,5<br />

2002/03 1118 23,1 76,9<br />

Die Dominanz der Frauen in den pädagogischen Berufen kommt auch in der<br />

Tabelle „Lehrer im Bundesland <strong>Tirol</strong> nach Geschlecht und Schultyp“ zum<br />

Ausdruck.<br />

Anteile der Frauen und Männer am Lehrpersonal der Volksschulen <strong>Tirol</strong>s 1982-2002<br />

Schuljahr Gesamt davon Männer % davon Frauen %<br />

1982/83 2360 35,7 64,3<br />

1992/93 2568 29,1 70,9<br />

2002/03 3126 21,1 78,9<br />

Anteile der Frauen und Männer am Lehrpersonal der technisch-gewerblichen mittleren<br />

und höheren Schulen <strong>Tirol</strong>s 1982-2002<br />

Schuljahr Gesamt davon Männer % davon Frauen %<br />

1982/83 477 84,9 15,1<br />

1992/93 620 79,5 20,5<br />

2002/03 755 74,4 25,6<br />

Mit Ausnahme der wirtschaftsberuflichen mittleren und höheren Schulen hat<br />

der Frauenanteil unter den Lehrern in allen Schultypen zwischen 1982/83<br />

und 2002/03 deutlich zugenommen. Mehrheitlich Männer unterrichten an<br />

den Polytechnischen Schulen (56, 5 Prozent), an den Berufsschulen (74,4<br />

Prozent), an den technisch gewerblichen mittleren und höheren Schulen<br />

(74,4 Prozent), an den Akademien für Sozialarbeit (52,6 Prozent – inzwischen<br />

in Fachhochschulstudiengänge umgewandelt) und in den Akademien der<br />

Lehrer und Erzieherbildung (mit 61,3 Prozent). Daraus lässt sich auch ein


genereller Trend ablesen, dass Frauen in den schlechter bezahlten pädagogischen<br />

Berufen stark überrepräsentiert sind.<br />

Mädchen erobern die Mehrheit an Universitäten<br />

Im Gegensatz zur Schulstatistik liegen für die Universitäten und Hochschulen<br />

bereits die Daten für das Studienjahr 2003/04 vor, sodass die Vergleichszahlen<br />

die Jahre 1993/94 und 1983/84 betreffen. Die neue Medizinische Universität<br />

ist in diesen Daten noch Teil der Leopold Franzens Universität Innsbruck.<br />

Insgesamt haben es die Mädchen in den vergangenen 20 Jahren geschafft,<br />

die Burschen anteilsmäßig zu überholen. Waren an der Universität Innsbruck<br />

vor 20 Jahren nur 39,1 Prozent Frauen, so sind es 20 Jahre später bereits<br />

50,4 Prozent. Besonders deutlich ist die Zunahme im Bereich der Rechtswissenschaften,<br />

in der Medizin und in der Technik, wenngleich bei den technischen<br />

Studien nach wie vor 74,5 Prozent Männer und 25,5 Prozent Frauen<br />

studieren. Eine (teilweise) Erklärung dafür liefert die PISA Studie 2003, bei<br />

der bei den 15jährigen Schülerinnen und Schülern auch das Interesse und<br />

die Freude an Mathematik erhoben wurde. Unter 14 europäischen Vergleichsländern<br />

weisen die österreichischen Mädchen dabei die geringsten<br />

Werte auf und es ist anzunehmen, dass sich dies auch auf die spätere Studienwahl<br />

auswirkt.<br />

Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat erstmals auch auswerten lassen, wie viele Mädchen und<br />

Burschen mit Herkunftsland <strong>Tirol</strong> an den Österreichischen Universitäten stu-<br />

Uni Innsbruck:<br />

Mehr Studentinnen<br />

als Studenten<br />

Ordentliche Studierende mit Herkunfts-Bundesland <strong>Tirol</strong> an wissenschaftlichen Universitäten<br />

2003/04 1993/94 1983/84<br />

insges.<br />

Absolut in %<br />

insges.<br />

männl. weibl. männl. weibl.<br />

absolut in %<br />

männl. weibl. männl.<br />

insges.<br />

weibl.<br />

absolut in %<br />

männl. weibl. männl. weibl.<br />

Universität Wien 728 266 462 36,5 63,5 791 336 455 42,5 57,5 449 205 244 45,7 1,8<br />

Universität Graz 153 67 86 43,8 56,2 119 69 50 58,0 42,0 104 59 45 56,7 43,3<br />

Universität<br />

Innsbruck<br />

10.079 4.826 5.253 47,9 52,1 11.811 6.539 5.272 55,4 44,6 7.411 4.387 3.024 59,2 40,8<br />

Universität<br />

Salzburg<br />

225 92 133 40,9 59,1 191 92 99 48,2 51,8 203 108 95 53,2 46,8<br />

Techn. Universität<br />

Wien<br />

240 205 35 85,4 14,6 500 442 58 88,4 11,6 280 265 15 94,6 5,4<br />

Techn. Universität<br />

Graz<br />

275 247 28 89,8 10,2 468 440 28 94,0 6,0 212 204 8 96,2 3,8<br />

Montanuniversität<br />

Leoben<br />

47 41 6 87,2 12,8 105 98 7 93,3 6,7 50 48 2 96,0 4,0<br />

Univ. für Bodenkultur<br />

Wien<br />

99 68 31 68,7 31,3 242 192 50 79,3 20,7 171 149 22 87,1 12,9<br />

Vet.med. Universität<br />

Wien<br />

68 19 49 27,9 72,1 115 70 45 60,9 39,1 87 70 17 80,5 19,5<br />

Wirtschaftsuniversität<br />

Wien<br />

120 66 54 55,0 45,0 250 157 93 62,8 37,2 135 92 43 68,1 31,9<br />

Universität Linz 107 90 17 84,1 15,9 112 97 15 86,6 13,4 33 26 7 78,8 21,2<br />

Universität<br />

Klagenfurt<br />

59 29 30 49,2 50,8 28 14 14 50,0 50,0 13 8 5 61,5 38,5<br />

insgesamt 1) 12.048 5.907 6.141 49,0 51,0 14.482 8.378 6.104 57,9 42,1 9.053 5.549 3.504 61,3 38,7<br />

1) ohne künstlerische Universitäten und ohne Mehrfachzählung; Studierende an mehreren Universitäten wurden nur einmal gezählt.<br />

Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik<br />

79


80<br />

Nur jeder dritte Student<br />

an der Innsbrucker<br />

Universität stammt<br />

aus <strong>Tirol</strong><br />

Nur knapp 11 Prozent<br />

weibliche Professorinnen<br />

an der Uni Innsbruck<br />

dieren. Von den 31.458 Studierenden an der Universität Innsbruck weisen<br />

nämlich nur 10.079 <strong>Tirol</strong> als Herkunfts-Bundesland aus. An die 2.000 junge<br />

<strong>Tirol</strong>erinnen und <strong>Tirol</strong>er studieren an anderen österreichischen Universitäten,<br />

der Großteil davon an der Universität Wien, gefolgt von der technischen Universität<br />

Graz und der technischen Universität in Wien. Die Frauenanteile weisen<br />

dabei erhebliche Schwankungen auf und reichen von 10,2 Prozent an<br />

der Technischen Universität Graz bis 72,1 Prozent an der Veterinärmedizinischen<br />

Universität in Wien.<br />

Studierende an Fachhochschulen – Mädchen holen auf<br />

Im Gegensatz zu den Universitäten studieren an den <strong>Tirol</strong>er Fachhochschulen<br />

noch mehrheitlich Männer, nämlich 59,2 Prozent gegenüber 40,8 Prozent<br />

Frauen. Hier haben wir die Entwicklung der letzten 5 Jahre verglichen, weil<br />

der Fachhochschulsektor erst rund zehn Jahre alt ist und die ersten Aufbaujahre<br />

noch keine aussagekräftigen Vergleichszahlen bieten.<br />

Im Studienjahr 1999/2000 war der Anteil der Burschen an den <strong>Tirol</strong>er Fachhochschulen<br />

mit 72,3 Prozent noch wesentlich höher. Dies liegt in erster<br />

Linie daran, dass noch keine Studiengänge in den Sozialwissenschaften<br />

angeboten wurden. Außerdem haben die Mädchen im Bereich der technischen<br />

Studiengänge mit 15 Prozent gegenüber derzeit 17,5 Prozent noch<br />

einen etwas niedrigeren Anteil aufgewiesen. Innerhalb der einzelnen Fachbereiche<br />

weisen die Wirtschaftswissenschaften ein in etwa ausgeglichenes<br />

Geschlechterverhältnis auf, während in der Technik die Männer dominieren<br />

und in den Sozialwissenschaften die Frauen.<br />

Studierende an Fachhochschulen in <strong>Tirol</strong> nach Fachhochschulbereichen<br />

Fachbereich 2004/05 1999/2000<br />

insges.<br />

absolut in %<br />

insges.<br />

absolut in %<br />

männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl. männl. weibl.<br />

Technik 411 339 72 82,5 17,5 180 153 27 85,0 15,0<br />

Sozialwissenschaften<br />

77 16 61 20,8 79,2 - - - - -<br />

Wirtschaftswissenschaften<br />

1516 832 684 54,9 45,1 469 316 153 67,4 32,6<br />

insgesamt 2004 1187 817 59,2 40,8 649 469 180 72,3 27,7<br />

Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik<br />

Universitätsprofessorinnen – Eine seltene Spezies<br />

Völlig unbefriedigend ist die Situation nach wie vor im Bereich der Lehrpersonen<br />

an der Universität Innsbruck. Zwar sind auch hier Fortschritte im<br />

Sinne einer Gleichstellungspolitik von Frauen und Männern zu verzeichnen,<br />

die Entwicklung geht aber recht schleppend vor sich. Unter den Universitätsprofessoren<br />

waren im Studienjahr 2002/03 nur 10,5 Prozent Frauen,<br />

während es 1992/93 lediglich 4,3 Prozent und 1982/83 gar nur 1,3 Prozent<br />

waren. In etwa verdoppelt hat sich der Anteil der Frauen bei den Universitätsassistenten<br />

von 14,5 auf 30,4 Prozent und bei den Studienassistenten<br />

von 24,2 Prozent auf 48,8 Prozent. Etwas mehr Frauen als Männer gibt es<br />

lediglich bei den Bundeslehrern im Universitätsdienst mit 27 Frauen und<br />

26 Männern.


Lehrpersonen an der Universität Innsbruck nach Lehrpersonenkategorien<br />

2003/04 1993/94 1982/83<br />

Lehrpersonen- ins- absolut in % ins- absolut in % ins- absolut in %<br />

kategorie ges. männl. weibl. männl. weibl. ges. männl. weibl. männl. weibl. ges. männl. weibl. männl. weibl.<br />

Universitätsprofessoren/innen<br />

Außerordentliche<br />

237 212 25 89,5 10,5 164 157 7 95,7 4,3 160 158 2 98,8 1,3<br />

Universitätsprofessoren<br />

- - - - - 65 61 4 93,8 6,2 63 61 2 96,8 3,2<br />

Emeritierte Universitätsprofessoren/innen<br />

15 15 0 100,0 0,0 33 31 2 93,9 6,1 33 32 1 97,0 3,0<br />

Gastprofessoren/<br />

innen<br />

72 63 9 87,5 12,5 51 49 2 96,1 3,9 13 12 1 92,3 7,7<br />

Honorarprofessoren/innen<br />

45 44 1 97,8 2,2 46 46 0 100,0 0,0 19 19 0 100,0 0,0<br />

Universitätsdozenten/innen<br />

375 335 40 89,3 10,7 208 197 11 94,7 5,3 95 90 5 94,7 5,3<br />

Vertragsdozenten/innen<br />

14 12 2 85,7 14,3 - - - - - - - - - -<br />

Universitätsassistenten/innen<br />

408 284 124 69,6 30,4 732 615 117 84,0 16,0 593 507 86 85,5 14,5<br />

Vertragsassistenten/innen<br />

Bundes-, Vertrags-<br />

143 81 62 56,6 43,4 264 179 85 67,8 32,2 201 144 57 71,6 28,4<br />

lehrer/innen<br />

im Univ.Dienst<br />

Wissenschaftliche<br />

53 26 27 49,1 50,9 31 18 13 58,1 41,9 22 13 9 59,1 40,9<br />

Beamte/Vertragsbedienstete<br />

194 118 76 60,8 39,2 63 50 13 79,4 20,6 51 31 20 60,8 39,2<br />

Studienassistenten/innen<br />

41 21 20 51,2 48,8 52 39 13 75,0 25,0 62 47 15 75,8 24,2<br />

Demonstratoren/<br />

innen<br />

9 8 1 88,9 11,1 37 29 8 78,4 21,6 29 26 3 89,7 10,3<br />

Tutoren/innen 519 326 193 62,8 37,2 523 273 250 52,2 47,8 - - - - -<br />

Insgesamt 2.125 1.545 580 72,7 27,3 2.269 1.744 525 76,9 23,1 1.341 1.140 201 85,0 15,0<br />

Quelle: Statistik Austria, Hochschulstatistik<br />

Wo Frauen dominieren: Erwachsenenbildung<br />

Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich bei der Erwachsenenbildung. Hier liegen<br />

allerdings längerfristige Vergleichszahlen nur für die Kurse an den <strong>Tirol</strong>er<br />

Volkshochschulen vor. Es ist sicher ein Manko, dass die Kursstatistiken in<br />

der Weiterbildung kaum geschlechtspezifisch erstellt und veröffentlicht werden.<br />

In den letzten 10 Jahren beträgt der Anteil der Frauen an den Kursen<br />

der Volkshochschule ziemlich konstant zwischen 80 und 83 Prozent. Besonders<br />

hoch ist dieser Anteil im Fachbereich Körper und Gesundheit mit<br />

89 Prozent, am niedrigsten bei Naturwissenschaften und Technik mit<br />

57,8 Prozent Frauenanteil.<br />

Im Rahmen einer Kulturstudie 1) im Auftrag von <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> und Land <strong>Tirol</strong> mit<br />

1000 Befragten wurde auch erhoben, welche Art von Kursen jemand sicher,<br />

vielleicht, eher nicht oder sicher nicht besuchen würde. Signifikante Unterschiede<br />

gab es hier bei Computerkursen, die eher von Männern und Kursen<br />

zu Gesundheit und Wellness, die eher von Frauen besucht würden. Auch an<br />

beruflich relevanten Kursen zeigen weibliche Befragte ein höheres Interesse.<br />

Die anderen Kursbereiche Sprachen, Handwerkliches und Künstlerisches<br />

zeigten keine nennenswerten Unterschiede im Interesse am Besuch solcher<br />

Kurse.<br />

1) Kultur in <strong>Tirol</strong>; Studie im Auftrag<br />

von Arbeiterkammer und<br />

Land <strong>Tirol</strong>, durchgeführt von<br />

Fessel-GfK zwischen November<br />

2003 und Jänner 2004.<br />

Die Studie kann als pdf –<br />

Datei in der bildungspol. Abteilung<br />

der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> angefordert<br />

werden.<br />

81


82<br />

Niedrigster Akademikerinnenanteil<br />

im Bezirk<br />

Landeck<br />

Etwas anders sieht dies bei einem Institut der vornehmlich beruflichen Weiterbildung,<br />

wie dem Berufsförderungsinstitut aus, dessen Daten für das<br />

Arbeitsjahr 2004/05 ausgewertet wurden. Mit 7.154 Teilnahmen weiblicher<br />

Kursbesucher war deren Zahl knapp höher als jene der 7.124 männlichen<br />

Kursteilnehmer. Wie die Tabelle zeigt, ergibt sich ein deutlich weibliches<br />

Übergewicht bei der Sparte Wellness und Gesundheit, Betriebswirtschaftslehre<br />

und Sprachen, während in den technischen Kursen kaum Frauen vertreten<br />

sind. Durchaus erfreulich die tatsächliche Geschlechterverteilung bei<br />

den Informationstechnologien, wo die weiblichen Kursbesucher stark aufgeholt<br />

haben und inzwischen eine Mehrheit stellen.<br />

Zur Weiterbildung finden sich in diesem Bericht noch weitere Beiträge mit<br />

Auswertungen spezifischer Angebote der Weiterbildung wie etwa der <strong>AK</strong>-<br />

Zukunftsaktie.<br />

Nur langsame Veränderung beim Bildungsstand<br />

Eine Auswertung der Volkszählung 2001 nach den Bildungsstand der <strong>Tirol</strong>er<br />

Wohnbevölkerung (15 Jahre und älter) zeigt, wie langsam sich eine höhere<br />

Bildungsbeteilung von Mädchen in der Statistik der Gesamtbevölkerung niederschlägt.<br />

Während der Anteil der Frauen an der Wohnbevölkerung mit<br />

Pflichtschulabschluss 61 Prozent beträgt, sind es beim Lehrabschluss<br />

37,1 Prozent, bei den Berufsbildenden mittleren Schulen 69,3 Prozent, bei<br />

den Berufsbildenden höheren Schulen 44 Prozent, bei der AHS 51,6 Prozent,<br />

bei Kollegs 62,5 Prozent, bei den Absolventen von Einrichtungen der<br />

Lehrerbildung 71,4 Prozent und bei den Personen mit Universitäts- oder<br />

Fachhochschulabschluss 37 Prozent.<br />

Hier fallen auch bezirksspezifische Unterschiede auf. Den höchsten Frauenanteil<br />

mit Universitäts- oder Hochschulabschluss weist Innsbruck Stadt<br />

mit 41,4 Prozent auf, den niedrigsten der Bezirk Landeck mit 28,4 Prozent.<br />

Dies hängt in erster Linie mit dem Arbeitsplatzangebot für Universitäts- und<br />

Hochschulabsolventen in den einzelnen Bezirken zusammen.<br />

Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> und die Bundesarbeitskammer befürworten ausdrücklich Aktivitäten,<br />

durch welche Mädchen ermuntert werden, verstärkt technischnaturwissenschaftliche<br />

Berufe zu ergreifen. Dazu zählen die Projekte „MUT –<br />

Mädchen und Technik“ http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/<br />

MUT_-_Maedchen_und_Techn8876.xml sowie „FIT – Frauen in die Technik“<br />

http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/Bildungsanliegen_FiT-


Fra4840.xml , die vom BMBWK, vom Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung<br />

und vom ESF (Europ. Sozialfonds) unterstützt werden.<br />

Einen wichtigen Stellenwert nimmt auch das Fach Berufsorientierung ein<br />

und die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> beteiligt sich an der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer<br />

für Berufsorientierung. Sie ist als verbindliche Übung in den 7. und 8. Schulstufen<br />

aller Schularten im Ausmaß von 32 Unterrichtsstunden vorgeschrieben<br />

und kann entweder als eigenes Fach oder integrativ mit anderen<br />

Fächern angeboten werden. Die Erfahrungen zeigen, dass sich die integrative<br />

Form kaum bewährt hat, sodass die Verankerung eines eigenen Faches<br />

gefordert wird. Aufgrund der Grobdaten der PISA Studie hält die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

auch genauere Analysen des Unterrichts in Mathematik und in den Naturwissenschaften<br />

an den Schulen der Sekundarstufen 1 und 2 für dringend<br />

geboten, weil anzunehmen ist, dass Inhalte, Didaktik und Methodik nicht<br />

gendergerecht sind. Mit dem Projekt des BMBWK IMST (Innovations in<br />

Mathematics, Science and Technology Teaching) wurde signalisiert, dass<br />

dieses Problem auch erkannt wurde. Die Umsetzung in die Unterrichtspraxis<br />

der Schulen erfolgt aber nur sehr zögerlich.<br />

Ruf nach Weiterbildung und Realität für Frauen<br />

Wenn Harry Potter auf Bahnsteig 9 3 /4 den Hogwarts-Express besteigt, weiß<br />

er, dass er in den folgenden Monaten wichtige Dinge für sein Leben als Zauberer<br />

lernen wird, manche, die ihm das Überleben sichern werden. Um seiner<br />

großen Herausforderung „Du-weißt-schon-wer“ gewachsen zu sein,<br />

muss er sich darüber hinaus zusätzliches Wissen aneignen, sei es, dass er<br />

weitere Inhalte lernt, von einem Mentor gecoacht wird oder die Ressourcen<br />

seiner Freunde anzapft. Ganz nebenbei eignet er sich von Band zu Band<br />

durch Erfahrungslernen Wissen an, das ihm nicht selten im folgenden Band<br />

hilfreich ist. In der „Muggel-Welt“ nennt man das „lebensbegleitende Weiterbildung“.<br />

So vielschichtig, bewusst und unbewusst, das Lernen funktioniert,<br />

so unterschiedlich sind die individuellen Zugänge zum Wissenserwerb. Die<br />

außer- und nachschulische (Weiter-) Bildung ist hierbei eine tragende Säule,<br />

denn durch die rasante technische Entwicklung, die Beschleunigung in der<br />

Erzielung neuer Forschungsergebnisse und der weltweiten Vernetzung veraltet<br />

das Fachwissen immer schneller. Arbeitnehmer sind gefordert, sich darauf<br />

einzustellen, um den Anforderungen des Berufes gewachsen zu bleiben.<br />

Der Zusammenhang zwischen Bildung und Beteiligung am Arbeitsmarkt zeigt<br />

drastische Zahlen: In <strong>Tirol</strong> waren im November 2005 insgesamt 16.568 Personen<br />

als arbeitslos (inklusive der Schulungsteilnehmer) verzeichnet, davon<br />

9.048 Frauen (54,6%) 1) . Im österreichweiten Vergleich haben im selben Monat<br />

49 Prozent der weiblichen und 46 Prozent der männlichen Arbeitslosen mit<br />

dem Abschluss der Pflichtschule ihren höchsten formalen Bildungsstand<br />

erreicht 2) . Auf <strong>Tirol</strong>er Verhältnisse umgelegt waren zu dieser Zeit 7.621 Männer<br />

und 8.118 Frauen arbeitslos, die maximal die Pflichtschule abgeschlossen<br />

haben und beim AMS als Arbeit suchend vorgemerkt waren. Das bedeutet<br />

zweierlei: Je niedriger der Bildungsgrad des Einzelnen, desto höher ist das<br />

Risiko, arbeitslos zu werden. Zum anderen ist aus diesen Zahlen erkennbar,<br />

dass mehr schlecht ausgebildete Frauen als Männer arbeitslos sind. Dazu<br />

kommt, dass in <strong>Tirol</strong> jeder Arbeitnehmer bzw. jede Arbeitnehmerin innerhalb<br />

Außer- und Nachschulische<br />

Weiterbildung<br />

wird immer wichtiger<br />

1) vgl. <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>: Wirtschafts- und<br />

Sozialstatistische Informationen,<br />

Nr. 4. – November 2005.<br />

2) vgl. AMS Österreich: Arbeitsmarkt<br />

und Bildung, November<br />

2005. – Wien: Dezember<br />

2005.<br />

83


84<br />

32.400 haben sich mit<br />

<strong>AK</strong>-Zukunftsaktie<br />

weitergebildet<br />

1) vgl. WAW Wirtschafts- und<br />

Arbeitsforschung West am<br />

Zukunftszentrum: Erwerbschancen<br />

und Berufslaufbahnen:<br />

<strong>Tirol</strong> und seine Teilregionen.<br />

– Innsbruck: Dezember<br />

2002<br />

von fünf Jahren den Beruf, die Branche oder beides wechselt 1) . Am Arbeitsmarkt<br />

herrscht also eine enorme Dynamik, mit der sowohl Arbeitnehmer als<br />

auch Berufswechsler und Arbeitssuchende umgehen müssen.<br />

Dass hier nicht nur ein besonderer Handlungsbedarf gegeben, sondern auch<br />

ein hohes Potenzial für Weiterbildung vorhanden ist, hat die Arbeiterkammer<br />

bereits 1999 berücksichtigt und ihr Förderinstrument „Zukunftsaktie“ eingeführt,<br />

das bis dato erfolgreich weitergeführt wurde. Die Besonderheit der<br />

Zukunftsaktie liegt darin, dass Arbeitnehmer mit einem jährlichen Betrag von<br />

bis zu 384 Euro finanziell unterstützt werden, wenn sie sich durch Kursbesuche<br />

berufsübergreifendes Wissen aneignen. Auf die Situation der Wiedereinsteiger<br />

bzw. Frauen, die eine längere Familienpause einlegen, wird hier<br />

besonders Bedacht genommen, weil sie durch eine relativ lange Abwesenheit<br />

vom Beruf erschwerte Bedingungen für die Wiederaufnahme einer<br />

Erwerbstätigkeit vorfinden. Ziel der Zukunftsaktie ist es, Arbeitnehmern und<br />

Berufsrückkehrern den Einstieg in die Weiterbildung zu erleichtern. Dabei<br />

liegt der inhaltliche Schwerpunkt der Zukunftsaktie in der Förderung berufsübergreifender<br />

Qualifikationsbereiche wie EDV (insbesondere die Basisqualifikation),<br />

Sprachen und Persönlichkeitsbildung. Das Nachholen der Lehrabschlussprüfung<br />

und des Hauptschulabschlusses wurde aufgrund ihrer<br />

besonderen Wichtigkeit bereits nach kurzer Zeit in die regulären <strong>AK</strong>-Beihilfen<br />

übernommen.<br />

Zukunftsaktie: Die private Weiterbildung ist weiblich!<br />

Wesentliches Merkmal der Zukunftsaktie ist die Unterstützung von Weiterbildungsaktivitäten,<br />

die die <strong>Tirol</strong>er Arbeitnehmer in Eigeninitiative und auf<br />

eigene Kosten, also privat, absolvieren. Seit dem Bestehen dieses Förderinstruments<br />

hat sich ganz klar die weibliche Dominanz unter den Teilnehmern<br />

abgezeichnet.<br />

Teilnehmer Zukunftsaktie 1999 bis 2005<br />

Absolut %<br />

M W M W<br />

EDV 6.379 11.500 36 64<br />

Sprachen 4.<strong>06</strong>0 10.182 29 71<br />

Persönlichkeitsbildung 40 113 26 74<br />

Berufsorientierung 31 95 25 75<br />

Summe 10.510 21.890<br />

Gesamt: TN % M % W<br />

32.400 32 68<br />

Die Gesamtauswertung ergibt ein Geschlechterverhältnis von 32 Prozent<br />

Männern und 68 Prozent Frauen. Bei genauerer Analyse kann man feststellen,<br />

dass bei den Veranstaltungen, die nicht die EDV-Qualifizierung betreffen,<br />

der Frauenanteil noch wesentlich höher ist. Insbesondere persönlichkeitsbildende<br />

Kurse (Rhetorik, Zeitmanagement, Konflikttraining, Stressbewältigung<br />

etc.) sowie die Sprachkurse scheinen Frauen deutlich stärker anzusprechen<br />

als Männer. Die Kursangebote in diesem Segment umfassen vor<br />

allem den Bereich der soft skills, der Schlüsselqualifikationen, die im Berufsleben<br />

zunehmend wichtiger werden. Durch die immer kürzere Halbwertszeit<br />

des Fachwissens sowie die Flut an Informationen, die täglich zu bewältigen


ist, sind Arbeitnehmer gefordert, zwischen relevantem und weniger relevantem<br />

Wissen zu unterscheiden, relevante Informationen auf die aktuelle Situation<br />

übertragen zu können (Transferkompetenz), zeit- und ressourceneffizient<br />

zu arbeiten und sich schnell auf neue Situationen einzustellen. Die<br />

zunehmende Arbeit in Projekten und Teams erfordert zudem spezielle Fähigkeiten<br />

und soziale Kompetenzen. Die Dynamik am Arbeitsmarkt bedingt,<br />

dass sich Arbeitnehmer berufsübergreifend qualifizieren, denn Fähigkeiten<br />

wie Verhandlungsführung, Sitzungsleitung, Verkaufsgespräche führen oder<br />

ähnliches sind neben den fachlichen Voraussetzungen wichtige Argumente<br />

in Bewerbungsverfahren.<br />

Interessant ist das Geschlechterverhältnis bei den intensiven Kursen zur<br />

Berufsorientierung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich beruflich<br />

neu ausrichten wollen oder müssen. In einem mehrwöchigen Abendkurs<br />

setzten sich die Teilnehmer mit ihrer individuellen Berufs- und Karriereplanung<br />

auseinander. Hier stehen drei Viertel Frauen ein Viertel Männern<br />

gegenüber. Diese Zahl ist insofern interessant, als sie nicht nur die Erfahrungen<br />

aus den <strong>AK</strong>-Bildungsberatungen (ca. ein Drittel Männer zu zwei Drittel<br />

Frauen) noch verstärkt, sondern auch zeigt, dass Frauen eher bereit sind,<br />

sich mit ihrer Berufsplanung auseinander zu setzen.<br />

Entwicklung der EDV-Kurse von 1999 bis 2005<br />

Betrachtet man die Detailauswertung der EDV-Kurse, die mit der Zukunftsaktie<br />

gefördert wurden, so findet sich im Jahr 2002 ein Bruch:<br />

EDV-Kurse von 1999 bis 2001 EDV-Kurse von 2002 bis 2005<br />

Jahr m w Gesamt Jahr m w Gesamt<br />

1999 1.031 1.781 2.812 2002 644 1.608 2.252<br />

2000 1.975 2.879 4.854 2003 453 1.049 1.502<br />

2001 1.736 2.689 4.425 2004 268 695 963<br />

2005 272 799 1.071<br />

Gesamt 4.742 7.349 12.091 Gesamt 1.637 4.151 5.788<br />

% 39 61 % 28 72<br />

In den Jahren 1999 bis 2001 wurden mit der Zukunftsaktie ohne Einschränkung<br />

alle EDV-Kurse gefördert. Somit fielen in diese Kategorie sowohl EDV-<br />

Basiskurse als auch sehr anspruchsvolle Kurse aus den Bereichen Programmierung,<br />

Netzwerktechnik, CNC/CAD etc., die vor allem Arbeitnehmer im<br />

technischen Umfeld ansprachen, wo wiederum vorwiegend Männer<br />

beschäftigt sind. Mit dem Wegfall dieses Kurssegments im Jahr 2002 geht<br />

auch der Anteil männlicher Kursbesucher von 39 auf 28 Prozent zurück. Ab<br />

dem Jahr 2002 wurden mit der Zukunftsaktie im EDV-Bereich Einsteiger-<br />

Kurse gefördert, die über das Niveau des Europäischen Computerführerscheins<br />

(ECDL) nicht hinausgehen. Wenig überraschend kann festgestellt<br />

werden, dass sieben von zehn Personen, die eine EDV-Basisqualifizierung<br />

absolvieren, Frauen sind. Wiedereinsteigerinnen, die den Europäischen<br />

Computerführerschein anstreben, sind in dieser Zielgruppe erfahrungsgemäß<br />

häufig vertreten. Für sie stellt dieser Kurs eine gute Möglichkeit dar,<br />

ihre EDV-Kenntnisse in der Familienpause aufzufrischen und den Wiedereinstieg<br />

ins Berufsleben vorzubereiten.<br />

Arbeitsmarkt verlangt<br />

mehr als Fachwissen<br />

85


86<br />

Betriebliche Weiterbildung<br />

wird zunehmend<br />

auf Arbeitnehmer<br />

abgewälzt<br />

1) vgl. APA Online-Journale:<br />

Weiterbildung ist Arbeitnehmer-Sache,<br />

5.12.2005.<br />

2) vgl. www.arbeiterkammer.at ><br />

Bildungspolitik > Chancen auf<br />

Weiterbildung. [Stand<br />

1.12.2005].<br />

3) vgl. Kammer für Arbeiter und<br />

Angestellte für Oberösterreich:<br />

Arbeitsklima-Index,<br />

Newsletter 1/2005. – Linz:<br />

August 2005.<br />

Weiterbildung im Betrieb: Vorteilsticket für gut Ausgebildete<br />

Wer ist für die Weiterbildung verantwortlich? Der Betrieb? Die Arbeitnehmerin<br />

oder der Arbeitnehmer? Der Staat? Das Land? Die Kammern? Eine vom<br />

Wirtschaftsbund in Auftrag gegebene Umfrage ergibt, dass Arbeitgeber zu<br />

45 Prozent die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter im Verantwortungsbereich der<br />

Arbeitnehmer sehen 1) . Die Verantwortung des Unternehmens wird mit<br />

34 Prozent angegeben, die des Staates mit 21 Prozent.<br />

In diesem Zusammenhang kommt eine aktuelle Umfrage der <strong>AK</strong> Wien zum<br />

Ergebnis, dass die Betriebe die Unterstützung ihrer Mitarbeiter zunehmend<br />

einschränken 2) . Konnten im Jahr 2003 noch 36 Prozent der Arbeitnehmer mit<br />

einer Unterstützung seitens des Betriebes rechnen, so sind es 2005 nur noch<br />

31 Prozent. Besonders für schlecht Qualifizierte wird die Spirale immer<br />

enger, denn nach dieser Umfrage wurden nur 14 Prozent der Pflichtschulabsolventen<br />

unterstützt, hingegen 51 Prozent der Akademiker, 42 Prozent der<br />

Maturanten, 32 Prozent der Fachschulabsolventen und 29 Prozent der Lehrabsolventen.<br />

Diese Zahlen sprechen für sich. Um diese Negativspirale zu<br />

durchbrechen, bedeutet das für Arbeitnehmer, dass sie sich selber um die<br />

möglichst frühe Höherqualifizierung kümmern müssen, indem sie z.B. den<br />

Lehrabschluss nachmachen oder die Berufsreifeprüfung absolvieren, damit<br />

sie eine bessere Chance haben, in den Genuss betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen<br />

zu kommen. Die laufende betriebliche Weiterbildung hat<br />

zusätzlich zur Höherqualifizierung den Nebeneffekt, dass Mitarbeiter bei der<br />

Erledigung ihrer Arbeit mit größerer Sicherheit und höherer Motivation ans<br />

Werk gehen. Das belegt der Arbeitsklima-Index der <strong>AK</strong> Oberösterreich, der<br />

in regelmäßigen Abständen die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer<br />

erhebt. Demnach korreliert die Freude in und an der Arbeit auch mit dem Bildungsstand<br />

3) . Der Resignationsindex liegt bei Arbeitnehmern, die nur die<br />

Pflichtschule absolviert haben, mit 67 von 100 Punkten an der Spitze, wobei<br />

Frauen in dieser Gruppe mit 69 Punkten deutlich vor den Männern<br />

(64 Punkte) liegen. Eine Investition in die Weiterbildung ist daher für Arbeitnehmer<br />

äußerst wichtig, doch auch für die Betriebe von vitalem Interesse.<br />

Zukunftsaktie im Betrieb<br />

In den Jahren 1999 bis 2001 hat die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> die Kooperation mit <strong>Tirol</strong>er<br />

Unternehmen gesucht und die „Zukunftsaktie im Betrieb“ eingeführt. Ziel<br />

war es, die Arbeitnehmer möglichst arbeitsplatznah in den Bereichen EDV<br />

und Sprachen weiter zu qualifizieren. Dazu wurden mit den Betrieben Vereinbarungen<br />

geschlossen, in denen die Kofinanzierung durch den Betrieb,<br />

die Abhaltung der Schulung in den Räumlichkeiten des Betriebes sowie in<br />

Zukunftsaktie im Betrieb: Gesamtauswertung 1999 bis 2001<br />

Teilnehmer<br />

Jahr Geschlecht EDV Sprachen Gesamt<br />

1999 W 22 0<br />

M 13 0<br />

2000 W 229 129<br />

M 260 234<br />

2001 W 37 40<br />

M 39 35<br />

Summen 600 438 1.038


der Arbeitszeit geregelt wurden. An dieser Aktion haben sich insgesamt<br />

42 Firmen beteiligt und 1.038 Arbeitnehmer von einer für sie kostenlosen<br />

Weiterbildung profitiert. Der Frauenanteil unter den Kursteilnehmer lag im<br />

Durchschnitt bei 44 Prozent.<br />

Eine Studie des IFES vom Dezember 2003 zur „Betrieblichen Weiterbildung<br />

der unselbstständig Erwerbstätigen“ 1) kommt zum Ergebnis, dass acht von<br />

zehn Arbeitnehmer die berufliche Weiterbildung für wichtig halten. Ob und in<br />

welchem Ausmaß ein Betrieb in die Weiterbildung seiner Mitarbeiter investiert,<br />

hängt demnach von mehreren Einflussfaktoren ab. So korrelieren die<br />

innerbetrieblichen berufsspezifischen Weiterbildungsmaßnahmen mit der<br />

Betriebsgröße, denn nur 14 Prozent der Kleinstbetriebe bis max. vier<br />

Beschäftigten fördern die Weiterbildungsaktivitäten ihrer Mitarbeiter, jedoch<br />

