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Im Gespräch mit Prof. Norbert Fisch - vbw

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<strong>vbw</strong><br />

aktuell: Nicht nur in Europa, sondern<br />

auch in China sind Sie in Sachen energieeffizientem<br />

Bauen und Sanieren<br />

unterwegs. Sehen Sie ein weltweites<br />

Umdenken beim Thema Klimaschutz?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Ganz sicher haben das<br />

Kyoto-Protokoll und die nachfolgenden<br />

Gipfeltreffen zum Klimaschutz viel<br />

bewirkt. In Ländern, in denen gerade<br />

viel gebaut wird, wie in China, Indien<br />

und Australien, sehe ich das Problem,<br />

dass die Investoren nur das schnelle<br />

Geld machen wollen und der Klimaschutz<br />

sehr oft auf der Strecke bleibt.<br />

aktuell: Auf der Klimakonferenz der<br />

UNO in Nairobi war der britische Star-<br />

Ökonom Nicholas Stern in aller Munde.<br />

Er hat gewarnt, wenn die Menschheit<br />

nichts gegen die globale Erwärmung<br />

unternehme, dann drohe eine neue<br />

Weltwirtschaftskrise. Heißt das, Klimaschutz<br />

wird erst umgesetzt, wenn er<br />

sich auch wirtschaftlich auswirkt?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Das ist leider so. Wenn man<br />

heute ins Energiesparen und vor allem<br />

in energieeffizientes Bauen investiert,<br />

zahlt es sich erst über mehrere Jahre<br />

hin zurück und nicht im Moment der<br />

Investition. Doch wir müssen umdenken<br />

und zum Thema der Lebenszyklus-Kosten<br />

kommen. Dies bedeutet, die gesamten<br />

Kosten zu betrachten, nicht nur<br />

die Anfangsinvestition, sondern auch<br />

die laufenden Betriebskosten bis hin<br />

zum Aufwand für Abriss und Entsorgung.<br />

Die Klimaforscher warnen bereits<br />

– neben Herrn Stern gibt es auch<br />

bekannte deutsche Forscher wie Herrn<br />

Kollegen Schellenhuber aus Potsdam –<br />

dass die Szenarien sich noch schneller<br />

verändern, als man bisher angenommen<br />

hat. Das macht mich auch sehr,<br />

sehr nachdenklich. Die Klimaveränderung<br />

ist ein globales Problem. Da kann<br />

nach meiner Meinung nur die Politik<br />

helfen, zum Beispiel <strong>mit</strong> einer Energieeinsparverordnung<br />

oder dem Erneuerbare-Energien-Gesetz,<br />

also von oben<br />

aktuell · DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT IN BADEN-WÜRTTEMBERG SEITE 4<br />

Interview<br />

„Ich bin ein Energiedesigner und Prediger für Solarenergie“<br />

Energieeffizienz bringt langfristige Renditen – Technik und staatliche Förderung nutzen<br />

Seit den 90er Jahren lassen <strong>Prof</strong>essor M. <strong>Norbert</strong> <strong>Fisch</strong> die Themen Gebäudetechnik,<br />

Bauphysik und Energieversorgung nicht mehr los. Für ihn stehen<br />

Biomasse, Solarenergie und der Stirlingmotor ganz oben auf der Prioritätenliste,<br />

wenn es um energieeffizientes Bauen und Wohnen geht. Dass dies auch<br />

in der Praxis klappt, hat <strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong> zusammen <strong>mit</strong> mehreren <strong>vbw</strong>-Mitgliedsunternehmen<br />

bewiesen. Viel beachtet wurde sein Vortrag bei den Baden-Badener<br />

Tagen der Wohnungswirtschaft zum Thema „Alternative Energiekonzepte für<br />

die Wohnungs- und <strong>Im</strong>mobilienwirtschaft“. <strong>Im</strong> <strong>Gespräch</strong> <strong>mit</strong> aktuell erläutert<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>, warum Energiemanagementsysteme wichtig für die Wohnungswirtschaft<br />

sind und warum er sich als „Solarrentner“ bezeichnet und da<strong>mit</strong> mehr<br />

