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Gesamtes Livebook als PDF - Börsenblatt des deutschen ...

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Buchkunst<br />

1 Theo Neteler<br />

heinrich Vogeler und<br />

rainer maria rilke. ihre<br />

Vor stellungen zur Buch -<br />

gestaltung<br />

Buchhandel<br />

17 Hans Altenhein<br />

der geteilte Buchhandel<br />

1945 bis 1990<br />

27 Hartmut Pätzke<br />

Anmerkungen zum<br />

Antiquariatsbuchhandel in<br />

der ddr<br />

Literatur<br />

39 Karl Klaus Walther<br />

Von der neuen leselust ins<br />

lese land – einige erinnerungen<br />

Theo Neteler<br />

Heinrich Vogeler und<br />

Rainer Maria Rilke.<br />

Ihre Vorstellungen zur<br />

Buchgestaltung<br />

»heute erwiedere [sic] ich diese Karte […] und<br />

gestern standen wir [rilke und seine frau] lange<br />

[… und] dachten herzlich an sie Beide – alles liebe<br />

in alter freundschaft: rainer maria rilke«, schrieb<br />

der dichter am 14. August 1906 auf einer reise aus<br />

Brügge nach Worpswede an das ehepaar Vogeler. 1<br />

sowohl rilke <strong>als</strong> auch Vogeler hielten sich<br />

zum ersten mal in florenz auf, <strong>als</strong> sie sich<br />

mitte April 1898 bei einem herrenabend<br />

auf der dachterrasse der Pension Benoit begeg-<br />

Antiquariat<br />

44 Auch Antiquare haben<br />

Witwen. Zwanzig Jahre<br />

Bekanntschaft mit<br />

emma rosen. Godebert M.<br />

Reiss<br />

Katalogbesprechungen<br />

47 Jürgen Voersters legendäre<br />

e. t. A. hoffmann-sammlung.<br />

Jörg Petzel<br />

48 Briefe aus dem exil. Stephan<br />

Schurr<br />

Katalognotizen<br />

49 neue listen und Kataloge<br />

neue folge 10 (2012) nr. 1<br />

Rezensionen<br />

51 the Kelmscott chaucer.<br />

Hans Eckert<br />

52 Bibliotheken und sammlungen<br />

im exil. Björn Biester<br />

52 Verlagslizenzierungen in der<br />

sowjeti schen Besatzungszone<br />

(1945–1949). Barbara Baerns<br />

Allgemeines<br />

54 nachrichten<br />

56 firmen/Personalien<br />

57 Werner Greve 1952–2011.<br />

Herbert Meinke<br />

58 Impressum<br />

59 Termine<br />

neten, in der rilke während seines Aufenthalts<br />

wohnte. es kam zu keinem richtigen Gespräch;<br />

sie erkundigten sich erst später, wer der andere<br />

war. überraschend entwickelte sich aber nach<br />

dem Zusammentreffen dieser beiden jungen zurückhaltenden,<br />

sensiblen und introvertierten<br />

Künstler, die sich gleichermaßen für die frührenaissance,<br />

besonders sandro Botticelli, begeisterten,<br />

ein Briefwechsel mit der folge, dass<br />

Vogeler rilke Anfang Juli nach Worpswede einlud.<br />

hier hatte der Bremer 1894 eine alte Bauernkate<br />

erworben, die er im laufe der Jahre zum<br />

Künstlertreffpunkt Barkenhoff ausbaute.<br />

ende november besucht jedoch Vogeler zunächst<br />

rilke in Berlin-schmargendorf; er erneuert<br />

die einladung nach Worpswede. rilke kommentiert<br />

am 21. november den Besuch Vogelers<br />

in einem Brief an den schriftsteller hugo salus:<br />

1


Buchkunst<br />

Federzeichnung<br />

von Vogeler<br />

Drachentöter. In:<br />

Deutsche Kunst<br />

und Dekoration,<br />

Rilke-Sonderheft,<br />

April 1902<br />

2<br />

der gestrige sonntag war auch für mich festlich;<br />

unvermutet kam es über meinen einsamen Waldfrieden<br />

[…]: ein willkommenes Buch und ein gernbegrüßter<br />

Gast, fast zugleich. ihre Gedichte und<br />

heinrich Vogeler, ein lieber träumerischer Weggefährte,<br />

mit dem man wohl rasten mag. 2<br />

Am 19. dezember fährt rilke dann nach Bremen,<br />

um heinrich Vogeler – »den mir befreundeten<br />

maler« 3 – zu besuchen und verbringt dort<br />

den 23. und 24. dezember im elternhaus Vogelers,<br />

»einem vornehmen alten Patrizierhaus«. 4<br />

Am 25. dezember fahren beide nach Worpswede.<br />

rilke schreibt: »Am 25. fuhr ich mit<br />

heinrich auf sein kleines landgut nach Worpswede,<br />

in das weiße Giebelhaus an dem jeder<br />

stein in dem jeder stuhl von ihm gezeichnet und<br />

beabsichtigt wurde. in diesem unbeschreiblich<br />

lieben Künstlerheim verging mir der erste feiertag.«<br />

5 Zurück in Berlin sendet er Vogeler seinen<br />

›haussegen‹: »licht sei sein los. / ist der herr<br />

nur das herz und die hand / <strong>des</strong> Bau’s, / mit<br />

den linden im land / Wird auch sein haus /<br />

schattig und groß«. folgende Widmung fügt er<br />

bei: »rainer maria rilke seinem lieben heinrich<br />

Vogeler zum Anfang <strong>des</strong> neuen und <strong>als</strong> Anhang<br />

