1 Pubertät – wenn Erziehen nicht mehr geht 1. Familie ist Beziehung ...
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<strong>Pubertät</strong> <strong>–</strong> <strong>wenn</strong> <strong>Erziehen</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> <strong>geht</strong><br />
<strong>1.</strong> <strong>Familie</strong> <strong>ist</strong> <strong>Beziehung</strong><br />
2. Die notwendigen Konflikte zwischen den Werten<br />
3. Was brauchen Jugendliche um stark zu werden?<br />
a) Bedingungslose Liebe - Genießen Sie Ihr Kind<br />
b) Neue Art von Führung - Sparring<br />
c) Vertrauen<br />
d) Verantwortung<br />
e) Interesse<br />
4. Regeln<br />
1<br />
Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
<strong>1.</strong> <strong>Familie</strong> <strong>ist</strong> <strong>Beziehung</strong><br />
Was <strong>ist</strong> eigentlich <strong>Familie</strong>? <strong>Familie</strong> <strong>ist</strong> <strong>Beziehung</strong>. Und wann fühlen wir uns in der <strong>Familie</strong><br />
wohl, egal wie alt wir sind? Wenn die <strong>Beziehung</strong>en eine gewisse Qualität haben.<br />
Das was zwischen den Menschen passiert, <strong>ist</strong> das Wichtigste. Wie gehen wir miteinander um?<br />
Darum <strong>geht</strong> es.<br />
Und in <strong>Familie</strong>n tragen immer die Erwachsenen die Verantwortung für die Qualität der<br />
<strong>Beziehung</strong>en. Kinder sind damit schlichtweg überfordert.<br />
Die Qualität der <strong>Beziehung</strong>en, auch als Stimmung oder Atmosphäre in der <strong>Familie</strong><br />
bezeichnet, hat direkten Einfluss auf die Entwicklung des Selbstwertgefühls der Kinder, auf<br />
die Entwicklung der persönlichen Verantwortung und auf die Entwicklung der Fähigkeit gut<br />
für sich zu sorgen.<br />
Inhalt und Prozess<br />
In der <strong>Familie</strong> reden wir auch über Inhalte: was machen wir am Sonntag, welche Regeln soll<br />
es geben, was <strong>ist</strong> für uns richtig und falsch, wann müssen die Kinder ins Bett, was gibt es zum<br />
Abendessen, wie lange darf der Jugendliche aus bleiben. Das <strong>ist</strong> auch wichtig.<br />
Aber noch viel wichtiger und entscheidend <strong>ist</strong>, WIE wir miteinander über diese Inhalte reden.<br />
Das <strong>ist</strong> in <strong>Familie</strong>n die allerwichtigste Frage, die nach dem Prozess: Wie verhalten wir uns<br />
zueinander?<br />
In der <strong>Familie</strong> gibt es Prozesse, also Verhaltensweisen, die uns leiden lassen oder die uns<br />
helfen, dass wir uns gut entwickeln.<br />
Gehorsam<br />
Wie sollen Eltern heute ihren Kindern und jugendlichen Kindern begegnen? Die Zeiten wo<br />
blinder Gehorsam verlangt wurde, sind bei uns <strong>mehr</strong> oder weniger vorbei. Aber was nun?<br />
Sollen die Kinder jetzt machen was sie wollen?<br />
Wie kann ich als Elternteil zu meinen jugendlichen Kindern eine tragfähige <strong>Beziehung</strong><br />
aufbauen, die beide befriedigt? Darum <strong>geht</strong> es heute Abend.<br />
2. Die notwendigen Konflikte zwischen den Werten<br />
Stellen Sie sich als Frau vor, man würde sie über ihren Hormonhaushalt definieren. „Ach jetzt<br />
spinnt sie ein bisschen, das <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> ernst zu nehmen, das machen nur ihre Tage.“ Oder „Sie<br />
<strong>ist</strong> in den Wechseljahren, die nächste Zeit <strong>ist</strong> sie etwas kompliziert und aufmüpfig.“
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
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Wie wäre das, <strong>wenn</strong> man sie <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> als Mensch mit Gefühlen, Werten und Gedanken<br />
ernst nehmen würde, sondern ihr Verhalten nur den Hormonen zuschreiben würde?<br />
Ich finde das demütigend.<br />
Dasselbe wird aber vielfach mit so genannten Pubertierenden gemacht. Man schiebt ihr<br />
Verhalten, ihre Gedanken und Gefühle auf die Hormone, anstatt sie ernst zu nehmen.<br />
Werte überprüfen<br />
Bis zum Alter von 11-12 Jahren glaubt jedes Kind es hätte die besten Eltern der Welt. Es<br />
vertraut ihnen zu 120%. Die Kinder haben bis zum Eintritt ins Jugendalter Jahre die Werte<br />
und Anschauungen der Eltern übernommen. Nun beginnt es sich zu verändern.<br />
<strong>Pubertät</strong> bedeutet, dass sie jetzt diese prüfen und sehen müssen, ob diese für ihr eigenes Leben<br />
Bestand haben oder sie suchen nach Alternativen. Sie müssen jetzt selbst herausfinden was<br />
ihnen gut tut und was <strong>nicht</strong>. Sie müssen sozusagen die Verantwortung für ihr eigenes Leben<br />
übernehmen.<br />
<strong>Pubertät</strong> - Selbstständigkeitsalter<br />
Die <strong>Pubertät</strong> <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> eine Zeit, die Eltern stören soll. Es <strong>ist</strong> eine natürliche<br />
Entwicklungsphase, die das Kind durchlaufen muss, um ein selbstständiger Erwachsener zu<br />
werden. <strong>Pubertät</strong> bedeutet <strong>nicht</strong> unbedingt Rebellion. Das me<strong>ist</strong>e, das Jugendliche in diesem<br />
Alter tun, tun sie <strong>nicht</strong> gegen die Erwachsenen, sondern sie tun es für sich selbst. Um sich<br />
selbst zu finden, um zu einem selbständigen Erwachsenen zu werden.<br />
Im Selbstständigkeitsalter, mit drei Jahren, müssen Kinder beginnen Dinge allein zu tun (über<br />
die Treppe alleine gehen, sich die Schuhe zuknüpfen, sich anziehen…) damit sie an diesen<br />
Aufgaben wachsen können. Auch <strong>wenn</strong> diese Aufgaben oft noch zu schwierig für sie sind.<br />
Dasselbe passiert im Jugendalter. Jetzt müssen die Jugendlichen ihre eigenen Erfahrungen<br />
machen, um daraus zu lernen und langsam die Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen.<br />
Beide Phasen, das Selbstständigkeitsalter und die <strong>Pubertät</strong>, sind ganz wichtige Phasen um sich<br />
selbst zu werden.<br />
Rückzahlungszeit<br />
Wahr <strong>ist</strong> allerdings auch, dass das Jugendalter eine Art Rückzahlungszeit <strong>ist</strong>. Das heißt die<br />
Eltern werden das Verhalten zurückerhalten, das sie den Kindern 13 Jahre lang vorgelebt<br />
haben. Wenn sie die Kinder kritisiert und angebrüllt haben, werden sie diese jetzt kritisieren<br />
und anbrüllen, zumindest ein Teil von ihnen. Der andere Teil wird Kritik und Aggression<br />
nach innen kehren und selbst-destruktiv werden.<br />
Trennungsprozess<br />
Was das Jugendalter auch immer <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> ein Trennungsprozess zwischen Eltern und Kindern.<br />
Dies bedeutet, dass die Erwachsenen wieder <strong>mehr</strong> Zeit für sich selbst und für sich als Paar<br />
haben. Es <strong>ist</strong> eine Zeit dem Kind auf Wiedersehen zu sagen und Hallo zu einem angehenden<br />
Erwachsenen.
