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Vom Ijsselmeer nach Texel und Vlieland September ... - SY-MERGER

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<strong>Vom</strong> <strong>Ijsselmeer</strong> <strong>nach</strong> <strong>Texel</strong> <strong>und</strong> <strong>Vlieland</strong><br />

Tagebuch einer Reise mit dem Segelboot in niederländischen Gewässern.<br />

Freitag 1. 9. 2006<br />

Ab heute habe ich zwei Wochen Urlaub. Wie oft fahren wir, meine Frau Irene <strong>und</strong> ich, zu unserem<br />

Boot <strong>nach</strong> Lemmer ans <strong>Ijsselmeer</strong> um zu segeln. Heute später als sonst. Wegen einer Ausstellung<br />

konnte ich nicht früh weg. Erst um 17 Uhr geht es endlich los. Jetzt liegen noch 330 km <strong>und</strong> gute 4 h<br />

Fahrt vor uns.<br />

Wie meistens freitags ist die Autobahn gut frequentiert. Es regnet immer wieder <strong>und</strong> wir kommen nicht<br />

so voran, wie wir das möchten. Kurz vor Nijverdal ist die Straße plötzlich komplett gesperrt. Je eine<br />

Umleitung <strong>nach</strong> rechts <strong>und</strong> links ist ausgeschildert. Kurzentschlossen entscheiden wir uns für die<br />

linke. Sophie, so nennen wir die Dame aus unserem Navigationssystem, ist irritiert <strong>und</strong> fordert uns<br />

hartnäckig zum Wenden auf. Wir werden weiträumig umgeleitet <strong>und</strong> nur dank Sophies Karte wissen<br />

wir in etwa wo wir sind. Die 30 km Ersparnis, die wir gegenüber der Autobahn auf der Landstraße<br />

erzielen können, sind auf jeden Fall wieder hin.<br />

Um 22.15 Uhr sind wir endlich am Ziel. Das Auto wird nur teilweise ausgepackt. Nachdem wir unserer<br />

Tochter in einer kurzen Email von unserer guten Ankunft berichtet haben, kehrt endlich Ruhe ein. Wir<br />

trinken noch ein Glas Rotwein <strong>und</strong> gehen schlafen.<br />

Samstag 2. 9. 2006<br />

Wir frühstücken bei strahlendem Sonnenschein, aber der Wetterbericht der Coastguard verheißt<br />

nichts gutes. SW 6-7 zeitweise 8 <strong>und</strong> Schauer sind für das <strong>Ijsselmeer</strong> angesagt. Kein Wetter um einen<br />

Törn zu beginnen. Für uns kein verlorener Tag, wir werden uns in Ruhe einrichten <strong>und</strong> Lebensmittel<br />

bunkern. Wir wissen nie genau, wohin es uns treiben wird <strong>und</strong> da ist es gut, ein paar Vorräte zu<br />

haben.<br />

In Lemmer kann man sich hervorragend verproviantieren. Nur einen Steinwurf vom<br />

Gemeinde-Buitenhaven findet man ein Einkaufszentrum. Aldi, Lidl, ein großer De Boer Supermarkt<br />

<strong>und</strong> mehrere andere Läden bieten alles was man so braucht. Es gibt deutsches Bier aber kein<br />

Dosenpfand. Auch zur Innenstadt ist es nicht weit. Unser Boot liegt etwas außerhalb. Das ist aber kein<br />

Problem. In Lemmer haben wir ja noch unser Auto.<br />

Mittags zieht es sich zu <strong>und</strong> fängt an zu regnen. Wir im Hafen empfinden den Wind noch als zahm<br />

aber andere, die heute morgen ausgelaufen sind, kommen zurück. Eigentlich hatten wir uns<br />

vorgenommen, das Boot ordentlich zu schrubben. Doch im Regen muß das nicht sein, das hat Zeit bis<br />

morgen. Wir ziehen uns mit einem Buch zurück. Uns ist <strong>nach</strong> Tee <strong>und</strong> heißer Schokolade zumute.<br />

Draußen heult der Wind.<br />

Sonntag 3. 9. 2006<br />

In der Nacht hat es mächtig gefetzt <strong>und</strong> es weht auch jetzt noch ganz ordentlich. Draußen ist es trüb<br />

<strong>und</strong> regnerisch. Bei uns ist eine Stimmung wie im November. Aber wir haben 20 Grad an Bord auch<br />

ohne die Heizung einzuschalten. Trotzdem planen wir schon mal das in naher Zukunft anstehende<br />

Winterlager <strong>und</strong> sprechen auch über Weih<strong>nach</strong>tsgeschenke. Draußen ist es „staubfrei“, wie Sigi unser<br />

Nachbar ein paar Boxen weiter sagen würde. Um 11 Uhr regnet es Bindfäden. Mittags meint die<br />

Küstenwache 5-6 aus SW anfangs auch noch 7. Tendenziell wird es also besser. Die Hoffnung stirbt<br />

zuletzt.<br />

Weil sich der Aufwand in Grenzen hält, habe ich als langjähriger Funkamateur auch eine kleine<br />

Amateurfunkstation für Kurzwelle an Bord. Die Gerätschaften verschwinden bei Nichtgebrauch in<br />

einem kleinen Schapp <strong>und</strong> als Antenne benutze ich das isolierte Achterstag. Über diese Station halte<br />

ich, wenn wir unterwegs sind, auch den Kontakt zur Familie. Dazu nimmt man einfach Verbindung mit<br />

einer Station auf, die über das Winlink-System mit dem Internet verb<strong>und</strong>en ist. Dorthin funke ich dann<br />

meine Emails, die dann über einen Server in den USA an beliebige Adressaten weitergeleitet werden.<br />

Selbstverständlich funktioniert das ganze auch umgekehrt. Normalerweise arbeite ich mit PA3DUV in<br />

Deventer/NL. Das ist nicht weit <strong>und</strong> Dick hat immer ein gutes Signal. Dies wissen natürlich auch<br />

andere <strong>und</strong> so ist auf seinen Frequenzen immer was los. Gestern fand ich von Dick eine Message vor,<br />

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ich möge doch mal die neue Station ON5FS in Belgien testen. Und genau das probiere ich jetzt, stelle<br />

die Frequenz ein <strong>und</strong> <strong>nach</strong> einem Mausklick ist der Connect sofort da. Ich mache ein paar<br />

Experimente <strong>und</strong> bin begeistert. André macht einen<br />

hervorragenden Job <strong>und</strong> ich habe eine neue<br />

Lieblingsstation an Land.<br />

Um 16.00 Uhr scheint dann plötzlich die Sonne. Das<br />

ist die Gelegenheit zum Schiffputzen. Wir machen uns<br />

an die Arbeit, schrubben <strong>und</strong> hieven unzählige Pützen<br />

Wasser an Bord. Da<strong>nach</strong> sind wir aber wirklich bereit<br />

zum Auslaufen. Jetzt muß nur noch das Wetter<br />

mitspielen.<br />

Montag 4. 9. 2006<br />

Vor das <strong>Ijsselmeer</strong> haben die Götter, nein die<br />

Amateurfunk an Bord<br />

Niederländer, die Schleuse gesetzt. Mit zwei anderen<br />

deutschen Seglern ziehen wir unsere Schleifen <strong>und</strong><br />

warten auf Öffnung. Vor uns liegt noch ein größerer Frachter. Nach den Toren öffnet sich die Brücke<br />

<strong>und</strong> aus Lautsprechern kommt eine niederländische Ansage, die wir nicht verstehen. Die Schleuse<br />

spuckt ein paar Segler aus <strong>und</strong> das Licht schaltet um auf grün. Nichts tut sich. Alles wartet auf die<br />

Einfahrt des Frachters vor uns. Dann eine erneute Durchsage diesmal auf deutsch: „Zeilboten bitte<br />

einfahren“. Jetzt aber schnell. Wegen uns ist die Brücke noch geöffnet <strong>und</strong> der Verkehr wird<br />

angehalten.<br />

Auf dem freien Wasser erwartet uns viel Wind. Sonnenschein hat der Seewetterbericht angekündigt<br />

