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l a n d s c h a f t s l o s - georgd (georg dornhofer) - xarch

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l a n d s c h a f t s l o s


landschafts los<br />

feuerblaue t.räume<br />

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Ingenieurs der<br />

Fachrichtung Architektur von<br />

Adelheid Pretterhofer<br />

Technische Universität Graz<br />

Erzherzog-Johann Universität<br />

durchgeführt am<br />

Institut für Städtebau, Umweltgestaltung und Denkmalpflege<br />

Begutachter:<br />

O. Univ.-Prof. Dipl. Ing. Dr. techn. Meuwissen Jean Marie Corneille<br />

Juni 1998


l a n d s c h a f t s l o s<br />

4 basics<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Anleitung 4<br />

Situation 6<br />

Frage 14<br />

Position 16<br />

Konzeption 18<br />

Bibliographie 58<br />

Zugabe 59<br />

ANLEITUNG: wi(e)derlesen<br />

wi(e)derlesen<br />

Ein Architekturbuch ist nicht zwangsläufig ein Buch über Architektur, es kann sich der simplen<br />

Repräsentation verweigern und selbst Architektur sein.<br />

Der vorliegende Katalog versucht mittels Überlagerung eines seitlich-sequentiellen Buches und einer<br />

synchronen Seitenarchitektur einen simultanen, losen Raum zu bauen. Im linearen Teil, den basics,<br />

werden Grundlagen und Voraussetzungen dokumentiert, sie können als Bau-oder Zeichensatz gelesen<br />

werden. Das layout, die simultane Seitenarchitektur, erzählt eine Reise, das Lesen wird zum Gehen.<br />

Die Figur des Springers ist ein Navigationsbeispiel, eine Bewegungsvariante unter vielen möglichen.<br />

Die einzelnen Seiten der basics reduzieren sich auf Punkte, die vom Springer entgrenzt werden.


l a n d s c h a f t s l o s<br />

5 layout<br />

V o n P u n k t z u P u n k t : V a r i a t i o n S p r i n g e r


l a n d s c h a f t s l o s Situation: wi(e)derholen<br />

6 basics<br />

Punkt - Strategisches Nirgendwo<br />

“Ehemaliges Frauenkonzentrationslager<br />

Ravensbrück” ist ein Punkt in der Provinz.<br />

Ein namenloser Fleck, der seinen Namen<br />

lediglich durch seine Funktion und den<br />

nächstgelegenen Ort erhalten hat. Die<br />

Provinz als logischer Nullpunkt für ein<br />

strategisches Nirgendwo.<br />

Jürgen Dittberner (1)<br />

Ravensbrück<br />

In einer lieblichen Landschaft, beim<br />

mecklenburgischen Kurstädtchen<br />

Fürstenberg gelegen, hatten die Nazis<br />

das KZ Ravensbrück errichtet. Es<br />

wurde die “Hölle am Schwedtsee”<br />

genannt. In Ravensbrück gab es mehr<br />

als 130.000 Gefangene. Über 50.000<br />

Menschen mußten dort ihr Leben las-<br />

sen. Ravensbrück war zuerst ein<br />

Frauen KZ. Weibliche Häftlinge wurden<br />

ab 1939 zu schwerer körperlicher<br />

Arbeit gezwungen. SS-Ärzte führten<br />

“medizinische Experimente” durch.<br />

Ein “Jugendschutzlager Uckermark” hatte<br />

es gegeben. In Ravensbrück wurde eine<br />

Gaskammer installiert. Ab 1941 wurden<br />

auch männliche Häftling gefangengehalten.<br />

punkt


l a n d s c h a f t s l o s<br />

7 layout<br />

MR. MARTIN: Verzeihung Madame, doch es scheint mirwenn<br />

ich mich nicht irre - als wäre ich Ihnen bereits<br />

irgendwo begegnet.<br />

MRS. MARTIN: Mir auch, Monsieur, mir scheint, als<br />

wäre ich Ihnen bereits irgendwo begegnet.<br />

MR. MARTIN: Habe ich Sie nicht zufällig in Manchester<br />

gesehen, Madame?<br />

MRS. MARTIN: Das wäre sehr gut möglich. Ich bin aus<br />

Manchester gebürtig. Aber ich erinnere mich nicht sehr<br />

gut, Monsieur. Ich wäre außerstande zu sagen, ob ich<br />

Sie dort gesehen habe oder nicht!<br />

MR. MARTIN: Mein Gott, wie seltsam! Ich bin auch aus<br />

Manchester gebürtig, Madame!<br />

MRS. MARTIN: Wie seltsam!<br />

MR. MARTIN: Wie sonderbar! ... Nur habe ich, Madame,<br />

Manchester vor ungefähr fünf Wochen verlassen.<br />

MRS. MARTIN: Wie sonderbar! Welch ein<br />

Zusammenspiel! Ich habe Manchester, Monsieur, auch<br />

vor ungefähr sechs Wochen verlassen!<br />

MR. MARTIN: Ich nahm den Zug um eine halbe Stunde<br />

nach acht Uhr früh, der eine Viertelstunde vor fünf in<br />

London eintrifft, Madame.<br />

MRS. MARTIN: Wie seltsam! Wie unbegreiflich! Welch<br />

ein Zusammenspiel! Ich nahm den selben Zug wie Sie,<br />

Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Mein Gott, wie unbegreiflich! Dann habe<br />

ich Sie, Madame, vielleicht in jenem Zug gesehen?<br />

MRS. MARTIN: Das ist gut möglich, nicht ausgeschlossen,<br />

scheint mir plausibel, und warum nicht, vielleicht!<br />

...Doch erinnere ich mich überhaupt nicht, Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Ich reiste zweite Klasse, Madame. In<br />

England besteht keine zweite Klasse, aber ich reise<br />

trotzdem immer zweite Klasse.<br />

punkt<br />

KORRIDOR<br />

PUNKT<br />

allee<br />

PFLUG<br />

KORRIDOR<br />

titel<br />

WALD<br />

PUNKT


l a n d s c h a f t s l o s<br />

8 basics<br />

10<br />

11<br />

1 Häftlingslager Frauen<br />

2 Schneiderei<br />

3 Häftlingslager Männer<br />

4 Magazinbaracken<br />

5 SS-Wachmannschaft<br />

6 Jugend-KZ Uckermarkt<br />

7 Siemens-Werkstätten<br />

8 Häftlingslager Siemens<br />

9 SS-Siedlung<br />

10 Dt. Ausrüstungswerke<br />

11 SS-Betrieb<br />

12 Kommandatur<br />

13 Material-Beutegutlager<br />

14 Kläranlage<br />

9<br />

12<br />

14<br />

8<br />

1<br />

13<br />

7<br />

4<br />

Situation: wi(e)derholen<br />

2<br />

Gebäude 1945 Gebäude 1992<br />

Wege 1945<br />

Wege 1992<br />

3<br />

5<br />

6<br />

10<br />

Implantat - Ende der Provinz<br />

Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück ist eine Maschine vor Ort.<br />

Als Produkt eines ungeheuerlichen, allumfassenden Plans,<br />

(Nationalsozialismus) stellt das ehemalige Frauenkonzentrationslager<br />

Ravensbrück ein serielles, isoliertes Implantat dar, welches den Raum<br />

von Anfang an in die Ortlosigkeit jener Maschine verstrickt: unwiderruflich<br />

verliert Ravensbrück seine Beiläufigkeit und Örtlichkeit der Provinz.<br />

Implantat - Machtwechsel<br />

11<br />

12 13<br />

1 Mahn-u. Gedenkstätte<br />

Ravensbrück<br />

2 Bekleidungslager<br />

3 Nachrichteneinheiten<br />

4 Bekleidungslager<br />

5 Unterkunftsverwaltung<br />

6 Transportverwaltung<br />

7 Tanklager<br />

8 Wachstab<br />

9 Wohnsiedlung<br />

Begegnungsstätte 1996<br />

10 Bekleidungslager<br />

Supermarktruine 1994<br />

11 Wirtschaftshof<br />

Festsaal, Gewerbe 1996<br />

12 Stadion<br />

13 Wohnsiedlung<br />

Abbruch 1992<br />

14 Kläranlage<br />

Die Befreiung durch die Rote Armee wandelt sich zu einer erneuten<br />

Inhaftierung der Landschaft.<br />

9<br />

14<br />

1<br />

8<br />

7<br />

4<br />

2<br />

3<br />

5<br />

6<br />

1945 kam die Befreiung durch die<br />

Sowjets. Für eine kurze Übergangszeit<br />

war das Gelände des Terrors und<br />

Todes offen, dann nahmen es die<br />

sowjetischen Streitkräfte in Besitz. Die<br />

Soldaten gehörten zur später über<br />

30.000 Mann zählenden Besatzung<br />

Fürstenbergs, eines einstigen<br />

Luftkurorts, der heute rund 5.000<br />

Einwohner hat. (...)<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg war<br />

Fürstenberg praktisch eine sowjetische<br />

Garnisonsstadt. Im September 1959<br />

wurde auf Druck der ehemaligen<br />

Häftlinge die “Nationale Mahn- und<br />

Gedenkstätte Ravensbrück” einge-<br />

weiht. Sie war auch eine Institution<br />

des propagandistischen und formali-<br />

sierten Antifaschismus der DDR. (...)<br />

Die sowjetischen Besatzer stellten nur<br />

fünf Prozent des ehemaligen KZ-<br />

Geländes für die Gedenkstätte zur<br />

Verfügung. Der Rest blieb Kaserne, für<br />

Zivilisten hermetisch abgeriegelt. (...)<br />

Am Ufer des Schwedtsees schien die<br />

Plastik “Die Tragende” Frauen zu sym-<br />

bolisieren, die sich über die Schönheit<br />

der Landschaft hinweg in die bessere<br />

Welt der Würde und Freiheit sehnten.<br />

Eine Frau trägt eine Mitgefangene mit<br />

letzter Kraft. Es scheint vergebens. Im<br />

Hintergrund ist die Außenmauer des<br />

Lagers mit Tafeln von<br />

implantat


l a n d s c h a f t s l o s<br />

9 layout<br />

MRS. MARTIN: Wie unbegreiflich! Wie seltsam! Welch<br />

ein Zusammenspiel! Ich reiste auch zweite Klasse,<br />

Monsieur.<br />

MR. MARTIN: Wie unbegreiflich! Dann haben wir uns<br />

vielleicht in zweiter Klasse getroffen, chére Madame!<br />

MRS. MARTIN: Das ist sehr gut möglich und ganz und<br />

gar nicht ausgeschlossen. Doch ich entsinne mich nicht<br />

sehr gut, cher Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Mein Platz war im Wagen Nummer 8,<br />

sechstes Abteil, Madame!<br />

MRS. MARTIN: Wie sonderbar! Mein Platz war auch in<br />

Wagen Nummer 8, sechstes Abteil, cher Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Wie sonderbar und welch unbegreifliches<br />