3. Was brauchen Jugendliche um stark zu werden?<br />
a) Bedingungslose Liebe<br />
b) Neue Art von Führung - Sparring<br />
c) Vertrauen<br />
d) Persönliche Verantwortung<br />
e) Interesse<br />
a. Bedingungslose Liebe<br />
Wie kann man seine Liebe dem Kind zeigen?<br />
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
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Genießen sie Ihr Kind<br />
Das klingt zwar banal, <strong>ist</strong> aber unbeschreiblich wichtig für ihr Kind. Sie haben ihr Kind jetzt<br />
13 Jahre lang erzogen. Sie haben ihm all ihre Liebe, Fürsorge und Zuwendung gegeben. Sie<br />
haben hart gearbeitet und ihr Bestes gegeben. Jetzt <strong>ist</strong> es an der Zeit sich zurück zu lehnen<br />
und die Frucht ihrer Arbeit zu genießen.<br />
Und sollten sie <strong>nicht</strong> ganz zufrieden sein mit ihrem Ergebnis, dann schauen sie sich selbst im<br />
Spiegel an und fragen sich ganz ehrlich ob denn sie selbst perfekt sind.<br />
Warum sollten sie ihr Kind genießen?<br />
Aus zwei Gründen. Erstens haben sie sich das redlich verdient.<br />
Und zum zweiten <strong>ist</strong> es das, was ihr Kind in den nächsten Jahren am me<strong>ist</strong>en braucht. Für den<br />
Rest seines Lebens braucht es ein oder zwei Menschen, die es so lieben und so akzeptieren<br />
wie es <strong>ist</strong>. Und man sollte dies dem Kind auch zeigen, sonst kann es dies <strong>nicht</strong> fühlen.<br />
Eine Art, wie man sich geliebt fühlt, <strong>ist</strong>, <strong>wenn</strong> man gesehen wird, so wie man <strong>ist</strong>.<br />
Den Jugendlichen sehen<br />
Jugendliche haben wie alle anderen Menschen dieser Welt das Bedürfnis so gesehen zu<br />
werden wie sie sind. Und Jugendliche sind <strong>mehr</strong> als nur Kleidung, Mode, Musik und<br />
Freundeskreise. Alle Jugendliche haben tiefe Gedanken über die Geheimnisse des Lebens.<br />
Sie denken über das Leben, den Tod, die Liebe, Freundschaft, Sexualität, Zukunft,<br />
Gerechtigkeit und über die Welt nach. Sie sollten ihren Jugendlichen in seiner Gesamtheit<br />
sehen, also auch in seiner Auseinandersetzung mit den ex<strong>ist</strong>entiellen Fragen des Lebens.<br />
Gesehen zu werden wie man <strong>ist</strong>, steigert das Selbstwertgefühl.<br />
Wie fühlt man sich noch geliebt?<br />
Wertvoll sein<br />
Wenn sie dem Kind zeigen, dass es wertvoll für sie <strong>ist</strong>, dass es ihr Leben bereichert, dann<br />
stärken sie damit sein Selbstwertgefühl am me<strong>ist</strong>en.<br />
Wir alle haben das Grundbedürfnis für die Menschen wertvoll zu sein, die uns am nächsten<br />
stehen. Das bedeutet <strong>nicht</strong>, dass das Kind wertvoll <strong>ist</strong>, weil es gut in der Schule <strong>ist</strong> oder<br />
irgendeine Le<strong>ist</strong>ung vollbringt. Es <strong>geht</strong> überhaupt <strong>nicht</strong> um Lob. Es <strong>geht</strong> darum, dass sie sich<br />
über seine pure Ex<strong>ist</strong>enz freuen, weil sein Leben ihr Leben bereichert.<br />
Wenn man erlebt, dass man für einen Menschen wertvoll <strong>ist</strong>, einfach nur weil man <strong>ist</strong> wie<br />
man <strong>ist</strong>, dann steigert das das Selbstwertgefühl.
