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Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule

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3.1 Die <strong>Ganztagsschule</strong> als Ort formeller <strong>und</strong><br />

informeller Bildung<br />

Der Begriff der „Ganztagsbildung“ ist vor dem Hintergr<strong>und</strong> des bildungstheoretischen<br />

<strong>und</strong> -politischen Perspektivenwechsels im Zuge der Veröffentlichung<br />

der ersten PISA-Studie 2001 zu verstehen. Er soll weder ein<br />

Theorierahmen zur Organisationsform <strong>Ganztagsschule</strong> sein, noch ein<br />

Sammelbegriff für Lernerfahrungen im Ganztag. „Mit ihm ist stattdessen<br />

der Ansatz verb<strong>und</strong>en, die über den ganzen Tag hinweg, d.h. zu unterschiedlichen<br />

Zeiten vorfindbaren vielfältigen Lernkonstellationen <strong>und</strong> Bildungsangebote<br />

nach Bedarf <strong>und</strong> Neigung für die Entwicklung subjektiver<br />

Handlungsbefähigung <strong>und</strong> die Entfaltung von Möglichkeitspotenzialen verfügbar<br />

zu machen.“ (Coelen/Otto 2008, S. 17).<br />

Die historische Entwicklung der Ganztagsbildung nimmt ihren Anfang<br />

jedoch bereits Ende der 1950er Jahre: Während die Ganztagsbildung in der<br />

DDR in Form der Tagesschulen zunächst an die Reformpädagogik anknüpfte,<br />

später diese in den Dienst des sozialistischen Staates stellte <strong>und</strong><br />

sich schließlich flächendeckend in Form der Halbtagsschule mit Hort für<br />

die Klassen 1 bis 4 etablierte, war im Westen Deutschlands die Wohlfahrtspflegestruktur<br />

der Weimarer Republik gr<strong>und</strong>legend für die Entwicklung des<br />

Ganztagsbildungssystems in Form von Tagesheimschulen in vergleichsweise<br />

geringerem Umfang (vgl. Mattes 2009). 43<br />

Sowohl der reformpädagogische Gedanke als auch die Leistungen der<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe markieren auch heute noch wichtige Eckpunkte im<br />

bildungstheoretischen Diskurs um die Ganztagsbildung. Sie bietet demnach<br />

Anschlüsse an einen relationalen Bildungsbegriff, der einem bildungstheoretischen<br />

<strong>und</strong> -politischen Perspektivenwechsel insofern entspricht, als neben<br />

formellen <strong>Bildungsprozesse</strong>n in der Institution Schule auch informelle, außerschulische<br />

<strong>Bildungsprozesse</strong> Anerkennung finden (vgl. Harring/Rohlfs/<br />

Palentien 2007). Abgestellt wird dabei vor allem auf die Bedeutsamkeit informeller<br />

Lerninhalte sowohl in ihrer Komplementarität mit formellen<br />

Lerninhalten als auch in ihrer Transferierbarkeit auf eine Vielzahl von<br />

Handlungskontexten der sozialen Umwelt. 44<br />

Worin die Bedeutung dieses Perspektivwechsels liegt, wird am Beispiel<br />

des Freizeitsports besonders deutlich: Während noch der Einfluss der Schule<br />

im Rahmen des Sportunterrichts auf ein bewegungsorientiertes außerschulisches<br />

Freizeitverhalten als relativ gering einzuschätzen ist (vgl.<br />

Baur/Bräutigam/Brettschneider 1989, S. 33), konnte auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

43 Im Unterschied zum westdeutschen Schulsystem stand im Osten Deutschlands jedem Sch üler<br />

48<br />

(auch in der Sek<strong>und</strong>arstufe <strong>und</strong> ohne zusätzliche Teilnahme am Nachmittagsprogramm) ein<br />

warmes Mittagessen zur Verfügung. Das ostdeutsche Schulsystem war damit stärker an den<br />

Belangen der <strong>Familie</strong> ausgerichtet im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf <strong>und</strong> Fam ilie, als<br />

dies das westdeutsche Schulsystem leistete.<br />

44 Daneben zielt die „Ganztagsbildung“ auf „eine neue institutionalisierte Zusammenarbeit von<br />

Schule <strong>und</strong> Jugendhilfe unter Einbeziehung von Eltern <strong>und</strong> <strong>Familie</strong>n ab“ (Otto/Coelen 2004, S.<br />

8). Ferner gilt es, das zivilgesellschaftliche Gemeinwesen zu stärken (vgl. Coelen/Otto 2008,<br />

S. 22). Diese beiden Aspekte sollen an dieser Stelle erwähnt werden, sind aber nicht Gege n-<br />

stand der Untersuchung.

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