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WTO und fairer Handel - Schriftenreihe Global Affairs - Nr. 1 - Wir°My

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<strong>Schriftenreihe</strong> <strong>Global</strong> <strong>Affairs</strong> - <strong>Nr</strong>. 1<br />

<strong>WTO</strong> <strong>und</strong> Fairer <strong>Handel</strong><br />

Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der<br />

Produzenten- <strong>und</strong> Konsumentenländer<br />

Eine Dokumentation der Veranstaltung des<br />

GLOBAL COOPERATION COUNCIL (Nord-Süd-Forum) e.V.<br />

gemeinsam mit dem Europa-Haus Leipzig am 26./27.11.2004 in Leipzig<br />

gefördert von InWent im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung (BMZ)


Inhaltsverzeichnis<br />

EINLEITUNG 3<br />

Von Ramesh Jaura<br />

GEDANKEN ZUR GLOBALISIERUNG 4<br />

Von Matthias Holbe<br />

<strong>WTO</strong> UND FAIRER HANDEL 8<br />

AUSWIRKUNGEN AUF DEN ARBEITSMARKT DER PRODUZENTEN-<br />

UND KONSUMENTENLÄNDER AUS EU- UND DEUTSCHER SICHT<br />

Von Karina Böckmann<br />

GLOBALISIERUNG IN DEN MEDIEN: 16<br />

Au-pairs - ein Siegel gegen Ausbeutung<br />

NÜTZLICHE LINKS 21<br />

LATEINAMERIKA BRAUCHT FAIREN HANDEL - IN UNSEREM INTERESSE 23<br />

Von Eva Karnofsky<br />

GLOBALISIERUNG IN DEN MEDIEN: 27<br />

Milchbauern im <strong>Global</strong>isierungsstress<br />

Wenn die Fabrik den Arbeitern gehört<br />

Chinas Markenpiraten verderben Togos `Nana Benz' das Geschäft<br />

IMPRESSUM 31


Einleitung<br />

`<strong>WTO</strong> <strong>und</strong> Fairer <strong>Handel</strong> - Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der Produzenten- <strong>und</strong><br />

Konsumentenländer' lautet der Titel der Veranstaltung, die der GLOBAL COOPERATION<br />

COUNCIL (Nord-Süd-Forum) e.V. gemeinsam mit dem Europa-Haus Leipzig am 26. <strong>und</strong><br />

27. November 2004 in Leipzig durchführte. Teilnehmerinnen <strong>und</strong> Teilnehmer dieser<br />

Veranstaltung waren junge Menschen mit unterschiedlichen sozialen Hintergründen <strong>und</strong><br />

Wissensstand.<br />

Für einen Kreis von Nicht-Fachleuten stellte das Thema eine echte Herausforderung dar. Dennoch ist es unserer<br />

Ansicht nach wichtig, dieses Thema gerade jungen Menschen näher zu bringen, auch wenn es ihnen auf<br />

den ersten Blick irrelevant erscheint. Die rege Beteiligung an der Veranstaltung stimmten uns optimistisch, dass<br />

wir dieses Ziel erreicht haben - <strong>und</strong> dies dank der Impulsreferate der beiden Journalistinnen Dr. Eva Karnofsky<br />

<strong>und</strong> Karina Böckmann.<br />

Kollegin Karnofsky hat zwei Jahrzehnte lang aus <strong>und</strong> über Lateinamerika berichtet. Der Schwerpunkt ihrer<br />

Arbeit liegt auf sozialen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> politischen Entwicklungen. Frau Karnofsky ist für Ihre herausragenden<br />

journalistischen Leistungen bereits zwei Mal mit dem Medienpreis des B<strong>und</strong>esministeriums für<br />

Entwicklungszusammenarbeit ausgezeichnet worden. Kollegin Böckmann war leitende Redakteurin bei IPS<br />

Dritte Welt Nachrichtenagentur <strong>und</strong> ist seit mehr als zehn Jahren mit einer breiten Palette von Themen der<br />

Entwicklungszusammenarbeit vertraut.<br />

Hinweisen möchten wir auf einen längeren Textbeitrag des Seminarteilnehmers Matthias Holbe, den wir dieser<br />

Dokumentation vorangestellt haben. Wir werten ihn als ein besonders erfreuliches Zeichen dafür, dass die<br />

Veranstaltung eine nachhaltige Wirkung erzielt hat.<br />

Gefördert wurde die Veranstaltung von InWent im Auftrag des B<strong>und</strong>esministeriums für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit <strong>und</strong> Entwicklung (BMZ). Dafür möchte ich unseren herzlichen Dank aussprechen. Diese<br />

Förderung betrachten wir als eine Anerkennung der Arbeit des GLOBAL COOPERATION COUNCIL.<br />

GLOBAL COOPERATION COUNCIL (Nord-Süd-Forum) e.V. - kurz: GCC Forum - heißt seit Anfang 1997 der<br />

am 25. Februar 1983 gegründete Nord-Süd-Forum e.V. GCC Forum setzt sich für Verständigung durch<br />

Dialog <strong>und</strong> Wandel durch <strong>Handel</strong>n im Interesse der globalen Kooperation ein.<br />

Mit der Umbenennung des Vereins tragen wir weltpolitischen Veränderungen Rechnung, die seit dem Ende<br />

des Kalten Kriegs eingetreten sind <strong>und</strong> ein Umdenken verlangten. So sollte anstelle von militärischer Sicherheit<br />

die globale menschliche Sicherheit unser Denken <strong>und</strong> <strong>Handel</strong>n bestimmen.<br />

Dazu leistet GCC Forum seinen Beitrag: es agiert als Dialog-Plattform <strong>und</strong> ermöglicht zugleich im Rahmen<br />

von HumAN Development Services - HANDS - von Fall zu Fall einen praktischen Erfahrungsaustausch.<br />

Wir werden dabei von zahlreichen Institutionen <strong>und</strong> Organisationen sowie vielen engagierten Menschen<br />

unterstützt, auf die wir uns in den letzten 20 Jahren immer verlassen konnten. Ohne sie wäre es uns nicht<br />

gelungen, trotz unseres Mikrobudgets 247 Aktivitäten zu veranstalten.<br />

Über die Grenzen Deutschlands hinaus, in West-, Ost- <strong>und</strong> Mitteleuropa, in Nordamerika, in Lateinamerika, in<br />

der Karibik, in Afrika, in den arabischen Ländern <strong>und</strong> in Asien bildet der GLOBAL COOPERATION COUNCIL<br />

neue Kooperationspartnerschaften.<br />

3


4<br />

Gedanken zur <strong>Global</strong>isierung<br />

von Matthias Holbe<br />

Im Rahmen eines Seminars in Leipzig<br />

zum Thema <strong>Global</strong>isierung <strong>und</strong> deren<br />

Auswirkung auf die Produzenten- <strong>und</strong><br />

Konsumentenländer, ermutigte uns<br />

Herr Jaura unsere Gedanken zum<br />

Thema in Form einiger Zeilen festzuhalten.<br />

Aus den Zeilen wurden bald<br />

Seiten <strong>und</strong> mit jeder weiteren Seite<br />

wurde klar, dass es unmöglich ist, dieses<br />

Thema erschöpfend oder gar vollständig<br />

zu erfassen.<br />

Zum Geleit des Essays ist zu sagen,<br />

dass ich aus europäischer Perspektive<br />

schreibe. Weiter dienen die angeführten<br />

Beispiele vordergründig dem<br />

Verständnis der festgehaltenen Gedanken,<br />

<strong>und</strong> sind nicht als empirische<br />

Belege zu verstehen. Dies gilt ebenso<br />

für die am Prozess der <strong>Global</strong>isierung<br />

beteiligten Akteure.<br />

Insgesamt kann man mir eine gewisse<br />

Naivität vorwerfen, da die komplexen<br />

Verflechtungen zwischen den Ländern<br />

etwas stark vereinfacht wurden, dennoch<br />

ist es mir wichtig, Wirkungsmechanismen<br />

<strong>und</strong> Akteure der<br />

<strong>Global</strong>isierung darzustellen. Wenn<br />

dieser Aufsatz kontrovers diskutiert<br />

wird, ist mein persönlicher Anspruch<br />

erfüllt.<br />

Die Welt wird global. Wir befinden<br />

uns im Zeitalter der <strong>Global</strong>isierung.<br />

Mit dieser Tatsache haben wir uns<br />

abgef<strong>und</strong>en. Doch versteht jeder<br />

etwas anderes unter dem, was da<br />

gerade geschieht. Zum ersten rückt<br />

die Welt zusammen. Dies bedeutet im<br />

wesentlichen die Möglichkeit der<br />

Bürger westlicher Demokratien, via<br />

Internet oder anderer Medien<br />

Informationen über alle Länder der<br />

Welt per Knopfdruck in die eigenen<br />

vier Wände zu holen. Gleichzeitig entdeckt<br />

die westliche Welt über<br />

Urlaubsreisen gerade Indien <strong>und</strong> die<br />

Länder des ostasiatischen Raums.<br />

Auslandspraktika innerhalb der<br />

Industrieländer wie England, Frankreich,<br />

Amerika oder Australien sind<br />

unter anderem durch das Au-pair-Jahr<br />

nach der Schule oder die universitären<br />

Partnerschaften längst zum Standard<br />

geworden.<br />

Die Einschränkung "Bürger westlicher<br />

Demokratien" ist formell nicht gegeben,<br />

jedoch setzen die oben genannten<br />

Freiheiten materielle <strong>und</strong> finanzielle<br />

Vorleistungen voraus, die für die<br />

meisten Menschen unserer Welt fern<br />

jeder Realität liegen. Wer es nicht<br />

glaubt, sollte Studien zur Verbreitung<br />

des Internets <strong>und</strong> die OECD-Armutsberichte<br />

lesen. Zudem scheint es logischer,<br />

das aufkommende Fernweh als<br />

Nebeneffekt des im folgenden zu prüfenden<br />

Aspekts zu sehen - der wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> politischen <strong>Global</strong>isierung.<br />