Zusammenspiel! Vielleicht trafen wir uns im sechsten<br />

Abteil, chére Madame!<br />

MRS. MARTIN: Das ist gut möglich, warum nicht! Aber<br />

ich entsinne mich dessen nicht, cher Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Tatsächlich entsinne ich mich dessen auch<br />

nicht, chére Madame, doch ist es möglich, daß wir uns<br />

dort gesehen haben, und wenn ich genau überlege, so<br />

scheint mir, daß es sogar wohl möglich ist!<br />

MRS. MARTIN: O! Natürlich, gewiß, natürlich,<br />

Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Wie sonderbar! ...Ich hatte den Sitz<br />

Nummer 3 beim Fenster, chére Madame.<br />

MRS. MARTIN: O, mein Gott! Wie ist das unbegreiflich!<br />

Wie seltsam! Ich hatte den Sitz Nummer 6 beim<br />

Fenster, Ihnen vis-à-vis, cher Monsieur.<br />

MR. MARTIN: O, mein Gott! Wie sonderbar! Welch ein<br />

Zusammenspiel! ...Wir saßen einander also vis-á-vis,<br />

chére Madame! Dort haben wir uns sehen müsssen!<br />

MRS. MARTIN: Wie unbegreiflich! Das ist möglich, aber<br />

ich entsinne mich nicht mehr, Monsieur!<br />

flieger<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL<br />

ALLEE<br />

implantat<br />

LIPPENSTIFT<br />

wald<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL


l a n d s c h a f t s l o s<br />

10 basics<br />

SITUATION: wi(e)derholen<br />

Entgrenzung - physischer Transfer<br />

FOTOS:Ravensbrück 1997<br />

Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück war nie ein Ort, an dem man<br />

sich ansiedelt, bleibt, oder wohnt, sondern vielmehr eine Station, ein<br />

grundlegend transitorischer Raum, an den man gebracht wird:<br />

der Schrecken der Endstation für die gewaltsam Deportierten, die<br />

Besatzungszeit der Soldaten der Roten Armee.<br />

Die physische Präsenz von Menschen aus dem Anderswo: die<br />

Geschichte vom Frauen-Konzentrationslage Ravensbrück verweist auf<br />

einen Ausnahmezustand, einen "Raum des Dazwischen". Sie erzählt<br />

von Übergängen, Durchgängen, Passagen, von deren Erfahrungen:<br />

vom Warten, von der Hoffnung, von Ungewißheit; und von deren<br />

Kehrseiten: der Kapitulation, der Gewißheit des Endes, der Endstation.<br />

Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück erzählt vom Abenteuer und<br />

vom Schrecken des Transits.<br />

Ortlosigkeit - Supermarkt<br />

Nach dem Abzug der Roten Armee wird auf<br />

dem Gelände des ehemaligen Frauen-<br />

Konzentrationslager Ravensbrück ein<br />

Supermarkt errichtet, allerdings wird er nie in<br />

Betrieb genommen, zu heftig sind die<br />

Reaktionen aus der ganzen Welt.<br />

Herkunftsländern der Gefangenen.<br />

Zwischen der auf den See zustreben-<br />

den Tragenden und der Lagermauer<br />

wurde ein Roesenbeet zu Ehren der<br />

Opfer von Ravensbrück angelegt.<br />

Alle, die hier herkommen sind erschüt-<br />

tert von dem Gegensatz zwischen der<br />

landschaftlichen Anmut und dem<br />

Terror, den es hier gegeben hatte. In<br />

DDR-Zeiten haben auf dem Gelände<br />

der Gedenkstätte “freiwillige”<br />

Pflichtveranstaltungen stattgefunden,<br />

hier hatte die SED eine unsägliche<br />

Propaganda-Ausstellung gezeigt, und<br />

die Fürstenberger haben diesen Ort<br />

als extern empfunden, wie sie sich von<br />

der Vielzahl der Sowjets bedrückt<br />

gefühlt haben mögen. Nahe am Ort des<br />

Verbrechens ist die Gefahr der<br />

Verdrängung besonders groß. Die<br />

Menschen wollen ihr normales Leben<br />

führen. Ravensbrück kam in die<br />

Schlagzeilen, als gleich nach der<br />

Wende die Unternehmesgruppe<br />

Tengelmann mit Unterstützung der<br />

Stadt an der Straße der Nationen,<br />

einen Supermarkt errichten wollte.<br />

Einen Supermarkt oder eine<br />

“Kaufhalle” hatten sie schon lange<br />

haben wollen in Fürstenberg. Nun<br />

wurde er errichtet an der Stelle, wo<br />

sich zu sozialistischen Zeiten ein<br />

Kettenkarussell gedreht hatte. Die<br />

transfer


l a n d s c h a f t s l o s<br />

11 layout<br />

MR. MARTIN: Tatsächlich entsinne ich mich auch nicht<br />

mehr, chére Madame. Es ist jedoch sehr gut möglich,<br />

daß wir uns bei dieser Gelegenheit gesehen haben!<br />

MRS. MARTIN: Gewiß, aber ich bin gar nicht sicher.<br />

Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Waren Sie nicht, chére Madame, jene<br />

Dame, welche mich bat, Ihren Koffer ins Netz zu befördern,<br />

die sich hierauf bedankte und mir das Rauchen<br />

erlaubte?<br />

MRS. MARTIN: Aber doch, das könnte ich gewesen sein,<br />

Monsieur! Wie sonderbar! Wie sonderbar! Und welch<br />

ein Zusammenspiel!<br />

MR. MARTIN: Wie sonderbar! Wie unbegreiflich und<br />

welch ein Zusammenspiel! Dann, dann haben wir uns<br />

vielleicht in jenem Moment gekannt, Madame?<br />

MRS. MARTIN: Wie unbegreiflich und welch ein<br />

Zusammenspiel! Das ist gut möglich, cher Monsieur!<br />

Dennoch glaube ich nicht, mich dessen zu entsinnen.<br />

MR. MARTIN: Ich auch nicht, Madame! Pause.Die<br />

Wanduhr schlägt 2-1. Seit ich in London eintraf, chére<br />

Madame, wohne ich an der Bromfieldstreet.<br />

MRS. MARTIN: Wie sonderbar! Wie unbegreiflich! Seit<br />

meiner Ankunft in London, wohne ich auch an der<br />

Bromfieldstreet, cher Monsieur.<br />

MR. MARTIN: Wie sonderbar! Aber dann, aber dann sind<br />

wir einander vielleicht an der Bromfieldstreet begegnet,<br />

chére Madame.<br />

MRS. MARTIN: Wie sonderbar! Wie unbegreiflich! Das<br />

ist gut möglich, warum nicht! Doch ich entsinne mich<br />

dessen nicht, cher Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Ich wohne Nr. 19, chére Madame!<br />

MRS. MARTIN: Wie sonderbar! Ich wohne auch Nr. 19,<br />

cher Monsieur!<br />

transfer<br />

TRANSFER<br />

ZEBRA<br />

kohle<br />

WALD<br />

TRANSFER


l a n d s c h a f t s l o s<br />

12 basics<br />

1 Schwedtsee,Grubengewässer<br />

Röhrichtgesellschaften<br />

2 Seggen-, Röhrichtmoore,<br />

Feuchtwiesen tw. mit<br />

Schilfbestand,<br />

Frischwiese aufgeschüttet<br />

3 Ruderale Trockenrasen-,<br />

Pioniergesellschaften,<br />

Gehölzegprägte<br />

Rudeeralflächen<br />

4 Erlen tw.Weiden auf<br />

feuchten Standorten,<br />

Erlenbruchwälder tw. mit<br />

Weidenbestand<br />

5 Kiefernforste mit<br />

Laubholzbestand,<br />

Mischwaldbestände<br />

6 Gebietsprägende Alleen<br />

7 Überwiegend bebaute oder<br />

versiegelte<br />

Fläche mit wenig Vegetation<br />

Fläche mit mittlerer<br />

Versiegelung und<br />

hohem Vegetationsbestand<br />

8 Flächen mit geringer<br />

Versiegelung und hohem<br />

Vegetationsbestand<br />

SITUATION: wi(e)derholen<br />

Örtlichkeit - Mosaiklandschaft<br />

Unterschiedliche Zeitpunkte fallen räumlich zusammen. Reliktische<br />

Feuchtbereiche neben Trockenbereichen und deren Vielfalt an unterschiedlichen<br />

Biotoptypen zeichnen den hohen Wert dieses Naturraums<br />

als Mosaiklandschaft aus.<br />

Die ursprüngliche Vegetation auf vorwiegend moorigen Böden mit<br />

nahem Grundwasserstand, mit kleineren Talsandbereichen und mehreren<br />

Waldbändern wurde größtenteils gerodet und trockengelegt. Heute<br />

hat sich der Waldbestand bis in die Niederungen erheblich ausgebreitet.<br />

Entlang des Seeufers befinden sich Auwälder und Feuchtwiesen.<br />

Die trockeneren Talsandbereiche weisen Kiefernbestand und<br />

Trockenrasen auf.<br />

Ratlosigkeit - Wettbewerb<br />

Die Stadt Fürstenberg und das Land Brandenburg veranstalten im<br />

Herbst 1997 einen landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb zum<br />

