Das Café Life ist eröffnet - Gossen Kommunikation
Das Café Life ist eröffnet - Gossen Kommunikation
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<strong>Das</strong><br />
<strong>Café</strong> <strong>Life</strong> <strong>ist</strong><br />
<strong>eröffnet</strong><br />
S. 11<br />
DAS MAGAZIN DER LEBENSHILFE AACHEN WERKSTÄTTEN & SERVICE GMBH<br />
FÜR FREUNDE, FÖRDERER UND KUNDEN AUSGABE 37, OKTOBER 2009<br />
Interview: „<strong>Das</strong> Le<strong>ist</strong>ungspotenzial ausschöpfen“ S. 8<br />
LEWAC lässt Eltern hoffen S. 14<br />
Betriebsausfl ug wird zur Sternstunde S. 20
2<br />
Seite 6: Betriebsintegrierte Arbeitsplätze<br />
Ein eingespieltes Team: Hubert Kamann (links),<br />
stellvertretender Produktionsleiter Süßwaren bei<br />
Zentis, und Chr<strong>ist</strong>ian Hildebrandt, Gruppenleiter<br />
der Werkstatt.<br />
Seite 20: Gute Laune am Surf-Simulator<br />
Im Mai und Juni ging es bei den Sommerfesten<br />
der Werkstatt wieder hoch her. WIB zeigt die<br />
schönsten Fotos.<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
Lebenshilfe Aachen Werkstätten & Service GmbH,<br />
Neuenhofstr. 170, 52078 Aachen, Tel. 0241 928110<br />
V.i.S.d.P.:<br />
Norbert Zimmermann, Geschäftsführer<br />
Konzeption, Text, Redaktion:<br />
Siegbert <strong>Gossen</strong>, www.gossen-kommunikation.de<br />
Gestaltung:<br />
Maren Winter, www.miu-design.de<br />
Fotos (sofern nicht anders angegeben):<br />
Stefan Keller, www.stefankeller-fotografi e.de<br />
Druck:<br />
Druckhaus Süd, Köln<br />
Aufl age: 1500<br />
EDITORIAL S. 3<br />
AKTUELL<br />
KURZNACHRICHTEN<br />
Neue Stabsstellen<br />
Le<strong>ist</strong>ungsbezogenes Entgelt S. 4<br />
Neue Dienstle<strong>ist</strong>ung<br />
Zielvereinbarung mit dem LVR S. 5<br />
MENSCHEN<br />
REPORTAGE S. 6<br />
Seit über zehn Jahren arbeiten Mitarbeiter der Werkstatt<br />
bei Zentis vor Ort. Für Hubert Kamann, Zentis-Mann der<br />
ersten Stunde, eine wahre Erfolgsgeschichte.<br />
INTERVIEW S. 8<br />
Über Erfolgserlebnisse, Le<strong>ist</strong>ungsdruck und die Konkurrenz<br />
von Billiglohnpackern: WIB sprach mit Ulrich Lewanschkowski,<br />
Bereichsleiter Verpackung in der Neuenhofstraße.<br />
PORTRÄT S. 10<br />
Gökcen <strong>ist</strong> 1986 in Aachen geboren und seit drei Jahren<br />
in der Werkstatt. Jetzt wechselt sie vom Küchenteam<br />
ins <strong>Café</strong> <strong>Life</strong> an der Adenauerallee.<br />
WERKSTATT<br />
CAFÉ LIFE S. 11<br />
Rund achthundert Gäste kamen zum Eröffnungsfest am<br />
12. September. Den „Härtetest“ hat das <strong>Café</strong> <strong>Life</strong> bestanden.<br />
UNTERSTÜTZTE BESCHÄFTIGUNG S. 14<br />
Seit Juni vermittelt die Werkstatt Schulabgänger mit<br />
Lernbehinderung direkt in den ersten Arbeitsmarkt. WIB<br />
sprach mit den Verantwortlichen über ihre bisherigen<br />
Erfahrungen.<br />
HEILPÄDAGOGISCHER ARBEITSBEREICH S. 17<br />
Zuwendung, Geduld und Kreativität sind gefragt, damit<br />
Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen<br />
am Arbeitsleben teilhaben können.<br />
ARBEIT & MEHR<br />
KURZBERICHTE<br />
Neuer Sportverein<br />
Trainieren (fast) wie die Profi s S. 18<br />
Euriade-Jugendprojekt<br />
Reiterfreizeit im Juni S. 19<br />
FOTOALBUM<br />
Betriebsausfl ug wird zur Sternstunde S. 20<br />
Sommerfeste an beiden Standorten S. 22
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
im Frühsommer berichteten einige Zeitungen über die Situation der Werkstätten in Deutschland. „Von<br />
der Krise erwischt“ (Frankfurter Rundschau) oder „Wirtschaftskrise trifft auch Behindertenwerkstätten“<br />
(Hamburger Abendblatt) lauteten die Schlagzeilen. Die Rezession habe Auswirkungen auf die bundesweit<br />
700 Werkstätten für insgesamt 270.000 Menschen mit Behinderung genauso wie auf gewerbliche<br />
Unternehmen. Zugleich wurde die Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten mit dem Hinweis<br />
zitiert, die Auftragsrückgänge seien unterschiedlich stark und abhängig von den Zulieferfi rmen.<br />
In der Tat wirkt sich insbesondere die Absatzfl aute der Automobilbranche und ihrer Zulieferbetriebe aus,<br />
auch auf uns. Insbesondere die Schließung des Standortes der Firma Gates wird uns im kommenden Jahr<br />
treffen. Unabhängig von den aktuellen Problemen müssen sich Werkstätten außerdem auf zunehmende<br />
Konkurrenz etwa durch Billiglohnverpacker und steigende Anforderungen seitens der Auftraggeber<br />
einstellen.<br />
Beispiele für das, was wir konkret tun, um uns für die Zukunft gut aufzustellen, lesen Sie in dieser Ausgabe.<br />
Unter anderem führen wir neue Leitungsstrukturen und Entlohnungssysteme ein (Seite 4) und wir<br />
erweitern unsere Dienstle<strong>ist</strong>ungsangebote. Die Eröffnung des <strong>Café</strong> <strong>Life</strong> (Seite 11), der gelungene Start<br />
unserer Gartengruppe (s. letzte WIB-Ausgabe) oder neue Arbeitsfelder wie das Dentalsilikon-Recycling<br />
(Seite 5) sind wichtige Schritte. Darüber hinaus haben wir unseren Auftrag zur berufl ichen Eingliederung<br />
von Menschen mit Behinderung durch das Programm Unterstützte Beschäftigung erweitert (Seite 14).<br />
Bitte zögern Sie nicht, uns Lob, Kritik oder Anregungen mitzuteilen – ob zur Werkstatt im Allgemeinen<br />
oder zu diesem Heft im Besonderen. Ihre Ideen helfen uns, noch besser zu werden.<br />
Ihr<br />
Norbert Zimmermann,<br />
Geschäftsführer<br />
EDITORIAL<br />
3
4<br />
AKTUELL KURZNACHRICHTEN<br />
FÜHRUNGSSTRUKTUR LEISTUNGSBEZOGENES ENTGELT<br />
Werkstatt richtet Fachbereichsleitungen<br />
ein<br />
„Wir arbeiten alle in einem Unternehmen.“ Nach diesem Grundsatz<br />
will Mariele Storms, 42, zukünftig ihren neuen Aufgabenbereich<br />
Soziales, Bildung und Mitarbeiterentwicklung gestalten. Die<br />
traditionelle Trennung zwischen Fachpersonal und behinderten<br />
Mit arbeitern sei nicht mehr zeitgemäß; die soziale und pädagogische<br />
Arbeit der Werkstatt will sie daher neu ausrichten.<br />
Anfang September trat die bisherige Leiterin des Kunstbereichs<br />
ihre neue Stabsstellenposition an. Als „soziales Gesicht nach<br />
außen“ wird sie auch die zentrale Ansprechpartnerin für den Kostenträger<br />
Landschaftsverband sein. Für die Stabsstelle Vertrieb und<br />
Marketing, die ebenfalls direkt der Geschäftsführung untersteht,<br />
konnten wir außerdem Josef Schepp gewinnen. Der 45-jährige<br />
Techniker war bisher in Stolberg bei Leoni Kerpen, einem Hersteller<br />
von Verkabelungssystemen, im Vertrieb tätig. Bei uns wird er sich<br />
vor allem um die Entwicklung neuer Geschäftsfelder und den Kundenkontakt<br />
kümmern.<br />
Fachpersonal erhält Erfolgsprämien<br />
Erstmals in der Geschichte der Werkstatt wird das Fachpersonal<br />
zukünftig auch nach Le<strong>ist</strong>ung bezahlt. Im Rahmen des geltenden<br />
Tarifvertrags haben jetzt Geschäftsführung und Betriebsrat (Foto)<br />
eine entsprechende Regelung getroffen. Danach werden zukünftig<br />
mit jedem Verwaltungsmitarbeiter, Pädagogen, Techniker oder<br />
Me<strong>ist</strong>er der Werkstatt individuelle Ziele vereinbart, die je nach<br />
Grad der Zielerreichung mit einer zusätzlichen Vergütung verbunden<br />
sind. Insgesamt ausgeschüttet wird dabei 1 Prozent des Jahresbruttoentgelts<br />
aller Mitarbeiter der Werkstatt.<br />
Entwickelt hat das System eine paritätisch besetzte Kommission<br />
der Werkstatt mit Hilfe des Instituts für Arbeitswissenschaft der<br />
RWTH Aachen. <strong>Das</strong> neue Entgeltsystem wird schrittweise eingeführt.<br />
Bereits für 2009 erhalten alle Mitarbeiter einen Pauschalbetrag.<br />
Ab 2010 kommt dann die individuelle Le<strong>ist</strong>ungsvereinbarung<br />
zum Tragen.<br />
Der Knackpunkt, so Betriebsratsvorsitzende Martina Lintzen, sei<br />
natürlich die Frage gewesen: Wonach bewerten wir Le<strong>ist</strong>ung? In<br />
einem Unternehmen, dessen Auftrag auch berufl iche Rehabilitation<br />
und Teilhabe laute, gehe es um mehr als Produktionsmenge<br />
und Qualität. Auch hierfür habe die Kommission eine gute Lösung<br />
gefunden, die das Unternehmen insgesamt weiterbringen werde.