Aus dieser Perspektive wird<br />

<strong>Global</strong>isierung als freier grenzüberschreitender<br />

Geld-, Waren- <strong>und</strong><br />

Dienstleistungsverkehr verstanden. Auf<br />

dieser internationalen Ebene stehen<br />

sich die einzelnen Nationalstaaten<br />

gegenüber, die in ihren Kontroll- <strong>und</strong><br />

Steuerungsmöglichkeiten gegenüber<br />

den Großunternehmen der Wirtschaft<br />

in den letzten Jahren erheblich an<br />

Einfluss verloren haben. Daher sei die<br />

Frage gestattet: Wer regiert wen? Die<br />

Politik die Wirtschaft oder andersherum?<br />

Die Frage erhält nicht zuletzt<br />

daher ihre Berechtigung, da jeder<br />

Bürger in seinem Land unmittelbar von<br />

den internationalen Abkommen zwischen<br />

den Staaten betroffen ist, es auf<br />

dieser internationalen Ebene aber nur<br />

wenige <strong>und</strong> in der Praxis unterschiedlich<br />

stark bindende Vereinbarungen<br />

zwischen den Staaten oder eben ihren<br />

Volkswirtschaften gibt. Eine klarere<br />

Bestimmung der für die Abkommen<br />

entscheidenden Interessengruppen


scheint mir jedoch eine wesentliche<br />

Voraussetzung für die bürgerliche<br />

Teilhabe an den immer <strong>und</strong>urchsichtiger<br />

werdenden internationalen<br />

Entscheidungsprozessen, wie es nicht<br />

nur unser Gr<strong>und</strong>gesetz vorsieht.<br />

Wodurch wurde diese Entwicklung<br />

möglich? Im Rahmen der Industrialisierung<br />

setzten sich Gr<strong>und</strong>mechanismen<br />

durch, die für die heutige<br />

<strong>Global</strong>isierung an Aktualität nicht verloren<br />

haben. Zu diesen zählen unter<br />

anderem die Geldwirtschaft <strong>und</strong><br />

Warenfiktion ebenso wie Lohnarbeit<br />

<strong>und</strong> Arbeitsteilung.<br />

Mit der nun sämtliche Lebensbereiche<br />

durchdringenden Geldwirtschaft konnte<br />

jeder Ware <strong>und</strong> Dienstleistung ein<br />

absoluter Wert - der Preis - zugeordnet<br />

werden. Er wird durch das freie<br />

Spiel von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />

bestimmt. Einhergehend mit dieser<br />

Entwicklung wurde der Mensch dem<br />

Geld untergeordnet. Auch er erhält<br />

jetzt einen Preis. Für das Gros der<br />

Arbeiterschaft wurde der Gelderwerb<br />

zum Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt ihrer<br />

Existenz - die Lohnarbeit entwickelte<br />

sich. Ähnlich wie in den meisten<br />

Entwicklungsländern entsprachen<br />

diese ersten Löhne gerade dem, was<br />

für die Sicherung der Arbeitskraft <strong>und</strong><br />

der Reproduktion der Arbeiterschaft<br />

unbedingt nötig war. Durch die<br />

Zuspitzung der Probleme der Zeit in<br />

der sozialen Frage <strong>und</strong> den zunehmend<br />

stärker werdenden Mitgestaltungsansprüchen<br />

der Arbeiterschaft gegenüber<br />

den Mächtigen (Demokratisierung)<br />

entwickelten sich erste Ideen in<br />

Richtung Sozialstaatlichkeit. Ein weiterer<br />

Aspekt dieses Umwälzungsprozesses<br />

ist die Arbeitsteilung. Durch die<br />

Entlohnung der individuellen Arbeit in<br />

Form des Geldes <strong>und</strong> die bereits<br />

beschriebene Allmacht des Geldes auf<br />

dem Waren- <strong>und</strong> Dienstleistungsmarkt<br />

ist es nicht länger nötig, dass innerhalb<br />

der Familie alles selbst hergestellt<br />

werden muss. Die Menschen können<br />

sich nun - der Theorie folgend - in<br />

Bereichen oder Berufen betätigen <strong>und</strong><br />

spezialisieren, in denen sie ihre<br />

Berufung sehen.<br />

Wichtig erscheint es erneut, den<br />

Machtaspekt des Geldes aufzugreifen.<br />

Durch die Fiktion, alles in Geld ausdrücken<br />

zu können, inklusive der<br />

menschlichen Arbeitskraft, die von<br />

ihrem Träger nicht zu trennen ist, wird<br />

der Mensch direkt dem Geld unterworfen,<br />

unmittelbar aber anderen<br />

Menschen, die mehr Geld <strong>und</strong> somit<br />

ein höheres Machtpotential besitzen.<br />

Die Macht liegt demnach nicht ausschließlich<br />

in der Regentschaft sondern<br />

zumindest ebenso stark in der<br />

Fähigkeit, über das Geld Waren <strong>und</strong><br />

vor allem Dienstleistungen anderer<br />

<strong>und</strong> somit letztlich Menschen zu kaufen.<br />

Dem Hungrigen gerät die<br />

Nahrung zum Zwangmittel seiner<br />

Existenz, den politisch Mächtigen das<br />

Geld als Quell ihrer Macht.<br />

Die Auswirkungen der oben beschriebenen<br />

Mechanismen für die <strong>Global</strong>isierung,<br />

sollen im Folgenden durch<br />

den Vergleich mit den Ereignissen zu<br />

Beginn der Industrialisierung herausgearbeitet<br />

werden.<br />

Ähnlich wie zu Zeiten der Industrialisierung,<br />

sind die Menschen heute auf<br />

Lohnarbeit angewiesen. Ähnlich wie<br />

damals, sind die potentiellen Arbeiter<br />

auf dem Arbeitsmarkt zahlreich <strong>und</strong><br />

nur ein Teil der auf den Lohnerwerb<br />

angewiesenen kann über den Arbeitsmarkt<br />

in Lohn <strong>und</strong> Brot gebracht werden.<br />

Zusätzlich zur Konkurrenz auf<br />

dem nationalen Arbeitsmarkt entsteht<br />

durch die <strong>Global</strong>isierung eine weitere<br />

Konkurrenzsituation, die allgemein<br />

unter dem Begriff Standortwettbewerb<br />

an Relevanz gewinnt. Für die<br />

Lohnarbeiter vor Ort wird so nicht nur<br />

der Kollege zur potentiellen Bedrohung<br />

des eigenen Arbeitsplatzes, sondern<br />

auch der anonyme Kollege in<br />

Fotos: <strong>WTO</strong><br />

5


Was versteht man unter<br />

"<strong>Global</strong>isierung"?<br />

a Den Verkauf von deutschen<br />

Produkten im Ausland<br />

b Die Einführung des<br />

Fremdsprachenunterrichts<br />

in die Gr<strong>und</strong>schule<br />

c Den grenzüberschreitenden<br />

Verkehr von Gütern,<br />

Dienstleistungen,<br />

Kapital, Kultur u. a.<br />

d Die Übernahme von<br />

Firmen durchtransnationale<br />

Konzerne<br />

6<br />

einem beliebigen Land dieser Welt.<br />

Hemmnisse für diese Entwicklung, sind<br />

jedoch in den länderspezifischen<br />

Gegebenheiten zu sehen. Zu diesen<br />

gehören unter anderem die politische<br />

Stabilität des Landes <strong>und</strong> die der<br />

Währung, der Entwicklungsgrad der<br />

nationalen Infrastruktur, ein effektives<br />

Bildungssystem u. v. m. Denkbar ist folglich<br />

ein positiver <strong>und</strong> negativer<br />

Standortwettbewerb. Dies soll bedeuten,<br />

dass für den ersten Fall die<br />

Standorte aus eigener Kraft<br />

heraus Wettbewerbs-nachteile<br />

anzugleichen versuchen,<br />

im zweiten Fall,<br />

dass die wirtschaftlich<br />

dominanten<br />

Staaten versuchen,<br />

sich entwickelnde<br />

Standorte an ihrem<br />

Aufholprozess zu<br />

behindern.<br />

Diese Überlegung<br />

wirkt auf den ersten<br />

Blick sicherlich befremdlich.<br />

Bezieht man jedoch<br />

einige Beschlüsse der, der Welthandelsorganisation<br />

zugehörigen Länder<br />

<strong>und</strong> deren Entstehungshintergr<strong>und</strong><br />

mit ein, so wird offensichtlich, dass ein<br />

marktwirtschaftlich organisiertes System<br />

- hier insbesondere bestehend aus<br />

den großen Wirt-schaftsnationen -<br />

kaum ein Interesse daran haben dürfte<br />

sich neue Konkurrenten aufzubauen<br />

(s. letzte <strong>WTO</strong>-Konferenz in Mexiko<br />

oder die Zollpolitik).<br />

Die Entwicklung Deutschlands seit der<br />

politischen Wende 1989 kann hier als<br />

Beleg dienen. Während die wirtschaftliche<br />

Entwicklung in den neuen<br />

B<strong>und</strong>esländern insgesamt nur mäßig<br />

fortschreitet, zählen die neuen - <strong>und</strong><br />

somit b<strong>und</strong>esweit relativ konkurrenzlosen<br />

- Technologien zu den Wachstumsbranchen.<br />

Auf internationaler<br />

Ebene sind es vor allem Länder, die<br />

ihre Bodenschätze auf dem Weltmarkt<br />

absetzten können. Diese werden<br />

schließlich von allen Industrienationen<br />

benötigt. Seit den letzten Jahren<br />

nimmt die Auslagerung von<br />

Produktionsprozessen, die auf<br />

Handarbeit angewiesen sind, zu.<br />

Handarbeit ist in den Industriestaaten<br />

sehr teuer, in den Entwicklungsländern<br />

jedoch noch sehr preisgünstig. Es ist<br />

anzunehmen, dass sich in den nächsten<br />

Jahren <strong>und</strong> Jahrzehnten der<br />

Lebensstandard der in diesen<br />

Entwicklungsländern lebenden Menschen<br />

dem westlichen Niveau annähert.<br />

Motiv hierfür ist jedoch nicht an<br />

erster Stelle der Humanismus, sondern<br />

der Egoismus der Einzelstaaten. Sie<br />

verhalten sich nicht anders als<br />

menschliche Akteure. Der wesentliche<br />

Unterschied ist jedoch, dass innerhalb<br />

der Nationalstaaten allgemein verbindliche<br />

Rechtsnormen den gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

anzunehmenden, wenn auch<br />

nicht allgegenwärtigen Egoismus der<br />

Individuen zügeln.<br />

Auf internationaler Ebene fehlt ein<br />

derartiges Regulativ weitestgehend<br />

bzw. ist dessen Verbindlichkeit nur teilweise<br />

gegeben. Gründe hierfür liegen<br />

im freiwilligen Beitritt der Länder zum<br />

Geltungsbereich internationaler Abkommen.<br />

Als Beispiel soll das politische<br />

Verhalten der USA genügen. Sie<br />

begleichen ihre langjährigen Schulden<br />

gegenüber den Vereinten Nationen<br />

nicht <strong>und</strong> benutzen die finanzielle<br />

Abhängigkeit der UNO von den<br />

Geldern der Mitgliedsländer als politisches<br />

Machtmittel. Gleichsam lehnen<br />

sie es ab, sich der Rechtssprechung<br />

des Internationalen Gerichtshofs in<br />

Den Haag zu beugen.<br />

Eine internationale Arbeitsteilung kann<br />

folglich nur durch den Aufbau weltweit<br />

einmaliger Industriezweigen oder<br />

durch den freiwilligen Rückzug der<br />

westlichen Nationen aus den für die<br />

Entwicklungsländer günstigen Branchen<br />

entstehen.


Der dem Geld innewohnende<br />

Machtmechanismus lässt den Industriestaaten<br />

auf der anderen Seite keine<br />

Wahl als derzeit so zu handeln. Das<br />

internationale Beziehungssystem der<br />

Welt ahndet Vergehen gegen die<br />

systeminterne Logik. Wie den<br />

Unternehmer unwirtschaftliche Entscheidungen<br />

zum Konkurs oder zur<br />

feindlichen Übernahme seitens anderer<br />

Unternehmen führen, birgt der<br />

Verstoß gegen das einzig verbindliche<br />

System der Wirtschaft die Gefahr der<br />

Abhängigkeit von den Geldern anderer<br />

Staaten <strong>und</strong> führt somit zur<br />

Unterwerfung unter deren Interessen.<br />

Folglich kann nur ein gemeinsames<br />

Bündnis international bedeutender<br />

Staaten ein Umdenken bewirken. In<br />

diesem Zusammenhang ist erneut zu<br />

fragen, wer die Macht über Gedeih<br />

<strong>und</strong> Verderb von Staaten in den<br />

Händen hält - das international agierende<br />

System der Wirtschaft oder die<br />

an die nationalstaatlichen Interessen<br />

geb<strong>und</strong>enen Länderregierungen.<br />

Eins ist jedoch gewiss. Von alleine<br />

wird sich die Situation der Ärmsten<br />

unserer Welt nicht verbessern. Es gilt<br />

daher weiter, ihnen Hilfe zur<br />

Selbsthilfe zukommen zu lassen.<br />

Wichtig hierbei ist, dass das dafür zur<br />

Verfügung gestellte Geld auch denen<br />

zur Hilfe gerät, für die es bestimmt ist.<br />

Weiter ist es wichtig, dass die für die<br />

Probleme der <strong>Global</strong>isierung sensibili-<br />

sierten Menschen in allen Ländern<br />

unserer Welt dieses Bewusstsein weitertragen<br />

<strong>und</strong> sich organisieren. Nur<br />

so können sie gemeinschaftlich ihre<br />

Nöte ausdrücken <strong>und</strong> politischen<br />

Druck auf die Industriestaaten ausüben.<br />

Der politische Druck ist wesentliche<br />

Voraussetzung für das Einlenken<br />

der ‚Ersten Welt.<br />

Neben dem politischen, muss auch<br />

wirtschaftlicher Druck zum Umdenken<br />

der weltweit agierenden Unternehmen<br />

führen. Wir, die Konsumenten, haben<br />

es in der Hand, die Bedingungen für<br />

unsere Kaufentscheidung selbst zu<br />

bestimmen.<br />

Wir die Konsumentenländer wirken<br />

damit vielleicht am direktesten auf die<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Lebensbedingungen der<br />

Menschen in den Entwicklungsländer<br />

ein.<br />

<strong>Global</strong>isierung ist eine große Chance für die Welt.<br />

Ländern wie China <strong>und</strong> Indien werden dadurch enorme<br />

Wachstumschancen eröffnet. Gerade die Länder, die<br />

sich voll auf die <strong>Global</strong>isierung einlassen, sind doch die<br />

einzigen Lichtblicke in der Weltwirtschaft. Überall sonst<br />

sieht es düster aus. Die USA haben riesige Defizite in<br />

Staatshaushalt <strong>und</strong> Leistungsbilanz, das Wirtschaftswachstum<br />

in Europa ist nicht der Rede wert. Aber abgesehen<br />

von den wirtschaftlichen Vorteilen: <strong>Global</strong>isierung<br />

ist auch moralisches Gebot. Denn sie bedeutet letzten<br />

Endes Gleichheit. Gleiche Chancen für alle. Wenn die<br />

transatlantischen Partner Europa <strong>und</strong> Amerika eine<br />

Festung schafften, dann wäre das moralisch verwerflich<br />

<strong>und</strong> wirtschaftlich dumm.<br />

Peter Sutherland, ehemaliger <strong>WTO</strong>-Chef gegenüber der<br />

Welt am Sonntag vom 28.11.04<br />

7


8<br />

<strong>WTO</strong> <strong>und</strong> Fairer <strong>Handel</strong> - Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der<br />

Produzenten- <strong>und</strong> Konsumentenländer aus EU-<strong>und</strong> deutscher Sicht<br />

Von Karina Böckmann<br />

Die Welthandelsorganisation (<strong>WTO</strong>) ist neben Weltbank <strong>und</strong> Weltwährungsfonds<br />

die treibende Kraft der <strong>Global</strong>isierung. Sie besteht aus 148 Mitgliedern inklusive<br />

Deutschland <strong>und</strong> der EU <strong>und</strong> ist für drei Vertragswerke zuständig: für das seit 1947<br />

in verschiedenen Gesprächsr<strong>und</strong>en erweiterte Allgemeine Zoll- <strong>und</strong> <strong>Handel</strong>sabkommen<br />

GATT, das internationale Patentrechtabkommen TRIPS <strong>und</strong> das<br />

Dienstleistungsabkommen GATS.<br />

GATT, das Welthandelsabkommen, war eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen,<br />

die die Rahmenbedingungen des Welthandels mit dem Ziel festlegte, durch<br />

den Abbau von <strong>Handel</strong>shemmnissen den Welthandel zu fördern. Es wurde 1947<br />

von 23 Staaten in Genf abgeschlossen, trat 1948 in Kraft <strong>und</strong> wurde 1996 durch<br />

die <strong>WTO</strong> abgelöst. Die vertraglichen Regelungen von GATT einschließlich sämtlicher<br />

Unterabkommen <strong>und</strong> Vereinbarungen sind in die <strong>WTO</strong> eingegangen.<br />

TRIPS, das Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen<br />

Eigentums, wurde eingerichtet, um das Recht auf geistiges Eigentum weltweit einheitlich<br />

zu schützen. 1995 bei der Gründung der<br />

<strong>WTO</strong> vereinbart, ist es mit Fragen der weltweiten<br />

Patentierung geistigen Eigentums sowie der<br />

Welthandelsorganisation (<strong>WTO</strong>)<br />

Klärung von Streitfällen befasst.<br />

148 Mitgliedstaaten<br />

Prinzip der Konsensentscheidungen: eine Entscheidung gilt als<br />

angenommen, wenn ihr kein Mitgliedst aat formell widerspricht<br />

Welthandelsorganisation (<strong>WTO</strong>) 146 Mitgliedstaaten Prinzip<br />

der Konsensentscheidungen: eine Entscheidung gilt als<br />

angenommen, wenn ihr kein Mitgliedstaat formell widerspricht<br />

Güter- <strong>und</strong><br />

Zollabkommen<br />

(GATT) regelt den<br />

Warenverkehr in den<br />

Bereichen:<br />

• Industriegüter:<br />

Zollsenkungen bis zu<br />

100%<br />

• Landwirtschaft:<br />

Abbau von<br />

Subventionen<br />

• Textilhandel: Abbau<br />

von<br />

Exportbeschränkungen<br />

Güter- <strong>und</strong><br />

Zollabkommen<br />

(GATT)<br />

regelt den<br />

Warenverkehr in den<br />

Bereichen:<br />

Industriegüter:<br />

Zollsenkungen bis zu<br />

100%<br />

• Landwirtschaft:<br />

Abbau von<br />

Subventionen<br />

• Textilhandel: Abbau<br />

von<br />

Exportbeschränkungen<br />

Dienstleistungs -<br />

abkommen<br />

(GATS)<br />

regelt den <strong>Handel</strong><br />

mit<br />

Dienstleistungen.<br />

Öffnung der Märkte,<br />

Abbau von<br />

<strong>Handel</strong>shemmnissen<br />

in den Bereichen:<br />

•<br />

Telekommunikation<br />

• Banken <strong>und</strong><br />

Versicherungen<br />

• Transport<br />

• Tourismus<br />

Dienstleistungs -<br />

abkommen<br />

(GATS)<br />

regelt den <strong>Handel</strong><br />

mit<br />

Dienstleistungen.<br />

Öffnung der Märkte,<br />

Abbau von<br />

<strong>Handel</strong>shemmnissen<br />

in den Bereichen:<br />

•<br />

Telekommunikation<br />

• Banken <strong>und</strong><br />

Versicherungen<br />

• Transport<br />

• Tourismus<br />

Abkommen über<br />

geistiges Eigentum<br />

(TRIPS)<br />

regelt den Schutz des<br />

geistigen Eigentums in<br />

den Bereichen:<br />

• Patente<br />

• Marken<br />

• Urheberrecht<br />

• Industriedesign<br />

•Computerprogramme<br />

Abkommen über<br />

geistiges Eigentum<br />

(TRIPS)<br />

regelt den Schutz des<br />

geistigen Eig entums in<br />

den Bereichen:<br />

• Patente<br />

• Marken<br />

• Urheberrecht<br />

• Industriedesign<br />

• Computerprogramme<br />

Grafik: P&U<br />

Streitschlichtung<br />

Regelung bei <strong>Handel</strong>skonflikten Streitschlichtung Regelung<br />

Die Patente beschränken sich dabei nicht nur auf<br />

industrielle oder handwerkliche Innovationen,<br />

sondern betreffen auch die Biotechnologie. So<br />

können Personen oder Firmen die Rechte an<br />

Mikroorganismen, Gensequenzen <strong>und</strong> Bakterien<br />

<strong>und</strong> deren Vermarktung erlangen. Hier setzt die<br />

Kritik der <strong>Global</strong>isierungsgegner an: Große<br />

Agrarkonzerne lassen Saatgut patentieren, das<br />

traditionell von Kleinbauern in Entwicklungsländern<br />

angebaut wird. Diese müssen auf einmal<br />

das Saatgut inklusive einer Lizenzgebühr kaufen<br />

<strong>und</strong> erhalten unter Umständen Sorten, die sich nur<br />

einmal aussäen lassen.<br />

TRIPS kann sich auch verheerend auf die<br />

Versorgung von Aids-Kranken mit preiswerten<br />

Medikamenten negativ auswirken. Wenn sich<br />

Indien beispielsweise, ein wichtiger Hersteller<br />

preiswerter Generika, TRIPS verpflichtet, werden<br />

die indischen Produzenten nicht mehr ohne weiteres<br />

ihre kopierten Erzeugnisse auf dem Markt<br />

absetzen können. Was das für die vielen HIV<br />

Aidskranken in den armen Entwicklungsländern<br />

bedeuten, lässt sich unschwer ausmalen.<br />

TRIPS wird aus diesen Gründen als<br />

Machtinstrument der großen Konzerne in den


Industriestaaten betrachtet. Tatsächlich<br />

waren es die Länder des Nordens, die<br />

mit Unterstützung der Pharma- <strong>und</strong><br />

Agrochemiekonzerne <strong>und</strong> gegen den<br />

Willen der meisten Entwicklungsländer<br />

im Rahmen der GATT-Uruguay-R<strong>und</strong>e<br />

auf eine <strong>Global</strong>isierung des<br />

Patentrechts drängten. Der Süden<br />

stimmte den Forderungen am Ende zu,<br />

weil er sich im Rahmen des<br />

Gesamtpakets Vorteile im Agrar- <strong>und</strong><br />

Textilsektor erhoffte. Diese Hoffnungen<br />

haben sich zum größten Teil nicht<br />

erfüllt.<br />

Ebenfalls kontrovers diskutiert wird<br />

GATS, das Abkommen zur Liberalisierung<br />

des <strong>Handel</strong>s mit Dienstleistungen.<br />

Dieses Vertragswerk soll<br />

öffentliche Dienste <strong>und</strong> wichtige<br />

Infrastrukturleistungen wie Post <strong>und</strong><br />

Telekommunikation, Energie- <strong>und</strong><br />

Wasserversorgung, Banken <strong>und</strong><br />

Versicherungen, medizinische <strong>und</strong><br />

soziale Dienste, Tourismus <strong>und</strong><br />

Transport, <strong>Handel</strong> <strong>und</strong> Bauwesen,<br />

Bildung <strong>und</strong> Kultur regeln.<br />

Von zentraler Bedeutung für GATS<br />

sind das Meistbegünstigungsprinzip,<br />

das vorschreibt, dass einem Land<br />

gewährte <strong>Handel</strong>svergünstigungen<br />

auch für alle anderen <strong>WTO</strong>-Mitglieder<br />

gelten müssen, sowie das Prinzip der<br />

Inländerbehandlung. Es verlangt, dass<br />

gebietsfremde <strong>und</strong> gebietsansässige<br />

Firmen gleichermaßen wettbewerbsfähig<br />

sind.<br />

Dieses Abkommen begünstigt nach<br />

Ansicht seiner Kritiker erneut die großen<br />

Konzerne. Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGOs) aus aller Welt<br />

haben wiederholt darauf hingewiesen,<br />

dass der Dienstleistungssektor in den<br />

Industriestaaten bereits zwei Drittel der<br />

Wirtschaftsleistung ausmacht <strong>und</strong> das<br />

Interesse der führenden Unternehmen<br />

an einer weltweiten Liberalisierung<br />

dieses Sektors entsprechend groß sei.<br />

Fast alle Erfahrungen mit der<br />

Liberalisierung öffentlicher Dienst-<br />

leistungen haben gezeigt, dass die<br />

Preise steigen, die Qualität abnimmt,<br />

Arbeitsplätze verloren gehen <strong>und</strong> sich<br />

Einkommen <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen<br />

verschlechtern.<br />

Die Entscheidungsfindung bei der<br />

<strong>WTO</strong> lässt Vertretern vieler<br />

Entwicklungsländer kaum Partizipationsmöglichkeiten.<br />

Zwar gilt in der <strong>WTO</strong><br />

formal das Konsensprinzip. Konsens<br />

bedeutet aber, dass keiner der bei<br />

einem Treffen Anwesenden ausdrücklich<br />

einem Vorschlag widerspricht. Für<br />

viele Entwicklungsländer, die in Genf<br />

nur sehr kleine Delegationen unterhalten,<br />

ist eine tatsächliche Anwesenheit<br />

in den oft parallel stattfindenden<br />

Sitzungen verschiedener <strong>WTO</strong> Gremien<br />

nicht möglich. Das Konsensprinzip in<br />

der <strong>WTO</strong> sichert daher in erster Linie,<br />

dass nichts gegen den Willen der großen<br />

<strong>Handel</strong>smächte entschieden werden<br />

kann.<br />

"Willy Brandts Bild von der `Einen Welt' nimmt immer konkretere<br />

Gestalt an. Die Welt wächst also zusammen - doch droht sie<br />

zugleich auseinander zu fallen, denn die Chancen <strong>und</strong> Risiken,<br />

die sich aus der <strong>Global</strong>isierung ergeben, sind zwischen den<br />