Rendite macht als heute bei Mietobjekten möglich ist.<br />

herunter, weil der Mensch selber beim<br />

Thema Nachhaltigkeit, das ja inzwischen<br />

auch ein bisschen abgedroschen klingt,<br />

kein eigenes Geld investiert.<br />

aktuell: Mit Ihrer Firma EGS plan sind<br />

Sie an vielen EU-Projekten zum Thema<br />

Solarenergie beteiligt. Was könnte die<br />

Wohnungswirtschaft aus diesen Studien<br />

schnell und ökonomisch in die Praxis<br />

umsetzen?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Das Thema Solarenergie.<br />

Dabei muss man zwei Dinge unterscheiden.<br />

Einmal die Solarthermie, das<br />

heißt aus Sonne wird Wärme produziert.<br />

Das hat sich in den letzten 20<br />

Jahren in seiner technischen wie auch<br />

wirtschaftlichen Entwicklung erheblich<br />

verbessert. Wir sind, wenn man es in<br />

Faktoren ausdrückt, um den Faktor zwei<br />

besser geworden als vielleicht noch<br />

Mitte der 90er Jahre. Hier ist man der<br />

Wirtschaftlichkeit viel näher gekommen.<br />

Deshalb kann ich der Wohnungswirtschaft<br />

nach den Erfahrungen aus den<br />

EU-geförderten und nationalen Projekten<br />

nur sagen, dass sie sich auch unter<br />

ökonomischen Gesichtspunkten lohnen.<br />

<strong>Im</strong> Rahmen des Förderprogramms<br />

„Solarthermie 2000“ des Bundesumweltministeriums<br />

haben wir einige<br />

größere Solarprojekte in Deutschland<br />

umgesetzt. Baden-Württemberg ist<br />

ganz klar ein Schwerpunktland, weil<br />

wir hier viele Sonnenstunden haben.<br />

Hier wurden größere Anlagen gerade<br />

auch in der Wohnungswirtschaft in<br />

mehrgeschossigen Gebäuden reali-<br />

siert. Und je größer die Anlage,<br />

desto besser ist auch<br />

die Wirtschaftlichkeit. Heute<br />

kostet eine solarthermische<br />

Anlage 25 bis 30 Euro pro<br />

Quadratmeter Wohnfläche.<br />

Das ist eine Größe, die für die<br />

Wohnungswirtschaft Aussagekraft<br />

hat, denn hier denkt man in Quadratmeterpreisen<br />

und nicht in eingesparten<br />

Kilowattstunden und gesparten<br />

Brennstoffkosten. Das sind überschaubare<br />

Investitionskosten. Wenn also drei<br />

Menschen in einem mehrgeschossigen<br />

Haus in einer 70 qm Wohnung leben,<br />

dann habe ich für diese Wohnung <strong>mit</strong><br />

einer Investition von ungefähr 1.500<br />

Euro zu rechnen. Fazit: Bei der Solarthermie<br />

müssen wir nicht mehr warten,<br />

die ist entwickelt. Die Komponenten<br />

sind da, ebenso die Verfügbarkeit.<br />

Und vor allen Dingen ist die Langlebigkeit<br />

überhaupt nicht mehr in Frage<br />

zu stellen. Diese Anlagen können nach<br />

heutigem Stand 25, ja sogar 35 Jahre<br />

genutzt werden, ohne dass größere<br />

Schäden auftreten.<br />

Bei dem anderen Thema, der Stromerzeugung<br />

aus Sonnenenergie, also der<br />

Photovoltaik, lässt sich sogar dank der<br />

„Mit<br />

Photovoltaik<br />

lässt sich Geld<br />

verdienen“<br />

Einspeisevergütung Geld verdienen,<br />

denn wir haben ein langfristig angelegtes<br />

Energieeinspeisegesetz. Ich habe<br />

mich persönlich schon mehrmals als<br />

Solarrentner geoutet, denn ich habe<br />

sehr viel in eigene Anlagen investiert.<br />

Inzwischen circa 150 kW PV-Anlagen und<br />

Anteile an einer solarthermischen<br />

Anlage in Neckarsulm,<br />

wo Bürger beteiligt<br />

wurden. Und ich besitze<br />

Anlagen auf vielen Dächern<br />

in Stuttgart und in Neckarsulm,<br />

auch auf Parkhäusern.<br />

Ich predige in meinen<br />

Vorträgen nicht nur, weshalb<br />

und wie die Wohnungswirtschaft<br />

in die Sonnenenergie investieren soll,<br />

sondern ich glaube auch selbst daran.<br />

Meine Rendite da<strong>mit</strong> liegt jährlich<br />

über 5 Prozent, ein Wert, den Mietobjekte<br />

heute leider nicht erzielen.<br />

aktuell: Das funktioniert aber nur so gut<br />

bei photovoltaischen Großanlagen?<br />

„Energiemanagementsysteme<br />

müssen sich<br />

durchsetzen“<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Auch für eine Kleinanlage<br />