NEUE DIENSTLEISTUNG TEILHABE<br />
Silikon-Recycling Zielvereinbarung mit dem LVR<br />
Der Montagebereich in der Neuenhofstraße hat ein neues Arbeitsfeld<br />
erschlossen: das Recyceln von Silikonabfällen aus Zahnarztpraxen.<br />
Silikone sind in der Zahnmedizin heute unverzichtbar. Verwendet<br />
wird der Kunststoff für die exakte Abformung der Zahnreihen und<br />
des Kiefers. Die Wiederverwertung der Abdrücke lohnt sich fi nanziell<br />
und schont die Umwelt. Mehrere Zahnärzte arbeiten bereits<br />
mit der Werkstatt zusammen.<br />
Mit einer hochwertigen Schneidmühle (im Bild: Mitarbeiter<br />
Fritz Jussen) zerkleinert das Team um Bereichsleiter Peter<br />
Bremen das Silikon in körniges Granulat. <strong>Das</strong> Granulat wird anschließend<br />
zurück an die jeweilige Praxis geliefert und dort neuen<br />
Abdrücken mit einem Anteil zwischen 20 und 50 Prozent wieder<br />
beigemischt. Die Materialersparnis pro Abdruck beträgt bis zu 40<br />
Prozent. Um den Markt weiter zu erschließen, bieten wir interessierten<br />
Zahnärzten und Dentallaboren einen kosten losen Test an.<br />
Der Preis pro Kilogramm beträgt lediglich fünf Euro zuzüglich 7<br />
Prozent Mehrwertsteuer und Versandkosten.<br />
AKTUELL KURZNACHRICHTEN<br />
Um rheinlandweit Standards für die Angebote zur Teilhabe am<br />
Arbeitsleben festzulegen, hat der Landschaftsverband Rheinland<br />
im Juli 2009 Zielvereinbarungen mit Werkstätten getroffen. Die<br />
Vereinbarung umfasst fünf Handlungsfelder. Neben einer besseren<br />
Planung der Berufswege für Schulabgänger geht es darum,<br />
die Zahl der Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu<br />
steigern. Hier sieht die Zielvereinbarung vor, dass 3 Prozent der<br />
beschäftigten Mitarbeiter innerhalb von zwei Jahren dem Fachausschuss<br />
zur Vermittlung vorschlagen werden.<br />
Ein weiteres Ziel <strong>ist</strong> die Erreichung eines Anteils betriebsintegrierter<br />
Arbeitsplätze von 3,5 Prozent bis Ende 2010. Mit rund<br />
8,5 Prozent übertrifft unsere Werkstatt dieses Ziel bereits heute.<br />
Beim vierten Handlungsfeld geht es darum, dass Menschen mit<br />
Behinderung besser als bisher über ihren Rechtsanspruch auf<br />
das Persönliche Budget informiert werden. <strong>Das</strong> fünfte Handlungsfeld<br />
schließlich umfasst die verbesserte Förderung besonderer<br />
Personengruppen. Auch an diesem Ziel arbeiten wir bereits: Mit<br />
dem Kompetenzzentrum für berufsorientierte Förderung liegt<br />
ein entsprechendes Gesamtkonzept vor.<br />
5
6 MENSCHEN REPORTAGE<br />
„Ans Herz<br />
gewachsen“<br />
Bereits seit dreizehn Jahren arbeiten<br />
Mitarbeiter der Werkstatt bei<br />
Zentis vor Ort. Hubert Kamann,<br />
47, <strong>ist</strong> ein Mann der ersten Stunde.<br />
WIB-Reporter Siegbert <strong>Gossen</strong> und<br />
Fotograf Stefan Keller haben den<br />
stellvertretenden Produktionsleiter<br />
Süßwaren im Werk Eilendorf besucht<br />
– und bekamen ein Vorzeigeprojekt<br />
für betriebliche Integration<br />
zu sehen.<br />
Adolf Jousten (links) und Arne Sommer bauen Verkaufsdisplays für Konfi türen zusammen. Uwe Wiedemeier
Über den Werkshof geht es vorbei an akkurat aufgereihten Sattelschleppern.<br />
Rechts vor uns Tanks, wohl fünfzehn Meter hoch,<br />
voll mit Schokolade und Zucker. Ein angenehmes Aroma dringt<br />
in unsere Nasen, doch weniger markant, weniger süß als jener so<br />
wohlbekannte Duft in der Jülicher Straße. Hier im Werk Eilendorf<br />
sind wir im Reich des Marzipans und der Schokokugeln.<br />
Vom Pförtner bereits angekündigt, treffen wir am Seiteneingang<br />
zur Produktionshalle auf Hubert Kamann. Weißer Kittel mit<br />
Firmen logo, kräftiger Händedruck. Er führt uns in den schlichten<br />
Vorraum zu seinem Büro, der zugleich als Besprechungsraum<br />
dient. Ein Hallenplan und Urkunden der Deutschen Lebensmittelgesellschaft<br />
sind der einzige Schmuck an der Wand: Goldener<br />
Preis 2007 für die „Belnuga 30 Prozent“.<br />
Fast das ganze Berufsleben, seit 27 Jahren, arbeitet Hubert Kamann<br />
für Zentis. Lediglich seine Ausbildung machte der „staatlich anerkannte<br />
Niederländer“ (Kamann über Kamann) nicht hier, sondern<br />
bei Lindt & Sprüngli in Aachen. Als Zentis 1995 im neuen Werk in<br />
Eilendorf die Produktion aufnimmt, <strong>ist</strong> er dabei. Und so hat er auch<br />
die Zusammenarbeit mit der Werkstatt von Anfang an maßgeblich<br />
begleitet.<br />
Bereits in den 1980er Jahren gab es erste Kontakte der Werkstatt<br />
zu Zentis. Für einen Kunden des Fruchtunternehmens übernahm<br />
die Werkstatt damals Arbeiten im Verpackungsbereich. Doch erst<br />
mit der Nachbarschaft im Eilendorfer Gewerbegebiet nahm die<br />
Zusammenarbeit Fahrt auf.<br />
Welche Arbeit erledigen die Mitarbeiter der Werkstatt? In den ersten<br />
Jahren bauten sie fast ausschließlich Displays für Marmeladen<br />
zusammen, doch nach und nach kamen neue Einsatzfelder hinzu,<br />
etwa beim Bestücken von Laufbändern mit Verpackungen. Heute<br />