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Im Alltag vergessen wir oft das dem anderen zu zeigen. Erst <strong>wenn</strong> das Kind plötzlich einen<br />
schweren Unfall hat, werden wir uns wieder bewusst wie sehr wir einander lieben,<br />
unabhängig von irgendwelchen Le<strong>ist</strong>ungen.<br />
Den Jugendlichen genießen, ihn in seiner Gesamtheit sehen und ihm zeigen, dass er wertvoll<br />
für einen <strong>ist</strong>, stärkt das Selbstwertgefühl am allerme<strong>ist</strong>en.<br />
b. Neue Art von Führung - Sparring<br />
Erziehung funktioniert <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong><br />
Die klassische Art von Erziehung funktioniert in der <strong>Pubertät</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong>. Das bedeutet, dass<br />
das Besserwissen, das Belehren, wie das noch beim Kind funktioniert hat, jetzt <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong><br />
ankommt. Jüngere Kinder brauchen Eltern, die <strong>mehr</strong> Erfahrung haben, als sie selbst. Ab der<br />
<strong>Pubertät</strong> nehmen die Kinder dies <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> an.<br />
Da <strong>ist</strong> eine neue Art von <strong>Beziehung</strong> gefragt. Aus Erziehung wird sozusagen eine <strong>Beziehung</strong>,<br />
die neue Qualitäten haben sollte, damit sie fruchtbringend für alle Beteiligten <strong>ist</strong>.<br />
Sie haben etwas zu bieten<br />
Ab der <strong>Pubertät</strong> müssen sich die Eltern damit abfinden, dass sie für den Jugendlichen jetzt<br />
altmodisch sind. Das heißt aber noch lange <strong>nicht</strong>, dass sie <strong>nicht</strong>s <strong>mehr</strong> zu bieten haben.<br />
Viele Eltern glauben, sie wären für den Jugendlichen jetzt <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> wichtig. Was zählt sind<br />
nur die Freunde und die Vorbilder. Aber das stimmt <strong>nicht</strong>.<br />
Die Eltern und ihre Meinungen haben weiterhin einen sehr hohen Stellenwert für die<br />
Jugendlichen. Nur werden sie dies <strong>nicht</strong> offen sagen. Ob die Jugendlichen annehmen können,<br />
was die Eltern zu bieten haben, hängt auch von der Art und Weise ab, wie Eltern dem<br />
Jugendlichen begegnen.<br />
Jugendliche wie Eltern haben me<strong>ist</strong> die gleiche Sehnsucht nacheinander, auch <strong>wenn</strong> die<br />
Jugendlichen die me<strong>ist</strong>e Zeit mit ihren Freunden verbringen.<br />
Sparringspartner<br />
Jugendliche brauchen Eltern, die wie ein Sparringspartner arbeiten. Ein Sparringspartner <strong>ist</strong><br />
ein Trainer im Boxkampf. Er bietet dem Boxer so viel Widerstand wie möglich und richtet so<br />
wenig Schaden wie möglich an. Durch diese Art und Weise macht er den Boxer fit.<br />
Sparring bedeutet dem Jugendlichen ein Maximum an Widerstand zu geben, <strong>wenn</strong> er Dinge<br />
tun will, wo sie denken, dass sie <strong>nicht</strong> gut für ihn sind. Das heißt, dass sie als Elternteil ihre<br />
Meinungen und Überzeugungen klar zum Ausdruck bringen. Dass sie sagen was und wie sie<br />
über eine Sache denken. Das heißt, dass sie sich selbst gegenüber ehrlich sind und auch das<br />
ausdrücken, was sie wirklich meinen. Dass sie also Eindruck machen mit dem was sie sagen.<br />
Aber <strong>nicht</strong> mit der Absicht den Jugendlichen zu erziehen. Es <strong>ist</strong> ein respektvoller Austausch<br />
wie mit einem erwachsenen Freund, der einen um die eigene Meinung bittet.<br />
Wenn die 14jährige ihre Mutter fragt: „Na, <strong>ist</strong> mein neuer Freund <strong>nicht</strong> süß?“, dann <strong>nicht</strong>:<br />
„Ach, der taugt doch <strong>nicht</strong>s, so wie der sich benimmt.“ Sondern: „Hm, mein Fall <strong>ist</strong> er <strong>nicht</strong>,<br />
aber ich sehe wie deine Augen leuchten.“
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Bsp: Party<br />
Wenn der Fünfzehnjährige auf eine Party gehen will, dann <strong>ist</strong> das Erste was sie machen<br />
sollten, die Details mit ihm zu klären. Wo findet die Party statt, wer kommt, wie viele, wer <strong>ist</strong><br />
verantwortlich, wie kommt er hin, wie kommt er zurück?<br />
Aufgrund dieser Informationen sollten sie sich frei fühlen ihre Gedanken und Meinung über<br />
die Teilnahme an der Party zum Ausdruck zu bringen. Vielleicht gefällt ihm <strong>nicht</strong> was sie<br />
sagen und wie sie dazu stehen, aber es <strong>ist</strong> wichtig, dass sie sich selbst ernst nehmen und dass<br />
das ihr Kind mitbekommt.<br />
Sich selbst ernst nehmen<br />
Dieses sich selbst ernst nehmen, hat eine Vorbildfunktion für ihr Kind. Es lernt, dass man sich<br />
selbst ernst nehmen und ausdrücken darf. Auch <strong>wenn</strong> ihr Kind <strong>nicht</strong> einverstanden <strong>ist</strong> mit dem<br />
was sie sagen, <strong>ist</strong> es wichtig, dass es ihren Standpunkt kennen lernt.<br />
Man kann alles sagen, solange es <strong>nicht</strong> herablassen, bevormundend, kritisierend, drohend oder<br />
flehend <strong>ist</strong>.<br />
Entscheidung überlassen<br />
Nun aber überlassen sie dem Jugendlichen die Entscheidung ob er hin <strong>geht</strong> oder <strong>nicht</strong>. Er wird<br />
ganz sicher ihre Überlegungen in seine Entscheidung mit einfließen lassen. Auch <strong>wenn</strong> sie<br />
<strong>nicht</strong> erwarten können, dass er mit einem Lächeln im Gesicht zu ihnen sagt: „Ach, ihr seid ja<br />
so weise. Danke für eure Meinung.“ Das wird eher <strong>nicht</strong> passieren und trotzdem wird er ihre<br />
Meinung wichtig nehmen.<br />
Warum soll der Jugendliche selbst entscheiden?<br />
Jugendliche müssen aus den eigenen Handlungen lernen. Nur so können sie auch<br />
Verantwortung für ihr Leben übernehmen.<br />
Sollte sich herausstellen, dass es eine Fehlentscheidung war und der Abend <strong>nicht</strong> so gelaufen<br />
<strong>ist</strong> wie erwartet, <strong>ist</strong> es wichtig, dass sie dann da sind und mit dem Jugendlichen über seine<br />
schlechten Erfahrungen sprechen. Aber bitte <strong>nicht</strong> besserwisserisch, sondern in dem Maße<br />
interessiert, wie mit einem erwachsenen Freund. „Ich hab das Gefühl die Party war <strong>nicht</strong> so<br />
toll. Möchtest du darüber reden?“ Wenn der Jugendliche Nein sagt, dann gilt es diese Grenze<br />
zu respektieren.<br />
Sicherheitsnetz<br />
Eltern sollten wie ein Sicherheitsnetz da sein, <strong>wenn</strong> Jugendliche Entscheidungen treffen, die<br />
zu ihrem Nachteil sind. Jugendliche brauchen ihre Eltern gerade dann, <strong>wenn</strong> etwas schief<br />
läuft.<br />
Die Jugendzeit besteht auch aus tausenden Experimenten. Reife entwickelt sich nur dann,<br />
<strong>wenn</strong> die Jugendlichen die Möglichkeit bekommen ihr Scheitern mit der <strong>Familie</strong> zu teilen.<br />
Je <strong>mehr</strong> sie bestraft, belehrt und kritisiert werden, desto weniger lernen sie über sich selbst,<br />
über ihre Stärken und Schwächen.<br />
Jugendliche können vieles selber, aber noch <strong>nicht</strong> alles alleine. Was sie brauchen, <strong>ist</strong> ein<br />
Gegenüber, das sagt, wie es zu den Dingen steht.
