Bildungsprozesse zwischen Familie und Ganztagsschule
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In einem zweiten Schritt, der reflektierenden Interpretation, werden die Aussagen<br />
im Hinblick auf die Frage nach den implizierten Selbstverständlichkeiten<br />
des Handlungswissens interpretiert (Wie wird über das Thema erzählt?).<br />
Dazu wird es notwendig, die ausgewählte Interviewpassagen (im<br />
jeweiligen Fall) zum einen formal-analytisch nach Textsorten zu trennen<br />
(vgl. Nohl 2008, S. 26f. in Anlehnung an Schütze 1983), um auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />
identifizierter Erzählungen <strong>und</strong> Beschreibungen, die darin dokumentierte<br />
Handlungsorientierung zu rekonstruieren. In den beiden Beispielfällen<br />
wurde das Thema des Schulwechsels in Rahmen wechselnder Bedingungen<br />
der Freizeitorganisation behandelt bzw. liegt die Handlungsorientierung im<br />
Übergangsprozess verstärkt auf einer Vereinbarkeit von schulischen <strong>und</strong><br />
außerschulischen Freizeitbereich. In beiden Fällen dient die Beschreibung<br />
von Tagesabläufen der Vorbereitung einer Argumentation, die im ersten<br />
Fall als ein hoher Anteil an Freizeit bewertet wird, während im zweiten Fall<br />
der Verlust an Freizeit <strong>und</strong> Zeitstress beklagt wird.<br />
4.3.2 Fallvergleich <strong>und</strong> Typenbildung<br />
Die Suche nach empirisch gegebenen, alternativen Anschlussreaktionen, wie<br />
sie im vorangegangenen Abschnitt bereits beispielhaft dargestellten wurden,<br />
ermöglicht einen Fallvergleich (Komparative Analyse). Dieser dient der Bestimmung<br />
der Regelhaftigkeit einer rekonstruierten Handlungsorientierung.<br />
Als solche stellen diese Alternativen zur gegebenen Äußerung homologe<br />
Fortsetzungen dar. „Indem ich diese Klasse [der gef<strong>und</strong>enen Alternativen,<br />
R.S.] zu benennen suche, bringe ich eine (das Handeln der Erforschten implizit<br />
strukturierende) Regel zur Explikation.“ (Bohnsack 2003a, S. 564).<br />
Der fallübergreifende Vergleich (auch fallintern möglich) wird zwar durch<br />
das gemeinsame Thema der ersten Äußerungen strukturiert, zielt aber auf<br />
Unterschiede in der Bearbeitung des Themas ab. Das funktionale Prinzip<br />
des Fallvergleichs ist damit das „Prinzip des Kontrasts in der Gemeinsamkeit<br />
[H.i.O]“ (Bohnsack et al. 1995, S. 426), das den weiteren Forschungsprozess<br />
steuert <strong>und</strong> der Identifizierung homologer oder heterogener Handlungsorientierungen<br />
dient.<br />
Um von einem Typus der rekonstruierten Handlungsorientierungen reden<br />
zu können, bedarf es der Fortsetzung dieser Systematik des Fallvergleichs.<br />
Was an dieser Stelle des beispielhaften Fallvergleichs noch nicht<br />
absehbar war, stellte sich durch den weiteren Fallvergleich als empirischer<br />
Kontrast zweier sinngenetischer Typen heraus (Typ I: Freizeit durch Sport;<br />
Typ IV: zeitliche <strong>und</strong> soziale Unvereinbarkeit von Freizeit- <strong>und</strong> Peeraktivitäten).<br />
Von einer sinngenetischen Typenbildung kann die Rede sein, wenn der<br />
Fallvergleich die Bandbreite an Orientierungsrahmen im Feld zur Darstellung<br />
bringt. Auf diese Weise werden die Orientierungsrahmen weitestgehend<br />
vom Einzelfall abgelöst <strong>und</strong> Typen gebildet, die aufzeigen, wie ein<br />
Thema mittels verschiedener Orientierungen bearbeitet werden kann (vgl.<br />
Nohl 2008, S. 57f.).<br />
Daneben kennt die dokumentarische Methode noch eine weitere Form<br />
der Typenbildung, die soziogenetische Typenbildung. Hier gilt es, eine Typologie<br />
themenübergreifender Orientierungsrahmen (Typiken) zu erstellen. Damit<br />
verb<strong>und</strong>en ist die Frage nach den sozialen Zusammenhängen <strong>und</strong> der Entwicklung<br />
eines Orientierungsrahmens (vgl. Nohl 2008, S. 58). Da die Samp-<br />
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