Nationen, aber auch innerhalb von Gesellschaften eines Landes,<br />

äußerst ungleich verteilt"<br />

Nord-Süd-Beziehungen zwischen Markt <strong>und</strong> Moral -<br />

Rede von B<strong>und</strong>esministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul anlässlich<br />

des 60. Geburtstages von Prof. Dr. Klaus Fritzsche<br />

(17. Juni 2000, Gießen)<br />

Schließlich ist zu sehen, dass auch bei<br />

einem formalen `Ein-Land-eine-<br />

Stimme'-Prinzip die ungleiche<br />

Machtverteilung in der <strong>WTO</strong> zwischen<br />

den mächtigen <strong>Handel</strong>snationen <strong>und</strong><br />

vielen kleinen - oft auf Gr<strong>und</strong> von<br />

Verschuldung finanziell <strong>und</strong> wirtschaftlich<br />

abhängigen <strong>und</strong> somit ohnmächtigen<br />

- Staaten bestehen bleibt.<br />

Die Kritiker weisen zudem darauf hin,<br />

dass die Verpflichtung ohne eine vorangegangene<br />

öffentliche Diskussion<br />

eingegangen wurde, obwohl fast alle<br />

9


Was bedeutet die<br />

Abkürzung "<strong>WTO</strong>"?<br />

a World<br />

Telecommunication<br />

Organisation<br />

b Welttierorganisation<br />

World Trash Office<br />

c WorldTrade<br />

Organisation<br />

10<br />

Teile der Bevölkerung von den direkten<br />

Auswirkungen von GATS wie<br />

Massenarbeitslosigkeit, dem Verlust<br />

arbeitsrechtlicher Minimalstandards<br />

oder hohe Bildungs- <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitsgebühren betroffen sind.<br />

Ob GATS oder TRIPS - beide<br />

Abkommen sollen dazu beitragen,<br />

den weltweiten <strong>Handel</strong> im Zuge der<br />

stetig voranschreitenden <strong>Global</strong>isierung<br />

zu regeln.<br />

<strong>Global</strong>isierung - Chancen <strong>und</strong><br />

Risiken<br />

"Die <strong>Global</strong>isierung ist eine der dominierenden<br />

Entwicklungen im letzen<br />

Jahrzehnt des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Sie<br />

prägt ein neues Zeitalter der Wechselbeziehungen<br />

zwischen Staaten,<br />

Volkswirtschaften <strong>und</strong> Menschen.<br />

Einerseits vermehrt sie die Kontakte<br />

zwischen Menschen über Staatsgrenzen<br />

hinweg - in der Wirtschaft,<br />

der Technik, der Kultur <strong>und</strong> der Politik.<br />

Andererseits fragmentiert sie jedoch<br />

auch die Produktionsprozesse, die<br />

Arbeitsmärkte, politische Strukturen<br />

<strong>und</strong> Gesellschaften. <strong>Global</strong>isierung<br />

bedeutet also zum einen positive<br />

Aspekte, Innovation <strong>und</strong> Dynamik,<br />

zum anderen aber auch negative<br />

Aspekte, Einschnitte <strong>und</strong> Marginalisierung"<br />

(UN-Entwicklungsprogramm - UNDP:<br />

Bericht zur menschlichen Entwicklung<br />

1999)<br />

Zu den positiven Seiten der<br />

<strong>Global</strong>isierung lässt sich sagen, dass<br />

räumliche <strong>und</strong> zeitliche Distanzen<br />

keine Rolle mehr spielen, die trennende<br />

Bedeutung nationalstaatlicher<br />

Grenzen wegfällt. Statt dessen kommt<br />

es zu einer grenzüberschreitenden<br />

wirtschaftlichen, wissenschaftlichen,<br />

technologischen, sozialen <strong>und</strong> politischen<br />

Zusammenarbeit, die zum<br />

Nutzen aller ausschlagen kann.<br />

Die Welt verbindende Komponente<br />

der <strong>Global</strong>isierung begünstigt den<br />

Trend, globale Probleme gemeinsam<br />

zu lösen.<br />

Somit hätte die <strong>Global</strong>isierung theoretisch<br />

das Zeug, den Menschheitstraum<br />

von einer friedlichen Welt <strong>und</strong> einer<br />

gerechten Welthandelsordnung wahr<br />

werden zu lassen, in der Armut <strong>und</strong><br />

Hunger keinen Platz mehr haben <strong>und</strong><br />

universelle Werte zum Tragen kommen.<br />

Entwicklungsministerin Heidemarie<br />

Wieczorek-Zeul hat darauf hingewiesen,<br />

dass Willy Brands Bild von der<br />

'Einen Welt' im Zeitalter der<br />

<strong>Global</strong>isierung immer konkretere<br />

Formen annimmt. Die Welt wachse<br />

zusammen, drohe aber gleichzeitig,<br />

aufgr<strong>und</strong> äußerst ungleich verteilter<br />

Chancen <strong>und</strong> Risiken wieder auseinander<br />

zu fallen.<br />

Und hier kommen wir zu den negativen<br />

Seiten der <strong>Global</strong>isierung.<br />

Ungezügelt <strong>und</strong> unreguliert lässt sie<br />

sich als Instrument der Stärkeren missbrauchen.<br />

In einem solchen Fall bleiben<br />

die schwächeren Kräfte - ob nun<br />

der Einzelne, Gesellschaftsgruppen,<br />

Länder oder Weltregionen - auf der<br />

Strecke.<br />

Das ist auch der Gr<strong>und</strong>, warum die<br />

<strong>Global</strong>isierung der Wirtschaft in der<br />

öffentlichen Diskussion zunehmend<br />

kritisch behandelt wird. Sie wird für<br />

eine Vielzahl negativer Entwicklungen<br />

wie der Vernichtung von Arbeitsplätzen<br />

oder den Abbau arbeitsrechtlicher<br />

Errungenschaften verantwortlich<br />

gemacht. Außerdem löst die<br />

Geschwindigkeit, in der sie sich vollzieht,<br />

ein Gefühl der Hilflosigkeit aus,<br />

in den Sog eines Prozesses zu geraten,<br />

dessen Auswirkungen für den<br />

Einzelnen nicht absehbar sind.


<strong>Global</strong>isierung gestern<br />

Wenn Wieczorek-Zeul davon spricht,<br />

dass Fehlentwicklungen der<br />

<strong>Global</strong>isierung mit Verelendung <strong>und</strong><br />

Massenarmut, Umweltzerstörung <strong>und</strong><br />

Kriegen sowie mit einer armutsbedingten<br />

oder durch Menschenrechtsverletzungen<br />

ausgelösten Migration einhergehen,<br />

so drängt sich das Bild von<br />

den Anfängen der Industrialisierung<br />

auf.<br />

Tatsächlich ist die <strong>Global</strong>isierung im<br />

wirtschaftlichen Sinne eine neue<br />

Etappe in einer Entwicklung, die spätestens<br />

seit der Kolonialisierung die<br />

Welt in Sieger <strong>und</strong> Verlierer eingeteilt<br />

hat. Damals begann der weltweite<br />

<strong>Handel</strong> mit Fertigwaren <strong>und</strong><br />

Rohstoffen. Selbst Kapital wurde<br />

exportiert, um es in Bergwerke <strong>und</strong><br />

Plantagen zu investieren. Die<br />

Aussichten auf hohe Gewinne waren<br />

gut, menschliche Arbeitskräfte aufgr<strong>und</strong><br />

von Ausbeutung <strong>und</strong> Sklaverei<br />

billig.<br />

Die ersten transnational agierenden<br />

Unternehmen bildeten sich im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert. Anfang des 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts wuchs der Warenaustausch<br />

zwischen Europa, USA,<br />

Japan, Russland einerseits <strong>und</strong> zwischen<br />

den Kolonien <strong>und</strong> den europäischen<br />

Kolonialmächten anderseits.<br />

Nach dem ersten Weltkrieg steigerten<br />

die arbeitsteilige Organisation der<br />

Produktion <strong>und</strong> Fließbandarbeit die<br />

industrielle Produktivität <strong>und</strong> den internationalen<br />

<strong>Handel</strong>. Damit einher ging<br />

die Verflechtung auf den internationalen<br />

Kapitalmärkten: So kauften<br />

Europäer Aktien aufstrebender USamerikanischer<br />

Firmen, <strong>und</strong> US-amerikanische<br />

Unternehmen investierten in<br />

Europa.<br />

Das Ausmaß der Verflechtung verdeutlicht<br />

die Weltwirtschaftskrise von<br />

1929, als der Einbruch der Aktienkurse<br />

in New York innerhalb weniger<br />

St<strong>und</strong>en Panikverkäufe, Banken- <strong>und</strong><br />

Firmenpleiten nach sich zog. Der so<br />

genannte `Schwarze Freitag' brachte<br />

nicht der US-amerikanischen<br />

Volkwirtschaft den Zusammenbruch,<br />

sondern stürzte auch die europäischen<br />

Volkswirtschaften in den Abgr<strong>und</strong>.<br />

Diese dramatische Entwicklung veranlassten<br />

USA, ihre westlichen<br />

Verbündeten <strong>und</strong> einige anderen<br />

Staaten 1944 auf einer Konferenz im<br />

US-amerikanischen Bretton Woods<br />

eine neue Weltfinanzordnung zu entwerfen.<br />

Auf dem Treffen wurden<br />

Weltbank <strong>und</strong> Internationaler<br />

Währungsfonds (IWF) gezeugt. Beide<br />

Finanzorganisationen sind befähigt,<br />

international wirksame <strong>und</strong> für alle<br />

Mitglieder gleichermaßen verbindliche<br />

währungs- <strong>und</strong> finanzpolitische<br />

Regelungen zu treffen.<br />

Anfang der 70er Jahre ließ die<br />

Erdölkrise die sechs größten<br />

Industrienationen zusammenrücken.<br />

Die Staaten kamen überein, ihre nationale<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungspolitik<br />