47 Prozent der Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten. Zudem ist die Förderung<br />

betriebsinterner Schulungen von Branche zu Branche unterschiedlich.<br />

Während im öffentlichen Dienst, im Gesundheits-, Banken- und Versicherungswesen<br />

die höchste Beteiligung mit 50 Prozent angegeben wird, finden<br />

sich die geringsten Fortbildungsquoten im Bauwesen/Baunebengewerbe<br />

mit 18 Prozent und im Fremdenverkehr mit 12 Prozent. Vor allem die<br />

letztgenannte Zahl lässt aufhorchen. Auch wenn sie für Gesamtösterreich<br />

gilt, so ist sie – herabgebrochen auf lokale Verhältnisse – für das viel zitierte<br />

Tourismusland <strong>Tirol</strong> nicht gerade ruhmreich. Ein besonderes Augenmerk verdient<br />

diese Zahl, wenn man bedenkt, dass im Beherbergungs- und Gaststättenwesen<br />

sechs von zehn Dienstnehmern weiblich 2) , die Anforderungen<br />

und Belastungen sehr hoch sind, die Qualität der Dienstleistung gleichsam<br />

die Visitenkarte des Betriebes (und in Folge des Gastlandes) darstellen und<br />

der Wunsch seitens der Arbeitnehmer nach einer Verbesserung ihrer Situation<br />

in den <strong>AK</strong>-Bildungsberatungen mit entsprechender Häufigkeit auftritt.<br />

Auch wenn Schulungsprogramme nicht alle Probleme der Branche lösen<br />

können, so gilt auch hier, mit entsprechenden Bildungsaktivitäten die Mitarbeiter<br />

für die Anforderungen des Berufes zu stärken. Denkbar sind gerade in<br />

diesem Bereich Kursinhalte, die über das unmittelbar Berufliche hinausgehen,<br />

wie z.B. Gesundheitsförderung, Fremdsprachen, Stressbewältigung<br />

etc.<br />

In Hinblick auf das Geschlecht zeigt sich in derselben Studie 1) , dass Männer<br />

(77 Prozent) tendenziell häufiger als Frauen (68 Prozent) an Kursen bzw.<br />

Schulungen teilnehmen, die vom Arbeitgeber finanziert und in der Arbeitzeit<br />

absolviert werden. Im Umkehrschluss besuchen mehr Frauen (22 Prozent)<br />

als Männer (12 Prozent) berufsspezifische Kurse zur Höherqualifizierung in<br />

ihrer Freizeit, wenn diese vom Betrieb bezahlt werden. Von den Befragten<br />

gaben 16 Prozent an, in den vorangegangenen zwölf Monaten von sich aus<br />

und ohne jede betriebliche Unterstützung berufsspezifische Weiterbildungsveranstaltungen<br />

besucht zu haben. Gegenüber der Vorgängerstudie aus<br />

dem Jahr 1999 findet sich hier eine Steigerung um 6 Prozentpunkte. Arbeitnehmer<br />

mit höherem Bildungsniveau sind mit 32 Prozent in dieser Gruppe<br />

die Spitzenreiter.<br />

Tatsächlich scheint die Zur-Verfügung-Stellung von Arbeitszeit für die Weiterbildung<br />

vielen Betrieben Probleme zu bereiten. Diese Erfahrung hat die <strong>AK</strong><br />

<strong>Tirol</strong> mit der Zukunftsaktie auch in den Vorgesprächen zur Durchführung von<br />

EDV- bzw. Sprachkursen in den Betrieben gemacht. „Das rechnet sich nicht“<br />

Betriebliche Weiterbildung<br />

hängt eng mit<br />

Betriebsgröße zusammen<br />

1) vgl. IFES Institut für empirische<br />

Sozialforschung GmbH:<br />

Betriebliche Weiterbildung bei<br />

unselbständig Erwerbstätigen:<br />

Berichtsband. – Wien:<br />

Dezember 2003.Archivnummer<br />

21917005 - - erstellt für<br />

die Arbeiterkammer Wien.<br />

2) vgl. <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>: Wirtschafts- und<br />

Sozialstatistische Informationen,<br />

Nr. 4. – November 2005.<br />

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88<br />

Weiterbildungsbeteiligung<br />

für Frauen<br />

scheitert oft an Kinderbetreuungspflicht<br />

war eine häufig gehörte erste Aussage. Über den weiteren Nutzen der Weiterbildung<br />

in Hinblick auf bessere Qualität der Arbeitsleistung, Kundenzufriedenheit,<br />

Motivation etc. musste vielfach erst diskutiert und argumentiert<br />

werden.<br />

Motor für Weiterbildungsaktivitäten<br />

Die Aktion „Zukunftsaktie im Betrieb“ im Sinne eines Kooperationsmodells<br />

mit <strong>Tirol</strong>er Betrieben wurde nach dreijähriger Durchführung eingestellt. In<br />

Zusammenarbeit mit dem ÖGB konnten auf Initiative des Betriebsrates hin<br />

jedoch speziell für Textilarbeiterinnen EDV-Schulungen durchgeführt werden.<br />

Bei den Teilnehmerinnen handelte es sich vor allem um bildungsbenachteiligte<br />

Frauen, die in einer wirtschaftlich schwierigen Branche tätig<br />

sind. Hier wurden in drei Firmen für 47 Arbeiterinnen Basiskurse organisiert,<br />

die nicht das unmittelbare Arbeitsfeld betrafen. Daher wurden die Kurse von<br />

den Teilnehmerinnen in der Freizeit besucht und auch privat bezahlt. Mit<br />

Unterstützung des Betriebsrates, des ÖGB und der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> konnte darüber<br />

hinaus für manche Kurse eine Förderung über das Bildungsgeld update des<br />

Landes erreicht werden, nachdem es sich bei der Zielgruppe um bildungsbenachteiligte<br />

und schlecht qualifizierte Arbeitnehmerinnen in einer krisengeschüttelten<br />

Branche handelt. Aus dem Feedback des betreffenden<br />

Betriebsrates zu einem (nicht berufsspezifischen) EDV-Grundkurs für Näherinnen<br />

geht hervor, dass neben der fachlichen Qualifikation der Kurs dazu<br />

beigetragen hat, das Selbstbewusstsein der Arbeiterinnen zu stärken und<br />

dass er sehr positive Auswirkungen auf das Klima unter den Schulungsteilnehmerinnen<br />

hatte. Darüber hinaus hat die Betriebsleitung diese Bildungsaktivitäten<br />

durch die Überlassung von Schulungsräumlichkeiten sowie Internetanschluss<br />

unterstützt. Seitens einiger Teilnehmerinnen wurde der<br />

Wunsch geäußert, einen Fortsetzungskurs zu organisieren, was wiederum<br />

gelungen ist. An diesem Beispiel zeigt sich die Relevanz der betrieblichen<br />

Interessenvertretung, die vor Ort und in direktem Kontakt mit den Arbeiterinnen<br />

eine Verbesserung ihrer beruflichen Situation herbeizuführen bestrebt ist<br />

und die Betroffenen für die Wichtigkeit von Weiterbildung sensibilisiert. So<br />

konnte im Zusammenspiel der Interessenvertretungen der Grundstein für<br />

weitere Bildungsaktivitäten gelegt werden. Ganz nebenbei haben davon<br />

auch die Betriebe profitiert.<br />

Betriebliche Weiterbildung als „win-win“-Situation<br />

Dass die betriebliche Weiterbildung für Arbeitnehmende wie auch für das<br />

Unternehmen einen Nutzen hat, belegen einerseits die Förderungsaktivitäten<br />

seitens des Arbeitsmarktservice und andererseits Initiativen der Wirtschaft: Mit<br />

der Qualifizierungsförderung für Beschäftigte im Rahmen des ESF Ziel 3 wird<br />

der Betrieb unterstützt, wenn er Arbeitnehmerinnen – unabhängig vom Alter –<br />

in kostenpflichtigen Weiterbildungsveranstaltungen höher qualifiziert (ebenso<br />

Männer über 45 Jahre). Der Betrieb bezahlt in diesen Fällen ein Drittel der Kurskosten,<br />

das AMS und der ESF übernehmen die restlichen zwei Drittel bis maximal<br />

10.000 Euro, sodass der Kurs für die Arbeitnehmerin gratis ist.<br />

In dieser Hinsicht besteht vor allem bei der Qualifizierung von teilzeitbeschäftigten<br />

Frauen mit Kinderbetreuungspflichten noch Aufholbedarf. Eine


Befragung von Betriebsräten im Saarland kommt zum Ergebnis, dass Frauen<br />

bei der betrieblichen Weiterbildung per se nicht benachteiligt sind, dass sich<br />

jedoch ungleiche Zugangschancen in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />

Lebenssituation ergeben. Demnach sinkt die Weiterbildungsbeteiligung von<br />

Frauen rapide, wenn sie Kinder zu versorgen haben 1) . Nachdem Frauen im<br />

Allgemeinen der Ruf vorauseilt, eine hohe Loyalität zum Unternehmen aufzuweisen,<br />

sollte sich bei dieser Zielgruppe die betriebliche Investition in Weiterbildung<br />

doppelt rechnen.<br />

Die Weiterbildung im Betrieb spielt eine zentrale Rolle für beide Teile: Die<br />

Arbeitnehmer und den Betrieb. Für Arbeitnehmer ist mit einer beruflichen<br />

Höherqualifizierung immer auch eine fachliche Weiterentwicklung verbunden,<br />

die wiederum ihre positiven Auswirkungen im Betrieb zeigt. Der Besuch<br />

von Weiterbildungsmaßnahmen kann Arbeitnehmern Entfaltungsmöglichkeiten<br />

bieten, führt dazu, den eigenen „Wert“ am Arbeitsmarkt zu steigern und<br />

auf eben diesem flexibel zu bleiben. Damit kann der Arbeitnehmer oder die<br />

Arbeitnehmerin auch für Konkurrenzunternehmen attraktiv werden, was wiederum<br />

so manchen Betrieb von der Investition in die Höherqualifizierung der<br />

Mitarbeitenden abhält.<br />

Gleichzeitig ist bekannt, dass sich in der heutigen Wissensgesellschaft diejenigen<br />

Unternehmen am Markt behaupten, die sich auf „gute Köpfe“ im Unternehmen<br />

verlassen können. Nicht umsonst spricht man in der Personalvermittlung<br />

von „Headhunting“ und in Personalabteilungen von „Human Resources<br />

Management“. Der ökonomische Wert der Mitarbeiter ist und war immer<br />

schon ein Faktum, das sich im alltäglichen eigenen Verhalten als Konsumenten<br />

erkennen lässt: Man lässt sich die Haare von einem bestimmten Frisör<br />

schneiden, weil er eine besondere Technik beherrscht, die Kundin und ihren<br />

Geschmack kennt, weiß, wie er wenig Veränderungswillige langsam an modische<br />

Schnitte heranführt und obendrein immer die richtige Farbmischung findet.<br />

Man kauft seine Kleider in einem bestimmten Geschäft, weil die Verkäuferin<br />

in der Große-Größen-Abteilung besonders kompetent beraten hat, weil<br />

sie weiß, welche Schnitte für welche Problemlagen günstig sind und weil sie<br />

obendrein sehr wertschätzend auf ihre Kundschaft eingegangen ist. Dasselbe<br />

gilt für Köche, Juweliere, Barkeeper, Buchhalter und eine ganze Reihe anderer<br />

Berufe. Wechselt der Frisör den Salon, nimmt er in der Regel einen Teil seiner<br />

Kunden mit. Der Koch wechselt zumeist mit seinen besten Mitarbeitern,<br />

die er bereits zu einem gut eingespielten Team geformt hat, und die Buchhalterin<br />

wird von einem Headhunter abgeworben. Diese Beispiele sollen<br />

plastisch machen, welchen wirtschaftlich und monetär messbaren Wert gut<br />

ausgebildete und kompetente Mitarbeiter eines Unternehmens darstellen.<br />

Für Arbeitsplatzwechsler wird die Frage nach den Entwicklungsmöglichkeiten<br />

im neuen Unternehmen zunehmend relevant. Bietet ein Unternehmen<br />

Entwicklungs- bzw. Weiterbildungsmöglichkeiten, so ist das vielfach ein<br />

wichtiges Entscheidungskriterium für oder gegen einen Wechsel des<br />

Arbeitsplatzes.<br />

Eigeninitiative ist gefragt<br />

Kennzeichnend für die Situation der Frauen in der Weiterbildung ist ihre hohe<br />

Bereitschaft, berufsspezifische Weiterbildung in der Freizeit zu absolvieren,<br />

1) Arbeitskammer des Saarlandes<br />

(Hrsg.): Bericht an die<br />

Regierung 2005: Zur wirtschaftlichen,<br />

ökologischen,<br />

sozialen und kulturellen<br />

<strong>Lage</strong> der Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer. – Saarbrücken:<br />

2005.<br />

89


90<br />

Frauen bilden sich in<br />

ihrer Freizeit weiter<br />

1) http://www.bmsg.gv.at/cms/<br />

site/attachments/6/3/4/CH02<br />

54/CMS1056617560208/fb9<br />

9_kapitel_v_4.htm<br />

Autorinnen und Autor der<br />

wissenschaftlichen Fassung:<br />

Christopher Prinz, Eva Thalhammer,<br />

Ada Patrick<br />

das große Interesse an berufsübergreifenden Kursinhalten sowie die Auseinandersetzung<br />

mit der eigenen beruflichen Weiterentwicklung. Demgegenüber<br />

steht die betriebliche Realität, dass vor allem Frauen mit Kinderbetreuungspflichten<br />

in Hinblick auf den Besuch von betriebsinternen Schulungen<br />

vor terminlichen und organisatorischen Schwierigkeiten stehen. Dass<br />

schlecht qualifizierte Männer und Frauen einen erschwerten Zugang zur<br />

Höherqualifizierung haben bzw. dass Weiterbildung in einzelnen Branchen<br />

kein großes Thema ist, stellt die Bildungs- und Förderpolitik vor (nicht ganz<br />

neue) Herausforderungen und ist auch ein Auftrag an die Arbeitnehmer, in<br />

Hinblick auf die Erlangung einer Grundqualifizierung selber initiativ zu werden.<br />

Die berufliche Weiterentwicklung ist ein Prozess, bei dem die Weiterbildung,<br />

die formale wie die nicht formale, einen wichtigen Bestandteil darstellt.<br />

Die Arbeitnehmer erlangen damit ein höheres Maß an Flexibilität und führen<br />

selbst die Regie im Drehbuch ihrer Berufsbiografie. Damit entscheiden sie<br />

selbst, wann es Zeit für eine Neuausrichtung ist. Sie sind auch für den Fall,<br />

dass sie sich einmal umorientieren müssen, besser vorbereitet.<br />

Weiterbildungsberatung, ein Gebot der Stunde<br />

Beratung in der Weiterbildung hat in der Situation des gesellschaftlichen<br />

<strong>Umb</strong>ruchs und der Umstrukturierung vieler Wirtschaftsbereiche in den letzten<br />

Jahren als Orientierungshilfe an Bedeutung gewonnen. Mit der Zunahme<br />

und Verfestigung der Arbeitslosigkeit, der Suche nach neuen Formen der<br />

Arbeitsverteilung und Arbeitszeitgestaltung, der Einschränkung staatlicher<br />

Leistungen in der Weiterbildung und mit der Reduzierung sozialer Sicherungssysteme<br />

ist bei vielen Menschen Sorge und Ratlosigkeit entstanden:<br />

Die persönlichen und beruflichen Perspektiven sind unsicher, Entscheidungen<br />

sind schwieriger geworden. Das gilt auch für die Frage, ob die jeweils<br />

vorhandenen Qualifikationen noch ausreichen bzw. ob und durch welche<br />

Weiterbildung die Arbeitsmarktchancen der Einzelnen verbessert werden<br />

können. Hier kann Weiterbildungsberatung weiterhelfen und sie hat viel<br />

Resonanz – so die Erfahrungen im Rahmen der <strong>AK</strong>-Bildungsberatung – als<br />

Orientierungshilfe gefunden.<br />

Im Sinne des Gender Mainstreaming Prinzips müssen bei der Beratung zu<br />

Bildungs- und Berufsfragen die jeweiligen Situationen, Prioritäten und<br />

Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigt werden. Dazu muss<br />

man die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Bereichen Bildung<br />

und Arbeitsmarkt erst einmal kennen.<br />

Die Bildungsberatungsstatistik des EQUAL-Projektes „Tu-was.com“ zeigt,<br />

dass die Inanspruchnahme von Bildungsberatung bei Frauen mehr als zweimal<br />

so hoch liegt als bei Männern (siehe unten statistische Daten). Eine<br />

Erklärung könnte darin liegen, dass diese – bedingt durch Karenz – ihre<br />

berufliche Laufbahn öfter unterbrechen wollen bzw. müssen: „Eine Analyse<br />

der Lebensläufe aus dem Fertilitäts- und Familiensurvey 1996 1) (FFS) kam<br />

zum überraschenden Ergebnis, dass 1996 mehr Frauen ihre Erwerbstätigkeit<br />

aus Familiengründen unterbrachen als 20 Jahre zuvor.“ Dabei prägen unterschiedliche<br />

Wiedereinstiegsmodelle das Bild, je nachdem wie lange Frauen<br />

dem Arbeitsmarkt fernbleiben. Die Last der Vereinbarkeit von Beruf und Kin-


derbetreuung ruht überwiegend auf den Schultern der Frauen. Eine Berufsrückkehr<br />

ist für viele nur mehr in Teilzeit möglich. In Österreich arbeiten die<br />

meisten erwerbstätigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren in Teilzeit. Damit<br />

ist leider sehr oft der berufliche Abstieg und ein Einkommensverlust verbunden.<br />

Mittlerweile hat sich die Situation, was Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie betrifft, noch verschärft. Das Zukunftszentrum <strong>Tirol</strong> beschreibt aufgrund<br />

einer Studie der Wirtschafts- und Arbeitsmarktforschung West die<br />

<strong>Lage</strong> der Frauen am <strong>Tirol</strong>er Arbeitsmarkt so: „Nur eine von zehn, die zu den<br />

best bezahlten 20 Prozent gehören, ist auch Mutter. … Den Sprung in Toppositionen<br />

schaffen Frauen in der Regel allerdings nur, wenn sie auf Familie<br />

verzichten: Neun von zehn Frauen, die im obersten Einkommensfünftel rangieren,<br />

sind kinderlos.“ 1)<br />

Politische Verantwortliche wie Unternehmen sind daher gefordert Unterstützungsstrukturen<br />

zu schaffen, die eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />

möglich machen. Untersuchungen haben die Indikatoren für den erfolgreichen<br />

Widereinsteig von Frauen identifiziert:<br />

• Kontakthaltemaßnahmen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung des Qualifikationsniveaus<br />

(z.B. durch Einbindung in firmeninterne Schulungen und<br />

Informationsnetzwerk)<br />

• Nutzung innovativer Arbeitszeitmodelle und moderner Arbeitsorganisation<br />

im Sinne eines nicht ganz vollzogenen Ausstiegs (Aufrechterhaltung einer<br />

geringfügigen Beschäftigung, Telearbeit etc.)<br />

• Veränderung der Sichtweise in Richtung: „Familienkompetenzen sind<br />

Schlüsselkompetenzen“<br />

Es ist unter anderem die Aufgabe der Bildungsberatung, auf diese Zusammenhänge<br />

hinzuweisen. Am Arbeitsmarkt haben es Arbeitnehmer mit einer<br />

bisher ungeahnten Dynamik an Job- und Berufswechseln zu tun: Eine weitere<br />

Studie der WAW-Synthesis im Auftrag des Zukunftszentrums <strong>Tirol</strong> zeigt,<br />

dass ein Drittel der Erwerbsaktiven in <strong>Tirol</strong> innerhalb von 5 Jahren den<br />

Betrieb oder sogar die Branche wechselt. Männer wie Frauen sind davon<br />

Arbeitslosenquote nach der Altersstruktur<br />

(Vorgemerkte arbeitslose Personen je Altersgruppe in % der unselbstständig Beschäftigten plus<br />

arbeitslose Personen je Altersgruppe)<br />

<strong>Tirol</strong> Österreich<br />

15- bis unter 19jährige, insgesamt 2004 2,0 2,4<br />

Männer 2004 1,6 1,9<br />

Frauen 2004 2,5 3,1<br />

15- bis unter 19jährige, insgesamt 2003 2,6 3,4<br />

19- bis unter 25jährige, insgesamt 2004 8,0 9,8<br />

Männer 2004 8,9 11,2<br />

Frauen 2004 7,2 8,5<br />

19- bis unter 25jährige, insgesamt 2003 6,7 8,8<br />

25- bis unter 40jährige, insgesamt 2004 5,6 7,0<br />

Männer 2004 5,6 7,2<br />

Frauen 2004 5,6 6,7<br />

25- bis unter 40jährige, insgesamt 2003 5,4 6,6<br />

40- bis unter 50jährige, insgesamt 2004 5,3 6,5<br />

Männer 2004 5,1 6,9<br />

Frauen 2004 5,6 5,9<br />

40- bis unter 50jährige, insgesamt 2003 5,1 6,2<br />

50- und Mehrjährige, insgesamt 2004 5,8 8,3<br />

Männer 2004 5,7 8,9<br />

Frauen 2004 6,0 7,4<br />

50- und Mehrjährige, insgesamt 2003<br />

Quelle: AMS Österreich<br />

5,9 9,0<br />

Last der Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Kindern<br />

auf den Schultern der<br />

Frauen<br />

Enorme Dynamik am<br />

Arbeitsplatz: Ein Drittel<br />

der <strong>Tirol</strong>er Beschäftigten<br />

wechselt innerhalb von<br />

fünf Jahren Beruf oder<br />

Branche<br />

1) Studie „F.E.S.T – Frauenerwerbseinkommen<br />

stärken<br />

<strong>Tirol</strong>“, Studie der WAW Synthesis<br />

im Auftrag des<br />

Zukunftszentrums <strong>Tirol</strong><br />

siehe unter:<br />

http://www.zukunftszentrum.at/<br />

themen/wirtschaftsforschung/<br />

FEST<br />

91


92<br />

gleichermaßen betroffen. Bei den Frauen kommen die oben erwähnten<br />

Erschwernisse dazu.<br />

Ein Blick auf die Arbeitslosenstatistik in <strong>Tirol</strong> nach Alter und Geschlecht zeigt<br />

die Notwendigkeit der Bildungs- und Berufsberatung bei Männern und bei<br />

Frauen. Ein Ausbau der Beratung ist einerseits für die Zielgruppe der Arbeitsuchenden<br />

im Rahmen des AMS notwendig, andererseits muss neben dem<br />

„Reparatur-Prinzip“ stärker das „Präventions-Prinzip“ forciert werden, d.h.<br />

mehr Bildungsberatung für „Noch-Beschäftigte“. Betrachtet man die Altersstruktur<br />

näher, so fällt auf, dass ein größerer Unterschied zwischen Männern<br />

und Frauen nur bei der Altersgruppe der 15- bis unter 19jährigen besteht.<br />

Weiterbildungsberatung hat auch wichtige Funktionen für das Bildungs- und<br />

Beschäftigungssystem. Sie soll im Weiterbildungsbereich die Nachfrageseite<br />

stärken, indem sie das Bildungsangebot transparent macht und die Belange<br />

des Konsumentenschutzes unterstützt. Daneben gehört es auch zu ihren Aufgaben,<br />

durch Bedarfsanalysen und Trägerberatung zur Verbesserung des Bildungsangebotes<br />

beizutragen sowie die Entwicklung und Umsetzung der <strong>Tirol</strong>er<br />

Bildungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik zu unterstützen. Weiterbildungsberatung<br />

übernimmt auch eine zunehmend wichtigere Rolle beim<br />

Auf- und Ausbau regionaler Kooperationsstrukturen und Netzwerke. Im Rahmen<br />

des EQUAL-Projektes „Tu-was.com“ konnten diesbezüglich wichtige<br />

Erfahrungen in <strong>Tirol</strong> gesammelt werden. Leider wurde dieses Projekt nicht<br />

sofort in ein permanentes Serviceangebot übergeführt.<br />

Aus den vielfältigen Funktionen der Bildungsberatung erklärt sich auch das<br />

Engagement des Bundes, durch Modellprojekte (z.B. BIB-Infonet, BIB-Tool)<br />

auf die Bedeutung der Bildungsberatung aufmerksam zu machen, mit<br />

Anschubfinanzierungen die Einrichtung von Beratungsstellen zu ermöglichen<br />

(etwa das Bildungsberatungsnetzwerk Steiermark) und damit die Entwicklung<br />

unterstützender Strukturen des Bildungssystems zu fördern.<br />

Dies geht auch aus dem Entschließungsantrag des EU-Rates der Bildungsminister<br />

von Mai 2004 deutlich hervor: „Alle europäischen Bürger sollten (…)<br />

in jedem Lebensabschnitt Zugang zu Bildungs- und Berufsberatung haben,<br />

wobei gefährdeten Einzelpersonen und Gruppen in besonderem Maß Rechnung<br />

zu tragen ist. Das Beratungsangebot muss flexibel und vielfältig gestaltet<br />

sein; dazu gehört der Einsatz innovativer Methoden und Technologien<br />

und aufsuchender Dienste. Die Personen, die Beratung in Anspruch nehmen,<br />

müssen (…) im Mittelpunkt stehen.“<br />

In der EU wird die Bedeutung der Bildungsberatung seit einiger Zeit gesehen<br />

und die Diskussion mit dem Begriff „lifelong guidance“ oder „career gui-


dance“ geführt. Maßnahmen zum Ausbau und zur Professionalisierung dieses<br />

Beratungsangebotes laufen in fast allen Mitgliedsstaaten der EU an.<br />

Zahlreiche Veröffentlichungen (u.a. OECD-Bericht „Bridging the gap“) und<br />

Untersuchungen zeigen Bedarf und Nutzen der Bildungsberatung auf. Auch<br />

in Österreich teilen immer mehr Bildungsexperten die Ansicht der Arbeiterkammer<br />

in Richtung Ausbau einer anbieterunabhängigen Bildungsberatung.<br />

Ziel der Weiterbildungsberatung<br />

Berufliche Weiterbildung in <strong>Tirol</strong> ist ein Bereich, der durch eine große Anzahl<br />

von Anbietern (geschätzt ca. 80 bis 100) und rund 10.000 Bildungsangeboten<br />

gekennzeichnet ist. Damit verbunden ist eine meist geringe Transparenz<br />

des Marktes auch hinsichtlich der Angebotsqualität. Weiterbildungsinteressenten<br />

haben oft Schwierigkeiten, die Angebote zu vergleichen. Sie brauchen<br />

deshalb zuverlässige Informationen, um sich zu orientieren und zum<br />

Teil auch weitere Hilfen, um zu einer auf ihre speziellen Belange abgestellten<br />

Entscheidung zu kommen.<br />

Eine Bildungsanbieter-unabhängige, neutrale, individuelle Beratung kann<br />

das leisten. Weiterbildungsberatung wird zu den „Support-Strukturen" für<br />

die Weiterbildung gezählt, zu wichtigen unterstützenden Strukturen, die zur<br />

Verbesserung der Transparenz und zur Qualitätssicherung beitragen.<br />

Wichtige Leistungen der Bildungsberatung sind:<br />

• Information, Orientierungs- und Entscheidungshilfe in Bildungsfragen und<br />

anderen Lebensbereichen geben<br />

• Transparenz im Weiterbildungsbereich erhöhen, z.B. durch die Herausgabe<br />

von Weiterbildungskatalogen und die Führung regionaler Bildungsund<br />

Bildungsförderdatenbanken<br />

• Motivierung zu Bildung<br />

• Bildungsträger und Bildungsverantwortliche beraten und auf eine Verbesserung<br />

des Bildungsangebotes hinwirken<br />

• durch Kooperation mit den regionalen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und<br />

Verwaltung zur Regionalentwicklung beitragen.<br />

• Berücksichtigung benachteiligter Bevölkerungsgruppen bei Orientierungs-<br />

und Entscheidungshilfe in Bildungsfragen<br />

• Durchführung von Informationsveranstaltungen für Multiplikatoren und<br />

Aufbau von Kommunikationsnetzen mit ihnen<br />

• Mitwirkung bei der Schul- und Weiterbildungsentwicklungsplanung<br />

• Wartung und Weiterentwicklung von Weiterbildungsdatenbanken<br />

<strong>AK</strong>-Bildungsberatung<br />

In den meisten Beratungsstellen hat die Zahl der Ratsuchenden in den letzten<br />

Jahren deutlich zugenommen. Die Bildungsabteilung der Arbeiterkammer<br />

<strong>Tirol</strong> führte im Jahr 2005 rund 1.400 persönliche und 6.000 telefonische<br />

Bildungsberatungen durch. Darüber hinaus wurden Tausende von Broschüren<br />

zu Spezialthemen („Die richtige Auswahl von Weiterbildungsangeboten“,<br />

„Richtig bewerben“, „Beruf und Einkommen“, Anerkennung von Bildungs-<br />

und Berufsabschlüssen“) verschickt und Informationsveranstaltun-<br />

Rund 100.000 Bildungsangebote<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

verlangen nach punktgenauer<br />

Beratung<br />

<strong>AK</strong> hat höchste<br />

Kompetenz bei<br />

Bildungsberatung<br />

93


94<br />

Jeder Dritte wünscht sich<br />

Bildungs- und Berufsberatung<br />

samt<br />

Kompetenzenbilanz<br />

gen angeboten. Die Beratungsstatistik weist ähnliche Tendenzen wie die<br />

„Tu-was.com“-Statistik auf, was den Anteil von Frauen betrifft. Die Arbeiterkammer<br />

<strong>Tirol</strong> betreut insgesamt 250.195 Mitglieder, davon sind 117.015<br />

weiblich und 133.180 männlich<br />

Erhebung des Bildungsberatungsbedarfs in <strong>Tirol</strong><br />

Zur Untermauerung der Forderung der <strong>AK</strong> gegenüber dem Land <strong>Tirol</strong> nach<br />

Ausbau der Bildungsberatung (<strong>AK</strong>-Konzept „<strong>Tirol</strong> als Bildungsland“, 2004)<br />

wurde das Marktforschungsunternehmen Market beauftragt, eine repräsentative<br />

Befragung bei 1.000 Personen durchzuführen, um den Beratungsbedarf<br />

in <strong>Tirol</strong> zu erheben. Die Market-Studie im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> dürfte in<br />

Österreich eine der ersten Studien sein, die den Bedarf an Bildungsberatung<br />

nachweisen kann.<br />

Es handelt sich um eine repräsentative Umfrage unter allen <strong>Tirol</strong>er Erwerbstätigen<br />

im Alter von 25 bis 55 Jahren. Die Studie wurde bewusst nicht nur auf<br />

die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt, weil dieser spezifische<br />

Bedarf an Beratung, Information und Orientierung in Bildung und Beruf<br />

alle Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung betrifft und viele Biografien<br />

wechselnde oder gleichzeitige Tätigkeiten als Arbeitnehmer, Selbstständige,<br />

Arbeitslose, Studierende usw. aufweisen und die <strong>AK</strong> davon ausgeht, dass<br />

ein qualifiziertes Beratungsangebot für alle eingerichtet werden muss.<br />

Die Ergebnisse im Einzelnen<br />

Das zu Beginn des Interviews sehr konkret vorgetragene Angebot der Bildungs-<br />

und Berufsberatung samt Kompetenzenbilanz löst bei den Befragten<br />

sehr großes Interesse aus. 33 Prozent der Befragten können sich die Nutzung<br />

dieses Angebotes „auf jeden Fall vorstellen“. Interessant, dass sich<br />

wesentlich mehr Frauen (36 Prozent) als Männer (26 Prozent) für dieses<br />

Angebot interessieren. Nicht überraschend dabei ist das große Interesse der<br />

Arbeitsuchenden, obwohl diese mit dem Arbeitsmarktservice eine Anlaufstelle<br />

haben. Auch bei der tatsächlichen Nutzung des Bildungsberatungsangebotes<br />

ist der Frauenanteil derzeit wesentlich höher.<br />

Entscheidend ist, dass das Angebot nicht bei der Feststellung des „Marktwertes“<br />

stehen bleibt, sondern auch die für die Interessenten sehr wichtigen<br />

Beratungen etwa rund um finanzielle Unterstützungen oder Weiterbildungswege<br />

umfasst. Erst diese Gesamtheit macht das Angebot so attraktiv.<br />

Die Befragten nennen als kompetente Anbieter dieser Beratung an oberster<br />

Stelle das Arbeitsmarktservice (76 Prozent) und die Arbeiterkammer (74 Prozent),<br />

anschließend folgt die Wirtschaftskammer mit 49 Prozent und das<br />

Land (41 Prozent).<br />

Eine Befragung der <strong>AK</strong> Oberösterreich hat ergeben, dass sich 60 Prozent der<br />

<strong>AK</strong>-Mitglieder dafür aussprechen, dass die Arbeiterkammer die Bildungsberatung<br />

ausbaut. Bei dieser Reihung ist zu berücksichtigen, dass sich<br />

erwerbstätige Personen beim AMS nicht persönlich beraten lassen können.<br />

Das AMS bietet aber eine umfassende Grundlagenarbeit auf dem Sektor der<br />

Arbeitsmarktberatung.