<strong>des</strong> gut vollendeten Jahres. schmargendorf bei<br />

Berlin, am 29. dec. 1898«. der ›haussegen‹<br />

zierte bald den türbalken <strong>des</strong> Barkenhoffs.<br />

Erste Zusammenarbeit –<br />

Buchschmuck im Geist <strong>des</strong><br />

Jugendstils<br />

ein halbes Jahr später, am 1. Juli 1899, lädt<br />

Vogeler rilke erneut ein:<br />

Jetzt müssten sie einmal auf meinen rosenbehange -<br />

n en Barkenhoff kommen. es warten ein schlafzimmer<br />

chen und ein still abgeschlossenes studierzimmer<br />

ihrer. reizt sie das nicht? Behalten sie<br />

das bitte im Gedächtnis, und wenn sie einmal ruhn<br />

wollen von der Arbeit, so erscheinen sie mir. 6<br />

rilke antwortet nach seiner ersten russlandreise<br />

am 17. Juli aus schmargendorf mit einem Gedicht<br />

über den heiligen Georg, den drachentöter,<br />

mit dem titel: ›Gebet zu sankt Georgs<br />

macht und namen‹. Wieder fügt er eine Widmung<br />

bei: »meinem lieben heinrich Vogeler /<br />

mit einem russischen heiligen«. es existieren<br />

Abbildungen einer federzeichnung von Vogeler<br />

mit dem titel ›der drachentöter‹, das Original<br />

ist verschollen. unklar ist, ob rilke zuerst die<br />

federzeichnung gesehen hat und daraufhin das<br />

Gedicht schrieb oder ob Vogeler die Zeichnung<br />

nach der lektüre <strong>des</strong> Gedichts anfertigte. 7 in<br />

diesem Jahr kam kein Besuch rilkes zustande.<br />

er hatte zwar die Absicht, Vogeler im herbst<br />

1899 erneut zu besuchen, das scheiterte jedoch<br />

am Geld und am Wetter, wie er seiner mutter am<br />

26. september schrieb.<br />

Am 20. november 1899 bedankt sich rilke<br />

für Vogelers Gedichtband ›dir‹, der im insel-<br />

Verlag erschienen ist, ein im sinne <strong>des</strong> Jugendstils<br />

konzipiertes Gesamtkunstwerk, zu dem<br />

Vogeler die Gedichte, die illustrationen, die einbandgestaltung,<br />

den Vorsatz und die schrift beitrug.<br />

rilke bekommt ein handkoloriertes exemplar.<br />

8<br />

ende dezember 1899 kommt im Verlag<br />

Georg heinrich meyer, Berlin, rilkes Gedichtband<br />

›mir zur feier‹ heraus, das erste Buch, das<br />

rilke auch später gelten ließ: eine Zusammenstellung<br />

von Gedichten aus der Zeit bis ende<br />

mai 1898. Gegenüber dem titelblatt heißt es:<br />

»diesem Buch haben bei seiner Veröffentli -<br />

chung viel zudanke gethan: durch schmuck


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

und schönheit: heinrich Vogeler-Worpswede;<br />

durch heimat liche teilnahme: herr Prof. dr.<br />

August sauer-Prag und die ›Gesellschaft zur<br />

förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und<br />

litteratur in Böhmen‹.«<br />

Aufgrund eines druckkostenzuschusses der<br />

Gesellschaft von 400 Gulden war diese Veröffentlichung<br />

möglich. rilke hatte seiner mutter<br />

mitte 1899 geschrieben: »nun kann das Buch<br />

doch vielleicht noch vor 1900 erscheinen geschmückt<br />

mit den Zeichnungen meines lieben<br />

heinrich Vogeler.« 9 einband- und titelseite sind<br />

gleich gestaltet; wie bei seinem Gedichtband<br />

›dir‹ sind titel, Verfassername und Verlag in<br />

l ateinischen Buchstaben handgeschrieben und<br />

von Blumenranken umschlossen. im innern <strong>des</strong><br />

Buches findet man florale Kopf- und schlussleisten,<br />

Vignetten, aber auch kleine auf den text<br />

bezogene illustrierende Zeichnungen: einen<br />

Brunnen, einen heiligen, einen engel, ein<br />

schloss, landschaften usw.<br />

rilke schenkt Vogeler ein exemplar mit der<br />

Widmung: »möchten sie, mein lieber heinrich<br />

Vogeler, dieses Buch immer <strong>als</strong> unsern gemeinsamen<br />

Besitz betrachten und – empfinden. in<br />

viel liebe und dankbarkeit ihr rainer maria<br />

rilke, Jan. 1900.« später hielt heinrich Vogeler<br />

die Gestaltung <strong>des</strong> Buches für verfehlt, da ihm<br />

nur das manuskript und nicht der satz vorgelegen<br />

habe. Wahrscheinlich lag ihm, aus welchen<br />

Gründen auch immer, nicht einmal das vollständige<br />

manuskript vor; denn ein teil <strong>des</strong> Buches<br />

ist gar nicht illustriert. rainer maria rilke<br />

äußerte sich nicht über den Buchschmuck; er<br />

meinte eines tages lediglich zur gewählten farbe<br />

der schrift und der Zeichnung <strong>des</strong> einbands:<br />

»für silber bin ich (nach den erfahrungen mit<br />

›mir zur feier‹) auch nicht; es ist auch beinahe<br />

banal geworden.« 10<br />

dieser Gedichtband rilkes ist das erste Buch<br />

mit weitgehend durchgehendem Buchschmuck. 11<br />

ein Jahr später folgt ein zweites im insel-Verlag:<br />

›Vom lieben Gott und Anderes. An Große für<br />

Kinder erzählt von rainer maria rilke‹. Auch<br />

dies ist im Geiste <strong>des</strong> Jugendstils gestaltet, und<br />

zwar von e. r. Weiß: das titel-Arrangement,<br />

initialen, leisten, Vignetten und sechs Zeichnungen<br />

findet man dort. es erschien aber erst<br />

kurz vor Weihnachten und war rilkes erstes<br />

Buch in diesem Verlag.<br />

Doppeltitel<br />

Vogelers zu Rilkes<br />

Die Heiligen Drei<br />

Könige. In: Die<br />

Insel, März 1900.<br />

3


Buchkunst<br />

Federzeichnung<br />

Vogelers<br />

Verkündigung.<br />

In: Deutsche<br />

Kunst und<br />

Dekoration,<br />

Rilke-Sonderheft,<br />

April 1902.<br />

4<br />

im herbst <strong>des</strong> Jahres 1899 war die bekannte<br />

Zeitschrift ›die insel‹ ins leben gerufen worden.<br />

Auch rilke wurde bald Beiträger. Am<br />

10. dezember 1899 schrieb der schriftsteller<br />

Bierbaum, einer der mitbegründer der Zeitschrift,<br />

an rilke:<br />

mit ihren heiligen drei Königen haben sie uns eine<br />

ganz außerordentliche freude gemacht. es ist ein<br />

entzücken<strong>des</strong> Gedicht, ein Wurf, wie er so nur selten<br />

gelingt. Wir hoffen, dass herr Vogeler ein Blatt dazu<br />

zeichnen wird, wenn wir es bringen. Am liebsten<br />

hätten wir es noch in die Januarnummer gestellt, aber<br />