stärker aufeinander abzustimmen.<br />

Kurz darauf engagierten sich USA<br />

<strong>und</strong> Großbritannien zusammen mit<br />

den transnationalen Konzernen für<br />

eine Deregulierung der Weltwirtschaft.<br />

Politisch vorangebracht wurde die<br />

wirtschaftliche Internationalisierung<br />

durch die GATT-Zollverhandlungen,<br />

die Aufkündigung des Systems fester<br />

Wechselkurse, den europäischen<br />

Integrationsprozess <strong>und</strong> das Nordamerikanische<br />

Freihandelsabkommen<br />

(NAFTA). Verstärkend wirkten sich<br />

dann der ungehinderte Kapitalfluss<br />

sowie die Abschaffung von<br />

Zollschranken <strong>und</strong> Regelungen aus.<br />

Durch den Zusammenbruch der<br />

Sowjetunion konnte sich das marktwirtschaftliche<br />

System weltweit durchsetzen,<br />

selbst in Ländern wie China<br />

oder Vietnam, die sich selbst als<br />

`sozialistisch' betrachten.<br />

11


12<br />

<strong>Global</strong>isierung heute<br />

Mit sozialer Marktwirtschaft, die einen<br />

Ausgleich der Interessen von Arbeit<br />

<strong>und</strong> Kapital anstrebt <strong>und</strong> die sozial<br />

Schwachen vor Verelendung schützt,<br />

haben diese Entwicklungen wenig zu<br />

tun. Ganz im Gegenteil: Selbst in<br />

Ländern, in denen Elemente der sozialen<br />

Marktwirtschaft bislang als unverrückbarer<br />

gesellschaftlicher Konsens<br />

galten, laufen sie heute Gefahr, zugunsten<br />

wirtschaftsliberaler Entwicklungen<br />

ausrangiert zu werden.<br />

Die Entwicklung hin zu einer beschleunigten<br />

<strong>und</strong> grenzenlosen Weltwirtschaft<br />

hat auch für die Firmen in<br />

den Industriestaaten gravierende<br />

Auswirkungen. Zu nennen wäre beispielsweise<br />

der zunehmenden<br />

Konkurrenzdruck für kleine, mittlere<br />

<strong>und</strong> große Unternehmen sowie die<br />

Standortverlagerungen von Betrieben<br />

ins Ausland, die Folgeprobleme für die<br />

Beschäftigten <strong>und</strong> für die staatlichen<br />

Steuerungs- <strong>und</strong> Sicherungssysteme<br />

mit sich bringen.<br />

Wenn wir uns die aktuelle Diskussion<br />

über den Wirtschaftsstandort Deutschland<br />

vor Augen führen, wird eigentlich<br />

sehr schnell klar, worin sich die gestrige<br />

<strong>Global</strong>isierung von der heutigen<br />

unterscheidet: Erstmals finden sich<br />

nämlich auch die reichen Länder, die<br />

bisher auf der Sonnenseite der weltwirtschaftlichen<br />

Entwicklung standen,<br />

auf der Seite der Leidtragenden wieder.<br />

Viel gravierender sind die Folgen<br />

jedoch für die Entwicklungsländer. Die<br />

<strong>Global</strong>isierung ist ein Trend, in dem<br />

Gewinne <strong>und</strong> Verluste nicht gleichmäßig<br />

austariert sind. Das führt zu einer<br />

Polarisierung zwischen wenigen<br />

Ländern <strong>und</strong> Bevölkerungsgruppen,<br />

die profitieren <strong>und</strong> vielen Staaten <strong>und</strong><br />

Gruppen, die verlieren oder an den<br />

Rand gedrängt werden. Die<br />

Ungleichheit <strong>und</strong> Unausgewogenheit<br />

des aktuellen <strong>Global</strong>isierungsprozesses<br />

manifestiert sich in der<br />

schnell wachsenden Kluft zwischen<br />

Arm <strong>und</strong> Reich, zwischen<br />

Entwicklungs- <strong>und</strong> Industrienationen<br />

<strong>und</strong> zwischen Gewinnern <strong>und</strong><br />

Verlierern.<br />

Vor allem gilt es zunächst mit einem<br />

Mythos aufzuräumen: Von einem weltweiten<br />

<strong>Handel</strong>ssystem, das immer in<br />

der Diskussion über die <strong>Global</strong>isierung<br />

auftaucht, kann nicht die Rede<br />

sein. Der <strong>Handel</strong> wird vor allem zwischen<br />

den hochentwickelten Industrienationen<br />

abgewickelt <strong>und</strong> geht an den<br />

Entwicklungsländern weitgehend vorbei.<br />

Nur einigen wenigen Schwellenländern<br />

- interessanterweise diejenigen,<br />

in denen sich der Staat nicht aus<br />

der Wirtschaft zurückgezogen hat -<br />

konnten vom Welthandel profitieren.<br />

Die negativen Seiten der <strong>Global</strong>isierung<br />

für die weniger entwickelten<br />

Länder haben sich bereits in den 80er<br />

<strong>und</strong> 90er Jahren gezeigt. Sie lassen<br />

sich besonders gut an regionalen<br />

<strong>Handel</strong>sabkommen zwischen starken<br />

<strong>und</strong> schwachen Partnern wie NAFTA<br />

aufzeigen. Der 1994 eingerichteten<br />

Nordamerikanischen Freihandelszone<br />

gehören auf der einen Seite Kanada<br />

<strong>und</strong> die USA <strong>und</strong> auf der anderen<br />

Seite Mexiko an.<br />

Im Vorfeld des Vertragsabschlusses ist<br />

es zu unzähligen Protesten zivilrechtlicher<br />

Organisationen gekommen, die<br />

auf die unzähligen Gefahren dieses<br />

Vertragswerks für das lateinamerikani-


sche Land hinwiesen. Tatsächlich stellte<br />

sich heraus, dass die Auswirkungen<br />

von NAFTA für Mexiko mehr als<br />

ernüchternd sind.<br />

Eine verheerende Bilanz hat eine länderübergreifende<br />

Studie gezogen, die<br />

unter maßgeblicher Beteiligung des<br />

Mexikanischen NGO-Netzwerks<br />

gegenüber dem Freihandel RMALC<br />

zustande kam <strong>und</strong> sich mit dem Preis<br />

des Freihandels für den schwächsten<br />

NAFTA-Partner auseinandersetzt.<br />

Der Untersuchung zufolge kontrollieren<br />

nur wenige große Exportunternehmen<br />

den mexikanischen<br />

Außenhandel <strong>und</strong> sind vom Rest der<br />

einheimischen Ökonomie weitgehend<br />

abgekoppelt. Kleine <strong>und</strong> mittlere<br />

Unternehmen sind nur mit knapp über<br />

fünf Prozent an den mexikanischen<br />

Exporten beteiligt.<br />

NAFTA hat zudem kaum Arbeitsplätze<br />

geschaffen. Zwischen 2000 <strong>und</strong><br />

2003, in den ersten drei Jahren unter<br />

der Regierung von Präsident Vicente<br />

Fox stieg die Arbeitslosigkeit sogar<br />

wieder an. In mexikanischen Pesos<br />

gemessen sind die Löhne im Land<br />

niedriger als vor dem NAFTA-Start.<br />

Die Preise der Güter des<br />

Gr<strong>und</strong>warenkorbes stiegen erheblich<br />

mehr als die Einnahmen der<br />

Landwirte. Produzenten von Basisprodukten<br />

wie Mais, Bohnen,<br />

Getreide, Reis <strong>und</strong> Fleisch litten am<br />

meisten unter der <strong>Handel</strong>söffnung.<br />

Außerdem ist es nicht zu der vorausgesagten<br />

Diversifizierung der<br />

Wirtschaft gekommen. Immer noch<br />

stammen 45 Prozent der Exporterlöse<br />

aus den Maquila-Fertigungsbetrieben,<br />

den lokalen Niederlassungen transnationaler<br />

Konzerne in Sonderwirtschaftszonen.<br />

Dort besteht der<br />

Anteil von in Mexiko gekauften Inputs<br />

für die wieder über die Grenze<br />

geschickte Fertigware aus nur drei<br />

Prozent. Entsprechend gering ist die<br />

Schubkraft für die einheimische<br />

Industrie, die in vielen Bereichen am<br />

Boden liegt.<br />

Die Migration in die USA wurde durch<br />

NAFTA ebenso wenig eingedämmt,<br />

<strong>und</strong> das durchschnittliche mexikanische<br />

Wirtschaftswachstum in der<br />

NAFTA-Periode von gerade einmal<br />

einem Prozent - andere Berechnungen<br />

gehen von maximal zwei Prozent aus<br />

- liegt deutlich unter den Wachstumsraten<br />

in der Zeit vor NAFTA.<br />

Da nützt es auch nichts, dass Mexiko<br />

zu einem führenden Exporteur von<br />

Laptops geworden ist. 95 Prozent der<br />

Exporte entfallen auf nur etwa 300<br />

einheimische Unternehmen <strong>und</strong> 3.500<br />

der berüchtigten Maquiladora-<br />

Betriebe.<br />

85 Prozent der Laptop-Exporte werden<br />

innerhalb von Import-Export-<br />

Programmen abgewickelt. Konkret<br />

bedeutet dies, dass Halbfertigprodukte<br />

importiert, in Mexiko verarbeitet, <strong>und</strong><br />

dann reexportiert werden. Steuern<br />

<strong>und</strong> Zölle fallen kaum an, <strong>und</strong> die tatsächliche<br />

Wertschöpfung in Mexiko<br />

bleibt minimal. Exportiert die<br />

Maquila-Industrie eine Ware im Wert<br />

von 100 US-Dollar, werden nur drei<br />

Dollar in Mexiko erzeugt.<br />

Die größten NAFTA-Verlierer sind die<br />

mexikanischen Bauern. Die Land-<br />

Foto: geomedien.uni-kiel<br />

wirtschaft kann mit den subventionierten<br />

US-Konzernen nicht konkurrieren.<br />

1,3 Millionen Arbeitsplätze in der<br />

13


<strong>Global</strong>isierung ist kein Schicksal -<br />

eine andere Welt ist möglich!<br />

ATTAC<br />

14<br />

Agrarwirtschaft gingen zwischen<br />

1994 <strong>und</strong> 2002 verloren.<br />

Sobald sich Mexiko den Billig-<br />

Importen aus dem Norden öffnete,<br />

fielen die Preise so tief, dass die lokalen<br />

Bauern vielfach unter den<br />

Produktionskosten verkaufen oder aufgeben<br />

mussten. Zu allem Übel fanden<br />

nur etwa 600 000 Mexikaner in den<br />

neu entstandenen Fabriken <strong>und</strong> hauptsächlich<br />

in der Exportindustrie Arbeit.<br />

Nach Angaben der mexikanischen Regierung<br />

sind in den letzten drei Jahren<br />

20 Prozent dieser Arbeitsplätze wieder<br />

verloren gegangen.<br />

Inzwischen sind es längst nicht mehr<br />

nur die klassischen Gegner der<br />

Freihandelsabkommen<br />

im Land, die NAFTA für<br />

die Schattenseiten der<br />

immer stärkeren Verflechtung<br />

ungleicher Volkswirtschaftenverantwortlich<br />

machen. So kom-<br />

mentierte Carlos Rojas, Präsident der<br />

mexikanischen Außenhandels-kammer,<br />

unlängst: "Der Norden ähnelt<br />

immer mehr den USA, im Süden wird<br />

die Armut größer. Ein Mexiko mit 50<br />

Millionen Armen ist kein zukunftsfähiges<br />

Projekt."<br />

Transnationale Konzerne sind die<br />

wichtigsten Akteure im internationalen<br />

<strong>Handel</strong>. Die UN-Organisation für<br />

<strong>Handel</strong> <strong>und</strong> Entwicklung (UNCTAD)<br />

schätzt, dass es weltweit 65.000 transnationale<br />

Unternehmen mit 850.000<br />

ausländischen Tochtergesellschaften<br />

gibt. Davon haben drei Viertel ihren<br />

Sitz in den USA, Japan oder Europa.<br />

Sie beherrschen zwei Drittel des<br />

Weltmarkts, tragen aber nur ein<br />

Viertel zum Weltsozialprodukt bei.<br />

Dass die Unternehmen selbst in<br />

Billiglohnländern nicht davor zurückschrecken,<br />

die ohnehin niedrigen<br />

Lohn- <strong>und</strong> Produktionskosten weiter zu<br />

drücken, zeigt wie wichtig es ist, die<br />

Multis auf umweltpolitische <strong>und</strong><br />

arbeitsrechtliche Richtlinien festzulegen,<br />

wie dies NGOs in aller Welt seit<br />

langem fordern.<br />

<strong>Global</strong>isierung <strong>und</strong><br />

Beschäftigung<br />

Die weltweite Liberalisierungspolitik<br />

hat Produktions- <strong>und</strong> Beschäftigungsmuster<br />

hervorgebracht, die wir bereits<br />

am Beispiel Mexiko kennen gelernt<br />

haben:<br />

Arbeitsintensive Industrien wurden in<br />

Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern,<br />

vor allem in so genannten Sonderexportzonen<br />

angesiedelt, in denen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Sozialrechte weitgehend<br />

außer Kraft gesetzt sind. Mit Hilfe<br />

neuer Technologien entwickelten Multis<br />

ein System globaler Beschaffung, das<br />

aus einem weit verzweigten Netz von<br />

Lieferanten <strong>und</strong> Unterlieferanten bis<br />

hin zur Heimarbeit gewebt ist. Dies hat<br />

zur Folge, dass Beschäftigungsverhältnisse<br />

informalisiert, also dem<br />

arbeitsrechtlichen Schutz entzogen<br />

werden.<br />

Frauen werden aufgr<strong>und</strong> der fast vollständig<br />

von ihnen geleisteten unbezahlten<br />

Haus- <strong>und</strong> Familienarbeit auf<br />

dem Arbeitsmarkt weiter benachteiligt<br />

- weltweit verdienen sie in Industrie<br />

<strong>und</strong> im Dienstleistungssektor 22<br />

Prozent weniger als Männer. Obwohl<br />

die <strong>Global</strong>isierung einigen wenigen<br />

gut qualifizierten Frauen neue<br />

Chancen eröffnet hat, hat sie<br />

Ungleichheiten <strong>und</strong> Unsicherheiten für<br />

arme Frauen erhöht, heißt es in einer<br />

Untersuchung der UN-Frauenorganisation<br />

UNIFEM aus dem Jahr 2000. In<br />

den Exportzonen <strong>und</strong> in der Schattenwirtschaft<br />

stellen Frauen zwei Drittel<br />

der Beschäftigten.


Verweise darauf, dass gerade die<br />

Billiglohnländer in Sachen Beschäftigung<br />

profitieren, sind nur bedingt<br />

richtig. Zwar werden dort neue Stellen<br />

geschaffen, doch verdienen die<br />

Beschäftigten häufig weniger, als sie<br />

zum Leben brauchen. Selbst staatlich<br />

festgelegte Mindestlöhne werden<br />

unterlaufen. Hinzu kommen Arbeitsverhältnisse<br />

wie in der Frühzeit der<br />

Industrialisierung etwa mit extrem langen<br />

Arbeitszeiten <strong>und</strong> dem Fehlen von<br />

Schutzkleidung. Auch kommt es vor,<br />

dass vor der Einstellung von<br />

Arbeitskräften Aids- oder Schwangerschaftstests<br />

verlangt werden, was<br />

bisher bei uns bisher (noch) nicht<br />

denkbar ist.<br />

Ausnahmen bestätigen die Regel. So<br />

macht sich in der Firmenpolitik einiger<br />

bedeutender transnationaler Konzerne<br />

ein Umdenken bemerkbar. Unternehmen<br />

haben offenbar erkannt, dass<br />

zufriedene Arbeitnehmer eine durchaus<br />

lohnenswerte Investition sind. Ein<br />

Beispiel ist der Multi Chiquita, der in<br />

den letzten Jahren Arbeitsbedingungen<br />

<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsfürsorge auf den<br />

lateinamerikanischen Bananenplantagen<br />

deutlich verbessert hat. So werden<br />

die Arbeitsplatznormen inzwischen<br />

von Social Accountability 8000, einer<br />

Initiative zur Umsetzung so genannter<br />

`Codes of Conduct', zertifiziert. Auch<br />

ökologisch hat sich bei Chiquita eine<br />

Menge getan. So hat die<br />

Umweltgruppe `Rainforest Alliance'<br />

allen 115 Bananenfarmen von<br />

Chiquita das Zertifikat für nachhaltiges<br />

Wirtschaften ausgestellt. Dies ist<br />

bemerkenswert, wenn man bedenkt,<br />

dass in den 70er <strong>und</strong> 80er Jahre in<br />

der Bananenindustrie Gifte eingesetzt<br />

wurden, die unzählige Arbeiter<br />

unfruchtbar machten.<br />

Die Sozialstandard-Diskussion<br />

Dieses Phänomen ist ohne die<br />

Lobbyarbeit von Gewerkschaften,<br />

NGOs <strong>und</strong> Sozialnetzwerken in den<br />

Industrie- <strong>und</strong> Entwicklungsländern in<br />

den 90er Jahren <strong>und</strong>enkbar.<br />

Sie gaben den Anstoß für die<br />

Entwicklung handelsbezogener Mechanismen<br />

zur Verbesserung von<br />

Sozialstandards. Hierzu zählen<br />

Sozialklauseln, verschiedene Rahmenabkommen<br />

zwischen internationalen<br />

Gewerkschaften <strong>und</strong> multinationalen<br />

Unternehmen, Verhaltenskodizes <strong>und</strong><br />

die von der Transfair-Bewegung für<br />

den fairen <strong>Handel</strong> entwickelten <strong>und</strong><br />

angewandten ethischen Spielregeln.<br />

Seitdem die internationale Gewerkschaftsbewegung<br />

im Vorfeld der<br />

<strong>WTO</strong>-Ministerkonferenz von 1996<br />

den Vorschlag gemacht hat,<br />

Sozialklauseln mit Hilfe von <strong>WTO</strong>-<br />

Sanktionsmechanismen durchzusetzen,<br />

wird dieses Thema kontrovers<br />

diskutiert. Entwicklungsländer <strong>und</strong> vor<br />

allem asiatische Staaten stemmten sich<br />

aus Furcht dagegen, der Norden<br />

könnte die Sozialklauseln zu protektionistischen<br />

Zwecken missbrauchen.<br />

Stattdessen verweisen sie auf die<br />

Vorschläge zu Demokratisierung <strong>und</strong><br />

mehr Transparenz <strong>und</strong> Partizipation, wie<br />

sie die <strong>Global</strong>isierungsexperten der in<br />

der Gruppe der 77 zusammengefassten<br />

Entwicklungsländer im Jahre 2001 eingebracht<br />

haben. Zu den Vorschlägen<br />

gehören Evaluierungen der Auswirkungen<br />

bisheriger <strong>WTO</strong>-Abkommen auf<br />

Länder der so genannten Dritten Welt,<br />

ein Abbau der Schutzzölle der<br />

Industrieländer für ihre Agrar- <strong>und</strong><br />

Textilmärkte sowie Maßnahmen gegen<br />

den Rohstoffpreisverfall.<br />

15


16<br />

<strong>Global</strong>isierung in den Medien:<br />

Au-pairs - ein Siegel gegen Ausbeutung<br />

Ein Selbstmord brachte die deutsche Au-pair-Branche in Verruf. Jetzt einigten sich r<strong>und</strong> 100 Agenturen<br />

auf ein Gütezeichen. Au-pairs dürfen nur sechs St<strong>und</strong>en täglich arbeiten. Vizechefin des Vereins will<br />

Zulassung allein für gemeinnützige Anbieter<br />

AUS BERLIN JOCHEN SETZER<br />

Für Ramona aus Rumänien endete die Au-pair-Zeit im fränkischen Herrieden tödlich. Für 40 Cent pro<br />

St<strong>und</strong>e musste die 21-Jährige kochen, putzen <strong>und</strong> die vier Kinder ihrer Gastfamilie versorgen - von 6 bis<br />

23 Uhr, oft sieben Tage die Woche. Ihre Gastmutter soll sie mehrfach geschlagen haben. Kurz vor<br />

Weihnachten 2002 erhängte sich Ramona im Keller ihrer Peiniger.<br />

Dieser Extremfall <strong>und</strong> andere bekannt gewordene Missbrauchsfälle haben in Deutschland, aber auch im<br />

Ausland für Bestürzung gesorgt. Die Au-pair-Organisationen sind nun um ihr Image besorgt. "Deutsche<br />

Vermittler haben im Ausland keinen guten Ruf mehr", sagte Sandra Leidemer von der Au-pair-Society,<br />

die die privaten Anbieter vertritt. "Das wollten wir ändern."<br />

Über h<strong>und</strong>ert Au-pair-Agenturen haben sich jetzt zu einheitlichen Qualitätsstandards verpflichtet. Sie<br />

schlossen eine Vereinbarung, die Mindestanforderungen an Vermittlung, Vorbereitung <strong>und</strong> die Betreuung<br />

von Au-pairs in Deutschland festschreibt. Demnach sind nur leichte Hausarbeit <strong>und</strong> Kinderbetreuung<br />

zulässig. Ein Au-pair darf lediglich sechs St<strong>und</strong>en am Tag <strong>und</strong> dreißig St<strong>und</strong>en pro Woche arbeiten. Das<br />

Taschengeld wird ab 2005 von 205 auf 260 Euro erhöht. Außerdem muss die Familie ein eigenes Zimmer<br />

zur Verfügung stellen. Um in Notfällen schnell helfen zu können, soll eine 24-St<strong>und</strong>en-Hotline für Au-pairs<br />

eingerichtet werden. Die neu gegründete Gütegemeinschaft Au-pair e. V. soll ab Sommer 2005<br />

Gütezeichen an Vermittler vergeben, die diese Standards erfüllen.<br />

Die Unübersichtlichkeit auf dem Markt der Au-pair-Agenturen kam durch ein veränderte Rechtslage bei<br />

der privaten Arbeitsvermittlung zustande. Seit März 2002 können Gewerbetreibende <strong>und</strong> Gastfamilien<br />

auch ohne Lizenz Au-pairs anwerben <strong>und</strong> vermitteln. "Das öffnete den Markt auch für schwarze Schafe",<br />

erklärt Leidemer. Nachdem immer mehr Fälle von illegaler Beschäftigung <strong>und</strong> Ausbeutung bekannt<br />

geworden waren, hatte sich der B<strong>und</strong>estag für diese Selbstverpflichtung der Au-pair-Vermittler ausgesprochen.<br />

Die Situation für Au-pairs in Deutschland werde sich mit der Initiative nicht schlagartig ändern,<br />

sagte die stellvertretende Vorsitzende Barbara Schmidle. "Wir schaffen aber mehr Transparenz bei den<br />

Vermittlern."<br />

Jedes Jahr kommen etwa 30.000 junge Menschen für maximal zwölf Monate als Au-pairs nach<br />

Deutschland. Neun von zehn sind Frauen. Für Interessierte im Ausland wird es nun einfacher, unter den<br />

r<strong>und</strong> 1.500 Anbietern in Deutschland einen seriösen Vermittler zu finden - vorausgesetzt, sie kennen die<br />

Gütegemeinschaft. "Das B<strong>und</strong>esfamilienministerium hat zugesagt, unsere Gemeinschaft in Botschaften<br />

<strong>und</strong> Konsulaten bekannt zu machen", so Schmidle. "Darauf setzen wir."<br />

Ein Parallelmarkt, in dem sich auch weiterhin unseriöse Anbieter tummeln, könne dadurch jedoch nicht<br />

verhindert werden. Schmidle appelliert deshalb an die B<strong>und</strong>esregierung "die Au-pair-Vermittlung nur für<br />