Thema “Ehemaliges Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück”. Ziel<br />

des Wettbewerbs ist es ein Konzept für eine Gedenklandschaft zu finden.<br />

Mehrheit der Menschen vor Ort sah es<br />

damals so: Endlich passiert in<br />

Fürstenberg etwas für das normale<br />

Leben.<br />

Wen wundert es, daß die<br />

Fürstenberger es nicht verstanden, als<br />

auf einmal die halbe Welt gegen ihren<br />

Supermarkt zu protestieren schien?<br />

Journalisten, in der<br />

Gedenkstättenarbeit engagierte<br />

Personen und Gruppen, Politiker; sie<br />

kamen aus Potsdam, Berlin und von<br />

noch wieter her. (...) Der Supermarkt<br />

kam nicht, die Medienkarawane zog<br />

weiter. Seitdem steht die Verkaufshalle<br />

leer, sie soll dem Technischen<br />

Hilfswerk als Lager dienen.(...)<br />

Die Russen sind gegangen. Die<br />

Besatzung ist gewichen, und viele im<br />

Ort fragern sich was werden soll. Die<br />

Stadt, ist pleite und größere<br />

Investoren sind nicht in Sicht.<br />

(...)Hier, zwischen Berlin und der<br />

Ostsee auf halber Strecke, gibt es<br />

zwar Wälder und Seen genug. Aber die<br />

ehemals sowjetischne Liegenschaften<br />

sind eine Belastung. (...) Dort, wo die<br />

Nazis geherrscht hatten, hatten die<br />

Sowjets ein Tankstelle errichtet, das<br />

Öl hat den Boden verpestet. Insgesamt<br />

sind sie recht sorgls mit der<br />

Geschichte und der Natur umgegan-<br />

gen. (...)<br />

implantat


l a n d s c h a f t s l o s<br />

13 layout<br />

MR. MARTIN: Aber dann, aber dann, aber dann, aber<br />

dann haben wir uns vielleicht in diesem Haus gesehen,<br />

chére Madame?<br />

MRS. MARTIN: Das ist sehr gut möglich, doch entsinne<br />

ich mich dessen nicht, cher Monsieur.<br />

MR. MARTIN: Meine Wohnung ist im fünften Stock und<br />

trägt die Nr. 8, chére Madame!<br />

MRS MARTIN: Wie ist das sonderbar, mein Gott! Wie<br />

unbegreiflich! Welch ein Zusammenspiel! Ich wohne<br />

ebenfalls im fünften Stock in der Wohnung Nr. 8, cher<br />

Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Wie sonderbar! Wie sonderbar! Wie sonderbar!<br />

Und welch ein Zusammenspiel! Wissen Sie, in<br />

meinem Schlafzimmer steht ein Bett. Dieses Bett hat<br />

eine grüne Federdecke. Das Zimmer mit dem Bett und<br />

der grünen Federdecke befindet sich am Ende eines<br />

Ganges zwischen dem Klosett und der Bibliothek,<br />

chére Madame!<br />

MRS. MARTIN: Welch ein Zusammenspiel! Ach, mein<br />

Gott, welch ein Zusammenspiel! Mein Schlafzimmer<br />

enthält auch ein Bett mit einer grünen Federdecke und<br />

befindet sich auch am Ende eines Ganges zwischen<br />

dem Klosett, cher Monsieur, und der Bibliothek!<br />

MR. MARTIN: Wie unbegreiflich, seltsam, sonderbar!<br />

Madame, dann wohnen wir also im gleichen Zimmer<br />

und schlafen im gleichen Bett, chére Madame.<br />

Vielleicht haben wir uns dort getroffen!<br />

MRS. MARTIN: Wie unbegreiflich! Und welch ein<br />

Zusammenspiel! Das ist gut möglich, daß wir uns dort<br />

getroffen haben, und vielleicht sogar letzte Nacht.<br />

Doch dessen entsinne ich mich keineswegs, cher<br />

Monsieur!<br />

MR. MARTIN: Ich habe eine kleine Tochter, mein<br />

Töchterchen, sie wohnt bei mir, chére Madame. Sie ist<br />

flieger<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL<br />

ALLEE<br />

implantat<br />

LIPPENSTIFT<br />

wald<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL


l a n d s c h a f t s l o s<br />

14 basic<br />

Transit<br />

draußen / drinnen<br />

öffentlich / privat<br />

männlich / weiblich<br />

offen / geschlossen<br />

transit / ?<br />

Was ist die Umkehrung von<br />

Transit?<br />

FRAGE: wi(e)derfragen<br />

Sans Soleil<br />

Er schrieb mir:”Ich werde mich mein<br />

Leben lang danach fragen, wie<br />

Erinnerung funktioniert, die nicht das<br />

Gegenteil von Vergessen ist, vielmehr<br />

seine Kehrseite. Man erinnert sich nicht,<br />

man schreibt das Gedächtnis um, wie<br />

man die Geschichte umschreibt. Wie<br />

kann man sich an Durst erinnern?<br />

Chris Marker<br />

Who owns history?<br />

Who can represent its<br />

complexity?<br />

Who cares?<br />

Renée Green (3)<br />

FOTOS: Ravensbrück - Graz 1997<br />

Repräsentationsfrage : Doppelbelichtung<br />

Die physische, direkte Erfahrung, welche die deportierten, delogierten<br />

und stationierten Menschen durchlebten, ist nicht repräsentierbar. Die<br />

Gewißheit, daß wir den tatsächlichen, grenzenlosen Schrecken der<br />

deportierten Frauen -die Endstation, der absolute Stillstand von Zeit und<br />

Raum- heute bloß als eine vorübergegangene, geschlossene Zeitspanne<br />

-als Geschichte- wahrnehmen können, wirft die grundlegende Frage<br />

nach der Repräsentierbarkeit des Ortes / Nichtortes auf.<br />

Kann es aber eine Landschaft geben, die den Zynismus einer (nicht<br />

repräsentierbaren) Repräsentation des Schreckens vermeidet?<br />

Das Sterben der letzten Zeitzeugen, Opfer, Täter und Zuschauer gleichermaßen,<br />

führt zur Frage, ob die Erinnerung, sei es die individuelle oder die kollektive, allmählich<br />

vom rituellen Gedenken verdrängt wird.<br />

Arno Gisinger (4)<br />

Die Journalistin Hannah Semer<br />

(2) , Überlebende des KZ<br />

Ravensbrück, erzählte der<br />

Künstlerin (Rivka Rinn) 1995 von<br />

dem Spiel Was wir Damen<br />

kochen?, die Damen wohlge-<br />

merkt. Kinder versetzen sich<br />

spielerisch in andere Welten, das<br />

Spiel der Frauen gewann in einer<br />

peinigenden Wirklichkeit obsessi-<br />

ve Züge.<br />

Genau dies waren<br />

die<br />

Gesprächsthemen,<br />

die man sich Tag<br />

und Nacht gegen-<br />

seitig zuflüsterte.(...) “Lädst Du<br />

mich zum Mittagessen ein?”<br />

“Sehr gerne. Was kochst<br />

Du?”(...) Und zwischen den<br />

Arbeitsplätzen unter dem Schein<br />

der Lampen oder im kalten<br />

Tageslicht, auf den Wegen zwi-<br />

schen den düsteren Baracken<br />

und die Stockbetten rauf und run-<br />

ter flossen unendliche Meere von<br />

Soßen, erschienen Berge von<br />

Butter, Haufen von Käse, Zucker,<br />

Marmelade, und um alles herum<br />

eine komplette Küchenrichtung.<br />

frage


l a n d s c h a f t s l o s<br />

15 layout<br />

zwei Jahre alt, ist blond, hat ein weißes und ein rotes<br />

Auge, ist sehr hübsch, heißt Alice, chére Madame.<br />

MRS MARTIN: Welch unbegreifliches Zusammenspiel!<br />

Auch ich habe eine kleine Tochter, sie ist zwei Jahre alt,<br />

hat ein weißes und ein rotes Auge, ist sehr hübsch und<br />

heißt auch Alice, cher Monsieur.<br />

MR. MARTIN mit derselben schleppenden, monotonen<br />

Stimme: Wie sonderbar! Und welch ein Zusammenspiel!<br />

Und unbegreiflich! Das ist vielleicht die gleiche, chére<br />

Madame.<br />

MRS. MARTIN: Wie sonderbar! Das ist gut möglich, cher<br />

Monsieur.<br />

Ein ziemlich langes Schweigen, ...Die Wanduhr schlägt<br />

neunundzwanzigmal.<br />

MR. MARTIN: In diesem Falle, chére Madame, steht es<br />

außer Zweifel: Wir haben uns bereits einmal gesehen,<br />

und Sie sind meine eigene Gattin ... Elisabeth, ich habe<br />

dich wieder!<br />

MRS. MARTIN: Donald, bist du´s Darling!<br />

Sechste Szene<br />

MR. MARTIN: Vergessen wir alles, Darling, was zwischen<br />

uns nicht geschehen ist, und versuchen wir jetzt,<br />

da wir uns wiedergefunden haben, uns nicht mehr zu<br />

verlieren, und leben wir wie zuvor.<br />

MRS. MARTIN: Ja, Darling!<br />

Achte Szene<br />

HAUPTMANN: Guten Abend, Ihr Damen und Herren!<br />

Guten Abend, Mrs. Smith. Sind Sie verärgert?<br />

MRS. SMITH: O!<br />

MR. SMITH: Es ist, sehen Sie ...meine Frau ist leicht<br />

frage<br />

MOMENT<br />

HIMMEL<br />

FRAGE<br />

moment<br />

SPUR<br />

FRAGE<br />

spur<br />

BIRKE


l a n d s c h a f t s l o s<br />

16 basic<br />

Das Land hat sich in einen<br />

Transitraum verwandelt. (...) In<br />

diesem Verlauf entstehen<br />

neue (...) Gebilde, nomadische<br />

Zwischenräume, vage<br />

Terrains, Nichtorte (...) Es sind<br />

Orte, wo die Menschen vor<br />

allem durchgehen und verschwinden.<br />

POSITION: wi(e)derlegen<br />

Eine komplexe Erinnerung würde wegen ihrer Pluralität zum Überhandnehmen<br />

widersprüchlicher Elemente führen und folglich im Zustand der<br />

permanenten Mobilität der Gedanken verbleiben.<br />

Roman Froeis<br />

Wider die Erbaulichkeit<br />

FOTOS: New York 1997<br />

Meine Arbeit verfügt über keinerlei Autorität. Sie werden aus ihr nur<br />

wenig (oder gar nichts) lernen, Sie werden aus ihr nur wenig (oder keinerlei)<br />

moralischen Nutzen ziehen und es wird Ihnen nur wenig (oder gar<br />

kein) höherer Genuß bereitet.<br />

Meine Arbeit bezieht sich auf das Hier und Jetzt, es ist immer interssanter<br />

