<strong>Landvolk</strong> im Dialog 6. November <strong>2011</strong> Wardenburg 3. Dezember 2010 Uelzen 15
Produktion und Vermarktung 16 Dr. Werner Rüther, Milchreferent Prominente Gäste wie First Lady Bettina Wulff und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner haben auf der Grünen Woche in Berlin Spaß mit Milch. Stabile Märkte – weltweit! Steigende Milchmengen und trotzdem feste Preise? Die deutschen Milcherzeuger erleben die Marktkräfte seit mehr als zwölf Monaten von ihrer angenehmen Seite. Nicht nur in Deutschland, sondern u. a. in Frankreich, Irland, Polen und Großbritannien haben die Milcherzeuger ihre Erzeugung gesteigert. Aber nicht nur die EU-Länder produzieren in diesem Jahr rd. 2,3 Prozent mehr Milch, auch das Milchaufkommen in wichtigen Erzeugerländern außerhalb der EU wie USA, Argentinien, Brasilien und Neuseeland steigt – teilweise mit Zuwachsraten von über zehn Prozent. Gleichzeitig hat aber die weltweite Nachfrage nach Milch- und Milcherzeugnissen deutlich zugenommen. Im ersten Halbjahr <strong>2011</strong> exportierten die EU-Länder 0,5 Mio. t mehr Milch als im Vorjahr, insbesondere Käse, Magermilch- und Molkenpulver. Im gleichen Zeitraum gingen die Importe aus Drittländern leicht zurück. So hat der Weltmarkt den EU-Binnenmarkt wie im Vorjahr stabilisiert. Das Wechselkursrisiko bleibt aber für die weitere Entwicklung von großer Bedeutung. Anders als im Vorjahr stützt die Binnennachfrage wenigstens teilweise den Markt: Zwar ist der Konsummilchabsatz seit drei Jahren rückläufig, der Butterabsatz konnte sich aber trotz hoher Preise stabilisieren, und der Käseabsatz nimmt weiter zu. Die insbesondere 2009 aufgebauten Butter- und Magermilchpulverbestände sind abgebaut bzw. werden im Fall des Magermilchpulvers den Markt voraussichtlich nicht negativ beeinflussen. Die Milcherzeugerpreise lagen bereits im Frühjahr oberhalb der 30 Cent-Marke (4,0 % Fett, 3,4 % Eiweiß) und dürften das Vorjahresniveau um wenigstens vier Cent/kg übertreffen. Aufgrund der gestiegenen Betriebsmittelkosten wird die Gewinnsituation der Milchviehbetriebe sich aber nicht in gleichem Maße verbessern. Trotz dieses grundsätzlich sehr positiven Marktausblicks darf nicht übersehen werden, dass – gerade auch wegen der stärkeren Ausrichtung auf den „Der Weltmarkt hat wie im Vorjahr den EU-Binnenmarkt stabilisiert.“ Weltmarkt – der Milchmarkt auch künftig durch größere Marktschwankungen gekennzeichnet sein wird. Der Milchausschuss hat sich deshalb auf seiner Sitzung im Sommer u. a. von Prof. Holger Thiele vom Kieler ife Forschungszentrum für Ernährungswirtschaft über Möglichkeiten der Preisabsicherung auf Warenterminmärkten informieren lassen. Diese Seminarreihe mit dem Titel: „Zukunft der Milchpreisabsicherung – Fortbildung zu Milchterminmärkten“ wird inzwischen deutschlandweit angeboten. Mit der Preisbildung auf dem Milchmarkt beschäftigt sich auch das Bundeskartellamt seit fast zwei Jahren. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, hat doch der Berufsstand seit vielen Jahren auf die marktbeherrschende Stellung des Lebensmitteleinzelhandels hingewiesen. Die Sektoruntersuchung Milch beschäftigt sich allerdings bisher vornehmlich mit dem Verhältnis der Erzeuger / Milch-erzeugergemeinschaften zu den Molkereien. Dass das Kartell- amt dabei die Grundstrukturen der zumindest in Nord- und Westdeutschland vorherrschenden Molkereigenossenschaften durch- Kinder durften zum Internationalen Tag der Milch bei Familie Evers in Rethem-Moor den ganzen Hof erkunden. drungen hat, ist bisher nicht ohne weiteres erkennbar. In einem weiteren Schritt will es jetzt aber auch die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Herstellern und Lebensmitteleinzelhandel näher betrachten. Mit seinem außerdem Ende Juni <strong>2011</strong> herausgegebenen Fallbericht „Standard für kartellrechtskonforme Gestaltung von Marktinformationssystemen im Bereich der Beschaffung von Rohmilch“ greift das Kartellamt ganz massiv in die Preisbildung auf dem Rohmilchmarkt ein. Danach dürfen Milchauszahlungspreise nur noch veröffentlicht werden, wenn sie mindestens sechs Monate alt sind. Aktuelle Durchschnittspreise dürfen dann veröffentlicht werden, wenn die Daten von mindestens fünf Molkereien zusammengefasst werden und u. a. die größte Molkerei nicht mehr als 33 Prozent Anteil an der Gesamtliefermenge der erfassten Molkereien hat. Das dürfte nur in Bayern zutreffen, in allen anderen Bundesländern könnten keine aktuellen Durchschnittspreise mehr genannt werden! Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft <strong>Niedersachsen</strong> wird ihre niedersächsischen Statistiken weiter herausgeben, da diese auf Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) fußen. Außerdem sieht das Kartellamt die bei privaten Molkereien übliche Praxis, den Auszahlungspreis auf der Basis von Preisen von Vergleichsmolkereien festzulegen, als unzulässig an. In Gesprächen mit dem DBV, dem DRV und dem MIV hat das Kartellamt seine Auffassung unterstrichen, dass Markttransparenz nur dem stärkeren Marktpartner nütze. Dies überrascht angesichts praktischer Erfahrungen und widerspricht der gängigen Wettbewerbstheorie. Der Verband wird Sorge tragen müssen, dass am Ende nicht für den Milcherzeuger der Marktüberblick stark eingeschränkt wird. Lebensmitteleinzelhandel und Molkereien verfügen mit Sicherheit über ausreichende Kapazitäten, sich ungeachtet dieser Vorschriften einen guten Marktüberblick zu verschaffen. „Nach Auffassung des Kartellamtes nützt Markttransparenz nur dem stärkeren Marktpartner.“ Wie schnell Märkte durch unvorhersehbare Ereignisse gedreht werden können, mussten Anfang des Jahres die Schweine- und Geflügelhalter im Zuge des „Dioxinskandals“ erfahren. Die niedersächsische Milchwirtschaft war davon zu Beginn ebenfalls betroffen, denn mehrere hundert Milcherzeuger hatten Mischfuttermittel eingesetzt, die möglicherweise Fette mit Ursprung von der Firma Harles u. Jentzsch enthielten. Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft <strong>Niedersachsen</strong> veranlasste umgehend in Absprache mit dem Landwirtschaftsministerium die Probenahme auf ausgewählten Betrieben und nutzte die vom <strong>Landvolk</strong> verhandelten Laborkapazitäten. Mittels dieser wirtschaftsseitig veranlassten Analysen sowie den amtlichen Probeergebnissen konnte belegt werden, dass die Milch der betroffenen Milcherzeuger völlig unbedenklich war. Die enge Zusammenarbeit zwischen Ministerium, Laves, <strong>Landvolk</strong> und Milchwirtschaft bewährte sich, es wurden aber auch Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich Datenschutz und Rückverfolgbarkeit deutlich. Dem soll durch Änderungen der Milchlieferordnungen und durch Ergänzung der QM-Milch-Kriterien Rechnung getragen werden. 17