Anbieter, die sich zu Mindeststandards verpflichten <strong>und</strong> zertifiziert sind, zuzulassen". Am liebsten wäre<br />

es Schmidle, die hauptamtlich in der katholischen Mädchenarbeit der Caritas tätig ist, wenn für die Aupair-Vermittlung<br />

die gleichen Standards wie beim freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) gelten würden. "Hier<br />

sind nur Träger der Jugendhilfe zugelassen," sagt Schmidle - also Organisationen, die gemeinnützige<br />

Ziele verfolgen. Diese Einschränkung aber wird sie kaum durchzusetzen können, denn das wäre das Aus<br />

für die kommerziellen Vermittler. Und die sind schließlich auch in der Gütegemeinschaft Au-pair aktiv.<br />

taz <strong>Nr</strong>. 7527 vom 30.1.2004, Seite 8, 121 Zeilen (TAZ-Bericht)


Solange es für die den Süden betreffenden<br />

elementaren Fragen innerhalb<br />

der <strong>WTO</strong> keine Lösungen gibt, ist nicht<br />

damit zu rechnen, dass in der<br />

Sozialklausel-Debatte eine Wende<br />

eintritt. Dass die Entwicklungsländer<br />

nicht bereit sind, sich einem <strong>WTO</strong>-<br />

System zu beugen, das ihnen selbst<br />

vor allem Nachteile bringt <strong>und</strong> dem<br />

Norden erlaubt, an den für den Süden<br />

schädlichen Agrarsubventionen festzuhalten,<br />

dürfte spätestens mit dem<br />

Scheitern des <strong>WTO</strong>-Ministertreffens im<br />

mexikanischen Cancún 2003 klargeworden<br />

sein.<br />

Im Anschluss an Cancún kündigten<br />

Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländer<br />

unter der Führung Brasiliens <strong>und</strong><br />

Indiens an, eine Fortsetzung der in<br />

Doha vor drei Jahren eingeleiteten<br />

Liberalisierungsr<strong>und</strong>e so lange auszusetzen,<br />

bis in die Subventionsfrage<br />

Bewegung kommt.<br />

Am 1. August 2004 verpflichteten sich<br />

schließlich die Industriestaaten nach<br />

fünftägigen Verhandlungen bei der<br />

<strong>WTO</strong> in Genf vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

der so genannten Doha-Entwicklungsagenda<br />

zum Abbau handelsverzerrender<br />

Agrarsubventionen.<br />

Die Exportbeihilfen sollen sogar vollständig<br />

fallen. Den Entwicklungsländern<br />

wurden zudem Sonderregelungen<br />

in Aussicht gestellt, die sie<br />

vor der übermächtigen Konkurrenz<br />

aus dem Norden besser schützen sollen.<br />

Darunter sind längere Übergangsfristen<br />

sowie Ausnahmen beim Abbau<br />

der Zölle für einzelne Produkte.<br />

Außerdem sollen die ärmsten Länder<br />

von allen Zollsenkungen ausgenommen<br />

werden.<br />

Was die B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong> die EU<br />

als entscheidenden Schritt für den<br />

Welthandel gefeiert haben, geht vielen<br />

Menschenrechts- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen<br />

nicht weit genug.<br />

Sie verlangen mit dem Hinweis darauf,<br />

dass es in der Vergangenheit<br />

schon öfter ähnliche Versprechen<br />

gegeben habe, einen konkreten<br />

Zeitplan zur Abschaffung der<br />

Exportsubventionen. Außerdem fordern<br />

sie für Entwicklungsländer das<br />

Recht, die für sie besonders wichtigen<br />

Güter mit Zöllen vor der Konkurrenz<br />

schützen zu können.<br />

Die Exportsubventionen von EU <strong>und</strong><br />

USA belaufen sich auf r<strong>und</strong> 300<br />

Milliarden US-Dollar im Jahr. Sie<br />

erlauben den Landwirten im Norden,<br />

ihre Agrarerzeugnisse im Süden unter<br />

dem lokalen Produktionspreis zu verkaufen.<br />

Dieses Preisdumping zerstört<br />

in Entwicklungsländern ganze Wirtschaftsbereiche<br />

<strong>und</strong> führt zu einer weiteren<br />

Verelendung der dortigen<br />

Bevölkerungen.<br />

Somit drängen die subventionieren<br />

Importe in die ländlich geprägten<br />

Entwicklungsländer die Kleinbauern<br />

<strong>und</strong> somit die Mehrheit der dortigen<br />

Bevölkerungen an den Rand <strong>und</strong> fördern<br />

zusammen mit dem Verfall der<br />

Weltmarktpreise den Hunger. Obwohl<br />

eigentlich auf der Erde genügend<br />

Nahrungsmittel für alle produziert<br />

werden, hungern nach Angaben der<br />

Welternährungsorganisation FAO<br />

800 Millionen Menschen weltweit.<br />

Die Menschenrechtsorganisation FIAN,<br />

die sich seit Jahren dafür einsetzt, dass<br />

die internationale Gemeinschaft den<br />

Zugang zu Nahrung als Menschenrecht<br />

anerkennt, weiß über weitere<br />

eindrucksvolle Beispiele zu berichten.<br />

So haben in Sri Lanka durch die<br />

Marktöffnung etwa 300.000 Produzenten<br />

von Kartoffeln <strong>und</strong> Zwiebeln<br />

ihre Existenzgr<strong>und</strong>lage verloren.<br />

Auch wenn die Diskussion um eine<br />

<strong>WTO</strong>-Sozialklausel in jüngster Zeit in<br />

den Hintergr<strong>und</strong> getreten ist, so hat sie<br />

doch etwas bewirkt. Sie hat die<br />

Debatte um einen sozialrechtlich geregelten<br />

Welthandel, wie ihn vor allem<br />

17


18<br />

der Internationale B<strong>und</strong> freier Gewerkschaften<br />

(ICFTU) seit den 70er Jahren<br />

fordert, vorangetrieben.<br />

Als direktes Ergebnis der Diskussion<br />

darf die ILO-Deklaration über gr<strong>und</strong>legende<br />

Rechte <strong>und</strong> Prinzipien am<br />

Arbeitsplatz gewertet werden, die als<br />

zentrale Arbeitsnormen die Vereinigungsfreiheit,<br />

das Recht auf kollektive<br />

Tarifverhandlungen, auf gleiche<br />

Entlohnung <strong>und</strong> Nichtdiskriminie-rung<br />

am Arbeitsplatz festlegt <strong>und</strong> Zwangs<strong>und</strong><br />

Kinderarbeit verbietet. Auch die<br />

Ratifizierung anderer elementarer ILO-<br />

Konventionen lässt sich auf die<br />

Debatte zurückführen.<br />

Freiwillige Instrumente zur Förderung von Sozialstandards<br />

- Codes of Conduct<br />

- Internationale Rahmenvereinbarungen<br />

- ILO-Deklaration über multinationale Unternehmen<br />

<strong>und</strong> Sozialpolitik<br />

- OECD-Guidelines für multinationale Unternehmen<br />

- <strong>Global</strong> Compact zwischen UN <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

- Gütesiegel<br />

Die Europäische Kommission wiederum<br />

hat 2001 eine Mitteilung zum<br />

Thema "Förderung der gr<strong>und</strong>legenden<br />

Arbeitsnormen <strong>und</strong> sozialere Ausrichtung<br />

der Politik im Kontext der<br />

<strong>Global</strong>isierung" herausgegeben, die<br />

sich für die Stärkung der ILO einsetzt.<br />

So soll unter anderem die Wirksamkeit<br />

von Beschwerdeverfahren erhöht werden.<br />

Ferner wird ein regelmäßiger<br />

internationaler Dialog von Regierungen,<br />

internationalen Organisationen<br />

<strong>und</strong> der Zivilgesellschaft angeregt, der<br />

"möglichst viele Berührungspunkte<br />

zwischen <strong>Handel</strong> <strong>und</strong> sozialer Entwicklung<br />

herausarbeiten soll.<br />

Werkzeuge zur Förderung<br />

von Sozialstandards<br />

Während den zwischenstaatlichen<br />

Initiativen zur Verbesserung der<br />

Arbeitnehmerrechte im Zeitalter der<br />

<strong>Global</strong>isierung nur geringe Erfolge<br />

beschieden waren, setzten die NGOs<br />

neue Maßstäbe, indem sie vor allem in<br />

den 90er Jahren Arbeitnehmer schädigende<br />

Praktiken in den Entwicklungsländern<br />

öffentlich brandmarkten.<br />

Auf die teilweise aggressiv geführten<br />

NGO-Kampagnen reagierten die<br />

Konzerne mit so genannten Codes of<br />

Conduct, in denen sie sich zu einem<br />

angemessenen Umgang mit ihren<br />

Beschäftigen verpflichteten. Doch die<br />

fehlende Transparenz bei der<br />

Kontrolle der Versprechen sowie die<br />

vage gehaltene Formulierung der<br />

Codes lassen die Konzerne vielfach<br />

nicht glaubwürdig erscheinen.<br />

Ein weiteres Werkzeug ist der `<strong>Global</strong><br />

Compact' zwischen großen Konzernen<br />

<strong>und</strong> den Vereinten Nationen. Der<br />

Pakt zielt darauf ab, Unternehmen auf<br />

die menschenrechtlichen, sozial- <strong>und</strong><br />

umweltpolitischen Prinzipien der<br />

Vereinten Nationen einzuschwören.<br />

Ein Schwachpunkt ist, dass die<br />

Umsetzungsmechanismen sehr schwach<br />

entwickelt sind. Die Unternehmen müssen<br />

den globalen Pakt lediglich in<br />

ihren Jahresberichten, Firmengr<strong>und</strong>sätzen<br />

<strong>und</strong> ähnlichen Dokumenten<br />

befürworten, mindestens einmal im<br />

Jahr spezifische Beispiele für<br />

Fortschritte bei der Umsetzung auf der<br />

<strong>Global</strong>-Compact-Web-Site veröffentlichen<br />

<strong>und</strong> mit den UN im Rahmen von<br />

Partnerschaftsprojekten sowohl auf<br />

politischer als auch auf lokaler Ebene<br />

zusammenarbeiten.<br />

Auch wenn es eine Vielzahl weiterer<br />

Initiativen in diesem Zusammenhang<br />

zu nennen gäbe, möchte ich mich jetzt<br />

auf ein besonderes Instrument zur


Förderung <strong>und</strong> Stärkung der<br />

Sozialstandards konzentrieren: die<br />

Gütesiegel, wie sie die Fairtrade-<br />

Bewegung eingeführt hat.<br />

Fairer <strong>Handel</strong><br />

Der Faire <strong>Handel</strong> versteht sich als<br />

Alternative zum konventionellen internationalen<br />

<strong>Handel</strong>. Er funktioniert als<br />

<strong>Handel</strong>spartnerschaft, die eine nachhaltige<br />

Entwicklung für ausgegrenzte<br />

<strong>und</strong> benachteiligte Produzentinnen <strong>und</strong><br />

Produzenten anstrebt <strong>und</strong> durch<br />

Aufklärungsarbeit <strong>und</strong> Kampagnen<br />

günstigere <strong>Handel</strong>sbedingungen erreichen<br />

will.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich laufen die Transfair-<br />