<strong>und</strong> abnehmend 3-4 aus West. Ist das nicht ein bißchen untertrieben? Ich schätze es eher auf 5-6. Wir<br />

machen erstmal unter Motor West gut um aus der engen Bucht herauszukommen <strong>und</strong> Luv zu<br />

gewinnen. Eine St<strong>und</strong>e später haben sich die 5-6 auch bei der zentralen Funkstelle für das <strong>Ijsselmeer</strong><br />

in Lelystad herum gesprochen. Wir setzen stark gerefft Segel, stellen aber bald fest, daß es uns nicht<br />

richtig Spaß macht so gegenan zu bolzen. Die Seebeine sind uns noch nicht wieder gewachsen <strong>und</strong><br />

so fahren wir unter Motor hinüber <strong>nach</strong> Enkhuizen.<br />

Gegen 16 h machen wir im Gemeinde-Buitenhaven am Bahnhof fest. Es ist heute nicht leicht einen<br />

Liegeplatz zu finden, da die meisten Plätze reserviert sind. In Enkhuizen gibt es mehrere Häfen, aber<br />

hier im Buitenhaven liegen wir besonders gern. Wir<br />

zahlen 11,20 € für die Nacht. Es gibt zwei<br />

Waschhäuser, in denen man für 1 € duschen kann.<br />

Für Strom <strong>und</strong> Wasser muß man sich beim<br />

Hafenmeister einen elektronischen Schlüssel<br />

besorgen. Sicher ein gutes System, aber wenn man<br />

wie wir nur eine Nacht da ist, entschieden zu<br />

umständlich.<br />

Unserer Meinung <strong>nach</strong> ist Enkhuizen die schönste<br />

Stadt am <strong>Ijsselmeer</strong>. Wir stehen auf historischem<br />

Boden. 1602 wurde hier mit der Vereinigten<br />

Ostindischen Compagnie VOC die erste<br />

Aktiengesellschaft der Welt gegründet. Das war ein<br />

Gebot der Zeit, denn für einen einzelnen Kaufmann Buitenhaven Enkhuizen<br />

war es einfach zu teuer <strong>und</strong> risikoreich ein Schiff<br />

auszurüsten <strong>und</strong> auf Einkaufsfahrt <strong>nach</strong> Fernost zu schicken. Mit der VOC begann für Enkhuizen ein<br />

goldenes Zeitalter, das fast zweih<strong>und</strong>ert Jahre andauern sollte. Man sieht es der Stadt heute noch an.<br />

Im Pepperhuis, einem alten Lagerhaus aus dieser Zeit, kann man viel über diese Geschichte, aber<br />

auch über die Seefahrt auf der Zuiderzee vor der Haustüre lernen. Einen Sturm- oder Regentag, der<br />

einen zwingt im Hafen zu bleiben, kann man hier gut verbringen. An einem Flautentag geht man<br />

besser ins Freilichtmuseum gegenüber. Dort wird mehr das ländliche Holland gezeigt.<br />

Abends klären sich dann auch die Liegeplatzreservierungen im Hafen auf. Es findet wohl ein<br />

besonderes Event statt, denn es läuft ein großes Plattbodenschiff <strong>nach</strong> dem anderen ein. Diese<br />

großen Schiffe auf engem Raum manövrieren zu sehen ist immer wieder ein besonders Erlebnis.<br />

Eines hat uns besonders beeindruckt. Das vielleicht 30 m große Schiff steuert zielsicher auf eine<br />

V 1.1 2


Lücke zu, bei der ich Zweifel habe ob es überhaupt hineinpaßt. Vorn auf dem Schiff steht ein Mann in<br />

den Fünfzigern mit Vollbart. Am Ruder eine üppige Endzwanzigerin mit blonder Lockenmähne. Vater<br />

<strong>und</strong> Tochter vielleicht. Dazwischen ca. 20 Gäste beim Smalltalk mit Bierdosen in der Hand. Als das<br />

Schiff weit genug in der Lücke ist, blickt der Vater die Tochter nur an. Für diese das Signal zum<br />

Aufstoppen. Mit zielsicherem Wurf hat er im Nu ein Tau um einen Poller gelegt. Ein weiterer Blick <strong>und</strong><br />

sie zieht das große Schiff in die Spring eindampfend in die Lücke. Vorn <strong>und</strong> hinten sind sicher nicht<br />

mehr als zwei Meter Platz. Ihre Gäste bemerken gar nicht, welch hervorragende Seemannschaft sie<br />

da gerade vorgeführt bekommen haben.<br />

Dienstag 5. 9. 2006<br />

Es ist diesig. Wir ergänzen noch schnell unsere Vorräte, denn heute soll es in Richtung Inseln gehen.<br />

Als Zwischenziel haben wir Den Oever angepeilt. Der Wetterbericht meldet WSW 3-4 aktuell in<br />

Lelystad 4. Ideale Voraussetzungen also für den Trip. Um 10.15 Uhr legen wir ab <strong>und</strong> lassen uns vor<br />

dem Wind das Krabbersgat raustreiben. Treiben ist das richtige Wort. Es sind nur 1-2 kn. So eine<br />

Meile draußen ist dann endgültig Schluß. Wir dümpeln in der Flaute <strong>und</strong> warten mit einigen anderen,<br />

darunter auch ein paar große Plattbodenschiffe, auf den angekündigten Wind. Lelystad meldet aktuell<br />

immer noch SW 4. Wo haben die Jungs nur ihre Augen, könnte man fragen. Ich weiß aber, daß die<br />

stündlichen Meldungen keineswegs so aktuell sind wie sie klingen. St<strong>und</strong>enlang wird immer wieder<br />

das gleiche Band abgespielt. Eine St<strong>und</strong>e später hat sich die aktuelle Situation auch in Lelystad<br />

rumgesprochen. Jetzt spricht man von veränderlich 1-2. Mit anderen Worten: Der Wind reicht nicht um<br />

den Dampf von der Kaffetasse zu pusten. Wir haben schon viel Zeit verloren <strong>und</strong> bemühen den<br />

„flüssigen Wind“, der uns mit gut 5 kn <strong>nach</strong> Norden schiebt. Unterwegs dann plötzlich eine große<br />

Ansammlung von Schiffen mit Baggern usw. Das ist die großräumig abgesperrte Baustelle zwischen<br />

Workum <strong>und</strong> Medemblik, auf die immer wieder im Funk hingewiesen wird. Wir lassen die<br />

Sperrtonnnen an Stb <strong>und</strong> dann ist plötzlich zumindest ein Hauch von Wind da. Ein West, der uns mit<br />

2-3 kn ganz gemütlich in Richtung Den Oever fahren läßt. Allerdings hat es jetzt angefangen zu<br />

regnen. Nicht viel aber ein unangenehmes Fieseln zwingt uns ins Ölzeug. Bei 20 Grad Lufttemperatur<br />

gibt es schlimmeres.<br />

Als wir gegen halb vier in Den Oever ankommen verläßt gerade ein Frachter die Stevinsluizen. Mit<br />

einem Plattbodenschiff <strong>und</strong> einem anderen Frachter, die wohl schon warteten, dürfen wir gleich<br />

einlaufen. Deshalb stellt sich die Frage <strong>nach</strong> einem Über<strong>nach</strong>ten in der Marina nicht, was ein Fehler<br />

war wie sich noch zeigen wird. Als wir als letzte die<br />

Schleuse verlassen ist die be<strong>nach</strong>barte Brücke schon<br />

geöffnet. Der Schleusenwärter fordert uns über<br />

Lautsprecher auf uns zu beeilen, immerhin wird für<br />

uns der Verkehr einer ganzen Autobahn angehalten.<br />

Wir geben was wir können. Mit unserem Motor sind<br />

bei dem kabbeligen Wasser, das der Frachter vor uns<br />

hinterlassen hat, mehr als gute 6 kn nicht drin.<br />

Unmittelbar hinter uns dreht die Brücke. Es scheint<br />

fast als wolle sie noch schieben helfen.<br />

Wir hoffen darauf, irgendwo draußen im Norderhaven<br />

festmachen zu können, in Den Oever genüßlich Fisch<br />

essen zu gehen <strong>und</strong> dann morgen am späten<br />

Vormittag mit der ablaufenden Tide <strong>nach</strong> <strong>Texel</strong> zu<br />

Stevinsluizen das Tor zur großen Freiheit auf dem Meer<br />

fahren. Jan Werner empfiehlt in seinem Buch<br />

„Nordseeküste“ diesen Hafen, wo man einfach an einem der vielen Ausflugsboote über Nacht<br />

festmachen könne. Wir sehen zwar die Ausflugsboote aber keine anderen Yachten. Als ich bei einem<br />