werden die Mitarbeiter fast überall eingesetzt, außer in der eigentlichen<br />
Produktion noch unverpackter Lebensmittel.<br />
Zentis: Ursprung auf dem Adalbertsteinweg<br />
Die Zentis GmbH & Co. KG beschäftigt in Aachen rund 1.300 Mitarbeiter.<br />
Niederlassungen gibt es in Polen, Ungarn, den USA und<br />
Russland. Die Produktion <strong>ist</strong> auf die Bereiche Fruchtzubereitungen<br />
für die Milch- und Backwarenindustrie, Konfi türen und süße<br />
Cremes sowie Süßwaren konzentriert. 1893 von Franz Zentis als<br />
Kolonialwaren- und Lebensmittelgeschäft auf dem Adalbertsteinweg<br />
gegründet, gilt Zentis heute – mit 600 Millionen Euro Umsatz<br />
und einer Fruchtverarbeitungskapazität von täglich mehreren<br />
hundert Tonnen – als einer der größten fruchtverarbeitenden Betriebe<br />
Europas.<br />
MENSCHEN REPORTAGE<br />
Gab es Berührungsängste? Wie seine Kollegen sei auch er zunächst<br />
etwas unsicher gewesen, blickt Kamann zurück. Sehr schnell habe<br />
sich jedoch ein unbefangener und herzlicher Umgang entwickelt.<br />
Heute <strong>ist</strong> die Werkstattgruppe nach seinen Worten voll in den<br />
Zentis-Mitarbeiterstamm integriert. Man macht zusammen Pause,<br />
es gibt private Kontakte. Zurück in die Werkstatt will niemand.<br />
<strong>Das</strong> bestätigt auch Chr<strong>ist</strong>ian Hildebrandt, 55. Wir treffen ihn<br />
beim anschließenden Rundgang durch die Produktionshalle. Der<br />
Leiter der sogenannten betriebsintegrierten Arbeitsgruppe der<br />
Werkstatt betreut die Mitarbeiter mit Behinderung und <strong>ist</strong><br />
zugleich erster Ansprechpartner für Zentis. „Wenn es jemals<br />
Integration gegeben hat, dann hier!“, ruft Hildebrandt gegen den<br />
Lärm der Verpackungsmaschinen an. Pünktlichkeit, Ausdauer,<br />
Flexibilität – all das, sagt Hildebrand, <strong>ist</strong> notwendig, um diesen<br />
Job zu schaffen. Wenige halten das längere Zeit durch. So sind<br />
von den 200 Mitarbeitern, die im Laufe der Jahre im Zentis-Werk<br />
tätig waren, nur zwei vom ersten Tag an im Einsatz: Uwe<br />
Wiedemeier und Adolf Jousten (siehe WIB-Ausgabe vom<br />
September 2008).<br />
Uwe Wiedemeier, 37, legt gerade Behälter für Marzipankartoffeln<br />
aufs Band. Er fi ndet die Arbeit „super“. Er <strong>ist</strong> Hubert Kamann „richtig<br />
ans Herz gewachsen“. Uwe habe ihm einmal in ungestümer<br />
Herzlichkeit fast die Wirbelsäule gebrochen, erzählt der Zentis-<br />
Mann schmunzelnd. So unterschiedlich die Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit der<br />
unterschiedlichen Werkstattmitarbeiter auch sei: Die Gewissenhaftigkeit,<br />
mit der alle ihren Job machten, fi ndet er faszinierend.<br />
Zum Abschied geht einem in Anlehnung an den Zentis-Slogan<br />
„Viel Frucht. Feel Good“ das Fazit durch den Kopf: „Viel Arbeit. Viel<br />
Gefühl.“ Und die Frage: Warum zeigen eigentlich nicht mehr Unternehmen<br />
Herz? <strong>Das</strong> Beispiel Zentis zeigt, dass alle etwas davon<br />
haben.<br />
Stichwort: Betriebsintegrierte Arbeitsplätze<br />
Zurzeit haben 50 Mitarbeiter mit Behinderung einen sogenannten<br />
betriebsintegrierten Arbeitsplatz bei drei verschiedenen Aachener<br />
Unternehmen. Bei Zentis sind es neun Männer und zwei Frauen.<br />
Alle stehen auf der Lohnl<strong>ist</strong>e der Werkstatt und nehmen an internen<br />
Fortbildungs- und Qualifi zierungsmaßnahmen teil. Im Alltag<br />
gehen sie jedoch ihrer Erwerbstätigkeit weitgehend selbstständig<br />
nach. Wie jeder andere Arbeitnehmer auch sind sie in die betrieblichen<br />
Abläufe der Außenfi rma eingebunden.<br />
7
8 MENSCHEN INTERVIEW<br />
„<strong>Das</strong> Le<strong>ist</strong>ungspotenzial<br />
ausschöpfen“<br />
Werkstätten stehen unter zunehmendem Druck. Durch die Wirtschaftskrise<br />
sind Aufträge vor allem der gewerblichen Industrie<br />
zurückgegangen. Zudem reduziert die öffentliche Hand schon seit<br />
Jahren die Kostensätze. In der Folge müssen die Werkstätten neue<br />
Arbeitsfelder erschließen und die Produktivität erhöhen. Doch wie<br />
soll das gehen? Die WIB sprach mit einem Mitarbeiter der Werkstatt,<br />
der es wissen muss: Ulrich Lewanschkowski. Es geht um die<br />
Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung und um die<br />
Frage, wann eine Werkstatt erfolgreich <strong>ist</strong>.<br />
Mr. Verpackung<br />
Ulrich Lewanschkowski arbeitet seit acht Jahren in der Werkstatt, davon sieben als Bereichsleiter<br />
im Verpackungsbereich am Standort Neuenhofstraße. Hier <strong>ist</strong> er für rund 170 beschäftigte<br />
Mitarbeiter verantwortlich, die vor allem Großaufträge der Süßwarenindustrie bearbeiten.<br />
Vor seiner Zeit in Aachen war der gebürtige Westfale als Gruppenleiter in einer Werkstatt für<br />
angepasste Arbeit in Düsseldorf tätig. Er <strong>ist</strong> verheiratet und lebt in Simmerath-Steckenborn in<br />
einem Holzhaus. <strong>Das</strong> hat der Tischlerme<strong>ist</strong>er natürlich überwiegend selbst gebaut.