Geschäfte dem neuen Trend mit dem<br />

beschränkten Motto `Geiz ist geil' entgegen.<br />

Sie sind politisch korrekt <strong>und</strong><br />

nutzen sowohl den Produzenten in den<br />

Entwicklungsländern als auch den<br />

Verbrauchern in den Industriestaaten.<br />

Dass für Transfair-Produkte ein Markt<br />

vorhanden ist, zeigt die Tatsache, dass<br />

es offensichtlich Verbraucher gibt, die<br />

bereit sind, für Qualität zu bezahlen,<br />

<strong>und</strong> die sozialverantwortlich handeln<br />

wollen.<br />

Der Faire <strong>Handel</strong>, der sich zunächst<br />

auf klassische Kolonialwaren wie<br />

Kaffee, Tee, Kakao oder Bananen <strong>und</strong><br />

das Kunsthandwerk konzentrierte,<br />

nahm seinen Anfang in den 70er<br />

Jahren. Damals kontaktierten alternative<br />

<strong>Handel</strong>sorganisationen - zunächst<br />

in den Niederlanden - Kleinproduzenten<br />

in Entwicklungsländern <strong>und</strong> boten<br />

ihnen Vorzugsbedingungen wie höhere<br />

Preise, eine Vorfinanzierung der<br />

Bestellungen <strong>und</strong> einen verbesserten<br />

Marktzugang an. Durch die Vermarktung<br />

im Fair-<strong>Handel</strong>s-System werden<br />

zudem die Zwischenhändler ausgeschaltet.<br />

Inzwischen gehören auch Plantagenarbeiter<br />

<strong>und</strong> in der Verarbeitung<br />

Beschäftige zur Zielgruppe der<br />

Initiative. Die Zahlung eines<br />

Mehrpreises für soziale Zwecke ist<br />

auch hier ein wesentlicher Bestandteil<br />

der Zusammenarbeit. Was die<br />

Sozialstandards angeht, so gelten die<br />

ILO-Richtlinien.<br />

Getragen werden die alternativen<br />

<strong>Handel</strong>sgeschäfte im Prinzip von drei<br />

Akteuren: den alternativen <strong>Handel</strong>sorganisationen,<br />

die für den Import<br />

der Waren zuständig sind - dazu<br />

zählt zum Beispiel die gepa -, den<br />

Weltläden, die die Produkte an den<br />

Endverbraucher weitergeben, <strong>und</strong><br />

den Organisationen, die Gütesiegel<br />

für fair gehandelte Produkte aus den<br />

Entwicklungsländern vergeben. FLO<br />

International mit Sitz in Bonn ist eine<br />

solcher Zertifizierer.<br />

Heute sind eine Reihe von Produkten<br />

mit unabhängigen Siegeln ausgezeichnet.<br />

Für Lebensmittel gibt es seit<br />

diesem Jahr das einheitliche<br />

Transfair-Label. Das Siegel ist ein<br />

Garant für langfristig angelegte<br />

Lieferbeziehungen, höhere <strong>und</strong> stabile<br />

Preise <strong>und</strong> gerechte Entlohnung mit<br />

dem Ziel, den Lebensstandard der<br />

Kleinproduzenten in Entwicklungsländern<br />

zu heben <strong>und</strong> ihnen die<br />

Bildung von Rücklagen <strong>und</strong> den<br />

Zugang zu gr<strong>und</strong>legenden Diensten<br />

im Bildungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsbereich<br />

zu ermöglichen.<br />

Obwohl der Marktanteil der fair<br />

gehandelten Produkte in fast 20<br />

Industrieländern mit höchstens ein bis<br />

zwei Prozent relativ gering ist, hat<br />

sich die hinter ihnen stehende Eine-<br />

Welt-Bewegung im Norden mit ihren<br />

Verbindungen zu Partnerinnen <strong>und</strong><br />

Partnern im Süden zu einem stabilen<br />

politischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen<br />

Faktor entwickelt.<br />

Gestützt wird die Bewegung von<br />

Verbrauchern, die mit dem Kauf von<br />

Transfair-Produkten einen Beitrag zur<br />

Armutsbekämpfung <strong>und</strong> gegen die<br />

Verzerrungen des Welthandels lei-<br />

Foto: BMZ<br />

19


20<br />

sten. Da bereits die Hälfte der fair gehandelten<br />

Lebensmittel aus kontrolliert biologischem<br />

Anbau stammt, kommen die Transfair-Geschäfte<br />

auch dem Umweltschutz entgegen. Die<br />

Erzeugnisse sind qualitativ hochwertig <strong>und</strong><br />

ges<strong>und</strong>.<br />

Auch die Vertriebsfirmen <strong>und</strong> ihre Beschäftigten<br />

profitieren, wenn die Produkte Qualität vorweisen<br />

können. Außerdem binden die<br />

Unternehmen die Rohstofferzeuger an<br />

sich, indem sie mit den Erzeugern in<br />

Afrika, Asien <strong>und</strong> Lateinamerika langfristige<br />

Verträge eingehen. Das wiederum<br />

schlägt sich auf die Arbeits- <strong>und</strong><br />

Lebensbedingungen der Erzeuger nieder.<br />

Zudem werden Preise gezahlt, die über<br />

dem Weltmarktniveau liegen. Sie gehen<br />

über die Produktions-kosten hinaus <strong>und</strong><br />

ermöglichen den meist in Kooperativen<br />

zusammengeschlossenen Erzeugern<br />

Investitionen in Gemeinschaftsprojekte wie<br />

Brunnen, Krankenstationen, Stromleitungen<br />

<strong>und</strong> Kinderspeisungen.<br />

Weleda beispielsweise importiert seit vielen<br />

Jahren aus Peru Ratanhia - eine<br />

Wurzel, die zur Herstellung von<br />

Zahncremes <strong>und</strong> M<strong>und</strong>wasser verwendet<br />

wird. Die gestiegene Nachfrage hatte<br />

zunächst zu unsachgemäßen Sammlungen<br />

geführt, die den Bestand der Pflanze<br />

bedrohten. Seit 2001 existiert allerdings<br />

eine Ratanhia-Schutzzone, in der Sammler<br />

nur noch die Nebenwurzeln ausgraben.<br />

In Kooperation mit der deutschen Gesellschaft<br />

für technische Zusammenarbeit (GTZ) erforscht<br />

Weleda mit dem Ziel, die gefährdete Pflanze zu<br />

erhalten, mittlerweile auch ihre Vermehrung.Die<br />

Fairtrade-Lobby beschränkt sich nicht nur auf<br />

den ethisch verantwortbaren Verkauf von<br />

Waren, sondern versucht, die handelspolitische<br />

Diskussion zugunsten besserer Bedingungen für<br />

Entwicklungsländer <strong>und</strong> benachteiligte Gruppen<br />

zu beeinflussen. Somit zielt der Faire <strong>Handel</strong><br />

von Anfang darauf ab, die Öffentlichkeit im<br />

Norden über die Probleme des Südens zu informieren.<br />

Damit kommt ihm auch eine bewusstseinserweiternde<br />

Bedeutung zu.<br />

Fairer <strong>Handel</strong> aus der Sicht<br />

Deutschlands <strong>und</strong> der EU<br />

In Deutschland wird der Faire <strong>Handel</strong> von etwa<br />

800 meist ehrenamtlich betriebenen Weltläden<br />

<strong>und</strong> 8.000 Aktionsgruppen getragen.<br />

Sie bedienen derzeit einen Markt von drei<br />

Millionen K<strong>und</strong>en, die mit ihrem sozialverantwortlichen<br />

Konsumverhalten allein den<br />

Die Herkunft "unserer" Fußbälle<br />

Fußbälle, die in deutschen Geschäften verkauft<br />

werden, sind zu vier Fünfteln in Pakistan hergestellt<br />

worden. Dort wiederum in einer einzigen<br />

Region: Sialkot im Nordosten des Landes. Die<br />

Stadt <strong>und</strong> der Landkreis haben sich im Laufe<br />

der letzten Jahrzehnte zum weltweiten Zentrum<br />

der Sportartikel- <strong>und</strong> Sportkleidungsherstellung<br />

entwickelt. Allerdings haben sich die<br />

Arbeitsbedingungen nur eingeschränkt mitentwickelt.<br />

Feste Arbeitsverträge, Arbeitssicherheit <strong>und</strong><br />

Ge-s<strong>und</strong>heitsvorsorge, Gewerkschaftsfreiheit<br />

<strong>und</strong> Mindestlöhne gehören oft nicht zu den<br />

Selbstverständlichkeiten. 30.000 Menschen<br />

leben davon, dass sie mit Nadel <strong>und</strong> Faden<br />

einen Ball aus 32 sechseckigen Waben mit der<br />

Hand zusammennähen.<br />

Kaffeebauern weltweit fünf Millionen Euro mehr<br />

einbringen. Auch die Orangenpflücker in<br />

Brasilien <strong>und</strong> auf Kuba profitierten vom Fairen<br />

<strong>Handel</strong>. Von den Mehreinnahmen konnten dort<br />

zum Beispiel ein Mädcheninternat <strong>und</strong> ein kulturelles<br />

Zentrum aufgebaut werden.<br />

Der faire <strong>Handel</strong> erreicht r<strong>und</strong> 800.000 Bauern<strong>und</strong><br />

Plantagenarbeiterfamilien in ca. 40<br />

Ländern Afrikas, Lateinamerikas <strong>und</strong> Asiens.<br />

Somit hat er ein hohes Beschäftigungspotential.<br />

In Deutschland wurde mit TransFair-Produkten,<br />

die in den Regalen von 22.000 Supermärkten<br />

zu finden sind, in den vergangenen zehn Jahren<br />

ein Umsatz von r<strong>und</strong> 560 Millionen Euro erzielt.<br />

Der enorm hohe Anteil an ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitern hat dem Bereich eine hohes Maß


an Glaubwürdigkeit beschert. Der<br />

Faire <strong>Handel</strong> schafft aber auch - wenn<br />

auch nur in äußerste begrenztem<br />

Umfang, bezahlte Arbeitsplätze in den<br />

Industriestaaten. Konkrete Daten sind<br />

bisher nicht vorhanden. Die <strong>Handel</strong>sgesellschaft<br />

gepa schätzt die Zahl der<br />

bezahlten Kräfte in Deutschland auf<br />

insgesamt höchsten 300 Teilzeit- <strong>und</strong><br />

Ganztagsbeschäftigte.<br />

Aus Sicht der B<strong>und</strong>esregierung bringt<br />

der Faire <strong>Handel</strong> gleich mehrere<br />

Interessen unter einen Hut. Da er zur<br />

Armutsbekämpfung beiträgt, das entsprechende<br />

Bewusstsein dafür schafft<br />

<strong>und</strong> ökologisch nachhaltige Projekte<br />

finanziert, die von den Verbrauchern<br />

bedenkenlos konsumiert werden können,<br />

wird er gleich von drei<br />

Ministerien gefördert: vom BMZ, dem<br />

Umweltministerium <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esministerin<br />

für Verbraucherschutz,<br />

Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft.<br />

Das B<strong>und</strong>esentwicklungsministerium<br />

unterstützte den Fairen <strong>Handel</strong> 2002<br />

mit etwa 250.000 Euro im Bereich der<br />

entwicklungspolitischen Bildungsarbeit.<br />

Einen Umfang von r<strong>und</strong> acht Millionen<br />

Euro haben daneben die Projekte im<br />

Bereich des ökologischen <strong>und</strong> fairen<br />

<strong>Handel</strong>s, die im Rahmen der<br />

Entwicklungspartnerschaft mit der<br />

Wirtschaft gefördert werden.<br />

Im Rahmen ihres `Aktionsprogramms<br />

2015' zur Umsetzung der Millenniumsziele<br />

wie der Halbierung der<br />

Armut bis 2015 wird der Bereich<br />

Fairer <strong>Handel</strong> von BMZ mit r<strong>und</strong> 6,5<br />

Millionen Euro bezuschusst. Davon<br />

sind allein 3,3 Millionen Euro für die<br />

im letzten Jahr eingeläutete dreijährige<br />

Kommunikationskampagne `fair feels<br />

good' vorgesehen, 1,75 Millionen<br />

Euro gehen in Projekte der `Technischen<br />

Zusammenarbeit' in Kooperationsländern<br />

Deutschlands.<br />

Die von der Verbraucherinitiative<br />

durchgeführte `fair feels good'-<br />

Kampagne zielt darauf ab, mit öffent-<br />

lich wirksamen Aktionen, einer<br />

umfangreichen Präsenz in den Medien<br />

<strong>und</strong> der Einbindung von Prominenten<br />

Informationsdefizite über den fairen<br />

<strong>Handel</strong> zu schließen. Weitere<br />

168.392 Euro hatte das BMZ für das<br />

Haushaltsjahr 2004 parat.<br />

Auch das Umweltministerium finanziert<br />

in regelmäßigen Abständen den<br />

Fairen <strong>Handel</strong>. Im letzten Jahr war es<br />

beispielsweise mit knapp 50.000 Euro<br />

für den Ausbau der Website oekofair.de<br />

dabei. Im gleichen Jahr wurden<br />

84.000 Euro für die Einführung des<br />

einheitlichen Transfair-Logos locker<br />

gemacht.<br />

Das B<strong>und</strong>esministerium für Verbraucher,<br />

Ernährung <strong>und</strong> Landwirtschaft<br />

wiederum hat 650.000 Euro für ein<br />

Projekt zur Etablierung neuer<br />

<strong>Handel</strong>sströme zugesagt, das im<br />

Frühjahr zusammen mit der FAO <strong>und</strong><br />

anderen interessierten Staaten durchgeführt<br />

werden soll. 90.000 Euro sind<br />

bereits in eine Machbarkeitsstudie<br />

geflossen.<br />

Bereits 1998 hat das Europäische<br />

Parlament in einem Entschließungsantrag<br />

festgestellt, dass der Faire<br />

<strong>Handel</strong> die effizienteste Form der<br />

Entwicklungsförderung sei. Jüngsten<br />

EU-internen Angaben zufolge hat die<br />

Europäische Gemeinschaft von 1997<br />

bis 2002 66 Fairtrade-Projekte gefördert.<br />

Die finanziellen Mittel stiegen<br />

demnach von 16 Millionen Euro 1997<br />

auf 30 Millionen Euro 2002.<br />

Nützliche Links:<br />

www.maketradefair.com<br />

www.oeko-fair.de<br />

www.fairplay-fairlife.de<br />

www.transfair.org<br />

www.gepa3.de<br />

www.weltladen.de<br />

www.FAIRJobbing.net<br />

www.echtgerecht.de<br />

www.fair-spielt.de<br />

www.attac.de<br />

21


Unter <strong>fairer</strong> <strong>Handel</strong> ist aber nicht nur der <strong>Handel</strong> im Sinn von Transfair zu verstehen, sondern eine Form des<br />

Warenaustausches, der allen beteiligten Akteuren zugute kommt. In dieser Frage werfen NGOs wie FIAN der<br />

B<strong>und</strong>esregierung vor, mit zwei Zungen zu sprechen. Auf der einen Seite gebe es das BMZ, das die Notwendigkeit<br />

eines gerechten <strong>Handel</strong>s anerkenne, auf der anderen Seite das Ministerium für Verbraucher, Ernährung <strong>und</strong><br />

Landwirtschaft, dass die Interessen insbesondere der deutschen Fleisch- <strong>und</strong> Milchindustrie auf Kosten der armen<br />

Produzenten in den Entwicklungsländern im Auge habe.<br />

Fairer <strong>Handel</strong> aus Der Sicht der EU<br />

Die EU wiederum hat in der Vergangenheit immer wieder explizit betont, dass sie unter fairem <strong>Handel</strong> vor allem<br />

den freien <strong>Handel</strong> versteht. Der <strong>Handel</strong> könne das Wirtschafts-wachstum <strong>und</strong> die Einkommen positiv beeinflussen<br />

<strong>und</strong> somit armutsmindernd wirken, wenn die Entwicklungs-länder darin unterstützt würden, seine Vorteile zu<br />

nutzen. Das fast schon inflationär benutzte Zauberwort der EU-Hilfe heißt `handelsbezogene Hilfe´. Zwischen<br />

2001 <strong>und</strong> 2004 hat die Europäische Kommission nach eigenen Angaben die Anstrengungen der Entwicklungsländer,<br />

die Vorteile des <strong>Handel</strong>s zu nutzen, mit 2,8 Milliarden Euro unterstützt.<br />

Die EU absorbiert ein Fünftel der aus Entwicklungsländern stammenden Ausfuhren - 40 Prozent der Einfuhren in<br />

die EU kommen aus dem Süden. Als weltweit größter Abnehmer von Agrarexporten aus Entwicklungsländern<br />

importiert die EU mehr Agrarerzeugnisse als die USA, Kanada <strong>und</strong> Japan zusammen.Als wichtigster<br />

<strong>Handel</strong>spartner der Entwicklungsländer, mit dem Dreifachen des Präferenzhandelsvolumens der USA im Jahr<br />

2002, wendet die EU eine Reihe von präferenziellen <strong>Handel</strong>sregelungen an, um Ausfuhren der<br />

Entwicklungsländer in die EU zu fördern.<br />

- Allgemeines Präferenzsystem (APS): Im Rahmen dieses Systems gewährt die EU derzeit 178 Entwicklungsländern<br />

einseitige Zollvergünstigungen. Im Jahr 2002 war die eine Hälfte der APS-Einfuhren zollfrei, auf die<br />

andere Hälfte wurden reduzierte Zollsätze angewendet. 2002 beliefen sie die APS-Einfuhren der EU auf 53,2<br />

Milliarden Euro.<br />

- Alles außer `Waffen'-Initiative (AAW): Diese einseitige präferenzielle <strong>Handel</strong>sregelung ermöglicht den 48 ärmsten<br />

Ländern der Welt - von de-nen 34 im subsaharischen Afrika liegen - zoll- <strong>und</strong> kontingentfreie Ausfuhren in<br />

die EU. 2002 beliefen sich die AAW-Einfuhren der EU auf 2,2 Milliarden Euro.<br />

- Abkommen von Cotonou mit den Staaten Afrikas, des Karibischen <strong>und</strong> Pazifischen Raums (AKP): Aufgr<strong>und</strong> der<br />

tief verwurzelten historischen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Bindungen zwischen Europa <strong>und</strong> den AKP-Ländern gewährt<br />

die EU diesen Ländern eine Präferenzbehandlung für Einfuhren. 2002 wurden Waren im Wert von insgesamt 39<br />

Milliarden Euro zollfrei <strong>und</strong> 1,9 Mrd. zu reduzierten Zöllen in die EU eingeführt.<br />

Was gut klingt ist, muss jedoch mit Vorsicht genossen werden, denn wir dürfen nicht vergessen, dass sowohl die<br />

EU als auch eine Vielzahl von Einzelstaaten eigene handfeste Wirtschaftsinteressen verfolgen. Dies manifestiert<br />

sich nicht nur in dem zähen Ringen um die Abschaffung der Agrarexportsubventionen oder in den Forderungen<br />

von Industriestaaten nach Zöllen zum Schutz vor Billigprodukten aus China, sondern auch in dem zunehmenden<br />

Abschluss separater Freihandelsabkommen neben NAFTA.<br />

Inzwischen gibt es r<strong>und</strong> 150 solcher Einzelverträge. Sie machen es den führenden Industrienationen <strong>und</strong><br />

Wirtschaftsblöcken möglich, ihre eigenen Interessen besser durchzusetzen. Gerade bei den Verhandlungen der<br />

USA mit ausgewählten lateinamerikanischen Vertragspartnern hat sich gezeigt, dass letztere Bedingungen<br />

akzeptieren müssen, die selbst im Rahmen des <strong>WTO</strong>-System abgelehnt worden wären. Nach den Attentaten vom<br />

11. September 2001 hatte sich zunächst die Einsicht durchgesetzt, dass der Kampf gegen den Terror auf jeden<br />

Fall den Kampf gegen die Armut beinhalten müsse. Das war der Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedsländer der <strong>WTO</strong><br />

ihre Bereitschaft signalisierten, die Spielregeln zu ändern. Doch wirklich geändert hat sich seit der fünften <strong>WTO</strong>-<br />

Ministerkonferenz in Cancún in Mexiko 2003 wenig.<br />

Stattdessen setzen die großen <strong>Handel</strong>sländer vor allem auf die regionale Karte. Damit droht der multilaterale<br />

<strong>Handel</strong> unterminiert zu werden, der - <strong>und</strong> da sind sich sogar die Nichtregierungsorganisationen einig - deutlich<br />