Schiff mit passender Relingshöhe frage, ob wir festmachen dürfen, erklärt man uns, man laufe in einer<br />

halben St<strong>und</strong>e aus. Kurz entschlossen rufe ich den Hafenmeister über Funk an. Der bestellt uns in<br />

den be<strong>nach</strong>barten Fischerhafen, wo wir längsseits des Fischkutters 71 festmachen sollen. Dieser<br />

Kutter ist ein ziemlicher Rosthaufen. Wir haben kaum festgemacht, als am Kai ein Auto vorfährt <strong>und</strong><br />

der „Fischer un sin Fru“ aussteigen. Bis 20 Uhr können wir bleiben, dann laufe man aus. Wir haben<br />

verstanden: Hier will man uns nicht. Da die Kaimauer wegen der groben Sp<strong>und</strong>wände zum Anlegen<br />

für eine Yacht wirklich nicht geeignet ist, entschließen wir uns wieder auszulaufen. Am Wartesteiger<br />

vor der Schleuse liegt ein einsamer Holländer. Wir fragen ihn ob er über Nacht bleibe <strong>und</strong> ob dies<br />

erlaubt sein. Nein, er warte nur noch bis 18.30 Uhr auf die günstige Tide <strong>und</strong> ob es erlaubt sei, wisse<br />

er auch nicht. Ein Blick in den Tidenkalender <strong>und</strong> kurzer Kriegsrat. Wir machen uns sofort auf in<br />

Richtung <strong>Texel</strong>. Auf dem Weg werden wir sowieso kein Problem mit dem Tiefgang bekommen, eher<br />

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mit dem Strom. Da wir uns entschlossen haben unter Motor zu fahren ist das nicht weiter schlimm.<br />

Max. 0,8 kn Gegenstrom haben wir dann auch. Draußen im tiefen Wasser können wir die Kurven des<br />

Fahrwassers ein bißchen schnibbeln <strong>und</strong> laufen schon <strong>nach</strong> 2,5 h in Oudeschild auf <strong>Texel</strong> ein. Aus<br />

dem Vorjahr wissen wir, daß der Hafen sehr sicher aber ziemlich unübersichtlich ist. Für Gäste geht<br />

es über viele Kurven bis in die hinterste Ecke, wo man dann allerdings sehr komfortabel an<br />

Schwimmstegen liegt. Um 20.30 Uhr mit dem letzten Tageslicht machen wir fest.<br />

Mittwoch 6. 9. 2006<br />

Heute <strong>und</strong> die nächsten Tage werden wir hier auf <strong>Texel</strong> bleiben, einfach nur ausspannen, uns in den<br />

Strom der vielen Touristen einreihen <strong>und</strong> die frische Nordseeluft genießen. Aber erst melde ich uns<br />

beim Hafenmeister an. Der residiert morgens <strong>und</strong><br />

abends jeweils ein paar St<strong>und</strong>en im supermodernen<br />

Gebäude. Außerhalb dieser Zeiten kann man seinen<br />

Obolus aber auch am Automaten entrichten. Ich zahle<br />

19 € für die Nacht, ab der 3. Nacht gibt es 20%<br />

Nachlaß. Für Dusche, Strom <strong>und</strong> Wasser braucht man<br />

einen elektronischen Schlüssel, Sepkey genannt, für<br />

den man 10 € Pfand <strong>und</strong> 5 € Guthaben entrichten<br />

muß. Ohne diesen Schlüssel geht im Hafen nichts,<br />

aber dafür ist aller Komfort vorhanden. So gibt es<br />

auch einen Internetanschluß, den ich aber mit<br />

10 Cent/min als teuer empfinde. Außerdem hängen<br />

Schilder herum, die auf gratis WLAN hinweisen, was<br />

Yachthafen Oudeschild auf <strong>Texel</strong><br />

ich aber mit meinem uralten Laptop nicht <strong>nach</strong>prüfen<br />

kann. Auch an den Nachwuchs wurde gedacht. Für<br />

Kinder gibt es einen Abenteuerspielplatz in Form eines Piratenschiffes. Ich bezahle zunächst mal bis<br />

Freitag.<br />

Ausgerechnet heute, wo unsere Tochter auf die Beantwortung einer Mail wartet, klappt die<br />

Verbindung über Amateurfunk nicht. Weder PA3DUV in Deventer noch ON5FS in Belgien antworten<br />

auf mein Connect. Es dauert ein paar Minuten, bis ich mich entschließe eine der weiter entfernten<br />

Alternativen zu probieren. Dann klappt es ganz problemlos im 40 m Band über IV3HXR in<br />

Udine/Italien. Na also, warum einfach, wenn es auch auf Umwegen geht?<br />

Auf einem kleinen Spaziergang in den Ort Oudeschild komme ich auch endlich zu meinem Kibbeling.<br />

Das sind fritierte Fischstückchen, die es, wenn auch nicht überall gleich gut, ähnlich wie bei uns eine<br />

Bratwurst, in ganz Holland an jeder Ecke gibt. Eines haben sie alle gemeinsam: Der Fisch wird immer<br />

frisch zubereitet <strong>und</strong> ist mit dem der deutschen fischvertreibenden Fastfoodkette nicht zu vergleichen.<br />

Solch gutes, eher fettiges Essen will verdaut werden. Wir setzen uns auf eine Bank auf dem Deich<br />

<strong>und</strong> schauen den einlaufenden Schiffen zu.<br />

Donnerstag 7. 9. 2006<br />

<strong>Texel</strong> ist eine Insel zum Radfahren. Radwege gibt es überall, selbst<br />

die Hauptverkehrsstraßen sind an beiden Seiten mit Radfahrwegen<br />

gesäumt. Gleich am Hafen kann man sich beim Fietsverhuur für<br />

etwa 5 € pro Kopf <strong>und</strong> Tag ein schweres Hollandfahrrad mieten. Ein<br />

völlig neues Fahrgefühl, das wir im letzten Jahr erstmalig genossen<br />

haben. Damals sind wir quer über die Insel bis zum Ecomare<br />

geradelt. Das ist eine Aufzuchtstation für verwaiste Seeh<strong>und</strong>e, über<br />

die man dort viel lernen kann. Nicht nur für Kinder ein Erlebnis. Das<br />

Zentrum liegt mitten in den Dünen. Dünen soweit das Auge reicht<br />

<strong>und</strong> dann raus zur Nordsee, ein Strand, den man selbst erleben<br />

muß. Alle Beschreibungen würden zu dürftig ausfallen.<br />

Wir nehmen heute den Bus <strong>und</strong> fahren <strong>nach</strong> Den Burg, der<br />

Inselhauptstadt. Dort in der Innenstadt pulsiert das Leben, wenn<br />

man die doch etwas geruhsame Art der Insulaner so nennen kann.<br />

Im letzten Jahr waren wir an einem Montag dort, an dem ein Kram-<br />

<strong>und</strong> Viehmarkt stattfand. Viel Volk trieb sich auf der Straße herum<br />

Viehversteigerung auf <strong>Texel</strong><br />

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<strong>und</strong> begutachtete die in engen Verschlägen eingepferchten Schafe.<br />

Schafe prägen überhaupt das Bild auf der Insel. Wir haben nur<br />

wenige Kühe auf der Weide gesehen aber Schafe, Schafe,<br />

Schafe... Heute finden wir vom Markt nur ein paar Strohreste. Für<br />

uns ein Zeichen, daß dieser Markt wohl an jedem Montag<br />

stattfindet.<br />

Zum Mittagessen gibt es Hollandsche Nieuwe, eingelegte Heringe,<br />

die am ehesten noch mit unseren Matjes vergleichbar sind. Und<br />

doch sind sie anders, viel zarter <strong>und</strong> zergehen auf der Zunge. Wir<br />

essen sie stilvoll wie die Holländer: fassen sie am Schwanz, wälzen<br />

sie in klein gehackten Zwiebeln, um dann über den M<strong>und</strong> gehalten<br />