Herr Lewanschkowski, immer mehr le<strong>ist</strong>en in immer kürzerer Zeit:<br />
Gab oder gibt es auch in Werkstätten für behinderte Menschen<br />
einen Trend zur Arbeitsverdichtung?<br />
Sicher nicht in der Form, dass bei vollen Auftragsbüchern das tägliche<br />
Pensum ständig gesteigert würde. Doch auch wir wollen das<br />
vorhandene Le<strong>ist</strong>ungspotential jedes beschäftigten Mitarbeiters<br />
ausschöpfen. Dies <strong>ist</strong> Bestandteil des Arbeitslebens und zeigt, dass<br />
wir die Arbeitsle<strong>ist</strong>ung jedes Einzelnen ernst nehmen und anerkennen.<br />
Dadurch wird der behinderte Mensch mit seinem Le<strong>ist</strong>ungsvermögen<br />
gleichgesetzt mit jedem nichtbehinderten Menschen,<br />
der im Arbeitsleben steht.<br />
Kommt es vor, dass sich ein behinderter Mitarbeiter überfordert<br />
fühlt? Wie äußert sich das?<br />
Ja, das gibt es natürlich. Jeder hat zum Beispiel mal einen schlechten<br />
Tag. Menschen mit Behinderung reagieren auf Überforderung<br />
sehr direkt. <strong>Das</strong> bedeutet in der Regel, dass ihre Arbeitsle<strong>ist</strong>ung<br />
nachlässt. Einige zeigen Verhaltensauffälligkeiten, die in einem<br />
gleichmäßigen, gut strukturierten und ihrem individuellen Le<strong>ist</strong>ungsniveau<br />
angepassten Arbeitsablauf nicht vorkommen.<br />
Und was tun die Gruppenleiter in einem solchen Fall?<br />
<strong>Das</strong> fachliche Können der Gruppenleitungen besteht darin, alle<br />
Mitarbeiter nach ihren individuellen Fähigkeiten am Arbeitsprozess<br />
zu beteiligen, wobei Unterforderung auf Dauer genauso<br />
schlecht <strong>ist</strong> wie Überforderung. Individuelle Überforderung fangen<br />
die Mitarbeiter durch Aufteilung der Aufgaben in kleinere Arbeitsschritte<br />
auf. Dies bezieht sich sowohl auf die qualitativen als auch<br />
auf die quantitativen Anforderungen. Durch dieses Anpassen der<br />
Arbeit an die Fähigkeiten der Menschen wird die Arbeitslast auf<br />
mehrere Schultern verteilt.<br />
In jedem Unternehmen sind die Mitarbeiter unterschiedlich le<strong>ist</strong>ungsfähig.<br />
In besonderer Weise gilt dies wohl für einen Betrieb, der<br />
auch Menschen mit teils sehr hohem Unterstützungsbedarf betreut.<br />
Wie schaffen Sie es, für jeden die geeignete Aufgabe zu fi nden?<br />
Im Unterschied zur freien Wirtschaft stellen wir Mitarbeiter ja<br />
nicht nach Auftragslage ein, sondern die Mitarbeiter kommen zu<br />
uns und wir haben den Auftrag, sie durch geeignete Arbeiten am<br />
Arbeitsleben teilhaben zu lassen. Daher müssen wir auch Arbeiten<br />
für alle vorhandenen Le<strong>ist</strong>ungsstufen akquirieren. Und das <strong>ist</strong> in<br />
den letzten Jahren schwieriger geworden.<br />
Inwiefern?<br />
In der Wirtschaft werden immer mehr einfache Arbeitsgänge<br />
durch Maschinen und Roboter ausgeführt. Hier sind auch für uns<br />
die Globalisierung der Arbeitsmärkte und das Lohndumping in<br />
bestimmten Arbeitsbereichen spürbar. Wir konkurrieren mit Billiglohnländern<br />
und Billiglohnverpackern.<br />
Wie kann sich die Werkstatt gegen diese Konkurrenz behaupten?<br />
Wir versuchen das durch Qualität und Zuverlässigkeit auszugleichen.<br />
Außerdem haben wir uns in verschiedenen Bereichen spezialisiert<br />
und dadurch festere Bindungen an bestimmte Auftraggeber<br />
geschaffen. Dadurch haben wir eine relativ gute Ausgangslage, auf<br />
der wir weiter aufbauen müssen. Wenn sich aber die wirtschaftli-<br />
MENSCHEN INTERVIEW<br />
che Lage unserer Auftraggeber verschlechtert, wirkt sich das auf<br />
unsere Auftragssituation voll aus.<br />
Bei der Arbeit und im Beruf strebt jeder Mensch nach Erfolgerlebnissen.<br />
Was <strong>ist</strong> aus Ihrer Sicht ein Erfolg für einen behinderten Mitarbeiter,<br />
und was ein Erfolg für die Werkstatt als Ganzes?<br />
Man <strong>ist</strong> erfolgreich, wenn man sein Le<strong>ist</strong>ungsvermögen voll<br />
ausschöpft. Dadurch entstehen ein hohes Selbstwertgefühl und<br />
persönliche Befriedigung. Dies gilt vor allen Dingen, wenn man<br />
Aufgaben bewältigt, die man sich selbst beziehungsweise ein<br />
Dritter einem nicht zugetraut hat. Als Werkstatt sind wir erfolgreich,<br />
wenn wir durch die Qualität, mit der wir die Aufträge erfüllen,<br />
unsere Kunden zufriedenstellen und wir als gleichwertiger<br />
Wirtschaftspartner anerkannt werden. Damit <strong>ist</strong> dann auch die<br />
Arbeitsle<strong>ist</strong>ung der beschäftigten Mitarbeiter anerkannt.<br />
Wann, würden Sie sagen, hat eine Werkstatt ihren Auftrag erfüllt?<br />
Wenn sich der Mensch mit einer Behinderung durch unser Arbeitsangebot<br />
und die arbeitsbegleitenden Maßnahmen weiterentwickeln<br />
kann. Wenn wir für jeden den geeigneten Arbeitsplatz<br />
anbieten können und sich jeder einen seiner individuellen Le<strong>ist</strong>ung<br />
entsprechenden Lohn erarbeiten kann. Dann <strong>ist</strong> die Teilhabe am<br />
Arbeitsleben erreicht.<br />
Und was müsste sich Ihrer Meinung nach an den Rahmenbedingungen<br />
für Werkstätten ändern, damit sie diesen Auftrag optimal<br />
erfüllen können?<br />
Die Finanzierung von genügend Betreuungspersonal durch die<br />
Kostenträger muss gesichert sein. Die angestellten Mitarbeiter<br />
können sich nicht zu hundert Prozent an der Produktion beteiligen,<br />
da sie für die verschiedensten Belange der Mitarbeiter mit Behinderung<br />
zuständig sind. Sobald diese Finanzierung nicht mehr gegeben<br />
<strong>ist</strong> und wir den Lohn des Betreuungspersonals über unsere<br />
Produktionsarbeit sichern müssten, geht das zu Lasten vor allem<br />
der schwächeren Mitarbeiter in der Werkstatt.<br />
Was verdient ein Mitarbeiter mit<br />
Behinderung?<br />
<strong>Das</strong> Arbeitsentgelt hängt vom sogenannten Arbeitsergebnis<br />
der Werkstatt ab. Dieses wiederum errechnet sich aus der<br />
Differenz zwischen Ertrag und Kosten. Der Ertrag setzt sich<br />
zusammen aus den Umsatzerlösen (durchschnittlich 20<br />
Prozent der Einnahmen) und aus den Kostensätzen (durchschnittlich<br />
80 Prozent), die der Rehabilitationsträger zahlt.<br />
Zieht man davon die Kosten des laufenden Betriebs (Gehälter<br />
für Fachpersonal, Sachkosten etc.) ab, erhält man das Arbeitsergebnis.<br />
Nach dem Gesetz wird es zu mindestens 70 Prozent<br />
als Arbeitsentgelt an die behinderten Mitarbeiter ausgezahlt.<br />
Ein Mindestentgelt von 73 Euro <strong>ist</strong> gesetzlich vorgeschrieben.<br />
Im Durchschnitt beträgt das Arbeitsentgelt für die rund<br />
268.000 behinderten Mitarbeiter in anerkannten Werkstätten<br />
in Deutschland zurzeit 158,49 Euro monatlich.<br />
9
10<br />
MENSCHEN PORTRÄT<br />
Für das Serviceteam <strong>ist</strong> die Eröffnung des „<strong>Café</strong><br />
<strong>Life</strong>“ eine völlig neue Herausforderung. Und eine<br />
große Chance. Werkstatt im Blickpunkt stellt die<br />
Mitarbeiterin Gökcen vor, die einen ganz besonderen<br />
Bezug zum <strong>Café</strong> hat.<br />
Me<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> sie still, lächelt zurückhaltend. Doch wenn die Zeit reif<br />
<strong>ist</strong>, lässt die sympathische 23-Jährige mit einer klangvollen Idee<br />
aufhorchen. Gökcen hat sich riesig auf ihre neue Aufgabe gefreut.<br />
Über ein Jahr hatte sie sich vorbereitet, und nun war es endlich so<br />
weit: Am 3. September, einige Tage vor der offi ziellen Eröffnung,<br />
hatte sie den ersten Arbeitstag im „<strong>Café</strong> <strong>Life</strong>“ in der Adenauerallee<br />
38. Gemeinsam mit vier Kolleginnen und Kollegen übernimmt sie<br />
hier den Service.<br />
Was sie sich dafür vorgenommen hat? Die Antwort kommt im Nu:<br />
„Freundlich sein und auf das achten, was wir gelernt haben“, sagt<br />
sie. „Die Gäste sollen sich wohlfühlen und oft wiederkommen.“<br />
„Die anfängliche Schüchternheit hat Gökcen fast ganz abgelegt“,<br />
„Ich freue mich riesig auf<br />
diese Aufgabe“<br />
Steckbrief: Ein Öcher Mädchen<br />
Gökcen wurde 1986 in Aachen geboren. Seit September 2006 <strong>ist</strong><br />
sie Mitarbeiterin in unserer Werkstatt Neuenhofstraße. Im 18köpfi<br />
gen Küchenteam war sie überall einsetzbar, da sie sehr selbstständig<br />
arbeitet. Mit Eröffnung des „<strong>Café</strong> <strong>Life</strong>“ wechselt sie nun als<br />
Vollzeitkraft in die <strong>Café</strong>gruppe der Aachener Werkstätten an der<br />
Adenauerallee.<br />
stellt die das Projekt begleitende Sozialpädagogin Anna Gasch fest.<br />
„Jetzt kellnere ich am liebsten“, sagt Gökcen, „ich habe gern Kontakt<br />
mit Menschen.“ Und die unregelmäßigen Arbeitszeiten, am<br />
Wochenende sogar bis 22 Uhr? „<strong>Das</strong> macht mir nichts aus. Hauptsache,<br />
wir haben genug zu tun und es kommen viele Gäste.“<br />
„Die Arbeit im <strong>Café</strong> bietet eine große Chance“, sagt Geschäftsführer<br />
Norbert Zimmermann. Durch Praxis und Qualifi zierung<br />
kann das <strong>Café</strong>-Projekt der Werkstatt für Gökcen und ihre Kollegen<br />
zum Sprungbrett auf den allgemeinen Arbeitsmarkt werden.<br />
Die Beschäftigten der <strong>Café</strong>- und Servicegruppe konnten wäh rend<br />
ihrer Ausbildung im Berufsbildungs- oder Arbeitsbereich der Werkstatt<br />
ihre individuellen Stärken erweitern und festigen. Zum Thema<br />
„Service am Gast“ wurde in Trainingseinheiten theoretisches<br />
Wissen individuell aufbereitet und praktisch ein geübt. Geleitet hat<br />
die Einheiten Karin Fehrmann, die als Hotelfachfrau die notwendigen<br />
Kompetenzen mitbringt und im Gruppendienst der Werkstatt<br />
tätig <strong>ist</strong>.<br />
Für Gökcen war der Eröffnungstag übrigens ein doppelter Grund<br />
zum Feiern: Der Name „<strong>Café</strong> <strong>Life</strong>“ <strong>ist</strong> ihre Idee.