57 Prozent der befragten Personen wünschen sich eine persönliche Beratung,<br />

74 Prozent wollen in jedem Fall einzeln beraten werden. 76 Prozent der<br />

Befragten geben an, dass die Beratung in allen Bezirksstädten stattfinden<br />

sollte. Frauen wünschen sich noch mehr als Männer regionalisierte Bildungsberatungsangebote.<br />

81 Prozent der Befragten sprechen sich für eine<br />

Beratung Montag bis Freitag tagsüber und am Abend aus. Männer interessieren<br />

sich mehr für Bildungsberatung am Abend, während Frauen sich mehr<br />

Angebote tagsüber wünschen (auch am Vormittag). Die Beratungsstatistik<br />

des EQUAL-Projektes „Tu-was.com“ bestätigt diese Umfrageergebnisse.<br />

Die wichtigsten Daten von „Tu-was.com“ auf einen Blick:<br />

1.289 Personen in rund 16 Monaten, davon 70 Prozent Frauen und 30 Prozent<br />

Männer<br />

13 Prozent der Ratsuchenden haben max. Pflichtschulabschluss<br />

47 Prozent sind Facharbeiter, d.h. Berufsausbildung ohne Matura<br />

20 Prozent Maturanten<br />

20 Prozent haben eine akademische Ausbildung bzw. postsekundäre Ausbildung<br />

44 Prozent befinden sich in der arbeitsmarktpolitisch schwierigen Altersklasse<br />

von 36 bis 55 Jahren.<br />

Leitfaden für das Modell Bildungsberatung <strong>Tirol</strong><br />

Das Land <strong>Tirol</strong> oder eine ihr nahe stehende Einrichtung (z.B. Arbeitsmarkt<br />

GmbH) übernimmt die Koordination der Bildungsberatungsanbieter in <strong>Tirol</strong><br />

• Die Koordination und die „Bildungsberatung <strong>Tirol</strong>“ ist als ständige Einrichtung<br />

zu installieren. Es konnten ausreichend Erfahrungen in Projekten<br />

gesammelt werden.<br />

• Die Bildungsberatungsanbieter bringen als Partner ihre Beratungskapazitäten<br />

ein. Sie bleiben als Partner des Landes <strong>Tirol</strong> eigenständig und<br />

sichtbar.<br />

• „Bildungsberatung <strong>Tirol</strong>“ ist durch das Land <strong>Tirol</strong> bekannt zu machen. Bei<br />

der Zielgruppenansprache sind die geschlechtsspezifischen Gewohnheiten<br />

bei der Nutzung der Medien zu beachten (Werbesprache, Schwerpunktthemen,<br />

Angebotsgestaltung etc.)<br />

• Das Land oder eine ihm nahe stehende Einrichtung sorgt für die zusätzlich<br />

notwendige Finanzierung für Öffentlichkeitsarbeit, Koordinationstätigkeit,<br />

Ausbau der Angebote für bestimmte Zielgruppen, Wartung der Bildungsdatenbank,<br />

Lernfeste, Evaluierung, Weiterbildung der Bildungsberater etc.<br />

• Das Land richtet eine Steuergruppe (primär Beratungsorgan) – zusammengesetzt<br />

aus den Partnereinrichtungen Land, Arbeiterkammer, Arbeitsmarktservice,<br />

Wirtschaftskammer etc. – ein.<br />

• Bei der Zusammensetzung der Berater muss auf eine Ausgewogenheit<br />

zwischen Männern und Frauen und auf den Erfahrungshintergrund<br />

(bestimmte Zielgruppen, Themen) geachtet werden.<br />

95


96<br />

Jeder braucht eine<br />

zweite Chance – BerufsreifeprüfungErfolgsmodell<br />

der <strong>AK</strong><br />

1) Schon zuvor gab es auf Basis<br />

der Berufsreifeprüfungsverordnung<br />

StGBl 167/1945 das<br />

Instrument der Berufsreifeprüfung.<br />

Sie diente hauptsächlich<br />

zum Priester berufenen Personen<br />

ohne Matura als Zugang<br />

zu einem Theologie Studium.<br />

Erst als Mitte der siebziger<br />

Jahre die Arbeiterkammern in<br />

Wien und Innsbruck Vorbereitungskurse<br />

auf diese Berufsreifeprüfung<br />

veranstalteten,<br />

gab es österreichweit eine<br />

nennenswerte Zahl von rund<br />

100 Teilnehmern. Diese Verordnung<br />

wurde 1997 durch ein<br />

zeitgemäßes Berufsreifeprüfungsgesetz<br />

abgelöst.<br />

2) Vgl.: IBW/ÖIBF Studie, Die<br />

Berufsreifeprüfung- eine erste<br />

Evaluierung, Wien 1999,<br />

http://www.erwachsenenbildung.at/services/publikationen/BRP_Evaluierung_<br />

1999_Langfassung.pdf<br />

Berufsreifeprüfung für Frauen maßgeschneidert<br />

Die Chance im zweiten Bildungsweg<br />

Der übliche Zugang zu einem Studium ist die Reifeprüfung einer Allgemein<br />

bildenden oder Berufsbildenden höheren Schule. Ist jemand Absolvent einer<br />

mindestens dreijährigen Berufsbildenden Schule, einer Krankenpflegeschule,<br />

einer Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst oder einer<br />

Lehrabschlussprüfung, so steht der Zugang zu einer Hochschule oder Universität<br />

auch durch die Absolvierung der Berufsreifeprüfung nach dem vollendeten<br />

19. Lebensjahr offen.<br />

Die Berufsreifeprüfung ist 1997 1) gesetzlich in Kraft getreten und besteht aus<br />

vier Teilprüfungen, die folgende Bereiche umfassen: Deutsch, Mathematik,<br />

lebende Fremdsprache und einen Fachbereich. Die Berufsreifeprüfung ist<br />

der Reifeprüfung (Matura) gleichzusetzen, da sie die Zulassung an Universitäten,<br />

Hochschulen, Fachhochschul-Studiengängen, Akademien und an<br />

Kollegs gewährt.<br />

Der Prüfungsantritt ist auch ohne formale Vorbereitung möglich, durchwegs<br />

absolvieren die Prüfungskandidaten aber einen Vorbereitungslehrgang.<br />

Diese werden vorwiegend von Erwachsenenbildungseinrichtungen (z.B.:<br />

BFI, WIFI, VHS usw.) angeboten. Die Kurse finden meist am Abend statt und<br />

geben denjenigen, die im Berufsleben stehen, die Chance, im zweiten Bildungsweg<br />

die Reifeprüfung nachzuholen. Vom Ministerium anerkannte<br />

Erwachsenenbildungseinrichtungen sind befugt, drei der vier Teilprüfungen<br />

abzunehmen. Eine Teilprüfung muss jedoch an einer höheren Schule mit<br />

Öffentlichkeitsrecht absolviert werden. Diese Schule stellt auch nach positiver<br />

Ablegung aller Teilbereiche das Reifeprüfungszeugnis aus. Der<br />

Abschluss kann nach eineinhalb Jahren gemacht werden. Es besteht aber<br />

die Möglichkeit, sich für die Absolvierung der Teilprüfungen mehr Zeit zu lassen.<br />

Die Berufsreifeprüfung wurde zuletzt unter der Bildungsinitiative „Lehre mit<br />

Matura“ bekannt gemacht, deren Ziel es ist, die Berufsreifeprüfung im<br />

Bereich der Berufsbildenden Pflichtschulen (Berufsschulen) zu etablieren.<br />

Durch diese Initiative soll die Basis für Vorbereitungskurse an Berufsschulen<br />

gelegt werden.<br />

Immer mehr Teilnehmer<br />

Im Jahre 1999, zwei Jahre nach der gesetzlichen Verankerung der Berufsreifeprüfung,<br />

wurde im Rahmen einer ersten Evaluierung 2) Bilanz gezogen, mit<br />

dem Ergebnis, dass das Konzept der Berufsreifeprüfung erfolgreich imple-


mentiert wurde. Im Mai 1999 konnte bei anbietenden Einrichtungen in Österreich<br />

eine Teilnehmerzahl von 4.512 Personen verzeichnet werden. Eine Gliederung<br />

nach Bildungsabschlüssen zeigte, dass von den 4.512 Teilnehmern<br />

63 Prozent einen Lehrabschluss vorweisen konnten, die anderen Teilnehmer<br />

waren hauptsächlich Absolventen einer Berufsbildenden mittleren Schule.<br />

Der Frauenanteil lag bei 53 Prozent.<br />

Am 24. Jänner 2005 wurde das „Erfolgsmodell der Berufsreifeprüfung“ in<br />

einer Veröffentlichung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft<br />

und Kultur mit Zahlen untermauert. Waren es 1999 noch 4.512 Personen, die<br />

sich österreichweit auf die Berufsreifeprüfung vorbereiteten, so wurden im<br />

Jänner 2005 über 8.000 Personen verzeichnet. Ein Blick auf die vergangenen<br />

Jahre veranschaulicht, dass sich die Zahl der Teilnehmer kontinuierlich<br />

gesteigert hat.<br />

Über 50 Prozent Frauenanteil<br />

Von den 8.000 Personen, die sich zurzeit österreichweit auf die Berufsreifeprüfung<br />

vorbereiten, sind 54 Prozent Frauen. Dieses Resultat zeigt, dass<br />

sich der Frauenanteil im Vergleich zum Jahr 1999 kaum verändert hat. Daraus<br />

lässt sich schließen, dass die Berufsreifeprüfung in Österreich gerne von<br />

Frauen in Anspruch genommen wird.<br />

Eine geschlechtsspezifische Betrachtung in Hinblick auf regionale Gegebenheiten<br />

kann andere Geschlechterverteilungen hervorbringen. Obwohl<br />

gesamtheitlich gesehen die Frauen in Österreich die Nase vorne haben, sind<br />

in <strong>Tirol</strong> die geschlechtsspezifischen Vergleiche sehr männerlastig.<br />

Geschlechtsspezifische Vergleiche in <strong>Tirol</strong><br />

In <strong>Tirol</strong> wird die Berufsreifeprüfung vorwiegend vom <strong>Tirol</strong>er Berufsförderungsinstitut<br />

(BFI) und dem <strong>Tirol</strong>er Wirtschaftsförderungsinstitut (WIFI) angeboten.<br />

Das <strong>Tirol</strong>er Berufsförderungsinstitut (BFI) verzeichnet, betrachtet man<br />

BFI/Neuanmeldungen zur Berufsreifeprüfung<br />

<strong>Tirol</strong>er Jahr Neuanmeldungen, Neuanmeldungen, Neuanmeldungen<br />

Bildungsinstitut Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />

BFI 2002/03 157 62 (39) 95 (61)<br />

2003/04 218 102 (47) 116 (53)<br />

2004/05 227 112 (49) 115 (51)<br />

2005/<strong>06</strong> 256 117 (46) 139 (54)<br />

Frauenanteil bei Berufsreifeprüfung<br />

mehr als<br />

54 Prozent<br />

97


98<br />

Die vielen Biografien<br />

einer Frau<br />

1) Die Frühjahrsbuchungen von<br />

20<strong>06</strong> sind hier noch nicht<br />

berücksichtigt worden.<br />

die Jahre von 2002/03 bis 2005/<strong>06</strong>, zahlreiche Neuanmeldungen. Zwar<br />

nimmt beim BFI die Zahl der Neuanmeldungen bei Frauen jährlich zu, sie ist<br />

jedoch im Vergleich zu den jährlichen Neuanmeldungen bei Männern<br />

wesentlich geringer. Der jährliche Frauenanteil liegt, variierend je nach Jahr,<br />

immer unter 50 Prozent.<br />

Eine detaillierte Auflistung der Neuanmeldungen von Seiten des <strong>Tirol</strong>er Wirtschaftsförderunginstitutes<br />

liegt der <strong>AK</strong> nicht vor. Es ist anzunehmen, dass<br />

die jährlichen Neuanmeldungen im Vergleich zum <strong>Tirol</strong>er Berufsförderungsinstitut<br />

wesentlich geringer sind. Die unten angeführten Zahlen vom <strong>Tirol</strong>er<br />

Wirtschaftsförderungsinstitut geben lediglich Aufschluss über die seit<br />

2002/03 registrierten Personen. Diese Zahlen beinhalten sowohl Neuanmeldungen<br />

als auch bereits bestehende Anmeldungen und geben somit die Zahl<br />

der Teilnehmenden an. Der Frauenanteil ist hier, im Vergleich zum Anteil der<br />

Männer, wesentlich geringer.<br />

WIFI/Teilnehmende (Neuanmeldungen und bereits bestehende Anmeldungen)<br />

<strong>Tirol</strong>er AnmeldungenAnmeldungen Anmeldungen<br />

Bildungsinstitut Jahr Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />

WIFI 2002/03 155 43 (28) 112 (72)<br />

2003/04 259 83 (32) 176 (68)<br />

2004/05 240 86 (36) 154 (64)<br />

2005/<strong>06</strong> 1) 258 101 (39) 157 (61)<br />

Zahl der Absolventen der Berufsreifeprüfung<br />

In den Jahren 2001 bis 2003 haben österreichweit 1.879 Personen die<br />

Berufsreifeprüfung absolviert, davon waren 134 Personen (acht Prozent) aus<br />

<strong>Tirol</strong>. Bei den <strong>Tirol</strong>ern Absolventen wurde jeweils immer ein Frauenanteil von<br />

50 Prozent und mehr erreicht. Die <strong>Tirol</strong>erinnen stehen somit ihren männlichen<br />

Kollegen um nichts nach. Interessant erscheint auch der österreichweit<br />

geschlechtsspezifische Vergleich. Hier liegt der Frauenanteil in den Jahren<br />

2001 und 2002 über 50 Prozent.<br />

Bestandene Berufsreifeprüfungen<br />

<strong>Tirol</strong> Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />

2003 38 19 (50) 19 (50)<br />

2002 42 22 (52) 20 (48)<br />

2001 54 28 (52) 26 (48)<br />

Österreich Gesamt Frauen (in Prozent) Männer (in Prozent)<br />

2003 669 313 (47) 356 (53)<br />

2002 646 334 (52) 312 (48)<br />

2001 564 300 (53) 264 (47)<br />

Quelle: Statistik Austria, Prozentberechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Wege nach der Berufsreifeprüfung<br />

Wer die Berufsreifeprüfung in der Hand hat, hat grünes Licht für einen weiteren<br />

Bildungsweg. Was Frauen nach der Berufsreifeprüfung machen können,<br />

sollen folgende zwei Beispiele zeigen. Es handelt sich hierbei um konkrete<br />

Fälle aus der <strong>AK</strong>-Bildungsberatung.<br />

Martina B. ist eine von jenen Frauen, die sich für die Berufsreifeprüfung entschieden<br />

haben. Nicht nur das Interesse sich persönlich weiterzubilden,


sondern auch der Wunsch, sich beruflich zu verändern, motivierte sie zur<br />

Teilnahme an den Vorbereitungskursen für die Berufsreifeprüfung.<br />

In jungen Jahren hat sich Martina B. nicht viel Gedanken über ihre Ausbildung<br />

gemacht. Sie hat frühzeitig das Gymnasium in der 7. Klasse abgebrochen,<br />

anschließend eine Lehre als Bürokauffrau gemacht und Erfahrungen<br />

im Berufsleben gesammelt. Erst als sie in der Arbeitswelt stand, wurde ihr<br />

bewusst, wie wichtig es ist, sich weiterzubilden. Sie suchte zudem eine Herausforderung<br />

und neue berufliche Perspektiven. Mit 26 Jahren stand ihr Entschluss<br />

fest, die Berufsreifeprüfung zu machen. Nach eineinhalb Jahren<br />

hatte sie die Reifeprüfung in der Hand und zugleich neue Chancen. Die<br />

Chance nahm sie wahr, in dem sie sich beim MCI in Innsbruck für einen Studienplatz<br />

bewarb und prompt aufgenommen wurde.<br />

Heute ist Martina B. eine von jenen Studentinnen, die sich mittels der Berufsreifeprüfung<br />

einen höheren Bildungsweg ermöglicht haben. Sie hat es<br />

geschafft, die Ausbildung für Management und Recht am MCI berufsbegleitend<br />

zu besuchen und ist stolz auf ihren Werdegang. Sie ist froh, dass sie<br />

zuvor eine Lehre gemacht hat. Damals als Teenager wäre sie nicht bereit<br />

gewesen, bis zur Matura die Schulbank zu drücken. „Da hatte ich andere<br />

Sachen im Kopf und wollte einfach was Praktisches machen“, erzählt Martina<br />

heute.<br />

Ähnlich wie Martina B. ist es auch Sonja W. ergangen. Nach der Krankenpflegeschule<br />

und fünfjähriger Berufserfahrung im Gesundheitsbereich,<br />

wollte Sonja B. sich beruflich verändern. Sie hat von der Möglichkeit gehört,<br />

die Reifeprüfung in eineinhalb Jahren abzulegen und hat sich über die<br />

Berufsreifeprüfung bei der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> im Rahmen einer Bildungsberatung informiert.<br />

Nach einem aufschlussreichen Beratungsgespräch und der Möglichkeit<br />

auf eine Bildungsbeihilfe, hat sie den Entschluss gefasst, sich für die<br />

Vorbereitungskurse anzumelden. Diese Entscheidung hat sie nicht bereut.<br />

Heute ist Sonja W. Studentin der Universität Innsbruck.<br />

Engagierte Frauen und Männer<br />

So wie Martina B. und Sonja W. gibt es in <strong>Tirol</strong> zahlreiche engagierte Frauen,<br />

die nach der Berufsreifeprüfung einen weiteren Bildungsweg antreten. Es<br />

wurde exemplarisch für <strong>Tirol</strong> erhoben, wie viele Frauen und Männer mit der<br />

Zugangsvoraussetzung einer Berufsreifeprüfung sich in einer weiteren Ausbildung<br />

befinden. Dabei wurden folgende Bildungseinrichtungen hinsichtlich<br />

der Kriterien „Berufsreifeprüfung“ und „Geschlechterverteilung“ analysiert 1) :<br />

Die Fachhochschule Kufstein, das Institut für Sozialpädagogik in Stams, das<br />

Ausbildungszentrum West in Innsbruck und die Universität Innsbruck.<br />

In der Fachhochschule Kufstein haben sich vom November 2000 bis April<br />

2005 sechsundzwanzig Personen mit Berufsreifeprüfung in Ausbildung<br />

<strong>Tirol</strong>er Bildungs- Jahr Personen mit Personen mit Personen mit<br />

einrichtungen Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung,<br />

Gesamt Frauen (Prozent) Männer (Prozent)<br />

Fach- von<br />

hochschule November 2000 26 9 (35) 17 (65)<br />

Kufstein bis April 2005<br />

1) Eine idente Angabe der Jahre<br />

(2000-2005) bei den jeweiligen<br />

Bildungseinrichtungen ist<br />

nicht möglich, da die einzelnen<br />

Bildungseinrichtungen<br />

unterschiedliche Zeitdokumentationen<br />

aufweisen.<br />

99


100<br />

1) z.B.: Gymnasium für Berufstätige,<br />

ausländisches Reifeprüfungszeugnis;<br />

befunden. Mit einem Frauenanteil von 35 Prozent liegen die Frauen unter der<br />

Prozentzahl der Männer.<br />

Betrachtet man die jährlichen Neuanmeldungen des Institutes für Sozialpädagogik<br />

in Stams und des Ausbildungszentrums West in Innsbruck, so<br />

zeigt sich, dass bei den Neuanmeldungen der Absolventen mit Berufsreifeprüfung<br />

die Frauen überwiegen.<br />

Interessant sind die Ergebnisse der Universität Innsbruck. In den Jahren<br />

2002 bis 2004 ist ein Zuwachs an Studierenden, die die Berufsreifeprüfung<br />

vorweisen konnten, zu verzeichnen.<br />

<strong>Tirol</strong>er Bildungs- Jahr Personen mit Personen mit Personen mit<br />

einrichtungen Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung, Berufsreifeprüfung,<br />

Gesamt Frauen (Prozent) Männer (Prozent)<br />

Universität WS 2002 168 82 (49) 86 (51)<br />

Innsbruck WS 2003 228 103 (45) 125 (55)<br />

WS 2004 247 116 (47) 131 (53)<br />

Im Wintersemester 2004 waren es 247 Personen mit Berufsreifeprüfung, die<br />

sich in einem Studium befanden. Der Frauenanteil lag dabei bei 47 Prozent.<br />

Betrachtet man im Wintersemester 2004 die anderen Bildungsabschlüsse<br />

von Frauen und Männern, die an der Universität Innsbruck studieren, so lässt<br />

sich erkennen, welchen Bildungsabschluss vor allem die Studentinnen<br />

haben. Es zeigt sich dabei, dass der Frauenanteil bei den Bildungswegen<br />

„Oberstufenrealgymnasium“ und „Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche<br />

Berufe“ signifikant hoch ist. Eine Matura eines naturwissenschaftlichen<br />

Gymnasiums oder einer höheren technischen und gewerblichen Lehranstalt<br />

weisen mehrheitlich die männlichen Studenten vor. Zudem zeigt sich, dass<br />

die 247 Studierenden mit Berufsreifeprüfung zirka 1,3 Prozent von der<br />

Gesamtzahl der Studierenden an der Universität in Innsbruck ausmachen.<br />

WS 2004 /Zahl der Studierenden unter dem Gesichtspunkt<br />

der vorhergehenden Bildungswege<br />

Bildungswege Gesamt Männer Frauen<br />

Gymnasium 2.445 1.090 1.355<br />

Realgymnasium 2.158 1.254 904<br />

Oberstufenrealgymnasium 2.415 914 1.501<br />

Wirtschaftskundliches Realgymnasium 438 49 389<br />

Naturwissenschaftliches Realgymnasium 212 115 97<br />

Mathematisches Realgymnasium 20 16 4<br />

Höhere technische und gewerbliche Lehranstalt 1.681 1.307 374<br />

Handelsakademie 1.937 943 994<br />

Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe 836 36 800<br />

Berufsreifeprüfung 247 131 116<br />

Studienberechtigungsprüfung 560 266 294<br />

Sonstige Bildungswege 1) 6.675 - -<br />

Gesamt 19.624 9.473 10.151<br />

Informationen zur Berufsreifeprüfung<br />

Nähere Informationen zur Berufsreifeprüfung gibt es in der Bildungspolitischen<br />

Abteilung der Arbeiterkammer <strong>Tirol</strong>, Maximilianstraße 7, Innsbruck,<br />

Tel. 0 800 / 22 55 22-1515 oder auf der Homepage des Bundesministeriums<br />

für Bildung, Wissenschaft und Kultur (http://www.bmbwk.gv.at/schulen/<br />

recht/gvo/Bundesgesetz_ueber_die_B6431.xml)


<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />

101


102<br />

<strong>Lage</strong> der Konsumentinnen<br />

Zunächst ergeben sich diese Unterschiede bereits aus der Doppelbelastung<br />

Haushalt und Beruf und der schlechteren Einkommenssituation der Frauen.<br />

Betrachtet man einzelne Bereiche z.B. Versicherungen, so ist festzuhalten,<br />

dass es auch im Detail geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Bei KFZ-<br />

Versicherungen können sich zwar Frauen potenziell billiger versichern, gleiches<br />

gilt bei Risikolebensversicherungen, diese sind für Männer in der Regel<br />

teurer. Dagegen sind aber private Altersvorsorgeprodukte und Krankenversicherungen<br />

für Frauen üblicherweise teurer. Bislang mussten Frauen auch<br />

das „Geburtsrisiko“ alleine tragen. Erst eine EU-Richtlinie verbietet ausdrücklich,<br />

dass Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft<br />

auf keinen Fall zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen von<br />

Versicherungen führen dürfen. Diese EU-Richtlinie wird erst jetzt in Österreich<br />

umgesetzt. Eine generelle Gleichstellung im Zusammenhang mit dem<br />

Abschluss von Versicherungsverträgen ist noch immer nicht vorgesehen,<br />

obwohl dies die Richtlinie für Verträge, die nach dem 21. Dezember 2007<br />

neu abgeschlossen werden, grundsätzlich verlangt. Die Mitgliedstaaten<br />

müssen, wenn Ungleichbehandlungen auch weiterhin möglich sein sollten,<br />

regeln, dass proportionale Unterschiede bei den Prämien und Leistungen<br />

dann möglich sind, wenn sie auf relevanten und genauen versicherungsmathematischen<br />

und statistischen Daten beruhen. Genau diese Möglichkeit zur<br />

Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Versicherungsbereich wird<br />

derzeit vom österreichischen Gesetzgeber wahrgenommen. So werden<br />

Frauen auch im Bereich der privaten Altersvorsorge weiterhin benachteiligt<br />

werden, dadurch, dass ihre höhere Lebenserwartung sich in den höheren<br />

Kosten niederschlagen wird. Frau sein kann also durchaus als teurer<br />

bezeichnet werden, denn gerade bei den kostspieligen Versicherungsprodukten<br />

werden Frauen zusätzlich zur Kasse gebeten.<br />

Vorurteile nicht schüren<br />

Wie bereits ausgeführt, muss man jedoch beim Umgang mit dem Thema<br />

frauenspezifischer Konsumentenschutz beachten, dass man nicht Vorurteile


dahingehend pflegt, dass das Bild vom manipulierbaren Massenpublikum<br />

mehr für Frauen gilt als für Männer. Das Bild der durch Frauenzeitschriften<br />

manipulierten Konsumentin darf durch eine frauenspezifische Behandlung<br />

des Themas Konsumentenschutz in keinem Fall gefördert werden. Ein solcher<br />

Umgang mit dem Thema würde dem Selbstbild der Frauen auch nicht<br />

gerecht, wie die IMAD-Umfrage im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> von November 2005<br />

zur Situation der Frauen in <strong>Tirol</strong> bestätigt. Dieser Studie zu Folge sind Frauen<br />

beispielsweise im gleichen Ausmaß im Grundbuch für das gemeinsame<br />

Heim eingetragen wie Männer. Auch beim Abschluss von Hauptmietverträgen<br />

hält sich das Verhältnis Mann-Frau die Waage. Urlaubskosten werden<br />

von 48 Prozent der Befragten zu gleichen Teilen getragen. Das BTV-Finanzbarometer<br />

vom Mai 2005 bestätigt diese Zahlen: Danach befassen sich<br />

immer mehr Frauen auch mit wirtschaftlichen Themen und stehen insoweit<br />

den Männern kaum nach. Gleiches gilt bei der Beschäftigung mit Geld und<br />

Finanzen und der Zuständigkeit für finanzielle Angelegenheiten in der Familie.<br />

Dennoch sind die vorhandenen Geschlechterunterschiede eine Tatsache<br />

und dürfen im Zusammenhang mit Konsumentenpolitik nicht unberücksichtigt<br />

bleiben. Diese Überlegungen zielen auf die Möglichkeiten der Konsumentenpolitik<br />

vor dem Hintergrund soziologischer Aspekte ab.<br />

Die Beratungspraxis der Rechts- und Konsumentenpoltischen Abteilung der<br />

<strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> belegt ebenfalls eine geschlechtsspezifische Verteilung von Problembereichen,<br />

dort wo sich Konsumentenschutz mit den juristischen<br />

Belangen der Konsumenten befasst. Auf diese Themen wird im Folgenden<br />

näher eingegangen. Gründe für eine Unterscheidung sind wohl in der<br />

Beschäftigungssituation, den damit verbundenen finanziellen Möglichkeiten<br />

und der Aufteilung familiärer Pflichten zu finden. Daraus ergibt sich im Rahmen<br />

der folgenden Erörterung das Eingehen auf geschlechtsspezifische<br />

Unterschiede.<br />

Ethischer Konsum als Frauenthema<br />

In der überwiegenden Anzahl der Familien ist noch immer die Frau für den<br />

täglichen Einkauf hauptsächlich zuständig. Fragen ethischen Konsums lassen<br />

sich daher durchaus über Frauenkonsum transportieren. Beobachtet<br />

man beispielsweise spezielle Verkaufsaktionen von 3. Welt Läden, wird man<br />

feststellen, dass sich überwiegend Frauen von derartigen Aktionen angesprochen<br />

fühlen. Frauen werden massiv mit den Auswirkungen der Globalisierung<br />

im Zusammenhang mit ihrem Konsumverhalten konfrontiert. Dies gilt<br />

nicht nur beim Einkauf von Lebensmitteln, bei dem sie die Wahl zwischen<br />

neuseeländischen Birnen im Winter oder heimischen Äpfeln bzw. ägyptischen<br />

Frühkartoffeln oder heimischen Winterkartoffeln im Februar haben.<br />

Auch im Bereich des Textilienkaufes, der derzeit so günstig wie nie ist, ist<br />

Frau in vielen Fällen gefordert. Es ist davon auszugehen ist, dass jedenfalls<br />

der eigene Textilkonsum und jener der Kinder eher im Bereich der weiblichen<br />

Verantwortung liegen. Hier ist die Frage aufzuwerfen, um welchen „Preis“<br />

Textilien so günstig wie nie erworben werden. In China werden die Textilien<br />

unter Bedingungen hergestellt, die nur mit moderner Sklaverei bezeichnet<br />

werden können, zumeist von Frauen mit einem Monatslohn von unter 30<br />

Frauen sind hauptsächlich<br />

für den täglichen<br />

Einkauf zuständig<br />

103


104<br />

Mehr Transparenz und<br />

bessere Kennzeichnung<br />

bei Lebensmitteln<br />

Euro. Diese Frauen bekommen also für ihre Arbeit nicht einmal einen Euro<br />

pro Tag und dennoch werden derartige Sklavenhalterstaaten noch mit<br />

Zuschüssen von der Weltbank belohnt und von hochrangigen, meist männlichen<br />

Politikern und Wirtschaftskapitänen umgarnt. In diesem Zusammenhang<br />

hätten Konsumentinnen die Möglichkeit, ihre Marktmacht zu nutzen.<br />

Gerade Frauen müssten sich die Frage stellen, ob sie sich diesen Fakten<br />

wirklich verschließen wollen, aus Bequemlichkeit oder falsch verstandener<br />

Sparsamkeit. Dieses Konsumverhalten geht nämlich zu Lasten der eigenen<br />

wirtschaftlichen Sicherheit, Arbeitsplätze im europäischen Raum werden<br />

durch diese Art von Konsum vernichtet.<br />

Lebensmittel – Ernährung – Nachhaltigkeit<br />

Wenn es um bewusstes Konsumverhalten oder eine nachhaltige Ernährung<br />

geht, weitet sich die Haus- und Versorgungsarbeit durch den Anspruch an<br />

eine nachhaltige Alltagsökologie, immer weiter aus. Noch immer sind das<br />

Aufgaben, die vor allem durch bestehende Rollenklischees im Verantwortungsbereich<br />

der Frauen liegen.<br />

Dabei wird erwartet, dass eine permanente Fortbildung in Sachen Lebensmittel,<br />

Produktqualität oder der aktuellsten Lebensmittelkennzeichnung<br />

erfolgt. Der Alltag ist für viele Verbraucher, insbesondere für Frauen zwischen<br />

Beruf und Familie, durch die markt- und verbraucherpolitischen Strategien,<br />

die auf eine Verhaltensänderung der Konsumenten oder „der Haushalte“<br />

abzielen, noch komplizierter geworden.<br />

Nur wenn es mehr Transparenz und eine bessere Kennzeichnung bei<br />

Lebensmitteln gibt, kann ein Verbraucher entscheiden, ob er für hohe<br />

Lebensmittelqualität oder nachhaltig erzeugte Produkte ganz bewusst ein<br />

wenig mehr zu bezahlen bereit ist.<br />

Für einen wirksamen Konsumentenschutz ist es aus der Sicht der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

erforderlich, dass es transparente Märkte gibt. Die Informationsdefizite (z.B.<br />

Produktionsmethoden von Lebensmitteln, Herkunft der Rohstoffe) sollten<br />

neben besserer Kennzeichnung auch dadurch verbessert werden, dass<br />

mehr Marktbeobachtung insbesondere durch die Errichtung einer zentralen<br />

Beobachtungsstelle, die die Preisauszeichnung, Warenkennzeichnung und<br />

insbesondere die Einhaltung aller lebensmittelrechtlichen Bestimmungen zu<br />

überprüfen hätte.<br />

Darüber hinaus ist es in Zukunft notwendig, eine verbraucherspezifische Bildung<br />

in Schulen einzuführen (z.B. verpflichtender Unterrichtsgegenstand,<br />

Verbraucherbildung in Schulen).<br />

Patientenrechte<br />

Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Gesundheitswesen ist<br />

zumindest im verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot festgelegt und soll<br />

den gleichberechtigten Zugang zum Gesundheitssystem ermöglichen. Dennoch<br />

gibt es diskriminierende Faktoren im Gesundheitsbereich. Ein Beispiel<br />

für Defizite des Gesundheitssystems, die im erheblichen Maße Frauen<br />

betreffen, ist die mangelhafte Versorgung von Frauen bezüglich Herz-Kreis-


lauf-Erkrankungen. Die Symptome für einen Herzinfarkt sind bei Frauen subtiler<br />

als bei Männern und werden deswegen häufig nicht ernst genommen<br />

und/oder werden falsch diagnostiziert.<br />

Bei der Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wegen eines Behandlungsfehlers<br />

sind sowohl Frauen als auch Männer mit zahlreichen Problemen<br />

konfrontiert. Bei einem Konflikt mit einem Arzt oder Krankenhaus sind Verbraucher<br />

grundsätzlich auf Anwälte oder dafür vorgesehene Einrichtungen<br />

(z. B. Patientenvertretung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> oder Patientenanwaltschaft) angewiesen,<br />

um zu ihrem Recht zu kommen.<br />

Einerseits geht es um eine Stärkung der Patientenrechte bei ärztlichen<br />

Behandlungsfehlern und andererseits um die Erleichterung der Durchsetzung<br />

der Ansprüche.<br />

Ein zentrales Problem ist noch immer die Frage, wer bei einem Behandlungsfehler<br />

den Zusammenhang zwischen einem gesundheitlichen Schaden<br />

und dem Kunstfehler beweisen muss.<br />

In der Regel obliegt dieser Beweis dem geschädigten Patienten, der auch zu<br />

beweisen hat, dass ein Verstoß gegen die ärztliche Kunst vorliegt.<br />

Da aber die Entscheidung über diese Fragen und über die Frage, ob eine<br />

Beweislastumkehr besteht, von der Wertung des Gerichts abhängt, sind<br />

Prozessverlauf und Prozesskostenrisiko vor Beginn eines Gerichtsverfahrens<br />

für die Patienten meist nicht abschätzbar.<br />

Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert daher, dass die Rechtsunsicherheit bei Behandlungsfehlern<br />

beseitigt werden muss. Geschädigte Patienten müssen durch eine Neuregelung<br />

der Beweislast besser gestellt werden. Bei einem gutachterlich<br />

festgestellten Behandlungsfehler sollte zukünftig der Arzt (Krankenhaus)<br />

nachweisen, dass dieser Fehler nicht zu den Gesundheitsschäden geführt<br />

hat.<br />

Schiedsstelle auch für niedergelassene Ärzte<br />

Grundsätzlich wird von den meisten geschädigten Patienten eine außergerichtliche<br />

Regelung angestrebt.<br />

In <strong>Tirol</strong> steht hierfür eine Schiedsstelle in Arzthaftpflichtfragen bei der Ärztekammer<br />

für <strong>Tirol</strong> zur Verfügung. Diese ist bei Behandlungsfehlern, die in<br />

Krankenhäusern durch Ärzte verursacht werden, anzurufen. Ein diesbezüglicher<br />

Antrag bei der Schiedsstelle führt auch zu einem entsprechenden<br />

außergerichtlichen Schiedsverfahren. Niedergelassene Ärzte, die einen<br />

Behandlungsfehler verursacht haben, sind jedoch nicht verpflichtet, sich<br />

einem Verfahren vor dieser Schiedsstelle zu unterziehen, es muss vielmehr<br />

eine Zustimmung dieses Arztes für ein außergerichtliches Verfahren erst eingeholt<br />

werden. Im Falle der Ablehnung durch den Verursacher (Arzt), ist der<br />

geschädigte Patient ausschließlich auf den Zivilrechtsweg angewiesen, mit<br />

den oben dargestellten Prozess- und Kostenrisiken sowie den Beweisproblemen.<br />

Es wird daher von der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> gefordert, dass auch niedergelassene Ärzte<br />

verpflichtet werden, sich an einem außergerichtlichen Verfahren zu beteiligen,<br />

falls der Patient eine außergerichtliche Schadensregulierung wünscht.<br />

Rechtsunsicherheit bei<br />

Behandlungsfehlern<br />

105


1<strong>06</strong><br />

Frauen übernehmen<br />

häufiger Bürgschaften –<br />

Mit oftmals fatalen<br />

Folgen<br />

Bürgen soll man würgen<br />

Übernahme von Bürgschaften<br />

Die Übernahme von Bürgschaften stellt nach wie vor ein Problem dar, das<br />

nach der IMAD-Umfrage im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> vom November 2005 zur<br />

Situation der Frauen in bedeutend größerem Ausmaß Frauen betrifft als<br />

Männer. Es stellt sich die Frage wieso Frauen häufiger als Männer bürgen.<br />

Frauen haben vermeintlich schlechtere Bonität<br />

Angehörige als Bürgen stehen in einem Naheverhältnis zum Kreditnehmer.<br />

Ihre freie Entscheidung, sich dem Wunsch nach der Übernahme einer Bürgschaft<br />

zu widersetzen, ist häufig durch das Risiko, die persönlichen Beziehungen<br />

zu belasten, beeinträchtigt. Dazu tritt die Hoffnung, dass das bisher<br />

erwiesene Vertrauen in den Partner auch weiterhin erhalten bleibt.<br />

Eine Erklärung, dass Frauen öfter als Männer für Bürgschaften in Anspruch<br />

genommen werden könnte darin liegen, dass aufgrund ihres häufig geringeren<br />

Einkommens und damit geringerer Bonität eher der Mann als Kreditnehmer<br />

auftritt, während die Frau zur Absicherung der Zahlungsverpflichtungen<br />

des Mannes herangezogen werden soll, was jedoch bei richtiger rechtlicher<br />

Betrachtung der fast immer anzutreffenden Bürgen- und Zahlerhaftung vollkommen<br />

bedeutungslos ist, da die Risiken gleich sind.<br />

Entwicklung der Rechtsprechung<br />

Der geringere Anteil an Bürgschaftsübernahmen durch Jüngere, wie sie sich<br />

aus der <strong>AK</strong>-Umfrage ergeben, dürfte nicht zuletzt eine Erklärung in der Entwicklung<br />

der Rechtslage, sowohl was die Gesetze, aber insbesondere was<br />

die Rechtsprechung in den vergangenen zehn Jahren anbelangt, finden.<br />

Diese dürfte zu größerer Vorsicht der Banken und Sparkassen geführt<br />

haben. Das Problembewusstsein für die so genannten Angehörigenbürgschaften<br />

erfuhr eine Steigerung Mitte der neunziger Jahre, als der deutsche<br />

Bundesgerichtshof infolge einer Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichteshofes<br />

die Bürgschaftsübernahme eines finanzschwachen<br />

Angehörigen für sittenwidrig erklärte. Auch der OGH hat sich den Argumenten<br />

der deutschen Rechtsprechung nicht verschlossen und in einer Leitentscheidung<br />

1995 eine Reihe von Kriterien festgelegt, die es zulassen, trotz<br />

des Bestehens der Vertragsfreiheit in der österreichischen Rechtsordnung,<br />

derartige vertragliche Vereinbarungen als sittenwidrig und nichtig zu beurteilen.<br />

Kriterien sind in diesem Zusammenhang die inhaltliche Missbilligung der<br />

Bürgschaftsvereinbarung und der Umstände des Zustandekommens wegen<br />

so genannter verdünnter Entscheidungsfreiheit, der fehlende Eigennutz des<br />

Bürgen, seine wirtschaftliche Unerfahrenheit, die Sinnlosigkeit der Haftung<br />

eines Vermögenslosen für die Schuld des Dritten, die Erkennbarkeit, dass<br />

der eigentliche Schuldner seiner Verpflichtung nicht wird nachkommen können<br />

oder ein grobes Missverhältnis zwischen dem Leistungsvermögen und<br />

der übernommenen Verpflichtung.<br />

Gesetzgeberische Maßnahmen<br />

Fast parallel zu dieser Entwicklung fanden sich auch Versuche des Gesetzgebers,<br />

das Problem Bürgschaft durch die Ausdehnung der bereits beste-


henden Regeln der § 98 Ehe-Gesetz (EheG) bzw. § 31 a Konsumentenschutz-Gesetz<br />