Stück für Stück abbeißend zu genießen. Die Freveltat, solche<br />

Delikatessen zu zerschneiden <strong>und</strong> mit Messer <strong>und</strong> Gabel zu essen,<br />

begehen nur Touristen, die es nicht besser wissen.<br />

Die Rückfahrt mit dem Bus gestaltet sich schwieriger als erwartet.<br />

So kleine Orte wie Oudeschild werden auf den Schildern am<br />

Leuchtturm auf <strong>Texel</strong><br />

zentralen Bushalt nicht extra aufgeführt. Warum auch, die<br />

Einheimischen wissen eh in welche Richtung sie fahren müssen. Wir wissen es nicht <strong>und</strong> so lassen<br />

wir den richtigen Bus erst einmal ohne uns wegfahren. Dabei ist es so einfach: Man steigt in die Linie<br />

29 ein <strong>und</strong> 10 min später in Oudeschild-Haven wieder aus. Von dort ist es dann 10 min zu Fuß zum<br />

Yachthafen.<br />

Freitag 8. 9. 2006<br />

<strong>Texel</strong> gefällt uns <strong>und</strong> läßt uns nicht los. Wir gehen zum Hafenmeister <strong>und</strong> verlängern um einen Tag.<br />

Wieder mit dem Bus soll es heute zum Nordost-Huk an den Leuchtturm gehen. Auf den Bus warten<br />

wir vergeblich. Seit dem 1. <strong>September</strong> gilt der Sommerfahrplan nicht mehr <strong>und</strong> der Bus fährt nur noch<br />

alle 2 h. Das steht natürlich nirgends, die Einheimischen wissen es sowieso. Wir nutzen die Wartezeit<br />

zu einem vorgezogenen Mittagessen. Fisch natürlich!<br />

In De Cocksdorp steigen wir aus <strong>und</strong> wandern am<br />

Strand entlang zum Leuchtturm. Wir passieren die<br />

Fähre, die mehrmals am Tag Radfahrer <strong>nach</strong> <strong>Vlieland</strong><br />

übersetzt. Inselhopping der besonderen Art. Selbst<br />

vom Land aus nimmt man die gewaltige<br />

Gezeitenströmung wahr, die das Wasser durch das<br />

Eierlandsche Gat, die Meerenge zwischen <strong>Texel</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Vlieland</strong>, drückt. Was muß hier erst bei Sturm los sein?<br />

Die Weite der Landschaft beeindruckt uns immer<br />

wieder. Es ist Niedrigwasser <strong>und</strong> der breite Strand<br />

gehört uns fast ganz alleine. Wir setzen uns in die<br />

Dünen <strong>und</strong> schauen aufs Meer.<br />

Strand auf <strong>Texel</strong><br />

Will man mit dem Boot von <strong>Texel</strong> <strong>nach</strong> <strong>Vlieland</strong> gibt es<br />

prinzipiell zwei Möglichkeiten: Außen herum über die<br />

offene Nordsee oder über das Watt. Welche man wählt, hängt vom Wetter <strong>und</strong> vom Stand der Tide<br />

ab. Beim Weg über die Nordsee sollte man vor allem darauf achten, etwa bei Stillwasser die Gaten zu<br />

passieren. Die von der Tide durchgepreßten Wassermassen verursachen eine Strömung, die einem<br />

kleinen Boot ganz schön zu schaffen machen kann. Besonders Situationen Wind gegen Strom gilt es<br />

zu vermeiden. Schon ab Windstärke 5 ist dann die Hölle los.<br />

Wir wählen den Weg durchs Watt. Dabei müssen wir zwischen den Prielen Scheurrak <strong>und</strong> Inschot<br />

über ein Wattenhoch, das bei Niedrigwasser nicht passierbar ist. Es kommt also darauf an, zum<br />

richtigen Zeitpunkt dort zu sein. Auch die neueste Seekarte zeigt die Situation an diesen Stellen nie<br />

zuverlässig. Ein ordentlicher Sturm <strong>und</strong> alles kann sich völlig verändert haben. Über die aktuelle Lage<br />

informiere ich mich über einen Aushang beim Hafenmeister (Het ondiepste stuk per vaarwater). Dort<br />

wird für das Scheurrak/Omdraai 60 cm, bezogen auf Kartennull (LLWS) zwischen den Tonnen SO 41<br />

<strong>und</strong> 43, angegeben. Am Sonntag ist Springtide <strong>und</strong> das Wasser wird morgen auch schon sehr hoch<br />

auflaufen. Dem Tidenkalender entnehme ich für den 9. 9. 2006 um 11.45 Uhr Hochwasser in<br />

V 1.1 5


Harlingen mit 139 cm über NAP. Der Nieuwe Amsterdam Peil (NAP) ist eine niederländische<br />

Spezialität <strong>und</strong> liegt 118 cm über LLWS. Aus diesen Informationen kann man leicht ausrechnen, daß<br />

wir morgen bei Hochwasser an der kritischen Stelle 317 cm Wasser haben werden. Mehr als genug<br />

für unseren Tiefgang von 150 cm. Bleibt noch zu berücksichtigen, daß an dieser Stelle der<br />

Hochwasserstand früher als in Harlingen erreicht sein wird. Mit Hilfe der Stromkarte schätze ich eine<br />

knappe St<strong>und</strong>e. Wir sollten also morgen gegen 11 Uhr dort sein.<br />

Ideal wäre für eine solche Fahrt ein Wind von 4-5 aus westlichen Richtungen. Angekündigt sind 3-4<br />

aus ESE, was mir gar nicht paßt. Man kann nicht alles haben.<br />

Samstag 9. 9. 2006<br />

Wir stehen früh auf. Der Wetterbericht der Coastguard um 8.05 Uhr bleibt bei Sonne, gute Sicht <strong>und</strong><br />

SE 3-4. Sofort legen wir ab <strong>und</strong> machen uns auf den Weg. Um gegen den Wind aufzukreuzen bleibt<br />

uns keine Zeit, wir fahren unter Motor. Gleich vor der Hafeneinfahrt packt uns der mächtige<br />

<strong>Texel</strong>strom <strong>und</strong> beschert uns 3 kn zusätzliche Fahrt. Gegen die Sonne fällt es mir schwer die Tonnen<br />

zu identifizieren, aber hier besteht keine Gefahr, das Fahrwasser ist fast eine Meile breit. Bei der<br />

rotgrünen Scheidingstonne T 28-SO 1 biegen wir <strong>nach</strong> Backbord in das Scheurrak ab. Hier ist alles<br />

bedeutend enger, aber die Sonne steht inzwischen hoch genug <strong>und</strong> ich kann problemlos die<br />

wesentlich kleineren Tonnen, die dieses Nebenfahrwasser kennzeichnen, ausmachen. Die Strömung<br />

läßt auch <strong>nach</strong> <strong>und</strong> mit ca. 5 kn Fahrt schieben wir uns dem Wattenhoch entgegen. Weit vor uns ist<br />

ein einsamer Segler <strong>und</strong> 2 sm hinter uns folgt ein Schoner ebenfalls unter Maschine. Ansonsten sind<br />

wir allein auf einer endlosen Wasserfläche ohne Landsicht auf der wir uns nur <strong>nach</strong> den Tonnen<br />

orientieren. Jede einzelne wird sorgfältig abgehakt. Bei SO 33 wird es spannend. In der Karte<br />

wechselt die Farbe von weiß auf blau d.h. bei Niedrigwasser ist hier weniger als 2 m Wassertiefe.<br />

Unser Echolot zeigt beruhigende 4,3 m. Also keine Sorge <strong>und</strong> weiter. Das Fahrwasser wird immer<br />

enger. Jetzt nur nicht vom Weg abkommen. Außerhalb des Tonnenstrichs zeigt die Karte sogar grün,<br />

Gelände, das bei Niedrigwasser trocken fällt. Was wäre, wenn jetzt die Maschine ausfällt, schießt es<br />

mir in den Kopf. Kein Problem: Anker raus <strong>und</strong> dann in Ruhe unter Segeln mit Wind von achtern <strong>und</strong><br />

fallendem Wasser zurück <strong>nach</strong> <strong>Texel</strong>. Die Wassertiefe nimmt weiter ab. 3,20; 3,10...3,00 m rufe ich<br />

meiner Frau zu, die das mit einem sorgenvollen Gesicht quittiert. Jetzt kommt die entscheidende<br />