über die Gegenwart zu sprechen als über die Vergangenheit.<br />

Das Thema Holocaust ist für das Projekt wichtig, aber die Arbeit ist<br />

nicht über ihn, sie ist vielleicht danach, darum, aber nicht über ihn.<br />

Meine Arbeit ist keine Dienstleistung, die von Ihnen konsumiert,<br />

rezepiert oder beklatscht werden soll. Sie kompensiert nicht Ihre persönliche<br />

Anstrengung und Ihre eigene Bewegung, sie kann Sie bestenfalls<br />

dazu motivieren.<br />

Nie zuvor war jemand so übertrieben<br />

verschwenderisch im<br />

Haushalt. (...)Das Hungergefühl,<br />

fast immer verbunden mit uner-<br />

träglichen Schmerzen und<br />

Sodbrennen, war nicht mehr im<br />

Magen zu spüren, es war bereits<br />

bis in die Knochen und Muskeln<br />

vorgedrungen, es stieg über das<br />

Nervensystem hoch und konzen-<br />

trierte sich im Nacken, schlich<br />

sich ins Gehirn und beherrschte<br />

die Gedanken - es führte lang-<br />

sam zum Wahnsinn. (...)Aber es<br />

gab ein Mittel, um nicht verrückt<br />

zu werden, ein einfaches und<br />

natürliches: mitspielen, sich nicht<br />

ausschließen. Im Grunde war es<br />

nur ein Spiel der gefangenen<br />

Mädchen, die sich gegenseitig<br />

eine wunderbare Fabel erzählten.<br />

Essen wurde nicht mehr als ein<br />

notwendiger Akt angesehen, um<br />

den Organismus am Leben zu<br />

erhalten. Es war zum geistigen<br />

Streben geworden, zum intelektu-<br />

ellen Genießen. Brigitte Hausmann (2)<br />

“In order to survive,you had to<br />

have an imagination. Fantasies<br />

about food were like a fantasy<br />

that you have about how the outside<br />

is if you are inside. You imagine<br />

it not only the way it really is<br />

but much stronger than it really<br />

is.” Bianca Steiner Brown (2)<br />

position


l a n d s c h a f t s l o s<br />

17 layout<br />

gedemütigt, weil sie im Unrecht war.<br />

MR. MARTIN: Es hat, Herr Feuerwehrhauptmann, eine<br />

Kontroverse gegeben zwischen Mrs. und Mr. Smith.<br />

MRS. SMITH zu MR. MARTIN: Das geht Sie nichts an!<br />

Zu MR. SMITH: Ich bitte Dich, keine fremden Leute in<br />

unsere Angelegenheiten zu mischen.<br />

MR. SMITH: Ach, Liebling, das ist nicht so schlimm.<br />

Der Hauptmann ist ein alter Freund unseres Hauses.<br />

Seine Mutter hat mir schon den Hof gemacht, und seinen<br />

Vater habe ich gut gekannt. Er bewarb sich um die<br />

Hand meiner Tochter, wenn ich je eine haben würde.<br />

Mittlerweile ist er gestorben.<br />

MR. MARTIN: Daran sind weder Sie noch er schuld.<br />

HAUPTMANN: Worum handelt es sich denn eigentlich?<br />

MRS. SMITH: Mein Mann hat behauptet ...<br />

MR. SMITH: Nein, du hast behauptet ...<br />

MR. MARTIN: Ja, sie hat behauptet.<br />

MRS. MARTIN: Nein, er!<br />

HAUPTMANN: Regen Sie sich nicht auf. Erzählen Sie<br />

mir das, Mrs. Smith.<br />

MRS. SMITH: Nun, also gut ... Ich habe Hemmungen, zu<br />

Ihnen offen zu sprechen, aber ein Feuerwehrmann ist ja<br />

schließlich auch ein Beichtvater.<br />

HAUPTMANN: Also, und?<br />

MRS. SMITH: Wir haben uns gestritten, weil mein Mann<br />

behauptete, daß stets jemand vor der Tür sei, wenn es<br />

klingelt.<br />

MR. MARTIN: Das leuchtet doch ein!<br />

MRS. SMITH: Ich aber sagte, daß jedesmal, wenn es<br />

klingelt, niemand vor der Tür sei.<br />

MRS. MARTIN:Das mag sonderbar scheinen ...<br />

loch<br />

SAMMLUNG<br />

POSITION<br />

position<br />

SAMMLUNG<br />

engel<br />

POSITION


l a n d s c h a f t s l o s<br />

18 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)delösen<br />

The real voyage of discovery consists not in<br />

seeking new landscapes, but in having new<br />

eyes.<br />

landschaftslos<br />

das los der<br />

landschaft<br />

Marcel Proust (5)<br />

Passagiere, Zugvögel, Schulklassen, Fremde, Schmetterlinge, Ausflügler, Gäste, Forscher; Abenteurer, und Zebras<br />

bewegen sich auf einen ungewissem Terrain: eine „sehr schöne" Gegend, eine „sehr traurige" Geschichte und eine<br />

„sehr intuitive" Gegenwartsinterpretation spannen einen losen Aktionsraum auf. Die Grenzen diesen weiten<br />

Territoriums sind der Körper, seine Bewegungen, sowohl physisch als auch mental, definieren den Raum stets aufs<br />

Neue.<br />

Der Entwurf entzieht sich der Repräsentation von Vergangenheit, er reduziert mögliche Monumente der Erinnerung,<br />

des Schreckens und des schlechten Gewissens auf Momente der subjektiven Auseinandersetzung.<br />

Er arbeitet mit dem „Jetzt", mit dem Potential, das physisch, psychisch und theoretisch im Raum vorhanden ist.<br />

Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges werden in einer Landschaft des Transit simultan nebeneinander<br />

gestellt. Die Gleichzeitigkeit von Erinnerung, Vergessen, Bewegt werden, Bewegen, Aneignung, Formierung und<br />

Auflösung relativiert eine dreidimensionale, humanistische Raumvorstellung und eine lineare, gerichtete<br />

Zeitauffassung.<br />

Raum widerstrebt in seiner Simultanität, in seiner ständigen Bereitstellung des Möglichen, der Geschlossenheit<br />

eines Systems, und wird so zum Skandal: ein Skandal insofern, als er eine Anarchie des Unendlichen darstellt.<br />

Die t.räume (Transiträume) der von uns vorgeschlagenen Landschaft öffnen den Raum: Zeichen des Transits werden<br />

als landschaftliche Elemente behandelt, verwandeln sich zur Landschaft. Sie sind ihrer primären Funktion enthoben.<br />

Vorhandene Elemente kollidieren mit diesen, und bilden einen Landschaftsraum mit unerwarteten Aus- und<br />

Einblicken.<br />

auge


l a n d s c h a f t s l o s<br />

19 layout<br />

MRS. SMITH: ...ist aber dennoch bewiesen - durch<br />

Tatsachen bewiesen, nicht durch theoretische Überlegungen!<br />

MR. SMITh: Falsch! Das ist falsch! Weil der<br />

Feuerwehrmann hier ist! Er hat geklingelt, ich habe<br />

aufgemacht, und hier war er!<br />

MRS. MARTIN: Wann?<br />

MR. MARTIN: Sogleich.<br />

MRS. SMITH: Ja, aber erst nach viermaligem Läuten hat<br />

man jemanden vorgefunden. Und das vierte Mal zählt<br />

nicht.<br />

MRS. MARTIN: Nie. Nur die drei ersten zählen.<br />

MR. SMITH: Herr Hauptmann, lassen Sie mich nun meinerseits<br />

ein paar Fragen an Sie richten.<br />

HAUPTMANN: Bitte schön!<br />

MR. SMITH: Als ich aufgemacht und Sie gefunden habe,<br />

da hatten doch wirklich Sie geklingelt?<br />

HAUPTMANN: Ja, ich hatte geklingelt.<br />

MR. MARTIN: Sie standen vor der Türe und hatten<br />

geklingelt, damit man Ihnen aufmacht?<br />

HAUPTMANN: Ich leugne es nicht.<br />

MR. SMITH: Siehst du, ich hatte recht! Wenn man klingeln<br />

hört, so heißt das, daß jemand klingelt. Du willst<br />

doch nicht sagen, der Hauptmann sei niemand?<br />

MRS. SMITH: Gewiß nicht. Aber ich wiederhole, daß ich<br />

von den drei ersten Malen spreche, das vierte Mal zählt<br />

nicht.<br />

ZEBRA<br />

auge<br />

LOCH<br />

AUGE<br />

LOCH<br />

zebra<br />

BIRKE<br />

sammlung<br />

AUGE


l a n d s c h a f t s l o s<br />

20 basics<br />

durchgang mit zebra<br />

spuren ohne vergangenheit<br />

parkplatz ohne auto<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

flugfeld mit allee<br />

rot ohne titel<br />

himmel ohne horizont<br />

korridore ohne notausgang<br />

Transiträume sind hybride, vielleicht sogar androgyne Räume. Die Faszination und das Abenteuer liegen in der<br />

Ungewißheit, im „sowohl als auch". t.räume können nicht besessen sondern nur erfahren werden, sie fordern unsere<br />

volle Wachsamkeit und unsere Mobilität.<br />

In Transiträumen werden konventionelle Gegensätzlichkeiten wie draußen / drinnen, öffentlich / privat, männlich /<br />

weiblich unscharf, stets bereit umzukippen und ihre Territorien zu vertauschen. Transit, in seiner Eigenschaft als allgegenwärtiger<br />

Erfahrungsraum, gewalttätig und lebensnotwendig, opportun und kritisch zur gleichen Zeit, wird als<br />

präzises Statement verstanden und ist eine klare Gegenposition zu Monument und Heimat.<br />

t.räume liegen dazwischen und daneben, sie verdünnen als lose Sammlung das Landschaftskonzentrat<br />