eben der Gedanke, daß dieses Gedicht herrn Vogeler<br />

zu einem sehr schönen Blatt Anregung geben wird,<br />

läßt es uns vorziehen, lieber bis märz zu warten. 12<br />

Vogeler hatte für das zweite quartal der monatszeitschrift<br />

(Januar / märz 1900) die Gestaltung<br />

übernommen. der rahmenornamentstil der<br />

doppelseitigen Zeichnung, die auf der einen seite<br />

das Gedicht rilkes und auf der anderen eine illustration<br />

einrahmt, ist verwandt mit der rahmenornamentik<br />

<strong>des</strong> doppeltitels, der den quart<strong>als</strong>band<br />

der Zeitschrift eröffnet. die Zeichnung<br />

»gehört zu den reizvollsten Beispielen <strong>des</strong> Buchschmucks<br />

im Jugendstil. stimmungsmäßig paßt<br />

sie ausgezeichnet zu der humorvollen, leicht<br />

ironischen sprache <strong>des</strong> Gedichts und stellt das<br />

vielleicht schönste Beispiel der gelungenen<br />

künstlerischen Zusammenarbeit der beiden<br />

freunde dar«, urteilt richard Pettit. 13 nachdem<br />

Gedicht und Zeichnung erschienen waren,<br />

schrieb rilke an seine mutter: »[...] in der herrlichen<br />

Zeitschrift die ›insel‹ ist ein größeres Gedicht<br />

von mir: ›die heiligen drei Könige‹ mit so<br />

wundbarem Buchschmuck Vogelers erschienen,<br />

– dass ich wünschte, du besäßest dieses<br />

heft.« 14 die Zeichnung ist ein Beispiel dafür,<br />

dass Vogeler Anregungen empfing aus der<br />

dichtkunst seines freun<strong>des</strong>; wie wir sehen werden,<br />

gab es ebenso den umgekehrten Weg.<br />

noch während seiner zweiten russlandreise<br />

erhielt rilke wiederum eine einladung auf den<br />

Barkenhoff. er antwortete mit einer Karte:<br />

»m(ein) l(ieber) h(einrich) V(ogeler) dank für<br />

den Brief. ich bin <strong>als</strong>o über ein kurzes bei ihnen,<br />

und schreibe noch genau: wann. ich komme so<br />

herzlich gern! ihr r. m. r.« 15 Am 11. August<br />

1900 teilte rilke lou Andreas-salomé aus<br />

Petersburg mit: »Vogeler hat sehr lieb geschrieben,<br />

er erwartet mich <strong>als</strong>o. Auch bin ich schon<br />

nöthig für mein schönes Buch. der 1. Bogen<br />

correktur wartet schon.« 16<br />

nach seiner russlandreise fährt rilke am<br />

27. August zu einem längeren Aufenthalt nach<br />

Worpswede. seiner mutter schreibt er: »mein<br />

freund heinrich Vogeler hat mir in seinem<br />

landhaus in Worpswede eine schlafstube und<br />

ein Arbeitszimmer eingerichtet, das ich mit<br />

meinen neuen Arbeiten einweihen will.« 17 rilke<br />

ist von der landschaft Worpswe<strong>des</strong> mit dem<br />

großen weiten himmel und seiner stetigen Veränderung<br />

und dem besonderen licht begeistert.<br />

nicht nur die mitglieder der Künstlerkolonie<br />

lernt er dort kennen, sondern auch andere Gäste<br />

wie den schriftsteller carl hauptmann; er macht<br />

Besuche in der umgebung, aber auch einen<br />

Ausflug nach hamburg und fahrten nach<br />

Bremen, zur Kunsthalle, zur Oper, zum theater.<br />

»ich gebe Gesellschaften« – der hausherr<br />

Vogeler selbst ist zu dieser Zeit häufiger abwesend<br />

–, schreibt rilke am 4. september in sein


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

tagebuch. 18 man trifft sich in der regel am<br />

sonntag im Weißen saal, trägt und liest vor<br />

(meistens rilke), diskutiert, musiziert. Kurze<br />

Zeit erwägt rilke, sich in Worpswede niederzulassen,<br />

doch am 5. Oktober 1900 verlässt er den<br />

Barkenhoff.<br />

über seine ›flucht‹ aus Worpswede schreibt<br />

rilke:<br />

und aus demselben Grunde, um der ruhigen, nüchternen,<br />

täglichen Arbeit nicht zu entfremden, habe<br />

ich in diesen herbsttagen auf einen sehr lieben Plan<br />

verzichtet. ich hatte ein kleines haus in Worpswede<br />

[...] gemietet … es ergab sich aber, daß ich doch von<br />

allen hilfsmenschen und hilfsmitteln, welche meine<br />

Arbeiten (besonders die russischen) brauchen, zu sehr<br />

entfernt wäre und Gefahr liefe, mit dem mühsam er -<br />

rungenen studium alle Zusammenhänge zu verlieren.<br />

dazu kommt, daß Worpswede überstark wirkt; seine<br />

farben und menschen sind gewaltsam groß, reich<br />

und mächtig, über jede andere stimmung zu herrschen.<br />

Aber wenngleich der Aufenthalt dort mich<br />

momentan russischen dingen entzogen hat, ich be -<br />

reue ihn doch nicht, ich denke sogar mit ein wenig<br />

heimweh an mein kleines verlassenes haus und an<br />

die dortigen lieben menschen, denen ich irgendwie<br />

treulos erscheinen muß. 19<br />

nach der rückkehr nach schmargendorf schreibt<br />

er seiner mutter: »heinrich Vogeler ist der Bedeutendste<br />

aus der bekannten malergruppe der<br />

Worpsweder.« 20 erst während dieses Aufenthalts<br />

lernte er die Kunst heinrich Vogelers richtig<br />

kennen. Als besonderen Vertrauensbeweis empfindet<br />

er, dass Vogeler ihm sein skizzenbuch<br />

zeigt (28. August). Zu zwei der skizzen, die<br />

biblische themen beinhalteten, verfasst er<br />

Gedichte: ›Verkündigung über den hirten‹ und<br />

›rast auf der flucht‹. in seinem Vogeler-Aufsatz<br />

schreibt rilke über Vogelers erste ›Verkündigung‹<br />

– es gab später auch eine radierung und<br />

ein Ölgemälde: »die erste und allerschönste<br />

findet sich <strong>als</strong> Bleistiftskizze in einem großen<br />

alten skizzen-Buch, das die stelle eines tage-<br />

Buches vertritt und die erlebnisse der ersten<br />

Worpsweder Zeit zusammenfasst.« und:<br />

»dam<strong>als</strong> zeichnete er diese unvergleichliche<br />

Verkündigung <strong>als</strong> das erste Blatt eines marienlebens.«<br />

21 in dieser Zeit muss der Plan zwischen<br />

beiden erörtert worden sein, eine mappe oder<br />

ein Buch herauszugeben mit Gedichten von<br />

rilke und illustrationen von Vogeler unter dem<br />

titel ›marien-leben‹, auf den Vogeler nach<br />

mehr <strong>als</strong> zehn Jahren zurückkam. Während <strong>des</strong><br />