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
c. Vertrauen<br />
Welche Art von Vertrauen benötigen Jugendliche?<br />
Sie benötigen von ihren Eltern das Vertrauen, dass sie das Beste aus dem machen werden,<br />
was sie bis jetzt mitbekommen haben. Sie werden nach ihren Möglichkeiten das Beste geben.<br />
Wenn sie das Selbstwertgefühl Ihres Kindes stärken wollen, dann vertrauen sie ihm genau in<br />
diesem Sinne.<br />
Man kann auch darauf vertrauen, dass sie <strong>nicht</strong> immer das machen werden, was Eltern für<br />
richtig halten.<br />
Man kann auch darauf vertrauen, dass sie einige Fehlentscheidungen treffen werden.<br />
Sorgen sind das Gegenteil von Vertrauen<br />
Eltern machen sich in den Jugendjahren ihrer Kinder oft viele Sorgen. Oft werden sie zum<br />
ständigen Begleiter. Darunter leidet das Selbstwertgefühl des Jugendlichen.<br />
Sich Sorgen zu machen, heißt: ich vertraue dir <strong>nicht</strong>. Ich traue dir <strong>nicht</strong> zu, dass du es schaffst.<br />
Das untergräbt das Selbstwertgefühl der Kinder.<br />
Wenn sie sich zu viele Sorgen machen, hindert sie das auch daran ihr Kind zu genießen.<br />
Wenn sie sich Sorgen machen, dann reden sie am besten mit anderen Erwachsenen darüber,<br />
damit es ihnen besser <strong>geht</strong>, aber behelligen sie ihr Kind so wenig wie möglich damit, denn das<br />
nimmt den Jugendlichen das Vertrauen in die eigenen Kräfte.<br />
Kontrolle<br />
Auch Misstrauen und Kontrolle führen dazu, dass die Jugendlichen das Vertrauen in sich<br />
selbst verlieren und dass die D<strong>ist</strong>anz in der <strong>Beziehung</strong> zu den Eltern größer wird. Wer<br />
kontrolliert wird, fühlt sich falsch. Wer sich falsch fühlt, fühlt sich schuldig. Beides zerstört<br />
das Selbstwertgefühl.<br />
Als Folge können manche auch mit Trotz darauf reagieren und nun genau das tun, was sie<br />
<strong>nicht</strong> sollen.<br />
d. Verantwortung<br />
Es gibt zwei Sorten von Verantwortung: die persönliche Verantwortung und die soziale<br />
Verantwortung. Um ein gutes Leben zu führen brauchen wir beides.<br />
Die persönliche Verantwortung wird leicht unterschätzt. Es <strong>ist</strong> die Verantwortung, die jeder<br />
für sein Leben selbst trägt. Für das eigene Wohlbefinden, für die eigenen Bedürfnisse, für die<br />
eigenen Grenzen, für die eigenen Gefühle. Ich muss lernen Verantwortung übernehmen dafür,<br />
was ich sage und was ich tue.<br />
Die soziale Verantwortung <strong>ist</strong> die Verantwortung, die ich gegenüber anderen habe, für meine<br />
<strong>Familie</strong>, für die Gemeinschaft.<br />
Fakt <strong>ist</strong>, dass es unmöglich <strong>ist</strong> soziale Verantwortung zu übernehmen, <strong>wenn</strong> man <strong>nicht</strong> gelernt<br />
hat persönliche Verantwortung zu übernehmen.<br />
Gruppenzwang<br />
Eltern wünschen sich Kinder, die keinem Gruppenzwang unterliegen, die Nein sagen können<br />
z.B. zur Frage ob sie Drogen konsumieren oder beim Ladendiebstahl mitmachen möchten.<br />
Dazu braucht es Jugendliche, die Verantwortung für sich übernehmen können und die gelernt<br />
haben, dass sie zu Menschen, die sie gern haben, auch Nein sagen dürfen.