Ravensbrück, sie irritieren und verunsichern und versprechen eine lose Landschaft als kritische Architektur eines<br />

offenen Gebrauchs.<br />

transit


l a n d s c h a f t s l o s<br />

21 layout<br />

MRS. MARTIN: Und als man zum ersten Mal klingelte,<br />

waren Sie das?<br />

HAUPTMANN: Nein, das war ich nicht.<br />

MRS. MARTIN: Sie sehen, es hat geklingelt, und es war<br />

niemand.<br />

MR. MARTIN: Es war vielleicht jemand anderes?<br />

MR. SMITH: Standen Sie lange vor der Türe?<br />

HAUPTMANN: Dreiviertelstunden.<br />

MR. SMITH: Und Sie sahen niemand?<br />

HAUPTMANN: Niemand, ich bin ganz sicher.<br />

MRS. MARTIN: Haben Sie beim zweiten Mal läuten<br />

gehört?<br />

HAUPTMANN: Ja, aber ich war es auch nicht.Und ich<br />

habe niemand gesehen.<br />

MRS. SMITH: Siehst du, ich hatte recht!<br />

MR. SMITH: Nicht so schnell! Und was taten Sie vor<br />

der Türe?<br />

HAUPTMANN. Nichts. Ich stand da und dachte an viele<br />

Dinge.<br />

MR. MARTIN: Aber beim dritten Mal...haben Sie da<br />

auch nicht geklingelt?<br />

HAUPTMANN: Doch, da habe ich.<br />

korridor<br />

MR. SMITH: Aber als man aufmachte, hat man Sie<br />

ENGEL<br />

nicht gesehen!<br />

TRANSIT<br />

HAUPTMANN: Weil ich mich versteckt hielt...zum<br />

transit<br />

FLIEGER<br />

HIMMEL<br />

SCHNITT<br />

ENGEL<br />

birke<br />

TRANSIT<br />

FLIEGER


l a n d s c h a f t s l o s<br />

22 basics<br />

los lassen:<br />

lose landschaft:<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Durchgang mit Zebra<br />

Spuren ohne Vergangenheit<br />

Parkplatz ohne Auto<br />

Himmel ohne Horizont<br />

Flugfeld mit Allee<br />

Korridore ohne Notausgang<br />

Das bestehende Dokumentationsmuseum wird losgelassen.... Die Lösung ist eine Wanderausstellung.<br />

Rot ohne Titel<br />

Die lose Sammlung setzt sich aus t.räumen zusammen, die ihre ursprüngliche Bestimmung vergessen haben, ihr<br />

Gebrauch und ihr Zweck sind somit unberechenbar. Anzahl und Reihung der Interventionen haben keine<br />

Bedeutung, wichtig ist nur ihre Präsenz, in ihrer Gleichzeitigkeit “definieren” sie den Raum für das Unerwartete..<br />

sammlung


l a n d s c h a f t s l o s<br />

23 layout<br />

Scherz!<br />

MRS. SMITH: Scherzen sie nicht, Herr Hauptmann. Die<br />

Sache ist viel zu ernst.<br />

MR. MARTIN: Alles in allem wissen wir immer noch<br />

nicht, ob da jemand ist, wenn es läutet.<br />

MRS. SMITH: Nie niemand!<br />

MR. SMITH: Immer jemand.<br />

HAUPTMANN: Ich will Euch zur Einigung verhelfen. Ihr<br />

habt beide ein bißchen recht. Wenn es klingelt, ist<br />

manchmal jemand da, manchmal niemand.<br />

MR. MARTIN: Das leuchtet mir ein.<br />

MRS. MARTIN: Mir auch.<br />

HAUPTMANN: Die Dinge sind einfach in Wirklichkeit.<br />

Küßt Euch!<br />

MRS. SMITH: Wir haben uns bereits vorhin geküßt.<br />

MR. MARTIN: Sie werden sich morgen küssen. Dazu<br />

haben sie Zeit genug.<br />

MRS. SMITH: Herr Hauptmann, da Sie uns geholfen<br />

haben, die Sache zu klären, machen Sie es sich<br />

bequem, nehmen Sie Ihren Helm ab und setzen Sie sich<br />

einen Augenblick.<br />

HAUPTMANN: Verzeihen Sie, aber ich kann nicht lange<br />

verweilen. Ich will gerne meinen Helm abnehmen,<br />

doch zum Sitzen habe ich wirklich keine Zeit. Offen<br />

gestanden kam ich zu Ihnen wegen einer ganz anderen<br />

Sache. Ich bin... dienstlich hier.<br />

BIRKE<br />

sammlung<br />

AUGE<br />

loch<br />

SAMMLUNG<br />

POSITION<br />

position<br />

SAMMLUNG


l a n d s c h a f t s l o s<br />

24 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

PARKPLA ARKPLATZ TZ OHNE AUTO AUTO<br />

auto


l a n d s c h a f t s l o s<br />

25 layout<br />

PFLUG<br />

schnitt<br />

AUTO<br />

LIPPENSTIFT<br />

auto<br />

ALLEE<br />

lippenstift<br />

AUTO


l a n d s c h a f t s l o s<br />

24 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Parkplatz ohne Auto<br />

Die Scheinidylle und die Exklusivität der Häuser im Grünen wird durch die Doppelbelegung mit einem disfunktionalen<br />

Parkplatzes irritiert. Die Führer- und Aufseherinnenhäuser sind nun nicht mehr priviligiert plaziert, sondern falsch<br />

geparkt.<br />

338 Tonnen blauschwarze Steinkohle bilden den Belag des Parkplatzes.<br />

338 Tonnen blauschwarze Steinkohle belegen das menschliche Scheitern.<br />

Die Fläche ist nur bedingt begeh - und befahrbar, sie ist aber bequem beschaubar.<br />

42 Eisenbahnschwellen dienen als Bodenmarkierung, ob sie den Parkplatz auch ordnen ist ungewiß.<br />

Die unerläßliche Frage, - WER auf dem Parkplatz WIE parkt? - bleibt offen, Spekulationen jeglicher Art sei Tür und<br />

Tor geöffnet.<br />

kohle


l a n d s c h a f t s l o s<br />

25 layout<br />

MRS. SMITH: Und was steht zu Diensten, Herr<br />

Feuerwehrhauptmann?<br />

HAUPTMANN: Ich möchte Sie bitten, meine Indiskretion<br />

gütigst zu entschuldigen... Kann ich... vor Ihnen...<br />

Mrs. Smith: Genieren Sie sich nicht.<br />

MR. MARTIN: Wir sind alte Freunde. Sie erzählen uns<br />

alles.<br />

MR. SMITH: Sprechen Sie.<br />

HAUPTMANN: Ja, gut. Ja... Ist bei Ihnen ein Feuer... ausgebrochen?<br />

MRS. SMITH: Warum fragen Sie?<br />

HAUPTMANN: Weil... weil... Entschuldigen Sie, ich habe<br />

den Auftrag, alle Feuer in der Stadt zu löschen.<br />

MRS. MARTIN: Alle?<br />

HAUPTMANN: Ja, alle.<br />

MRS. SMITH: Ich weiß nicht... ich glaube nicht... Soll<br />

ich nachschauen?<br />

MR. SMITH: Das kann nicht sein. Es riecht nicht nach<br />

Verbranntem.<br />

HAUPTMANN: Gar nicht? Hätten Sie nicht einen kleinen<br />

Kaminbrand? Etwas im Estrich, das brennt? Oder im<br />

Keller? Oder wenigstens einen ganz kleinen Ansatz zu<br />

einer Feuerbrunst?<br />

MRS. SMITH: Hören Sie, ich möchte Sie nicht betrüben,<br />

aber ich glaube, daß bei uns im Augenblick nichts vorhanden<br />

ist. Aber ich verspreche Ihnen, Sie zu benachrichtigen,<br />

sobald etwas ist.<br />

HAUPTMANN: Vergessen Sie das ja nicht. Sie erweisen<br />

mir einen großen Dienst.<br />

MRS. SMITH: Abgemacht!<br />

HAUPTMANN: Und bei Ihnen... auch kein Feuer?<br />

SCHNITT<br />

pflug<br />

KOHLE<br />

SPUR<br />

himmel<br />

MOMENT<br />

KOHLE<br />

kohle<br />

WALD<br />

TRANSFER


l a n d s c h a f t s l o s KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

28 basics<br />

FLUGFELD FLUGFELD<br />

MIT ALLEE<br />

flieger


l a n d s c h a f t s l o s<br />

29 layout<br />

flieger<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL<br />

transit<br />

FLIEGER<br />

HIMMEL<br />

SCHNITT<br />

ENGEL<br />

birke<br />

TRANSIT<br />

FLIEGER


l a n d s c h a f t s l o s<br />

Flugfeld mit Allee<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Zwei, sich einander ausschließende Elemente kollidieren miteinander und verhindern den herkömmlichen Gebrauch der Dinge. Die Rollbahn wird zur<br />

horizontalen Asphaltfläche und die Allee zur Barrikade. Trotzdem ist das Bild, die Idee von startenden und landenden Flugzeugen präsent. Die<br />

Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen: Schmetterlinge, Gedanken und Vögel starten und landen, nützen den Himmel als<br />

Transportmedium um in Windeseile an jeden x-beliebigen Ort zu gelangen 288.000m² Asphaltlandschaft, stehen zur Disposition und verführen den<br />

Nutzer zu unvorhersehbaren Aktivitäten.<br />

30 basics allee


l a n d s c h a f t s l o s<br />

31 layout<br />

MRS. MARTIN: Nein, leider nicht.<br />

MR. MARTIN: Die Geschäfte gehen eher schlecht!<br />

HAUPTMANN: Sehr schlecht! Es passiert fast nichts, nur<br />

ein paar Lappalien: Ein Kamin, eine Scheune. Nichts<br />

Gediegenes. Das bringt nichts ein. Und da es keinen<br />

Ertrag abwirft, ist auch die Leistungsprämie sehr<br />

mager.<br />

MR. SMITH: Nichts gedeiht! Es ist diese Jahr überall<br />

dasselbe. Im Handel, in der Land- und Feuerwirtschaftnichts<br />

gedeiht!<br />

MR. MARTIN: Kein Getreide, keine Feuer.<br />

HAUPTMANN: Auch keine Überschwemmungen.<br />

MRS. SMITH: Aber dafür Zucker!<br />

MR. SMITH: Ja, weil man ihn vom Ausland bezieht.<br />

MRS. MARTIN: Für die Feuersbrünste ist das schon<br />

schwieriger - zu hohe Gebühren!<br />

HAUPTMANN: Immerhin gibt es hie und da - zwar selten<br />

- eine Gasvergiftung oder zwei. So ist letzte Woche<br />

eine junge Frau erstickt, weil sie den Gashahn offen<br />

ließ.<br />

MRS. MARTIN: Sie hatte ihn vergessen?<br />

HAUPTMANN: Nein, sie hat geglaubt, es sei ihr Kamm.<br />

MR. SMITH: Diese Verwechslungen sind immer folgenschwer!<br />

MRS. SMITH: Haben Sie beim Streichholzverkäufer<br />

bereits nachgefragt?<br />

HAUPTMANN: Nichts zu machen! Er ist gegen Brand<br />

versichert.<br />

MR. MARTIN: Besuchen Sie doch, auf meine<br />

Empfehlung, den Vikar von Wakefield. .<br />

ALLEE<br />

implantat<br />

LIPPENSTIFT<br />

PUNKT<br />

allee<br />

PFLUG<br />

KORRIDOR<br />

LIPPENSTIFT<br />

auto<br />

ALLEE


l a n d s c h a f t s l o s<br />

32 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

ohne horizont himmel ohne horizont himmel ohne<br />

himmel<br />

FOTO: Anton Stankowski


l a n d s c h a f t s l o s<br />

33 layout<br />

transit<br />

FLIEGER<br />

HIMMEL<br />

SCHNITT<br />

SPUR<br />

himmel<br />

MOMENT<br />

KOHLE<br />

frage<br />

MOMENT<br />

HIMMEL


l a n d s c h a f t s l o s<br />

34 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

S .<br />

Himmel ohne Horizont<br />

Einen Moment lang, den Horizont für vertikal sehen... alle Fluchtpunkte verschieben sich, oben, unten, links und<br />

rechts geraten durcheinander, tauschen ihre Örtlichkeit und ihren Kontext, ... die Welt verfärbt sich feuerblau.<br />