(KSchG) in den Griff zu bekommen. § 98 EheG hält fest, dass<br />

dann, wenn entweder im Zuge der Scheidung durch das Gericht oder durch<br />

vertragliche Vereinbarung der Ehegatten bestimmt wurde, wer im Innenverhältnis<br />

für gemeinsam aufgenommene Schulden haftet, das Gericht auf<br />

Antrag und mit Bindungswirkung für den Gläubiger festzustellen hat, dass<br />

derjenige, der im Innenverhältnis zur Zahlung verpflichtet ist, als Hauptschuldner,<br />

der andere hingegen „nur“ als Ausfallsbürge haftet. Letzterer<br />

kann, vereinfacht gesagt, erst in Anspruch genommen werden, wenn der<br />

begehrte Betrag trotz Zwangsvollstreckungsversuchen gegen den Hauptgläubiger<br />

nicht in angemessener Frist hereingebracht werden kann. Eine<br />

weitere Informationspflicht legt der ehemalige § 31 KSchG, nunmehr § 25 a<br />

KSchG, den Unternehmern auf, die Kredite an Ehegatten, die Verbraucher<br />

sind, gewähren: Sie haben mittels Übergabe einer Urkunde zu belehren,<br />

dass dann, wenn die Ehegatten solidarisch haften, jeder Schuldner in beliebiger<br />

Reihenfolge in Anspruch genommen werden kann, dass die Haftung<br />

bei Scheidung aufrecht bleibt und dass nur das Gericht die Haftung eines<br />

der Partner auf eine Ausfallsbürgschaft einschränken kann.<br />

Für vertragliche Vereinbarungen nach dem 31. Dezember 1996 wurde die<br />

Informationspflicht für Unternehmen, deren Unternehmensgegenstand die<br />

Gewährung oder Vermittlung von Kreditverträgen ist, unter anderem so erweitert,<br />

dass der Unternehmer auf die wirtschaftliche <strong>Lage</strong> des Schuldners hinzuweisen<br />

hat, wenn er erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine<br />

Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird.<br />

Unterlässt der Unternehmer dies, muss der Bürge nur zahlen, wenn er auch<br />

bei Kenntnis der genannten Umstände die Bürgschaft übernommen hätte.<br />

Richterliches Mäßigungsrecht<br />

Nach § 25 d KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit des Bürgen auch<br />

mäßigen oder erlassen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände es zu<br />

einem unbilligen Missverhältnis zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit<br />

des Bürgen und dessen Verbindlichkeit kommt. Dies allerdings nur dann,<br />

wenn die Umstände für das Missverhältnis bei der Begründung der Verbindlichkeit<br />

für den Gläubiger erkennbar waren. Außerdem ist das Interesse des<br />

Gläubigers an der Begründung der Haftung des Bürgen, das Verschulden<br />

des Bürgen am Eintreten jener Umstände, die das Missverhältnis begründet<br />

haben, der Nutzen des Bürgen und die – verkürzt – Abhängigkeit des Bürgen<br />

vom Schuldner zu berücksichtigen. Leider wird von dieser Möglichkeit in<br />

der Praxis selten Gebrauch gemacht.<br />

Es sind die Lebensumstände, die Bürgschaften für Frauen besonders risikoreich<br />

machen. Wenn Bürgschaften schlagend werden, entsteht ein Problem,<br />

das für Frauen viel schwerer zu bewältigen ist als für Männer. Es sind<br />

durch die nach wie vor herrschenden Strukturen bei der Aufteilung familiärer<br />

Pflichten gerade Frauen diejenigen, die sich in überwiegendem Maße der<br />

Kindererziehung widmen. Die Notwendigkeit der Versorgung des Kleinkindes<br />

durch die Mutter in den ersten Lebensmonaten nimmt die Entscheidung,<br />

wer Karenzurlaub in Anspruch nimmt und wer zugunsten der Kindererziehung<br />

seine berufliche Tätigkeit aufgibt, häufig vorweg. Dazu kommt, dass im<br />

Regelfall auch der Mann mehr verdient als die in gleicher Tätigkeit beschäf-<br />

Bei Trennung und<br />

Scheidung kommen<br />

die Probleme<br />

107


108<br />

Private Pensionsvorsorge<br />

wegen niedriger<br />

Einkommen für die<br />

meisten Frauen<br />

unerschwinglich<br />

tigte Frau verdienen würde, wodurch der wirtschaftliche Aspekt auf die<br />

Frage der Kinderbetreuung durchschlägt. Der in der Folge auftretende Mangel<br />

an beruflicher Weiterbildung und Erfahrung führt dazu, dass Frauen mit<br />

Kindern in das Berufsleben schwerer eingegliedert werden können als Männer<br />

und der Kinder wegen oft über Jahre örtlich und zeitlich unflexibel sind.<br />

Tritt nun zu dieser Situation die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft<br />

hinzu, ist schon bei kleineren Kreditbeträgen schnell die Grenze der Leistungsfähigkeit<br />

überschritten. Dies umso mehr, wenn partnerschaftliche Differenzen,<br />

Krankheit oder sonst nicht vorhersehbare oder nicht vorhergesehene<br />

Umstände das Geschehen beeinflussen.<br />

Altersvorsorge<br />

Die Sicherung des Lebensstandards im Alter beruht in Österreich auf den<br />

drei Säulen staatliche, betriebliche und private Vorsorge.<br />

Unabhängig davon, wie im Einzelnen Vorsorge betrieben wird, ist die Qualität<br />

der Altersvorsorge in erster Linie vom zur Verfügung stehenden Einkommen<br />

während des Erwerbslebens abhängig. Als unstrittig darf die Tatsache angesehen<br />

werden, dass es immer noch zum Teil eklatante Einkommensunterschiede<br />

zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bei gleicher Tätigkeit<br />

gibt. Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass ceteris paribus<br />

Arbeitnehmerinnen für eine vergleichbare private Pensionsvorsorge einen<br />

relativ höheren Teil des Arbeitseinkommens aufwenden müssen.<br />

Gerade Frauen der unteren Einkommensschichten stoßen dabei sehr bald<br />

an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten und müssen bereits während<br />

ihres Berufslebens erhebliche finanzielle Abstriche zu Gunsten einer Zusatzpension<br />

in Kauf nehmen.<br />

Die IMAD-Umfrage der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat ergeben, dass Frauen häufiger der<br />

Ansicht sind, abgesehen von der Pension des Partners und der privaten Vorsorge,<br />

zukünftig keinen eigenen (staatlichen) Pensionsanspruch zu haben.<br />

Beinahe jede fünfte befragte Frau geht sogar davon aus, sicher keinen derartigen<br />

Anspruch zu haben bzw. in Zukunft zu erwerben.<br />

Dennoch antworteten auf die Frage „Sind Sie der Ansicht, dass Sie für die<br />

Pension bzw. fürs Alter ausreichend abgesichert sind“ Frauen in etwa gleich<br />

häufig mit „Ja“ wie Männer. Dies legt die Vermutung nahe, dass Frauen in<br />

stärkerem Ausmaß auf die Pension des Partners bzw. auf die eigene private<br />

Altersvorsorge angewiesen sind.<br />

Vor allem junge Arbeitnehmer unter 25 Jahre oder über 60jährige, Hausfrauen<br />

sowie in Ausbildung befindliche und Personen mit einem Haushaltseinkommen<br />

bis 1.500 Euro haben bislang noch nicht in eine eigene private<br />

Altersvorsorge investiert (Quelle: BTV-Finanzbarometer).<br />

Insgesamt sind lediglich knapp mehr als die Hälfte der befragten Männer<br />

und Frauen der Ansicht, dass sie für die Pension bzw. das Alter ausreichend<br />

abgesichert sind und ihnen genug finanzielle Mittel zur Verfügung stehen<br />

werden. Fast jeder dritte Befragte ist der Meinung, über keine ausreichende<br />

Vorsorge zu verfügen.


Ausreichend abgesichert fühlen sich vor allem über 60jährige, Pensionisten,<br />

Selbstständige und Beamten, Personen, die allein ohne Kind oder in Ehe /<br />

Lebensgemeinschaft ohne Kind wohnen und Befragte mit einem monatlichen<br />

Netto-Haushalts-Einkommen von mehr als 2.200 Euro.<br />

Nicht ausreichend abgesichert fühlen sich bis 40jährige, Arbeitsuchende,<br />

Befragte, die alleine mit Kind wohnen und Befragte in Wohngemeinschaften<br />

sowie Personen mit einem monatlichen Netto-Haushalts-Einkommen bis<br />

1.100 Euro.<br />

Insgesamt lässt die Umfrage den Schluss zu, dass sich Frauen insgesamt<br />

mehr um die Zukunft der sozialen Absicherung bei Arbeitslosigkeit, Krankheit<br />

und Pension sorgen als Männer. Dieser Umstand dürfte mit der derzeit<br />

immer noch in den meisten Berufsbranchen bestehenden Einkommenskluft<br />

zwischen Frauen und Männern und der damit einhergehenden geringeren<br />

finanziellen Beitragsleistung der Frauen zu privater Vorsorge begründet<br />

sein.<br />

Schuldenfalle Fernabsatz<br />

Fernabsatz ist ein Marktsegment, das immer mehr Bedeutung gewinnt. Es<br />

ist evident, dass gerade Frauen beim Fernabsatz eine sehr stark umworbene<br />

Zielgruppe darstellen, was dazu führt, dass Frauen eher mit konsumentenrechtlichen<br />

Problemen, die sich aus diesem Segment ergeben, konfrontiert<br />

sind als Männer.<br />

Als eine gerade für Frauen typische Verschuldensfalle stellen sich dabei die<br />

Kaufangebote der Versandhäuser dar. Diese vermitteln sowohl in Katalogen<br />

als auch im Internet in schillernden Farben oft genug das Motto „heute<br />

bestellen und irgendwann später bezahlen“. Derartige Vertragsabschlüsse<br />

bergen aber die große Gefahr in sich, dass so mancher das Haushaltsbudget<br />

schnell nicht mehr unter Kontrolle hat und Haushaltsschulden stetig<br />

anwachsen. Wird mehr gekauft als das Haushaltsbudget ermöglicht, werden<br />

Schulden aufgebaut, die irgendwann nicht mehr bewältigt werden können.<br />

Verrechnungskonten<br />

Auch für den aufmerksamen Konsumenten kommt es gerade im Versandsektor<br />

immer wieder zu intransparenten Situationen. Eine Gefahr sind Dauerverrechnungskonten,<br />

bei denen Konsumenten von einem bestimmten Einkaufsrahmen<br />

Gebrauch machen können. Dabei werden Bestellungen auf ein<br />

Konto belastet, für das laufend Rückzahlungen zu leisten sind. Allzu oft wird<br />

dann übersehen, dass diese Konten in der Regel relativ schlechte Konditionen<br />

mit hohen Zinsen bieten. Noch dazu ist in vielen Fällen keine jährliche<br />

Verzinsung, sondern für den Konsumenten eine ungünstigere vierteljährliche<br />

oder sogar monatliche Zinsbelastung vorgesehen. Viele Konsumentinnen<br />

verlieren bei solchen Konten sehr schnell den Überblick und häufig kommt<br />

es dann zu Rückzahlungsproblemen.<br />

Ratenzahlung<br />

Es gibt zwar eine Reihe von speziellen Anforderungen an das Abzahlungsgeschäft<br />

wie den Ratenbrief, der im Konsumentenschutzgesetz (KSchG)<br />

Frauen sorgen sich mehr<br />

um eigene soziale<br />

Absicherung bei<br />

Krankheit,<br />

Arbeitslosigkeit und<br />

Pension<br />

Katalogbestellung eine<br />

häufige Schuldenfalle<br />

109


110<br />

Oft hohe Inkassokosten<br />

genau geregelt ist. Es ist aber wichtig festzuhalten, dass die Rechtswirksamkeit<br />

des Abzahlungsgeschäftes leider von der Errichtung des Ratenbriefes<br />

unabhängig ist. Der Ratenbrief erfüllt für die Konsumenten wichtige Informationspflichten<br />

und ist eine schriftliche Dokumentation über den Vertragsinhalt<br />

eines Abzahlungsgeschäftes. Das entspricht auch dem Bedürfnis des<br />

Konsumenten, da gerade durch die Teilzahlungspflicht eine besondere<br />

Schutzbedürftigkeit besteht. Leicht wird übersehen, dass das zu leistende<br />

Gesamtentgelt fast immer sehr deutlich über dem Barzahlungspreis liegt.<br />

Eine Schutzmaßnahme stellt die Pflicht zur Leistung einer Anzahlung spätestens<br />

bei der Übergabe der Sache dar, die bei einem Barzahlungspreis von<br />

220 Euro oder darunter zumindest 10 Prozent und darüber 20 Prozent des<br />

Barzahlungspreises betragen muss. Dennoch bieten diese Bestimmungen<br />

des KSchG keinen abschließenden Schutz vor übereilten Vertragsabschlüssen<br />

und vor unüberlegten Belastungen des Einkommens. Das wird besonders<br />

schlagend, wenn mehrere derartige Verbindlichkeiten mit Versandhäusern<br />

eingegangen werden und gleichzeitig mangels sorgfältiger Erstellung<br />

eines Haushaltsplanes die Einnahmen- und Ausgabensituation langfristig<br />

verkannt wird.<br />

Zahlungsschwierigkeiten<br />

Kann eine Forderung nicht mehr gezahlt werden, sollte möglichst rasch versucht<br />

werden, mit dem Versandhaus eine Vereinbarung hinsichtlich Ratenzahlung<br />

oder Stundung zu treffen. Derartige Forderungen werden sonst relativ<br />

rasch an Inkassobüros weitergeleitet. Es ist ein weit verbreiteter Glaube,<br />

dass ein Unternehmen mehrmals mahnen müsste, bevor es sich eines<br />

Inkassobüros bedienen kann oder eine Klage einreicht. Das Problem dabei<br />

ist, dass der Schuldner zusätzlich zu den Forderungsbeträgen aus Rechnungen<br />

und Mahnungen mit oft sehr hohen Inkassokosten belastet wird. Seit<br />

1. August 2002 gibt es eine gesetzliche Regelung, die unter anderem auch<br />

bezweckt, die Unsicherheit darüber zu beseitigen, in welcher Höhe Inkassokosten<br />

vom Konsumenten zu bezahlen sind. Voraussetzung dafür ist natürlich<br />

immer, dass die geltend gemachte Forderung überhaupt besteht und<br />

sich der Schuldner im Zahlungsverzug befindet, dass er also trotz Fälligkeit<br />

nicht rechtzeitig gezahlt hat. Zu ersetzen sind nur solche Kosten, die für notwendige<br />

und zweckmäßige Betreibungsmaßnahmen entstanden sind und<br />

die in einem angemessenen Verhältnis zur geltend gemachten Hauptforderung<br />

stehen. Oft machen Mitarbeiter von Inkassobüros sogar persönliche<br />

Hausbesuche, allerdings ist man nicht verpflichtet, diese Personen in die<br />

Wohnung zu lassen.<br />

In der Beratung der Rechts- und Konsumentenpolitischen Abteilung ist aufgefallen,<br />

dass Konsumentinnen immer wieder eingeschüchtert werden.<br />

Gerade vor diesem Hintergrund soll man auf keinen Fall etwas unterschreiben<br />

über dessen Inhalt man sich nicht vollständig im Klaren ist. So wird<br />

regelmäßig die Vereinbarung einer Ratenzahlung von der Unterfertigung<br />

eines Anerkenntnisses über die Hauptforderung und über die Inkassokosten<br />

abhängig gemacht. Das erscheint unter dem großen finanziellen Druck, der<br />

auf dem Schuldner lastet, sehr bedenklich, da die Inkassokosten oft überhöht<br />

sind.


Modellagenturen<br />

Aus der Einkommenssituation der Bevölkerung resultierend sind nicht<br />

wenige Frauen auf der Suche nach einem Nebeneinkommen, um das<br />

Gesamthaushaltseinkommen aufzubessern. Dabei mussten die Konsumentenschützer<br />

in ihrer täglichen Beratung feststellen, dass es immer mehr Firmen<br />

gibt, die Nebenerwerbstätigkeiten oder deren Vermittlung nur zum eigenen<br />

finanziellen Vorteil betreiben. Den Interessenten werden vielfach ohnedies<br />

knappe Mittel aus der Tasche gezogen. Zum Teil wird mit den Wünschen<br />

und Träumen von Frauen und Mädchen, aber auch zunehmend<br />

Männern, gespielt, indem ihnen eine Modellkarriere schmackhaft gemacht<br />

wird. Dies erfolgt meist mittels Anzeigen auch in Jugendzeitschriften. Es wird<br />

nach „interessanten und ausdrucksstarken“ sowie „hübschen und markanten“<br />

Gesichtern für Prospekt- und Katalogfotos, Filmproduktionen und Werbeaufnahmen<br />

gesucht. Wer sich auf ein derartiges Inserat hin meldet, wird<br />

zu einem Castingtermin gelockt, bei dem allenfalls einige Fotos gemacht<br />

werden. Wenig später erhält man eine Verständigung, dass man als Werbemodell<br />

sehr gut geeignet sei. Dann muss man jedoch für die Erstellung eines<br />

Registrierungsformulars, einer Setcard oder einer Internetpräsentation 280<br />

bis 510 Euro als Vorauszahlung leisten, wovon in den Inseraten in aller Regel<br />

keine Rede ist. In den meisten Fällen werden so Hoffnungen auf eine Modellkarriere<br />

geweckt und die Betroffenen lassen sich in Erwartung eines Nebenverdienstes<br />

auf derartige Verträge ein. Die vielen Beschwerden im Zusammenhang<br />

mit Firmen, die diese Praxis anwenden, zeigen allerdings, dass die<br />

meisten potenziellen Modells nie wieder von den Geschäftspartnern hören<br />

und auch der gewünschte Nebenverdienst ausbleibt. Aus rechtlicher Sicht<br />

handelt es sich bei den entsprechenden Verträgen meist um raffinierte juristische<br />

Vertragskonstrukte, aus denen die Firmen keine Vermittlungstätigkeit<br />

schulden, sondern nur eine Internetpräsentation oder die Erstellung einer<br />

einfachen Fotokarte, der so genannten Setcard. Eben nur diese Leistungen<br />

werden üblicherweise auch erbracht.<br />

Professionelle Models geben an, keine Vorkasse leisten zu müssen. Vielmehr<br />

werden allfällige Anfangskosten, Vermittlungskosten und Spesen von den<br />

laufenden Gagen in Abzug gebracht.<br />

Telefonkosten als Schuldenfalle<br />

Immer wieder stellen sich Telefonrechnungen als Schuldenfalle heraus.<br />

Dabei handelt es sich jedoch weniger um ein geschlechtsspezifisches Problem.<br />

Eher geht es dabei um ein altersspezifisches Problem, wie sich in der<br />

Beratung zeigt. Besonders junge Menschen geben als Grund für Schulden<br />

Telefon- bzw. Handyrechnungen an. Doch wo genau liegen diese Schuldenfallen?<br />

In der Beratungspraxis haben sich mehrere Ursachen gezeigt:<br />

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Markt für Telefonie verändert wie<br />

kaum ein anderer, es gibt laufend neue technische Entwicklungen und Produktgestaltungen.<br />

Dies führt dazu, dass Konsumenten schwer aktuelle Entwicklungen<br />

und den Überblick über den Markt behalten können.<br />

Grundgebühr und Mindestvertragsdauer<br />

Mit Ausnahme des Telefonierens mit Wertkarten haben praktisch alle Ver-<br />

Modellagenturen: Frauen<br />

auf der Suche nach<br />

Nebenjobs<br />

Telefonrechnungen als<br />

Schuldenfalle<br />

111


112<br />

Unklare Forderungen<br />

über mehrere 100 Euro<br />

träge eine Mindestdauer. Die Grundgebühr für diese Dauer ist in jedem Fall –<br />

auch bei vorzeitiger Kündigung – zu bezahlen. Gegebenenfalls ist bei vorzeitiger<br />

Kündigung auch noch eine Gebühr für das im Vertrag enthaltene Handy<br />

zu bezahlen. Manchem Konsumenten ist nicht bewusst, dass mit dem<br />

Abschluss eines Mobilfunk-Vertrages eine Verbindlichkeit in der Höhe von<br />

mehreren hundert Euro eingegangen wird. Immer wieder kommt es dazu,<br />

dass neue Verträge abgeschlossen werden ohne dass bestehende alte<br />

beendet wurden. Oder es wird übersehen, dass im Fall der Kündigung<br />

Kosten für das Handy anfallen.<br />

Gesprächsgebühren<br />

Die oft nur nach eingehendem Studium der Tarife schlüssigen Kosten sind<br />

ein weiteres Problem. Vielen Konsumenten wird erst durch eine hohe Rechnung<br />

klar, wie teuer das Telefonieren oder der Datentransfer sind. Bei Mobilfunkverträgen<br />

spielt etwa die Taktung der Vergebührung auf die Monatsrechnung<br />

eine gewichtige und häufig unterschätzte Rolle. Beim Internetzugang<br />

ist entscheidend, welche Downloadrate und Uploadrate vereinbart<br />

wird und wie hoch die Kosten bei Überschreitung dieser Raten sind.<br />

Mehrwertdienste<br />

Im Bereich der Mobiltelefonie gibt es ein nahezu unüberschaubar großes<br />

Angebot an Mehrwertdienstleistungen, das zu einem großen Teil auf ein junges<br />

Publikum zielt. Zusätzlich zu scheinbar allgegenwärtiger Werbung in<br />

diversen Medien wird dieses Angebot auch durch das so genannte „Branding“<br />

von Handys durch die Mobilfunkanbieter präsentiert. Beim Branding<br />

werden unter mehreren Menüpunkten (etwa unter den Klingeltönen, Bildern<br />

oder Spielen) Links zu kostenpflichtigen Mehrwertangeboten im WAP platziert.<br />

Man kann, und das gilt vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene,<br />

diesem Angebot nicht ausweichen.<br />

Viele Konsumenten unterschätzen die (oft schwer in ihrer Gesamtheit zu<br />

erkennenden) Kosten für Download-Zeit und -Volumen, Klingeltöne, Chat-<br />

Foren und Abonnements. Zusätzlich erschwert eine gewisse Anonymisierung<br />

bei der Vertragsgestaltung mit Mehrwertdienstunternehmen, aufgrund<br />

der Verrechnung über die Telefonrechnung des Telekommunikationsbetreibers,<br />

die Transparenz, wer nun eigentlich Vertragspartner der Mehrwertdienstleistung<br />

ist. Diese Problematik wird auch erst mit Zustellung einer<br />

Rechnung sichtbar, oftmals sind Konsumenten plötzlich mit unklaren Forderungen<br />

über mehrere hundert Euro konfrontiert. Ist man der Ansicht, dass<br />

Forderungen zu Unrecht bestehen, kann binnen einer (meist vierwöchigen)<br />

Frist Einspruch erhoben und die Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-<br />

GmbH (RTR) als Schlichtungsstelle für Streitigkeiten eingeschaltet werden.<br />

In der Konsumentenberatung zeigt sich leider, dass seitens der Telekommunikationsbetreiber<br />

bei Rechnungseinsprüchen nicht zivilrechtlich argumentiert<br />

wird. In der Regel wird eine Verbindung nur technisch bestätigt und die<br />

Forderung, meist unter Androhung von Telefonsperre, Einschaltung eines<br />

Inkassobüros oder Klagseinbringung, weiter betrieben. Ein Beweis eines<br />

zivilrechtlich gültigen Vertrages zwischen Kunden und Mehrwertdienstbetrei-


er erfolgt in der Regel nicht, ebenso wenig der Nachweis, dass die einschlägigen<br />

Informationspflichten für die Erbringung von Mehrwertdiensten<br />

eingehalten wurden. Die RTR als Schlichtungsstelle überprüft wiederum nur<br />

die technische Verbindung, nicht jedoch die zivilrechtliche Gültigkeit von<br />

Forderungen. Diese Ausnahme des zivilrechtlichen Bereiches ist nicht einzusehen<br />

und nur mit Interessenpolitik zu erklären. Gerade auf diesem Gebiet<br />

wird unbedingt eine entsprechende Erweiterung des Aufgabenbereiches der<br />

RTR um die Überprüfung der zivilrechtlichen Grundlagen gefordert.<br />

Erfreulich in diesem Zusammenhang ist die Schaffung einer kostenlosen<br />

Serviceeinrichtung zur Unterbindung der Zusendung bestimmter Mehrwert-<br />

SMS auf www.sms-sperre.at. Hier kann man unter Eingabe der eigenen<br />

Nummer und der Nummer eines bestimmten Mehrwertdienstes die ungewollte<br />

Zusendung von Mehrwert-SMS wenigstens für die Zukunft unterbinden.<br />

Reiserecht<br />

Planung: Wer entscheidet über das Urlaubsziel<br />

Die IMAD-Umfrage der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat ergeben, dass in sieben von zehn Ehen<br />

oder Lebensgemeinschaften ohne Kinder beide Partner gemeinsam das<br />

Urlaubsziel entscheiden. In neun Prozent entscheidet der Mann, in 15 Prozent<br />

die Frau über das Urlaubsziel.<br />

In 48,5 Prozent der Ehen und Lebensgemeinschaften mit Kind entscheiden<br />

beide Partner zusammen das Reiseziel und in rund jeder vierten Ehe und<br />

Lebensgemeinschaft entscheidet die ganze Familie gemeinsam.<br />

Wer trägt die Urlaubskosten<br />

In der Umfrage wurde ebenfalls erhoben, dass in rund zwei Drittel der Beziehungen<br />

ohne Kinder die Urlaubskosten von beiden Partnern getragen werden.<br />

In jeder vierten Ehe oder Lebensgemeinschaft trägt hauptsächlich der<br />

Mann die Kosten des gemeinsamen Urlaubs, in rund jeder Zehnten wird der<br />

Urlaub hauptsächlich von der Frau finanziert.<br />

Bei der Hälfte der Ehen und Lebensgemeinschaften mit Kind kommt der<br />

Mann für die Finanzierung des Urlaubs auf, in 45,3 Prozent finanzieren beide<br />

Partner den Urlaub gemeinsam.<br />

Generelle Beschwerdenlage<br />

Im Bereich der reiserechtlichen Beschwerdefälle ist nach wie vor eine<br />

geringe Regulierungsbereitschaft der Reiseunternehmen festzustellen.<br />

Immer wieder zeigt die Praxis, dass bei Reisemängeln trotz klarer Rechtslage<br />

und eindeutiger österreichischer und EuGH-Judikatur Rechtsansprüche<br />

der Reisenden durch die Reiseunternehmen nicht erfüllt werden. Häufig werden<br />

Reisepreisminderungsansprüche entgegen der Rechtslage abgelehnt<br />

oder eine geringe Entschädigung in Form von Gutscheinen angeboten.<br />

Scheinbar wird darauf spekuliert, dass die verärgerten Kunden die gerichtli-<br />

Mehrwert-SMS<br />

unterbinden<br />

Reisekunden scheuen<br />

Risiko eines Prozesses<br />

113


114<br />

che Durchsetzung ihrer Rechte scheuen. Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung<br />

von Ansprüchen gegen Reiseunternehmen können diese immer<br />

noch einen Vergleich anbieten. Viele Reisekunden scheuen auch tatsächlich<br />

das Prozesskostenrisiko. Liegt keine Rechtsschutzdeckung vor, werden oft<br />

zu geringe Ersatzleistungen akzeptiert. Durch mitunter aufwendige außergerichtliche<br />

Interventionen durch die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> konnte häufig ein höherer Ersatz<br />

als der ursprünglich den Reisenden angebotene erlangt werden. Dennoch ist<br />

die Situation in diesem Bereich nicht zufrieden stellend.<br />

Bemerkenswertes zur neuen Fluggastrichtlinie<br />

Seit Februar 2005 ist eine neue europarechtliche Verordnung zum Schutz<br />

von Flugpassagieren in Kraft. Diese regelt den Anspruch auf Betreuungsund<br />

Ersatzleistungen im Fall von Überbuchung, Annullierung und großer<br />

Verspätung von Flügen. Diese Verordnung ersetzt eine ältere Regelung, die<br />

sich nur auf die Überbuchung von Linienflügen bezogen hatte. Nunmehr sind<br />

auch Charterflüge gleichermaßen erfasst. Im Einzelnen bestehen Ansprüche<br />

auf Betreuung während Wartezeiten durch Mahlzeiten und Erfrischungen,<br />

bei notwendigen Übernachtungen auch Hotelaufenthalte, Telefonate oder<br />

weitere Transportleistungen. Im Fall von Überbuchungen besteht Anspruch<br />

auf Geldersatz zwischen 250 bis 600 Euro, abhängig von der Entfernung der<br />

gebuchten Flüge, ebenso im Fall von Annullierungen. Ausgenommen hiervon<br />

sind allerdings unvorhersehbare und unabwendbare Ereignisse.<br />

Ansprüche aufgrund dieser Verordnung sind direkt gegenüber der Fluglinie<br />

geltend zu machen. Ein darüber hinausgehender Anspruch, etwa auf Schadenersatz<br />

gemäß dem Montrealer Übereinkommen oder auf Gewährleistung,<br />

bleibt trotzdem bestehen. Informationen zu den Passagierrechten liegen<br />

an allen europäischen Flughäfen auf.<br />

Die Verordnung gilt nicht für einen Flug in das Hoheitsgebiet der EU für den<br />

Fall, dass dieser Flug von einer Fluglinie mit Sitz außerhalb der EU ausgeführt<br />

wird.<br />

Weiters ist bei genauerer Betrachtung festzuhalten, dass sich die Verordnung<br />

ausdrücklich auf die ausführende Fuglinie bezieht. Viele Beförderungsverträge<br />

sehen nicht vor, dass Flüge unbedingt von einer bestimmten Luftfahrtgesellschaft<br />

durchgeführt werden müssen. Im so genannten Code-Sharing<br />

arbeiten Fluglinien zusammen und teilen Flüge untereinander auf. Diese<br />

Aufteilung wird häufig von Passagieren im Voraus nicht erkannt, was an sich<br />

vertragsrechtlich völlig unproblematisch, weil vereinbart, ist. Jedoch kann<br />

sich dies auf die Anwendbarkeit der Verordnung auf Rundflüge aus dem<br />

Gebiet der EU auswirken: Hat die ausführende Luftfahrtgesellschaft keinen<br />

Firmensitz in der EU, ist die Verordnung, wie dargestellt, nicht auf den Rückflug<br />

in die EU anzuwenden.<br />

Hinsichtlich dieser Fragen ist die Verordnung nachzubessern, was auf<br />

europäischer Ebene erfolgen muss.<br />

Österreich hat bisher das in der Verordnung bestimmte System zur Bestrafung<br />

von Luftfahrtgesellschaften, die Rechte von Passagieren verletzen,<br />

nicht umgesetzt. Die Europäische Kommission führt aus diesem Grund<br />

gegen Österreich neben Belgien, Luxemburg und Schweden ein Vertragsverletzungsverfahren.


Außerdem hat die Praxis gezeigt, dass sich die Fluggesellschaften der Zahlung<br />

der Ausgleichszahlungen, mit dem Argument, es handle sich um ein<br />

unabwendbares Ereignis, zu entziehen versuchen. Insoweit könnte es notwendig<br />

werden, die weitere Entwicklung in der Praxis auch durch Gerichtsverfahren<br />

zu klären.<br />

Wohnungskosten treffen Alleinerzieherinnen<br />

Die Mietkosten sind in den vergangenen Jahren insbesondere für private<br />

Mietwohnungen stark gestiegen. Dementsprechend halten auch acht von<br />

zehn befragten <strong>Tirol</strong>ern die Preise für Leben und Wohnen in <strong>Tirol</strong> für nicht<br />

angemessen (IMAD-Umfrage der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>). Neben der OGM-Studie zur<br />

Kaufkraft der Österreicher vom September 2005, der zufolge die <strong>Tirol</strong>er die<br />

niedrigsten Haushaltseinkommen und die höchsten Lebenshaltungskosten<br />

haben, hat die im Jahr 2005 bundesweit durchgeführte Erhebung der Arbeiterkammer<br />

einmal mehr gezeigt, dass die Mieten vor allem im Ballungsgebiet<br />

Innsbruck nahezu unerschwinglich geworden sind.<br />

Junge Arbeitnehmerhaushalte, die 2003 und 2004 eine private Mietwohnung<br />

bezogen haben, zahlen laut dieser Erhebung in städtischen Ballungsgebieten<br />

durchschnittlich bereits 32 Prozent ihres Nettoeinkommens für ihre Wohnung<br />

ohne Heizung. Besonders hoch, nämlich im Schnitt 35 Prozent des<br />

Nettoeinkommens, ist die Belastung bei Mietwohnungen, die in diesem Zeitraum<br />

über einen Makler vermittelt wurden.<br />

Damit sind diese Haushalte nochmals stärker belastet als der Durchschnitt<br />

aller Haushalte, der in <strong>Tirol</strong> ohnehin mit Wohnkosten von 28,8 Prozent des<br />

Haushaltseinkommens zu kämpfen hat. Mit dem Anstieg der Mieten und der<br />

damit verbundenen höheren Belastung steigt die Unsicherheit, ob die Wohnung<br />

auch langfristig leistbar ist. Der gänzliche oder auch teilweise Wegfall<br />

eines Einkommens durch Trennung vom Partner, Arbeitslosigkeit oder auch<br />

Karenz können sich existenzgefährdend auswirken.<br />

Haushalte mit niedrigem Einkommen aber auch mit Kindern sind daher vermehrt<br />

auf geförderte Wohnungen und öffentliche Unterstützungen angewiesen.<br />

Für Alleinerzieherinnen ist die Situation am Wohnungsmarkt besonders<br />

schwierig. Jede zweite Alleinerzieherin in Österreich muss mit einem Einkommen<br />

unter der Armutsgrenze auskommen. Für sie stellen daher die<br />

hohen Preise am privaten Wohnungsmarkt ein besonderes Hindernis dar.<br />

Hinzu kommt, dass Frauen häufiger bei der Wohnungssuche diskriminiert<br />

werden als Männer. Bei der <strong>AK</strong>-Umfrage gaben 12 Prozent der befragten<br />

Frauen an, dass sie bei der Wohnungssuche schon einmal diskriminiert worden<br />

sind. Besonders erschreckend erscheint, dass laut dieser Umfrage in<br />

knapp drei von zehn Fällen der Grund für die Diskriminierung Kinder bzw.<br />

Schwangerschaften waren.<br />

Flächendeckende Mietzinsbeihilfe in allen <strong>Tirol</strong>er Gemeinden<br />

Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert zudem seit Jahren die Verankerung eines gesetzlichen<br />

Anspruches auf Mietzinsbeihilfe. Nur so kann eine flächendeckende Mietzinsbeihilfe<br />

in allen <strong>Tirol</strong>er Gemeinden auf Dauer gewährleistet werden. Mittels<br />

einer landesgesetzlichen Regelung müssten auch die Voraussetzungen<br />

für die Gewährung von Mietzinsbeihilfe vereinheitlicht werden. Derzeit müs-<br />

Mieten in Innsbruck<br />

nahezu unerschwinglich<br />

Knapp 30 Prozent des<br />

Haushaltseinkommens<br />

entfallen auf<br />

Wohnungskosten<br />

Hohe Mieten treffen<br />

Alleinerzieherinnen<br />

115


116<br />

Gleichstellung von<br />

Wohn- und Mietzinsbeihilfe<br />

gefordert<br />

sen sich Bezieher von Mietzinsbeihilfe von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich<br />

lange in der jeweiligen Gemeinde aufhalten. Die Wartefrist reicht<br />

von meist einem Jahr bis zu – im Extremfall – fünfzehn Jahren.<br />

Vereinheitlichung von Wohn- und Mietzinsbeihilfe<br />

Darüber hinaus müssten auch die verschiedenen Beihilfen, nämlich Wohnund<br />

Mietzinsbeihilfe, endlich vereinheitlicht werden. Derzeit ist die Wohnbeihilfe,<br />

die für geförderte Miet- und Eigentumswohnungen bezahlt wird, im<br />

Regelfall ungleich höher als die Mietzins- bzw. Annuitätenbeihilfe, was sachlich<br />

nicht zu rechtfertigen ist.<br />

Zumutbarkeitsgrenze<br />

Beziehern von Mietzins- und Annuitätenbeihilfe wird vom Land <strong>Tirol</strong> ein weit<br />

höherer Wohnungsaufwand zugemutet. Die „zumutbare Belastung“, die<br />

unter anderem ausschlaggebend dafür ist, ob und in welcher Höhe eine Beihilfe<br />

gewährt wird, wird auf Grund des Familieneinkommens und der Anzahl<br />

der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen nach einer Zumutbarkeitstabelle<br />

ermittelt. Diese wurde für die Mietzins- und Annuitätenbeihilfe<br />

seit 1998 nicht mehr angepasst. Im Unterschied dazu wurde die Zumutbarkeitsgrenze<br />

bei der Wohnbeihilfe nach dem Wohnbauförderungsgesetz laufend<br />

angepasst, sodass diese wesentlich höher liegt.<br />

Wohnungsaufwand<br />

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Wohn- und Mietzinsbeihilfe<br />

ergibt sich beim anrechenbaren Wohnungsaufwand. Während bei der Wohnbeihilfe<br />

die im ursprünglichen Finanzierungsplan vorgesehenen und von der<br />

Wohnbauförderung anerkannten Rückzahlungen als Aufwand zählen, ist der<br />

anrechenbare Aufwand bei der Mietzinsbeihilfe mit drei Euro pro Quadratmeter<br />

limitiert. Über Ansuchen einzelner Gemeinden beim Land <strong>Tirol</strong> werden<br />

bis zu höchstens vier Euro pro Quadratmeter als anrechenbarer Wohnungsaufwand<br />

berücksichtigt. Zahlt jemand höhere Miete bzw. hat jemand bei der<br />

Annuitätenbeihilfe höhere Rückzahlungen zu leisten, zählen diese nicht zum<br />

anrechenbaren Wohnungsaufwand. Diese Grenzen sind bei der Mietzinsbeihilfe<br />

trotz ständig steigender Wohnungspreise und Inflation seit 1998 nicht<br />

mehr angehoben worden.<br />

Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert daher die Gleichstellung von Wohn- und Mietzinsbeihilfe.<br />

Pro Quadratmeter soll ein bestimmter Wohnungsaufwand anerkannt werden,<br />

die Zumutbarkeit soll einheitlich gestaffelt werden und zwar nach Einkommen<br />

und zu versorgenden Familienangehörigen.<br />

Die Höhe des höchstens anzurechnenden Wohnungsaufwandes ist je nach<br />

budgetären Möglichkeiten festzulegen, etwa entsprechend dem aktuellen<br />

Richtwertmietzins, der zuletzt 5,49 Euro pro Quadratmeter betragen hat. In<br />

diese Berechnung könnten auch bestimmte Betriebskosten eingerechnet<br />

werden, da häufig ein Zusammenhang zwischen günstiger Miete und höheren<br />

Betriebskosten besteht. Immerhin betragen diese laut jüngster Mikrozensus-Erhebung<br />

für <strong>Tirol</strong> 1,60 Euro pro Quadratmeter. Dadurch entfiele<br />

auch die extrem komplizierte und für den Einzelnen undurchschaubare<br />

Berechnungsweise.