demokratischer ist.<br />

22


Lateinamerika braucht fairen<br />

<strong>Handel</strong> - in unserem Interesse<br />

Von Eva Karnofsky<br />

Lateinamerika ist arm. R<strong>und</strong> 230<br />

Millionen Lateinamerikaner leben in<br />

Armut. Das Einkommen von 44<br />

Prozent der Gesamtbevölkerung reicht<br />

nicht für ein Dach über dem Kopf, für<br />

menschenwürdige Kleidung <strong>und</strong> ausreichende<br />

medizinische Versorgung.<br />

Ein Fünftel der Bürger des Kontinents<br />

im Süden der USA hat nicht einmal<br />

genug Geld, um sich satt zu essen, lebt<br />

in extremer Armut. Zwar sind offiziellen<br />

Statistiken zufolge mit 10,7<br />

Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung<br />

zwischen 15 <strong>und</strong> 65 Jahren auch<br />

nicht mehr Menschen arbeitslos als in<br />

vielen europäischen Ländern, doch<br />

diese Zahl führt in die Irre: In den meisten<br />

Ländern Lateinamerikas gilt nicht<br />

mehr als arbeitslos, wer eine St<strong>und</strong>e<br />

pro Woche beschäftigt ist. Und wer<br />

eine Arbeit hat, verdient längst nicht<br />

immer genug, um die Gr<strong>und</strong>bedürfnisse<br />

zu befriedigen. Oft reichen die<br />

Löhne nicht aus, um die Familie zu<br />

versorgen. Eine Näherin in Honduras<br />

oder El Salvador verdient umgerechnet<br />

vier Euro <strong>und</strong> manchmal noch<br />

weniger - am Tag. Zudem gilt auch als<br />

beschäftigt, wer sich mit Schwarzarbeit<br />

durchschlägt, <strong>und</strong> das ist etwa<br />

die Hälfte der arbeitenden<br />

Bevölkerung. Die Indianerin, die morgens<br />

um vier Uhr in ihrer Hütte am<br />

Stadtrand der bolivianischen<br />

Hauptstadt La Paz Empanadas, mit<br />

Fleisch gefüllte Teigtaschen herstellt,<br />

um sie am Straßenrand in der<br />

Innenstadt zu verkaufen, hat keine<br />

Altersversorgung <strong>und</strong> keine<br />

Krankenkasse, doch auch sie taucht<br />

nicht in der Arbeitslosenstatistik auf.<br />

Hausgemachte Ursachen für<br />

die Armut<br />

Armut <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit haben viele<br />

Ursachen, etliche davon sind hausgemacht.<br />

Eine gleichmäßigere, gerechtere<br />

Einkommensverteilung würde die<br />

Armut mildern, doch bis heute ist die<br />

Kluft zwischen Arm <strong>und</strong> Reich in<br />

Lateinamerika erheblich größer als in<br />

Europa, das stellt der Human<br />

Development Report der Vereinten<br />

Lateinamerika ist arm<br />

� 230 Millionen Menschen, 44 % der Gesamtbevölkerung,<br />

leben unterhalb der Armutsgrenze, knapp die Hälfte davon<br />

in extremer Armut<br />

� Offiziell haben 10,7 % der Arbeitsfähigen keine Arbeit,<br />

aber<br />

� etwa die Hälfte aller, die Arbeit haben, sind im<br />

informellen Sektor tätig<br />

� Die Löhne reichen oft nicht aus, um die<br />

Gr<strong>und</strong>bedürfnisse (Wohnen, Essen, Kleidung,<br />

medizinische Versorgung) zu befriedigen<br />

Nationen jedes Jahr aufs Neue fest.<br />

Wer seine Arbeit verliert, steht ohne<br />

jedes Einkommen da, denn nur in<br />

den wenigsten Ländern wird<br />

Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe<br />

gezahlt. Höhere Steuern für die<br />

Wohlhabenden würden den Staat mit<br />

den Mitteln ausstatten, die er bräuchte,<br />

um mangelhafte Bildungs- <strong>und</strong><br />

Ausbildungssysteme oder die<br />

Infrastruktur (Straßennetz, Häfen) zu<br />

verbessern. Schlecht ausgebildete<br />

Menschen <strong>und</strong> eine danieder liegende<br />

Infrastruktur lassen vor allem ausländische<br />

Geldgeber gelegentlich zögern,<br />

in Lateinamerika zu investieren. Für<br />

Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, die der<br />

Wirtschaft Impulse geben könnte, sind<br />

ebenfalls kaum Mittel vorhanden.<br />

Eine schwerfällige, teure Bürokratie<br />

macht es Existenzgründern schwer.<br />

23


Externe Ursachen der Armut<br />

Schwankende Weltmarktpreise für Rohstoffe<br />

durch:<br />

� Überangebote (z.B. Kaffee, Zucker)<br />

� Marktstrategien der reichen<br />

Länder (z.B. USA – Rohöl)<br />

Verschlossene Absatzmärkte<br />

durch:<br />

� hohe Zölle<br />

� Einfuhrquoten der reichen<br />

Länder (Zucker, Textilien,<br />

Fleisch etc.)<br />

� währungsbedingte Nachteile<br />

(z.B. Argentinien)<br />

� nicht konkurrenzfähige<br />

Produkte durch<br />

teuere Kredite<br />

fehlenden Zugang zu moderner<br />

Technologie (? zu teuer)<br />

24<br />

Dabei sind es vor allem die kleinen<br />

Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen.<br />

Die großen Unternehmen sind traditionell<br />

darauf ausgerichtet, Rohstoffe<br />

auszubeuten <strong>und</strong> zu exportieren, sie<br />

sind nicht bereit, in eine verarbeitende<br />

Industrie zu investieren, die weitaus<br />

mehr Arbeitsplätze schaffen würde.<br />

Den meisten Staaten mangelt es auch<br />

an einer effizienten Förderung der heimischen<br />

Produktion. Ein hohes<br />

Zinsniveau für Unternehmenskredite<br />

lässt ebenfalls die Investitionslust sinken.<br />

Als eines der größten Investitionshemmnisse<br />

wird in jüngerer Zeit immer<br />

wieder die ausufernde Korruption<br />

angeprangert. Ob in Argentinien oder<br />

Paraguay, es wird kaum noch ein<br />

Geschäft getätigt, ohne dass sogenannte<br />

Kommissionen gezahlt werden<br />

müssten, die gewöhnlich in die<br />

Taschen von Politikern wandern. Und<br />

das schreckt viele Investoren ab.<br />

Zwar gehören Militärdiktaturen inzwischen<br />

der Vergangenheit an, doch in<br />

einigen Ländern, etwa in Ecuador<br />

oder Venezuela,<br />

kann man<br />

immer noch nicht von<br />

stabilen politischen Verhältnissen<br />

sprechen. Die<br />

Aussicht auf mögliche Unruhen<br />

oder gar Umstürze machen<br />

Investoren Angst.<br />

Externe Ursachen der<br />

Armut<br />

Doch die Gründe dafür, dass es<br />

bisher nicht zu einer dauerhaften<br />

wirtschaftlichen<br />

Entwicklung kam, sind<br />

nicht nur in Lateinamerika<br />

selbst zu suchen. Die starke<br />

Rohstoffabhängigkeit macht die<br />

Staaten anfällig für schwankende<br />

Weltmarktpreise. Ein Überangebot<br />

von Kaffee auf dem Weltmarkt etwa<br />

trifft brasilianische oder kolumbianische<br />

Produzenten schwer: Die Preise<br />

sinken dann nicht selten unter den<br />

Selbstkostenpreis. Das Nachsehen hat<br />

nicht nur die Staatskasse, der die<br />

Steuereinnahmen fehlen, sondern<br />

auch die Kaffeebauern <strong>und</strong><br />

Landarbeiter trifft es hart, wenn die<br />

Preise die Kosten nicht decken. Viele<br />

sind gezwungen, ihr Land zu verkaufen,<br />

um sich in den Elendsvierteln der<br />

Großstädte anzusiedeln, in der<br />

Hoffnung, dort eine Arbeit zu finden.<br />

Auch Marktstrategien der reichen<br />

Industriestaaten wirken sich oft zum<br />

Nachteil des armen Südens aus: Wenn<br />

die USA ihre strategischen<br />

Erdölreserven auf den Markt bringen<br />

<strong>und</strong> damit die Rohölpreise weltweit<br />

drücken, haben erdölabhängige<br />

Länder wie Ecuador, Mexiko oder<br />

Venezuela schwer daran zu tragen,<br />

da ihnen ein Teil ihrer Einkünfte wegbricht.<br />

Dies hat dann gleich erhebliche<br />

Kürzungen ihrer Sozialausgaben<br />

zur Folge.<br />

Verschlossene Märkte<br />

Vor allem aber leidet Lateinamerika<br />

darunter, dass ihnen die Märkte der<br />

Industrieländer zum Teil verschlossen<br />

bleiben. Für viele Produkte aus dem<br />

Süden - Zucker, Textilien oder Fleisch -<br />

gelten Exportquoten oder hohe<br />

Einfuhrzölle, d.h., es dürfen nur<br />

begrenzte Mengen zu günstigen<br />

Zolltarifen in die reichen Länder der<br />

Welt exportiert werden. Hohe Zölle<br />

verteuern die Waren aus<br />

Lateinamerika <strong>und</strong> macht sie damit für<br />

europäische oder nordamerikanische<br />

Verbraucher uninteressant.<br />

Dabei hat Lateinamerika in den letzten<br />

zwanzig Jahren seine Zölle für


Produkte aus dem Norden gesenkt, so<br />

dass sie ungehindert auf die dortigen<br />

Märkte gelangen. So nimmt es nicht<br />

W<strong>und</strong>er, dass 2003 die Länder<br />

Lateinamerikas nur Waren im Wert<br />

von 9,8 Milliarden Euro nach<br />

Deutschland exportierten, während<br />

zwischen Rio Grande <strong>und</strong> Feuerland<br />

deutsche Produkte im Wert von 12,9<br />

Milliarden Euro abgesetzt wurden.<br />

Doch nicht nur Zölle behindern den<br />

freien Warenaustausch, auch nichttarifäre<br />

<strong>Handel</strong>shemmnisse machen<br />

lateinamerikanischen Produkten zu<br />

schaffen. Im März 1989 blieb Chile<br />

für Jahre auf seinen Weintrauben sitzen,<br />

weil man in den USA zwei mit<br />

Zyanid vergiftete Trauben gef<strong>und</strong>en<br />

hatte. Später stellte sich heraus, dass<br />

die Früchte erst in den USA vergiftet<br />

worden waren, doch die geforderte<br />

Entschädigung von 200 Millionen<br />

Dollar haben Chiles Produzenten nie<br />

erhalten. Gelingt es einem südamerikanischen<br />

Land, ein Spitzenprodukt<br />

wie chilenischen Lachs oder argentinischen<br />

Honig auf den Markt zu bringen,<br />

vermuten die USA sogleich<br />

Dumpingpreise <strong>und</strong> drohen mit einem<br />

<strong>Handel</strong>skrieg. Europa reagiert nicht<br />

anders: Als in Argentinien <strong>und</strong><br />

Uruguay 2001 die Maul- <strong>und</strong><br />

Klauenseuche ausbrach, wurde die<br />

Rindfleischeinfuhr sogleich verboten<br />

<strong>und</strong> für den Export bestimmtes argentinisches<br />

Filet wurde in den<br />

Supermärkten von Buenos Aires für<br />

fünf Dollar das Kilo verschleudert.<br />

Dabei ist medizinisch erwiesen, dass<br />

vom Knochen gelöstes Fleisch die<br />

Tierseuche nicht übertragen kann.<br />

Doch durch die heimische BSE-Krise<br />

gebeutelte, europäische Bauern freuten<br />

sich über das Einfuhrverbot des<br />

qualitativ besseren Fleisches aus dem<br />

Süden: Die lästige Konkurrenz war<br />

erst einmal aus den Metzgereien verbannt.<br />

Im Gegensatz zu den Industrieländern<br />

werden Lateinamerikas Produzenten<br />

kaum subventioniert. Eine mexikanische<br />

Studie ergab, dass die USA 1997<br />

jeden im Export Beschäftigten mit<br />

12.000 Dollar subventionierten, die<br />

Europäer gaben dafür 16.000 Dollar<br />

aus. Zwei Jahre später waren die<br />

Subventionsaufwendungen sogar auf<br />

21.000 bzw. 17.000 Dollar pro<br />

Beschäftigten gestiegen. In Mexiko<br />

dagegen lagen sie gleichbleibend bei<br />

1000 Dollar. Da fällt es einem mexikanischen<br />

Produzenten schwer, konkurrenzfähige<br />

Waren zu erzeugen.<br />

Lateinamerika auf dem<br />

Weltmarkt<br />

Lateinamerikas weltwirtschaftliche<br />

Bedeutung hat in den letzten Jahren<br />

abgenommen: Noch 1980 lag sein<br />

Anteil an der weltweiten<br />

Wertschöpfung (Summe von<br />

Arbeitseinkommen, Kapitaleinkommen<br />

<strong>und</strong> Steuern) noch bei sieben<br />

Prozent, nach der Öffnung seiner<br />

Volkswirtschaften liegt er nur noch bei<br />

sechs Prozent. Fast alle Bürger des<br />

Kontinents bekommen dies zu spüren:<br />

Die Realeinkommen sind von 1980 bis<br />

1993 um dreißig Prozent gesunken,<br />

für die ärmsten zwanzig Prozent der<br />

Bevölkerung sogar um 42 Prozent.<br />

2002 kamen nur 5,6 Prozent der weltweiten<br />

Im- <strong>und</strong> Exporte aus<br />

Lateinamerika <strong>und</strong> der Kontinent verfügt<br />

gerade einmal über zwölf "<strong>Global</strong><br />

Players", Unternehmen, die weltweit<br />

tätig sind. Und nur Chile zählt zu den<br />

dreißig konkurrenzfähigsten Ländern<br />

der Erde. Andere Länder, andere<br />

Kontinente arbeiten konkurrenzfähiger,<br />

haben besser ausgebildete<br />

Arbeitskräfte, eine bessere<br />

Infrastruktur, weniger Bürokratie, verfügen<br />

über hochwertigere Technologie,<br />

<strong>und</strong> damit eine höhere<br />

Produktivität. Es steht zu befürchten,<br />

dass die technologische Kluft zwischen<br />

Lateinamerika <strong>und</strong> den Ländern des<br />

Nordens von Jahr zu Jahr größer<br />

Was sind "Entwicklungsländer"?<br />

a Länder in Afrika, Asien<br />

<strong>und</strong> Lateinamerika, die<br />

wirtschaftlich schwach<br />

sind<br />

b Länder im Süden, die<br />

in den letzten<br />

Jahrzehnten wirtschaft<br />

lich stark zugelegt<br />

haben<br />

c Länder, in denen PC<br />

<strong>und</strong> Internet entwickelt<br />

wurden<br />

d Länder in Afrika, Asien<br />

<strong>und</strong> Lateinamerika, die<br />

eine eigene Autoproduktion<br />

entwickelt<br />

haben.<br />

25


26<br />

wird, weil das Geld fehlt. In<br />

Deutschland hatten 1998 von 100<br />

Einwohnern 98,7 Prozent einen<br />

Telefonanschluss, in Lateinamerika<br />

waren es 2001 nur 35,2 Prozent. Bei<br />

den Computern ist das Verhältnis noch<br />

krasser: 2001 verfügten 8,1 von 100<br />

Deutschen über einen PC, 2003 waren<br />

es 84,9 Prozent. In Lateinamerika<br />

nannten 2001 lediglich 6,6 Bürger,<br />

Firmen eingeschlossen, einen<br />

Computer ihr eigen.<br />

Folgenreiche Marktöffnung<br />

Seit Beginn der Achtzigerjahre entschlossen<br />

sich nach <strong>und</strong> nach immer<br />

mehr Länder, den Empfehlungen von<br />

Weltbank <strong>und</strong> Internationalem<br />

Währungsfonds zu folgen, <strong>und</strong> die<br />

Einfuhrzölle drastisch zu senken.<br />

Dafür winkten Kredite der beiden<br />

internationalen Finanzorganisationen.<br />

Argentinien beispielsweise senkte<br />

seine Importzölle im November 1991<br />

von im Schnitt fünfzig auf zehn<br />

Prozent. Tausende von großen <strong>und</strong><br />

kleinen Unternehmen mussten ihre<br />

Pforten schließen, weil sie der<br />

Konkurrenz aus den Industrieländern<br />

sowie aus dem Fernen Osten nicht<br />

mehr standhalten konnten. Auf dem<br />

Arbeitsmarkt wurde dies sehr schnell<br />

spürbar: 1989 waren nur 7,6 Prozent<br />

der Argentinier arbeitslos, seitdem hat<br />

sich die Zahl der Argentinier ohne<br />

Beschäftigung verdoppelt. Vor allem<br />

Menschen mit geringem Ausbildungsstand<br />

hat sich der Arbeitsmarkt verschlossen.<br />

Der durch hohe Zölle abgeschottete<br />

Markt hatte viele Nachteile für die<br />

Lateinamerikaner: Die Verbraucher<br />

mussten schlechte Qualitäten <strong>und</strong><br />

wenig technische Neuerungen in Kauf<br />

nehmen, <strong>und</strong> vor allem so manches<br />

staatliche Unternehmen schrieb<br />

Verluste, weil es unproduktiv arbeitete,<br />

doch die Arbeitslosigkeit war niedrig<br />

<strong>und</strong> die Abhängigkeit vom Ausland<br />

relativ gering. Doch so mancher<br />

Bürger sehnt sich inzwischen nach den<br />

alten Zeiten zurück, als die Chance<br />

auf einen Job noch größer war, wie<br />

sich häufende Proteste etwa in<br />

Argentinien zeigen.<br />

In Zentralamerika wurden allerdings<br />

durch die Marktöffnung von US-<br />

Firmen r<strong>und</strong> 300.000 Arbeitsplätze in<br />

der Lohnveredelung geschaffen. Doch<br />

nicht Menschenfre<strong>und</strong>lichkeit trieb sie<br />

dazu, sondern die Notwendigkeit,<br />

nordamerikanische Baumwolle kostengünstig<br />

zu verarbeiten, so dass sie den<br />

Textilien aus Fernost preislich standhalten<br />

kann. Die Näherinnen in<br />

Guatemala, Mexiko oder Honduras<br />

arbeiten jedoch für Hungerlöhne zwischen<br />

2,50 <strong>und</strong> 4,50 Dollar am Tag.<br />

Zudem gelten die Arbeitsbedingungen<br />

als schlecht, <strong>und</strong> wenn in den USA die<br />

Konjunktur abflaut <strong>und</strong> weniger<br />

Textilien abgesetzt werden, stehen die<br />

Näherinnen schnell wieder vor dem<br />

Nichts.<br />

Fazit<br />

Wenn Lateinamerika langfristig Fuß<br />

fassen soll, braucht es neben innenpolitischen<br />

Reformen <strong>und</strong> Transfer von<br />

Technologie <strong>und</strong> Know how vor allem<br />

