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Jahresbericht 2011 - Landvolk Niedersachsen

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Landwirtschaftsrecht<br />

38<br />

Jens Haarstrich,<br />

Rechtsreferent<br />

Widerstand gab es<br />

gegen den Bau der<br />

Norddeutschen Erdgasleitung<br />

(NEL), das<br />

Bild zeigt den Baubeginn<br />

in Rehden, im<br />

Landkreis Diepholz.<br />

Turbulenzen am Pachtmarkt<br />

Der Aufwärtstrend der Pacht- und Grundstückspreise für landwirtschaftliche Flächen ist<br />

ungebrochen. Flächen sind knapp und weiterhin attraktiv für außerlandwirtschaftliche<br />

Investoren. Das Grundstücksverkehrsgesetz, das seine Wurzeln bereits aus der Zeit<br />

nach dem ersten Weltkrieg hat, bezweckt die Lenkung des Verkehrs mit land- und<br />

forstwirtschaftlichen Grundstücken. Mit dem „Run“ auf landwirtschaftliche Flächen durch<br />

außerlandwirtschaftliche Investoren haben die Anfragen von erwerbswilligen Landwirten<br />

und Mitgliedern von Grundstücksverkehrsausschüssen stark zugenommen.<br />

Das spiegeln auch die Zahlen der NLG wider, die<br />

im Jahr 2010 bei 121 Fällen die Ausübung des<br />

siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts geprüft und<br />

dieses bei 40 Fällen ausgeübt hat – eine Verdoppelung<br />

gegenüber dem langjährigen Durchschnitt. Es ist zu<br />

beobachten, dass außerlandwirtschaftliche Erwerber<br />

versuchen, die Beschränkungen des Grundstücksverkehrsgesetzes<br />

durch Vertragsgestaltung zu umgehen.<br />

Auf der anderen Seite geht die Rechtsprechung<br />

zunehmend dazu über, verschiedene Erwerbsvorgänge<br />

– sei es für Projekte im Bereich der erneuerbaren<br />

Energien oder den Erwerb zu Naturschutzzwecken –<br />

einem Kauf durch Landwirte gleichzustellen und<br />

zu genehmigen. Daher mehren sich die Stimmen,<br />

dass der Gesetzgeber beim Grundstücksverkehrsgesetz<br />

nachbessern muss. Mit der Förderalismusreform<br />

ist die Gesetzgebungskompetenz für das<br />

Grundstücksverkehrsrecht in die Hände der Länder<br />

gegeben worden, bisher hat aber nur Baden-<br />

Württemberg hiervon Gebrauch gemacht.<br />

Die Entwicklung auf dem Pachtmarkt führt dazu,<br />

dass nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern<br />

auch in <strong>Niedersachsen</strong> Verpächter versuchen, sich vorzeitig<br />