Sechs unterirdische Explosionen entgrenzen Himmel und Erde. Für eine kurzen Augenblick relativiert sich die<br />

„Absolutlinie" Horizont, was bleibt sind sechs Löcher und lose Erinnerungen.<br />

loch


l a n d s c h a f t s l o s<br />

35 layout<br />

HAUPTMANN: Ich habe kein Recht, den Geistlichen das<br />

Feuer zu löschen. Der Bischof würde sich ärgern. Sie<br />

löschen Ihre Feuer selbst, oder irgendeine Vestalin.<br />

MR. SMITH: Versuchen Sie bei Durand.<br />

HAUPTMANN: Kann ich auch nicht. Der ist kein<br />

Engländer, nur eingebürgert. Diese haben zwar das<br />

Recht, Häuser zu besitzen, nicht aber, sie im Brandfall<br />

löschen zu lassen.<br />

MRS. SMITH: Man hat es aber dennoch gelöscht, als<br />

letztes Jahr das Feuer hineingeriet!<br />

HAUPTMANN: Das hat er selber getan - heimlicherweise!<br />

Ach , ich werde ihn nicht denunzieren.<br />

MR. SMITH: Ich auch nicht.<br />

MRS. SMITH: Da Sie es nicht sehr eilig haben, Herr<br />

Hauptmann, bleiben Sie doch noch ein wenig. Das wird<br />

uns freuen.<br />

HAUPTMANN: Soll ich Euch ein paar Anekdoten<br />

erzählen?<br />

MRS. SMITH: 0, gewiß! Sie sind ja entzückend!<br />

Alle: Ja, ja, Anekdoten, bravo!<br />

MR. SMITH: Und was dabei interessant ist: Die<br />

Feuerwehrgeschichten sind alle wahr und erlebt!<br />

HAUPTMANN: Ich spreche immer nur von Dingen, die<br />

ich selber mitgemacht habe. Nach Natur, nur nach<br />

Natur. Keine Bücher!<br />

MR. MARTIN: Das ist richtig! Die Wahrheit ist überdies<br />

nicht in den Büchern, sondern im Leben selbst!<br />

MRS. SMITH: Fangen Sie an!<br />

MR. MARTIN: Fangen Sie an!<br />

MRS. MARTIN: Ruhe, er beginnt.<br />

HAUPTMANN: Entschuligen Sie, schauen Sie mich nicht<br />

so an, das hemmt mich. Sie wissen doch, ich bin sehr<br />

ZEBRA<br />

auge<br />

LOCH<br />

AUGE LOCH<br />

zebra<br />

loch<br />

SAMMLUNG<br />

POSITION


l a n d s c h a f t s l o s<br />

36 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

gangenheit spuren ohne vergangenheit spuren ohne vergang<br />

spur


l a n d s c h a f t s l o s<br />

37 layout<br />

SPUR<br />

himmel<br />

MOMENT<br />

KOHLE<br />

FRAGE<br />

moment<br />

SPUR<br />

FRAGE<br />

spur<br />

BIRKE


l a n d s c h a f t s l o s<br />

38 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Spuren ohne Vergangenheit<br />

Mit dem Pflug wird der Boden geöffnet, die Oberfläche verunsichert. Willkürlich gezogene Furchen geben rhetorische<br />

Antworten auf nie gestellt Fragen und rhythmisieren die Landschaft.<br />

Stolpern, fallen, stürzen, das Risiko ist hoch und Möglichkeiten gibt es viele: der gelangweilte Flaneur verrenkt sich<br />

den Fuß, der gewitzte Vogelforscher erwidert mit kurzen und langen Schritten den Rhythmus der Furchen.<br />

pflug


l a n d s c h a f t s l o s<br />

39 layout<br />

schüchtern.<br />

MRS. SMITH: Er ist entzückend!<br />

HAUPTMANN: Ich werde trotzdem versuchen, anzufangen.<br />

Aber Ihr müßt mir versprechen, nicht zuzuhören.<br />

MRS. MARTIN: Aber wenn man Ihnen nicht zuhört, wird<br />

man Sie nicht verstehen.<br />

HAUPTMANN: Daran habe ich nicht gedacht!<br />

MRS. SMITH: Ich habe doch gesagt, er ist ein Kind!<br />

MR. MARTIN und MR. SMITH: O, das liebe Kind.<br />

MRS. MARTIN: Nur Mut!<br />

HAUPTMANN: Ja, gut. Also, gut! Der Hund und der<br />

Ochse, Fabel nach dem Leben: Es fragte einmal ein<br />

anderer Ochse einen anderen Hund „Warum hast du<br />

deinen Rüssel nicht verschluckt?" „Pardon", gab da der<br />

Hund zurück, „ich habe geglaubt, ich sei ein Elefant."<br />

MRS. MARTIN: Und die Moral?<br />

HAUPTMANN: Die müssen Sie selber finden.<br />

MR. SMITH: Er hat recht!<br />

MRS. SMITH: Die nächste!<br />

HAUPTMANN: Ein junges Kalb hatte zuviel Stampfglas<br />

gefressen. Deshalb mußte es niederkommen und<br />

schenkte der Welt eine Kuh. Da jedoch das Kalb ein<br />

Knabe war, durfte die Kuh nicht “Mama” rufen, sie<br />

durfte aber auch nicht “Papa” rufen, weil das Kalb zu<br />

klein war. Da wurde das Kalb gezwungen, sich zu verheiraten,<br />

und das Amt ergriff sämtliche Maßnahmen,<br />

der Gebräuche, die damals üblich waren.<br />

MR. SMITH: Nach Hausmannsart!<br />

MR. MARTIN: Wie Kutteln!<br />

HAUPTMANN: Ach, Sie haben sie gekannt...<br />

MRS. SMITH: Sie stand in den Zeitungen.<br />

SCHNITT<br />

pflug<br />

KOHLE<br />

PUNKT<br />

allee<br />

PUNKT<br />

KORRIDOR<br />

PFLUG<br />

schnitt<br />

AUTO


l a n d s c h a f t s l o s<br />

40 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

zebra


l a n d s c h a f t s l o s<br />

41 layout<br />

ZEBRA<br />

auge<br />

LOCH<br />

AUGE LOCH<br />

zebra<br />

transfer<br />

TRANSFER<br />

ZEBRA


l a n d s c h a f t s l o s<br />

42 basics<br />

Durchgang mit Zebra<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Der Durchgang mit Zebra ist schon da: es ist die Birkenallee im nordwestlichen Teil des Planungsgebiets. Sie existiert schon seit vielen Jahren,<br />

höchste Zeit ihre zusätzliche Codierung zu lesen. Die Allee wird zum Birkenwald erweitert , streifenweise werden die Baumstämme schwarz markiert,<br />

es entsteht ein vertikaler Zebrastreifen im großen Maßstab.<br />

Die Rinde der Weißbirke, ein Zebrastreifen im kleinen Maßstab, weist eine sehr markante Zeichnung auf, Assosiationen zu diversen Markierungen im<br />

Transitbereichen liegen sehr nahe.<br />

Das Prinzip Zebrastreifen beruht auf einer stillen Übereinkunft: eine geringe Menge weiße Farbe ist Auslöser für gedankenloses Betreten der Straße,<br />

Notbremsungen und blindes Vertrauen. Im Normalfall gibt es keine Schwierigkeiten damit, aber was tun wenn ein Zebra quert?<br />

birke


l a n d s c h a f t s l o s<br />

43 layout<br />

MRS. MARTIN: Das ist nicht weit von uns passiert.<br />

HAUPTMANN:: Dann will ich Euch eine andere erzählen:<br />

Der Hahn. Ein Hahn wollte einmal den Hund spielen,<br />

aber er hatte Pech: Er wurde sogleich erkannt.<br />

MRS. SMITH: Dagegen wurde der Hund, der den Hahn<br />

spielte, niemals erkannt.<br />

MR. SMITH: Jetzt will ich Euch eine erzählen: Die<br />

Schlange und der Fuchs. Eine Schlange kam zu einem<br />

Fuchs und sagte: “Mir scheint, daß ich Sie bereits<br />

kenne!” “Mir auch”, antwortete der Fuchs. “Dann gib<br />

mir Geld”, sagte die Schlange. “Ein Fuchs gibt kein<br />

Geld”, gab das schlaue Tier zurück und sprang, um zu<br />

entwischen, in ein tiefes Tal voll Erdbeeren und<br />

Hühnerhonig. Dort erwartete ihn bereits die Schlange<br />

mit einem mephistophelischen Lachen. Heulend zog<br />

der Fuchs sein Messer: “Ich will dich lehren, wie man<br />

lebt!”, drehte der Schlange den Rücken und entfloh.<br />

Aber er hatte Pech, die Schlange war behender und<br />

schlug den Fuchs mit einem wohlgezielten Faustschlag<br />

auf die Stirn, die in tausend Stücke zerbarst, und schrie<br />

dazu: „Nein, nein, viermal nein! Ich bin deine Tochter<br />

nicht!"<br />

MRS. MARTIN: Interessant.<br />

MRS.SMITH: Nicht übel.<br />

MR. MARTIN: Meine herzlichen Glückwünsche!<br />

HAUPTMANN: Nichts Besonderes! Überdies habe ich sie<br />

gekannt.<br />

MR. SMITH: Schrecklich, nicht?<br />

MRS. SMITH: Aber das ist doch nicht etwa passiert?<br />

MRS. MARTIN: Leider doch.<br />

MR. MARTIN: Jetzt kommen Sie dran!<br />

MRS. SMITH: Ich kenne nur eine. Die will ich Euch<br />

erzählen. Sie trägt den Titel: “Der Blumenstrauß”.<br />

BIRKE<br />

sammlung<br />

AUGE<br />

ENGEL<br />

birke<br />

TRANSIT<br />

FLIEGER<br />

FRAGE<br />

spur<br />

BIRKE


l a n d s c h a f t s l o s<br />

44 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

ROT OHNE TITEL<br />

titel


l a n d s c h a f t s l o s<br />

45 layout<br />

flieger<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL<br />

wald<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL<br />

titel<br />

WALD<br />

PUNKT


l a n d s c h a f t s l o s<br />

46 basics<br />

Rot ohne Titel<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Roter Lippenstift überzieht das ehemalige Schneidereigebäude mit einer samtig weichen Schicht. Das Material Lippenstift transportiert nicht nur<br />