„Schickes <strong>Café</strong>“<br />
WERKSTATT CAFÉ LIFE<br />
Mit der Eröffnung des <strong>Café</strong> <strong>Life</strong> im Lebenshilfe-Haus in der Adenauerallee<br />
38 beginnt für sie der Alltag am neuen Arbeitsplatz: Sabrina Krings, Gökcen<br />
Tüysüz, Heiko Hilkert, Melanie Müller und Monika Cymutta sind das neue<br />
<strong>Café</strong>-Team der Werkstatt. Über ein Jahr haben sie gelernt, geübt und auch<br />
ein wenig gebangt.<br />
11
12 WERKSTATT CAFÉ LIFE<br />
Verantwortlich für das <strong>Café</strong> <strong>Life</strong>: Günter Weidknecht Navid Shah und Birgit Brachmann (Foto rechts) waren den ganzen Abend<br />
in der Spülküche im Einsatz.<br />
„Werkstatt goes Gastronomie“<br />
So bringt es Küchenchef Günter Weidknecht auf den Punkt. Im<br />
zurückliegenden Jahr war er verantwortlich für die komplette<br />
organisatorische Planung und Vorbereitung des neuen <strong>Café</strong>- und<br />
B<strong>ist</strong>robetriebs der Werkstatt. Begleitet durch die Sozialpädagogin<br />
Anna Gasch hat er zudem das fünfköpfi ge Serviceteam aus seinem<br />
Küchenpersonal ausgewählt und gemeinsam mit einer Kollegin<br />
aus dem Hotelfach intensiv vorbereitet. Zum Team gehört seit<br />
wenigen Wochen auch Köchin Verena Angermüller.<br />
Neben einem Mittagstisch an Werktagen und dem regelmäßigen<br />
Sonntagsbrunch bietet das <strong>Café</strong> auch das Catering für Veranstaltungen<br />
wie Geburtstage oder Hochzeiten an. Und an Spieltagen<br />
von Alemannia Aachen <strong>ist</strong> zukünftig Live-Fußball angesagt: das<br />
<strong>Café</strong> <strong>Life</strong> <strong>ist</strong> Sky-Sportsbar.<br />
In Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe will sich das <strong>Café</strong> darüber<br />
hinaus als Veranstaltungsort für Lesungen, Filmabende und<br />
andere kulturelle Veranstaltungen in ganz Aachen einen Namen<br />
machen – als besonderer Treffpunkt für Menschen mit und ohne<br />
Behinderung.<br />
Wenig Zeit zur Vorbereitung<br />
Die letzten Tage vor Eröffnung des Lebenshilfe-Hauses am 12.<br />
September waren ein hartes Stück Arbeit. Verzögerungen beim<br />
Umbau hatten den Zeitplan von Günter Weidknecht über den<br />
Haufen geworfen. So waren Anfang September die Küche nicht<br />
montiert und die Möbel noch nicht ausgepackt. Für die Schulung<br />
des Service teams vor Ort blieb kaum Zeit. Doch mit viel Einsatz<br />
des ganzen Teams wurde alles rechtzeitig fertig und die ersten<br />
Kunden konnten feststellen: „Schickes <strong>Café</strong>.“<br />
Gemeinsam mit acht Aushilfskräften bewältigte das <strong>Café</strong> dann<br />
den Ansturm der vielen hundert Gäste des Eröffnungsfests auf<br />
Kaffee, Kuchen und Grillstand. Den Getränkeausschank am Abend<br />
übernehmen dann Mitarbeiter der Werkstatt. Ihren Feierabend<br />
hatten sich Sabrina, Gökcen, Heiko, Melanie und Monika mehr als<br />
verdient.
Birgit Brachmann Heiko Hilkert<br />
Aus der Speisekarte:<br />
Kartoffel-Lauch-Suppe mit Mettwurststreifen . . . . . . . 2,50 €<br />
Salatteller mit Streifen von der Poulardenbrust,<br />
dazu Stangenbrot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5,50 €<br />
Sommersalate in Balsamicodressing mit<br />
gebratenen Pilzen und kleinem Steak . . . . . . . . . . . . . . . . 6,50 €<br />
Bandnudeln mit Räucherlachsstreifen in Dillrahm . . . . 6,50 €<br />
Rinderhüftsteak mit Kräuterbutter, Ofenkartoffel<br />
und Salatgarnitur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12,00 €<br />
WERKSTATT CAFÉ LIFE<br />
Dienstle<strong>ist</strong>ungen: Neue Chancen für<br />
die berufl iche Integration<br />
Als Betreiber des <strong>Café</strong>s mit fünf Arbeitsplätzen für Menschen<br />
mit Behinderung bauen wir unser Angebot an differenzierten<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten weiter aus. Vor allem im<br />
Dienstle<strong>ist</strong>ungsbereich bieten sich zahlreiche Chancen für die<br />
berufl iche Integration in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes.<br />
So ex<strong>ist</strong>ieren bereits betriebsintegrierte Einzelarbeitsplätze<br />
im hauswirtschaftlichen Bereich von Kindergärten<br />
und Wohnheimen, im Hotel- und Jugendgästehausbereich<br />
sowie bei der Firma BMW Kohl im Bereich der Fahrzeugpfl ege.<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo - Do: 12.00 - 15.00 Uhr<br />
Fr - Sa: 12.00 - 22.00 Uhr<br />
So: 10.00 - 18.00 Uhr<br />
Tel. Nr. 0241 / 41 31 02 23<br />
13
14 WERKSTATT UNTERSTÜTZTE BESCHÄFTIGUNG<br />
„Viele Eltern setzen große Hoffnungen in uns“<br />
In der letzten Ausgabe hatte WIB kurz berichtet, dass die Werkstatt gemeinsam mit<br />
WABe e. V. an einer Ausschreibung der Agentur für Arbeit teilgenommen und den<br />
Zuschlag bekommen hatte. Dabei geht es um die Fördermaßnahme „Unterstützte<br />
Beschäftigung“. Im Juni <strong>ist</strong> das Kooperationsprojekt unter dem Namen LEWAC gestartet.<br />
WIB sprach mit den Projektleiterinnen Mariele Storms (Werkstatt, links) und Katrin<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er (WABe) über erste Erfahrungen.