Stelle bei SO 41. 2,90 m… 2,80 m <strong>und</strong> jetzt kommen uns auch noch drei Segler entgegen. Klar, die<br />

haben genau so wie ich gerechnet <strong>und</strong> auch noch günstigen Wind. An deren Stelle würde ich jetzt<br />

auch segeln. Immer noch 2,80 m aber flacher wird es nicht. Nach 500 m wird es wieder tiefer. Wir sind<br />

durch.<br />

Schon 1 sm weiter haben wir das Scheurrak endgültig hinter uns. Wir erreichen das Inschot, drehen<br />

ab <strong>nach</strong> Norden <strong>und</strong> setzen Segel. Jetzt haben wir alle Zeit der Welt <strong>und</strong> nutzen die leichte<br />

Achterstagsbrise gern. Bald hilft auch das wieder<br />

ablaufende Wasser mit einem zusätzlichen Schub in<br />

Richtung Norden. An Steuerbord taucht ein großes<br />

Gebilde auf Stelzen auf. Eine Ölplattform? Nein dafür ist<br />

es zu klein, hier wird Gas gefördert. Nur wenige Meilen<br />

später treffen wir im Blauwe Slenk mit einer ganzen<br />

Armada von Schiffen zusammen. Sie alle kommen mit<br />

dem abfallenden Wasser aus Harlingen. Ihren regen<br />

Funkverkehr mit, der im Leuchtturm von Terschelling<br />

untergebrachten <strong>und</strong> für das Wattenmeer zuständigen<br />

Funkstelle Brandaris hören wir bereits die ganze Zeit mit.<br />

Neben unzähligen Yachten sind auch einige große<br />

Gasförderung im niederländischen Wattenmeer<br />

Plattbodenschiffe dabei, deren Namen wir bereits aus dem<br />

Funk kennen. Wir finden es toll, daß viele der ehemaligen<br />

Lastensegler noch voll funktionsfähig im Einsatz sind. Die Fracht mit der sie ihr Geld verdienen, heißt<br />

heute natürlich Tourist. Die meisten von ihnen halten sich <strong>nach</strong> Steuerbord <strong>und</strong> fahren<br />

glücklicherweise <strong>nach</strong> Terschelling. Uns zieht es weiter <strong>nach</strong> Norden, wo der Wald, der den östlichen<br />

Teil von <strong>Vlieland</strong> bedeckt, inzwischen deutlich auszumachen ist. Vorher kommen wir noch an der<br />

Sandinsel Richel vorbei. Durch das Fernglas kann man schwarze Flecken ausmachen. Das sind<br />

Seeh<strong>und</strong>e, die sich hier sonnen. Näher darf man nicht ran, da alles Naturschutzgebiet ist.<br />

Bevor wir <strong>Vlieland</strong> nun endgültig erreichen, müssen wir noch ein kurzes Stück in den berüchtigten<br />

Stortemelk die Enge zwischen <strong>Vlieland</strong> <strong>und</strong> Terschelling. Vor zwei Jahren haben wir hier bös eins auf<br />

die Mütze gekriegt <strong>und</strong> auch heute ist extrem kabbeliges Wasser, so daß mir meine Frau wortlos die<br />

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Rettungsweste mit dem Lifebelt gibt. Vor <strong>Vlieland</strong> ist einiges los. Das Wasser drückt uns bereits kräftig<br />

aus dem Vliestrom entgegen, so daß wir nur noch 2 kn über Gr<strong>und</strong> machen. Dazu herrscht ein reger<br />

Schiffsverkehr. Vor der Hafeneinfahrt basteln zwei Plattbodenschiffe am richtigen Einfahrtswinkel, <strong>und</strong><br />

wir müssen mit bestimmt 20 anderen Yachten warten. Die Logge zeigt 3,6 kn obwohl wir auf der Stelle<br />

stehen. So stark steht hier der Strom. Zu allem Überfluß kommt auch noch die Fähre aus Harlingen<br />

<strong>und</strong> besteht mit lautem Hornsignal auf ihrem Wegerecht. Aber dann löst sich das Chaos plötzlich auf<br />

<strong>und</strong> wir sind in der Einfahrt, wo uns der Hafenmeister empfängt <strong>und</strong> einen Platz zuweist. Um<br />

15.15 Uhr machen wir als vierter im Päckchen fest.<br />

Sonntag 10. 9. 2006<br />

Einige Informationen zum Hafen <strong>Vlieland</strong>. Man macht <strong>nach</strong> Schiffsgrößen geordnet längsseits an<br />

Schwimmstegen fest. Daneben liegt man dann, soweit Bedarf, im Päckchen. Auf den Stegen gibt es<br />

nicht die sonst üblichen Poller sondern Ringe. Es muß also jemand an Land um den Festmacher<br />

durchzuziehen. Wir zahlen für die Nacht 18,10 €. Wasser, Strom <strong>und</strong> Dusche kosten je 0,5 € extra.<br />

WLAN soll es zu Staffelpreisen zwischen 2 € für 20 Minuten <strong>und</strong> 30 € für sieben Tage geben. Die<br />

Steckdosen am Steg reichen bei voller Belegung bei weitem nicht aus. Warum wollen immer alle<br />

gleich an die Steckdose? Ich kann mir das nur so erklären, daß die meisten Skipper wohl keine<br />

zutreffenden Vorstellungen vom Stromhaushalt ihres Schiffes haben. Bei einer Bordbatterie von<br />

nominal 286 Ah <strong>und</strong> einem Tagesbedarf von ca. 40 Ah muß ich mir frühestens <strong>nach</strong> drei Tagen<br />

Gedanken über eine Nachladung machen.<br />

Wir sind an einem sonnigen Samstag Anfang<br />

<strong>September</strong> gekommen, da wird der Hafen mehr als<br />

voll. Auf unserer Seite liegt man in vierer oder fünfer<br />

Päckchen. Gegenüber sind sogar sechser dabei. Da<br />

gibt es kein vor <strong>und</strong> zurück mehr. Unser Hintermann<br />

macht mich darauf aufmerksam, daß er am<br />

folgenden Morgen um 7 Uhr raus wolle. „The tide,<br />

you know“ fügt er entschuldigend hinzu. „No<br />

problem,“ antworte ich „I’ll be ready.“ Um 7 bin ich<br />

bereit <strong>und</strong> er tatsächlich auch. Alle anderen aber<br />

noch nicht. Tide hin oder her, am Sonntag braucht<br />

man wohl seine Ruhe. Gegen 8 kommt dann aber<br />

doch Leben in den Hafen. Eine St<strong>und</strong>e später<br />

beginnt das große Auslaufen. Auch die<br />

Strand auf <strong>Vlieland</strong><br />

Langschläfer, die erst mit dem Mittagshochwasser<br />

außen rum <strong>nach</strong> <strong>Texel</strong> gehen oder, wie wir, noch<br />

bleiben, haben keine Chance. Sie werden fre<strong>und</strong>lich aber bestimmt raus geklopft. Dabei bleibt es<br />

erstaunlich ruhig. Es fällt kein böses Wort.<br />

Gegen 10 Uhr hat sich die Lage vollends geklärt.<br />

Wir ergattern sogar einen Platz direkt am Steg. Wir<br />

müssen auf niemand mehr Rücksicht nehmen <strong>und</strong><br />

brechen zu einer kleinen Wanderung auf. Direkt am<br />

Hafen geht es an den Strand <strong>und</strong> dann immer<br />

weiter um das Osthuk der Insel. Wir laufen barfuß<br />

am Spülsaum entlang <strong>und</strong> schauen was das Meer<br />

so angespült hat. Leider sind es nicht nur Dinge aus<br />

der Natur. Von den menschlichen Abfällen lassen<br />

die weitaus meisten auf die Fischerei schließen.<br />

Sägen die Fischer nicht selbst ganz kräftig an dem<br />

Ast auf dem sie sitzen? Wir Yachties sind da, so<br />

glaube ich, schon einen Schritt weiter.<br />

Das Barfußlaufen tut uns gut. Wann macht man das<br />

Spuren im Sand<br />

sonst schon mal? Dabei ist es Fußsohlenreflexmassage<br />

pur. Nur wenige Leute begegnen<br />

uns. Wir stoßen auf Reifenspuren die einen Schriftabdruck im Sand hinterlassen. Da wird für einen<br />

„Vliehorsexpress“ mit Internetadresse geworben. Mal eine neue Idee, denken wir. Irgendwann<br />

kommen wir dann an ein Strandcafé <strong>und</strong> mit der Einsamkeit ist es aus. Wir nutzen die Gelegenheit,<br />

gehen über die Dünen <strong>und</strong> queren die Insel auf schmalen Pfaden durch einen Kiefernwald. Obwohl es<br />

