Artikel aus dem Tagblatt der Stadt Zürich vom - ParEpi
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ALLTAG<br />
«Viele reagieren geschockt,<br />
wenn sie einen Anfall miterleben.»<br />
Mittwoch, 27. April 2011<br />
Bild:Ginger Hebel
Mittwoch, 27. April 2011 ALLTAG 7<br />
Das Blumenmädchen<br />
und die Angst vor <strong>dem</strong> Anfall<br />
ELIN GUBLER Die 20-Jährige leidet an Epilepsie und muss täglich viele Tabletten schlucken. Sie konzentriert sich<br />
auf die schönen Dinge im Leben und hofft, dass sie später einmal Kin<strong>der</strong> haben darf.<br />
VON GINGER HEBEL<br />
In <strong>der</strong> Gärtnerei kultiviert Elin Gubler<br />
mehrjährige Pfanzen. Die Arbeit<br />
als angehende Staudengärtnerin<br />
macht ihr grossen Spass. Sie hatte gehoft,<br />
dass sie bald die Autoprüfung<br />
machen kann, denn in ihrem Beruf<br />
wäre ein Auto dienlich. Doch ein<br />
Krampfanfall vor wenigen Tagen hat<br />
ihren Plan vorerst zerstört. Elin Gubler<br />
leidet an Epi lepsie, und wer die<br />
Prüfung machen will, muss ein Jahr<br />
anfallfrei sein.<br />
Die 20-Jährige spricht ofen über<br />
ihre Krankheit, weil sie ein Teil ihres<br />
Lebens geworden ist. «Viele Menschen<br />
reagieren geschockt, wenn sie<br />
einen Anfall miterleben, weil sie über<br />
Epilepsie kaum etwas wissen.»<br />
Beim letzten Anfall sass Elin Gubler<br />
gerade im Auto ihres Arbeitskollegen.<br />
Er fuhr sie nach <strong>der</strong> Arbeit<br />
nach H<strong>aus</strong>e, als sie plötzlich dieses<br />
komische, undefnierbare Gefühl<br />
überkam. «Die Kontrolle über meinen<br />
Körper zu verlieren, bereitet mir<br />
panische Angst.» Ihr Kollege tat das<br />
einzig Richtige. Er hielt sofort an,<br />
zog Elin <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Auto und legte sie<br />
auf den Boden. Bei einem Anfall<br />
zuckt und bebt ihr Körper minutenlang,<br />
sie verkrampft sich und beisst<br />
sich manchmal auf die Zunge. «Anscheinend<br />
lief ich leicht blau an, das<br />
ist bisher noch nie passiert», sagt<br />
Elin Gubler.<br />
Nach einem epileptischen Anfall<br />
überfällt sie eine bleierne Müdigkeit.<br />
Die Tage danach ist sie oft etwas<br />
durch den Wind, vergisst schon mal<br />
VORTRAGEPILEPSIE<br />
n Morgen findet ein Vortrag zum<br />
Thema «Selbstbewusst mit<br />
Epilepsie» statt. Fachpersonen<br />
beantworten Fragen. 18.30 Uhr,<br />
Epi-Suisse, Seefeldstrasse 84.<br />
Anmelden unter: 043 488 68 80<br />
Weitere Veranstaltungen:<br />
www.epi-suisse.ch<br />
n Zum 125-Jahr-Jubiläum <strong>der</strong><br />
Schweizerischen Epilepsie-Stiftung<br />
ist im NZZ-Verlag das Buch «Episoden<br />
– Menschen mit und ohne<br />
Epilepsie erzählen» erschienen.<br />
Es ist für 39 Franken im Buchhandel<br />
erhältlich.<br />
Spenden an Postkonto: 87-185330-3<br />
die Namen <strong>der</strong> Pfanzen. Dann<br />
kommt die Erinnerung zurück, und<br />
Elin lebt normal weiter. «Ich habe<br />
mich an die Epilepsie gewöhnt und<br />
fühle mich nicht ein geschränkt.»<br />
In <strong>der</strong> Freizeit trift sie sich mit<br />
Freunden. Wenn sie mit ihnen <strong>aus</strong>geht,<br />
dann nur in Clubs, wo das fackernde<br />