Worpsweder Aufenthalts schrieb rilke noch<br />

vier weitere Gedichte, die auf andere Bilder<br />

(Ölgemälde) Vogelers zurückgehen: ›das haus‹,<br />

›ritter, Welt und heide‹, ›der Kahn‹, ›Widmung‹.<br />

in einem Brief aus schmargendorf vom<br />

24. november 1900 zeigt sich rilke über einen<br />

erneuten Besuch Vogelers in Berlin erfreut: »ich<br />

freue mich ja so sehr auf dieses Wiedersehen und<br />

lege gern das und jenes beiseit, um ihnen zu gehören<br />

sooft sie nichts anderes vorhaben.« er<br />

unterschreibt seinen Brief mit: »ihren / sie mit<br />

allen Gefühlen der freundschaft erwartenden /<br />

rainer maria rilke.« 22 Vogeler wollte Anfang<br />

dezember eine Ausstellung im Kunstsalon<br />

Keller & reiner vorbereiten, an der er mit<br />

radierungen, Gemälden, möbeln und kunstgewerblichen<br />

Arbeiten beteiligt war. Am 1. de -<br />

z ember waren Gerhart hauptmann (heinrich<br />

Vogeler hatte 1898 eine mappe mit lithografischen<br />

tafeln zu hauptmanns ›die versunkene<br />

Glocke‹ herausgegeben 23 ), heinrich Vogeler und<br />

rilke bei lou Andreas-salomé zu Gast.<br />

rilke fasst die während seines Worpswede-<br />

Aufenthalts und unmittelbar danach entstandenen<br />

Gedichte in einem manuskriptbuch zusammen<br />

(titelblatt und 29 handgeschriebene<br />

Blätter) und schenkt diese sammlung unter dem<br />

titel ›in und nach Worpswede‹ heinrich Vogeler<br />

neben anderen dingen zu seinem 28. Geburtstag<br />

am 12. dezember 1900. im Begleitbrief<br />

schreibt er:<br />

mein lieber heinrich Vogeler, ich kann sie nicht<br />

allein Geburtstag haben lassen ich gebe meinen<br />

wenigen Worten viele Wünsche zu tragen und<br />

schicke die so beladen zu ihnen. [...] ich gedenke<br />

ihrer in jener freundschaftlichen und dankbaren<br />

Gesinnung, welche ich ihnen immer bewahren<br />

werde und von welcher ich wünsche, dass sie sich<br />

manchmal ihrer erinnern um sie zu gebrauchen <strong>als</strong><br />

ihren täglichen Besitz! 24<br />

Auf rilkes entschluss, die Bildhauerin clara<br />

Westhoff im April 1901 zu heiraten und nach<br />

Westerwede in der nähe Worpswe<strong>des</strong> zu ziehen<br />

5


Buchkunst<br />

6<br />

und sich dort in einem Bauernhaus mit hilfe<br />

heinrich Vogelers wohnlich einzurichten, kann<br />

hier nicht näher eingegangen werden, ebenso<br />

nicht auf die trennung <strong>des</strong> ehepaars, die Auflösung<br />

<strong>des</strong> gemeinsamen haushalts und die übersiedlung<br />

nach Paris. 25<br />

Rilke ändert seine Auffassung,<br />

wie seine Bücher gestaltet werden<br />

sollen<br />

ende september 1901 schreibt rilke aus Westerwede<br />

an Axel Juncker, einen dänen, der in Berlin<br />

zunächst eine Buchhandlung, dann auch einen<br />

Verlag betrieb:<br />

heinrich Vogeler war gerade bei mir […] heinrich<br />

Vogeler ist nun in einer reichen und schönen entfaltungsperiode,<br />

die einige unglaublich feine Zeichnungen,<br />

die er später <strong>als</strong> Buch herauszugeben gedenkt,<br />

gezeitigt hat […] der styl und die Art seiner Zeichnungen<br />

(denn man kennt ihn noch kaum von dieser<br />

seite) wird zuerst bei einem Gedichtbuch von frau<br />

forbes-mosse, das sehr bald bei schuster u. loeffler<br />

erscheint, dem Publikum sichtbar werden. dort ist<br />

jeder strich reife und sommer. sie werden sehen! 26<br />

der Band ›mezzavoce‹ enthält keinerlei Zierrat;<br />

abgesehen von der Gestaltung <strong>des</strong> einban<strong>des</strong><br />