Was <strong>ist</strong> Unterstützte Beschäftigung?<br />
Unterstützte Beschäftigung (UB) <strong>ist</strong> ein Angebot insbesondere<br />
für Schulabgänger im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung<br />
und ge<strong>ist</strong>iger Behinderung bzw. psychischer Behinderung.<br />
Bei einer leichten Intelligenzminderung an der Grenze<br />
zur ge<strong>ist</strong>igen Behinderung bleibt das Denkvermögen der<br />
Betroffenen oft auf dem Entwicklungsstand von Neun- bis<br />
Zwölfjährigen. Als Erwachsene stehen sie gleichwohl vor ganz<br />
„normalen“ Lebensaufgaben, zum Beispiel vor der Frage, ob<br />
sie den Führerschein machen, selbstständig leben oder eine<br />
Familie gründen können. Mit der Aufnahme einer Berufsausbildung<br />
wären lern behinderte Schulabgänger überfordert.<br />
Beim UB-Programm erfolgt daher ihre individuelle Qualifi zierung<br />
direkt am Arbeitsplatz nach dem Grundsatz „Erst platzieren,<br />
dann qualifi zieren“. Die Arbeitsagenturen übernehmen<br />
die Kosten bis zu zwei Jahre und zahlen den Teilnehmern Ausbildungs-<br />
bzw. Übergangsgeld. Daran schließt sich im Bedarfsfall<br />
eine Berufsbegleitung an, die durch die Integrationsämter<br />
gefördert wird. Ziel <strong>ist</strong> die Übernahme in ein sozialversicherungspfl<br />
ichtiges Beschäftigungs verhältnis.<br />
Frau Storms, was hat ein Programm wie Unterstützte Beschäftigung<br />
mit den Aufgaben der Werkstatt zu tun?<br />
Storms: Sehr viel. Unsere Aufgabe besteht ja darin, Menschen<br />
mit Behinderung individuell zu fördern und ihnen die Eingliederung<br />
auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Darin haben<br />
wir jahrzehntelange Erfahrung, vor allem durch unsere Außenarbeitsgruppen<br />
und Einzelarbeitplätze in Kooperationsbetrieben.<br />
Unterstützte Beschäftigung <strong>ist</strong> nun ein neues Instrument. Damit<br />
können wir unser Know-how jetzt auch Menschen anbieten, die<br />
die besonderen Angebote in der Werkstatt nicht benötigen.<br />
Was <strong>ist</strong> neu daran?<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er: Wir können die jungen Leute, vor allem sind es ja<br />
Schulabgänger, über einen längeren Zeitraum auf ihrem Weg begleiten<br />
und unterstützen. Diese Möglichkeit gab es vorher nicht.<br />
Viele haben notgedrungen „Maßnahmenhopping“ betrieben: Werkstattjahr,<br />
Berufsvorbereitende Maßnahmen usw. Jetzt haben wir<br />
24 Monate Zeit, jemanden gezielt auf die Anforderungen auf dem<br />
ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten und in der Praxis zu begleiten.<br />
Wie kam es, dass sich WABe und Werkstatt für die Ausschreibung<br />
zusammengetan haben?<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er: Persönliche Kontakte gab es schon durch den Runden<br />
Tisch Arbeit. Als die Ausschreibung kam, <strong>ist</strong> WABe-Geschäftsführer<br />
Alois Poquett auf die Werkstatt zugegangen. Wir ergänzen<br />
uns perfekt: Die Werkstatt hat Erfahrung mit Menschen mit Lern-<br />
und ge<strong>ist</strong>iger Behinderung und wir führen schon seit vielen Jahren<br />
berufl iche Integrationsmaßnahmen für Menschen mit psychischer<br />
Behinderung durch.<br />
WERKSTATT UNTERSTÜTZTE BESCHÄFTIGUNG<br />
WABe e. V. Diakonisches Netzwerk Aachen<br />
WABe steht für Wohnung, Arbeit und Beratung. Nach diesem<br />
ganzheitlichen Konzept unterstützt der Verein seit 1985 Menschen<br />
in besonderen sozialen Schwierigkeiten.<br />
In Beratungsstellen, Wohneinrichtungen und Arbeitsprojekten<br />
fi nden haftentlassene, wohnungslose, langzeitarbeitslose und<br />
Menschen mit Behinderung die Hilfen, die sie bei der (Re-)<br />
Integration in die Gesellschaft brauchen. Katrin Bauerme<strong>ist</strong>er<br />
leitet bei der WABe den Fachbereich 3 „Arbeit und soziale<br />
Integration“.<br />
Mehr unter www.wabe-aachen.de<br />
Storms: Wir haben beide schnell gesehen, welche Chance es<br />
bietet, stärker in Netzwerken zu arbeiten. Außerdem sprach die<br />
räumliche Nähe dafür: Unsere Einrichtungen liegen nur 100 Meter<br />
Luftlinie voneinander entfernt.<br />
Und wie viele Teilnehmer haben Sie jetzt?<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er: Zugewiesen werden uns die Teilnehmer ja von den<br />
Reha-Beratern der Arbeitsagentur. Derzeit haben wir drei Gruppen<br />
mit insgesamt 22 Teilnehmern. Die letzte Gruppe mit zehn Teilnehmern<br />
hat Ende August angefangen.<br />
Storms: <strong>Das</strong> Interesse <strong>ist</strong> enorm. Wenn es so weitergeht, sind<br />
die beauftragten 960 Teilnehmer-Monate bald erschöpft. Bei<br />
durchschnittlich 24 Monaten Laufzeit können wir ja nur maximal<br />
40 Personen betreuen. Vor allem an Förderschulen hat sich das<br />
Programm schnell herumgesprochen. Viele Schulabgänger und<br />
ihre Eltern setzen große Hoffnungen in uns.<br />
Haben Sie für die Teilnehmer schon Plätze in Betrieben fi nden<br />
können? Wie gehen Sie vor?<br />
Storms: Von den 22 Teilnehmern arbeiten bereits 19 in Firmen,<br />
me<strong>ist</strong> ganz normal im Achtstundentag. Drei sind zurzeit noch<br />
in der Erprobungsphase in unserem Verpackungsbereich in der<br />
Neuenhof straße eingesetzt.<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er: Bei der Akquise der Plätze setzen wir zunächst<br />
natürlich auf bestehende Kontakte. Aber auch bei Firmenleitern,<br />
die uns nicht kennen, stoßen wir auf Interesse. Zum Beispiel, weil<br />
es in der Familie einen Angehörigen mit Behinderung gibt oder<br />
weil man seine soziale Verantwortung sieht. Interessanterweise<br />
15
16<br />
WERKSTATT UNTERSTÜTZTE BESCHÄFTIGUNG<br />
<strong>ist</strong> das gerade bei Betrieben der Fall, die von Zugewanderten<br />
geführt werden.<br />
Welche Vorteile haben die Firmen?<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er: Während der Projektlaufzeit hat der Arbeitgeber<br />
keine Kosten. Danach gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten.<br />
Beispielsweise werden unter bestimmten Voraussetzungen bis<br />
zu 75 Prozent des Bruttogehalts für die Dauer von zunächst zwei<br />
weiteren Jahren übernommen. Vom Grundsatz her <strong>ist</strong> das Programm<br />
auf Dauer angelegt. Aber auch andere Fördermöglichkeiten<br />
können für Arbeitgeber sehr interessant sein. Sehr wichtig für<br />