eine Farbinformation sondern auch sehr habtische und sinnliche Qualitäten: es ist schmierig und verräterisch, es hinterläßt überall Spuren, gleichzeitig<br />

ist es sehr sanft, geschmeidig und verführerisch.<br />

Rot ohne Titel thematisiert die Grenzlinie zwischen Mann und Frau ebenso, wie die Grenzlinie zwischen Erotik und Gewalt. Aber der Lippenstift zieht<br />

keine Linie, weder durch das Gesicht noch durch das Gebäude, sondern füllt eine Oberfläche mit Qualitäten und Andeutungen.<br />

Die „Lippenstiftgrenzlinie" wird somit flüchtig, durchlässig und nicht definitiv, untergraben wird die Definitionsmauer, die Grenzlinie fällt auseinander und<br />

wird zum rotem Raum.<br />

lippenstift


l a n d s c h a f t s l o s<br />

47 layout<br />

MR. SMITH: Meine Frau war stets etwas romantisch.<br />

MR. MARTIN: Sie ist eine echte Engländerin.<br />

MRS. SMITH: Also. Ein Bräutigam hatte einst seiner<br />

Braut einen Blumenstrauß gebracht. Sie sagte ihm<br />

Danke. Doch bevor sie Danke sagen konnte, nahm er<br />

ihr wortlos den Strauß wieder weg, um ihr eine Lehre<br />

zu erteilen, und sagte zu ihr: “Ich nehme sie wieder.”<br />

Indem er die Blumen wieder nahm, sagte er “Auf<br />

Wiedersehen” und entfernte sich nach hier und nach<br />

dort.<br />

MR. MARTIN: Entzückend!<br />

MRS. MARTIN: Mr. Smith, Sie haben eine Frau, um die<br />

Sie die ganze Welt beneidet.<br />

MR. SMITH: Stimmt. Meine Frau ist die Intelligenz in<br />

Person. Sie ist sogar intelligenter als ich. Auf jeden<br />

Fall ist sie viel weiblicher - sagt man wenigstens.<br />

MRS. SMITH: Noch eine, Herr Hauptmann.<br />

HAUPTMANN: O, nein es ist zu spät.<br />

MR. MARTIN: Erzählen Sie schon!<br />

HAUPTMANN: Ich bin zu müde.<br />

MR. SMITH: Erweisen Sie uns den Dienst.<br />

MR. MARTIN: Ich bitte Sie.<br />

HAUPTMANN: Nein..<br />

MRS. MARTIN: Ihr Herz ist wie Eis. Wir sitzen auf<br />

glühenden Kohlen.<br />

MRS. SMITH: Ich flehe Sie an.<br />

HAUPTMANN: also, dann sei es.<br />

MR. SMITH: Er wird uns noch länger anöden!<br />

MRS. MARTIN: Das ist doch...<br />

MRS. SMITH: Pech gehabt, ich war zu höflich!<br />

ALLEE<br />

implantat<br />

LIPPENSTIFT<br />

LIPPENSTIFT<br />

auto<br />

ALLEE<br />

lippenstift<br />

AUTO


l a n d s c h a f t s l o s KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

48 basics<br />

KORRIDORE OHNE NOTAUSGANG<br />

korridor


l a n d s c h a f t s l o s<br />

49 layout<br />

punkt<br />

KORRIDORE<br />

korridor<br />

ENGEL<br />

TRANSIT<br />

PUNKT<br />

allee<br />

PFLUG<br />

KORRIDOR


l a n d s c h a f t s l o s<br />

50 basics<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Korridore ohne Notausgang<br />

Fünf exakte, geometrische, nicht thematische Schnitte trennen das Dickicht aus Erlen, Weiden, Kiefern,<br />

Birken und Eichen.<br />

Fünf Schnitte bieten fünfmal die Möglichkeit mit fremden Szenen fortzusetzen, kein Ein-, Aus-, Überblenden, einfach<br />

Schnitt... Der Himmel mit seinen Passagieren, wie Flugzeuge, Wolken, Vögel und Engel besetzt den geschnittenen<br />

Wald.<br />

wald


l a n d s c h a f t s l o s<br />

51 layout<br />

HAUPTMANN: Der Schnupfen: Mein Schwager hat<br />

väterlichseits einen leiblichen Neffen, dessen Onkel<br />

einen Schwiegervater hatte, von dem ein Großvater in<br />

zweiter Ehe eine junge Einheimische heiratete, deren<br />

Bruder auf einer weiten Reise einem Mädchen begegnete,<br />

in das er sich verliebte und mit ihr einen Sohn<br />

zeugte, der seinerseits eine mutige Apothekerin zur<br />

Frau nahm, welche niemand anderes war als die Nichte<br />

eines unbekannten Quartiermeisters der britischen<br />

Marine, deren Adoptivvater eine Tante aufwies, welche<br />

fließend Spanisch sprach und die vielleicht eine der<br />

Enkelinnen eines frühverstorbenen Ingenieurs gewesen<br />

war, der wiederum der Enkel eines Rebenbesitzers war,<br />

der zwar einen mittelmäßigen Wein züchtete, dafür<br />

aber einen Großneffen hatte, dessen Sohn eine ausnehmend<br />

hübsche, junge, aber geschiedene Frau ins<br />

Ehebett bekam, deren erster Gatte der Sohn eines aufrichtigen<br />

Patrioten war, der es verstanden hatte, seine<br />

andere Tochter im Wunsche, ein Vermögen zu gewinnen,<br />

großzuziehen,und die einen Jäger heiraten durfte,<br />

der Rothschild gekannt hatte und dessen Bruder, nach<br />

öfterem Berufswechsel, sich dann doch verehelichte,<br />

eine Tochter bekam, deren schmalbrüstiger Urgroßvater<br />

eine Brille trug, die ihm ein eigener Neffe geschenkt<br />

hatte, nämlich der Schwager eines Portugiesen, der<br />

natürliche Sohn eines nicht sehr armen Müllers, dessen<br />

Milchbruder die Tochter eines ehemaligen Landarztes<br />

zur Frau genommen hatte, der selber der Milchbruder<br />

des Sohnes eines Milchmannes gewesen war, der sich<br />

später als natürlicher Sohn eines andern Landarztes<br />

herausstellet, der sich dreimal verheiratete und dessen<br />

dritte Frau...<br />

MRS. MARTIN: Ich habe diese dritte Frau gekannt, wenn<br />

ich mich nicht irre. Sie aß Hühnchen in einem<br />

Wespennest.<br />

HAUPTMANN: Das ist nicht dieselbe<br />

wald<br />

IMPLANTAT<br />

TITEL<br />

PUNKT<br />

PUNKT<br />

titel<br />

WALD<br />

kohle<br />

WALD<br />

TRANSFER


l a n d s c h a f t s l o s<br />

52 basics<br />

Birken<br />

färben<br />

lösen<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

öffnen<br />

belegen öffnen Wiese Wiese<br />

Kohle Asphalt Lippenstift<br />

belegen färben<br />

Bodenmarkierungen<br />

sind Schnitte in den<br />

Grund.<br />

Erde Wald<br />

öffnen schneiden<br />

belegen öffnen<br />

färben<br />

schneiden<br />

Der Entwurf erlaubt es, Raum nicht bloß als örtliche Gegebenheit zu verstehen, sondern als ein Netzwerk von<br />

Vorgängen, die über eine längere Zeitspanne hinweg an verschiedenen Orten stattfinden können.<br />

Die sieben Interventionen belegen und öffnen den Raum, sie färben und schneiden ihn, stellen aber<br />

keinen Endzustand her. Sie sind einfach da und stehen zur freien Verfügung.<br />

Die Frage nach ihren Nutzungen ist nicht wirklich relevant, sie sind sich selbst genug. Ein Flugfeld mit Allee ist<br />

immer, auch wenn es nicht genutzt wird, ein Flugfeld mit Allee.<br />

Gerade in diesem hohen Freiheitsgrad liegt das Potential des Entwurfs: Eine Überdeterminierung mit Funktionen<br />

und Nutzungen im klassischen Sinne, würde unbekannte und ungeahnte Aneignungen ausschließen.<br />