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Wie aber lernt man persönliche Verantwortung und für was können Jugendliche<br />
persönliche Verantwortung übernehmen?<br />
Das hängt davon ab, was Eltern wollen.<br />
Viele Eltern übernehmen sehr lange die Verantwortung in Bereichen, in denen die Kinder<br />
eigentlich schon lange selbst verantwortlich sein können.<br />
Ein Zwölfjähriger kann Verantwortung für seine Kleidung übernehmen, kann sie waschen,<br />
aufhängen und bügeln. Er kann auch einkaufen und sich etwas zu essen machen. Er kann sein<br />
Zimmer in Ordnung halten und für seinen Transport sorgen. Er kann die Verantwortung für<br />
seinen Schlaf und sein Aufstehen übernehmen, genauso wie er die Verantwortung für die<br />
Schule übernehmen kann und die Wahl seiner Freunde.<br />
Für manche Eltern <strong>ist</strong> es schwer die übernommene Verantwortung den Kindern wieder<br />
zurückzugeben. Aber mit einem Rundum-Service tut man seinen Kindern keinen Gefallen.<br />
Sicherlich <strong>ist</strong> das provozierend für viele erwachsene Männer, die in vielen Dingen auch einen<br />
Service von ihren Frauen erwarten. Tatsache <strong>ist</strong> aber, dass Jugendliche ab 12 diese<br />
Verantwortung übernehmen können.<br />
Der destruktive Konflikt<br />
Es gibt ein sicheres Zeichen, das den Eltern signalisiert, dass sie dem Kind zu viel<br />
Verantwortung abgenommen haben: den destruktiven Konflikt.<br />
Das <strong>ist</strong> ein Konflikt, der sich ständig wiederholt, ohne dass eine Lösung näher rückt und in<br />
dem beide Seiten negativ, vorwurfsvoll und kritisierend werden.<br />
Bsp: Es spricht <strong>nicht</strong>s dagegen seine 13-Jährige morgens zu wecken. Aber <strong>wenn</strong> man 3 Mal<br />
nachsehen muss und es zu wiederholten Auseinandersetzungen kommt, dann <strong>ist</strong> die Zeit reif,<br />
dass der Erwachsene Verantwortung für sich selbst übernimmt und sagt: „Mir <strong>ist</strong> aufgefallen,<br />
dass ich viel zu lang die Verantwortung dafür übernommen habe, dass du am Morgen<br />
rechtzeitig aufstehst, und ich merke, dass ich immer wütender auf dich werde. Deshalb<br />
überlasse ich die Verantwortung jetzt dir, aber natürlich darfst du auch mal um Hilfe bitten,<br />
<strong>wenn</strong> du fürchtest, dass du verschlafen könntest.“<br />
Hier passieren zwei Dingen. Zum einen übernimmt der Erwachsene wieder die<br />
Verantwortung für sein Wohlergehen und <strong>ist</strong> somit ein gutes Beispiel für die Jugendliche und<br />
zum anderen gibt er den Teil an Verantwortung an die Jugendliche zurück, den er in seiner<br />
Überverantwortlichkeit übernommen hat.<br />
Es gibt als 15jähriger, als 25jähriger oder als 40jähriger zwei Möglichkeiten: entweder ich bin<br />
für mein Leben verantwortlich oder ich bin Opfer <strong>–</strong> jemand anderer <strong>ist</strong> Schuld.<br />
e. Interesse<br />
Jugendliche brauchen es, dass man sich für sie interessiert.<br />
Kaum noch Gespräche<br />
Eltern beklagen oft, dass sie mit ihren Jugendlichen kaum noch Gespräche hätten, dass es<br />
eigentlich egal sei was sie sagen, denn die Jugendlichen würden sowieso machen was sie<br />
wollen. Deshalb geben Eltern ihre Kommunikation oft ganz auf. Sie wissen einfach <strong>nicht</strong> wie<br />
sie mit ihrem Kind in ein Gespräch kommen sollen. Sie hatten keine Möglichkeit eine
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
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freundschaftliche Sprache zu entwickeln. Der Mangel an Kommunikation <strong>ist</strong> traurig für beide<br />
Seiten.<br />
Definitionsmacht<br />
Jugendliche hassen es, genauso wie jeder Mensch, definiert zu werden. Das heißt <strong>wenn</strong><br />
Erwachsene ihn in eine Schublade stecken: du b<strong>ist</strong> faul, dumm, unerträglich, frech,<br />
unerfahren, kindisch. Hier interessiert sich der Erwachsene gar <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> dafür wer der<br />
Jugendliche im Moment <strong>ist</strong>, wie es ihm <strong>geht</strong>, was ihn bewegt.<br />
Im Grunde wird der Jugendliche <strong>nicht</strong> ernst genommen, sondern einfach von oben herab<br />
definiert. „Ich weiß wie und wer du b<strong>ist</strong>.“<br />
Wenn Sie zu Ihrem Kind sagen wollen: „Das <strong>ist</strong> typisch für einen Jugendlichen in der<br />
<strong>Pubertät</strong>.“, stellen Sie sich doch vor es sagt zu Ihnen: „Das <strong>ist</strong> typisch für einen Vater in der<br />
Midlifecrisis.“ Da merkt man schnell wie kränkend solche Aussagen sind und wie wenig<br />
Spielraum sie dem Anderen lassen sich zu zeigen wie er <strong>ist</strong> und was in ihm vor<strong>geht</strong>.<br />
In einen gleichwürdigen Dialog treten<br />
Wenn man eine gleichwürdige <strong>Beziehung</strong> aufbauen will, sollte man damit aufhören, dass man<br />
meint zu wissen was gut für den Jugendlichen <strong>ist</strong> und zu meinen man kenne ihn besser als er<br />
sich selbst. Um eine gleichwürdige <strong>Beziehung</strong> aufzubauen, <strong>ist</strong> es besser in einen<br />
gleichwürdigen Dialog zu treten, wo man den Jugendlichen kennen lernen will. Wo man sich<br />
für seine Sicht der Dinge interessiert.<br />
Was <strong>ist</strong> Geleichwürdigkeit?<br />
In einer gleichwürdigen <strong>Beziehung</strong> werden die Wünsche, Gedanken, Bedürfnisse und<br />
Grenzen des Einzelnen ernst genommen. Unabhängig von Alter, Geschlecht oder<br />
Gesundheitszustand.<br />
Man verzichtet auf physische und psychische Gewalt. Das heißt, niemand wird für das was er<br />
fühlt und denkt geschlagen, gekränkt, kritisiert oder gedemütigt oder lächerlich gemacht.<br />
Bsp: Computerspiel<br />
Wenn ihr 11jähriger Sohn ein Computerspiel kaufen möchte und sie das als keine gute Idee<br />
empfinden, setzen sie sich mit ihm auseinander. Fragen sie was so toll daran <strong>ist</strong>, wie er es<br />
finanzieren will. So bekommen sie Einblick in seine Gedanken. Das hilft ihnen, zu lernen,<br />
wer ihr Sohn <strong>ist</strong> und zu lernen wie er Entscheidungen trifft. Und gleichzeitig fühlt sich ihr<br />
Sohn gesehen und gehört.<br />
Das <strong>ist</strong> besser, als ihn zu belehren was vernünftig <strong>ist</strong> und was <strong>nicht</strong>. Das hat nur zur Folge,<br />
dass er sich ihnen gegenüber verschließt und sie <strong>nicht</strong> wissen, ob er in der Lage <strong>ist</strong><br />
vernünftige Entscheidungen zu treffen.<br />
Dem Jugendlichen mit Gleichwürdigkeit und Interesse zu begegnen, stärkt sein<br />
Selbstwertgefühl. „Aha, du hast eine fünf bekommen. Hm, wie <strong>geht</strong> es dir damit? Brauchst du<br />
vielleicht Hilfe beim Lernen?“ Anstatt: „Du warst wieder mal zu faul zu lernen, du<br />
Dummkopf“<br />
Wenn wir uns füreinander interessieren, anstatt so zu tun, als wüssten wir schon alles über den<br />
Anderen und anstatt den Anderen zu belehren und zu kritisieren, dann stärkt das das<br />
Selbstwertgefühl.