Licht nicht zu stark ist, da<br />
dieses einen Anfall <strong>aus</strong>lösen könnte.<br />
Sie tanzt gerne Jazz, backt Pralinen<br />
und hütet in <strong>der</strong> Freizeit Kin<strong>der</strong> – je<br />
nach Tageszeit mit Begleitung, falls<br />
unerwartet ein Anfall kommt.<br />
Elin wuchs mit einem jüngeren Bru<strong>der</strong><br />
und einer jüngeren Schwester auf<br />
<strong>dem</strong> Land in Bäretswil auf. Ihre Mutter<br />
ist Physiotherapeutin, <strong>der</strong> Vater<br />
Heilpädagoge und<br />
Lehrer. Sie war neun<br />
Jahre alt, als sie ihren<br />
ersten Anfall erlitt.<br />
«Ich weiss, dass ich<br />
Angst hatte und von<br />
meiner Umgebung nichts mehr mitbekam.»<br />
Der Anfall kam unerwartet,<br />
die Eltern waren hilfos. Am Morgen<br />
ging es ihr wie<strong>der</strong> gut. Wie eine<br />
Computer-Tomografe ergab, leidet<br />
sie an generalisierter, tonisch-klonischer<br />
Epilepsie, einem Krampfanfall<br />
mit Bewusstseinsverlust.<br />
Der Arzt verschrieb ihr Medikamente,<br />
die bei ihr starke Nebenwirkungen<br />
hervorriefen. Unterdessen<br />
hat sie jedoch Tabletten<br />
gefunden, <strong>der</strong>en Nebenwirkungen<br />
erträglich sind. «Ich zittere manchmal,<br />
dann habe ich Mühe, den<br />
Suppen löfel zu halten, aber ich<br />
kann damit leben.» An<strong>der</strong>e Betroffene<br />
klagen über starke Gewichtsverän<strong>der</strong>ungen,<br />
Depressionen,<br />
Haar<strong>aus</strong>fall und Sprachstörungen.<br />
Elin Gubler muss darauf achten,<br />
dass sie genügend schläft und strikte<br />
morgens und abends ihre Tabletten<br />
schluckt. Sie sollen Anfälle verhin<strong>der</strong>n.<br />
Bei ihr verringern die<br />
Medikamente lediglich <strong>der</strong>en Häufgkeit.<br />
Seit Elin mit dieser Krankheit leben<br />
muss, engagiert sich die Mutter<br />
in einer Elterngruppe des Vereins<br />
Epi-Suisse, um sich <strong>aus</strong>zut<strong>aus</strong>chen.<br />
In ihrer Familie leidet sonst niemand<br />
an Epilepsie. «Meine Eltern<br />
engen mich nicht ein, sie behandeln<br />
mich normal, dafür bin ich ihnen<br />
sehr dankbar», sagt die 20-Jährige.<br />
Seit sie in Grüningen eine Lehre<br />
macht, lebt sie hier als Wochenauf-<br />
Das Portrait:<br />
Elin Gubler<br />
enthalterin. Selbstständig zu sein,<br />
bedeutet ihr viel. Ihre Eltern möchten,<br />
dass sich ihre Tochter frei entwickeln<br />
kann. Und doch werden sie<br />
immer nervös, wenn nachts das<br />
Telefon klingelt, <strong>aus</strong> Angst, es könnte<br />
<strong>der</strong> Rettungsdienst sein. Geschehen<br />
ist das vor einem Jahr, als Elin<br />
auf <strong>dem</strong> Heimweg von <strong>der</strong> Berufsschule<br />
im Zug einen Anfall bekam.<br />
Sie hatte eine sogenannte Aura,<br />
spürte, dass etwas mit ihr geschehen<br />
wird. «Ich habe meinen Sitznachbarn<br />
angestupst und gesagt, dass ich<br />
einen Anfall bekomme, dann bin<br />
ich weggetreten.» Als sie wie<strong>der</strong> zu<br />
sich kam, lag sie auf <strong>dem</strong> Perron.<br />
Zwei Passanten hatten die Sanität<br />
alarmiert und ihre<br />
Eltern verständigt.<br />
«Es braucht keinen<br />