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auch hier viele Radwege <strong>und</strong> sogar spezielle Reiterpfade gibt, begegnen uns auch hier kaum<br />

Menschen. So gegen 15 Uhr sind wir dann an Bord zurück. Heute gibt es halt ein verspätetes<br />

Mittagessen.<br />

Am Abend ist der Hafen erstaunlich leer. Maximal zwei Boote liegen nebeneinander. Es war wohl ein<br />

Fehler, an einem Samstag zu kommen. Aber sonst ist <strong>Vlieland</strong> einfach schön. Wir werden beim<br />

Hafenmeister noch ein paar Tage verlängern.<br />

Montag 11. 9. 2006<br />

Von der gestrigen Wanderung am Strand sind wir immer noch<br />

begeistert. Heute wollen wir uns den inneren Teil der Insel ein wenig<br />

erschließen. Groß verlaufen kann man sich nicht. Wir schätzen die<br />

Insel auf etwa 12 km Länge bei einer Breite von 2-3 km. Der<br />

halbwegs erschlossene Teil ist wesentlich kleiner. Das westliche<br />

Drittel ist oder war ein Truppenübungsplatz, der auf der Karte als<br />

gelbe Sandwüste ohne jeden Weg erscheint. "Jim Knopf" <strong>und</strong><br />

"Lummerland" fällt uns ein. Die Eisenbahn fehlt natürlich. Nach<br />

Oost-<strong>Vlieland</strong>, dem einzigen Ort der Insel, ist es vom Hafen etwa<br />

einen Kilometer. Man kommt an der Fähre vorbei, die über<br />

Terschelling ans Festland fährt. Sie wirkt riesengroß <strong>und</strong> irgendwie<br />

als Fremdkörper. Für die Insulaner ist die Fähre der Anschluß an<br />

den Rest der Welt <strong>und</strong> strukturiert den Tag. Die erste fährt morgens<br />

um 7.00 Uhr.<br />

Leuchtturm auf <strong>Vlieland</strong><br />

Das eigentliche Leben im Ort spielt sich in einer einzigen Straße ab.<br />

Es gibt zwei kleinere Supermärkte. Nichts für den großen Einkauf,<br />

aber man kann seine Bordvorräte ganz gut ergänzen. Alles andere<br />

ist auf den Tourismus abgestimmt. Neben dem üblichen<br />

Souvenierramsch gibt es natürlich Fietsverhuur, Hotels <strong>und</strong> jede Menge Kneipen.<br />

Wenn man von der Hauptstraße abgeht wird es sofort ruhig <strong>und</strong> <strong>nach</strong> wenigen h<strong>und</strong>ert Metern sogar<br />

einsam. So wie wir das mögen. Wir bewältigen den kurzen Anstieg zum Leuchtturm. Der steht für<br />

hiesige Verhältnisse auf einem richtigen Berg <strong>und</strong> muß deshalb nicht besonders hoch sein. Verglichen<br />

mit dem auf <strong>Texel</strong> oder Brandaris auf der Nachbarinsel Terschelling wirkt er richtig gedrungen. Wir<br />

wandern weiter in Richtung Westen. Der Wald, durch<br />

den wir dabei kommen, hat was verwunschenes. Wir<br />

finden jede Menge Moose <strong>und</strong> Flechten, die uns<br />

bekannt vorkommen. Bei uns werden sie in<br />

Gärtnereien zu Kränzen <strong>und</strong> Blumengestecken<br />

verarbeitet. Es ist schön hier, ganz anders als am<br />

Strand gestern, aber auch schön. Wir genießen die<br />

Ruhe, gehen beim Laufen unseren Gedanken <strong>nach</strong><br />

<strong>und</strong> plötzlich hört der Wald auf. Der Blick verliert sich in<br />

einer weiten Heidelandschaft. Preiselbeeren soll es<br />

hier geben, so steht es zumindest in der Karte, die wir<br />

dabei haben. Wie bestellt taucht eine Bank am<br />

Wegesrand auf, die wir zu einer kurzen Rast nutzen.<br />

Durchs Fernglas lassen sich mehrere Dutzend große<br />

Vögel beobachten, die ihr Futter suchen. Leider<br />

kennen wir uns zu wenig aus um die Art zu bestimmen.<br />

Waldweg auf <strong>Vlieland</strong><br />

Nach dreieinhalb St<strong>und</strong>en sind wir wieder zurück im Hafen. Der Wetterbericht meldet immer noch<br />

SE 2-3, der sogar noch weiter <strong>nach</strong> Süd drehen soll. Ungewöhnlich für diese Jahreszeit, wo sonst<br />

eher ein West vorherrscht. Aus der Sicht eines Seglers sicher nicht optimal, aber das ausgedehnte<br />

Hoch über der Nordsee <strong>und</strong> Dänemark beschert uns seit Tagen w<strong>und</strong>erschönes Spätsommerwetter.<br />

Wir wollen also nicht <strong>und</strong>ankbar sein. Wenn sowieso kein Wind ist <strong>und</strong> der noch aus der falschen<br />

Richtung kommt, können wir genauso gut noch einen Tag hierbleiben. Die weitere Planung wäre dann<br />

Mittwoch von hier <strong>nach</strong> Makkum oder Hindeloopen, Donnerstag <strong>nach</strong> Medemblik oder noch mal <strong>nach</strong><br />

Enkhuizen <strong>und</strong> Freitag zurück <strong>nach</strong> Lemmer. Bleibt immer noch ein Tag Reserve für<br />

Unvorhergesehenes.<br />

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Dienstag 12. 9. 2006<br />

Heute sind wir faul. Gestern hatten wir uns noch vorgenommen, ganz in den Westen der Insel zum<br />

Posthuis zu wandern. Diese schöne, aber auch streckenmäßig lange Wanderung haben wir vor<br />

einigen Jahren schon mal gemacht. Heute siegt der „Innere Schweineh<strong>und</strong>“. Wir gehen an den Strand<br />

<strong>und</strong> legen uns in die Sonne. Obwohl die Sonne scheint, ist die Sicht eher mäßig. Wir schauen auf das<br />

spiegelglatte Meer <strong>und</strong> träumen in den Tag hinein. War das nicht der Kopf eines Seeh<strong>und</strong>es? Ich<br />

kann es kaum glauben. Habe ich das wirklich gesehen oder doch nur geträumt? So angestrengt ich<br />

auch schaue, er taucht nicht wieder auf. Eine halbe St<strong>und</strong>e später ist er plötzlich doch wieder da.<br />

Diesmal sieht ihn auch meine Frau. Er grinst uns frech an <strong>und</strong> zeigt uns beim Abtauchen sogar noch<br />

seinen Rücken.<br />

Wir nehmen Abschied, Abschied von <strong>Vlieland</strong> <strong>und</strong> auch vom Sommer. Wir fühlen, daß er für dieses<br />

Jahr langsam zu Ende geht <strong>und</strong> überlegen wann wir unser Boot am besten ins Winterlager bringen.<br />

Es hilft alles nichts, in wenigen Wochen wird es soweit sein. Wenn wir Glück haben, reicht es vorher<br />

noch mal für einen Wochenendtörn. Morgen fahren wir erst mal wieder ans Festland.<br />

Mittwoch 13. 9. 2006<br />

„Een dag dabij?“ lacht mich der Hafenmeister an, als er seine morgendliche R<strong>und</strong>e macht. Wir würden<br />

ja gern noch weiter verlängern, aber es geht wirklich nicht. Wir müssen wieder in Richtung Lemmer.<br />

Der Wetterbericht spricht von SSE 2-4 <strong>und</strong> das sind nicht gerade ideale Voraussetzungen für unser<br />

Vorhaben.<br />

Seit gestern abend liegen zwei Niederländer neben uns. Ich habe mit ihnen über unsere<br />

Auslaufabsichten gesprochen. Sie wollen noch bleiben. Heute morgen lassen sie sich Zeit. Wir sind fix<br />