und der titelseite hat Vogeler für das Buch fünf<br />

ganzseitige Zeichnungen, eine halbseitige und<br />

eine schlussvignette angefertigt. die früher häufig<br />

benutzten rahmungen mit eigenem inhalt<br />

sind jetzt leichten floralen oder linearen rahmungen<br />

gewichen, zwei mal hat er ganz auf sie<br />

verzichtet.<br />

Während rilke offensichtlich bei anderen<br />

Autoren die illustrierung von Büchern weiterhin<br />

gelten lässt, beginnt er im hinblick auf seine<br />

Bücher neue Gestaltungswege zu gehen. deutlich<br />

wird das bei den Verhandlungen, die er ende<br />

1901 mit Axel Juncker beginnt, der nun sein<br />

hauptansprechpartner wird und der bereit ist,<br />

auf seine Gestaltungsvorstellungen einzugehen.<br />

An zwei Beispielen, einem Prosa- und einem<br />

lyrikband – beide erschienen 1902 –, soll das<br />

verdeutlicht werden.<br />

im schon erwähnten Brief fragt rilke bei<br />

Juncker an, ob er bereit sei, ein kleines Buch mit<br />

drei novellen (›im Gespräch‹, ›der liebende‹,<br />

›die letzten‹) von ihm zu verlegen unter dem<br />

titel ›die letzten‹. im nächsten Brief ›akzeptiert‹<br />

er die Bedingungen Junckers und schreibt:<br />

die Ausstattung überlasse ich gern ihrem ermessen,<br />

da ich das beste Vertrauen zu ihrem künstlerischen<br />

Gefühl rege; doch wollen sie mir den Vorschlag ge -<br />

statten, möglichst keine umschlagzeichnung zu verwenden,<br />

sondern größte einfachheit zum Gesetz<br />

zu machen. […] umschlagzeichnungen sind jetzt,<br />

wo so unendlich viel unbuchmäßiges in dieser Art<br />

ge leistet wird und fast kein Buch ohne derartigen<br />

›schmuck‹ erscheint, eine Gefahr. sie geben dem<br />

Buch etwas zeitliches, versehen es mit der marke<br />

einer bestimmten mode, die sehr bald vergangen<br />

sein wird. 27<br />

entgegen der Aussage <strong>des</strong> ersten zitierten satzes<br />

meldet rilke in diesem Brief zusätzliche Ausstattungswünsche<br />

an, zunächst im hinblick auf<br />

das Papier (»weiße imit. Bütte«), die typografie<br />

(»sehr einfache drucktype still und gleichmäßig«)<br />

und den einband (»einfache cartonierung«,<br />

»ohne schild einfach mit aufgedrucktem<br />

titel«). in einem weiteren Brief (2. Oktober<br />

1901) geht es um das format, die Anordnung<br />

und das Aussehen <strong>des</strong> titelblattes, das überzugpapier,<br />

den Verzicht auf ein rückenschild,<br />

die druckfarben, um den satzspiegel, die reihenfolge<br />

der novellen und den Wunsch nach<br />

druckproben. darüber hinaus spricht er im<br />

Zusammenhang mit den druckproben weitere<br />

details an. Anfang november heißt es dann:<br />

und nun noch eine sache, die ich für sehr wichtig<br />

halte. ich bitte sie dringend noch um eines, keine<br />

Verlagsankündigungen hinten in den ›letzten‹ anzubringen.<br />

das ist die größte Gefahr für ein stilles<br />

intimes Buch, daß es hinten, hinter allem, journalistisch<br />

und laut ausgeht, <strong>als</strong> ob hinter einem ernsten<br />

und leisen dramenakt ein Vorhang mit Plakaten<br />

(wie er in tingl-tangls manchmal gebräuchlich ist)<br />

niederfiele … Als ob in einer Kapelle Plakate hingen,<br />

… <strong>als</strong> ob ein lieber Besuch, mit dem wir eine stunde<br />

guten Gespräches verbracht, sich plötzlich wie ein<br />

handlungsreisender benähme und ein musterbuch<br />

aus der tasche zöge. 28<br />

Zahlreiche weitere hinweise zur Ausführung,<br />

z. B. zum Vorsatz, machen offenkundig, dass<br />

rilke das erscheinungsbild seiner Bücher nun


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

selbst bestimmt. Auch ein anderer Brief an Axel<br />

Juncker verdeutlicht, wie klar die Vorstellungen<br />

sind, die rilke nun im hinblick auf die Gestaltung<br />

seiner Bücher hat:<br />

im ›Versacrum‹ [sic] ist mir ein heft gewidmet. heft<br />

21; haben sie es gesehen? es enthält drei dichtungen<br />

aus einem größeren Zusammenhang ›spiele‹. ich hätte<br />

es ihnen gern geschickt, aber der Buchschmuck ist so<br />

häßlich und das lesen <strong>des</strong> textes erschwerend, so<br />

sehr im Auswuchsstyle der wiener sezession, daß ich<br />

es ihnen nicht zumuthen darf. fünf Künstler haben<br />

an der ›Ausschmückung‹ dieses heftes recht rücksichtslos<br />

gearbeitet und es ist ein stark versalzener<br />

Brei herausgekommen. 29<br />

Obwohl rilke sehr zufrieden damit ist, wie<br />

Juncker auf seine Vorstellungen eingeht, bietet<br />

er seinen nächsten Gedichtband ›Buch der<br />

Bilder‹ am 12. Oktober 1901 Otto Julius Bierbaum<br />

für den insel-Verlag mit der Anmerkung<br />

an: »die Ausstattung denke ich mir ganz ohne<br />

Buchschmuck, groß, ernst, einfach.« 30 da Bierbaum<br />

im insel-Verlag nicht mehr zuständig war<br />

und sich das Projekt hinzieht, wendet sich rilke<br />

wieder an Juncker; erneut werden detaillierte<br />

Vorstellungen zur Ausstattung und zum druck<br />

<strong>des</strong> Buches entwickelt. Anfang dezember 1901<br />

schreibt rilke:<br />

An unser Gedichtbuch ›das Buch der Bilder‹ denke<br />

ich viel und habe Pläne, die sich mit den ihren, wie<br />

ich merke in manchem Punkte berühren. es wird ein<br />

sehr schönes Buch werden und ich habe mich noch<br />

auf keines so gefreut. es ist besser, wenn ich ihnen<br />

meinen Plan bezüglich dieses Buches, den ich auch<br />

mit h. Vogeler noch besprechen will, erst mittheile,<br />

bis die Wirrnis <strong>des</strong> Weihnachtsmarktes an ihnen vorübergezogen<br />

ist. Wir kommen dann darauf ausführlich<br />

zurück und gehen mit dem neuen Jahr an die<br />

neue Arbeit. 31<br />

Aberm<strong>als</strong> werden in zahlreichen Briefen themen<br />

zur Gestaltung erörtert. Angesprochen wird die<br />

Wahl <strong>des</strong> Papiers, der schrift, fragen <strong>des</strong> formats,<br />

<strong>des</strong> Bindens usw. der zentrale Punkt bei<br />

diesem Gedichtband ist die schrift:<br />

ich aber lege darauf gerade die Betonung, daß<br />

Gedichte in einer großen monumentalen, jeden<br />

Buchstaben klar für sich setzenden schrift gedruckt<br />

werden; […] das charakteristische von Versen [wird]<br />

am besten ausgedrückt durch das stehen, monumentalwerden<br />

auch der kleinsten Worte. es giebt nichts<br />

unwichtiges, nichts unfestliches da. Je<strong>des</strong> Wort, das<br />

mitgehen darf im triumpfzug <strong>des</strong> Verses, muß<br />

schreiten und das Kleinste darf dem größten nicht<br />

nachstehen an äußerer Würde und schönheit. 32<br />

im Brief rilkes an Juncker vom 6. februar 1902<br />

werden detaillierte Anweisungen und Wünsche<br />

zur Gestaltung <strong>des</strong> umschlags, zum einband-<br />

und Vorsatzpapier und zum satz gemacht;<br />

außerdem heißt es:<br />

da auch hier wieder das Prinzip, von welchem ich<br />

ihnen schon einmal gesprochen habe, eingehalten<br />

werden soll, – die äußere seite möglichst einfach und<br />

schmucklos zu halten. dagegen hat Vogeler für das<br />

innere titelblatt eine wunderschöne Vignette<br />

ge zeichnet, die für dieses und (in entsprechender<br />

Größe) für alle meine künftigen Bücher gelten soll.<br />

ich habe schon clichés in zwei Größen herstellen<br />

lassen, um ihnen ehestens Probedrucke senden zu<br />

können. die Anordnung dieses titelblattes (<strong>des</strong><br />

inneren, weißen <strong>als</strong>o) wäre dann etwa diese:<br />

[es folgt eine skizze]<br />

Außer dieser sehr schönen Vignette, die weniger<br />

Buchschmuck, <strong>als</strong> vielmehr eine Art Buchmarke sein<br />

soll, und nach meiner Angabe entstanden ist, kommt<br />

kein Buchschmuck vor. Größte einfachheit! die<br />

große type, gutes Papier. 33<br />

Auf Vorgaben rilkes hin <strong>als</strong>o hatte Vogeler<br />

einen springbrunnen für die titelseite der erstausgabe<br />

gezeichnet: ein mehrstrahliger Brunnen<br />

wird von Bäumen und rankenden rosenstöcken<br />

symmetrisch eingerahmt. in mehreren Gedichten<br />

(z. B. ›Von den fontänen‹, 1900; ›römische<br />

fontäne‹, 1906) rilkes taucht eine fontäne auf,<br />

Vignette Vogelers.<br />

In: Rilke, Buch<br />

der Bilder, 1902<br />

7


Buchkunst<br />

8<br />

sie ist eines seiner Grundsymbole. die Zeichnung<br />

Vogelers wurde von rilke einige Jahre<br />

nicht wie beabsichtigt <strong>als</strong> Buchmarke, sondern<br />

während der Westerweder Zeit und zu Beginn<br />

der Pariser Jahre <strong>als</strong> Briefkopf verwendet.<br />

in der dem zitierten Brief folgenden Korrespondenz<br />

gibt es weitere hinweise, einzelfragen<br />

und Korrekturen zum ›Buch der Bilder‹.<br />

rilke schrieb in das exemplar, das er Vogeler<br />

schenkte, die Widmung: »meinem lieben<br />

heinrich Vogeler, seiner frau, seinem hause<br />

voll dankbarer freundschaft: rainer maria<br />

rilke. Westerwede, im Juli 1902.« interessant<br />

ist, dass rilke parallel zu den überlegungen zur<br />

Gestaltung <strong>des</strong> Gedichtban<strong>des</strong> gegenüber Axel<br />