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Astrid Egger<br />
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Wie gehen wir in einen gleichwürdigen Dialog? - Mit einer persönlichen Sprache<br />
Wie können wir miteinander reden, ohne die Definitionsmacht zu gebrauchen?<br />
Wir können das ausdrücken, was in uns vor<strong>geht</strong>. „Puh, ich werde ganz nervös <strong>wenn</strong> ich daran<br />
denke, dass du so geschminkt zu dieser Party gehst. Willst du <strong>nicht</strong> mir zuliebe auf dieses<br />
Make up verzichten?“<br />
Ich sage also was ich will/<strong>nicht</strong> will, mag/<strong>nicht</strong> mag, was mir wichtig <strong>ist</strong>.<br />
Eine persönliche Sprache schafft Nähe, Kontakt und starke, ehrliche <strong>Beziehung</strong>en. Es <strong>geht</strong><br />
darum über sich selbst zu sprechen. Über das was man fühlt und denkt. Sich zu zeigen, anstatt<br />
den Anderen zu definieren, kritisieren oder drohen.<br />
„Ich will <strong>nicht</strong>, dass du ins Schwimmbad gehst ohne vorher deine Hausaufgaben gemacht zu<br />
haben. Wie denkst du darüber?“<br />
Konflikt<br />
Gerade <strong>wenn</strong> es zum Konflikt kommt, <strong>ist</strong> eine persönliche Sprache wichtig, um in Kontakt zu<br />
bleiben. Jeder spricht über sich selbst, was er denkt und meint und hört dem Anderen zu und<br />
nimmt ihn genauso ernst wie sich selbst.<br />
„Ich will, dass du die Musik jetzt leiser machst. Ich will eine halbe Stunde rasten.“<br />
Über sich selbst zu sprechen, <strong>ist</strong> <strong>nicht</strong> ganz einfach. Vielfach reagieren wir im Konfliktfall mit<br />
Drohungen, Kritik und Bevormundung. Aber das <strong>ist</strong> im Grunde ein Machtmissbrauch und<br />
lehrt uns <strong>nicht</strong>s über uns und den andern.<br />
Konflikte sind nie ein Zeichen dafür, dass die <strong>Beziehung</strong> <strong>nicht</strong> stimmt. Konflikte sind nur ein<br />
Zeichen dafür, dass zwei Menschen Unterschiedliches zur gleichen Zeit wollen. Je offener<br />
Konflikte angesprochen werden dürfen, desto freier bleibt die Atmosphäre in der <strong>Familie</strong>.<br />
Jeder weiß wie es sich anfühlt, <strong>wenn</strong> Konflikte unter den Tisch gekehrt werden. Die Luft wird<br />
dick und niemand fühlt sich <strong>mehr</strong> frei.<br />
Authentisch bleiben<br />
Bleiben sie im Konflikt authentisch. Zeigen sie ihre Gefühle. Man kann wunderbar wütend<br />
sein und trotzdem gleichwürdig, solange man über sich spricht und den Anderen <strong>nicht</strong> als<br />
Idioten darstellt. „Ich will verflixt noch mal, dass du die Schuhe im Hausgang ausziehst. Es<br />
mach mich wütend, <strong>wenn</strong> du das <strong>nicht</strong> tust. Ich will <strong>nicht</strong> alle Tage den Boden wischen.“<br />
Wenn ich in einem persönlichen Dialog bleibe, dann lerne ich den Anderen kennen und lerne<br />
auch mich selbst kennen und ich nehme mich und den Andern ernst. Das stärkt mein eigenes<br />
Selbstwertgefühl und auch das des Anderen.<br />
Bei einem Konflikt mit seinem Kind, sollte man sich vorstellen man trägt diesen Konflikt mit<br />
einem guten Freund aus.<br />
Kritik blockiert Lernen<br />
Je <strong>mehr</strong> ich Jugendliche kritisiere und verunsichere, desto weniger lernen sie. Es <strong>ist</strong><br />
mittlerweile in der Hirnforschung erwiesen, dass Lernen blockiert wird, <strong>wenn</strong> ich kritisiert<br />
werde. Da schaltet das Hirn auf aus.