Absicherung der Wohnung für Frauen<br />

Viele Frauen, die in einer Partnerschaft leben – sei es nun Ehe oder Lebensgemeinschaft<br />

– leiten ihr Recht an der Wohnung lediglich von ihrem Partner<br />

ab. Dies kann sich im Fall des Todes des Partners, aber auch bei einer Trennung<br />

existenzgefährdend auswirken.<br />

Grundbücherliche Sicherstellung von Eigentum<br />

So ist in vielen Fällen, insbesondere bei Eigentumswohnungen, die vor dem<br />

1. Juli 2002 durch unverheiratete Paare erworben wurden, nur der männliche<br />

Partner ins Grundbuch eingetragen. Es war bis zu diesem Zeitpunkt nur für<br />

Eheleute möglich, gemeinsam Wohnungseigentum zu erwerben.<br />

Mit dem Wohnungseigentumsgesetz 2002 wurde endlich die Möglichkeit<br />

geschaffen, dass auch Paare ohne Trauschein gemeinsam Eigentümer einer<br />

Wohnung werden können. Es ist daher jeder Frau zu empfehlen, sich grundbücherlich<br />

absichern zu lassen. Die Verbücherung des Eigentumsrechts<br />

stellt die beste und wirksamste Form der Sicherstellung dar.<br />

Dennoch sind durch die bis dahin geltende Rechtslage nach wie vor lediglich<br />

bei 27 Prozent der Paare auch die Rechte der Frau an der Eigentumswohnung<br />

oder am Haus grundbücherlich gesichert. (Quelle: <strong>AK</strong>-Umfrage von<br />

IMAD).<br />

Absicherung von Eigentum für den Fall von Tod oder Trennung<br />

Ohne grundbücherliche Absicherung stehen im Fall des Todes des Mannes<br />

der Witwe allenfalls erbrechtliche Ansprüche zu, deren Durchsetzung jedoch<br />

insbesondere bei Vorhandensein mehrerer Erbberechtigter problematisch<br />

sein kann. Noch schwieriger wird die Situation bei einer bloßen Lebensgemeinschaft:<br />

Ohne entsprechende letztwillige Verfügung, hat die Lebensgefährtin<br />

keinerlei Erbanspruch und auch kein Recht, weiterhin in der gemeinsamen<br />

Wohnung zu verbleiben.<br />

Bei einer Ehescheidung gibt es zwar die Möglichkeit, dass der Frau die Wohnung<br />

oder das Haus zugesprochen wird. Allerdings sind die zu leistenden<br />

Abschlagszahlungen vielfach unerschwinglich. Trennen sich Lebensgefährten,<br />

hat die Frau ohne verbücherte Rechte an dem gemeinsam bewohnten<br />

Haus oder der Wohnung keinerlei Recht auf Weiterverbleib.<br />

Absicherung der Mietwohnung<br />

In Ehen oder Lebensgemeinschaften ohne Kind hat nur jede fünfte Frau<br />

gemeinsam mit ihrem Partner den Mietvertrag unterzeichnet und damit auch<br />

eigene Rechte an der Wohnung. Bei Lebensgemeinschaften oder Ehen mit<br />

Kind steigt der Anteil der gemeinsam unterzeichneten Mietverträge immerhin<br />

auf ein Drittel. Positiv zu vermerken ist allerdings die Entwicklung, dass<br />

immer mehr Frauen, nämlich mittlerweile annähernd gleich viele wie Männer,<br />

auch als alleinige Mieterin im Bestandvertrag stehen (Quelle: <strong>AK</strong>-Umfrage<br />

von IMAD).<br />

Oft fehlen Regelungen<br />

bei Trennung oder<br />

Todesfall<br />

117


118<br />

Mietrechtsabtretung und Eintrittsrechte<br />

Im Fall der Trennung der Partner oder wenn der Mann verstirbt, hat die nicht<br />

als Mieterin angeführte Frau nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich die<br />

Rechte an der bis dahin gemeinsamen Wohnung zu sichern.<br />

So ist sie bei einer Mietwohnung beispielsweise im Fall der Auflösung einer<br />

Lebensgemeinschaft nicht nur auf den guten Willen des (bisherigen) Partners,<br />

sondern auch auf die Zustimmung des Vermieters zum Weiterverbleib<br />

in ihrem Zuhause angewiesen. Diese Zustimmung zu erlangen, ist oftmals<br />

wegen der schlechteren Einkommenssituation der Frau problematisch. Ein<br />

gesetzliches Recht auf Verbleib für Lebensgefährten unter Lebenden gibt es<br />

nicht. Die (geschiedene) Ehefrau hat erst nach zwei Jahren des gemeinsamen<br />

Wohnens in der Mietwohnung ein Recht, in den Mietvertrag des weggezogenen<br />

Ehegatten einzutreten. Daneben gibt es noch die Möglichkeit,<br />

durch gerichtliche Entscheidung im Ehescheidungsverfahren die Übertragung<br />

der Rechte an der Wohnung auf die Frau zu erreichen.<br />

Bei Tod des Mannes ist der Eintritt sowohl der Witwe als auch der Lebensgefährtin<br />

in den Mietvertrag zwar grundsätzlich möglich, diese Möglichkeit<br />

gibt es aber bei Mietverträgen über Ein- und Zweifamilienhäuser nicht, hier<br />

fehlt jegliche Absicherung. Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> fordert seit geraumer Zeit, den mit<br />

der Mietrechtsnovelle 2001 beseitigten mietrechtlichen Mindestschutz für<br />

Mieter von Ein- und Zweiobjekthäusern wieder herzustellen.<br />

Frauen sind daher in weit geringerem Ausmaß als Männer in der Befriedigung<br />

ihres Wohnbedürfnisses gesichert. Sie sind vielfach gefährdet, bei Eintritt<br />

unvorhergesehener Ereignisse wie Tod des Partners oder Trennung ihre<br />

Wohnung zu verlieren.


Rolle der Frau<br />

bei Energie und Verkehr<br />

119


120<br />

Rolle der Frau<br />

bei Energie und Verkehr<br />

Rollenverteilung in der Energiepolitik<br />

Ist es purer Zufall oder ist es selbstverständlich, dass das Thema „Frauen<br />

und Energie“ von einem Mann bearbeitet wird? Die Erklärung ist einfach:<br />

„Energie“ wird in einem hohen Ausmaß von Männern bestimmt! Dieses<br />

Manko wird aber in diesem Fall insoweit relativiert, als sich dieser Beitrag<br />

vornehmlich auf von Frauen erstellten Untersuchungen stützt.<br />

Ziel dieses Beitrags soll sein, das Thema bezüglich etwaiger geschlechtsspezifischer<br />

Unterschiede aufzuarbeiten. Im Anschluss geht es um das Aufzeigen<br />

der durch die steigenden Energiepreise ausgelösten zusätzlichen<br />

Arbeitnehmer- und Haushaltsbelastungen, um die Frage welche Handlungsmöglichkeiten<br />

sowohl für den einzelnen Bürger als auch für unser Land <strong>Tirol</strong><br />

zur Verfügung stehen und um eine Auslotung der Energiepolitik in Richtung<br />

sanfte Energie.<br />

Die energetische Rolle der Frau<br />

Energie ist Leben. Energie wird weder erzeugt noch verbraucht sondern nur<br />

umgewandelt. Ohne Energie gibt es kein Leben. Somit sind energetische<br />

Fragen immer eng mit uns selbst verbunden.<br />

Obwohl von einer breiten Bevölkerungsschicht die energetische Diskussion<br />

grundsätzlich als geschlechtsneutral geführt wird, zeigen sich bei näherem<br />

Hinsehen doch gewisse Unterschiede zwischen weiblichem und männlichem<br />

Verhalten. Unter Letzterem ist insbesondere der Zugang und der<br />

Umgang mit dem Thema zu verstehen. Die Energie (als Begriff) ist eigentlich<br />

feminin, der Energieverbrauch wird der maskulinen Hälfte zugerechnet.<br />

Die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs „Energieverbrauch“ weist<br />

grundsätzlich auf eine Erhöhung der Entropie hin, also zu einer Verschiebung


von Ordnung (höherwertig) zur Unordnung (niederwertig). Eine Umkehrung,<br />

also eine Rückführung, in einen höheren energetischen Zustand (Abnahme<br />

der Entropie) ist unter gewissen Voraussetzungen möglich (etwa die<br />

Umwandlung von CO2 in gebundenen Kohlenstoff in Form der Biomasse),<br />

ist aber für den überwiegenden Teil der Atmosphäre nur theoretischer Natur.<br />

Die Folgen sind allseits bekannt: Treibhauseffekt und Klimaerwärmung.<br />

Die Assoziation daraus ist demgemäß, dass die Energie grundsätzlich mit<br />

dem Leben assoziiert, der Energieverbrauch eigentlich als Abgang, als Verlust<br />

empfunden wird. Dies mag rein zufällig sein, trotzdem gibt es im Energiebereich<br />

kleine geschlechtsspezifische Unterschiede.<br />

Diese sind aber insofern wichtig, als Männer und Frauen durch energiepolitische<br />

Maßnahmen unterschiedlich betroffen sind. Untersuchungen zeigen<br />

etwa, dass Frauen in der Regel bei Entscheidungen über den Wechsel des<br />

Stromversorgers für „Öko-Strom“ plädieren. Lohnunterschiede sorgen<br />

jedoch häufig dafür, dass sie diese Entscheidung nicht leicht treffen können<br />

und die finanziellen Beteiligungen, sowie Investitionen von Frauen im<br />

Bereich der regenerativen Energien niedrig sind. 1)<br />

Kurzer Abriss in die jüngere Geschichte<br />

Obwohl viele Frauen nach Ende des 2. Weltkrieges die Rolle von Männern<br />

übernehmen mussten, waren in den Fünfzigerjahren die Aufgabenbereiche<br />

und Rollen von Frauen und Männern wieder streng getrennt. „Es war typisch<br />

für die Frauen den Haushalt zu führen, den Mann und die Kinder zu umsorgen.<br />

Männer waren für den Erhalt der Familien zuständig und Frauen kochten,<br />

putzten“ 2) . Die zunehmende Elektrifizierung im Haushaltsbereich machte<br />

natürlich auch die Hausarbeit als solches leichter. Waschbrett und kohlebefeuertes<br />

Bügeleisen wurden durch Waschmaschine und elektrisches Bügeleisen<br />

ersetzt. Damit stieg auch der Energieverbrauch: Zwischen 1950 und<br />

1970 um das Sechsfache.<br />

Frauen wurden daher, insbesondere über die haushaltsmäßigen Zuständigkeiten,<br />

verstärkt als Zielgruppe für Haushaltsgeräte umworben. In die vorgelagerten<br />

Entscheidungen, bspw. welche Richtung die Energiepolitik verfolgt,<br />

waren sie aber nicht eingebunden.<br />

Der Zugang zum Energiebereich verläuft zumeist über naturwissenschaftlich-technische<br />

Ausbildungsgänge. Frauen sind auf Grund tradierter<br />

geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung im technikorientierten Bereich nur<br />

marginal vertreten. Dies trifft nicht nur im Ausbildungssektor, sondern auch<br />

auf den handwerklichen Bereich zu. „Damit haben Frauen sowohl politisch,<br />

als auch konzeptionell und planerisch weniger Einflussmöglichkeiten. Dies<br />

trifft sowohl die Ebene von Forschung und Wissenschaft als auch die der<br />

technischen Umsetzung und Ausführung.“ 3)<br />

Die Bedrohung, die von Energie ausgehen kann, wird von Frau und Mann in<br />

unterschiedlicher Weise wahrgenommen. „Verbunden ist die ausgeprägte<br />

Risikowahrnehmung von Frauen mit einer grundsätzlich stärkeren Ablehnung<br />

von (ausschließlich) technischen Lösungen und vor allem Großtechnologien,<br />

bei Präferenzen für dezentral anwendbare Technologien.“ 4) Im<br />

Bereich der Atomenergie ist die geschlechtsspezifische Risikowahrnehmung<br />

Zwischen 1950 und 1970<br />

stieg Energieverbrauch<br />

um das Sechsfache<br />

1) Gender Mainstreaming im<br />

Umweltbereich, Anmerkungen<br />

zur Internationalen Konferenz<br />

für Erneuerbare Energien“,<br />

Bonn 2004<br />

2) Forum ÖO Geschichte,<br />

Küche & Haushalt in den<br />

1950er Jahren<br />

3) Röhr, Ulrike: Gender & Energie<br />

- Aus der Sicht des Nordens,<br />

Life e.V. – FrauenUmweltNetz,<br />

Frankfurt<br />

4) Positionen zur nationalen<br />

Nachhaltigkeitsstrategie aus<br />

der Geschlechterperspektive,<br />

In: genastudien 1, Hrsg.<br />

genanet – Leitstelle<br />

Geschlechtergerechtigkeit &<br />

Nachhaltigkeit, BRD, Main<br />

9/2004; S. 16<br />

121


122<br />

Männer sind für technische<br />

Ausstattung, Frauen<br />

für Energiesparen<br />

zuständig<br />

1) Dörr, Gisela: Die Ökologisierung<br />

des Oikos. In: Schultz,<br />

Irmgard (Hg.): GlobalHaushalt.<br />

Globalisierung von Stoffströmen<br />

– Feminisierung von<br />

Verantwortung.<br />

Frankfurt/Main, Verlag für<br />

interkulturelle Kommunikation,<br />

1993 und Buko: Zwischen<br />

Sparstrümpfen und<br />

Gigabytes – der Ökologen<br />

Lust, der Frauen Frust. In:<br />

Forum entwicklungspolitischer<br />

Aktionsgruppen, Heft<br />

201/96,<br />

2) Peisendörfer, Peter: Umwelteinstellungen<br />

und Umweltverhalten<br />

in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Empirische<br />

Befunde und Analysen auf<br />

der Grundlage der Bevölkerungsumfragen„Umweltbewusstsein<br />

in Deutschland<br />

1991 – 1998“. Umweltbundesamt<br />

(Hrsg.), Leske und<br />

Budrich, Opladen, 1999<br />

eindeutig nachgewiesen. Dies gilt nicht nur für die klassische Risikotechnologie<br />

Kernenergie, sondern lässt sich auch auf den Privathaushalt herunter<br />

brechen. Schon früh werden die Jungen bspw. an die Gefahren des Strom<br />

herangeführt: Sie lernen damit umzugehen. Mädchen hingegen werden mit<br />

dem Hinweis auf die Gefahren von Strom ferngehalten. Damit haben sie<br />

natürlich nur einen eingeengten Zugang zur männlich dominierten Energieversorgung<br />

und zur Energiepolitik.<br />

„Als Folge davon gibt es auch bei der Energieausstattung und umweltschonenden<br />

Energienutzung im Haushalt eine klare Geschlechtertrennung.<br />

Während Männer für die technische (und produktive investigative) Seite<br />

zuständig sind (Wärmedämmung, Heizkessel, Warmwasserbereitung), sind<br />

Frauen, wie überall im Umweltbereich, für die verhaltensabhängigen Einsparungen<br />

und deren Kommunikation an alle Familienmitglieder zuständig:<br />

Verzicht auf die Nutzung elektrischer Geräte, vernünftige Ladung der Waschund<br />

Geschirrspülmaschinen usw.“ 1)<br />

In der Nachhaltigkeitsstrategie sind im Allgemeinen nur zwei Ansatzpunkte<br />

erkennbar, nämlich einerseits die Erhöhung der Energieeffizienz und andererseits<br />

der Ausbau der erneuerbaren Energie. An und für sich betrachtet<br />

verfolgt diese Strategie einen sehr technozistischen Ansatz, der dem technisch-orientierten<br />

Lösungsmuster von Männern entspricht. Ansatzweise<br />

kommt bei den erneuerbaren Energien, bedingt durch die Schaffung neuer<br />

Arbeitsplätze, auch ein sozialer Ansatz zum Tragen. Was ist damit gemeint?<br />

Ein sozialer Ansatz würde eine Abkehr von den bisherigen rein technisch orientierten<br />

Lösungsmustern bedeuten, bzw. insbesondere die Agenda Energie<br />

wesentlich erweitern. Konkret heißt das nun, dass auch die unterschiedlichen<br />

Anforderungen und Bedürfnisse einbezogen werden, also vor allem auf<br />

die Nutzerinnen und Nutzer im Haushalt, aber auch die für die Gebäudeausstattung<br />

zuständigen Hausherren und Hausbesitzer im Vorfeld integriert werden.<br />

Das bedeutet nun, dass eigentlich auch die bisher angestrebten einseitigen<br />

Wachstumsziele hinterfragt werden, insbesondere jene, mit denen eine<br />

deutliche Steigerung des Energieverbrauchs einhergeht.<br />

Verhalten von Frauen im Umweltbereich<br />

Seit 1991 werden vom deutschen Umweltministerium und vom Umweltbundesamt<br />

regelmäßig Bevölkerungsbefragungen zum Umweltbewusstsein und<br />

-verhalten in Auftrag gegeben. Grundsätzlich kommt die Untersuchung zum<br />

Schluss, dass Frauen zwar ein deutlich geringeres Umweltwissen, trotzdem<br />

aber deutlich höhere Werte beim Umweltbewusstsein und vor allem beim<br />

Umweltverhalten haben. Im Jahre 1999 wurde diese Untersuchung auch<br />

nach Geschlechtern differenziert. 2)<br />

Umwelttypen Frauen Männer Energiesparen<br />

im Haushalt (m+w)<br />

Umweltignoranten 6% 14% 10%<br />

Umweltrhetoriker 28% 36% 28%<br />

Einstellungsgebundene Umweltschützer 31% 25% 16%<br />

Konsequente Umweltschützer 35% 25% 46%<br />

„Ein für den Bereich des Energiesparens wichtiges Ergebnis der Studie ist,<br />

dass Umweltbewusstsein im Alltag vorrangig mit den Bereichen Einkaufen/Konsum<br />

und Müllentsorgung verbunden wird und viel weniger mit den


Bereichen Energienutzung und Verkehrsverhalten (ebd., S. 12). Allgemein<br />

gilt, dass Frauen in den Bereichen Müll, Konsum und Verkehr ein höheres<br />

Umweltbewusstsein als Männer haben und sich auch umweltbewusster verhalten.<br />

Aus dem Rahmen fällt hier der Energiebereich, bei dem es kaum nennenswerte<br />

Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. Das macht einmal<br />

mehr deutlich, dass dies offenbar nicht der Bereich ist, für den Frauen<br />

sich verantwortlich fühlen und/oder in dem sie Handlungsmöglichkeiten<br />

sehen.“ 1)<br />

Fehlgeleitete Appelle und fehlende Einflussnahme<br />

Im Unterschied zu den prestigeträchtigen Marketingprogrammen für den<br />

Kauf von Produkten aus dem Bereich der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik,<br />

die sich im Wesentlichen an den männlichen Konsumenten<br />

richten, sind die Maßnahmen im Bereich des Energiesparens weniger spannend,<br />

weniger innovativ und damit weniger prestigeträchtig. Dabei richten<br />

sich die Appelle hauptsächlich an Frauen, ohne diese explizit anzusprechen.<br />

Im Allgemeinen fungiert der „Verbraucher“ oder der „Haushalt“ als Adressat.<br />

„Diese allgemein den Haushaltskonsum betreffenden Aussagen lassen sich<br />

auch auf den Energiebereich übertragen. Zusätzlich liegen die Anforderungen,<br />

die sich aus dem Verzicht von energienutzenden Geräten im Haushalt<br />

herleiten, aber häufig außerhalb des Einflussbereiches der Frauen. Der wiederholten<br />

Aufforderung, die Wäsche auf die Leine zu hängen, statt den elektrischen<br />

Trockner zu verwenden, steht der fehlende Trockenraum entgegen.<br />

Der Aufforderung, energiesparend zu kochen, steht entgegen, dass<br />

75–80 Prozent der Haushalte in Deutschland mit einem Elektroherd ausgestattet<br />

sind, der ökonomisch und ökologisch schlechter ist als ein Gasherd.<br />

Aber die Entscheidung, ob sie auf einem Gas– oder Elektroherd kocht, liegt<br />

nicht bei der Konsumentin, sondern beim Vorhandensein von Anschlüssen –<br />

und die sind wiederum Sache des in der Regel männlichen Hausbesitzers.<br />

Und so schließt sich der Kreis: Nicht die Hausbesitzer werden aufgefordert,<br />

die Küchen mit Gasanschlüssen zu versehen, sondern die Frauen, auf ihren<br />

unökologischen Elektroherden nach dem Motto – Gut gekocht ist halb<br />

gespart 2) – energiesparend zu kochen.“ 3)<br />

Abschließend darf auch noch auf die Förderungspolitik im Energiebereich<br />

hingewiesen werden, die sich, so weit sie überhaupt noch seit der Liberalisierung<br />

vorhanden ist, vorrangig an energietechnischen Anlagen orientiert<br />

(etwa die Förderung von solarthermischen Anlagen, Ökostromförderung,<br />

Nahwärmeanschlussprämie, Kraft-Wärme-Kopplung). Das Energiesparen im<br />

Haushaltsbereich (Küche, Büro) wird dabei völlig außer Acht gelassen. Es<br />

gibt eigentlich auch keine Angebote, die sich gezielt an Frauen richten.<br />

Status Quo des Energiesektors in <strong>Tirol</strong><br />

Die (Energie)Preisentwicklungen vergangener Jahre in <strong>Tirol</strong><br />

Die wichtigsten Kenngrößen (Steigerungen seit 1995)<br />

• <strong>Tirol</strong>er Durchschnittslohn (Frauen, alle Beschäftigte): Plus 18,3 Prozent<br />

• <strong>Tirol</strong>er Durchschnittslohn (Männer, alle Beschäftigte): Plus 20,1 Prozent<br />

• Strompreis, 3.500 kWh: Plus 12 Prozent<br />

Förderungspolitik nimmt<br />

zu wenig Rücksicht auf<br />

„kleine“ Maßnahmen<br />

beim Energiesparen<br />

1) ebenda<br />

2) Energiespartipps des Bundesministeriums<br />

für Wirtschaft<br />

BRD<br />

3) Röhr, S. 7<br />

123


124<br />

Extreme Steigerung bei<br />

Energiepreisen seit 1995:<br />

Plus 120 Prozent beim<br />

Heizöl<br />

• Eurosuper: Plus 30,4 Prozent<br />

• Diesel: Plus 58,6 Prozent<br />

• Heizöl extra leicht, 2.000 Liter: Plus 118,5 Prozent<br />

• Bus und Bahn: Plus 57,4 bis 94,4 Prozent<br />

Wie ersichtlich, ergaben sich seit 1995 sowohl bei den Treibstoffen als auch<br />

bei den Fahrpreisen hohe Steigerungsraten. Gegenüber dem Jahr 1995 ist<br />

beispielsweise der Dieselpreis um knapp 60 Prozent, der Heizölpreis sogar<br />

um fast 120 Prozent gestiegen! Im Gegensatz dazu ist der Strompreis nur<br />

gering angehoben worden. Unter Einrechnung der Inflationsrate von knapp<br />

20 Prozent würde sich sogar eine leichte Verbilligung des Strompreises ergeben.<br />

Aber auch die Fahrpreise im VVT sind auf den typischen pendlerrelevanten<br />

Strecken mehr als 60 Prozent, bei den ÖBB mehr als 80 Prozent verteuert<br />

worden. Damit ergeben sich für die <strong>Tirol</strong>er Berufspendler und für viele <strong>Tirol</strong>er<br />

Haushalte hohe zusätzliche Belastungen. In diesem Zusammenhang ist<br />

nicht unwichtig zu erwähnen, dass das <strong>Tirol</strong>er Durchschnittseinkommen bei<br />

den Arbeitnehmern, im Vergleich zu den anderen Bundesländern, zu den<br />

niedrigsten in Österreich zählt. Zwischen 1995 und 2004 ist das <strong>Tirol</strong>er<br />

Durchschnittseinkommen um 20,5 Prozent gestiegen. Bei den Frauen ergibt<br />

sich eine Steigerung um 18,3 Prozent. Daraus ergibt sich, dass die durch<br />

Energiepreissteigerungen ausgelösten Zusatzbelastungen grundsätzlich<br />

Frauen mehr belasten.<br />

Auswirkungen auf Haushalte und Pendler<br />

Ein <strong>Tirol</strong>er Berufspendler mit einer täglichen einfachen Wegstrecke zahlte im<br />

Jahr 1995 (Start des VVT) mit der ÖBB 48,3 Euro und mit dem Bus 59,6 Euro.<br />

Im Jahre 2005 müssen für die gleiche tägliche Wegstrecke 93,8 Euro bezahlt<br />

werden. Eine Preissteigerung also von mehr als 94 Prozent. Durch das<br />

Wabenmodell des VVT (seit 1. November 2001) gibt es aber auch Preissteigerungen,<br />

die noch höher ausfallen. Wie die jährlichen österreichweiten <strong>AK</strong>-<br />

Preiserhebungen ergeben haben, gehört der Verkehrsverbund <strong>Tirol</strong> zu den<br />

teuersten im Bundesgebiet. Neben dem Bund ist vor allem auch das Land<br />

<strong>Tirol</strong> gefordert, hier verbilligende Initiativen zu setzen. Die <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> hat diesbezüglich<br />

einen konkreten Maßnahmenkatalog vorgeschlagen und eingefordert.


Extreme Preisausschläge gab es auch beim Heizöl: Hier ergibt sich im Vergleichszeitraum<br />

1995 bis 20<strong>06</strong> eine Preissteigerung von mehr als 118 Prozent<br />

(1.000 Liter). Konkret bedeutet dies, dass etwa für eine 80-Quadratmeter-Wohnung<br />

die Heizkosten zwischen 1995 und 20<strong>06</strong> von durchschnittlich<br />

230,80 auf 504,70 Euro gestiegen sind. Eine besondere Belastung stellt die<br />

Heizölverteuerung für die Bewohner eines 130-Quadratmeter-Hauses dar:<br />

Hier stieg die Durchschnittsbelastung von jährlich 786,60 auf 1.718,70 Euro!<br />

Ein interessanter Vergleich ergibt sich aber mit einem absolut topgedämmten<br />

Wohnhaus: Bei einem 100-Quadratmeter-Haus mit Passivhaus-Qualität<br />

würde die Heizölrechnung nur knapp 121 Euro pro Jahr ausmachen. Diese<br />

Rechnung ist fiktiv, da solche Wohnungen keine externe Heizung benötigen,<br />

denn der Wärmebedarf wird durch andere Energieträger gedeckt.<br />

Kostenentwicklung im Bereich Energie- und Transportleistungen<br />

Jahr 2) Diesel 3)<br />

Treibstoffkosten ÖPNV 1)<br />

Mehrkosten in Euro zwischen 1995 – 20<strong>06</strong><br />

Strom Energiekosten für Raumheizung<br />

am Bsp. Heizöl<br />

(Euro pro Jahr)<br />

Euro- ÖBB VVT 3.500 5.000<br />

super 4)<br />

kWh kWh Typ I 5)<br />

Typ II 6) Typ III 7)<br />

1995 87,8 130,3 48,3 59,6 38,1 54,4 230,8 786,6 55,4<br />

1996 89,7 134,9 55,2 64,3 40,7 58,1 270,0 878,8 64,9<br />

1997 95,4 132,4 55,2 67,9 40,7 58,1 251,7 827,2 60,5<br />

1998 88,4 130,5 62,5 68,0 40,7 58,1 218,7 701,9 52,6<br />

1999 97,0 138,0 65,4 69,3 40,7 58,1 269,5 878,8 64,7<br />

2000 112,2 153,7 75,6 76,2 40,7 58,1 445,8 1.499,6 107,1<br />

2001 110,9 149,6 80,7 80,7 38,5 54,6 328,1 1.096,1 78,8<br />

2002 1<strong>06</strong>,9 145,9 80,8 83,3 38,2 54,2 315,4 1.031,7 75,8<br />

2003 103,5 144,1 85,8 85,5 41,4 57,3 279,4 955,7 67,1<br />

2004 121,7 159,4 87,5 87,5 44,2 61,3 399,6 1.348,6 96,0<br />

2005 136,4 168,7 90,6 90,6 42,9 59,2 483,1 1.635,1 116,1<br />

20<strong>06</strong> 139,3 170,0 93,8 93,8 42,9 59,2 504,7 1.718,7 121,3<br />

Monatskosten in Euro<br />

Monat Jahr<br />

• Pendelstrecke, 45 km, täglich: Diesel : 51,50 : 540,8<br />

Eurosuper : 39,70 : 395,0<br />

• Pendelstrecke, 45 km, täglich: ÖBB : 45,5 : 455,0<br />

VVT : 34,20 : 342,0<br />

• Strom, 5.000 kWh, TIWAG: : 4,8 : 57,6<br />

• Heizöl: Wohnung 80 m 2 , Bj. 1990, 75 kWh/m 2 *a : 273,9<br />

Haus 130 m 2 , Bj. 1980, 150 kWh/m 2 *a : 932,1<br />

Wohnung 100 m 2 , Bj. 2004, 15 kWh/m 2 *a : 65,9<br />

Durch die laufende Verteuerung der Energiekosten, steigen natürlich auch<br />

die Fahrtkosten. Für einen typischen <strong>Tirol</strong>er Haushalt verteuerten sich die<br />

jährlichen Haushaltskosten für Heizung (ohne Warmwasser) und Arbeitsfahrt<br />

in den letzten zehn Jahren zwischen 650 bis über 1.700 Euro! Je nach Alter<br />

und Größe der Wohnung oder tägliche Fahrtstrecke können sich die Kosten<br />

durchaus um den Faktor zwei bis drei erhöhen.<br />

Die steigenden Energiepreise treffen die unteren Einkommen und damit insbesondere<br />

die Frauen besonders hart!<br />

1) Preis Monatskarte für 45 km<br />

(entspricht 9 Waben)<br />

2) Grundsätzlich gelten die<br />

Jahresdurchschnittspreise;<br />

außer Erhebung am<br />

18.01.20<strong>06</strong><br />

3) 7l/100 km; Wohnort-Arbeitsplatz<br />

45km, 22<br />

Arbeitstage/Monat<br />

4) 8l/100 km; Wohnort-Arbeitsplatz<br />

45km, 22<br />

Arbeitstage/Monat<br />

5) Typ I: Wohnung 80 m 2 , Baujahr<br />

1990; 75 kWh/m 2 */Jahr;<br />

Verbrauch 7.200 kWh (entspricht<br />

720 l Heizöl)<br />

6) Typ II: Haus 130 m 2 ; Baujahr<br />

1980; 150 kWh/m 2 */Jahr;<br />

Verbrauch 25.350 kWh (entspricht<br />

2.535 l Heizöl)<br />

7) Typ III: Wohnung 100m 2 ;<br />

Baujahr 2004; 15<br />

kWh/m2*/Jahr; Verbrauch<br />

1.730 kWh (hypothetisch<br />

173 l Heizöl)<br />

125


126<br />

Gestiegene Energiekosten<br />

wirken sich noch<br />

dramatischer bei niedrigen<br />

Einkommen aus<br />

Es bedarf keiner weiteren Erklärung, dass durch die steigenden Energiepreise<br />

vor allem die niedrigeren Einkommensschichten im besonderen Maße<br />

betroffen sind. Beispielsweise ergibt sich für einen angenommenen Durchschnittshaushalt<br />

mit einer Nettowohnnutzfläche von 130 Quadratmetern und<br />

einer täglichen Wegstrecke von 45 Kilometern (Arbeit-Wohnort und retour)<br />

im Zeitraum 1995 bis 20<strong>06</strong>, immerhin eine Mehrbelastung von mehr als<br />

1.300 Euro im Jahr. Für Bezieher niedriger Einkommen ergibt sich dadurch<br />

das Problem, dass sie einen immer größer werdenden Teil ihres Geldes zur<br />

Befriedigung ihres Wärmebedarfs (Heizung, Warmwasser) sowie für die notwendige<br />

Mobilität bereitstellen müssen. Hierzu nachfolgende Tabelle.<br />

Anteil der energierelevanten Kosten am Nettoverdienst<br />

Netto- Energie- Energieverdienst<br />

belastung belastung<br />

pro Jahr 1995 2005<br />

: 8.200,– 27,5% 36,8%<br />

: 12.000,– 18,8% 25,1%<br />

: 17.600,– 12,8% 17,1%<br />

: 25.600,– 8,8% 11,8%<br />

über : 60.400,– 3,7% 5,0%<br />

Die relative Belastung der <strong>Tirol</strong>er Arbeitnehmer (nicht der Haushalte) ist je<br />

nach Einkommenssituation unterschiedlich. Durch die gestiegenen Kosten<br />

im Energie- und Verkehrsbereich sind die Belastungen seit 1995 erheblich<br />

gestiegen. Musste ein Haushalt mit einem niederen Einkommen, bspw. eine<br />

Alleinerzieherin, im Jahre 1995 rund ein Viertel ihres Einkommens für Energie<br />

aufwenden, so stieg dieser Anteil 2005 immerhin auf mehr als ein Drittel.<br />

Für eine <strong>Tirol</strong>er Arbeitnehmerin mit einem jährlichen Nettoverdienst von<br />

17.600 Euro erhöhte sich die Belastung von 12,8 Prozent (1995) auf<br />

17,1 Prozent (2005). Hohe Einkommen werden von dieser Entwicklung nur<br />

relativ gering tangiert. Tatsache ist damit, dass steigende Energiepreise vor<br />

allem die niedrigen Einkommensschichten belasten. Damit wird zusehends<br />

der Weg in eine Überschuldung der Haushalte geebnet. Dem gilt es vorzubeugen.<br />

Die Politik ist daher insbesondere gefordert, die steigenden Energiepreise<br />

unter diesem Blickwinkel zu sehen.<br />

Was kann der Einzelne tun?<br />

Durch die stetig steigenden Rohstoff- und in Folge davon auch die Energiepreise<br />

nimmt die Unsicherheit unter den Betroffenen zu. Nachhaltige Lösungen<br />

für Heizungen, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden, können<br />

nur mittelfristig angeboten werden. In dieser Hinsicht darf vor allem auf die<br />

enorme Wirkung einer energetischen Sanierung (Wärmedämmung, Heizungssteuerung,<br />

Kesseltausch) hingewiesen werden, die Einsparungen von<br />

mehr als 60 Prozent erbringen. Sollte gegebenenfalls eine umfangreiche<br />

Sanierung am Wohnhaus oder beim Heizungssystem anstehen, so müsste<br />

aber auch die Form des künftigen Heizsystems geklärt werden.<br />

Trotzdem sind auch kurzfristige Maßnahmen in ihrer Wirkung beachtenswert,<br />

sei es durch die Zurücknahme der Vorlauftemperatur für Heizung und Warmwasser,<br />

sei es durch Sanierung zugiger Fenster und Türen, sei es durch den<br />

Einbau von Thermostatventilen oder durch bewusstes Stoßlüften von Fenstern.<br />