Juncker wiederum eine Bemerkung zur buchgestalterischen<br />

Arbeit heinrich Vogelers macht:<br />

schaukal bringt sein ›Pierrot und colombine‹, von<br />

heinrich Vogeler geschmückt, heraus, ein, wie es<br />

scheint, äußerst graziöses Buch! haben sie sich die<br />

Zeichnungen heinrich Vogelers in dem Buche<br />

mezzavoce von irene forbes-mosse angesehen?<br />

da ist ein ganz besonders feines phantastisches Blatt<br />

darunter, das Vogelers neue, auf das zeichnerische<br />

geleitete entwicklung, wohl zu loben vermag. 34<br />

überraschenderweise stellt rilke, <strong>als</strong> die zweite<br />

Auflage <strong>des</strong> Gedichtban<strong>des</strong> ›Buch der Bilder‹<br />

geplant wird, in einem Brief aus Paris vom<br />

25. november 1905 die überlegung an, für die<br />

zweite Auflage Vogeler um initialen zu bitten. 35<br />

doch etwas später äußert er: »so wenig meine<br />

Verse ein Ausdruck <strong>des</strong>sen sind, was man jetzt<br />

›modern‹ nennt, sowenig soll das äußere Aussehen<br />

meiner Bücher von dieser Zeitstimmung<br />

geprägt sein.« 36 die zweite, sehr vermehrte Auflage<br />

<strong>des</strong> Buches – 37 neue Gedichte – erschien<br />

erst im dezember 1906. Auf die initialen wurde<br />

verzichtet; selbst die Vignette Vogelers findet<br />

man nicht mehr. Weihnachten 1906 kommentiert<br />

rilke das erscheinungsbild der neuen Auflage<br />

aus capri:<br />

Besonders das B. d. B. hat mich überrascht durch<br />

die einfach ernste und überzeugende Wirkung, die<br />

auf das natürlichste von ihm ausgeht. die Wahl der<br />

schrift, <strong>des</strong> formates, die Anordnung: alles stellt<br />

sich <strong>als</strong> im besten sinne zweckmäßig heraus, ja, zu<br />

meiner freude, gibt sich manches der Gedichte<br />

noch besser <strong>als</strong> in der ersten Ausgabe; der fortfall<br />

der ästhetischen Prätension [wohl: Prätention] ist<br />

sehr nützlich: er läßt die Gedichte nun so ganz durch<br />

sich wirken. 37<br />

Wie man all diesen Vorgängen entnehmen kann,<br />

begann rilke sich im hinblick auf die Gestaltung<br />

seiner eigenen Bücher schon 1901 /02 von<br />

den Vorstellungen <strong>des</strong> Jugendstils, die sowohl<br />

ihn <strong>als</strong> auch Vogeler zunächst geprägt hatten, zu<br />

lösen. er legte allerdings nicht die gleichen maßstäbe<br />

bei Büchern anderer an. Bei Vogeler setzte<br />

die krisenhafte Auseinandersetzung mit diesen<br />

Auffassungen erst einige Jahre später ein.<br />

Rilkes Aufsatz über Vogeler<br />

und das Vogeler-Kapitel in seinem<br />

Worpswede-Buch<br />

im Januar <strong>des</strong> Jahres 1902 schrieb rilke über<br />

heinrich Vogeler in Westerwede einen Aufsatz,<br />

der im April <strong>als</strong> sonderheft der Zeitschrift<br />

›deutsche Kunst und dekoration‹ erschien.<br />

rilke versucht darin eine neue sicht auf den<br />

Künstler Vogeler zu eröffnen, auf die hier nicht<br />

weiter eingegangen werden soll. Abgebildet sind<br />

zur Veranschaulichung schwerpunktmäßig federzeichnungen,<br />

Gemälde und kunsthandwerkliche<br />

Arbeiten. merkwürdigerweise kommt die<br />

Buchgestaltung Vogelers thematisch nicht vor,<br />

von einer kurzen erwähnung der fantastischen<br />

Vögel in der Zeitschrift ›die insel‹ abgesehen.<br />

rilke schrieb an harry Graf Kessler, der ihm<br />

seine hochachtung für den Aufsatz ausgedrückt<br />

hatte: »[er] war mir eine besonders freudige<br />

Aufgabe, und wenn er gelungen ist, so ist das<br />

wieder ein Beweis für die tatsache, dass je größer<br />

die liebe, <strong>des</strong>to größer auch Gerechtigkeit<br />

und einsicht: liebe macht nicht blind, sondern<br />

sehend!« 38<br />

schon während der Arbeit am Aufsatz beginnen<br />

die Vorbereitungen zu der monografie<br />

›Worpswede‹, eine Auftragsarbeit für die reihe<br />

der Künstler-monografien <strong>des</strong> Verlags Velhagen<br />

& Klasing, verschafft durch den direktor der


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

Kunsthalle Bremen, Gustav Pauli. Besprochen<br />

werden die fünf Gründungsmitglieder der<br />

›Worpsweder Künstlervereinigung‹: fritz<br />

mackensen, Otto modersohn, fritz Overbeck,<br />

hans am ende und heinrich Vogeler. ende mai<br />

ist das Buch fast abgeschlossen. in einem Brief<br />

an den maler Oskar Zwintscher schreibt rilke:<br />

»ich habe die letzten zwanzig tage (und nächte)<br />

größtenteils über meiner monographie verbracht,<br />

die jetzt endlich so gut wie fertig ist.« 39<br />

das erscheinen <strong>des</strong> Buches verzögert sich bis<br />

februar 1903. Auch hier soll auf die einordnung<br />

und Bewertung der Worpsweder Künstler und<br />

rilkes damalige Kunstauffassung nicht weiter<br />

eingegangen werden. Ohnehin ist auf rilkes<br />

dort geäußerte einschätzung der eingrenzung<br />

und Beschränkung der Vogelerschen Welt schon<br />

häufiger Bezug genommen worden. für den angesprochenen<br />

Zusammenhang ist wichtig, dass<br />

im Gegensatz zum erwähnten Aufsatz in dem<br />

Vogeler-Kapitel <strong>des</strong> Buches <strong>des</strong>sen buchkünstlerische<br />