durch Kündigung von ihren bisherigen Pächtern<br />

zu trennen. Dabei wird gerne auf die Formvorschrift<br />

des § 585 a BGB zurückgegriffen. Wurde ein über mehr<br />

als zwei Jahre geschlossener Landpachtvertrag nicht in<br />

Schriftform abgeschlossen, gilt er als auf unbestimmte<br />

Zeit geschlossen, d. h. er ist mit einer Frist von zwei Jahren<br />

kündbar. Fallstrick ist in diesem Zusammenhang<br />

häufig die pachtende GbR. Unterzeichnet nur einer<br />

der Gesellschafter den Vertrag, muss nach der Rechtsprechung<br />

aus dem Pachtvertrag deutlich hervorgehen,<br />

dass der Unterzeichner als Vertreter für die GbR<br />

handelte. Ist ein langjähriger Vertrag nicht kündbar,<br />

versuchen einige Verpächter mit Blick auf die gestiegenen<br />

Neupachtpreise, den eigenen Pachtpreis über<br />

§ 93 BGB anzuheben. Nach dieser Vorschrift kann der<br />

Pachtpreis angepasst werden, wenn sich seit Vertragsschluss<br />

die wirtschaftlichen Verhältnisse grundlegend<br />

und nachhaltig gewandelt haben, so dass die Vertragsleistungen<br />

in ein grobes Missverhältnis geraten sind.<br />

Die Verpächter machten in drei Verfahren vor dem<br />

OLG Oldenburg geltend, dass die Preise für Neuverpachtungen<br />

erheblich gestiegen seien und daher auch<br />

die Altpachtverträge angepasst werden müssten- eine<br />

zur Zeit gängige Argumentation. Das OLG Oldenburg<br />

hat jedoch klargestellt, dass bei der Frage, ob eine Anpassung<br />

in Betracht kommt, ein Bündel von Umständen<br />

zu berücksichtigen ist. Dazu zählen beispielsweise<br />

die allgemeine Wirtschaftslage in der Landwirtschaft,<br />

die Änderung von Steuern und Abgaben oder staatlichen<br />

Lenkungsmaßnahmen, der Zustand der Pachtsache<br />

und die Entwicklung der Pachtpreise unter Berücksichtigung<br />

vergleichbarer Objekte und regionaler<br />

Besonderheiten. Bei der Ermittlung der regionalen<br />

Pachtpreise – so das OLG Oldenburg – sind Durchschnittspachten<br />

heranzuziehen, nicht lediglich die<br />

Neupachtpreise. Eine Anpassung des Pachtvertrages<br />

kommt ferner nicht bei kleineren Veränderungen in<br />

Betracht, es müssten sich die Faktoren (Pachtpreis,<br />

Lebenshaltungskostenindex, Erzeugerpreisindex, Betriebsmittelindex,<br />

Deckungsbeiträge usw.) um mindestens<br />

40 bis 50 Prozent verändert haben. Damit<br />

besteht nun weitgehend Klarheit, dass nicht allein die<br />

bloße Veränderung des regionalen Pachtmarktes auch<br />

zu einer Pachtanpassung von Altverträgen führt, es<br />

muss sich um eine erhebliche Veränderung der vorgenannten<br />

Kriterien handeln.<br />

Viele Verfahren um die Zuteilung der Zahlungsansprüche<br />

nach der GAP-Reform 2003 sind noch nicht<br />

abgeschlossen. Inzwischen sind die Legislativvorschläge<br />

der Kommission für die GAP ab 2014 veröffentlicht<br />

worden. Nach den bisherigen Vorschlägen werden<br />

zum Stichtag 15.Mai 2014 die Zahlungsansprüche neu<br />

zugeteilt. Es zeichnen sich daher bereits jetzt in der<br />

Beratung identische Probleme wie bei dem Bekanntwerden<br />

der Vorschläge zur GAP-Reform 2013 ab. Für<br />

betriebliche Veränderungen, wie den Erwerb von<br />

verpachteten landwirtschaftlichen Flächen oder Betriebsübergaben,<br />

werden Härtefälle vorgesehen. Nicht<br />

geregelt ist allerdings der Übergang von über das Jahr<br />

2013 hinaus verpachteten Zahlungsansprüchen an das<br />

neue Recht. Die Zahlungsansprüche werden im Jahr<br />

2013 eingezogen, und es werden völlig neue Zahlungsansprüche,<br />

die sowohl von der Zahl als auch dem Wert<br />

her deutliche Unterschiede zu den bisherigen Zah-<br />

lungsansprüchen aufweisen, neu zugeteilt. Daher<br />

werden die über 2013 hinausgehende Pachtverträge<br />

über Zahlungsansprüche unter Umständen<br />

erlöschen. Ebenfalls ist fraglich, ob die gängigen<br />

Übertragungsklauseln sich auf die Zahlungsansprüche<br />

ab 2014 beziehen. Entsprechende Vereinbarungen<br />

werden zur Zeit erarbeitet und den<br />

Kreisverbänden für die Beratung ihrer Mitglieder<br />

zur Verfügung gestellt, um bereits im Vorfeld Auseinandersetzungen<br />

zu vermeiden.<br />

In den vergangenen Jahren wurde bereits<br />

mehrfach über die Novellierung des Realverbandsgesetzes<br />

berichtet. Des Berufsstand trug<br />

an die Politik die Bitte heran, in dem Realverbandsgesetz<br />

die Möglichkeit zu verankern, vorhandene<br />

Realverbände zu erweitern und neue<br />

Verbände außerhalb von Flurbereinigungsverfahren<br />

gründen zu können. Für dieses Bedürfnis sah<br />

das Landwirtschaftsministerium zunächst keine<br />

prakisrelevante Nachfrage für die Neugründung<br />

von Realverbänden. Diese Auffassung hat das<br />

<strong>Landvolk</strong> auch dank der tatkräftigen Unterstützung<br />

durch die Kreisverbände in vielen Veranstaltungen<br />

und Gesprächen widerlegt. Daher ist es sehr<br />