Luft<br />

Wald<br />

schnitt


l a n d s c h a f t s l o s<br />

53 layout<br />

MRS. SMITH: Pst!<br />

HAUPTMANN: Ich sagte: ...dessen dritte Frau die Tochter<br />

der besten Hebamme der Gegend war, welche, frühzeitig<br />

Witwe geworden...<br />

Mr. Smith: Wie meine Frau!<br />

HAUPTMANN: ...sich wiederverheiratete mit einem<br />

schwungvollen Glaser, der ein Kind gezeugt hatte mit<br />

der Tochter eines Bahnhofvorstandes, der seine<br />

Laufbahn...<br />

MRS. SMITH: Seine Eisenbahn!<br />

MR. MARTIN: Wie beim Kartenspiel!<br />

HAUPTMANN: ...zu machen verstand und eine Krämerin<br />

von neunzehn Lenzen heiratete, deren Vater einen<br />

Bruder aufwies, den Bürgermeister einer Kleinstadt;<br />

der sich zur Frau eine blonde Lehrerin genommen<br />

hatte, deren Neffe ein Fischer..<br />

MR. MARTIN: Giftfischer...<br />

HAUPTMANN: ...eine zweite blonde Lehrerin zur Frau<br />

genommen hatte, welche auch Marie hieß, deren<br />

Bruder eine dritte Marie ehelichte, ebenfalls eine blonde<br />

Lehrerin...<br />

MR. SMITH: Wenn sie blond ist, kann sie nur Marie<br />

heißen.<br />

HAUPTMANN: ... und deren Vater in Kanada von einer<br />

alten Frau aufgezogen wurde, die die Nichte eines<br />

Pfarrers war, dessen Großmutter im Winter manchmal<br />

wie alle Leute einen großen Schnupfen bekam.<br />

MRS. SMITH: Was für eine merkwürdige Geschichte!<br />

Kaum zu glauben!<br />

MR. MARTIN: Wer den Schnupfen kriegt, muß schauen,<br />

daß er im Bade liegt.<br />

MR. SMITH: Diese Maßnahme ist unnütz, aber absolut<br />

notwendig.<br />

SCHNITT<br />

pflug<br />

KOHLE<br />

transit<br />

FLIEGER<br />

HIMMEL<br />

SCHNITT<br />

PFLUG<br />

schnitt<br />

AUTO


l a n d s c h a f t s l o s<br />

54 basics<br />

lose / frei<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Die möglichen “Benützer” können dieses “unmoralische Angebot” wahrnehmen und in “anderen Räumen” (8) aufgehen,<br />

darin zirkulieren.<br />

Für die Sicherheit der Passagiere kann und soll keine Garantie abgegeben werden, da die Kontrollmöglichkeit<br />

durch Langeweile wegfällt.<br />

“Wo sind wir, was sind wir in diesem Moment? Wir sind alle lose, nichts anderes als simultan...”<br />

Bernd Knaller-Vlay<br />

moment


l a n d s c h a f t s l o s<br />

55 layout<br />

MRS. MARTIN: Entschuldigen Sie, Herr<br />

Feuerwehrhauptmann, aber Ihre Geschichte ist mir<br />

noch nicht ganz klar. Ganz am Schluß, die Sache mit<br />

dem Kanonikus, scheint mir ein Lapsus.<br />

MRS. SMITH: Pfarren heißt knarren, das heißt: ein<br />

Kanonikus ist immer ein Lapsus.<br />

MRS. SMITH: Ach, Hauptmann, fangen Sie von vorne<br />

an! Wir alle wünschen es.<br />

HAUPTMANN: O, ich weiß nicht, ob ich das noch einmal<br />

kann. Ich bin dienstlich hier. Es kommt darauf an, wie<br />

spät es ist.<br />

MRS. SMITH: Die geht schlecht. Sie hat einen widersprüchlichen<br />

Geist. Sie zeigt immer das Gegenteil der<br />

Zeit, die ist.<br />

Zehnte Szene<br />

MRS. MARTIIN: Das hat mir ein Frösteln über den<br />

Rücken gejagt...<br />

MR. MARTIN: Es hat aber doch eine gewisse Wärme in<br />

diesen Versen...<br />

HAUPTMANN: Ich fand es wundervoll!<br />

MRS. SMITH: Immerhin!<br />

MR.SMITH: Sie übertreiben...<br />

HAUPTMANN: Doch, doch, es stimmt... All das ist vielleicht<br />

sehr subjektiv... Aber es ist meine<br />

Weltanschauung, mein Ideal mein Traum...<br />

Und außerdem erinnert es mich daran, daß ich fort<br />

muß. Da Sie keine Zeit haben: ich habe in drei Viertel<br />

Stunden sechzehn Minuten eine Feuersbrunst am<br />

andern Ende der Stadt. Ich muß mich beeilen, auch<br />

wenn es keine große Sache ist.<br />

MRS. SMITH: Was wird es sein? Ein kleiner<br />

Kaminbrand?<br />

HAUPTMANN: Nicht Mal das! Ein Strohfeuer und ein<br />

SPUR<br />

himmel<br />

MOMENT<br />

KOHLE<br />

frage<br />

MOMENT<br />

HIMMEL<br />

FRAGE<br />

moment


l a n d s c h a f t s l o s<br />

56 basics<br />

los angeles<br />

glückslose<br />

loses ende<br />

KONZEPTION: wi(e)derlösen<br />

Engel gibt es nicht nur in Los Angeles.<br />

M. C. Escher<br />

Take an ordinary flat strip of paper. Give it a half-twist. Now Scotch-tape the two ends together to form a loop.<br />

Okay, ready? Take a red Magic Marker and color in one side of the loop, and a green Magic Marker and color in<br />

the other. Whoops! That´s right: The strip has only one “side” - ore do we mean “one” side? Easy to construct, and<br />

hard to imagine. (The Mobius Strip) (6)<br />

Die Selbstbezogenheit des Entwurfs ist selbstzerstörerisch. Jede einzelne Intervention hat ihre eigene Identität, die<br />

zur Reibungsfläche in der losen Landschaft wird.<br />

Immer wieder findet sich der Entwurf in anderen Teilen seiner selbst wieder - obwohl das, was er findet, sich auch<br />

wieder von ihm unterscheidet. Ein aufgeregtes Hin - und Herschwirren ist die Folge.<br />

Becketts „Namenloser", findet im Zustand radikaler Desillusionierung folgende Worte. „.... weitermachen... man<br />

muß Worte sagen, solange es welche gibt, man muß sie sagen, bis sie mich finden, bis sie mir sagen, seltsame<br />

Mühe, seltsame Sünde... ( ... ) es wird Ich sein, es wird das Schweigen sein, da wo ich bin, ich weiß nicht, ich<br />

werde es nie wissen, man muß weitermachen, ich werde weitermachen."<br />

engel


l a n d s c h a f t s l o s<br />

57 layout<br />

kleines Magenbrennen.<br />

MR. SMITH: Aber da bedauern wir Ihr Verschwinden.<br />

MRS. SMITH: Sie haben uns gut unterhalten.<br />

MRS. MARTIN: Durch Sie haben wir eine echte kartesianische<br />

Viertelstunde durchgemacht.<br />

HAUPTMANN: Ah, daß ich es nicht vergesse: Was macht<br />

die kahle Sängerin?<br />

MRS. SMITH: Sie trägt immer noch die gleiche Frisur!<br />

HAUPTMANN: Ah! Dann, Auf Wiedersehen, meine<br />

Damen und Herren.<br />

MR. MARTIN: Viel Glück und eine gute Feuersbrunst. (7)<br />

korridor<br />

ENGEL<br />

TRANSIT<br />

ENGEL<br />

birke<br />

TRANSIT<br />

FLIEGER<br />

engel<br />

POSITION


l a n d s c h a f t s l o s<br />

58 basics<br />

BIBLIOGRAPHIE<br />

Auslobung Internationaler Landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb “Ehemaliges Frauen-Konzentrationslager<br />

Ravensbrück”, 1997.<br />

Buttlar von Florian, Endlich Stefanie, Leo Annette : Fürstenberg-Drögen, Schichten eines verlassenen Ortes.<br />

Edition Hentrich, Berlin, 1994. (1)<br />

Foucault Michael: Andere Räume.<br />

In: Aisthesis. Hrsg.: Karlheinz Barck, 1990, Reclam Leipzig Verlag. (8)<br />

Giesinger Arno: Zur Darstellung des Unvorstellbaren.<br />

In: Eikon 14/15, Wien, 1995. (4)<br />

Green Renée: Partially Buried Continued.<br />

In: springerin, Band 4, Heft1. folio-Verlag, Wien-Bozen, 1998. (3)<br />

Ionesco Eugene: Die kahle Sängerin.<br />

Reclam Leipzig Verlag. (7)<br />

Judy Jones, William Wildson: An Incomplete Education.<br />

Ballantines Books,New York, 1987. (6)<br />

Marker Chris: Sans Soleil.<br />

Proust Marcel: A la recherche du temps perdu. (5)<br />

Rivka Rinn: Time Station.<br />

Ausstellungskatalog, Berlin, Graz, Lienz, 1997. (2)<br />

Tiberghien Gilles A.: Land Art.<br />

Art Data, London, 1995.<br />

Weilacher Udo: Zwischen Landschaftsarchitektur und Land Art.<br />

Birkenhäuser, Basel, 1996.


DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

HIMMEL OHNE HORIZONT<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

PARKPLATZ OHNE AUTOS<br />

ROT OHNE TITEL<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

ROT OHNE TITEL<br />

KORRIDORE OHNE NOTAUSGANG<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

HIMMEL OHNE HORIZONT<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

FLUGFELD MIT ALLEE


FLUGFELD MIT ALLEE<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

KORRIDORE OHNE NOTAUSGANG<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

PARKPLATZ OHNE AUTOS<br />

KORRIDORE OHNE NOTAUSGANG<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

PARKPLATZ OHNE AUTOS<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

FLUGFELD MIT ALLEE


HIMMEL OHNE HORIZONT<br />

ROT OHNE TITEL<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

ROT OHNE TITEL<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

PARKPLATZ OHNE AUTOS<br />

ROT OHNE TITEL<br />

HIMMEL OHNE HORIZONT


HIMMEL OHNE HORIZONT<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

ROT OHNE TITEL<br />

ROT OHNE TITEL<br />

SPUREN OHNE VERGANGENHEIT<br />

FLUGFELD MIT ALLEE<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

DURCHGANG MIT ZEBRA<br />

HIMMEL OHNE HORIZONT


Published by Pretterhofer, Lintner 1998<br />

First published in Austria by<br />

Pretterhofer, Lintner 1998<br />

Grafik Design von<br />

Adelheid Pretterhofer<br />

Copyright c 1998 bei den Autoren<br />

Dieses Werk ist urheberrechtlich Geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere<br />

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1 st Edition 1998; 10 Exemplare<br />

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Pretterhofer, Lintner 1998<br />

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Tel.: +43 3117 3669<br />

email: heidi@<strong>xarch</strong>.tu-graz.ac.at<br />

postscript für betty, bernd und joost:<br />

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