die Firmen <strong>ist</strong> natürlich auch, dass unsere Qualifi zierungstrainer<br />
bei Problemen da sind und ganz individuell beraten.<br />
Verdrängt das Programm nicht reguläre Jobs?<br />
Storms: Nein. Aufgrund ihres Handicaps wären unsere Teilnehmer<br />
dazu ja auch nicht in der Lage. Es geht um Nischenarbeitsplätze.<br />
Am Anfang suchen unsere Qualifi zierungstrainer gemeinsam<br />
mit den Betrieben nach einfachen Tätigkeiten, die es in jedem<br />
Betrieb gibt. Die Kunst <strong>ist</strong>, diese zu identifi zieren, zu einem neuen<br />
Aufgabenbereich zu bündeln und damit am Ende sogar das<br />
eigene Fachpersonal zu entlasten.<br />
Was wünschen Sie sich noch, außer natürlich, dass Ihre Teilnehmer<br />
später einmal übernommen werden?<br />
Bauerme<strong>ist</strong>er: Man muss wissen: <strong>Das</strong> Programm hat ja auch<br />
einen politischen Hintergrund. In Deutschland <strong>ist</strong> kürzlich die<br />
UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen in Kraft<br />
getreten. Für die bessere berufl iche Integration von Menschen<br />
mit Handicaps wurde eigens das Projekt der Unterstützten Beschäftigung<br />
geschaffen. Was wir aber darüber hinaus brauchen,<br />
sind ein Umdenken und mehr Offenheit in der Bevölkerung.<br />
Deswegen gehen wir auch offensiv an die Öffentlichkeit.<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
Mit voller Kraft in eine gute Zukunft<br />
„Schon in der Schule hat mir das Arbeiten mit Metall Spaß<br />
gemacht“, sagt Sascha Enkirch, 17. Seit Anfang August<br />
<strong>ist</strong> der LEWAC-Teilnehmer bei der Firma Hermanns und<br />
Schornstein Metallbau in Aachen-Oberforstbach als Helfer<br />
beschäftigt. Nach der Einarbeitungszeit will sein Chef,<br />
Metallbauerme<strong>ist</strong>er Holger Fries (rechts), mit ihm mal das<br />
Schweißen ausprobieren: „Schweißen <strong>ist</strong> etwas für ruhige<br />
Typen wie ihn.“ Auch Kai Kirch, Qualifi zierungstrainer der<br />
LEWAC, hofft, dass sein Schützling mit Hilfe des UB-Programms<br />
und des engagierten Unternehmers den Einstieg<br />
ins Berufsleben schafft.<br />
LEWAC Unterstützte Beschäftigung<br />
Friedenstraße 20a, 52080 Aachen,<br />
Tel. 0241 968 67-20 und -34, Fax 0241 968 67-15<br />
Email: ganser@lewac.de, www.lewac.de
„Wir spielen nicht“<br />
Wie schafft es die Werkstatt, auch Menschen mit schweren<br />
Handicaps am Arbeitsleben teilhaben zu lassen? Was konkret<br />
heißt Arbeit und Produktivität in ihrem Fall? Ein Besuch<br />
im Heilpädagogischen Arbeitsbereich am Standort Haaren<br />
hilft, Maßstäbe zurechtzurücken.<br />
Philipp Kutscher <strong>ist</strong> hochkonzentriert. Den Kopf leicht geneigt,<br />
den Blick auf die Zellkautschuk-Platte vor ihm fi xiert, streift er mit<br />
der fl achen Handbewegung die herausschauenden Köpfe der vorgestanzten<br />
Formteile ab. Geschafft. Philipp hebt den Blick, um sich<br />
von Gruppenleiter Dirk Iserlohn ein Lob abzuholen. „Gut gemacht.“<br />
Der Arbeitsschritt wiederholt sich, das nächste Stück, das übernächste,<br />
dann steht eine Pause an. Mehr als vier, fünf Minuten<br />
Arbeit am Stück schafft Philipp nicht. Zweifellos, es strengt ihn an,<br />
aber es <strong>ist</strong> eine Arbeit, die ihn sichtlich zufrieden macht.<br />
Neben ihm sitzen Hans-Dieter Woopen und Anita Jansen am<br />
Tisch. Während Anita in bedächtigem Tempo Kaugummis nach<br />
Farben in die Bl<strong>ist</strong>erverpackung sortiert, steckt Hans-Dieter lose<br />
vor ihm liegende Plastiksteckteile, die man bei der Installation von<br />
Fußbodenheizungen verwendet, auf einen Abzählstab. Eines nach<br />
dem anderen, mit leicht zittriger Hand, bis die 20 voll sind, eine<br />
Betreuerin sie sorgfältig abklebt und in die Verkaufsschachtel legt.<br />
Philipp, Anita und Hans-Dieter: drei von derzeit 46 Mitarbeitern<br />
mit schweren Behinderungen im Heilpädagogischen Arbeitsbereich<br />
(HPA) der Werkstatt in Haaren. Am Standort Neuenhofstraße<br />
WERKSTATT HEILPÄDAGOGISCHER ARBEITSBEREICH<br />
zählt der Bereich 38 Mitarbeiter. Viele sind Rollstuhlfahrer, manche<br />
haben gleich mehrere Handicaps: Epilepsie, Spastik, ge<strong>ist</strong>ige<br />
oder körperliche Behinderungen. Einige können sich kaum oder<br />
gar nicht verbal äußern. Die me<strong>ist</strong>en brauchen Hilfe beim Essen,<br />
Trinken und beim Toilettengang. Mit 1:3, also einer Fachkraft auf<br />
drei Mit arbeiter mit Behinderung, <strong>ist</strong> der Betreuungsschlüssel entsprechend<br />
hoch. Aber Arbeit? Ist das, was die Menschen hier tun,<br />
mehr als nur Beschäftigungstherapie?<br />
17<br />
„Wir spielen nicht“, sagt HPA-Leiter Erhard Ripp. „Natürlich geht<br />
es immer um Aufträge mit – aus Sicht nichtbehinderter Menschen<br />
– sehr einfachen Tätigkeiten. Aber es sind echte Aufträge<br />
und wir schaffen einen Mehrwert.“ Sind zum Beispiel innerhalb<br />
einer Woche 30.000 abgezählte und verpackte Dichtungsringe zu<br />
liefern, bekomme der Kunde sie auch. Bei jedem neuen Auftrag sei<br />
es Aufgabe des Fachpersonals, herauszufi nden,<br />
wie sich etwa eine einfache Handbewegung in<br />
einen Arbeitsschritt umsetzen lässt. Und welches<br />
Hilfsmittel, wie den Abzählstab, man<br />
dafür gegebenenfalls selbst konstruieren müsse.<br />
Eines verwundert Erhard Ripp und seinen Stellvertreter<br />
Dirk Iserlohn stets aufs Neue: Wie<br />
sehr sich die Mitarbeiter „mit Herz und Seele<br />
reinhängen“. Beinahe unglücklich seien viele,<br />
wenn es einmal wenig zu tun gebe. Erfreulich jedoch,<br />
dass es Firmen wie Köpp Zellkautschuk aus<br />
Haaren gibt, die der Werkstatt schon viele Jahre<br />
als Auftraggeber treu sind.<br />
So besteht der Arbeitstag nicht nur aus Arbeit.<br />
Produktion, Pfl ege und Erholungsphasen mit<br />
Spaziergängen, Sport, Spielen oder musikpädagogischen<br />
Angeboten wechseln sich ab. „Arbeit<br />
<strong>ist</strong> ein Weg zur Förderung der Persönlichkeit“,<br />
betont Ripp, der diesen Job als HPA-Leiter seit zehn Jahren macht.<br />
„Wie eigentlich für jeden Menschen. Nur anders.“ Auch deshalb<br />
<strong>ist</strong> er besonders stolz, dass einige Mitarbeiter dank der Förderung<br />
sogar den Wechsel in den Montage- oder Verpackungsbereich der<br />
Werkstatt geschafft haben.