fairen <strong>Handel</strong>. Die Industrieländer<br />

müssen Exportquoten abbauen, Zölle<br />

senken, Subventionen herunterfahren<br />

<strong>und</strong> von nichttarifären <strong>Handel</strong>shemmnissen<br />

Abstand nehmen.<br />

Darüber hinaus sind <strong>Handel</strong>sabkommen<br />

im Rahmen der <strong>WTO</strong> vonnöten,<br />

die fairen <strong>Handel</strong> regeln <strong>und</strong> Verstöße<br />

gegen die Fairness nicht nur zur<br />

Kenntnis nehmen, sondern auch tatsächlich<br />

ahnden. Zwar hat beispielsweise<br />

Brasilien gegen die<br />

Zuckerimportquoten der Industrieländer<br />

bei der <strong>WTO</strong> Klage erhoben,<br />

doch selbst, wenn die Klage erfolgreich<br />

verlaufen sollte, verstreicht bis<br />

dahin viel Zeit, zu viel für den<br />

Zuckerrohrschneider vom Land, der


seine Familie ernähren muss. Die<br />

<strong>WTO</strong> darf kein zahnloser Tiger sein.<br />

Ein für Lateinamerika gerechter<br />

<strong>Handel</strong> liegt auch in unserem<br />

Interesse, nicht nur, weil dort so manches<br />

Agrarprodukt preiswerter <strong>und</strong><br />

von besserer Qualität gedeiht als in<br />

Europa, wo man die Agrarwirtschaft<br />

nur mit Milliarden-Zuschüssen aus<br />

Steuergeldern künstlich konkurrenzfähig<br />

erhält. Diese Gelder könnten eingespart<br />

<strong>und</strong> in andere Produktionsbereiche,<br />

etwa im technologischen<br />

Bereich investiert werden. Verdienen<br />

die Menschen im Süden besser, wird<br />

dort Kaufkraft geschaffen, nicht zuletzt<br />

für technisch hochwertige Waren, die<br />

wir herstellen.<br />

Mehr Entwicklung in Lateinamerika<br />

käme auch dem globalen Klima zugute.<br />

Niemandem kann daran gelegen<br />

sein, dass die Armen des südlichen<br />

Kontinents die Wälder abholzen, weil<br />

sie sie als Brennholz brauchen, oder<br />

lateinamerikanische Kraftwerke,<br />

Fabriken oder Autos ihre Abgase<br />

ungefiltert in die Atmosphäre entlassen,<br />

weil sie nicht das Geld für saubere<br />

Anlagen haben.<br />

Dem Norden nützt es wenig, wenn<br />

immer mehr lateinamerikanische<br />

Frauen illegal in die USA, aber auch<br />

nach Europa einreisen, um als<br />

Putzfrauen oder Schwarzarbeiterinnen<br />

in einer Fabrik ihre Familie zu ernähren.<br />

Fairer <strong>Handel</strong> könnte für viele von<br />

ihnen vor Ort einen Arbeitsplatz schaffen.<br />

Und es schadet letztlich uns, wenn<br />

arme Bauern aus Bolivien, Peru oder<br />

Kolumbien nur noch den Ausweg<br />

sehen, Coca oder Mohn anzubauen,<br />

die dann später in Form von Kokain<br />

oder Heroin auf unseren Straßen <strong>und</strong><br />

an unseren Schulen verkauft werden.<br />

<strong>Global</strong>isierung in den<br />

Medien<br />

JAMAIKA: Milchbauern im<br />

<strong>Global</strong>isierungsstress<br />

Von Zadie Neufville<br />

St. Catherine, Jamaika, 22. März (IPS)<br />

- Aubrey Taylor gehörte einst zu den<br />

ganz Großen der jamaikanischen<br />

Milchindustrie. Doch 1992, als der<br />

karibische Inselstaat auf Druck der<br />

Weltbank seine Zölle für importiertes<br />

Milchpulver reduzierte <strong>und</strong> den lokalen<br />

Frischmilchproduzenten die Subventionen<br />

strich, nahm das Unheil seinen<br />

Lauf. "Inzwischen reichen die<br />

Einnahmen nicht mehr aus, um die<br />

Produktionskosten zu senken", beklagt<br />

der Farmer.<br />

Dem Bauern <strong>und</strong> ehemaligen<br />

Vorsitzenden des Jamaikanischen<br />

Milchbauernverbands (JDFF) <strong>und</strong> seinen<br />

Kollegen macht vor allem die<br />

Konkurrenz aus den EU-Ländern zu<br />

schaffen. Dank der finanziellen<br />

Unterstützung, die den europäischen<br />

Landwirten gewährt wird, können<br />

diese ihre Erzeugnisse zu Schleuderpreisen<br />

anbieten. Auf Jamaika ist es<br />

vor allem Trockenmilch, die der einheimischen<br />

Milch den Rang abläuft.<br />

Die Milchpulverimporte haben auch<br />

zu einem wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen<br />

Niedergang der ländlichen Regionen<br />

geführt, <strong>und</strong> viele Bauern wie Donny<br />

Bunting dazu veranlasst, das<br />

Handtuch zu werfen. 1993 gehörte<br />

Bunting mit 400 Stück Vieh zu den<br />

bedeutendsten Milchbauern der Insel.<br />

Inzwischen sind seine Weiden zugewuchert,<br />

<strong>und</strong> seine Milchmaschinen<br />

rosten unter freiem Himmel.<br />

Bunting, der sich nun als Fischzüchter<br />

versucht, ist einer von vielen. Denn die<br />

27


28<br />

Zahl aller jamaikanischen Milchbauern<br />

ist den offiziellen Angaben<br />

zufolge in den letzten 20 Jahren von<br />

4.000 auf knapp über 100 zurückgegangen.<br />

Den Rückgriff auf Trockenmilch<br />

begründet die Milch verarbeitende<br />

Industrie mit den besseren Preisen,<br />

schließlich kostet die Tonne nur 1.420<br />

US-Dollar. Auch gibt es Vorwürfe, die<br />

örtlichen Bauern seien nicht in der<br />

Lage, die Nachfrage zu decken. Doch<br />

der JDFF weist solche Ausführungen<br />

zurück. Wichtig sei ein <strong>fairer</strong><br />

Wettbewerb, der es dem karibischen<br />

Inselstaat erlaube, aus den jamaikanischen<br />

Milchkühen Kapital zu schlagen,<br />

sagt sie.<br />

Milchbauern wie Taylor setzten ihre<br />

Hoffnungen nun auf die so genannten<br />

Hope-Kühe. Vor mehr als 50 Jahren<br />

gelang dem lokalen Wissenschaftler<br />

Thomas Lecky die Entwicklung der<br />

'Jamaica Hope', einer Kreuzung zwischen<br />

den genügsamen Britischen<br />

Jersey-, den milchintensiven Holstein<strong>und</strong><br />

den seuchen- <strong>und</strong> tropenresistenten<br />

indischen Sahiwalkühen. Diese<br />

besondere Züchtung gibt durchschnittlich<br />

zwölf Liter Milch am Tag, dreimal<br />

mehr als die Menge, die die anderen<br />

Züchtungen auf Jamaika produzieren.<br />

Nach Angaben von Taylor trifft die<br />

US- <strong>und</strong> EU-Subventionspolitik vor<br />

allem die ärmsten Bauern Jamaikas.<br />

So ging das Milchaufkommen der kleinen<br />

Farmen, die bis zu zehn Kühen<br />

besitzen, in den letzten fünf Jahren<br />

von insgesamt 2,5 Millionen auf<br />

300.000 Liter zurück.<br />

Die Europäer hatten im Jahr 2000 67<br />

Prozent der jamaikanischen Milchpulverimporte<br />

bestritten. Die Katholische<br />

Agentur für Überseeentwicklung<br />

(CAFOD), eine britisch-walisische<br />

Unterorganisation der Caritas, bezeichnete<br />

die EU zwei Jahre später<br />

"als die am stärksten geförderte<br />

Agrarmacht der Welt".<br />

Nach CAFORD-Angaben subventioniert<br />

die EU allein das für Jamaika<br />

bestimmte Milchpulver mit jährlich<br />

mehr als 4,9 Millionen Dollar. Das entspricht<br />

dem 166-Fachen des gesamten<br />

Agrarhaushalts für 2003/04.<br />

Auf Jamaika werden jährlich 150<br />

Millionen Liter Milch verbraucht. In<br />

den letzen zehn Jahren ist der<br />

Marktanteil der lokalen Produzenten<br />

jedoch von 24 auf 4,2 Prozent gesunken.<br />

Allein zwischen 2000 <strong>und</strong> 2002<br />

ging die einheimische Flüssigmilchproduktion<br />

um 35 Prozent zurück. In<br />

Litern gemessen fiel sie von 27,5<br />

Millionen 1999 auf 17,8 Millionen<br />

Liter im letzten Jahr. (Ende/IPS/kb/2004)<br />

THAILAND: Menschenwürde<br />

statt Ausbeutung - Wenn die<br />

Fabrik den Arbeitern gehört<br />

Von Marwaan Macan-Markar<br />

Bangkok, 14. Januar (IPS) - In der<br />

thailändischen Textilindustrie, in der<br />

Billiglöhne <strong>und</strong> unwürdige Arbeitsbedingungen<br />

an der Tagesordnung<br />

sind, will sich eine neue Marke gegen<br />

Konzernriesen wie Nike <strong>und</strong> Levis<br />

behaupten. `Dignity Return' (`Rückkehr<br />

zur Würde') steht auf den Labels, die<br />

Arbeiterinnen <strong>und</strong> Arbeiter in die<br />

T-Shirts <strong>und</strong> Kopfbänder einnähen.


Der in Eigenregie <strong>und</strong> auf eigene<br />

Rechnung arbeitende Betrieb liegt in<br />

einem staubigen Industriegebiet am<br />

Westrand der Hauptstadt Bangkok.<br />

Hier haben sich vor zehn Monaten 30<br />

Frauen <strong>und</strong> Männer Arbeitsplätze <strong>und</strong><br />

Arbeitsbedingungen nach ihren eigenen<br />

Vorstellungen von Solidarität <strong>und</strong><br />

Menschenwürde eingerichtet.<br />

Sunee Narmso berichtet bereitwillig,<br />

was ihren Betrieb von den übrigen<br />

2.641 thailändischen Kleiderfabriken<br />

unterscheidet. Sie ist Mitte 20 <strong>und</strong><br />

stammt aus Nordostthailand, der ärmsten<br />

Region des südostasiatischen<br />

Landes. "Hier geht es anders zu als in<br />

den Fabriken, in denen ich früher<br />

gearbeitet habe", erzählt sie. "Hier<br />

wird niemand ausgebeutet oder missbraucht,<br />

hier werden die Arbeitsgesetze<br />

beachtet.<br />

Anders als in thailändischen Fabriken<br />

üblich brauchen die Frauen <strong>und</strong><br />

Männer, die hier an den<br />

Nähmaschinen sitzen, keine einheitliche<br />

Arbeitskleidung zu tragen.<br />

Radiomusik hallt durch die gut belüftete<br />

Halle. An den Wänden hängen<br />

Poster mit Lobsprüchen auf die Rechte<br />

der Arbeiter. "Lasst uns den<br />

Kapitalisten zeigen, dass die globale<br />

Arbeitersolidarität wirklich existiert",<br />

ist auf einem der Plakate zu lesen.<br />

Das Abenteuer der Fabrikbesitzer, die<br />

sich `Solidarity Group' nennen,<br />

begann im März 2003. Drei Monate<br />

lang hatten Arbeiter gegen ihre bisherigen<br />

Arbeitgeber gekämpft, deren<br />

Missmanagement im Dezember 2002<br />

den Textilbetrieb in den Bankrott<br />

getrieben hatte. Mehr als 800<br />

Mitarbeiter standen ohne Vorwarnung<br />

<strong>und</strong> ohne Abfindung auf der Straße.<br />

Etliche taten sich zusammen <strong>und</strong><br />

beschlossen, auf eigene Faust eine<br />

Fabrik zu etablieren. Durch Kredite<br />

aus verschiedenen Quellen <strong>und</strong> mit<br />

Geld, das ihnen Verwandte <strong>und</strong><br />

Fre<strong>und</strong>e liehen, bekamen sie das<br />

erforderliche Kapital schließlich<br />

zusammen. Auch ein paar Nähmaschinen<br />

<strong>und</strong> andere Betriebsgüter<br />

wurden geliehen.<br />

Thailands Textilindustrie ist ein wichtiger<br />

Wirtschaftsfaktor. Einer von der<br />

Junja durchgeführten Untersuchung<br />

zufolge exportierte sie 2002 Waren<br />

im Wert von 2,98 Milliarden Dollar. In<br />

den Kleiderfabriken sind 40.460<br />

Arbeitskräfte beschäftigt. Weitere<br />

65.000 Arbeiter verdienen ihren<br />

Lebensunterhalt in den 741 Webereien<br />

des Landes. In den 1.332<br />

Strickereibetrieben arbeiten 118.520<br />

Menschen. (Ende/IPS/mp/2004)<br />

TOGO: Chinas Markenpiraten<br />

verderben den `Nana Benz'<br />

das Geschäft<br />

Von Noël Kokou Tadégnon<br />

Lomé, 2. November<br />

(IPS) - Togos legendäre<br />

`Nana Benz'<br />

sind unter die Räuber<br />

gefallen: unter die<br />

Markenpiraten. Immer<br />

perfektere, zumeist aus<br />

China stammende Kopien<br />

der farbenfrohen, von Frauen<br />

in ganz Westafrika geschätzten Stoffe<br />

überschwemmen den Markt <strong>und</strong> verderben<br />

den schwerreichen Stoffgroßhändlerinnen<br />

die Geschäfte. Sie nämlich<br />

hatten den <strong>Handel</strong> mit der teuren<br />

Originalware der holländischen Firma<br />

Vlisco, die als `Wax' auf den Markt<br />

kommt, seit 30 Jahren fest im Griff.<br />

Die tüchtigen Geschäftsfrauen verdienten<br />

so gut, dass sie bald als<br />

`Nana (Mütter) Benz' bekannt wurden,<br />

weil sie im eigenen Mercedes<br />

nebst Chauffeur unterwegs waren.<br />

Jetzt bedrohen Fälscher <strong>und</strong> die<br />

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Konkurrenz ihr Monopol. "Stoffe<br />

zweifelhafter Herkunft <strong>und</strong> mit kopierten<br />

Motiven, die als <strong>Handel</strong>smarken<br />

urheberrechtlich geschützt sind, haben<br />

den togolesischen Markt überschwemmt",<br />

berichtet Bénéti Gagalo<br />

von Togos Verbrauchervereinigung.<br />

Evelyne Trénou, die Generalsekretärin<br />

des Verbandes der togolesischen<br />

Stoffhändlerinnen (ARPT), ist überzeugt,<br />

dass diese Ware in China produziert<br />

wird. Im Gespräch mit IPS gibt<br />

sie der einheimischen Konkurrenz die<br />

Hauptschuld an den gefälschten<br />

Importen. "Dahinter stehen Händlerinnen,<br />

die wie wir Importlizenzen<br />

besitzen. Sie haben schon andere<br />

Produkte aus China importiert <strong>und</strong><br />

beauftragen jetzt Chinesen, auch Wax<br />

zu fälschen."<br />

Im Gespräch mit IPS beschreibt Trénou<br />

den Schaden, den ihr Unternehmen in<br />

den letzten Jahren genommen hat:<br />

"Heute erziele ich nur noch ein Drittel<br />

meines früheren Umsatzes." Ihre<br />

Kollegin Ferraille berichtet: "VAC<br />

konnte in den 80er Jahren pro Woche<br />

noch neun Container verkaufen, heute<br />

sind es im gleichen Zeitraum noch<br />

drei. Seit 2000 sind unsere Geschäfte<br />

um 20 Prozent zurückgegangen.<br />

Muster, Farben <strong>und</strong> Markennamen,<br />

die Eigentum der Firma sind, werden<br />

ohne Genehmigung kopiert." Die<br />

Geschäftsfrau fürchtet, aus VAC, an<br />

dem togolesische Aktionäre zu 34<br />

Prozent beteiligt sind, aussteigen zu<br />

müssen. Die holländische Vlisco-<br />

Gruppe hält 66 Prozent.<br />

Weil die Stoffe der Kopien minderwertig<br />

sind, liegt auch ihr Preis erheblich<br />

unter dem der Originale. "Das echte<br />

Halbstück kostet umgerechnet r<strong>und</strong> 58<br />

US-Dollar, eine Fälschung gleicher<br />

Menge etwa 15 Dollar", erläutert<br />

Frédérique Ferraille. Sie ist die<br />

Generaldirektorin von `Vlisco African<br />

Company' (VAC Togo), des<br />

Alleinimporteurs der holländischen<br />

Originalware für Togo.<br />

Viele Käuferinnen nutzen den<br />

Preisvorteil der Kopien. "Früher war es<br />

für uns schwierig oder sogar unmöglich,<br />

umgerechnet r<strong>und</strong> 48 Dollar für<br />

ein Stück Original-Wax auszugeben",<br />

meinte die Friseurin Madeleine Attiso<br />

aus Lomé, mit der IPS sprach.<br />

Weil Produktfälschung in Togo seit<br />

2001 gesetzlich verboten ist, hat sich<br />

VAC-Chefin Ferraille wegen des<br />

Problems gefälschter Stoffe an die<br />

Regierung gewandt. Es gibt Hinweise<br />

darauf, dass Togos Zollbehörde <strong>und</strong><br />

das <strong>Handel</strong>sministerium besondere<br />

Vorschriften erlassen wollen. Ferraille<br />

berichtet, etliche Container mit angeblichen<br />

Fälschungen aus China seien<br />

bereits beschlagnahmt worden.<br />

Sie sei keineswegs darauf aus,<br />

Schaden anzurichten, betonte eine auf<br />

Anonymität bestehende togolesische<br />

Stoffimporteurin im Gespräch mit IPS.<br />

"In China finde ich gute Stoffe zu<br />

einem guten Preis, <strong>und</strong> diese biete ich<br />

meinen Landsleuten an." Die<br />

Bevölkerung habe die traditionellen<br />

Stoffe immer tragen wollen, doch für<br />

viele seien sie unerschwinglich gewesen.<br />

"Für einen Container mit Stoffen aus<br />

Holland muss man umgerechnet fast<br />

577.000 Dollar bezahlen. Die gleiche<br />

Menge gefälschter Stoffe kostet etwa<br />

115.400 Dollar", berichtet die<br />

Unternehmerin Trénou. Ein Importeur<br />

von Fälscherware, der bis zu 20<br />

Container aufkauft, verdient er an<br />

jedem fast 30.000 Dollar", rechnet sie<br />

vor. (Ende/IPS/mp/2004)


Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Ramesh Jaura<br />

1. Vorsitzender<br />

GLOBAL COOPERATION COUNCIL<br />

(Nord-Süd-Forum) e.V.<br />

Dechenstr. 2<br />

53115 Bonn<br />

Website: www.gccforum.net / www.gccforum.org<br />

E-Mail: rjaura@gccforum.org<br />

Redaktion: Karina Böckmann<br />

E-Mail: contact@kboeckmann.de<br />

Layout: Anke Bittkau<br />

<strong>Global</strong>om Media Verlag<br />

Druck: A&A Copy-Druck-Centre<br />

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