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domizil - Augarten Porzellan

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DESIGN Porträt<br />

Ein Kubikmeter<br />

Freiheit<br />

„Axiome Chair“, 2006,<br />

Designwerkstätte Schatzl.<br />

„FX 10 Lounge Chair“, 2006,<br />

Neue Wiener Werkstätte.<br />

„A Viennese Pot“, 2008,<br />

Wiener Silber Manufactur.<br />

esign steht für formal funktionsgerechte Ge-<br />

D brauchsgegenstände, aber auch für behübschte<br />

industrielle Massenware und für Statussymbole, mit<br />

denen sich die urban-elitäre Gemeinde von Design-<br />

Aficionados ihren Lifestyle ornamentiert. Die Produkte<br />

des in Brasilien geborenen, in Linz geschulten,<br />

in Wien lebenden und in Kiel lehrenden Thomas<br />

Feichtner kann man sich als Gegenentwurf zu vielen<br />

Protagonisten unserer an der Oberfläche perfekt glänzenden<br />

Design welt vorstellen.<br />

Feichtner dekonstruiert, zerlegt Bekanntes und damit<br />

verbundene Gewohnheiten in ihre Einzelteile und<br />

denkt beides neu. In dem für ihn typischen Spiel mit<br />

geometrischen Formen entstehen Gegenstände, deren<br />

Funktion und Gebrauchszweck Thomas Feichtner<br />

nicht von vornherein festlegt. „Die Ansicht, Form fol-<br />

Thomas Feichtners gestalterische Welt ist nichts für<br />

schnelle Hingucker. Der österreichische Designer mit<br />

brasilianischen Wurzeln lässt das einfache Konsumieren<br />

von scheinbar Gewohntem nicht zu. Jedes einzelne von<br />

Thomas Feichtners Objekten ist in seiner Vieldeutigkeit<br />

aufregend und auf wunderbare Weise irritierend.<br />

ge Funktion, ist so überholt, wie die, Sex diene nur der<br />

Fortpflanzung.“ In vielen seiner Arbeiten manifestiert<br />

sich seine Lust am Experimentieren und – was noch<br />

wesentlicher erscheint – sie übertragen diese auf den<br />

Benutzer …<br />

Doch der ist auf den ersten Blick wohl einmal nur irritiert<br />

und verunsichert, sieht er sich doch – wie beim<br />

M3 Chair – mit einer offenen, freitragenden Konstruktion<br />

konfrontiert, die all dem zu widersprechen<br />

scheint, was man von einem Stuhl meint erwarten zu<br />

dürfen – wie zum Beispiel Ergonomie oder Benutzerfreundlichkeit.<br />

Der M3 Chair wurde von Thomas<br />

Feichtner für die Neue Wiener Werkstätte zur Vienna<br />

Design Week 2011 entworfen. Feichtner experimentiert,<br />

fernab von allen Anforderungen einer Serienproduktion,<br />

mit Funktion, Statik und Material. ><br />

18 I <strong>domizil</strong> www.<strong>domizil</strong>.at


VITA<br />

Thomas Feichtner, geboren 1970 in Brasilien, lebt und arbeitet mit seiner<br />

Frau, der Designerin Simone Feichtner, in Wien. Nach seiner Schulzeit in<br />

Düsseldorf, Deutschland, absolvierte er die Hochschule für künstlerische<br />

und industrielle Gestaltung in Linz, Österreich, an der er wenige Jahre später<br />

auch lehrte. Nach Beendigung des Industrial-Design-Studiums startete er<br />

sein eigenes Designbüro. Thomas Feichtner gestaltete zunächst Investitionsgüter<br />

und zahlreiche Produkte für die österreichische Sportindustrie und<br />

wurde mit zahlreichen internationalen Designpreisen ausgezeichnet. Neben<br />

seiner Tätigkeit als Produktgestalter für Head, Tyrolia, Fischer und Blizzard<br />

arbeitete Thomas Feichtner auch im Bereich der visuellen Kommunikation<br />

– etwa für Swarovski Optik, Adidas Eyewear oder den britisch-israelischen<br />

Designer Ron Arad. Abseits von Globalisierung und Massenproduktion entwarf<br />

er Produkte für traditionelle Handwerksbetriebe wie J. & L. Lobmeyr,<br />

Neue Wiener Werkstätten, Wiener Silber Manufactur, <strong>Augarten</strong> <strong>Porzellan</strong>manufaktur<br />