zu begrüßen, dass die Landesregierung kürzlich einen<br />

Gesetzentwurf, der weitgehend die Forderungen des<br />

Berufsstandes aufgreift, zur Verbändeanhörung freigegeben<br />

hat. Sehr erfreulich und sicher auch ein Erfolg<br />

der Initiative des <strong>Landvolk</strong>s ist es, wenn Minister Gert<br />

Lindemann erklärt: „Es gibt künftig nicht nur den Vorteil,<br />

ländliche und forstliche Liegenschaften unbürokratisch<br />

gemeinschaftlich zu bewirtschaften, sondern<br />

auch die Möglichkeit, die kommunalen Haushalte zu<br />

entlasten, wenn sich Akteure vor Ort zusammentun<br />

und ihre Liegenschaften durch einen Realverband bewirtschaften<br />

oder unterhalten lassen.“<br />

In dem Fallbericht „Standard für kartellrechtskonforme<br />

Gestaltung von Marktinformationssystemen<br />

im Bereich der Beschaffung von Rohmilch“ vertritt<br />

das Bundeskartellamt die Auffassung, dass nur aggregierte<br />

oder historische Daten, die mindestens sechs<br />

Monate alt sind, veröffentlicht werden dürfen. Nach<br />

Veröffentlichung des Fallberichts wurden viele Akteure<br />

– u. a. auch landwirtschaftliche Buchstellen oder<br />

Verlage – angeschrieben und um Auskunft über ihre<br />

Veröffentlichungspraxis gebeten. Die Rechtsauffassung<br />

des Bundeskartellamts stützt sich auf verschiedene<br />

Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des<br />

Bundesgerichtshofs. Hierbei ging es aber um Marktinformationssysteme,<br />

die Wettbewerbern (z. B. Zement-<br />

herstellern) ermöglicht haben, ihre Preise aufeinander<br />

abzustimmen. Ob diese Entscheidungen auch auf<br />

den völlig anders gestalteten Sektor Milch passen, mag<br />

bezweifelt werden. Schließlich ermöglicht eine ausreichende<br />

Marktransparenz den Milcherzeugern erst,<br />

wirkungsvoll und zeitaktuell Molkereien zu vergleichen<br />

und diese gegebenenfalls zu wechseln.<br />

Die Entschädigung der Eigentümer für die Inanspruchnahme<br />

ihrer Grundstücke beim Netzausbau<br />

ist aktueller denn je. <strong>Niedersachsen</strong> wird durch die<br />

Anbindung der Offshore-Windkraftstandorte mit den<br />

Verbrauchsgebieten im Süden in den kommenden<br />

Jahren und Jahrzehnten durch viele Netzausbauvorhaben<br />

betroffen sein, aktuell sind die in der Umsetzung<br />

befindliche Norddeutsche Erdgasleitung (NEL)<br />

oder die Trasse Wahle-Mecklar zu nennen. Das führt<br />

zu einigem Konfliktpotenzial zwischen Grundeigentümern,<br />

Landnutzern und Bürgerinitiativen, zur Zeit ist<br />

beispielsweise die Erdverkabelung, die zu erheblichen<br />

Bewirtschaftungseinschränkungen führt, höchst umstritten.<br />

Die Entschädigungspraxis durch die Energie-<br />

unternehmen führt – so zeigt auch das Beispiel der<br />

NEL im Bereich Winsen/Harburg – nicht gerade zu<br />

einer Akzeptanzsteigerung bei den Grundeigentümern<br />

Auf Basis der aktuellen Rechtslage kann der<br />

Berufsstand durch Rahmenvereinbarungen allenfalls<br />

eine Anhebung der durch die Rechtsprechung festgelegten<br />

Enteigenungsentschädigungen in Höhe von<br />

10 bis 20 Prozent des Grundstücksverkehrswerts erreichen.<br />

Bei den Gewinnen der Energieunternehmen<br />

ist dieser Betrag für Landwirte kaum nachvollziehbar.<br />

Der Deutsche Bauernverband hat die Forderung der<br />

Grundeigentümer und des Berufsstandes aufgegriffen<br />

und bereits im Vorjahr ein Rechtsgutachten bei Prof.<br />

Dr. Bernd Holznagel über die Rechtmäßigkeit der Enteignungsentschädigung<br />

in Auftrag gegeben, das inzwischen<br />

vorliegt. Das Gutachten soll als Grundlage für<br />

die politische Diskussion dienen.<br />

Nach der Atomkatastrophe in Japan hat die Bundesregierung<br />

im Eilverfahren im Netzausbaubeschleunigungsgesetz<br />

auch Entschädigungsfragen tangiert.<br />

Die Netzunternehmen können nunmehr Zahlungen<br />

an Kommunen, auf deren Gebiet Freileitungen verlaufen,<br />

bis zur Höhe von 40.000 Euro pro km gegenüber<br />

der Bundesnetzagentur geltend machen - böse Zungen<br />

kolportieren nicht zu Unrecht: Eine durch den<br />

Gesetzgeber gebilligte Bestechung! Die Forderung des<br />

Berufsstandes nach einer jährlich wiederkehrenden<br />

Entschädigungszahlung, die sich an dem Wert der Leitung<br />

für das Energieunternehmen orientiert, wurde<br />

hingegen bisher nicht berücksichtigt. In vielen Diskussionen<br />

auf Bundes- und Landesebene zeigten Politiker<br />

großes Verständnis für die Forderung und sagten, diese<br />

alsbald umzusetzen. Diese Zusage muss die Politik<br />

einlösen. Der Verband wird CDU und FDP in den<br />

folgenden Monaten daran messen, ob sie ihre grundeigentümerfeindliche<br />

Position aufgeben.<br />

Die Entschädigungen<br />

der Eigentümer,<br />

auf deren Flächen<br />

Stromleitungen für den<br />

Netzausbau realisiert<br />

werden, muss neu<br />

diskutiert werden.<br />

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