<strong>und</strong> fertig <strong>und</strong> sie, beide Boote gehören zusammen, denken überhaupt nicht daran sich mit ihrem<br />

opulenten Frühstück einschließlich Eiern <strong>und</strong> Speck zu beeilen. Unser zurückhaltendes Warten<br />

deuten sie wohl falsch. Dann wird es mir zu bunt <strong>und</strong> ich bitte höflich, aber bestimmt, uns raus zu<br />

lassen. Um 10 Uhr ist es endlich soweit. Die Tide läuft bereits wieder kräftig auf <strong>und</strong> im Vliestrom<br />

machen wir nur 2,5 kn über Gr<strong>und</strong>. Dafür zeigt sich der Stortemelk uns heute gnädiger als befürchtet.<br />

Und kaum auf Südkurs haben wir plötzlich richtigen Wind. Ich schätze ein 3-4er, aber leider genau<br />

gegenan. Das Wasser ist ziemlich kabbelig, was ich auf die Wind gegen Strom Situation zurückführe.<br />

Tonne in der Tidenströmung<br />

Im engen Fahrwasser gegen den Wind aufzukreuzen ist ein<br />

anstrengendes Geschäft. Im Gegensatz zu An- <strong>und</strong> Ablegemanövern<br />

mache ich auf See, auch wenn ich mit meiner Frau unterwegs bin, beim<br />

Segeln alles allein. Das Steuern überlasse ich deshalb meistens der<br />

Selbststeueranlage. Kneifen <strong>und</strong> jede kleine Winddrehung ausnutzen<br />

geht also nicht. Im Gegenteil, ich muß immer ein paar Grad als<br />

Sicherheit zugeben. Allein deshalb fahre ich schon keine optimale<br />

Höhe. Eine Wende leite ich mit einem um 100° versetzten neuen Kurs<br />

ein. Wenn dann die Fock bak steht, werfe ich die Schot los <strong>und</strong> hole auf<br />

dem neuen Bug wieder dicht. Das muß alles sehr schnell gehen, denn<br />

wenn erst wieder Druck auf dem Segel ist brauche ich die Winschkurbel<br />

<strong>und</strong> das lohnt für ein paar h<strong>und</strong>ert Meter nicht. Heute machen wir es<br />

wie viele andere. Wir dampfen unter Maschine gegenan <strong>und</strong><br />

bew<strong>und</strong>ern die Mannschaften, die sich unter Segel weiter kämpfen. Der<br />

mitlaufende Strom der Tide mit immerhin guten 3 kn verwöhnt die<br />

Kämpfer, aber auch uns.<br />

Auf Brandaris ist wieder mal reger Funkverkehr. Ich w<strong>und</strong>ere mich immer wieder, was da alles<br />

mitgeteilt wird. Selbst kleinste Strecken werden an- <strong>und</strong> abgemeldet. Bei längeren wird so alle halbe<br />

St<strong>und</strong>e zu Protokoll gegeben wie weit man gekommen ist. Andere fragen <strong>nach</strong> dem aktuellen<br />

Wasserstand an bekannten, oft genannten Stellen. Ob sie ihrer eigenen Rechnung wohl nicht so ganz<br />

trauen? Brandaris arbeitet alles mit großer Geduld ab.<br />

Bei BS 1-IN 2 trennen sich die Fahrwasser. Inschot auf dem direkten Weg oder Blauwe Slenk mit<br />

einem Umweg über Harlingen, das ist jetzt die Frage. Wir entscheiden uns für den längeren Weg über<br />

den Blauwe Slenk, weil wir uns davon günstigere Kurse zum Segeln versprechen. Daraus wird leider<br />

nichts. Wie sich das Fahrwasser auch wendet, der Wind kommt immer aus dem magischen Dreieck<br />

gegenan. Im Blauwe Slenk stellen wir mal wieder fest, daß mehrere Tonnen nicht exakt auf der<br />

Position liegen, auf der sie in der Karte eingezeichnet sind. Da hat sich wohl im Fahrwasser was<br />

geändert. Die Regel im Watt immer <strong>nach</strong> Tonnen <strong>und</strong> niemals <strong>nach</strong> GPS-Wegpunkten zu fahren hat<br />

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schon ihren Gr<strong>und</strong>. Nur, warum braucht man immer die neuesten Karten, wenn die sowieso nicht<br />

stimmen?<br />

Erst bei BS 19 wird das schon recht nahe Harlingen im Dunst sichtbar. Trotz Sonne hat sich der<br />

Schleier bisher nicht wirklich gelichtet. Ich kann mir gut vorstellen, wie schwierig eine solche Fahrt in<br />

früheren Zeiten ohne moderne Navigationsgeräte war. Harlingen besuchen wir diesmal nicht. Direkt<br />

vor der Hafeneinfahrt biegen wir <strong>nach</strong> Steuerbord ab in das Fahrwasser Boontjes, das uns <strong>nach</strong><br />

Kornwerderzand bringen soll. Hier ist wieder einmal ein Wattenhoch zu überfahren. So kurz vor<br />

Hochwasser kein Thema. Es wird nie flacher als 3,60 m.<br />

In Kornwerderzand angekommen, sehe ich unter der Brücke hindurch, wie Boote aus der Schleuse<br />

auslaufen. Ein sicheres Anzeichen dafür, daß die Brücke bald öffnet. Und richtig, wir können ohne<br />

Wartezeit in die Schleuse einfahren <strong>und</strong> werden exakt bei maximaler Tide um 14.45 Uhr wieder ins<br />

<strong>Ijsselmeer</strong> entlassen. Hier können wir auch den Südwind endlich nutzen. Ein kleiner Holeschlag <strong>nach</strong><br />

Osten <strong>und</strong> dann SW, immer parallel zum Deich bis wir Hindeloopen anliegen können. So ist jedenfalls<br />

mein Plan <strong>und</strong> wir segeln weit ins <strong>Ijsselmeer</strong> hinein. Ganz umsetzen können wir ihn freilich nicht.<br />

Gegen 17 Uhr ist mit einem Schlag der Wind weg. Die letzten Meilen muß wieder der Motor helfen, bis<br />

wir um 17.45 Uhr in Hindeloopen festmachen.<br />

Donnerstag 14. 9 .2006<br />

Hindeloopen gehört zu den berühmten elf friesischen Städten, ist aber in Wirklichkeit nur ein Dorf. Wir<br />

liegen im Gemeindehafen <strong>und</strong> damit im Zentrum des Geschehens. Nebenan ist eine große, aber wie<br />

wir finden, seelenlose Marina. Der Hafenmeister möchte von uns 10 €, das ist nur etwa die Hälfte wie<br />

nebenan. Er macht uns ausdrücklich darauf aufmerksam, daß man die Dusche in der Marina frei<br />

benutzen könne. Das ist relativ weit, aber je <strong>nach</strong>dem wo man in der Marina liegt, kann einem das<br />

auch dort passieren. <strong>Vom</strong> kostenlosen Wasser machen wir gern gebrauch. Strom gibt es wie immer<br />

am Automaten, aber den benötigen wir heute nicht. Ein Spaziergang durchs Dorf dauert nicht lange.<br />

Alles wirkt irgendwie klein, niedlich <strong>und</strong> sehr übersichtlich. Nur wenige Meter vom Hafen gibt es einen<br />

Minisupermarkt in dem es morgens auch frisches Brot gibt.<br />

Wir nutzen die günstige Gelegenheit <strong>und</strong> machen vor dem Winter den Tank voll. 53,7 L haben wir seit<br />

dem letzten Mal im vorigen Herbst verbraucht. Für mein Auto<br />

benötige ich die gleiche Menge in einer Woche. Wir laufen<br />

aus, <strong>und</strong> was dann beginnt ist Segeln vom feinsten. Gleich<br />

vor der Hafeneinfahrt machen wir den Motor aus <strong>und</strong><br />

rauschen bei SE 3-4 unter Vollzeug in 3,5 h hinüber <strong>nach</strong><br />

Medemblik. Alles auf einem Bug <strong>und</strong> auch das gelegentliche<br />

Nachtrimmen ist eigentlich nicht wirklich notwendig. Klar, daß<br />

wir auch das Ruder nicht anrühren. Diesen lästigen Job<br />

erledigt Ronaldo für uns. So haben wir unsere automatische<br />

Steuerung getauft. Nur auf die wenigen Entgegenkommer<br />

müssen wir achtgeben. Auf Stb-Bug wie heute haben wir ja<br />

nicht immer Wegerecht. Ansonsten sitzen wir in Luv in der<br />

So schön kann Segeln sein!<br />

Sonne <strong>und</strong> freuen uns über den schönen Tag.<br />

Schon um kurz vor zwei sind wir in Medemblik. An unserer Lieblingsstelle unter den Bäumen im<br />