kann man konkrete Preise nennen: Bei<br />

fünf oder zehn Quadratmeter photovoltaischer<br />

Anlage für ein Haus liegt<br />

der spezifische Preis bei 5.000 bis<br />

6.000 Euro pro installiertes Kilowatt.<br />

Wenn ich mir als Wohnungsunternehmen<br />

meine Dachflächen nach der Eignung<br />

anschaue, handelt es sich vielleicht<br />

um Größenordnungen von einigen<br />

Tausend Quadratmetern. Einerseits<br />

kann ich einen Rahmenvertrag<br />

abschließen und andererseits pro Haus<br />

vielleicht 200 oder 300 Quadratmeter<br />

installieren. Das ist im Mehrgeschosswohnungsbau<br />

überhaupt kein Thema.<br />

Dann komme ich auf Nettopreise von<br />

4.500 bis 4.800 Euro pro installiertes<br />

Kilowatt. Wenn ich dann noch im sonnenverwöhnten<br />

Baden-Württemberg<br />

bin, komme ich bei den heutigen Finanzierungskonditionen<br />

zu 4 Prozent<br />

und der Einspeisungsvergütung um<br />

die 50 Cent/kWh auf eine Rückzahlzeit<br />

meines Darlehens von 13 bis 15 Jah-<br />

ren. Ich habe dann noch –<br />

ohne eingesetztes Eigenkapital<br />

– fünf Jahre ein gutes<br />

Einkommen aus der Anlage.<br />

Doch selbst nach 20 Jahren<br />

ist die Anlage nicht schrottreif,<br />

sondern die Photovoltaikanlagen<br />

sind im Vergleich<br />

zu den solarthermischen Anlagen viel<br />

weniger wartungsaufwendig und viel<br />

langlebiger. Ich sehe für die Wohnungswirtschaft<br />

bei beiden Projekten<br />

kein Drauflegegeschäft, sondern ich<br />

sehe eine ausgeglichene wirtschaftliche<br />

Bilanz, zumindest wenn ich über<br />

15 Jahre denke.<br />

aktuell: Bis zum Jahr 2020 könnte der<br />

Heizenergiebedarf um rund 30 Prozent<br />

gesenkt werden, wenn das Modernisierungstempo<br />

im Heizungsbestand und<br />

beim Wärmeschutz verdoppelt würde.<br />

Wo liegen die größten Hemmnisse?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Man sollte es auch wollen<br />

und nicht nur darüber reden. Die<br />

Gründe aus der Sicht der Wohnungswirtschaft<br />

liegen sicher auch in der Gesetzeslage,<br />

zum Beispiel bei der Frage<br />

„Was kann ich an die Mieter tatsäch-<br />

lich nach einer Sanierung umlegen?“<br />

Aber aus der Sicht des Ingenieurs, der<br />

die Technologien zur energieeffizienten<br />

Sanierung kennt, kann ich nur sagen:<br />

Wir wissen, wie es geht, wir müssen<br />

es nur tun. Die von Ihnen genannten<br />

30 Prozent sind noch viel zu we-<br />

nig, weil wir das Potenzial für<br />

mehr haben. Dies zeigen von<br />

der Dena geförderte Modellprojekte,<br />

die mein Kollege<br />

<strong>Prof</strong>essor Georg Sahner <strong>mit</strong><br />

uns beispielsweise in Ulm umgesetzt<br />

hat. Wir können Faktor<br />

fünf bis zehn im Geschosswohnungsbau<br />

umsetzen. Das<br />

sind keine Technologien, die vom Mond<br />

kommen, sondern die sind da. Natürlich<br />

hängt das, was ich umsetzen kann,<br />

auch immer vom Zustand der Gebäude<br />

ab. Der Faktor 2 bis 4 ist im Bestand<br />

Minimum. Hinzu kommt, dass <strong>mit</strong> jeder<br />

Sanierung natürlich auch eine erhebliche<br />

Qualitätsverbesserung der <strong>Im</strong>mobilie<br />

einhergeht und so manches vormals<br />

desolate Mietobjekt ist bei entsprechender<br />

Lage dann nur noch über<br />

eine Warteliste anzumieten.<br />

aktuell: Welche Sanierungsmaßnahmen<br />

wirken sich am stärksten auf die<br />

Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes<br />

aus?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Die Hülle ist die Ausgangssituation<br />