Auch kleine Maßnahmen, wie die Dämmung der obersten Geschoss-


decke, erbringen schon Einsparungen bis zu 20 Prozent! Für all diese Maßnahmen<br />

stehen entsprechende Mittel aus der Wohnbauförderung oder der<br />

Wohnhaussanierung zur Verfügung.<br />

Sanfte Energie – Perspektive für <strong>Tirol</strong>?<br />

Energiepolitik des Landes<br />

Die „Energiegewinnung“ (im eigentlichen Sinne handelt es sich immer um<br />

eine Umwandlung oder einen Transfer von einem Energiezustand in den<br />

anderen) ist in <strong>Tirol</strong> sehr eng mit der Erzeugung von Strom aus Wasserkraft<br />

verknüpft. Dies ist durchaus auch in einem geschichtlichen Kontext zu<br />

sehen, denn eine der größten Stromgewinnungsanlagen im damaligen KuK-<br />

Reich Österreich/Ungarn, bzw. selbst in Europa, war das heutige Kraftwerk<br />

der Donau-Chemie in Wiesberg, am Schnittpunkt zwischen Paznaun- und<br />

Stanzertal.<br />

Es versteht sich daher von selbst, dass die <strong>Tirol</strong>er Energiepolitik, so weit es<br />

überhaupt zulässig ist von einer solchen Politik zu sprechen, vom hauseigenen<br />

Energie-Versorgungs-Unternehmen, nämlich der TIWAG, bestimmt war<br />

und nach wie vor mitbestimmt wird. Erst durch die beiden Rohstoff- und<br />

Energiekrisen (1971/72 und 1979/80) ergab sich in der Nachfolgezeit ein<br />

Paradigmenwechsel, der die folgende Energie- und vor allem auch die<br />

Umweltpolitik stark prägte. In dieser Hinsicht unterstützend wirkten darüber<br />

hinaus die Volksabstimmung über das <strong>AK</strong>W Zwentendorf, die Ereignisse in<br />

der Hainburger Au, sowie – vor allem aus <strong>Tirol</strong>er Sicht – die Diskussionen<br />

rund um das geplante KW Dorfertal.<br />

Tatsache ist aber auch, dass die Stromgewinnung aus Wasserkraft – auch<br />

wenn das Potenzial in <strong>Tirol</strong> sehr groß und ausbaubar ist – nur einen Teil des<br />

gesamten <strong>Tirol</strong>er Energiebedarfs abzudecken vermag. Im Transport- und<br />

Wärmebereich spielen die fossilen Energieträger Erdöl und Erdgas nach wie<br />

vor eine überragende Rolle. Insbesondere Letztgenanntes wird nun seit Jahren<br />

von der TIGAS (Landesgesellschaft) stark gefördert und vom Land funktionell<br />

unterstützt.<br />

Erdgas ist zwar aus umweltpolitischer Sicht (Schadstoffe) verträglicher als<br />

Erdöl, letztendlich aber sehr eng an den Marktmechanismen von Erdöl (timelag)<br />

gebunden. Die stark gestiegenen Erdölpreise seit Mitte 2005 treiben nun<br />

auch das Erdgas in Höhen, die für viele Erdgaskunden nicht mehr tragbar<br />

sind. Viele Betroffene haben sich, im Vertrauen auf eine moderate Preispolitik<br />

beim Erdgas, vor Jahren ihre Heizung auf Erdgas umstellen lassen.<br />

Angesichts der Preisentwicklung und der unsicheren Versorgungslage stellt<br />

sich nun für viele die Frage, ob dies wirklich die richtige Entscheidung war.<br />

Diese Frage kann nicht adhoc beantwortet werden. Hier spielen verschiedene<br />

Parameter eine Rolle, die beim einzelnen Betroffenen unterschiedlich<br />

gewichtet sind.<br />

Im Zuge des gegenständlichen Beitrags wird deshalb die Möglichkeit wahrgenommen,<br />

auf eine „sanfte“ Form der Energiegewinnung hinzuweisen,<br />

nämlich die der Umwandlung von Biomasse in Wärme und Strom, neben<br />

127


128<br />

50.000 Wohnungen<br />

werden mit Holz beheizt<br />

Enormes Sparpotenzial<br />

durch Wärmedämmung<br />

und Sanierung<br />

dem Energiesparen selbst. Sanft deshalb, da gerade hier die regionale Wertschöpfung<br />

sehr hoch, die Transportkette sehr gering und die Fokussierung<br />

auf Diversifizierung der Standorte unumgänglich ist.<br />

Biomasse als sanfte Energie für <strong>Tirol</strong><br />

In <strong>Tirol</strong> werden derzeit ca. 50.000 Wohneinheiten mit Holz beheizt. Der<br />

Brennholzverbrauch liegt im langjährigen Durchschnitt bei etwa 300.000<br />

Festmetern. Auf der anderen Seite steht aber ein jährliches, nachhaltiges<br />

Angebot von 500.000 Festmeter Brennholz aus dem <strong>Tirol</strong>er Wald gegenüber.<br />

Daneben ergibt sich noch ein großes Potenzial an Sägenebenprodukten<br />

(Rinde, Späne). Es versteht sich daher von selbst, dass dem <strong>Tirol</strong>er Wärmemarkt<br />

allein durch die Biomasse ein sehr großes Potenzial zur Verfügung<br />

steht.<br />

In diesem Zusammenhang darf natürlich auch die Frage des <strong>Tirol</strong>er Energiesparpotenzials<br />

nicht unbeachtet bleiben. Hier wäre vor allem zu prüfen, wie<br />

groß das Sparpotenzial bei Aufrechterhaltung des Nutzens wäre. Im Niedrigwärmebereich,<br />

insbesondere im Wohnungswesen, ist diese Frage relativ<br />

leicht zu beantworten. Hier darf vor allem an mittlerweile viele erfolgreiche<br />

Wohnhaussanierungen erinnert werden. Energieeinsparungen im Bereich<br />

zwischen 50 bis 70 Prozent sind somit leicht zu erzielen!<br />

Die Wärmedämmung spielt diesbezüglich die entscheidende Rolle. Das<br />

große Energieeinsparpotenzial ergibt sich durch den gegebenen älteren<br />

Hausbestand, der großteils keine Wärmedämmung aufweist. Bei Generalsanierungen<br />

(Fassade, Dach, Fenster, Heizung, etc.) sind durchaus höhere<br />

Einsparungen erreichbar. Durch die verbesserte Wärmedämmung ergibt sich<br />

auch der angenehme Nebeneffekt, dass die Temperatur an den Innenwänden<br />

steigt und das Raumklima dadurch verbessert wird.<br />

Bei Nutzung des sehr großen Energiesparpotenzials, insbesondere im Niedrigtemperaturbereich,<br />

ist es durchaus möglich, den gesamten Wärmebedarf<br />

im Wohnbereich mit Biomasse abzudecken. Aus Sicht einer nachhaltigen<br />

Energiepolitik wäre dies ein durchaus gangbarer Weg. Die Frage stellt sich<br />

aber nicht vom Standpunkt des Könnens sondern vielmehr von dem des<br />

Wollens aus, ob das Land <strong>Tirol</strong> bereit ist, hier eine energiepolitische Wende<br />

in Richtung sanfte Energie mit zu tragen.<br />

Forderungen der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

• Fokussierung der <strong>Tirol</strong>er Energiepolitik auf heimische Ressourcen.<br />

• Weitere Förderung und verstärkte Nutzung der sanften Energie, insbesondere<br />

der Biomasse. Dadurch wird auch die soziale Komponente (Wertschöpfung,<br />

Arbeitsplätze) entsprechend gewürdigt.<br />

• Nutzung des großen, vorhandenen Energiesparpotenzials in <strong>Tirol</strong>, insbesondere<br />

im Niedrigtemperaturbereich (Raumwärme).<br />

• Miteinbeziehung der Betroffenen und Konsumenten in die Agenda Energie.<br />

Die (geschlechts)spezifischen Anforderungen sind zu berücksichtigen.<br />

• Umstellung des bisherigen Tarifsystems: Energieversorgungsunterneh-


men sollen nicht primär am Verkauf der Ware Energie interessiert sein,<br />

sondern sich primär als Dienstleistungsunternehmen verstehen und etablieren.<br />

Nicht Kilowattstunden sind Handelsware, sondern die benötigte<br />

Raumtemperatur und das Warmwasser!<br />

• Fokussierung der Landesmittel auf den Bereich der Wohnhaussanierung.<br />

Fahren Frauen anders?<br />

Mobilitätsverhalten als Anpassung an Lebensstrukturen<br />

Vielfältige Veränderungen haben das Bundesland <strong>Tirol</strong> in den Jahren nach<br />

dem Krieg neu geprägt. Dies gilt für die Städte und den Zentralraum von<br />

<strong>Tirol</strong>, wo nach wie vor ein Großteil der Bevölkerung lebt, jedoch in noch viel<br />

größerem Maße für den ländlichen Raum, der viel zum Image und der<br />

Außensicht unseres Landes beiträgt.<br />

Insbesondere der ländliche Raum hat in den letzten Jahrzehnten einschneidende<br />

wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandlungen erfahren, weil die<br />

anfängliche Ausstattung mit Einrichtungen sehr unterentwickelt war. Der<br />

technische und sozioökonomische Strukturwandel hat – regional und zeitlich<br />

verschoben – Veränderungen im Wirtschaftsbereich, in den Bildungs- und<br />

Berufsstrukturen und am Arbeitsmarkt bewirkt. In der Analyse der Ist-Situation<br />

und von möglichen Veränderungen muss daher immer berücksichtigt<br />

werden, dass von sehr unterschiedlichen Lebens-, Arbeits- und Versorgungssituationen<br />

ausgegangen werden muss, je nach räumlicher <strong>Lage</strong>.<br />

Während in den oftmals zentrumsnahen prosperierenden Gebieten ländlicher<br />

Prägung die Ausdifferenzierung nach Grundbedarfsfunktionen sehr<br />

weit fortgeschritten ist und diese Wohngebiete als attraktiv erscheinen, gibt<br />

es genau entgegen gesetzte Erscheinungen und Tendenzen in peripheren<br />

ländlichen Regionen. Dies zeigt sich am Schrumpfen der Einwohnerzahlen,<br />

an der Überalterung von Dörfern, am Abwandern der jungen Bevölkerung<br />

aus strukturschwachen Gebieten mit schlechten Verkehrsanbindungen.<br />

Durch die allgemeine Erhöhung der Mobilität, gemessen an der zurückgelegten<br />

Entfernung pro Zeiteinheit, haben sich unsere Aktionsräume sehr<br />

stark ausgeweitet. Heute ist der Mensch auf unterschiedlichen Ebenen der<br />

Mobilität gefordert (Beruf, Versorgung, Ausbildung, Freizeit und Erholung,<br />

soziale Aktivitäten).<br />

Mobilität ist ein Schlüsselwort der heutigen Gesellschaft. Vielfach wird diese<br />

Frage aber auf die Zurücklegung einer Strecke zwischen Wohn- und Arbeitsort<br />

reduziert. Eine solche Vereinfachung entspricht aber nicht der Realität<br />

und unserem Zeitempfinden. Die Erwerbsmobilität wird ja nicht positiv, sondern<br />

als Belastung erlebt. Die Zurücklegung derselben Strecke als Freizeitaktivität<br />

ist schon deutlich positiver besetzt.<br />

Neben jenen Bevölkerungsgruppen, die – nennen wir es – Mobilitätseinschränkungen<br />

zu bewältigen haben (Senioren, Kinder, Menschen mit körperlichen<br />

oder geistigen Erschwernissen usw.) sind besonders Menschen<br />

betroffen, die aus diversen Ursachen heraus vielfältigere Lebensmuster aufweisen.<br />

129


130<br />

Mütter benötigen viel<br />

Zeit mit Bring- und Holdiensten<br />

der Kinder<br />

85 Prozent aller Berufstätigen<br />

benötigen bis zu<br />

30 Minuten zum<br />

Arbeitsplatz<br />

Grundsätzlich bezieht sich die Beobachtung auf beide Geschlechter, wobei<br />

jedoch bei objektiver Betrachtung Frauen deutlich mehr Aufgaben zu erledigen<br />

haben als Männer und daher auch eine viel spezifischere Mobilität aufweisen.<br />

Die sozioökonomischen Verhältnisse von Frauen haben sich die letzten<br />

Jahrzehnte sehr viel stärker verändert. Die traditionellen Strukturen, die<br />

Aufgabenteilung in der Partnerschaft und die Rollenbilder hinken mit den<br />

Veränderungen allerdings noch weit hinten nach. Haus- und Familienarbeit,<br />

sind im überwiegenden Maße Frauensache. Mütter verbringen einen Gutteil<br />

ihrer Zeit mit Bring- und Holdiensten, weil sie um die Sicherheit ihrer Kinder<br />

im Straßenverkehr fürchten, leisten oft Servicedienste für Kinder und hilfsbedürftige<br />

Familienangehörige und sind für die Erledigung vieler unterschiedlicher<br />

Aktivitäten in einem weiten Umfeld unterwegs.<br />

Alle diese Phänomene werden verstärkt, wenn Frauen aus ökonomischen<br />

Überlegungen, sowie aus Gründen der persönlichen Zufriedenheit, einer<br />

Erwerbstätigkeit nachgehen. Frauen in diesen Lebensmustern – also in der<br />

klassischen Mehrfachbelastung – erweisen sich als wahre Zeitmanagerinnen.<br />

Durchschnittlicher Weg zur Arbeit<br />

Aus der <strong>AK</strong>-Studie „Frauen und Beruf“ vom November 2005 ergeben sich<br />

jedoch hinsichtlich des durchschnittlichen Zeitaufwandes für den Weg zur<br />

Arbeit interessanterweise für <strong>Tirol</strong> keine signifikanten Unterschiede zwischen<br />

den Geschlechtern. Demnach erreichen 84,3 Prozent der berufstätigen <strong>Tirol</strong>er<br />

ihren Arbeitsplatz innerhalb von 30 Minuten.<br />

Durchschnittlicher Zeitaufwand zur Erreichung des Arbeitsplatzes<br />

Männer Frauen Frauen und Männer<br />

zuhause 3,7% 5,3% 4,4%<br />

bis 10 min 27,3% 27,1% 27,2%<br />

bis 15 min 36,0% 35,3% 35,7%<br />

ca. 20 min 13,7% 8,3% 11,2%<br />

ca. 30 min 8,1% 12,8% 10,2%<br />

ca. 40 min 3,1% 3,0% 3,1%<br />

ca. 1 Stunde 3,1% 2,3% 2,7%<br />

über 1 Stunde 5,0% 6,0% 5,4%<br />

IMAD-Studie im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> „Frauen im Beruf“ – November 2005<br />

Werden jedoch die Faktoren vielfältigerer Lebensmuster, wie bereits kurz<br />

beschrieben, berücksichtigt, d.h. die zusätzlich während eines Tages zu erledigenden<br />

Aufgaben, so ist nicht so sehr die aufgewendete Zeit zur Erreichung<br />

des Arbeitsplatzes (Erwerbsmobilität) entscheidend, sondern die<br />

Gesamt-Mobilitätszeit (inkl. Versorgungsmobilität). Darüber hinaus ist sehr<br />

wohl von Bedeutung, welche Art des Beschäftigungsverhältnisses besteht.<br />

Wenn für die täglichen Wege viel Zeit aufgewendet werden muss, so wirkt<br />

sich dies bei geringfügiger Beschäftigung und bei Teilzeitbeschäftigungen<br />

erheblich stärker aus, als bei einem vollen Beschäftigungsverhältnis. Eine<br />

Vollzeitbeschäftigung macht allein vom Zeitbudget her gesehen die Erledigung<br />

zusätzlicher Aufgaben unmöglich.<br />

Das Verhältnis von Gesamtmobilitätszeit zu reiner Arbeitszeit hat somit<br />

unmittelbar Auswirkungen auf die Wahl des Verkehrsmittels.


Wahl des Verkehrsmittels<br />

Zahlreiche Studien aus anderen Regionen zeigen, dass Frauen sehr viel häufiger<br />

Bus und Bahn in Anspruch nehmen oder ihre Wege zu Fuß bzw. mit<br />

dem Fahrrad erledigen als Männer. Tendenziell trifft dies auch für <strong>Tirol</strong> zu,<br />

jedoch in abgeschwächter Form. Unter dem Vorbehalt, dass Studien nur<br />

bedingt vergleichbar sind, zeigen sich in der IMAD-Studie einige auffällige<br />

Unterschiede im Mobilitätsverhalten, die es wert sind, gesondert betrachtet<br />

zu werden.<br />

Bemerkenswert ist der hohe Anteil von Frauen (51,9 Prozent), die sich für<br />

den Weg zur Arbeit für das Auto entscheiden. Verglichen mit ähnlichen<br />

Untersuchungen in anderen Regionen, bedeutet dies für <strong>Tirol</strong> einen fast<br />

5 Prozent höheren Anteil. Es ist dabei nicht differenziert, ob das Auto von<br />

den <strong>Tirol</strong>erinnen nur als Mitfahrgelegenheit in Anspruch genommen wird.<br />

Österreichweit (ohne Wien) sind dies immerhin 14 Prozent, laut einer Studie<br />

in Oberösterreich 15 Prozent.<br />

Männer Männer Frauen Frauen Männer Männer und<br />

<strong>Tirol</strong> <strong>Tirol</strong> und Frauen Frauen <strong>Tirol</strong><br />

Auto lenkend 60% 33% 47%<br />

Auto mitfahrend 6% 14% 10%<br />

Auto insgesamt 66% 59,0% 47% 51,9% 57% 55,4%<br />

Bus / Bahn 14% 9,3% 16% 15,8% 15% 12,6%<br />

Fahrrad 6% 13,0% 8% 9,0% 7% 11,0%<br />

zu Fuß 14% 18,6% 29% 23,3% 22% 21,0%<br />

Verkehrsmittelwahl in Österreich – ohne Wien (Quelle: VCÖ, Herry/Snizek, grips OÖ / 2001; ergänzt und im<br />

Vergleich zur IMAD-Studie im Auftrag der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> „Frauen im Beruf“ – November 2005)<br />

Es wird noch näher zu untersuchen sein, ob das hohe Maß an Verwendung<br />

eines PKW am schlechten Angebot des ÖPNV in <strong>Tirol</strong> liegt, vor allem wenn<br />

man bedenkt, dass die Verfügbarkeit eines PKW für Frauen deutlich geringer<br />

ist als bei Männern. Bei einem vorhandenen Auto pro Haushalt ist das Fahrzeug<br />

zu 30,1 Prozent auf die Frau angemeldet, zu 67,4 Prozent jedoch auf<br />

den Mann.<br />

131


132<br />

Wer ist der Autohalter bei einem Auto pro Haushalt?<br />

Der Anteil jener Personen, die das Auto zur Anfahrt zum Arbeitsplatz nutzen,<br />

steigt signifikant im Stadtumlandbereich bis zu einer Entfernung von 30 Kilometern.<br />

Aus diesem Bereich kommt laut Befragung der Großteil der Berufspendler.<br />

Hier scheint nach Einschätzung der Fahrgäste aber auch die Relation<br />

zwischen aufgewendeter Zeit und Komfort (Flexibilität, bedarfsgerechte<br />

Fahrpläne, usw.) besonders ungünstig für die öffentlichen Verkehrsmittel<br />

auszufallen. Gestärkt wird dieses Argument durch die Fahrgastdaten zahlreicher<br />

Anbieter im ÖPNV. Bei kurzen Entfernungen (innerstädtisch, Bus und<br />

Straßenbahn) und hoher Frequenz an Fahrten, sowie bei langen Strecken<br />

(Zug), wo durch den Einsatz des Autos kein Zeitgewinn möglich ist, wird der<br />

ÖPNV überproportional in Anspruch genommen.<br />

Die Kostenseite spielt natürlich auch für die Wahl des Verkehrsmittels eine<br />

Rolle, jedoch in deutlich untergeordneter Form, wie vielfach angenommen<br />

wird. Die viel strapazierte „Milchmädchenrechnung“ tut ihr übriges dazu: Die<br />

Kosten für den PKW werden als Fixkosten angesetzt, die jedenfalls anfallen;<br />

Pendlerpauschale, gelegentliche Kilometergelder usw. werden als Reduktion<br />

der Fixkosten eingestuft. Im Gegensatz dazu werden Kosten für den ÖPNV<br />

als zusätzliche Aufwendungen interpretiert, von Kostenwahrheit also keine<br />

Spur.<br />

Ebenfalls nicht weiter differenziert wurde bei den einspurigen Fahrzeugen<br />

zwischen motorisiert (Motorrad, Moped) und nicht motorisiert (Fahrrad).<br />

Demzufolge setzen 11 Prozent der <strong>Tirol</strong>er auf ein einspuriges Fahrzeug. Verglichen<br />

mit den übrigen Österreichern sind dies um 4 Prozent mehr. 13 Prozent<br />

der <strong>Tirol</strong>er Männer benutzen für den Weg zur Arbeit ein einspuriges<br />

Fahrzeug. Bedenkt man die langen Wege zur Arbeit, die beträchtlichen<br />

Höhenunterschiede, die zu überwinden sind und den 6 Prozent Fahrradanteil<br />

bei Männern in anderen Bundesländern, so wird’s nicht immer nur das<br />

„Radl“ sein, was verwendet wird. So ganz außerhalb des Trends sind in diesem<br />

Punkt die <strong>Tirol</strong>er nicht. Eine Differenzierung in diesem Bereich scheint<br />

sehr wohl notwendig.<br />

Aus zahlreichen Untersuchungen wird deutlich, dass das Mobilitätsverhalten<br />

aus den konkreten Lebenssituationen resultiert, in denen sich die Menschen


efinden. Daraus ergeben sich spezifische Bedürfnisse an die räumliche und<br />

zeitliche Verteilung von Infrastrukturangeboten sowie deren verkehrliche<br />

Erreichbarkeit. Frauen sind dabei Expertinnen im Umgang mit den Verkehrsmitteln<br />

des Umweltverbundes. Viele Fahrten sind jedoch als Zwangsmobilität<br />

einzustufen. So ist das Fahrrad für berufstätige Mütter deshalb interessant,<br />

weil sie die Wege zwischen Erwerbsarbeit und Familie möglichst<br />

schnell bewältigen wollen.<br />

Brauchen Frauen andere Angebote im Nahverkehr?<br />

Die Antwort ist ganz einfach. Ja! Frauen sind neben den Schülern die Hauptnutzergruppe<br />

öffentlicher Verkehrsmittel.<br />

Diese Verkehrsangebote müssen dementsprechend attraktiv sein. Um den<br />

Standard zu heben bzw. eine Anpassung des Angebotes zu erreichen,<br />

könnte die frühzeitige Einbeziehung von Frauen in die Planung ein wertvoller<br />

Schritt sein. So wie bei vielen Fragen des gesellschaftlichen Lebens ist es<br />

jedoch wichtig, wirklich Betroffene zu hören, Kunden zu befragen, auch<br />

Feldversuche zu starten und nicht so sehr Delegierte in ein Gremium zu entsenden.<br />

Ein Beispiel: Die gezielte Förderung einer eigenständigen Mobilität von Kindern<br />

und Jugendlichen mit entsprechenden Verkehrsangeboten, Tarifgestaltungen<br />

(außerhalb des Schülerverkehrs) wäre bereits ein wesentlicher Beitrag<br />

zur Reduktion der Zwangsmobilität von Frauen.<br />

Ein Imagewechsel ist notwendig. Der Öffentliche Personennahverkehr<br />

(ÖPNV) hat vielfach noch das Image des Verkehrs der alten Mitbürger, der<br />

Kinder und der einkommensschwachen Personen. Kinder und Jugendliche<br />

müssen auf Grund ihres Alters und des zur Verfügung stehenden Geldes Bus<br />

und Bahn benützen. Sie werden oft als Gruppe wahrgenommen, die den<br />

öffentlichen Verkehr eigentlich gratis benützt. Für Frauen gilt ähnliches. Der<br />

öffentliche Verkehr darf nicht zum Notprogramm für jene gesehen werden,<br />

die sich kein Auto leisten können.<br />

Verkehrspolitische Forderungen der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

• Umfassende Mobilitätsstudie für das Bundesland <strong>Tirol</strong>.<br />

• Förderungen bei der Umsetzung von Anrufsammeltaxis.<br />

• Zusammenführung und Neuorientierung der bisherigen räumlichen Trennung<br />

von Wohnen-Ausbildung-Arbeit-Freizeit unter dem Aspekt der<br />

Nachhaltigkeit und der kurzen Wege.<br />

• Gestaltung von Aufenthalts- und Warteräumen und nach den Bedürfnissen<br />

der Fahrgäste; z.B. Jugendliche wollen Spaß und Kommunikation,<br />

also mit Freunden reden, lesen, essen oder evtl. die Schulaufgaben<br />

machen.<br />

• Umgestaltung des VVT in einen Gesamtdienstleister: Es geht nicht darum,<br />

Fahrpläne und die Tarifstruktur abzubilden. Es geht vor allem darum, die<br />

gesamte Palette an erforderlichen Dienstleistungen anzubieten, z.B.:<br />

Gesamtangebot an Freizeitmöglichkeiten mit Informationen über An- und<br />

Abreise, Öffnungszeiten, Preise evtl. Fußwege u.a. zu offerieren.<br />

Frauen und Schüler<br />

Hauptnutznießer der<br />

Öffis<br />

133


134<br />

• Einbeziehung aller in Ausbildung stehender Personen bis zum vollendeten<br />

26. Lebensjahr in eine modifizierte Schüler- und Lehrlingsfreifahrt.<br />

• Aufnahme von Mindestrentnern und Notstandshilfebeziehern in ein Sondertarifsystem.<br />

• Einführung einer elektronischen Erfassung der Fahrgastzahlen in allen Verkehrsmitteln<br />

des ÖPNV.<br />

• Grundsätzliche Auseinandersetzung mit der (Tarif)Entwicklung im Öffentlichen<br />

Personennahverkehr in <strong>Tirol</strong>, insbesondere unter dem Aspekt der<br />

dramatischen Situation bei den <strong>Tirol</strong>er Haushaltseinkommen.<br />

• Erarbeitung eines Generalverkehrsplanes, mit Zielrichtung einer nachhaltigen<br />

und sozialverträglichen Verkehrspolitik, unter Einbeziehung der <strong>AK</strong><br />

<strong>Tirol</strong> als gesetzliche Interessenvertretung der Berufspendler sowie der<br />

Sprecher anderer privater Verkehrsinitiativen.<br />

• Schaffung eines Anreizinstrumentariums für Job-Ticketing und betriebliches<br />

Mobilitätsmanagement.<br />

• Verbesserung des Wagenmaterials.<br />

• Überarbeitung der bestehenden ÖPNV-Förderung des Landes <strong>Tirol</strong>.<br />

• Preisstopp beim VVT: Preisanpassung nur dann, wenn entsprechende<br />

Investitionen in den öffentlichen Verkehr sichtbar sind.<br />

• Überarbeitung der Fahrtkostenbeihilfe des Landes.


Arbeitsmarktentwicklung 2005<br />

135


136<br />

Frauen dominieren bei<br />

atypischen Arbeitsverhältnissen<br />

Arbeitsmarktentwicklung 2005<br />

Österreichische Arbeitsmarktentwicklung<br />

Die Schwäche der derzeitigen Konjunktur – das Wirtschaftswachstum wird<br />

heuer niedriger (WIFO Prognose: Plus 1,9 Prozent) ausfallen als im Vorjahr<br />

(plus 2,4 Prozent) – und der hohe Arbeitskräftezustrom sind Ursache des<br />

weiteren Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Österreich. Damit nimmt die<br />

Arbeitslosigkeit nunmehr schon das fünfte Jahr in Folge zu.<br />

Im Monatsdurchschnitt des Jahres 2005 betrug die nach nationalen Standards<br />

errechnete Arbeitslosenrate in Österreich 7,2 Prozent und war um<br />

0,1 Prozentpunkte höher als im Vorjahr.<br />

Insgesamt wurden 2005 im Monatsdurchschnitt 3.538.119 unselbstständige<br />

Beschäftigungsverhältnisse registriert. Davon entfielen 3.236.343 auf Standardarbeitsplätze<br />

(91,5 Prozent), die atypischen Arbeitsverhältnisse<br />

(301.776 bzw. 8,5 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse) setzten sich aus<br />

229.746 geringfügig Beschäftigten (6,5 Prozent), 45.368 geringfügig freien<br />

Beschäftigten (1,3 Prozent) und 26.662 freien Dienstverhältnissen (0,8 Prozent)<br />

zusammen. Generell muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen<br />

werden, dass dabei prinzipiell Arbeitsverhältnisse und nicht Personen<br />

gezählt werden. Dieser Hinweis ist insbesondere bei den atypischen<br />

Beschäftigungsformen zu berücksichtigen, da derartige Arbeitsverhältnisse<br />

oft von Personen ausgeübt werden, die auch in anderen Arbeitsverhältnissen<br />

beschäftigt sind.<br />

Bezogen auf die Gesamtheit der unselbstständigen Arbeitsverhältnisse<br />

machte der Frauenanteil 48,0 Prozent aus. Bei den Standardbeschäftigten,<br />

also den voll versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, war die Frauenquote<br />

mit 45,8 Prozent niedriger, bei den atypischen Arbeitsverhältnissen<br />

dominieren hingegen Frauen. 70 Prozent der geringfügigen, 59 Prozent der<br />

geringfügig freien Beschäftigungsverhältnisse und 50 Prozent der freien<br />

Dienstverträge werden von Frauen ausgeübt.<br />

In den letzten Jahren haben sich bei den Standardbeschäftigten und den<br />

freien Dienstverträgen die Frauenanteile erhöht, bei den geringfügigen und


den geringfügig freien Beschäftigungsverhältnissen ist er gesunken. Österreichweit<br />

hat die Zahl der bei den Sozialversicherungsträgern erfassten<br />

unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse, Standardbeschäftigte und<br />

atypisch Beschäftigte (bestehend aus geringfügig Beschäftigten, geringfügig<br />

freien Beschäftigten und freien Dienstverträgen) im Monatsdurchschnitt<br />

2005 um plus 1,3 Prozent zugenommen.<br />

Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die Zahl der gesamten Arbeitsplätze<br />

bzw. Beschäftigungsverhältnisse um 45.300. Davon entfielen 79 Prozent der<br />

neuen Beschäftigungsverhältnisse auf Standardarbeitsverhältnisse (35.843),<br />

21 Prozent (9.457) auf atypische Arbeitsverhältnisse.<br />

Die Zunahme bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen (plus 3,2 Prozent)<br />

lag, wie in allen Jahren seit Einführung dieser Beschäftigungsformen,<br />

auch 2005 über dem Zuwachs an Standardarbeitsplätzen (plus 1,13). Am<br />

stärksten zugenommen haben die freien Dienstverhältnisse (plus 6,6 Prozent),<br />

die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse stiegen um plus<br />

3,1 Prozent, die geringfügig freien Dienstverträge um plus 2,2 Prozent.<br />

Dem Trend der letzten Jahre entsprechend sind auch 2005 die atypischen<br />

Beschäftigungsverhältnisse bei den Männern (plus 4,0 Prozent) stärker als<br />

bei den Frauen (plus 2,9 Prozent) gestiegen. Diese Tendenz zeigt sich nicht<br />

nur bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen, sondern generell bei<br />

den Teilzeitbeschäftigten: Obwohl diese Beschäftigungsformen überwiegend<br />

von Frauen eingenommen werden, sind die Zuwächse bei den Männern<br />

höher.<br />

In regionaler Betrachtung weisen die westlichen Bundesländer und Wien die<br />

höchsten Anteile atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf: In Vorarlberg<br />

sind es 9,9 Prozent, in Salzburg 9,6 Prozent, in <strong>Tirol</strong> 9,2 Prozent und in Wien<br />

ebenfalls 9,2 Prozent. Österreichweit beträgt der Anteil 8,5 Prozent. Bei den<br />

Frauen liegt der Anteil derartiger atypischer Beschäftigungsformen<br />

(11,9 Prozent) mehr als doppelt so hoch wie bei den Männern (5,4 Prozent).<br />

Die Zuwachsraten bei der atypischen Beschäftigung schwankten im Jahr<br />

zwischen plus 1,7 Prozent in <strong>Tirol</strong> und plus 6,1 Prozent im Burgenland. In<br />

allen Bundesländern wuchsen atypische Beschäftigungsformen stärker als<br />

die Standardbeschäftigung. Eine Ausnahme gab es lediglich bei den weiblichen<br />

Arbeitnehmerinnen in <strong>Tirol</strong>, wo der Zuwachs bei der Standardbeschäftigung<br />

höher ausfiel als bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen.<br />

137


138<br />

Starker Arbeitskräftezustrom<br />

aus dem<br />

Ausland<br />

Bei der Standardbeschäftigung lagen die Zuwachsraten zwischen plus<br />

0,4 Prozent in Wien und plus 1,8 Prozent in Oberösterreich, Österreichweit<br />

wurden plus 1,1 Prozent erreicht. Positiv zu vermerken ist, dass die<br />

Zunahme bei den Standardbeschäftigten heuer deutlich höher als im Vorjahr<br />

(plus 0,5 Prozent), bzw. in den letzten Jahren ausgefallen ist: Die Standardbeschäftigtenzunahme<br />

des Jahres 2005 war die höchste seit 1991<br />

(Beschäftigungswachstum von plus 2,0 Prozent).<br />

Wie schon in den Vorjahren nahm die Frauenbeschäftigung (plus 1,8 Prozent)<br />

stärker zu als die Männerbeschäftigung (plus 0,6 Prozent)<br />

Während bei den Frauen die Zahl der Arbeitsplätze in allen Bundesländern<br />

zugenommen hat, hielt bei den Männern in Wien der Arbeitsplatzabbau an,<br />

in allen anderen Bundesländern gab es Beschäftigtenzunahmen (zwischen<br />

plus 0,1 Prozent in der Steiermark und plus 1,2 Prozent in Niederösterreich).<br />

Allerdings war die Beschäftigungszunahme auch im Jahr 2005 zu gering, um<br />

einen weiteren Anstieg der vorgemerkten Arbeitslosen (plus 3,6 Prozent) zu<br />

verhindern.<br />

Die Zunahme der Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig steigender Beschäftigung<br />

ist nur durch den starken Arbeitskräftezustrom bzw. das steigende Arbeitskräfteangebot,<br />

nicht zuletzt aus dem Ausland, zu erklären. Hinzu kommt,<br />

dass, ebenso wie in den letzten Jahren, die Beschäftigungsausweitung vor<br />

allem durch Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung, auch innerhalb der Standardbeschäftigten,<br />

erfolgte.<br />

Wie in den letzten Jahren basiert auch heuer die Beschäftigungszunahme<br />

auf verstärkter Ausländerbeschäftigung. Im Monatsdurchschnitt 2005<br />

erhöhte sich die Ausländerbeschäftigung um plus 3,3 Prozent, die Inländerbeschäftigung<br />

nahm um plus 0,8 Prozent zu.<br />

Branchenmäßig basiert die Ausweitung der Standardbeschäftigung (plus<br />

1,1 Prozent) im heurigen Jahr alleine auf steigender Beschäftigung im<br />

Dienstleistungsbereich (plus 2,0 Prozent), der produktive Sektor musste<br />

einen starken Rückgang an Arbeitsplätzen (minus 1,5 Prozent) hinnehmen.<br />

Im primären Sektor stieg die Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft.<br />

Damit hat sich die schon im Jahr 2004 gezeigte branchenspezifische Entwicklung<br />

auch 2005 im Wesentlichen fortgesetzt. Der um die Karenz-, Kindergeldbezieher<br />

und Präsenzdiener bereinigte Zuwachs der Aktivbeschäftigten<br />

machte 1,0 Prozent aus (2004: Plus 0,3 Prozent).<br />

Innerhalb der Dienstleistungen entwickelten sich durchwegs alle Branchen<br />

(Ausnahme Gesundheits-Veterinär-Sozialwesen mit –0,5 Prozent) positiv.<br />

Besonders starke Beschäftigungsausweitungen wurden in den Wirtschaftsbereichen<br />

Unternehmensdienste-Realitätenwesen (plus 4,4 Prozent), Verkehr-Nachrichtenübermittlung<br />

(plus 4,4 Prozent) und Beherbergungs- Gaststättenwesen<br />

(plus 2,9) getätigt. Innerhalb der Branche Verkehr-Nachrichtenübermittlung<br />

war die Entwicklung sehr widersprüchlich, Beschäftigtenausweitungen<br />

im Land- und Flugverkehr standen Rückgänge in den<br />

Bereichen Nachrichtenübermittlung (minus 4,6 Prozent) und Schifffahrt<br />

gegenüber.<br />

Innerhalb des sekundären Sektors wurden, ebenso wie im Vorjahr, vor allem<br />

im Sachgüterbereich (minus 2,0 Prozent) Arbeitsplätze abgebaut, der<br />

Beschäftigtenstand in der Bauwirtschaft verblieb auf Vorjahresniveau.