Arbeit wenigstens kurz gestreift wird:<br />

es ist eine nebenerscheinung dieser eigentümlichen<br />

entwickelung heinrich Vogelers, daß sie ihn ganz<br />

besonders befähigt hat, Bücher zu schmücken. seine<br />

Absichten gehen schon lange (seitdem er sich mit<br />

einigen guten ex libris […] dem Wesen <strong>des</strong> Buches<br />

genähert hat) nach dieser seite hin, aber erst jetzt, da<br />

sein linienstil diese durchbildung erreicht hat, wird<br />

er im stande sein, ganz Glückliches in dieser richtung<br />

zu leisten. einige titelblätter in der insel, die<br />

Ausstattung eines kleinen Ban<strong>des</strong> Bierbaumscher<br />

Gedichte und der wundervolle schmuck, mit dem<br />

er das drama ›der Kaiser und die hexe‹ von hugo<br />

von hofmannsthal umgeben hat, bestätigen, daß<br />

seine ruhig und geschlossen wirkende und doch<br />

innerlich so reiche linienkunst wie keine geeignet<br />

ist, neben dem Gange edler lettern wie ein Gesang<br />

herzugehen. 40<br />

dass die Beschäftigung Vogelers mit Buchschmuck<br />

und Buchillustration keine, wie rilke<br />

es nennt, »nebenerscheinung« seiner künstlerischen<br />

laufbahn war, zeigt unter anderem<br />

Vogelers Klage während einer romreise 1903.<br />

dem damaligen leiter <strong>des</strong> insel-Verlags berichtet<br />

er, dass »er jeden tag gegen Abend« seinen<br />

»obligatorischen Krampf in der hand bekomme«.<br />

41 in den sechs Jahren von 1900 bis<br />

ende 1905 hat heinrich Vogeler circa 80 Bücher<br />

mehr oder weniger umfangreich illustriert, von<br />

Zeitschriften und seinen mit Buchzierrat versehenen<br />

Büchern ganz abgesehen. einer der höhepunkte<br />

der buchkünstlerischen tätigkeit Vogelers<br />

lag zur Zeit der Abfassung <strong>des</strong> Worpswede-<br />

Buches noch vor ihm: die beiden Ausgaben der<br />

erzählungen von Oscar Wilde ›das Granatapfelhaus‹<br />

(1904) und ›das Gespenst von<br />

canterville und fünf andere erzählungen‹<br />

(1905), erschienen im insel-Verlag. carl ernst<br />

Poeschel, einer der renommiertesten drucker<br />

dieser Zeit, der während der letzten Krankheitsphase<br />

<strong>des</strong> insel-Geschäftsführers rudolf von<br />

Poellnitz und nach <strong>des</strong>sen tod (februar 1905)<br />

zunächst allein, dann mit Anton Kippenberg die<br />

Verlagsleitung <strong>des</strong> insel-Verlags vorübergehend<br />

gemeinsam übernommen hatte, 42 äußerte sich<br />

begeistert: »die Zeichnungen sind nicht nur<br />

wohl gelungen, sondern sie gehören zum teil<br />

zum Besten, was sie <strong>als</strong> Buchkünstler geschaffen<br />

haben.« 43 Anton Kippenberg fasste später die<br />

beiden Bücher mit den Zeichnungen Vogelers in<br />

einem Band (Oscar Wilde: die erzählungen und<br />

märchen, leipzig 1910) zusammen. es wurde<br />

eines der erfolgreichsten Bücher <strong>des</strong> frühen<br />

insel-Verlags.<br />

Titelseite <strong>des</strong><br />

Rilke-<br />

Sonderheftes<br />

Deutsche Kunst<br />

und Dekoration,<br />

Heinrich Vogeler,<br />

April 1902<br />

9


Buchkunst<br />

10<br />

Unterschiedliche Auffassungen<br />

von Künstlerdasein und Lebensgestaltung<br />

Am 27. August 1902 reist rilke von Westerwede<br />

nach Paris; er will dort eine monografie über<br />

rodin im Auftrag <strong>des</strong> Professors der Kunstgeschichte<br />

richard muther schreiben. sie soll in<br />

der von muther herausgegebenen illustrierten<br />

reihe ›die Kunst‹ – Verlag Bard, marquardt &<br />

co. – in Berlin erscheinen, was auch im folgenden<br />

Jahr geschieht. rilke schreibt nach seiner<br />

Abreise am 17. september 1902 an Vogeler:<br />

ich fürchtete diesen Abschied. […] man nimmt nicht<br />

gern Abschied, wenn man nicht weiß, wohin man<br />

geht … […] Gott, sie wissen ja, was das mit uns ge -<br />

worden ist, sie sehen wie alles, was wir versucht<br />

haben, misslungen ist. sie haben es nahe an uns, fast<br />

mit uns erlebt und so muss ich ihnen gar nicht sagen,<br />

wie lieb, gut und wichtig alles hilfreiche ist, was sie<br />

jetzt thun. Bitte, bitte […] helfen sie ihr [clara] mit<br />

ihrem dasein uns Beistehen […] sie wollen ihr<br />

liebes haus mit unseren lieben sachen beladen:<br />

es ist unbescheiden, dass wir das annehmen, liebe<br />

Vogelers: Wir thun es doch. […] es ist ein großer<br />

trost, dass sie den dingen Obdach geben wollen.<br />

[…] ich danke ihnen sehr, sehr!<br />

und er fährt fort:<br />

Paris? Paris ist schwer. eine Galeere. ich kann nicht<br />

sagen, wie unsympathisch mir alles hier ist, nicht<br />

beschreiben, mit welcher instinktiven Ablehnung ich<br />

hier herumgehe! 44<br />

im Oktober folgt ihm clara nach Paris, die<br />

tochter ruth bleibt bei den Großeltern. Vogeler<br />

hilft bei der Auflösung <strong>des</strong> haushalts in Westerwede.<br />

rilkes Versuch, <strong>als</strong> Künstler eine bürgerliche<br />

existenz mit frau und Kind aufzubauen,<br />

hatte sich für ihn <strong>als</strong> irrweg erwiesen. sein Aufenthalt<br />

in Paris, die Begegnung mit rodin, auch<br />

der Beginn <strong>des</strong> romans ›die Aufzeichnungen<br />

<strong>des</strong> malte laurids Brigge‹ bestärken ihn in der<br />

überzeugung, dass er seinen Weg <strong>als</strong> Künstler<br />

allein gehen müsse. diese einsicht führt bei<br />

rilke ebenso zu einer veränderten Beurteilung<br />

<strong>des</strong> freun<strong>des</strong> Vogeler. <strong>des</strong>sen Versuch, an der<br />