Middenhaven ist um diese Zeit reichlich Platz <strong>und</strong> wir machen fest. Es gibt mehrere Häfen in<br />

Medemblik, aber hier sind wir besonders gern. Beim Hafenmeister an der Brücke zahlen wir 9,90 €.<br />

Strom gibt es am Automaten <strong>und</strong> Wasser für den, der die richtige Ausrüstung dabei hat, sogar<br />

umsonst. Man braucht einen eigenen Schlauch <strong>und</strong> die im Bordwerkzeug sowieso vorhandene<br />

Schraubzwinge. Damit kann man die Wasserhähne, die man sonst festhalten müßte, problemlos<br />

überlisten. Zur Dusche ist es von hier aus etwas weit. Sie liegt am gegenüberliegenden Ufer in einer<br />

Seitenstraße.<br />

Medemblik ist eine richtige kleine Stadt. Die Hauptstraße quirlt vor Leben. Jongert Yachten werden<br />

hier gebaut. Als Eigner eines Joghurtbechers bayrischer Produktion nimmt man diesen Namen nur mit<br />

äußerster Ehrfurcht in den M<strong>und</strong>. Wir sind in Abschiedsstimmung, essen noch mal Kibbeling, aber<br />

bereuen es diesmal. Zu sehr wurden wir in den letzten Wochen verwöhnt.<br />

Am Spät<strong>nach</strong>mittag ist wie immer Hafenkino. Man kennt das: Die guten Filme sind fast vorbei, bevor<br />

man bemerkt hat, daß sie angefangen haben <strong>und</strong> finden auch nur wenig Publikum. Die anderen<br />

erfreuen sich größerer Aufmerksamkeit. Ihr Beginn wird meistens mit dem lauten Aufheulen eines<br />

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Bugstrahlruders angekündigt. Die Akteure sind deutsch, das Schiff<br />

führt die niederländische Flagge. Die Filme selbst variieren nur<br />

wenig, dennoch ist die Unterhaltung für den ganzen Hafen immer<br />

garantiert.<br />

Freitag 15. 9. 2006<br />

Der Wetterbericht ist der gleiche wie gestern ESE 3-4. Vor der<br />

Hafeneinfahrt aber ein ganz anderes Bild. Eher 5-6 <strong>und</strong> gut ein<br />

Meter Welle aber die Windrichtung Ost stimmt. Für uns voll<br />

gegenan. Wer die berüchtigte kurze <strong>Ijsselmeer</strong>welle kennt, weiß<br />

was da auf uns zukommt. Gut, daß wir wenigstens die Segel vom<br />

Cockpit aus setzen können. 50% gerefft, mehr ist nicht zu<br />

verantworten. Die Krängung führt zu Protesten <strong>und</strong> nennenswert<br />

Luv machen wir auch nicht gut. Unser Weg ist noch weit <strong>und</strong> so<br />

kommen wir heute nicht mehr <strong>nach</strong> Lemmer. Wir starten den<br />

Motor <strong>und</strong> dampfen mit 3,5 kn gegenan. Das sind gut 2 kn weniger<br />

als wir sonst bei gleicher Motordrehzahl in Marschfahrt erreichen.<br />

Wir ducken uns in den Schutz der Sprayhood, am Ruder würden<br />

uns die Spritzer von vorn erreichen. Lelystad meldet unbeirrt 3-4.<br />

Wir wollen nur noch ankommen.<br />

Unter den Bäumen in Medemblik<br />

2 St<strong>und</strong>en später hat der Wind deutlich <strong>nach</strong>gelassen. Auch der Wellengang ist wesentlich<br />

angenehmer. 4 aus E schätze ich aufgr<strong>und</strong> der Schaumkronen. Jetzt meldet Lelystad 4-5.<br />

Gegen 15 Uhr nimmt der Wind dann wieder deutlich zu. Gleichzeitig schält sich auch Lemmer aus<br />

dem Dunst <strong>und</strong> signalisiert eine baldige Ankunft. Wir passieren die Prinses Magrietsluis <strong>und</strong> machen<br />

um 16.45 Uhr an unserem Liegeplatz fest. Unser kleiner Spätsommertörn hat ein glückliches Ende<br />

gef<strong>und</strong>en.<br />

Seglerisch war dieser Törn nichts Besonderes. Wir haben schon wesentlich mehr Meilen in der<br />

gleichen Zeit abgerissen. Die Anzahl der notwendigen Motorst<strong>und</strong>en war für unsere Verhältnisse<br />

überdurchschnittlich hoch. Entgegen sonst üblichen westlichen Winden hatten wir fast die ganze Zeit<br />

um Ost drehende. Insofern war unsere Route nicht optimal abgestimmt. Mehr als entschädigt haben<br />

uns zwei Wochen w<strong>und</strong>erschönes Wetter <strong>und</strong> strahlender Sonnenschein. Nicht nur deshalb nehmen<br />

wir viele unvergeßliche Eindrücke mit. Eindrücke, von denen wir noch lange zehren werden.<br />

Schlußbemerkung<br />

Dieser Bericht ist ursprünglich aus Spaß an der Freud entstanden <strong>und</strong> um unsere ebenfalls<br />

seefahrtbegeisterte Tochter, der ich die einzelnen Abschnitte täglich per Email übermittelt habe, an<br />

unserer Reise teilhaben zu lassen. Nachdem ich mich entschlossen habe, ihn im Internet zu<br />

veröffentlichen, habe ich ihn überarbeitet indem ich einige allzu persönliche Dinge weggelassen <strong>und</strong><br />

andere vorwiegend nautische Informationen sowie die Fotos hinzugefügt habe. Alle Angaben<br />

entsprechen dem Stand <strong>September</strong> 2006.<br />

Für diese Reise habe ich die niederländischen Seekarten 1810 <strong>und</strong> 1811 benutzt. Einen ausführlichen<br />

Seewetterbericht gibt es täglich um 8.05, 13.05, 19.05 <strong>und</strong> 23.05 Uhr durch die niederländische<br />

Küstenwache, abhängig vom Aufenthaltsort auf Kanal 23 oder 83 auch in englischer Sprache.<br />

Während der Fahrt empfiehlt es sich, auf dem <strong>Ijsselmeer</strong> den Funkverkehr der „Centrale Meldepost<br />

<strong>Ijsselmeer</strong>“ in Lelystad auf Kanal 1 mitzuhören. Jeweils 15 Minuten <strong>nach</strong> der vollen St<strong>und</strong>e gibt es dort<br />

aktuelle nautische Informationen. Im Wattenmeer übernimmt „Brandaris“ auf Kanal 2 diese Aufgabe.<br />

Informationen gibt es dort zur halben St<strong>und</strong>e.<br />

Für die Veröffentlichung wird leider auch der folgende Hinweis notwendig: Alle Bilder stammen von<br />

meiner Frau oder mir. Aber nicht alle entstanden auf diesem Törn. Die angegebenen Kosten in den<br />

Häfen haben wir für unser Boot, eine Bavaria 32 mit 9,90 m Länge <strong>und</strong> 3,35 m Breite, bezahlt. Ich<br />

warne ausdrücklich davor Informationen <strong>und</strong> Hinweise aus diesem Bericht für eigene oder fremde<br />

Zwecke zu verwenden <strong>und</strong> schließe jegliche Haftungsansprüche gegen mich aus. Insbesondere die<br />

von mir verwendete <strong>und</strong> beschriebene vereinfachte Methode zur Gezeitenberechnung ist zur<br />

Nachahmung nicht geeignet. Die Differenz zwischen NAP <strong>und</strong> LLWS kann abhängig vom Ort<br />

differieren. Ich habe mit dem Wert für Harlingen gerechnet. Für zuverlässige Angaben ist es dringend<br />

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erforderlich, vor Ort entsprechende Erk<strong>und</strong>igungen einzuholen. Das in den Niederlanden im<br />

Schiffszubehör zum Preis von etwa 15 € verfügbare <strong>und</strong> jährlich neu erscheinende Buch<br />

„Waterstanden en Stromen“ enthält nicht nur einen Tidenkalender, sondern auch Stromkarten <strong>und</strong> alle<br />

weiteren notwendigen Informationen.<br />

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