Die Branchen des Sachgüterbereichs entwickelten sich mehrheitlich negativ,<br />

eine Ausnahme bildeten lediglich die Mehrheit der Metallbranchen und die<br />

Papier- Pappeerzeugung.<br />

Im Jahr 2005 waren monatsdurchschnittlich 252.657 Arbeitnehmer als<br />

arbeitslos gemeldet, das war gegenüber dem Vorjahreszeitraum eine<br />

Zunahme um monatsdurchschnittlich 8.777 Arbeitslose bzw. um plus<br />

3,6 Prozent. Die Arbeitslosenzunahme war damit etwas höher als im Vorjahresvergleichszeitraum.<br />

Trotz günstigerer Beschäftigungsentwicklung nahm<br />

die Zahl arbeitsloser Frauen (108.415: plus 4,6 Prozent) etwas stärker zu als<br />

die der Männer (144.238: plus 2,8 Prozent).<br />

Mit Ausnahme von Wien (minus 0,7 Prozent) verzeichneten alle Bundesländer<br />

einen Anstieg der Arbeitslosen, am stärksten Vorarlberg (plus 11,4 Prozent)<br />

und Oberösterreich (plus 7,0 Prozent).<br />

Im Jahr 2005 befanden sich monatsdurchschnittlich 48.590 Arbeitslose in<br />

Schulungskursen und waren, weil sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung<br />

standen, nicht in den offiziellen Arbeitslosenzahlen enthalten. Gegenüber<br />

dem Vorjahr hat sich die Zahl der Schulungsteilnehmer um knapp 14 Prozent<br />

erhöht. Unter Einbeziehung der sich auf Schulungskursen befindlichen<br />

Arbeitslosen waren 301.247 Arbeitslose monatsdurchschnittlich registriert,<br />

der Anteil der Schulungsteilnehmer machte 16 Prozent aus. Gegenüber dem<br />

Vorjahr ist die Zahl der Arbeitslosen inklusive Schulungsteilnehmer um plus<br />

5,1 Prozent bzw. um monatsdurchschnittlich 14.722 Personen gestiegen.<br />

Österreichweit hat sich die nach nationalen Standards errechnete Arbeitslosenrate<br />

um plus 0,1 Prozentpunkte auf 7,2 Prozent erhöht. Lediglich Wien<br />

registrierte einen Rückgang der Arbeitslosenrate, in Salzburg verblieb die<br />

Arbeitslosigkeit auf Vorjahresniveau, in allen anderen Bundesländern ist sie<br />

gestiegen.<br />

Die Arbeitslosenrate in <strong>Tirol</strong> erreichte monatsdurchschnittlich 5,8 Prozent,<br />

nach 5,6 Prozent im Jahr 2004. Trotz dieses starken Anstiegs weisen nur<br />

Oberösterreich (4,7 Prozent) und Salzburg (5,1 Prozent) eine bessere<br />

Im Monatsschnitt<br />

252.657 Arbeitslose in<br />

Österreich<br />

Monatlich 48.590 Arbeitslose<br />

in Schulungen<br />

Arbeitslosenrate in <strong>Tirol</strong><br />

5,8 Prozent im Monatsschnitt<br />

139


140<br />

Arbeitslosenrate samt<br />

Schulungsteilnehmern:<br />

6,3 Prozent<br />

Arbeitsmarktbilanz auf. Die höchste Arbeitslosigkeit verzeichneten Wien<br />

(9,7 Prozent) und das Burgenland (9,0 Prozent).<br />

Würden die sich auf Schulungen befindlichen Arbeitslosen auch als Arbeitslose<br />

gezählt werden, würde die Arbeitslosenrate Österreichs auf 8,5 Prozent<br />

ansteigen (<strong>Tirol</strong>: 6,3 Prozent).<br />

Die nach EU-Standards ermittelte Arbeitslosigkeit in Österreich stieg auf<br />

5,1 Prozent, nach 4,8 Prozent im Jahr 2004.<br />

Weiterhin positiv entwickelte sich im Bundesländerdurchschnitt das von den<br />

Unternehmungen an das Arbeitsmarktservice gemeldete Stellenangebot,<br />

das nach wie vor steigende Tendenz aufweist (plus 10 Prozent). Trotz dieser<br />

Verbesserung standen den monatsdurchschnittlich 252.657 Arbeitslosen nur<br />

26.209 offene Stellen zur Verfügung!<br />

Ausgenommen von einer Verbesserung des Stellenangebots waren die Bundesländer<br />

Steiermark (minus 4 Prozent) und <strong>Tirol</strong> (minus 1 Prozent), wo sich<br />

der Stellenmarkt weiterhin verschlechterte.<br />

Beschäftigungsentwicklung in <strong>Tirol</strong><br />

Unselbstständige Beschäftigungsverhältnisse in <strong>Tirol</strong><br />

Beschäftigungs- Standard- Beschäftigungsverhältnisse Alle<br />

verhältnisse besch. Geringfügige Freie geringfügig- Atypi-<br />

Freie schen<br />

Jahr Insgesamt Anteil Anteil Anteil Anteil<br />

1998 270.904 253.418 17.486 6,5% - - - - 17.486 6,5%<br />

1999 278.152 257.701 19.145 6,9% 1.3<strong>06</strong> 0,5% - - 20.451 7,4%<br />

2000 283.534 262.322 19.721 7,0% 1.491 0,5% - - 21.212 7,5%<br />

2001 288.497 266.626 20.316 7,0% 1.555 0,5% - - 21.871 7,6%<br />

2002 297.528 271.148 20.874 7,0% 1.648 0,6% 3.858 1,3% 26.380 8,9%<br />

2003 301.408 274.337 21.454 7,1% 1.636 0,5% 3.981 1,3% 27.071 9,0%<br />

2004 304.366 276.502 21.504 7,1% 1.896 0,6% 4.464 1,5% 27.864 9,2%<br />

2005 309.179 280.838 21.980 7,1% 1.803 0,6% 4.558 1,5% 28.341 9,2%<br />

Veränderung (Anteile in Prozentpunkten)<br />

2005:199814,1% 10,8% 25,7% 0,6% - - - - 62,1% 2,7%<br />

2005:2000 9,0% 7,1% 11,5% 0,1% 20,9% 0,1% - - 33,6% 1,7%<br />

2005:2002 3,9% 3,6% 5,3% 0,1% 9,4% 0,0% 18,1% 0,2% 7,4% 0,3%<br />

2003 1,3% 1,2% 2,8% 0,1% -0,7% -0,1% 3,2% 0,0% 2,6% 0,1%<br />

2004 1,0% 0,8% 0,2% 0,0% 15,9% 0,1% 12,1% 0,2% 2,9% 0,2%<br />

2005 1,6% 1,6% 2,2% 0,0% -4,9% 0,0% 2,1% 0,0% 1,7% 0,0%<br />

Jahreswerte sind 12 Monatsdurchschnittswerte<br />

Quelle: Hauptverband Öst. SV.Träger; Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>


Die Zahl der gesamtbeschäftigten Arbeitnehmer hat im Jahr 2005 um<br />

1,6 Prozent auf 309.179 zugenommen, bei den Standardbeschäftigten<br />

(280.838) machte der Zuwachs ebenfalls plus 1,6 Prozent aus, die atypischen<br />

Arbeitsverhältnisse haben sich um plus 1,7 Prozent auf 28.341 erhöht.<br />

Innerhalb der atypischen Beschäftigungsverhältnisse haben die geringfügigen<br />

(21.980) um plus 2,2 Prozent und die geringfügig freien Beschäftigungsverhältnisse<br />

(4.558) um plus 2,1 Prozent zugenommen. Der Rückgang bei<br />

den freien Dienstverträgen um minus 4,9 Prozent auf 1.803 Dienstverhältnisse<br />

hängt zwar auch mit den außergewöhnlich starken Zunahmen zwischen<br />

März und Juni des Jahres 2004 und den damit verbundenen Rückgängen<br />

in diesen Monaten im Jahr 2005 zusammen, hat sich jedoch in der<br />

zweiten Jahreshälfte 2005 auch als eigenständiger Trend durchgesetzt.<br />

Bei den atypischen Beschäftigungsverhältnissen weist <strong>Tirol</strong> den niedrigsten<br />

Zuwachs aller Bundesländer auf, bei den Standardarbeitsplätzen den zweithöchsten.<br />

Im Bundesländervergleich konnte nur Oberösterreich eine stärkere<br />

Beschäftigungsausweitung bei den vollversicherten Arbeitnehmern<br />

(plus 1,7 Prozent) erreichen.<br />

Im Vergleich zum Vorjahr war das Wachstum der Standardbeschäftigung in<br />

<strong>Tirol</strong> heuer doppelt so stark. Bei den Aktivbeschäftigten, also ohne Berücksichtigung<br />

von Karenz-, Kindergeldbeziehern und Präsenzdienern, machte<br />

die Beschäftigtenzunahme plus 1,8 Prozent aus. Damit lag das Wachstum<br />

über der Zuwachsrate der atypisch Beschäftigten.<br />

In <strong>Tirol</strong> ist der Frauenanteil bei den atypisch Beschäftigten höher (71,1 Prozent<br />

in <strong>Tirol</strong>, 66,9 Prozent im Bundesländerdurchschnitt) und bei den Standardbeschäftigten<br />

niedriger als im Österreichvergleich (45,4 Prozent in <strong>Tirol</strong>,<br />

46,2 Prozent im Bundesländerdurchschnitt).<br />

Im Unterschied zur Österreichweiten Entwicklung verzeichneten in <strong>Tirol</strong> die<br />

Frauen (plus 1,8 Prozent) eine stärkere Zunahme bei den atypischen<br />

Beschäftigungsverhältnissen als die Männer (plus 1,4 Prozent). Sowohl bei<br />

Frauen als auch bei Männern lagen die Zuwächse unter dem Wachstum der<br />

letzten beiden Jahre.<br />

Analog zur Österreichweiten Entwicklung basiert die Ausweitung bei der<br />

Standardbeschäftigung vor allem auf steigender Frauenbeschäftigung (plus<br />

2,0 Prozent). Die Männerbeschäftigung ist um plus 1,2 Prozent ausgeweitet<br />

worden.<br />

Die in <strong>Tirol</strong> schon seit 1998 anhaltende überdurchschnittliche Zunahme von<br />

ausländischen Standardbeschäftigten setzte sich auch im Jahr 2005 weiter<br />

fort, die Zahl der ausländischen Standardbeschäftigten hat sich um plus<br />

4,5 Prozent erhöht, nach einem Zuwachs von plus 5,2 Prozent im Vorjahr. Die<br />

Inländerbeschäftigung hat um plus 1,1 Prozent zugenommen (2004: plus<br />

0,2 Prozent). Im Vergleich zum Jahr 1997 hat sich die Ausländerbeschäftigung<br />

um plus 54,1 Prozent erhöht, die Zahl der standardbeschäftigten Inländer<br />

ist hingegen um plus 7,6 Prozent angestiegen.<br />

Der Ausländeranteil bei den standardbeschäftigten Arbeitnehmern macht<br />

nun in <strong>Tirol</strong> 13,3 Prozent aus, österreichweit 11,6 Prozent. Von den in <strong>Tirol</strong><br />

monatsdurchschnittlich 280.838 unselbstständig Beschäftigten hatten<br />

37.357 eine ausländische Staatsbürgerschaft.<br />

280.800 Standardbeschäftigte<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

Frauenanteil bei den<br />

Atypischen in <strong>Tirol</strong>:<br />

71 Prozent<br />

Ausländeranteil bei<br />

Standardbeschäftigung<br />

in <strong>Tirol</strong> liegt bei<br />

13,3 Prozent – Das sind<br />

37.356 Personen<br />

Innerhalb von acht<br />

Jahren stieg Zahl ausländischer<br />

Arbeitnehmer<br />

in <strong>Tirol</strong> um 54 Prozent<br />

141


142<br />

Gesamter Nettozuwachs<br />

ausländischer Arbeitnehmer<br />

in <strong>Tirol</strong> im Jahr 2005<br />

wird allein durch<br />

Deutsche abgedeckt<br />

Der Zustrom deutscher Arbeitskräfte hat auch 2005 angehalten. Bereits<br />

22 Prozent aller ausländischen Standardbeschäftigten entfallen auf Deutsche<br />

(8.279). Der gesamte Nettozuwachs ausländischer Arbeitnehmer (plus<br />

1.700) im Jahr 2005 wird allein durch Deutsche abgedeckt.<br />

Branchenmäßig basiert die positive Beschäftigungsentwicklung (4.668 zusätzliche<br />

Arbeitsplätze) nahezu zur Gänze auf Arbeitsplatzausweitungen in<br />

den Dienstleistungsbranchen (plus 4.654 Arbeitsplätze bzw. plus 2,5 Prozent).<br />

Das Beschäftigungsniveau im Produktionssektor verblieb auf<br />

Vorjahresniveau (plus 36 Arbeitsplätze), war also, im Unterschied zur österreichischen<br />

Entwicklung (minus 1,5 Prozent), nicht negativ.<br />

Die im Vergleich zum Vorjahr deutlich schwächere Beschäftigtenentwicklung<br />

im produktiven Sektor ist vor allem auf den Arbeitsplatzabbau in der <strong>Tirol</strong>er<br />

Bauwirtschaft (minus 1,4 Prozent) zurückzuführen: In den Branchen Bergbau,<br />

Steine- und Erdengewinnung, Sachgütererzeugung und Energie- und<br />

Wasserversorgung wurde die Beschäftigung ausgeweitet (plus 0,7 Prozent).<br />

In der Sachgütererzeugung hat die Beschäftigungsdynamik allerdings an<br />

Schwung verloren, der Zuwachs hat sich, verglichen mit 2004, halbiert.<br />

Innerhalb der Sachgütererzeugung, des gewerblich-industriellen Bereichs,<br />

gingen die stärksten Beschäftigungsimpulse von den Wirtschaftsabteilungen<br />

Herstellung Glas, Stein- und Erdwaren, der Holzbe- und Verarbeitung<br />

und der Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren aus.<br />

Der bereits seit Mitte der 80er Jahre anhaltende Verlust von Textilarbeitsplätzen<br />

hielt auch im Vorjahr weiter an (minus 15 Prozent), in dieser Branche gibt<br />

es in <strong>Tirol</strong> nur noch 662 Arbeitsplätze (im Jahr 1985 waren es noch 3.914).<br />

Arbeitsmarkt in <strong>Tirol</strong> nach Wirtschaftsabschnitten<br />

Durchschnitt Jänner 2005 bis Dezember 2005<br />

Veränderung gegenüber dem Zeitraum 2004<br />

Wirtschaftsabschnitte Standardbeschäftigte +/– Arbeitslose +/– AL-Rate +/–<br />

A Land- Forstwirtschaft 2.478 -23 -0.9% 259 +1 +0.4% 9.5% +0.1%<br />

B Fischerei,Fischzucht 7 +1 +16.7% 1 +0 +0.0% 12.5% -1.8%<br />

C Bergbau,Steine-,Erdengewinnung 758 +6 +0.8% 40 +2 +5.3% 5.0% +0.2%<br />

D Sachgütererzeugung 47.941 +318 +0.7% 1.785 +131 +7.9% 3.6% +0.2%<br />

E Energie-Wasserversorgung 2.950 +20 +0.7% 38 +5 +15.2% 1.3% +0.2%<br />

F Bauwesen 22.379 -308 -1.4% 3.073 +133 +4.5% 12.1% +0.6%<br />

G Handel,Reparatur,Tankstellen 43.997 +853 +2.0% 2.138 +154 +7.8% 4.6% +0.2%<br />

H Beherbergungs-Gaststättenwesen 30.179 +1.174 +4.0% 6.055 +262 +4.5% 16.7% +0.1%<br />

I Verkehr, Nachrichtenübermittlung 21.193 +676 +3.3% 764 +62 +8.8% 3.5% +0.2%<br />

J Kredit-,Versicherungswesen 8.854 +15 +0.2% 150 +18 +13.6% 1.7% +0.2%<br />

K Unternehmensdienste,Realitäten 15.248 +236 +1.6% 532 +65 +13.9% 3.4% +0.4%<br />

L Öff.Verw.,Landesvert.,Sozialvers. 28.848 +1.039 +3.7% 272 +22 +8.8% 0.9% +0.0%<br />

M Unterrichtswesen 12.881 +246 +1.9% 205 +9 +4.6% 1.6% +0.1%<br />

N Gesundheits-,Veter.-,Sozialwesen 18.219 +65 +0.4% 450 +53 +13.4% 2.4% +0.3%<br />

O Sonst. öff. pers. Dienstleistungen 13.040 +357 +2.8% 946 +100 +11.8% 6.8% +0.5%<br />

P Private Haushalte 372 -8 -2.1% 29 +3 +11.5% 7.2% +0.8%<br />

Q Exterritoriale Organisationen 3 +1 +50.0% 49 +12 +32.4% 94.2% -0.7%<br />

ALLE 280.838 +4.336 +1.6% 17.439 +1.071 +6.5% 5.8% +0.2%<br />

ALLE BRANCHEN 269.346 +4.668 +1.8% 16.783 +1.031 +6.5% 5.9% +0.3%<br />

Primärer Sektor 2.485 -22 -0.9% 260 +1 +0.4% 9.5% +0.1%<br />

Produktionssektor 74.028 +36 +0.0% 4.936 +271 +5.8% 6.3% +0.4%<br />

Dienstleistungssektor 192.833 +4.654 +2.5% 11.587 +759 +7.0% 5.7% +0.3%<br />

ALLE inklusive Präsenzdiener und KRG-KGB-Bezieher bei den Beschäftigten<br />

inklusive Schulabgänger und Sonstiger bei den Arbeitslosen<br />

Quelle: Hauptverband Öst. Sozialversicherungsträger, Arbeitsmarktservice • Berechnung der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>


In den Dienstleistungsbranchen gab es mit Ausnahme der privaten Haushalte<br />

in allen Wirtschaftsabteilungen Beschäftigungsausweitungen: Am<br />

stärksten expandierte der Beschäftigtenstand im Beherbergungs-Gaststättenwesen<br />

(plus 4,0 Prozent), in der Öffentlichen Verwaltung, Landesverteidigung,<br />

Sozialversicherung (plus 3,7 Prozent) und im Bereich Verkehr-Nachrichtenübermittlung<br />

(trotz Rückgängen bei der Nachrichtenübermittlung-<br />

Post ein Zuwachs von plus 3,3).<br />

Bei den Frauen fiel die Standardbeschäftigtenzunahme (plus 2,5 Prozent bei<br />

den „Aktivbeschäftigten“, plus 2,0 Prozent bei den Gesamtbeschäftigten<br />

inklusive Karenzgeldbezieherinnen) doppelt so stark aus wie bei den Männern<br />

(plus 1,2 Prozent). Trotzdem war die Beschäftigungsausweitung bei den<br />

Männern die höchste seit dem Jahr 1992.<br />

In der überwiegenden Mehrheit der Branchen verzeichneten Frauen eine<br />

günstigere Beschäftigungsentwicklung als Männer: Eine Ausnahme bildet<br />

das Beherbergungs-Gaststättenwesen, wo die Beschäftigungsausweitung<br />

der Männer höher als bei den Frauen ausfiel.<br />

Arbeitslosenentwicklung in <strong>Tirol</strong><br />

An der seit März 2001 anhaltenden negativen Arbeitsmarktentwicklung mit<br />

kontinuierlicher Zunahme der Arbeitslosen hat sich auch im Jahr 2005<br />

grundsätzlich nichts verändert, in allen Monaten mit Ausnahme vom März<br />

und Dezember (geringfügig niedrigere Arbeitslosenzahlen) wurden mehr<br />

Arbeitslose als im Vorjahr registriert. Im Monatsdurchschnitt 2005 waren<br />

17.439 Arbeitnehmer als arbeitslos gemeldet, das waren um monatsdurchschnittlich<br />

1.071 Personen bzw. plus 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr.<br />

Die Arbeitslosenzunahme im Jahr 2005 war höher als in den Vorjahrjahren<br />

(2004: plus 4,0 Prozent), Österreichweit verzeichnete <strong>Tirol</strong> den dritthöchsten<br />

Zuwachs (hinter Vorarlberg mit plus 11,4 Prozent und Oberösterreich mit<br />

plus 7,0 Prozent) aller Bundesländer.<br />

Im Monatsschnitt<br />

17.439 Arbeitslose in<br />

<strong>Tirol</strong><br />

143


144<br />

Weitere 1.553 Arbeitslose<br />

in Schulung<br />

Rekordwert in <strong>Tirol</strong>: Rund<br />

71.000 <strong>Tirol</strong>er waren 2005<br />

zumindest einmal<br />

arbeitslos<br />

46,2 Prozent der gemeldeten Arbeitslosen waren Frauen (8.053). Die Arbeitslosenzunahme<br />

bei den Frauen (plus 7,1 Prozent) war geringfügig höher als<br />

bei den Männern (plus 6,1 Prozent). Die Arbeitslosenraten von Männern<br />

(5,8 Prozent) und Frauen (5,9 Prozent) unterscheiden sich nur unwesentlich.<br />

1.553 arbeitslose Personen in <strong>Tirol</strong> befanden sich 2005 monatsdurchschnittlich<br />

auf Schulungsmaßnahmen und waren daher nicht als Arbeitslose ausgewiesen.<br />

Entgegen dem Österreichweiten Trend ist die Zahl der arbeitslosen<br />

Schulungsteilnehmer in <strong>Tirol</strong> 2005 gesunken (minus 4 Prozent), während<br />

er im Bundesländerdurchschnitt um plus 14 Prozent gestiegen ist.<br />

Unter Einbeziehung der nicht als arbeitslos registrierten Schulungsteilnehmer<br />

beim Arbeitsmarktservice waren im Jahr 2005 monatsdurchschnittlich<br />

18.992 Erwerbspersonen in <strong>Tirol</strong> arbeitslos, um 1.009 oder plus 6,5 Prozent<br />

mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei Berücksichtigung, also Einrechnung der<br />

Schulungsteilnehmer zu den Arbeitslosen ist der Arbeitslosenzuwachs in<br />

<strong>Tirol</strong> und Österreich (plus 5,1 Prozent) nahezu gleich hoch.<br />

Infolge der unterschiedlichen Entwicklung bei den Schulungsmaßnahmen<br />

liegt nun der Anteil der Schulungsteilnehmer an den Gesamtarbeitslosen in<br />

<strong>Tirol</strong> bei nur 8,2 Prozent, gegenüber 16,1 Prozent im Bundesländerdurchschnitt.<br />

In <strong>Tirol</strong> waren Frauen überdurchschnittlich (50,5 Prozent) bei den<br />

Schulungsteilnehmern vertreten, Österreichweit erreichte der Frauenanteil<br />

nur 42,9 Prozent.<br />

Die monatsdurchschnittlichen und stichtagsbezogenen Bestandszahlen<br />

führen oftmals zu einer Unterschätzung der Arbeitslosenproblematik, insbesondere<br />

dann, wenn vergessen wird, die Zahlen als monatsdurchschnittlich<br />

zu bezeichnen und interpretieren.<br />

Aus den im gesamten Jahresverlauf 2005 erhobenen Daten geht hervor,<br />

dass insgesamt 107.321 Arbeitslosenfälle – 90.195 Arbeitslosenzugänge<br />

zwischen Jänner und Dezember sowie 17.126 Arbeitslose Ende Dezember<br />

2004 – bei den <strong>Tirol</strong>er Arbeitsmarktservicestellen registriert wurden, das<br />

waren um plus 3,9 Prozent mehr als im Vorjahresvergleichszeitraum.<br />

Die 90.195 Arbeitslosenzugänge (plus 3,5 Prozent) im Laufe des Vorjahres<br />

stellen einen noch nie in <strong>Tirol</strong> registrierten Rekordwert dar, selbst im Jahr<br />

1998, dem Jahr mit dem höchsten Durchschnittsbestand an Arbeitslosen<br />

(16.904), war der Arbeitslosenzugang (80.547) deutlich niedriger. Erfreulicherweise<br />

wurde auch bei den Arbeitslosenabgängen 2005 ein Höchstwert<br />

von 94.782 (plus 6,5 Prozent) erreicht.<br />

Obwohl derzeit noch keine personenbezogenen Auswertungen der Arbeitslosigkeit<br />

vorliegen, ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der von Arbeitslosigkeit<br />

betroffenen Personen im Jahr 2005 mit circa 71.000 Personen in <strong>Tirol</strong><br />

einen neuen Höchstwert erreicht haben.<br />

Die erneute Erhöhung der Arbeitslosenzugänge und -abgänge sind ein Indikator<br />

für die verstärkte, durch Arbeitslosigkeit erzwungene, hohe Mobilität<br />

der Arbeitnehmer.<br />

Trotz überproportional steigender Ausländerbeschäftigung nahm die Ausländerarbeitslosigkeit<br />

(plus 8,7 Prozent) auch im heurigen Jahr stärker zu als die<br />

der Inländer (plus 6,1 Prozent). Diese Entwicklung hält nun bereits das fünfte<br />

Jahr an. Die überproportionale Zunahme arbeitsloser Ausländer kann als


Indikator dafür gewertet werden, dass zusätzliche Ausländerbeschäftigung<br />

auch die Arbeitsplätze bereits integrierter Ausländer bedroht: Vom Jahr 2000<br />

bis 2005 hat sich die Ausländerbeschäftigung in <strong>Tirol</strong> um plus 41 Prozent<br />

erhöht, gleichzeitig hat die Arbeitslosigkeit ausländischer Erwerbstätiger um<br />

plus 52 Prozent zugenommen. Bei den Inländern hat sich die Zahl der<br />

Arbeitslosen im gleichen Zeitraum um plus 25 Prozent erhöht (bei einem<br />

Beschäftigungswachstum von plus 3,3 Prozent).<br />

Im Monatsdurchschnitt 2005 waren 2.943 ausländische Erwerbstätige als<br />

arbeitslos gemeldet, das waren 16,9 Prozent aller Arbeitslosen. Die Arbeitslosenrate<br />

der Ausländer betrug 7,3 Prozent, die der Inländer 5,6 Prozent.<br />

Es scheint offensichtlich, dass die seit dem Jahr 2000 stark zunehmende<br />

Neubeschäftigung von Ausländern sowohl bestehende Arbeitsplätze von<br />

Ausländern als auch von Inländern gefährdet.<br />

In <strong>Tirol</strong> spielt die saisonale Arbeitslosigkeit eine starke Rolle. Nahezu unabhängig<br />

von konjunkturellen Gegebenheiten zählt die saisonale Arbeitslosenbetroffenheit<br />

zur „normalen“ Berufslaufbahn (vor allem im Hotel-Gaststättenwesen,<br />

der Bauwirtschaft und der Land- und Forstwirtschaft): 54 Prozent<br />

aller Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> kommen aus diesen drei Wirtschaftsabschnitten.<br />

Speziell in Branchen mit starken saisonalen Beschäftigungsschwankungen<br />

überwiegen Arbeitslose mit Einstellungszusagen, allerdings kommt Arbeitslosigkeit<br />

mit späterer Einstellungszusage auch bei anderen Jobwechslern<br />

vor.<br />

In <strong>Tirol</strong> waren 53 Prozent aller Arbeitslosen im Jahr 2005 im Besitz einer Einstellungszusage,<br />

hatten also einen zugesicherten Arbeitsplatz bzw. eine sonstige<br />

Zukunftsperspektive (z.B. Einberufung zu Präsenzdienst), die Zeit in<br />

der Arbeitslosigkeit war schon von vornherein als klar begrenzt anzusehen;<br />

Eine Arbeitsplatzsuche stand in der Regel nicht im Vordergrund. Diese Form<br />

der Arbeitslosigkeit, bei der keine aktive Arbeitsplatzsuche seitens des<br />

Betroffenen stattfindet, wird nach der EU-Arbeitslosendefinition gar nicht zur<br />

Arbeitslosigkeit gezählt, die EU-Arbeitslosenkriterien sind also deutlich<br />

strenger als im österreichischen Maßstab.<br />

Gegenüber dem Jahr 2004 hat sich die Zahl der Arbeitslosen mit Einstellungszusage<br />

zwar erhöht (plus 3 Prozent), der Anteil der Arbeitslosen mit<br />

Einstellungszusage war leicht rückläufig.<br />

Arbeitslose Frauen (57 Prozent) können öfter als Männer (49 Prozent) eine<br />

Einstellungszusage vorweisen.<br />

Die durchschnittliche Vormerkdauer der zu Monatsende registrierten<br />

Arbeitslosen betrug 69 Tage („Dauer je Arbeitslosenfall“), die durchschnittliche<br />

Verweildauer der aus der Arbeitslosigkeit abgehenden Personen<br />

67 Tage. Während die Vormerkdauer in der Arbeitslosigkeit, das ist die Zeit<br />

zwischen Beginn der Arbeitslosigkeit und dem Erhebungszeitpunkt, also die<br />

noch nicht vollendete Arbeitslosendauer, im Jahr 2005 niedriger als im Vorjahr<br />

(72 Tage) ausgefallen ist, hat sich die Verweildauer der aus der Arbeitslosigkeit<br />

Abgehenden gegenüber dem Vorjahr nicht verändert.<br />

Bei beiden Formen der Arbeitslosendauer besteht zwischen Frauen und<br />

Männern kein Unterschied.<br />

54 Prozent aller Arbeitslosen<br />

in <strong>Tirol</strong> kommen<br />

aus Saisonbranchen<br />

53 Prozent aller Arbeitslosen<br />

in <strong>Tirol</strong> haben<br />

Einstellungszusage<br />

145


146<br />

Innerhalb von fünf<br />

Jahren stieg Zahl der<br />

Arbeitslosen in <strong>Tirol</strong> um<br />

knapp 30 Prozent<br />

Die Arbeitslosendauer korreliert mit dem Alter der Arbeitslosen. Junge<br />

Arbeitslose weisen die geringste Vormerk- und Verweildauer auf, mit steigendem<br />

Alter werden die Wiederbeschäftigungschancen kontinuierlich<br />

schlechter, die Arbeitslosendauer nimmt zu.<br />

Bei niedriger Verweildauer ist die Vormerkdauer niedriger als die Verweildauer,<br />

bei hoher Verweildauer liegt die Vormerkdauer der in der Arbeitslosigkeit<br />

verbleibenden Personen deutlich höher als die Verweildauer der aus<br />

der Arbeitslosigkeit abgehenden Personen.<br />

Hinsichtlich der generellen Arbeitslosenvormerkdauer fällt auf, dass 2005 der<br />

Arbeitslosenanstieg bei einer Vormerkdauer von drei bis sechs Monaten (plus<br />

11 Prozent) und insbesondere bei einer mit einer Dauer von sechs bis zwölf<br />

Monaten (plus 18 Prozent) überproportional zugenommen hat. Etwas weniger<br />

ungünstig entwickelte sich die Kurzzeitarbeitslosigkeit (unter drei Monate:<br />

plus 5 Prozent) und die Langzeitarbeitslosigkeit (mehr als 1 Jahr arbeitslos:<br />

plus 7 Prozent). Allerdings ist letztere Gruppe in <strong>Tirol</strong> relativ klein, nur 333 Personen<br />

oder 1,9 Prozent aller Arbeitslosen fallen in diese Kategorie.<br />

Im Jahr 2005 zählten in <strong>Tirol</strong> 7,9 Prozent der Arbeitslosen (monatsdurchschnittlich<br />

1.381 Arbeitslose) zu den Langzeitarbeitslosen mit einer Arbeitslosenvormerkdauer<br />

von mehr als sechs Monaten, ein im nationalen und<br />

internationalen Vergleich günstiger Wert.<br />

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch die Schulung von Arbeitslosen<br />

nicht nur die Höhe der ausgewiesenen Arbeitslosigkeit beeinflusst, sondern<br />

auch die Vormerkdauer verkürzt wird: Schulungsteilnehmer gelten als<br />

Arbeitslosenabgänger, wodurch sich auch die Vormerkdauer verkürzt. Nach<br />

Ende der Schulungsmaßnahme werden diese Teilnehmer, soweit sie weiterhin<br />

arbeitslos sind, wiederum als Arbeitsloseneuzugänge registriert.<br />

In altersmäßiger Betrachtung wiesen ältere Arbeitnehmer (über 49 Jahre) die<br />

höchste Steigerungsrate auf (plus 13 Prozent), besonders stark war die<br />

Zunahme bei der, zahlenmäßig geringfügigen, Gruppe der über 59jährigen<br />

(plus 20 Prozent).<br />

Im mittelfristigen Vergleich zum Jahr 2000 hat sich die Anzahl der Arbeitslosen<br />

um plus 29 Prozent erhöht. Die stärkste Zunahme gab es bei den<br />

Jugendlichen (unter 25 Jahre plus 46 Prozent), bei den mittleren Jahrgängen<br />

(25 bis 49 Jahre: plus 23 Prozent) war der Zuwachs leicht unterdurchschnittlich,<br />

bei den älteren (plus 37 Prozent) leicht überdurchschnittlich.


Bei längerfristigen Arbeitslosenvergleichen muss auch die Änderung der<br />

Altersstruktur der Beschäftigten berücksichtigt werden. Zwischen 1990 und<br />

2005 hat sich die Zahl der Arbeitslosen insgesamt um plus 47 Prozent<br />

erhöht. Bei den Jugendlichen gab es einen leichten Zuwachs von plus 5 Prozent,<br />

bei den über 50jährigen hat sich die Zahl der Arbeitslosen mehr als verdoppelt<br />

(plus 109 Prozent). Ein Teil dieser altersspezifisch unterschiedlichen<br />

Arbeitslosenentwicklung erklärt sich durch die Änderung der Altersstruktur<br />

der Beschäftigten: Während der Anteil der Jugendlichen an den Beschäftigten<br />

von 26,1 Prozent im Jahr 1990 auf 17,9 Prozent im Jahr 2005 zurückgegangen<br />

ist, hat sich der Anteil älterer Arbeitnehmer von 12,8 Prozent auf<br />

15,6 Prozent erhöht.<br />

Nimmt man die Arbeitslosenrate (Anteil der Arbeitslosen an den unselbstständigen<br />

Erwerbspersonen) als Indikator für die Arbeitslosigkeit, so wird<br />

diese Änderung der Beschäftigungsstruktur berücksichtigt.<br />

Jugendliche Erwerbspersonen wiesen in <strong>Tirol</strong> seit 1990 durchwegs eine<br />

höhere Arbeitslosigkeit auf als ältere (ab 50 Jahre), ausgenommen die Jahre<br />

1998 bis 2000. Von 1990 bis 1998 und im Jahr 2004 war die Arbeitslosigkeit<br />

älterer Erwerbspersonen niedriger als im Altersdurchschnitt.<br />

Grundsätzlich hängt die Arbeitslosigkeit von der Arbeitslosenbetroffenheit<br />

und der Arbeitslosendauer ab. Wenn auch die Arbeitslosenrate von jugendlichen<br />

(6,4 Prozent im Jahr 2005) und älteren Erwerbspersonen (5,9 Prozent)<br />

nicht besonders stark differieren, so liegen trotzdem zwei unterschiedliche<br />

Arbeitslosenmuster vor: Während Jugendliche, mit Ausnahme der Lehrlinge,<br />

überdurchschnittlich oft von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sinkt die Arbeitslosenbetroffenheit<br />

mit zunehmendem Alter. Umgekehrt verhält es sich mit<br />

der Arbeitslosendauer bzw. den Wiederbeschäftigungschancen. Je älter die<br />

Arbeitslosen, desto länger dauert in der Regel die Arbeitslosigkeit.<br />

Branchenspezifisch wiesen die Wirtschaftsabschnitte Unternehmensdienste-Realitäten,<br />

Kredit-Versicherungswesen und Gesundheits-Sozialwesen<br />

die höchsten Arbeitslosenzuwächse auf (knapp plus 14 Prozent). Grundsätzlich<br />

hat sich jedoch die Arbeitsmarktsituation in allen Bereichen verschlechtert,<br />

die Zahl der Arbeitslosen hat in allen 17 Wirtschaftsabschnitten zugenommen,<br />

sogar in Branchen mit starker Beschäftigungsausweitung (Entkoppelung<br />

von Beschäftigungs- und Arbeitslosenentwicklung). So waren die<br />

Arbeitslosenzuwachsraten trotz unterschiedlicher Beschäftigungsentwicklung<br />

im Dienstleistungssektor nahezu gleich hoch wie im Produktionssektor.<br />

Die berufsspezifische Arbeitslosenentwicklung verlief ähnlich wie die bran-<br />

Arbeitslosenrate bei<br />

Jugendlichen:<br />

6,4 Prozent<br />

147


148<br />

<strong>Tirol</strong>: „Nur“ drei Prozent<br />

Arbeitslosigkeit bei<br />

Angestellten – Das ist<br />

Vollbeschäftigung<br />

chenspezifische, in fast allen Berufsobergruppen ist die Arbeitslosigkeit<br />

gestiegen. Die Zuwachsraten bei den wichtigsten Berufsobergruppen, z.B.<br />

gewerblich-industrielle Berufe, Dienstleistungsberufe und Büroberufe, unterscheiden<br />

sich nur gering.<br />

Hinsichtlich der (formalen) Ausbildung der Arbeitslosen nahm die Arbeitslosigkeit<br />

2005 in allen Bereichen relativ gleichmäßig zu. Nach wie vor weisen<br />

Erwerbstätige mit Pflichtschule als höchstem formalen Bildungsabschluss<br />

die stärkste Arbeitslosigkeit (12,8 Prozent) auf. Die Arbeitslosigkeit von Lehrabsolventen<br />

entspricht dem Durchschnitt, Arbeitnehmer mit höheren Bildungsabschlüssen<br />

sind deutlich unterdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit<br />

betroffen.<br />

In den letzten 15 Jahren zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen<br />

formalen Bildungsabschluss und Arbeitslosenzuwachs: Je höher der Bildungsabschluss,<br />

desto stärker die Arbeitslosenzunahme. Zwischen 1990<br />

und 2005 nahm die Zahl der Arbeitslosen mit Pflichtschule als höchstem<br />

Schulabschluss um 20 Prozent zu, bei jenen mit Lehrabschluss um plus 70<br />

Prozent. Hingegen machte der Zuwachs bei Absolventen der mittleren Schulen<br />

plus 101 Prozent aus, bei den höheren Schulen plus 173 Prozent und bei<br />

Universitäts- und Akademieabsolventen plus 271 Prozent. Trotzdem ist die<br />

Arbeitsmarktsituation für schulisch besser Gebildete nach wie vor weit günstiger,<br />

was sich in den niedrigen Arbeitslosenraten dieser Gruppen widerspiegelt.<br />

Zu berücksichtigen ist, dass sich das Ausbildungsniveau der Arbeitnehmer<br />

kontinuierlich erhöht. Die weit überdurchschnittliche Zunahme der Arbeitslosen<br />

mit höheren Bildungsabschlüssen war von einer gleichzeitigen Änderung<br />

des Bildungsniveaus der Beschäftigten begleitet, sodass sich die<br />

Arbeitslosenraten dieser Gruppen nur moderat erhöht haben und sich zwischen<br />

zwei und drei Prozent einpendeln. Eine Arbeitslosenrate von drei Prozent<br />

entspricht einem Wert, der als Vollbeschäftigungsmarke angesehen<br />

wird.<br />

In Anbetracht des starken Zusammenhangs von schulischer Ausbildung und<br />

Arbeitslosenrate verwundert es nicht, dass Arbeitslosigkeit überwiegend<br />

Erwerbspersonen mit Arbeiterberufen trifft (Arbeitslosenrate von 9,2 Prozent),<br />

während bei Angestellten (3,0 Prozent) nach wie vor von Vollbeschäftigung<br />

gesprochen werden kann.