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Viele fragen sich, wie bleibt man mit Jugendlichen im Gespräch?<br />
Viele Eltern kennen nur das Interviewen: Wie war’s in der Schule? Hast du Hausaufgaben?<br />
Wie war die Party gestern?<br />
Das <strong>ist</strong> sicher lieb gemeint, hat aber zur Folge, dass sich der Fragende selbst <strong>nicht</strong> zeigt. Er<br />
öffnet sich <strong>nicht</strong>, verlangt aber vom Interviewten, dass er sich öffnet. Das machen Kinder<br />
<strong>nicht</strong> lange mit. Me<strong>ist</strong>ens kommen die Antworten dann eher einsilbig.<br />
Was kann ein Ausweg sein?<br />
Sich selbst öffnen<br />
Man kann beginnen von sich zu erzählen. So wie man das bei einem lieben Freund machen<br />
würde. Wie war der eigene Arbeitstag, was für Pläne habe ich für den nächsten Feierabend,<br />
wie <strong>geht</strong> es mir mit dem neuen Arbeitsplatz…<br />
Wer von sich erzählt, öffnet sich und lädt den Anderen dazu ein sich auch zu öffnen. Es<br />
entsteht eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens.<br />
Me<strong>ist</strong>ens dauert es nur ein paar Tage, bis die Kinder dann auch beginnen von sich zu<br />
erzählen.<br />
Kontakt<br />
Warum <strong>ist</strong> die persönliche Sprache noch wichtig? Weil sie hilft in Kontakt zu bleiben.<br />
Und der Kontakt <strong>ist</strong> es um den es <strong>geht</strong>. Versuchen sie immer in Kontakt zu bleiben. Lassen sie<br />
das Gespräch <strong>nicht</strong> verstummen. Hüten sie sich aber vor jeder Bevormundung, Definition und<br />
Besserwisserei.<br />
Wenn sie mit dem Jugendlichen etwas Wichtiges besprechen wollen, dann tun sie das nie im<br />
erhitzten Moment. Warten sie bis wieder Ruhe in die Gemüter eingekehrt <strong>ist</strong>, um Themen zu<br />
besprechen.<br />
Dann holen sie sich sein Einverständnis. „Ich möchte mit dir über etwas reden. Passt es jetzt?“<br />
Man muss eingeladen werden. Viele gute Absichten sind für die Katz, weil Eltern <strong>nicht</strong><br />
sicherstellen, dass die Kinder auch bereit sind zuzuhören.<br />
4. Regeln<br />
Wie <strong>geht</strong> man mit Regeln um? Wozu dienen Regeln? Eltern haben gewisse Wertvorstellungen<br />
und Grenzen, die sich als Regeln ausdrücken.<br />
Die Schuhe werden vor der Haustüre ausgezogen, um 21 Uhr soll der Jugendliche zu Hause<br />
sein, Alkohol erst ab 16 Jahren, das eigene Zimmer wird selbst in Ordnung gehalten.<br />
Jede <strong>Familie</strong> braucht ein paar Regeln, damit das Zusammenleben gut funktioniert. Den Ton,<br />
den die Eltern anschlagen, <strong>wenn</strong> sie Regeln vermitteln, hat entscheidenden Einfluss darauf<br />
wie sich die Kinder den Regeln gegenüber verhalten. Wurden die Regeln vernünftig<br />
vermittelt, werden die Kinder kaum Probleme haben sich daran zu halten. Wurden sie mit<br />
erhobenem Zeigefinger und in einem kommandierenden Befehlston vermittelt, bzw. gab es<br />
Strafen bei Nichteinhaltung, dann werden die Kinder beginnen sich aufzulehnen. Sie werden<br />
sich den Regeln widersetzen oder zu lügen beginnen.<br />
Andererseits, <strong>wenn</strong> es überhaupt keine Regeln gibt und die Eltern ein nachlässiges,<br />
gleichgültiges Verhalten an den Tag legten, dann können die Kinder den Eindruck haben, sie<br />
wären den Eltern gleichgültig.
11<br />
Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Bis vor wenigen Jahren bestimmten die Eltern und die Kinder hatten sich zu unterwerfen.<br />
Nicht selten führten die Jugendlichen ein Doppelleben.<br />
Heute <strong>ist</strong> es oft so, dass die Eltern Konflikte vermeiden wollen und öfters Ja sagen, obwohl<br />
sie dies gar <strong>nicht</strong> meinen. Beides tut beiden Parteien <strong>nicht</strong> gut.<br />
Was also tun, <strong>wenn</strong> man Unterwerfung und Gehorsam vermeiden will, genauso wie ständige<br />
Machtkämpfe?<br />
Es kommt also wieder auf das WIE an. Wie vermitteln Eltern Regeln und wie verhalten sie<br />
sich bei Nichteinhaltung?<br />
Regelvermittlung mittel gleichwürdigem Dialog<br />
Es <strong>geht</strong> primär darum, wie ich mich dem Kind gegenüber verhalte.<br />
Am besten führe ich mit ihm einen gleichwürdigen Dialog: Das heißt, dass ich mich mit<br />
meinen Grenzen und Bedürfnissen genauso ernst nehme wie das Kind. Ich sage klar was ich<br />
denke und höre dem Anderen zu und nehme dazu wieder Stellung.<br />
Bsp: Pizzaessen<br />
Folgendes wäre eine gute Idee. Laden Sie ihren Jugendlichen doch zu einer Pizza ein und<br />
sagen Folgendes: „Jetzt, wo du ein gewisses Alter hast, <strong>ist</strong> uns wichtig mit dir gewisse<br />
Vereinbarungen zu treffen. Sie beziehen sich auf die Zeiten, <strong>wenn</strong> du abends zu Hause sein<br />
sollst, auf die Schule, die Partys, Alkohol, Internet und auf deine Aufgaben im Haushalt.<br />
Wir schicken dir am besten eine Email mit all unseren Vorschlägen, damit du in Ruhe deine<br />
Gegenvorschläge überdenken kannst. Danach können wir über die einzelnen Punkte reden.<br />
Wir glauben <strong>nicht</strong>, dass diese Regeln für die nächsten sechs Jahre Bestand haben sollen, also<br />
werden wir hin und wieder eine Pizza zusammen essen, um die Regeln den Gegebenheiten<br />
anzupassen. Ist das okay für dich?“<br />
Dies <strong>ist</strong> ein gleichwürdiges Gespräch wo es weder Bevormundung, noch Kritik, noch<br />
Befehlsgehabe gibt.<br />
Diese Art von Gespräche kann man jederzeit führen. Auch <strong>wenn</strong> der Jugendliche bereits 16<br />
Jahre alt <strong>ist</strong>.<br />
Was <strong>ist</strong> das Wichtige bei dieser Art von Umgang miteinander?<br />
Es wird die Eigenverantwortung oder persönliche Verantwortung des Jugendlichen gestärkt,<br />
weil er lernt, für gewisse Bereiche in seinem Leben selbst Verantwortung zu tragen.<br />
Gleichzeitig lernt er, dass die Eltern sich selbst und ihn ernst nehmen.<br />
Die Erfahrung zeigt, dass Menschen, die sich ernst genommen fühlen, <strong>nicht</strong> so sehr darauf<br />
pochen „recht zu haben“ oder „ihren Willen zu bekommen“.<br />
Genauso verhält man sich mit erwachsenen Partnern oder Freunden.<br />
Ein gleichwürdiger Dialog <strong>ist</strong> das Gegenteil von Machtkampf oder aber Unterwerfung.<br />
Wie <strong>geht</strong> man sinnvoll mit Regelverstößen um?<br />
Strafen sind auf längere Sicht vollkommen wirkungslos. In meinen Augen zählen sie zu<br />
Machtmissbrauch. Sie bestrafen ja auch <strong>nicht</strong> ihren Partner, weil er <strong>nicht</strong> zur vereinbarten Zeit<br />
nach Hause gekommen <strong>ist</strong>.