und der Schlüssel des Ganzen,<br />

um die Heizkosten zu reduzieren,<br />

weil der Heizwärmebedarf im Bestand<br />

der dominante Faktor ist. Also muss ich<br />

an den Heizwärmebedarf gehen. Da<br />

ist zum einen der sogenannte Transmissionswärmebedarf,<br />

der durch die<br />

Hülle geht. Dazu gehört als größte<br />

Fläche das Dach, dann die Außenwände<br />

und danach die Kellerdecke. Als<br />

Zweites muss man im Wohnungsbau<br />

die Lüftung in den Griff bekommen,<br />

in der Regel ist das die Fensterlüftung.<br />

Da man die Hülle und die Fenster<br />

dicht macht, reduzieren sich auch die<br />

sogenannten Lüftungswärmeverluste.<br />

Die irrsinnige Meinung, dass ich mir<br />

jetzt durch das dichte Gebäude den<br />

Schimmel ins Haus hole, die ist bauphysikalisch<br />

einfach falsch. Schimmel<br />

entsteht an kalten Oberflächen, weil<br />

es durch die Raumluftfeuchte an diesen<br />

Stellen zur Kondensation des Wasserdampfes<br />

in der Luft kommt. Feuchtigkeit<br />

ist der Nährboden des Schimmels.<br />

Wenn ich dem Gebäude von<br />

außen einen geschlossenen Wintermantel<br />

in Form einer wärmebrückenfreien<br />

Dämmung gebe, dann werden kalte<br />

Oberflächen auf den Innenwänden vermieden.<br />

Außer, ich bringe die Dämmung<br />

falsch an. Wenn ich die opake und<br />

transparente Gebäudehülle nicht ausreichend<br />

dämme und nur dichte Fenster<br />

einbaue, dann sorge ich natürlich<br />

für den Nährboden des Schimmels, weil<br />

ich die Kältebrücken noch verstärke.<br />

Wenn ich die Außenhülle gut einpacke,<br />

dann gibt es keinen Grund, dass<br />

sich irgendwo Schimmel bildet, weil kein<br />

Punkt auf der Innenseite der Wand so<br />

kalt wird. Wärmebrückenfrei und luftdicht<br />

muss die Hülle sein. Bei gut gedämmten<br />

Fenstern und Außenhüllen<br />

empfiehlt sich der Einsatz einer kontrollierten<br />

Lüftung. Wenn ich dann noch


<strong>vbw</strong><br />

für mehr Komfort sorgen und die Belüftungsverluste<br />

weiter reduzieren will,<br />

dann sollte eine kontrollierte Lüftung<br />

<strong>mit</strong> Wärmerückgewinnung eingebaut<br />

werden. Als dritter Punkt kommt dann<br />

noch die energieeffiziente Wärmeversorgung.<br />

Die Energieerzeugung muss<br />

an die vorher optimierte Hülle angepasst<br />

werden. Bei einer neuen Heizanlage<br />

sollte gleich die Solaranlage zur<br />

Warmwasserbereitung und Unterstützung<br />

der Raumheizung eingeplant<br />

werden.<br />

aktuell: Wenn eine Altbausanierung<br />

unter Passivhausbedingungen gemacht<br />

wird, dann schlagen Erdreichwärmetauscher<br />

und die Wärmerückgewinnung<br />

bei den Kosten zu Buche. Gibt es auch<br />

kostengünstige Alternativen?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Der Erdreichwärmetauscher<br />