18 ARBEIT & MEHR KURZBERICHTE<br />
Foto: Werkstatt<br />
SPORT I SPORT II<br />
Neuer Verein. Bessere Angebote. Trainieren (fast) wie die Profi s<br />
Anfang 2009 hat sich innerhalb der Werkstatt der neue „Sportverein<br />
Lebenshilfe Aachen e. V.“ gegründet. Der Verein soll neue<br />
Angebote schaffen und die Rahmenbedingungen für gemein same<br />
sportliche Aktivitäten der Mitarbeiter mit Behinderung verbessern.<br />
Andrea Moritz, Friedhelm Hogen und Bettina Schreiner (Foto,<br />
von links), die Sportlehrer der Werkstatt, arbeiten dazu ab sofort<br />
standortübergreifend zusammen. Sport in der Werkstatt <strong>ist</strong> fast<br />
so alt wie die Werkstatt selbst. Sport <strong>ist</strong> bekanntlich gesund, er<br />
weckt Bege<strong>ist</strong>erung und fördert die Kreativität, soziale Kompetenzen<br />
und das Selbstvertrauen, kurz: die eigene Persönlichkeit.<br />
Allerdings hatten sich an den Standorten unterschiedliche Angebote<br />
entwickelt.<br />
<strong>Das</strong> soll sich durch den neuen Verein ändern. In Zukunft gibt es in<br />
beiden Einrichtungen unter anderem Badminton, Psychomotorik,<br />
Tischtennis, Yoga, Schwimmen, Tanzen, Rollstuhlsport, Taiji Qigong<br />
oder Hippotherapie. Darüber hinaus bieten die drei Sportlehrer alle<br />
zwei Jahre im Wechsel zwei große Sportprojekte an: eine Sportfreizeit<br />
gemeinsam mit anderen Werkstätten sowie die Teilnahme<br />
an den Special Olympics.<br />
Lange geplant und immer wieder verschoben – doch dann war<br />
es endlich so weit. Im Juni fand das erste gemeinsame Training<br />
unserer Fußballwerksmannschaft mit der Alemannia statt.<br />
Nein, (noch) nicht mit den Profi s der zweiten Liga, sondern den<br />
Jugendmannschaften. Doch geleitet wurden die Übungseinheiten<br />
immerhin von Willi Breuer, dem Chef des Nachwuchsle<strong>ist</strong>ungszentrums<br />
der Alemannia und ehemaligen Trainer der deutschen<br />
Fußballnationalmannschaft der Menschen mit Behinderung.<br />
Hubert Thouet (im Bild links), Stamm-Keeper und Mitarbeiter<br />
unserer Gartengruppe, war bege<strong>ist</strong>ert. „<strong>Das</strong> hat richtig Spaß<br />
gemacht. Wir haben viel gelernt.“<br />
Hintergrund der Aktion <strong>ist</strong> die Sozialpartnerschaft von Lebenshilfe<br />
und Alemannia Aachen. Neben kostenlosen Mitgliedschaften<br />
oder Benefi zaktionen sollen durch Praktika in der Werkstatt und<br />
gemeinsame Trainings auch Kontakte gefördert werden. Denn, so<br />
Alemannia-Geschäftsführer Frithjof Krämer: „Die Persönlichkeitsentwicklung<br />
nimmt auch in unserer Nachwuchsarbeit eine immer<br />
wichtigere Rolle ein. Der Kontakt zu behinderten Menschen stellt<br />
ein Mittel dar, jungen Leuten zu vermitteln, was Solidarität, Vertrauen<br />
und soziales Verhalten bedeutet.“
Foto: Euriade<br />
EURIADE REITERFREIZEIT<br />
„Die Entdeckung des Anderen“ Bei Skrati und Alex in Heimarshausen<br />
Junge Leute aus der ganzen Welt werden im November die Werkstatt<br />
besuchen. Im Rahmen der Euriade, des euregionalen Kultur-<br />
und Wissenschaftsfestivals, organisiert von der Stichting Euriade<br />
in der Abtei Rolduc in Kerkrade, fi ndet vom 9. bis 15. November<br />
2009 auch das sogenannte Euriade-Jugendprojekt statt. Dabei<br />
arbeiten Jugendliche aus Südafrika, Russland, Rumänien, Israel,<br />
Palästina, Deutschland und anderen Ländern miteinander nach<br />
dem dialogischen Prinzip des österreichisch-israelischen Religionsphilosophen<br />
Martin Buber (1878-1965). Danach prägt vor allem<br />
die zwischenmenschliche Begegnung und <strong>Kommunikation</strong> den<br />
Charakter eines Menschen.<br />
Seit 2002 verleiht die Euriade auch die „Martin-Buber-Plakette“.<br />
Pre<strong>ist</strong>räger waren unter anderem Helmut Schmidt, Hermann van<br />
Veen und Michail Gorbatschow. In der Werkstatt werden die Jugendlichen<br />
mit Menschen mit Behinderung zusammenkommen<br />
und in unserer Kunstwerkstatt gemeinsam arbeiten. Weitere<br />
Informationen zum Festivalprogramm unter www.euriade.net.<br />
ARBEIT & MEHR KURZBERICHTE<br />
19<br />
Foto: Werkstatt<br />
Natur pur, viele Pferde, ausruhen, entspannen und sich durch<br />
erstklassigen Service verwöhnen lassen: So fassten die Teilnehmer<br />
der Werkstatt-Freizeit ihre gemeinsame Woche im Juni 2009 im<br />
Landhotel-Ferienhof Schneider in Heimarshausen zusammen. Der<br />
Ort liegt im nordhessischen Naturpark Habichtswald rund 40 Kilometer<br />
von Kassel. Dabei waren 14 Mitarbeiter beider Betriebstätten<br />
und fünf Betreuer. „Am ersten Tag“, berichtet Betreuerin Anna<br />
Gasch, „hatten wir regnerisches Wetter. So haben wir zunächst<br />
einmal die nähere Umgebung erkundet und das mittelalterliche<br />
Dom- und Kaiserstädtchen Fritzlar besucht.“<br />
Die restliche Woche wurden die Aachener dann mit Sonnenschein<br />
verwöhnt. Morgens verbrachte man viel Zeit mit den Pferden<br />
„Skrati“ und „Alex“ auf dem Reitplatz. An den Nachmittagen standen<br />
Ausfl üge zum Edersee, Minigolfen, der Besuch des Schlosses<br />
Waldeck und ein Einkaufsbummel in Kassel auf dem Programm.<br />
„Natürlich sind wir überall zum Kaffee- oder Cappuccinotrinken<br />
in nette <strong>Café</strong>s eingekehrt und haben mit Gästen und dem Personal<br />
schnell Kontakt geknüpft“, schmunzelt Betreuer Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Hildebrandt. „Wer uns kennt, weiß, wie viel gute Laune wir dabei<br />
verbreitet haben.“
20 ARBEIT & MEHR FOTOALBUM<br />
Betriebsausfl ug wird<br />
zur Sternstunde<br />
Wir schreiben das Jahr 2009. Es <strong>ist</strong> der 24. April, 7.36<br />
Uhr MESZ. In den unendlichen Weiten zwischen<br />
Eilendorf-Süd und Haaren-Nordwest versammeln sich<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätten vor<br />
wartenden Voyagern, auch Busse genannt. Ziel ihrer<br />
interrheinischen Expedition <strong>ist</strong> das ehemals schwarze<br />
Loch Oberhausen. Ihr Auftrag: Erkundung der Ausstellung<br />
„Sternstunden – Wunder des Sonnensystems“.<br />
Fotos: Friedhelm Hogen<br />
Der Gasometer wurde Ende der 1920er Jahre<br />
erbaut. Heute <strong>ist</strong> das Industriedenkmal auch<br />
Veranstaltungsort.<br />
Zum Auftakt der Führung ein paar Fakten: 17,5 m<br />
hoch, Durchmesser 67,6 m, Fassungsvolumen<br />
347.000 Kubikmeter, zu seiner Zeit größter<br />
Gasbehälter Europas.
Dann zur Ausstellung: „Spektakuläre Installationen<br />
des Planetensystems, einzigartige Bilder der<br />
Sonne“, sagt der Prospekt, „machen das Drama von<br />
Geburt und Entwicklung unseres Sonnensystems<br />
sinnlich erlebbar.“<br />
Oben auf dem Gasometer<br />
erblickt man schöne Details<br />
der Erde.<br />
Wer kennt diesen Kollegen?<br />
ARBEIT & MEHR FOTOALBUM<br />
Nach der Führung tut die echte Sonne echt gut.<br />
Anschließend Rückfl ug, pardon -fahrt zum<br />
Mutterschiff Lebenshilfe. Schön war’s.<br />
21
22 ARBEIT & MEHR FOTOALBUM<br />
Sommerfeste der<br />
Werkstatt Fotos: Werkstatt<br />
Markus Schönhofer am<br />
Surf-Simulator.<br />
Bei strahlendem Sonnenschein startete am 29. Mai<br />
das Sommerfest in der Neuenhofstraße.<br />
Frank Gerards und Heike Orth<br />
Claudia Kuck und Chr<strong>ist</strong>ian Kall<br />
Jubelnde Sieger: Fußball wurde natürlich<br />
auch gespielt.
Vor ihm war kein Fisch sicher: Martin Förster beim<br />
Angeln. Ben Lennartz und Katharina Wolber (oben)<br />
sorgten für magische Stimmung im Schwarzlichttheater.<br />
ARBEIT & MEHR FOTOALBUM<br />
Für die gelungene Unterhaltung beim Sommerfest am 19. Juni<br />
in Haaren sorgte der Clown vom Zirkus Gioco. Mit teils überraschenden<br />
Knalleffekten erzielte er durchaus Wirkung beim<br />
Publikum. Auch Spent Terstena hielt sich vor Schreck die Ohren<br />
zu. Links: Auch Peter Maillard, unser großer Alemanne, war mit<br />
Bege<strong>ist</strong>erung dabei.<br />
23
<strong>Das</strong> <strong>Café</strong> <strong>Life</strong> <strong>ist</strong> ein besonderes <strong>Café</strong>. Hier bedienen Sie Menschen<br />
mit Handicap. Hier <strong>ist</strong> es normal, verschieden zu sein.<br />
<strong>Café</strong> <strong>Life</strong>: Einmalig in Aachen. Erleben Sie selbst.<br />
Wir bieten Mittagstisch an Werktagen und sonntags Brunch. Wir sind<br />
-Sportsbar. Unsere Räume können Sie mieten. Oder feiern Sie<br />
zu Hause mit unserem Catering.<br />
<strong>Café</strong> <strong>Life</strong>, im Lebenshilfe-Haus, Adenauerallee 38, Aachen-Forst<br />
Tel. Nr. 0241 / 41 31 02 23, E-Mail: info@cafelife-ac.de, www.cafelife-ac.de<br />
Öffnungszeiten: Mo-Do 12-15 h, Fr-Sa 12-22 h, So 10-18 h