Die Arbeitslosenzuwächse von 1990 bis 2005 fielen bei Männer und Frauen<br />

gleich stark aus (plus 47 Prozent).<br />

Der seit 2001 anhaltende Rückgang des dem Arbeitsmarktservice übermittelten<br />

Stellenangebots hat auch 2005 weiter angehalten, das monatliche<br />

Stellenangebot (1.767 offene Stellen) lag um minus 1 Prozent unter dem Vorjahresniveau<br />

und machte nur noch die Hälfte des im Jahr 2000 zur Verfügung<br />

stehenden Jobangebots auf.<br />

Rückläufig war das Stellenangebot bei den Rechts-, Verwaltungs- und<br />

Büroberufen, den Gesundheits-, Lehr- und Kulturberufen, den gewerblich<br />

und industriellen Berufen sowie den Dienstleistungsberufen.<br />

In regionaler Hinsicht herrscht in der Mehrheit der Bezirke weiterhin Stellenrückgang;<br />

Eine Ausnahme bildeten nur die Bezirke Schwaz, Landeck und<br />

Reutte. Im Landesdurchschnitt entfielen auf jede gemeldete offene Stelle<br />

10 Arbeitslose, in Lienz, dem Bezirk mit dem schlechtesten Stellenangebot,<br />

waren es 36 je offene Stelle (Stellenandrang).<br />

2005 hat die Arbeitslosigkeit in allen <strong>Tirol</strong>er Bezirken zugenommen, am<br />

stärksten in Kufstein (plus 12 Prozent Arbeitslose), am schwächsten in Kitzbühel<br />

(plus 2 Prozent) und Reutte (plus 3 Prozent).<br />

Ebenso wie auf <strong>Tirol</strong>ebene hat sich die Arbeitslosigkeit in fast allen Bezirken<br />

in nahezu allen Berufsabteilungen erhöht, am stärksten bei den Handelsund<br />

Verkehrsberufen.<br />

Hinsichtlich der Arbeitslosigkeit kann in <strong>Tirol</strong> in zwei Großregionen unterschieden<br />

werden: Im Zentralraum <strong>Tirol</strong>s (mit den Bezirken Innsbruck-Land,<br />

Innsbruck-Stadt, Schwaz, Kufstein) sowie im Bezirk Reutte ist die Arbeitsmarktsituation<br />

relativ günstig. Die peripheren, vorwiegend fremdenverkehrsund<br />

saisonal geprägten Bezirke Lienz, Landeck und Imst zählen hingegen<br />

Österreichweit zu den Bezirken mit der höchsten Arbeitslosigkeit.<br />

„Aber“ neun Prozent<br />

Arbeitslosigkeit bei<br />

Arbeitern<br />

Lienz, Landeck und Imst<br />

zählen Österreichweit zu<br />

den Bezirken mit der<br />

höchsten Arbeitslosigkeit<br />

149


150


Insolvenzen und Neugründungen 2005<br />

151


152<br />

2.123 Arbeitnehmer von<br />

605 Insolvenzen in <strong>Tirol</strong><br />

betroffen<br />

165 Konkurse,<br />

acht Ausgleiche,<br />

432 Abweisungen<br />

Insolvenzen und Neugründungen<br />

2005<br />

Insolvenzen<br />

Unternehmensinsolvenzen<br />

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist in <strong>Tirol</strong> im Jahre 2005 mit 605<br />

Unternehmen gegenüber dem Vorjahr (496) um 22 Prozent gestiegen.<br />

Obwohl dieser Anstieg auf den Anstieg der mangels Masse abgewiesenen<br />

Kurse zurückgeht und hier meist nur wenige Arbeitnehmer in den Betrieben<br />

tätig sind, ist trotzdem die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer nach den Erhebungen<br />

der <strong>AK</strong> mit 2.123 um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.686)<br />

gestiegen. Die Summe der Passiva bei den eröffneten Insolvenzen schätzt<br />

der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) mit 2<strong>06</strong> Millionen Euro um ein Drittel<br />

höher ein als noch ein Jahr zuvor (156 Millionen Euro). Damit hat sich<br />

nicht nur der steigende Trend bei der Anzahl der Unternehmensinsolvenzen<br />

im Jahre 2005 fortgesetzt, sondern es wurde auch ein trauriger Rekord in<br />

Bezug auf die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer und der Passiva erreicht.<br />

Österreichweit sind die gesamten Insolvenzen von 6.318 auf 7.056 (+12 Prozent)<br />

gestiegen. Die eröffneten Insolvenzen (einschließlich Anschlusskonkurse)<br />

sind um 8,3 Prozent auf 3.165 und die Zahl mangels Vermögens<br />

abgewiesener Konkursanträge gar um 15 Prozent auf 3.853 gestiegen. Wiederum<br />

abgenommen haben die gerichtlichen Ausgleiche (bereinigt um die<br />

Zahl der Anschlusskonkurse), nämlich von 50 auf 38. Die Passiva bei den<br />

Insolvenzen schätzt der KSV auf 2.540 Millionen Euro (Vorjahr: 2.426 Millionen<br />

Euro). Die von den Insolvenzen betroffenen Dienstnehmer sind um<br />

4,2 Prozent auf 22.700 gestiegen, die betroffenen Gläubiger um 4,5 Prozent<br />

auf 87.900.<br />

Insolvenzarten<br />

Die Firmenpleiten gliedern sich in <strong>Tirol</strong> in 165 eröffnete Konkurse (Vorjahr<br />

183), acht Ausgleichsverfahren (10) und 432 Abweisungen (303). Von den<br />

acht Ausgleichen wurden nur zwei angenommen, vier endeten im<br />

Anschlusskonkurs und zwei Verfahren sind noch offen. Bei den mangels


Masse abgewiesenen Konkursen wurde die Zahl der offiziellen Ediktsdatei<br />

um die Mehrfachnennungen bereinigt. 71 Prozent der Insolvenzen sind also<br />

Abweisungen, bei denen die Gläubiger – zu ihnen gehören auch Sozialversicherungsträger<br />

und andere öffentliche Gläubiger, somit mittelbar auch<br />

jeder Steuerzahler – einen 100prozentigen Forderungsausfall zu verzeichnen<br />

haben.<br />

Gliederung nach Branchen<br />

Bedingt durch den Karl Pittl Konkurs war im vergangenen Jahr die Metallbranche<br />

jene Branche, bei der am meisten Arbeitnehmer (414) betroffen<br />

waren. Traditionell ist die Tourismus- und Gastgewerbebranche mit an der<br />

Spitze der Insolvenzstatistik: 129 Firmen bzw. 332 Arbeitnehmer waren<br />

betroffen. Weitere Auffälligkeit ist, dass neben den vielen kleinen Gaststätten<br />

auch renommierte Hotels (Elisabeth Hotel in Mayrhofen, Karl-Heinz Deutschmann<br />

& Co in Obergurgl, System-Gastronomie GmbH in Innsbruck, Süß<br />

& Partner Gastro-BetriebsGmbH in Imst) betroffen waren. Die größten Konkurse<br />

im Handel betrafen die Firma Corda Geiger in Landeck und den Mineralölvertrieb<br />

Ronacher GmbH & Co KG ebenfalls in Landeck mit jeweils rund<br />

30 Betroffenen. Die Branche Bauwesen, die in den vergangenen Jahren<br />

immer mit an der Spitze war, war mit 57 Firmen bzw. 232 Arbeitnehmern erst<br />

an sechster Stelle. Dramatische Zuwächse gibt es im Transportwesen, mit<br />

den vielen Neugründungen im Bereich des Güterverkehrs. Nicht weniger als<br />

48 Firmen mit insgesamt 247 Arbeitnehmern mussten entweder den Gang<br />

zum Insolvenzrichter antreten oder es kam zu einer Konkursabweisung, weil<br />

kein verwertbares Vermögen mehr vorhanden war. Die weiteren bedeutenden<br />

Branchen waren die Wirtschaftsdienste und das Reinigungsgewerbe mit<br />

zusammen knapp 20 Prozent Anteil an den Insolvenzen.<br />

Firmen und Arbeitnehmer nach Branchen 2005<br />

Branchen Firmen Anteil in % Arbeitnehmer Anteil in %<br />

Nahrungsmittelerz. 7 1,2 15 0,7<br />

Holz. Möbelerzeugung 10 1,7 69 3,3<br />

Druckereien, Verlagswesen 2 0,3 24 1,1<br />

Chemie, Kunststoffv. 1 0,2 24 1,1<br />

Metallerzeugung, -bearbeitung 12 2,0 414 19,5<br />

Bauwesen 57 9,4 232 10,9<br />

Handel 131 21,7 243 11,4<br />

Tourismus, Gastgew. 129 21,3 332 15,6<br />

Transportwesen, Verkehr 48 7,9 247 11,6<br />

Versicherungswesen 14 2,3 2 0,1<br />

Reinigungsgewerbe 18 3,0 130 6,1<br />

Wirtschaftsdienste 127 21,0 295 13,9<br />

Sport, Kultur, Unterhaltung 22 3,6 26 1,2<br />

Übrige 27 4,5 70 3,3<br />

Gesamt<br />

Quelle: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

605 100,0 2.123 100,0<br />

Die größten Insolvenzen in <strong>Tirol</strong><br />

Gemessen an der Zahl der Arbeitnehmer bzw. Antragsteller bei der<br />

IAF-Service GmbH waren dies 2005:<br />

Karl Pittl Metallwerk GmbH, Fulpmes 283<br />

SSP Personalleasing GmbH, Lienz 153<br />

Clean-Up Gebäudeservice GmbH, Innsbruck 114<br />

Kröll Lufttechnik GmbH, Stans 43<br />

129 Insolvenzen in Tourismus<br />

und Gastgewerbe<br />

mit 332 Beschäftigten<br />

Bauwesen: 57 Firmen mit<br />

232 Arbeitnehmern von<br />

Insolvenz betroffen<br />

Dramatische Zuwächse<br />

im Transportwesen mit<br />

48 Firmen, 247 Mitarbeiter<br />

Größter Konkursfall:<br />

Firma Pittl<br />

153


154<br />

Austria Tabak AG in<br />

Schwaz geschlossen: 90<br />

Mitarbeiter betroffen<br />

Anton Wetscher GmbH, Tischlerei, Fügen 42<br />

Elisabeth Hotel & Restaurant GmbH, Mayrhofen 37<br />

Camdzic Mensur, Transporte, Innsbruck 36<br />

Frutschnig Roland, Transporte, Innsbruck 36<br />

Mineralölvertrieb Ronacher GmbH & Co KG, Landeck 33<br />

Corda Geiger, Landeck 31<br />

Wenn hier generell von betroffenen Arbeitnehmern die Rede ist, so ist die<br />

Zahl der tatsächlich verlorenen Arbeitsplätze immer schwer einzuschätzen.<br />

In der Realität laufen vielfältige Prozesse ab. Generell ist zu beobachten,<br />

dass Firmen in der Zeit vor dem Konkurs meist schon Arbeitsplätze<br />

abbauen, die dann in der aktuellen Beschäftigungsstatistik nicht mehr aufscheinen.<br />

Andererseits zeigen die Anmeldungen bei der IAF-Service- GmbH,<br />

dass oft die Zahl der Antragsteller die „offizielle Zahl“ der Arbeitplätze bei<br />

weitem übersteigt, weil viele Arbeitnehmer in der Zeit vor dem Konkurs ihr<br />

Geld nicht mehr erhalten haben. So wies z.B. die Reinigungsfirma Clean up<br />

im Jahre 2003 noch 141 Arbeitsplätze auf, während sie zwei Monate vor<br />

Konkursstellung nur noch 68 Arbeitsplätze hatte. Tatsächlich haben sich<br />

allerdings 114 Antragsteller bei der IAF-Service-GmbH gemeldet. Zu erwähnen<br />

ist auch, dass es natürlich einen fließenden Übergang zwischen Arbeitnehmern<br />

aus <strong>Tirol</strong> und anderen Bundesländern oder Staaten gibt. So<br />

beschäftigte die in Konkurs gegangene Firma SSP-Personalleasing GmbH in<br />

Lienz ca. 120 Arbeitnehmer, die zu rund 60 Prozent aus Deutschland (vor<br />

allem aus Schwerin) kamen. Hier wurde die Geschäftsstelle Lienz vor<br />

enorme Probleme gestellt, weil nicht nur die Arbeitnehmer zum Teil schwer<br />

erreichbar waren, sondern es mussten auch in Kooperation mit der IAF-Service<br />

GmbH die arbeitsrechtlichen Ansprüche ermittelt werden, die aufgrund<br />

der Verträge mit den einzelnen Beschäftigerbetrieben entsprechend kompliziert<br />

waren.<br />

Auch gibt es Betriebsschließungen ohne Insolvenzverfahren, wie z.B. die<br />

Schließung des Werkes in Schwaz der Austria Tabakwerke AG mit rund<br />

90 Arbeitnehmern, die großteils im zweiten Halbjahr 2005 ihren Arbeitsplatz<br />

verloren haben und in der Insolvenzstatistik natürlich nicht aufscheinen.<br />

Gliederung nach Bezirken<br />

Wie aus unten stehender Tabelle hervorgeht, lagen die Bezirke Innsbruck-<br />

Stadt und Innsbruck-Land deutlich an der Spitze, sowohl in Bezug auf die<br />

Anzahl der Firmen als auch in Bezug auf die Anzahl der Arbeitnehmer. Sie<br />

Regionale Insolvenzverteilung 2005<br />

Bezirke Firmen Anteil in % Arbeitnehmer Anteil in %<br />

Ibk-Stadt 168 27,8 539 25,4<br />

Ibk-Land 145 24,0 587 27,6<br />

Imst 41 6,8 114 5,4<br />

Kitzbühel 63 10,4 139 6,5<br />

Kufstein 79 13,1 217 10,2<br />

Landeck 15 2,5 79 3,7<br />

Lienz 26 4,3 203 9,6<br />

Reutte 20 3,3 56 2,6<br />

Schwaz 48 7,9 189 8,9<br />

Gesamt 605 100,0 2.123 100,0<br />

Quelle: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>


machen zusammen rund 50 Prozent der Konkurse aus. Während es in Innsbruck<br />

eine leichte Entspannung gab (Vorjahr: 634 betroffene Arbeitnehmer)<br />

war auf Grund des Großkonkurses im Stubaital der Bezirk Innsbruck-Land<br />

besonders betroffen. Die Bezirke Kufstein, Lienz und Schwaz folgen mit<br />

jeweils acht bis zehn Prozent Anteil.<br />

Rechtsformen<br />

Die beiden Rechtsformen Einzelfirma und GmbH dominieren bei den<br />

Rechtsformen. Bei diesen beiden Rechtsformen sind auch rund 86 Prozent<br />

der betroffenen Arbeitnehmer vertreten.<br />

Anzahl Firmen und Arbeitnehmer nach Rechtsformen 2005<br />

Firmen Anteile Arbeitnehmer Anteile<br />

EINZELFIRMA 431 71,2% 681 32,1%<br />

OHG, KG 9 1,5% 30 1,4%<br />

OEG, KEG 43 7,1% 111 5,2%<br />

GMBH & Co KG 8 1,3% 122 5,7%<br />

AG 0 0,0% 0 0,0%<br />

GMBH 113 18,7% 1152 54,3%<br />

Limited 1 0,2% 27 1,3%<br />

SUMMEN 605 100,0% 2.123 100,0%<br />

Quelle: <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Anmeldungen bei der IAF-Service GmbH<br />

In nachfolgender Tabelle sind die für das Jahr 2005 beantragten und ausbezahlten<br />

Ansprüche gegenüber der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds-Service-<br />

GmbH (IAF) ausgewiesen. Die Summe der ausbezahlten Gelder ist mit<br />

11,7 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr (17 Millionen Euro) stark zurückgegangen,<br />

obwohl bedeutend mehr Arbeitnehmer betroffen waren. Hier ist<br />

ein gewisser time-lag zu beachten, da die Dauer der Antragstellung (sechs<br />

Monate) und die Dauer der Bescheiderstellung zu beachten sind.<br />

In erster Linie sind die Abfertigungszahlen, die 2005 „nur“ 2,4 Millionen Euro<br />

gegenüber dem Vorjahr von 6,8 Millionen Euro ausmachten, zurückgegangen<br />

(im Jahre 2004). Bei diesen Summen handelt es sich jeweils um Nettobeträge.<br />

Im vergangenen Jahr gab es 2.<strong>06</strong>7 Antragsteller, die aus 350 verschiedenen<br />

Firmen stammten, die ihre Konkurseröffnung (Sitz) in <strong>Tirol</strong> hatten.<br />

Im Vorjahr waren es 1.600 Arbeitnehmer (inklusive Hettlage Österreich<br />

Beantragte und bezahlte IAF Forderungen – <strong>Tirol</strong> 2005<br />

Forderungstyp beantragt in % bezahlt in % Differenz<br />

Abfertigung 2.598.833 40,0% 2.375.897 39,8% -333.276<br />

Kosten/Brutto=Netto 513.628 2,9% 483.537 2,9% -17.873<br />

Kündigungsentschädigung 2.056.483 14,7% 1.980.325 14,7% -120.<strong>06</strong>5<br />

Laufendes Entgelt 4.018.848 21,7% 3.935.905 22,3% -56.180<br />

Schadenersatz 458.818 1,8% 322.637 1,2% -128.884<br />

Sonstige Ansprüche 245.911 1,9% 231.509 1,8% -33.432<br />

Urlaubsersatzleistung 1.012.810 8,5% 974.749 8,7% -23.489<br />

Urlaubszuschuss 328.098 2,8% 323.741 2,9% -10.766<br />

Weihnachtsremuneration 940.636 4,9% 934.974 5,0% -15.752<br />

Zinsen 153.951 0,9% 146.926 0,9% -3.352<br />

Summe 12.328.015 100,0% 11.710.200 100,0% -743.<strong>06</strong>9<br />

Quelle: IAF Service GmbH<br />

155


156<br />

<strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong> vertrat die<br />

Ansprüche für 1.613 von<br />

Insolvenz betroffene<br />

Arbeitnehmer<br />

642 Privatkonkurse<br />

in <strong>Tirol</strong><br />

2.002 Arbeitnehmer), die aus insgesamt 341 Firmen stammten. Da das neue<br />

Verfahren Teilzuerkennungen vorsieht, wurden insgesamt 2.924 Bescheide<br />

ausgestellt, zusätzlich gab es 95 Bescheide, die eine teilweise oder gänzliche<br />

Abweisung beinhalteten.<br />

Der Großteil der Antragsteller, nämlich 1.647, stammten aus 155 Konkursfirmen,<br />

228 Arbeitnehmer aus 129 Firmen, die mangels Masse abgewiesen<br />

wurden, 76 Arbeitnehmer aus den acht beantragten Ausgleichen und der<br />

restliche Teil der Arbeitnehmer, nämlich 116 stammten aus den privaten<br />

Schuldenregulierungsverfahren, die bei den Bezirksgerichten abgehandelt<br />

werden.<br />

Vertretungen von der Arbeiterkammer<br />

Im Jahre 2005 meldeten die Arbeitsrechtliche Abteilung und die acht<br />

Geschäftsstellen der Arbeiterkammer <strong>Tirol</strong> für 1.613 Arbeitnehmer aus<br />

268 Firmen Insolvenzansprüche an. Die im Jahr 2005 von der <strong>AK</strong> angemeldete<br />

Forderungssumme betrug 7,8 Millionen Euro. Darüber hinaus waren die<br />

Wirtschaftspolitische Abteilung und die Geschäftsstellen in diversen Gläubigerausschüssen<br />

tätig.<br />

Neue Besteuerungsart – Erfolg der <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong><br />

Mit 1. Jänner 20<strong>06</strong> wurde die Besteuerungsart der ausbezahlten Insolvenzgelder<br />

geändert. Bisher wurden die IAF-Gelder nach dem Zuflussprinzip in<br />

jenem Jahr besteuert, in dem sie ausbezahlt wurden. Dadurch kam es zu<br />

zahlreichen Härtefällen, etwa wenn ein Lehrling seine Lehrlingsentschädigung<br />

erst in jenem Jahr bekommen hat, in dem er bereits Geselle war und<br />

aufgrund seines höheren Einkommens in die Steuerpflicht gefallen ist. Durch<br />

die Zusammenballung der Zahlungen ist es in den meisten Fällen zu Nachzahlungen<br />

gekommen, allerdings konnten auch im Jahr des Konkurses,<br />

wenn einige Monate weggefallen sind, Gutschriften gegen gerechnet werden.<br />

Die Arbeiterkammer <strong>Tirol</strong> hat in zahlreichen Gesprächen und Stellungnahmen<br />

die gleiche Regelung gefordert, wie sie bei den Pensionen besteht.<br />

Dieser Forderung hat sich die Bundesarbeitskammer angeschlossen und in<br />

den Verhandlungen mit dem Finanzministerium durchgesetzt. Kommt es<br />

nunmehr zu Nachzahlungen, werden diese jenem Jahr zugeordnet, in dem<br />

sie entstanden sind. Es kommt dann zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens,<br />

wenn für das alte Jahr schon eine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt<br />

wurde.<br />

Privatkonkurse<br />

Die eröffneten Privatkonkurse stiegen 2005 in Österreich von 4.670 Verfahren<br />

auf 5.343 (+14,4 Prozent). Zusätzlich gab es noch 1.117 mangels Masse<br />

abgewiesene Konkursanträge (+23,7 Prozent), was also Gesamtinsolvenzen<br />

von 6.460 ergibt. Die Insolvenzverbindlichkeiten schätzt der KSV auf<br />

763 Millionen Euro (697 Millionen Euro im Vorjahr).<br />

In <strong>Tirol</strong> stagnierte die Entwicklung bei 642 eröffneten Privatkonkursen,<br />

wobei die Veränderungen bezogen auf die 13 Bezirksgerichte sehr unter-


Eröffnete Privatkonkurse in <strong>Tirol</strong><br />

Bezirksgerichte 2004 2005 +/- Vj.<br />

Innsbruck Stadt 227 261 15,0%<br />

Hall 52 49 -5,8%<br />

Imst 28 23 -17,9%<br />

Kitzbühel 44 27 -38,6%<br />

Kufstein 66 62 -6,1%<br />

Landeck 23 18 -21,7%<br />

Lienz 15 27 80,0%<br />

Reutte 23 21 -8,7%<br />

Rattenberg 17 17 0,0%<br />

Schwaz 46 66 43,5%<br />

Silz 24 15 -37,5%<br />

Telfs 56 36 -35,7%<br />

Zell a.Z. 22 20 -9,1%<br />

Summen 643 642 -0,2%<br />

Quelle: Ediktsdatei BM f. Justiz<br />

schiedlich verliefen. Wie aus nachfolgender Tabelle hervorgeht, verbuchten<br />

Innsbruck-Stadt, Lienz und Schwaz Zuwächse. Signifikante Rückgänge gab<br />

es hingegen in Kitzbühel, Silz und Telfs mit jeweils knapp über 35 Prozent.<br />

<strong>Tirol</strong> war österreichweit das einzige Land, in dem die Zahlen stagnierten. Alle<br />

anderen Bundesländer verzeichneten Zuwächse, Kärnten plus 31 Prozent,<br />

Steiermark plus 27 Prozent, Wien und Niederösterreich je plus 20 Prozent.<br />

Der Schluss liegt nahe, dass es an den fehlenden Betreuungskapazitäten<br />

liegt, die den überschuldeten Haushalten Unterstützung bei ihrer Entschuldung<br />

geben können.<br />

Im Jahre 2005 haben nach Angaben der Schuldnerberatung <strong>Tirol</strong> 829 (Vorjahr:<br />

876) neue Klienten eine intensive Schuldnerberatung in Anspruch<br />

genommen. In insgesamt 483 Verfahren (Vorjahr: 517) konnte erfolgreich<br />

Hilfe gewährt werden, sei es in Form von Zahlungsplänen (273 Fälle), in Form<br />

von Abschöpfungsverfahren (124 Fälle) oder durch außergerichtliche Vergleiche<br />

(86 Fälle). 231 Verfahren (Vorjahr: 282) mussten wieder aufgenommen<br />

werden, weil diese Personen die geplanten Rückzahlungen nicht leisten<br />

konnten. Der durchschnittliche Schuldenstand, der im Jahre 2005 betreuten<br />

Klienten, betrug 71.670 Euro (wobei Schuldenstände unter 1.000 und über<br />

700.000 Euro nicht berücksichtigt wurden).<br />

Neugründungen<br />

Laut Mitgliederstatistik der Wirtschaftskammer Österreich gab es Ende 2005<br />

in Österreich 357.856 aktive Mitglieder (plus 3,4 Prozent) und in <strong>Tirol</strong> 33.482<br />

(plus 1,9 Prozent). Auch im Jahr 2004 war der Zuwachs in Österreich mit plus<br />

4 Prozent wesentlich höher als der Zuwachs in <strong>Tirol</strong> mit plus 2,8 Prozent.<br />

Nach der „vorläufigen“ Neugründungsstatistik der Wirtschaftskammer gab<br />

es im Jahr 2005 in Österreich 31.625 Neugründungen (plus 6,4 Prozent) und<br />

in <strong>Tirol</strong> 2.142, das ist ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr von knapp 5 Prozent.<br />

Da der Nettozuwachs bei den aktiven Mitgliedern in <strong>Tirol</strong> demgegenüber<br />

nur 619 betrug (Vorjahr: 881), gab es im gleichen Zeitraum entsprechend<br />

viele Betriebsschließungen oder Löschungen von Mitgliedschaften<br />

bei der Wirtschaftskammer, nämlich 1.523 (Vorjahr: 1.366).<br />

Neben den von der Wirtschaftskammer registrierten Mitgliedern gibt es noch<br />

157


158<br />

Entwicklung der Selbstständigen<br />

Aktive Mitglieder Wika Neugründungen Freiberufler<br />

Jahr <strong>Tirol</strong> Österreich <strong>Tirol</strong> Österreich <strong>Tirol</strong> Österreich<br />

2005 33.482 357.856 2.142 31.625 3.901 35.609<br />

2004 32.863 346.0<strong>06</strong> 2.247 29.715 3.640 33.904<br />

2003 31.982 332.624 2.394 28.237 3.401 32.004<br />

2002 31.015 321.378 1.980 25.828 3.194 30.331<br />

2001 30.<strong>06</strong>5 312.018 2.134 26.035 2.963 27.385<br />

2000 29.208 300.613 1.816 23.762 2.446 23.184<br />

1999 28.542 290.298 1.705 21.954 1.646 19.410<br />

Quelle: Wirtschaftskammer Österreich, Hauptverband<br />

die Freiberufler gemäß § 2 Abs.1 Ziffer 4 GSVG. In diese Kategorie fallen<br />

auch die neuen Selbstständigen, die leider nicht mehr separat, sondern<br />

zusammen mit den anderen freien Berufen, wie Wirtschaftstreuhänder, Dentisten,<br />

Künstler erfasst werden. Ende Dezember 2005 gab es in Österreich<br />

35.609 (plus 5 Prozent) und in <strong>Tirol</strong> 3.901 (plus 7,2 Prozent) Freiberufler.<br />

Gewerbeberechtigungen<br />

Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse des elektronischen Gewerberegisters<br />

besprochen. Mit Stichtag 31. Dezember 2005 gab es in Österreich<br />

615.790 (plus 2,7 Prozent) Berechtigungen. <strong>Tirol</strong> hatte mit 56.580 (plus<br />

1,2 Prozent) einen Anteil von 9,2 Prozent. Da ein Betrieb oft mehrere Gewerbeberechtigungen<br />

besitzt, ist die Zahl der Berechtigungen wesentlich höher<br />

als die Zahl der Unternehmen. Insgesamt gab es im Jahre 2005 in Österreich<br />

73.450 neue Berechtigungen (plus 11,1 Prozent), denen 52.125 Löschungen<br />

(plus 17 Prozent) gegenüberstanden. Ähnlich der Trend in <strong>Tirol</strong>:<br />

5.657 Begründungen (plus 4,4 Prozent) stehen 4.734 Löschungen (plus<br />

16,7 Prozent) gegenüber. Per Saldo wurden also 923 neue Berechtigungen<br />

ausgesprochen, denen rein statistisch per Saldo 619 neue aktive Wirtschaftsmitglieder<br />

gegenüber standen.<br />

In der folgenden Tabelle sind auch die wichtigsten Gewerbearten zusam-<br />

Gewerbeberechtigungen <strong>Tirol</strong> Österreich<br />

Berechtigungen gesamt 1.1.20<strong>06</strong> 56.580 615.790<br />

Berechtigungen gesamt 1.1.2005 55.919 599.610<br />

Begründungen 2005 5.657 73.450<br />

Löschungen 2005<br />

Reglementierte Gewerbe<br />

4.734 52.125<br />

Stand 1.1.20<strong>06</strong> 26.188 237.374<br />

Begründungen 2005 1.956 21.640<br />

Löschungen 2005<br />

Konzessionierte Gewerbe<br />

1.919 18.203<br />

Stand 1.1.2005 2.989 22.019<br />

Begründungen 2005 170 1.295<br />

Löschungen 2005<br />

Freie Gewerbe<br />

172 1.173<br />

Stand 1.1.2005 26.541 348.338<br />

Begründungen 2005 3.073 46.159<br />

Löschungen 2005<br />

Teilgewerbe<br />

2.611 32.172<br />

Stand 1.1.2005 466 3.442<br />

Begründungen 2005 76 622<br />

Löschungen 2005 26 223<br />

Quelle: Gewerberegister


mengefasst. In den hohen Zuwächsen bei den freien Gewerben mit 46.159<br />

bzw. 3.073 für <strong>Tirol</strong> ist die Liberalisierung der Gewerbeordnung zu erkennen,<br />

allen voran im Handel. Die freien Gewerbe wachsen weitaus am stärksten.<br />

Bei den konzessionierten Gewerben überwogen die 172 Löschungen bereits<br />

die 170 Begründungen, nahezu ausgewogen ist das Verhältnis bei den reglementierten<br />

Gewerben in <strong>Tirol</strong>. <strong>Tirol</strong> hat aber immer noch einen überdurchschnittlich<br />

hohen Anteil an reglementierten Gewerben (früher Handwerke).<br />

Beschäftigte Arbeitnehmer und Zahl der Arbeitgeber<br />

In <strong>Tirol</strong> wurden mit Stichtag Ende Juli 2005 insgesamt 29.459 Arbeitgeberbetriebe<br />

gezählt (plus 1,1 Prozent), die 273.598 Beschäftigte aufwiesen (plus<br />

1,6 Prozent). Die Zahl der Arbeitgeberbetriebe ist also um 316 gestiegen,<br />

136 dieses Saldos entfallen auf Betriebe, die nur geringfügig Beschäftigte<br />

anstellten. Zwar konnte die Zahl der Arbeitsplätze doch um rund 4.300<br />

gesteigert werden, leider kann aber bis dato aus der Statistik der Gebietskrankenkasse<br />

nicht ersehen werden, wie viele Arbeitsplätze davon Teilzeitarbeitsplätze<br />

sind.<br />

Zahl der Arbeitgeberbetriebe Beschäftigte<br />

Jahr Nur geringfügig<br />

Beschäftigte<br />

Standardbesch. Gesamt<br />

2005 3.916 25.543 29.459 273.598<br />

2004 3.780 25.363 29.143 269.264<br />

2003 3.873 25.<strong>06</strong>3 28.936 268.778<br />

2002 3.625 25.303 28.928 268.833<br />

2001 3.380 25.355 28.735 269.070<br />

Quelle: Hauptverband, <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>, Stand jeweils Ende Juli.(inkl. geringfügig Beschäftigte, ohne Beamte)<br />

In der oben angeführten Beschäftigungsstatistik, sind die 20.095 geringfügig<br />

Beschäftigten enthalten, zum Unterschied untenstehender Tabelle. Nicht<br />

enthalten sind allerdings die rund 20.000 Beamten in <strong>Tirol</strong> und die freien<br />

Dienstverhältnisse von rund 6.400.<br />

Regionale Verteilung<br />

In unten stehender Tabelle ist der Zuwachs von 4.388 Arbeitsplätzen (jeweils<br />

Juli des Jahres) auf die Bezirke aufgeteilt. Die höchsten Zuwächse gab es in<br />

Regionale Verteilung Arbeitnehmer und Veränderung<br />

Bezirke Arbeitnehmer Veränderung 2004 zu 2005<br />

absolut in %<br />

Ibk-Stadt 80.435 481 0,6%<br />

Ibk-Land 45.602 1.489 3,4%<br />

Imst 14.546 387 2,7%<br />

Kitzbühel 19.489 576 3,0%<br />

Kufstein 31.618 550 1,8%<br />

Landeck 13.112 4<strong>06</strong> 3,2%<br />

Lienz 12.531 61 0,5%<br />

Reutte 10.895 84 0,8%<br />

Schwaz 25.275 354 1,4%<br />

Gesamt 253.503 4.388 1,8%<br />

Quelle: Hauptverband, <strong>AK</strong> <strong>Tirol</strong>, Stand jeweils Ende Juli (ohne geringfügig Beschäftigte, ohne Beamte)<br />

316 neue Arbeitgeberbetriebe<br />

in <strong>Tirol</strong>, davon<br />

jedoch 136 mit nur<br />

geringfügig Beschäftigten<br />

159


160<br />

Innsbruck-Land mit 1.489 Arbeitsplätzen bzw. plus 3,4 Prozent, es folgen<br />

dann die Bezirke Kitzbühel und Kufstein. Insgesamt ist sicher erfreulich,<br />

dass trotz der Rekordwelle bei den Pleiten ein positiver Saldo in allen Bezirken<br />

bei den Arbeitsplätzen gegeben ist.

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