ist keine zwingende Komponente, um<br />

ein Passivhaus zu bauen, sondern nur<br />

eine Ergänzung. Die Wärmerückgewinnung<br />

hingegen ist ein Muss und auch<br />

eine absolute Kostengröße, die im Gegensatz<br />

zum Niedrigenergiehaus hinzukommt.<br />

Aber das Wesen des Passivhauses<br />

liegt ja nicht nur in den 15 Kilowattstunden<br />

pro Quadratmeter und<br />

Jahr, oder anders ausgedrückt in einem<br />

jährlichen Ölverbrauch für die Raumheizung<br />

von lediglich 1,5 Liter Heizöl-<br />

Äquivalent pro Quadratmeter, sondern<br />

auch in einer sehr geringen Heizleistung.<br />

In der Regel unter 10 W/m 2 . Da<strong>mit</strong> kann<br />

man <strong>mit</strong> dem für die Hygiene notwendigen<br />

Luftwechsel gleichzeitig heizen,<br />

das heißt herkömmliche Heizflächen<br />

wie Radiatoren, Konvektoren und Fußbodenheizung<br />

können entfallen.<br />

aktuell: Mit Blick auf die EU-Gebäuderichtlinie<br />

und den Energieausweis:<br />

Welche Perspektiven bieten sich für<br />

Pelletheizungen in der Wohnungswirtschaft?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Die auf Basis der EU-Gebäuderichtlinie<br />

zur Gesamtenergieeffizienz<br />

von Gebäuden kommenden<br />

Jahres novellierte EnEV wird hinsichtlich<br />

der Anforderungen an den Heizenergiebedarf<br />

keine Verschärfung<br />

bringen. Lediglich die Einführung des<br />

Energieausweises und die regelmäßige<br />

Überprüfung der Heizanlagen wird<br />

neu geregelt. Schon heute gilt – nach<br />

der EnEV 2002 – der Ansatz für den<br />

maximal zulässigen Primärenergiebedarf<br />

eines Gebäudes. Da Holz als regenerativer<br />

Brennstoff nur sehr geringen<br />

Energiebedarf zur Herstellung hat,<br />

ergeben sich für den Wohnungsbau<br />

große Freiheiten hinsichtlich der Dämmung<br />

der Gebäudehülle und eine Lüftungsanlage<br />

lässt sich da<strong>mit</strong> auch vermeiden.<br />

aktuell · DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT IN BADEN-WÜRTTEMBERG SEITE 5<br />

aktuell: Windkraft, Biomasse und Solarenergie<br />

erleben einen Boom aufgrund<br />

der vorgeschriebenen Vergütungsentwicklung<br />

nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz.<br />

Welches Marktpotenzial<br />

sehen Sie unter dem Gesichtspunkt der<br />

Wirtschaftlichkeit?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Die Windkraft ist sehr standortabhängig<br />

und wird im Binnenland<br />

aus optischen Gründen oft abgelehnt.<br />

Ansonsten ist diese Technologie voll entwickelt<br />

und auf dem Strommarkt <strong>mit</strong><br />

einigen Prozent am Strommix beteiligt.<br />

Beim wirtschaftlichen Potenzial im Wärmemarkt<br />

lautet heute die Reihenfolge:<br />

erst Biomasse, dann Solarenergie. Das<br />

technische Potenzial der Biomasse ist jedoch<br />

begrenzt, die Nutzung der Sonnenenergie<br />

ist hier auf lange Sicht im Vorteil.<br />

Dies gilt für den Wärmemarkt insbesondere,<br />

wenn die Langzeit-Wärme-<br />

<strong>Fisch</strong> zählt die Häuser Kastenäcker in Esslingen zu den Vorzeigeprojekten<br />

speicherung kostengünstiger wird. Von<br />

den drei hier genannten regenerativen<br />

Energien ist die Biomasse – auch ohne<br />

jede staatliche Förderung – von sich aus<br />

in Bezug auf Verfügbarkeit, Kosten und<br />

Produktion die Nummer eins. Doch<br />

wenn wir das Gesamtpotenzial der Solarenergie<br />

für die nächsten 50 Jahre betrachten<br />

und unsere Energie zu 40 Prozent<br />

aus erneuerbaren Energien beziehen<br />

wollen, dann ist die Solarenergie<br />

in einer Spitzenposition. Bei dieser Betrachtung<br />

ist die Biomasse bei 15 bis<br />

20 Prozent, bezogen auf den Gesamtverbrauch<br />

in Deutschland, am Ende.<br />

aktuell: Liegt die Zukunft bei primärenergieoptimierten,<br />

dezentralen Energiesystemen<br />

wie dem Nahwärmeverbund<br />

über Mikronetze?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Die dezentralen Energiesysteme<br />