Notarzt, wenn die<br />
Anfälle nicht länger<br />
als fünf Minuten<br />
dauern», erklärt Elin Gubler. Sie ist<br />
froh, dass es Menschen gibt, die sie<br />
aufangen, wenn sie umkippt und<br />
nicht einfach wegschauen.<br />
Die Krankheit kann jeden treffen<br />
In <strong>der</strong> Schweiz leiden 70 000 Menschen<br />
an Epilepsie, darunter 15 000<br />
Kin<strong>der</strong>. Epilepsie kann die verschiedensten<br />
Ursachen haben und zum<br />
Beispiel durch vorgeburtliche Hirnschäden<br />
auftreten. Aber auch ein<br />
Schädel-Hirn-Trauma nach einem<br />
Unfall o<strong>der</strong> ein Schlaganfall können<br />
Anfälle <strong>aus</strong>lösen. Die Nervenkrankheit<br />
ist auf eine Funktionsstörung im<br />
Gehirn zurückzuführen. Die Folgen<br />
reichen von leichten Absenzen mit<br />
kurzen Bewusstseinsp<strong>aus</strong>en und Verwirrtheit<br />
bis hin zu Grand Mal, Anfällen<br />
mit Bewusstseinsverlust und<br />
Muskelzuckungen. «Die Krankheit<br />
kann jeden trefen, egal, welchen Alters,<br />
darum wollen wir aufklären»,<br />
sagt Susann Egli, Geschäftsführerin<br />
von Epi-Suisse, <strong>dem</strong> Schweizerischen<br />
Verein für Epilepsie.<br />
Die Patientenorganisation möchte<br />
die Lebensqualität von Betrofenen<br />
verbessern. «Wer mehr über die<br />
Krankheit weiss, kann besser damit<br />
umgehen», sagt Egli. Mit Spenden<br />
und durch die Unterstützung des<br />
Bundesamts für Sozialversicherungen<br />
organisiert <strong>der</strong> Verein Ferienlager<br />
für epilepsiebetrofene Kin<strong>der</strong>,<br />
bietet Beratungen an, führt Selbsthilfegruppen<br />
und organisiert Vorträge.<br />
Wer Zeuge eines Anfalls wird, sollte<br />
die Person <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Gefahrenzone<br />
bringen, damit sie sich nicht verletzt.<br />
«Auf keinen Fall sollte man <strong>der</strong> Person<br />
einen Gegenstand in den Mund<br />
legen, da sie sich sonst bei Krämpfen<br />
die Zähne daran <strong>aus</strong>beissen kann»,<br />
warnt Susann Egli. Idealerweise<br />
bringt man sie in Seitenlage, damit<br />
sie am Speichel nicht erstickt.<br />
Elin wünscht sich eigene Kin<strong>der</strong><br />
Manchmal ist ihr Zustand über Monate<br />
stabil, das nährt die Hofnung,<br />
dass die Medikamente anschlagen<br />
und die Epilepsie verschwindet.<br />
Denn Elin Gubler würde später gerne<br />
Kin<strong>der</strong> haben. Doch ein epileptischer<br />
Anfall während einer Schwangerschaft<br />
ist eine Bedrohung fürs<br />
Kind. «Mich ärgert, dass sich mein<br />
Leben schwer planen lässt und ich<br />
nicht weiss, wie sich die Krankheit<br />
entwickelt.» Doch sie glaubt ans<br />
Gute. Sie konzentriert sich jetzt auf<br />
die Lehrabschlussprüfung im Sommer.<br />
Und im Winter möchte sie reisen.<br />
Mit zwanzig hat man noch<br />
Träume. Und Elin Gubler will sie leben.<br />
n<br />
Personen gesucht:<br />
Sie hatten einen folgenschweren<br />
Unfall, leiden an einer Krankheit o<strong>der</strong><br />
haben in Ihrem Leben eine beson<strong>der</strong>e<br />
Erfahrung gemacht? Erzählen Sie<br />
uns Ihre Geschichte.<br />
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