oder Stamm und verwirklichte freie Projekte in Kooperation<br />

mit Vitra und FSB. Thomas Feichtner ist Professor für Produktdesign an<br />

der Muthesius Kunsthochschule in Kiel, Deutschland.<br />

DESIGN Porträt<br />

Master & Piece<br />

Thomas Feichtner auf dem „M3 Chair“.<br />

www.neuewienerwerkstaette.com<br />

www.<strong>domizil</strong>.at <strong>domizil</strong> I 19


DESIGN Porträt<br />

In der Konstruktion sind Rücken wie Armlehnen lediglich<br />

Tangenten. Ihre – auf den ersten Blick fehlende –<br />

Funktion entdeckt man erst im Gebrauch. Und der erfolgt<br />

durch die Autorin zugegeben etwas zögerlich,<br />

denn die Sitzfläche „schwebt“ in der sehr filigran anmutenden<br />

Konstruktion. Einmal in Be-Sitz genommen,<br />

entpuppt sich Form und Gestaltung des M3 Chair als<br />

„hintersinnige List“ * Thomas Feichtners. Sie animiert<br />

auf angenehm humorvolle Art und Weise und ohne erhobenen<br />

Zeigefinger, mit Gewohnheiten zu brechen.<br />

Scheinbare Widersprüche, wie zum Beispiel jene einer<br />

extrem reduzierten Materialität und Sitzvergnügen,<br />

lösen sich auf im subjektiven Empfinden einen Kubikmeter<br />

Freiheit ersessen zu haben.<br />

Tischleuchte „Drawing Lamp“,<br />

2009, J. & L. Lobmeyr.<br />

Armreif „Hexagonal Bracelet“,<br />

2011, A. E. Köchert (Wien Products<br />

Collection 2011).<br />

Tisch und Stuhl „Table Chair“, 2006,<br />

Neue Wiener Werkstätte.<br />

Stauraumsystem „EGO“, 2010, Blaha Sitz-<br />

und Büromöbel. Das Stauraumsystem<br />

wurde 2010 mit dem red dot award und<br />

2011 mit dem Staatspreis für Design<br />

ausgezeichnet.<br />

Thomas Feichtner entschied sich bei der Materialwahl<br />

für den M3 Chair bewusst für Eichenholz aus dem oststeirischen<br />

Pöllauer Tal, als Reminiszenz an die Holztradition<br />

der Neuen Wiener Werkstätte: „Das Holz<br />

macht die Leichtbau-Konstruktion zu einem statischen<br />

Experiment, das nur im Handwerk und nur als Einzelstück<br />

gelingen konnte.“ In diesem Sinne ist der<br />

M3 Chair sowohl ein beredtes Beispiel für das große<br />

handwerkliche Verständnis als auch ein starkes Statement<br />

Thomas Feichtners gegen industrielle Massenproduktion,<br />

das Gleichmacherische der Globalisierung –<br />

das auch im Design nicht mehr zu übersehen ist – und<br />

für handgefertigte Einzelstücke mit regionaler und personaler<br />

Identität.<br />

20 I <strong>domizil</strong> www.<strong>domizil</strong>.at<br />

Fotos: Hersteller


Diesem gestalterischen Verständnis Feichtners haftet<br />

nichts Provinzielles oder Elitäres an. Es ist vielmehr<br />

Ausdruck eines hohen Qualitätsanspruchs, wie man<br />

ihn vom Handwerk, nicht jedoch von der Massenproduktion<br />

kennt. Thomas Feichtners Gradmesser für Erfolg<br />

manifestiert sich nicht in verkauften Stückzahlen<br />

oder „Dokumentationen“ auf medialen Hochglanzseiten.<br />

„Design ist für mich auch Lust, Freude. Es muss<br />

ein unbeschwerter Umgang mit dem Produkt möglich<br />

sein. Marketing ist Teil des Design-Prozesses, aber es<br />

ist nicht die Begründung, um Design zu machen.<br />

Ebenso wenig sehe ich Design, oder gar mich selbst als<br />

Designer, als Marketing-Tool. Wenn ein Produkt erfolgreich<br />

ist, dann liegt das an vielen Faktoren. Wie<br />

DESIGN Porträt<br />

Die Ansicht, Form folge Funktion,<br />

ist so überholt wie die, Sex diene<br />

nur der Fortpflanzung.<br />

sonst wäre es möglich, dass sich so viele hässliche<br />

Produkte so gut verkaufen. Ich behaupte, es gibt eine<br />

große Masse an blinden Konsumenten und dem gegenüber<br />

steht die oft zitierte Behauptung, der Markt habe<br />

immer Recht. Dem widerspreche ich vehement.“ Eine<br />

Einsicht, die – nicht frei von Ironie – wohl auch auf seine<br />

Erfahrungen als erfolgreicher Industriedesigner im<br />

Umgang mit Marketing- und Vertriebsexperten zurückzuführen<br />

ist. Von Thomas Feichtner stammt unter<br />

anderem die FX-Ski-Bindung von Fischer und das<br />

Stauraumsystem Ego von Blaha. Andererseits verdankt<br />

der FX10 Lounge Chair seinen Namen der exzellenten<br />

Zusammenarbeit mit Fischer …<br />

*)Peter Noever im Vorwort zu „Thomas Feichtner. Edge to Edge“, Birkhäuser, Basel<br />

Besteck „Fina“, 2011,<br />

Manufaktur Carl Mertens.<br />

Tafelservice „Shortcut“,<br />

2011, Wiener <strong>Porzellan</strong><br />

manufaktur <strong>Augarten</strong>.<br />

Glas „Two Axiome in Rotation“,<br />

2007, J. & L. Lobmeyr.<br />

www.<strong>domizil</strong>.at <strong>domizil</strong> I 21

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