haben sicherlich in der Zukunft das<br />

Potenzial, um gegenüber der Zentralisierung<br />

flexibel aufzutreten. Auch die<br />

Einspeisung von regenerativen Energien<br />

ist natürlich bei der Dezentralisierung<br />

günstiger. Da sehe ich ein ganz wichtiges<br />

Thema, um auch die regenerativen<br />

Energien intensiver in den Gesamtverbund<br />

einzubringen. Vielleicht ist auch<br />

die Sicherheit der Netze ein Thema, um<br />

mehr auf Dezentralisierung zu setzen.<br />

aktuell: Der Stirlingmotor ist eine alte<br />

baden-württembergische Erfindung. Er<br />

bekommt jetzt durch die Kombination<br />

<strong>mit</strong> regenerativen Energien erneut<br />

Aktualität. Ist das eine interessante<br />

Alternative?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Die Projekte zur Stirlingnutzung<br />

über Solar sind seit Anfang der<br />

90er Jahre an der Universität Stuttgart<br />

<strong>mit</strong> konzentrierten Systemen betrieben<br />

worden. Kollege <strong>Prof</strong>. Schlaich hat<br />

auf diesem Gebiet geforscht und Pilotvorhaben<br />

umgesetzt. Neuere Projekte,<br />

die mir bekannt sind, unter anderem<br />

von der Firma Solo, basieren auf<br />

dem Einsatz von Biogas zum Antrieb<br />

in einem herkömmlichen Stirlingmotor.<br />

Die gleiche Firma erprobt Holz als<br />

regenerativen Brennstoff für den Stirlingmotor,<br />

ein von der EU gefördertes<br />

Pilotprojekt. Wie in Neckarsulm, wo wir<br />

zusammen <strong>mit</strong> der Heimstättengenossenschaft<br />

Neckarsulm-Heilbronn arbeiten.<br />

Dort haben wir ein Sanierungsprojekt,<br />

bei dem wir einen Stirlingmotor<br />

<strong>mit</strong> externer Holzverbrennung betreiben<br />

wollen.<br />

aktuell: Zusammen <strong>mit</strong> Mitgliedsunternehmen<br />

des <strong>vbw</strong> haben Sie für Wohnsiedlungen<br />

Energieversorgungssysteme<br />

geplant und umgesetzt. Was sollten<br />

Nachahmer besonders beachten?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Für mich sind die Erfahrungen<br />

seit den 90er Jahren das Potenzial,<br />

um den Nachahmern zu sagen, es<br />

funktioniert. Wir haben vor, im nächsten<br />

Frühjahr für die Wohnungswirtschaft<br />

eine Exkursion zu innovativen<br />

Energie-Anlagen anzubieten und sie<br />

auch intensiver <strong>mit</strong> den Betreibern zusammen<br />

zu führen. Ein Zusammenschluss<br />

ist sinnvoll, beispielsweise um<br />

bei der Beschaffung von Holzpellets<br />

Einkaufsgemeinschaften zu bilden, um<br />

daraus Vorteile bezüglich Kosten und<br />

Versorgungssicherheit zu genießen. Größere<br />

Unternehmen haben ihre eigenen<br />

Betreibergesellschaften gegründet. Das<br />

Siedlungswerk hat zum Beispiel <strong>mit</strong> den<br />

Stadtwerken Tübingen einen eigenen<br />

Versorger für das Betreiben ihrer Energieversorgungsanlagen,<br />

also einen <strong>Prof</strong>i<br />

<strong>mit</strong> in ihr Geschäftsfeld hinein genom-<br />

men. Eine Sache, die ich für sehr nachahmenswert<br />

halte. Bei Unternehmen,<br />

die das noch als Einzelaktion machen,<br />

wurde mir von Engpässen in der Versorgung<br />

<strong>mit</strong> Holzpellets berichtet. Das<br />

kann <strong>mit</strong> diesen Modellen, also <strong>mit</strong><br />

dem eigenen Betreiber im Haus als<br />

Subunternehmen, vermieden werden.<br />

Letztendlich müssen sich Energiemanagementsysteme<br />

auch in der <strong>mit</strong>telständisch<br />

strukturierten Wohnungswirtschaft<br />

durchsetzen.<br />

aktuell: Ob Bürogebäude, Industrieanlagen,<br />

Kindergärten, Kliniken oder Wohnhäuser<br />

– Ihre Referenzliste ist breit gefächert<br />

und reich an prominenten Auftraggebern.<br />

Wenn Sie die Wahl hätten,<br />

was wäre für Sie eine berufliche Aufgabe,<br />

die Sie unbedingt umsetzen<br />

möchten?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Fisch</strong>: Ich habe derzeit zwei Königsprojekte<br />