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Viele denken, wer A sagt muss auf B sagen. Wird die Vereinbarung <strong>nicht</strong> eingehalten, dann<br />
muss es Strafen oder Konsequenzen geben, damit der Jugendliche lernt, dass es seine Eltern<br />
ernst meinen und damit man verhindert, dass die Kinder einem auf der Nase herum tanzen.<br />
Bsp: Eva kommt betrunken heim<br />
Eva <strong>ist</strong> 14 und kommt von einem Fest angetrunken nach Hause. Das <strong>ist</strong> gegen die Regeln der<br />
Eltern. Am nächsten Morgen hat sie einen Kater und wird mit der Strafe konfrontiert: einen<br />
Monat lang Ausgehverbot.<br />
Der Kater <strong>ist</strong> eine natürliche Konsequenz des Trinkens. Das Ausgehverbot <strong>ist</strong> eine Strafe.<br />
Viele Eltern wissen oft <strong>nicht</strong>, wie sie mit Regelverstößen umgehen sollen und Freiheits- oder<br />
Eigentumsentzug sind oft die Folgen.<br />
Es gibt allerdings auch einen anderen Weg, ein Verhalten der Eltern, das auf Vertrauen in die<br />
Tochter und auf Vertrauen in die <strong>Beziehung</strong> aufbaut.<br />
Eva kommt angetrunken nach Hause. Am nächsten Morgen hat sie einen Kater. Da fragen die<br />
Eltern: „Ist es sehr schlimm.“ Eva nickt. Ihr sind der Kater und die Schuldgefühle<br />
anzumerken. Somit können die Eltern ganz beruhigt sein. Ihre Tochter hat zum ersten Mal<br />
erfahren, welche Folgen es hat, <strong>wenn</strong> man zuviel Alkohol trinkt und sie schämt sich, dass sie<br />
sich <strong>nicht</strong> an die Vereinbarung mit den Eltern gehalten hat.<br />
Die Eltern brauchen sie jetzt weder zu belehren noch zu bestrafen. Eva hat Erkenntnisse aus<br />
ihrem Handeln gewonnen. Wenn die Eltern jetzt da sind für Eva und ihren Gedanken zuhören,<br />
dann wird ihr Vertrauen in Evas Eigenverantwortlichkeit wachsen und ihre Sorgen abnehmen.<br />
Gleichzeitig wächst das Vertrauen Evas in ihre Eltern. Sie lernt, dass diese für sie da sind,<br />
<strong>wenn</strong> sie Schwierigkeiten im Leben hat. Dieses gegenseitige Vertrauen stärkt die <strong>Beziehung</strong><br />
zwischen Eltern und Kindern.<br />
Die Jugendzeit besteht aus tausenden von Experimenten um sich selbst und die Umwelt<br />
besser kennen zu lernen.<br />
Reife kann sich nur entwickeln, <strong>wenn</strong> die Eltern den Jugendlichen Raum geben ihr Scheitern<br />
mit ihrer <strong>Familie</strong> zu teilen.<br />
Je <strong>mehr</strong> Kinder isoliert werden, <strong>wenn</strong> sie Fehler machen, je <strong>mehr</strong> sie kritisiert werden, belehrt<br />
und bestraft, desto <strong>mehr</strong> ziehen sie sich zurück und je weniger lernen sie über ich selbst, über<br />
die eigenen Stärken und Schwächen.
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Astrid Egger<br />
Elternberatung ‐ Sozialpädagogin<br />
Familylab‐Seminarleiterin<br />
Tel. 333.99.36.73.4 <strong>–</strong> astrid.egger@hotmail.com<br />
Abschluss<br />
Das Wichtigste im Zusammensein mit Kindern und Jugendlichen, <strong>ist</strong> also die Art und Weise<br />
wie die Erwachsenen mit ihnen umgehen.<br />
Und man muss sich immer wieder fragen: <strong>ist</strong> meine <strong>Beziehung</strong> zu meinem Kind von<br />
Gleichwürdigkeit getragen, d.h. nehme ich mich mit meinen Grenzen und Bedürfnissen<br />
genauso ernst wie mein Kind?<br />
Weiters <strong>ist</strong> die Frage des Vertrauens zu klären: Vertraue ich meinem Kind, das es das Beste<br />
aus seinem Leben machen wird, was es machen kann?<br />
Zeige ich meinem Kind, dass es für mich wertvoll <strong>ist</strong> und mein Leben bereichert? Kann ich es<br />
genießen und mich an seinem Leben erfreuen?<br />
Interessiere ich mich für die Gedanken und Gefühle meines Kindes ohne ständig zu belehren<br />
und zu kritisieren?<br />
Und zu guter Letzt, bin ich für den Jugendlichen da, <strong>wenn</strong>’s in seinem Leben schwierig<br />
wird?<br />
Es <strong>geht</strong> also gar <strong>nicht</strong> so sehr darum über WAS wir reden, sondern vor allem darum<br />
WIE wir miteinander reden.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
Astrid Egger