in der Pipeline, die ich gerne<br />

umsetzen möchte. Was den Wohnungsbau<br />

betrifft, wünsche ich mir die Umsetzung<br />

eines CO 2 -neutralen Energieversorgungsprojektes<br />

für eine größere Wohnsiedlung.<br />

Dies habe ich auch bei den<br />

Baden-Badener Tagen postuliert. Wir haben<br />

bisher ja nur die Wärme CO 2 -neutral<br />

gemacht, also Holz und Sonne kombiniert.<br />

Die CO 2 -neutrale Energiebereitstellung<br />

<strong>mit</strong> Strom und Wärme im Verbund<br />

als deutsches Pilotprojekt umzusetzen,<br />

das liegt noch auf meiner Zukunftsagenda.<br />

Der Stirlingmotor könnte<br />

da ein Durchbruch werden. <strong>Im</strong> Bereich<br />

der Bürogebäude fällt mir das Stichwort<br />

„Future Work Space“ ein. Wie können<br />

wir für Bürogebäude eine Art biologisches<br />

System verwirklichen, welches<br />

hochflexibel in Zellen aufgebaut ist und<br />

wo über Internet alles gesteuert werden<br />

kann? Mein Zukunftsgedanke ist, dass<br />

ich kurz vor der Landung am Stuttgarter<br />

Flughafen über meinen Laptop nicht nur<br />

die aktuellen E-Mails abrufe, sondern<br />

auch das Raumklima vorab einstellen<br />

kann. An dieser Umsetzung arbeiten<br />

wir gerade zusammen <strong>mit</strong> größeren<br />

Firmen.<br />

Das <strong>Gespräch</strong> führte Dagmar Lange<br />

M. <strong>Norbert</strong> <strong>Fisch</strong>, geb. 1951, studiert zunächst Maschinenbau<br />

an der FH Gießen (1969 – 1972), dann Energietechnik an der<br />

TU Stuttgart (1972 – 1976). Hier folgt 1984 die Promotion<br />

zum Dr.-Ing. <strong>mit</strong> dem Thema „Nutzung der Sonnenenergie<br />

bei der Beheizung von Wohngebäuden <strong>mit</strong> Luft als Wärmeträger“.<br />

In demselben Jahr wird er Leiter der Abteilung<br />

Rationelle Energienutzung und Solartechnik am Institut für<br />

Thermodynamik und Wärmetechnik (ITW) der Universität<br />

Stuttgart, wo er seit 1976 Wissenschaftlicher Assistent bei<br />

<strong>Prof</strong>. Dr.-Ing. E. Hahne war. Am ITW gründet er das Test- und Entwicklungszentrum<br />

für Thermische Solarsysteme. 1996 folgt er dem Ruf an die TU Braunschweig<br />

und wird Direktor des Instituts für Gebäude- und Solartechnik im<br />

Fachbereich Architektur. Gleichzeitig gründet <strong>Fisch</strong> das Steinbeis-Transferzentrum<br />

Energie-, Gebäude und Solartechnik (STZ-EGS) in Stuttgart, das er seither<br />

leitet. <strong>Im</strong> Januar 2001 folgt die Gründung der EGS-plan Ingenieurgesellschaft<br />

für Energie-, Gebäude- und Solartechnik, deren Geschäftsführender Gesellschafter<br />

<strong>Fisch</strong> ist. Ebenso wie bei der 2005 gegründeten EnergyDesign Braunschweig<br />

Ingenieurgesellschaft.<br />

<strong>Fisch</strong> ist Hauptautor des Buches „Solarstadt – Konzepte – Technologien – Projekte“<br />

(1997), das zusammen <strong>mit</strong> Bruno Möws (Siedlungswerk Stuttgart) entstanden<br />

ist. 2003 erhält <strong>Fisch</strong> den Bauphysikpreis für ein „Energiekonzept Bürogebäude<br />

in Berlin“. ZDF/ARTE drehen 2004 unter dem Titel „Der Energiedesigner“<br />

einen Kurzfilm über den vielbeschäftigten Universitäts-<strong>Prof</strong>essor.

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