Vorstellung festzuhalten, Kunst und leben im<br />

sinne <strong>des</strong> Jugendstils zu vereinigen, wird von<br />

rilke aufgrund seiner veränderten Auffassung<br />

vom angemessenen Künstlerdasein nun <strong>als</strong> irrweg<br />

gesehen. Zu diesem thema schrieb rilke<br />

etliche Jahre später an sidonie náderný: »daß<br />

Kunst-Arbeit und leben irgendwo ein entweder-Oder<br />

ist, entdeckt ja jeder zu seiner<br />

Zeit.« 45 rilke glaubte, Vogeler sei vom richtigen<br />

Weg abgekommen, er vernachlässige die Kunst,<br />

verwende mehr Zeit und Kraft auf das leben,<br />

die familie, haus und Garten.<br />

dass Vogeler in seiner Kunst bald ebenfalls in<br />

einer Krise war, dass gleichfalls seine ehe scheiterte,<br />

liegt auf einer anderen ebene. erstaunlich<br />

ist der tatbestand, dass rilke dies einfühlsam<br />

vorausahnte. der regelmäßige freundschaftliche<br />

Briefwechsel zwischen beiden geht während der<br />

Pariser Zeit weiter, auch <strong>als</strong> das ehepaar Vogeler<br />

eine italien-reise unternimmt. das zeigt unter<br />

anderem ein Briefausschnitt aus dem Jahre 1903:<br />

mein lieber heinrich Vogeler, ich werde lange <strong>des</strong><br />

tages gedenken, der uns ihren Brief aus florenz<br />

gebracht hat; es kann sein, dass wir diesen fünfzehnten<br />

märz überhaupt nicht vergessen werden.<br />

soviel Wohlthun haben sie mit ihren liebevollen<br />

Worten über uns gebreitet und gerade in dem<br />

Augenblick, da wir wohlthun und hilfe brauchten<br />

wie Brot. Wir waren beide so muthlos und so müde<br />

(ich – seit Wochen im Bann einer influenza, immer<br />

fast krank –) und da kamen sie, lieber, und zeigten<br />

uns Wege aus unserem Kleinmuth und machten uns<br />

die Welt wieder weit. Wir gingen dann den ganzen<br />

tag mit ihrem Briefe umher und lasen ihn immer<br />

wieder. 46<br />

diese freundschaft ist der hintergrund, dass<br />

Vogelers Barkenhoff im sommer 1903 von rilke<br />

<strong>als</strong> rettungsanker und erholungsmöglichkeit<br />

aus dem heißen Paris gesehen wird und ihn und<br />

clara zurück nach Worpswede lockt. Am<br />

13. Juli 1903 schreibt rilke an ellen Key:<br />

Paris wurde so drückend in den heißen tagen, dass<br />

wir uns rasch entschlossen, einem freunde (dem<br />

maler heinrich Vogeler) zu folgen, der uns her in<br />

sein stilles haus lud, nach Worpswede. die ruhe<br />

hier und die Weite ist unendliches Wohlthun nach<br />

Paris; hier wollen wir nun 6 – 8 Wochen wohnen und<br />

ausruhen. 47


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

in einem Brief an seine mutter wird noch ein<br />

weiterer Grund für den Aufenthalt im Barkenhoff<br />

genannt: »heinrich Vogeler hat uns eingeladen<br />

dort für zwei monate seine Gäste zu sein.<br />

[…] zwei monate so gut wie umsonst zu leben,<br />

ist jetzt für uns das Wichtigste.« 48 später schreibt<br />

er: »Wir sind hier in Worpswede von heinrich<br />

Vogeler sehr gut aufgenommen worden und fangen<br />

an, uns ein wenig zu erholen.« 49 doch zwei<br />

tage zuvor hatte er lou Andreas-salomé mit geteilt:<br />

»Aber so still wie einst ist es nicht mehr auf<br />

dem Barkenhoff. Vogelers blonde frau wartet<br />

auf ihre zweite niederkunft und im Garten<br />

zwitschert die blasse kleine marie-luise Vogeler,<br />

die so alt ist wie ruth, aber viel zarter und<br />

kränklicher <strong>als</strong> sie.« 50 die Geburt der zweiten<br />

tochter erfolgte am 4. August.<br />

in einem ein paar tage später geschriebenen<br />

Brief werden der Wandel der inneren einstellung<br />

zu Vogeler und die begonnene entfremdung<br />

deutlich:<br />

Bei Vogelers ist wieder ein ganz kleines Kind, ein<br />

mädchen; und es wird einen altmodischen blassen<br />

namen haben, helene Bettina, und, wenn es sich<br />

nicht wehrt, wird es aufwachsen zu einem leben,<br />

das längst vergangen sein könnte. und es wird<br />

immer kleiner um heinrich Vogeler, sein haus zieht<br />

sich um ihn zusammen und füllt sich mit Alltag aus,<br />

mit Zufriedenheit, mit conventionen und mit trägheiten,<br />

so daß nichts unerwartetes mehr geschieht<br />

[…] und heinrich Vogelers Kunst wird unsicher,<br />

verliert immer mehr an Anschauung und sicherheit<br />

und ist ganz auf den Zufall einer spielerischen erfindung<br />

gestellt die sich von den dingen entfernt. […]<br />

heinrich Vogeler brauchte ein festes, stetes haus;<br />

aber jetzt, da es eigentlich voll und fertig ist [,] wächst<br />

es weiter in den Alltag hinein; und er empfindet<br />

nicht, daß es schwer wird. 51<br />

Wohl auch die enttäuschung, dass die sehnsucht<br />

nach ruhe und einem sorgenfreien Aufenthalt<br />

nicht in erfüllung gehen konnten, spielte bei<br />

diesen formulierungen mit. rilke fühlt sich angekommen<br />

in der rolle <strong>als</strong> einsamer Künstler<br />

ohne haus und ohne Bindung, nur seinem Werk<br />

verpflichtet. darüber hinaus wird der einfluss<br />

der Arbeitsauffassung rodins (»il faut travailler,<br />

rien que travailler«) ihn darin bestärkt haben.<br />

rilke kommt in den nächsten Jahren nach<br />

dem sommer von 1903 mehrfach nach Worps-<br />

wede – abgesehen von Besuchen in Oberneuland,<br />

um seine tochter zu sehen –, z. B. ende<br />

1904 bis ende februar 1905. Auch von Ostern<br />

1905 (23./24. April) bis zum 12. Juni 1905 hält er<br />

sich in Worpswede auf. seine frau hatte ihr Atelier<br />

in Oberneuland aufgegeben und nun eins in<br />

Worpswede in der hoffnung gemietet, dort<br />

schülerinnen zu finden. Bei diesem Aufenthalt<br />

besucht rilke Vogeler, um sich mit ihm wegen<br />

<strong>des</strong> ›stundenbuchs‹ zu beraten. 52<br />

Am 18. dezember 1905 reist rilke von frankreich<br />

über Brüssel erneut nach Worpswede, um<br />

clara zu besuchen. clara arbeitet zu diesem<br />

Zeitpunkt an einem leider verschollenen ton-<br />

oder Gipsmodell von ruth. Am 5. Januar 1906<br />

geht es zurück zu rodin nach meudon. Während<br />

einer Vortragsreise (rodin) im märz 1906<br />

hält sich rilke nur kurz in Worpswede auf, da er<br />

wegen <strong>des</strong> to<strong>des</strong> seines Vaters nach Prag weiterreisen<br />

muss. im Oktober 1906 sind Vogelers in<br />

Paris; doch konnten sie rilke nicht treffen, denn<br />

er war in dieser Zeit in Berlin.<br />

Von Anfang dezember 1907 bis zum<br />

18. februar 1908 befindet rilke sich in Oberneuland.<br />

Ob er bei dieser Gelegenheit auch im<br />

Barkenhoff war, ist unklar. Anlass für den Aufenthalt<br />

war der tod Paula modersohn-Beckers<br />

am 20. november 1907, der ihn sehr getroffen<br />

hatte. 53 Knapp ein Jahr später schreibt er für sie<br />

sein ›requiem. für eine freundin‹. Vom 9. Juli<br />

bis 10. August 1910 ist rilke zum letzten mal<br />

bei frau und tochter in Oberneuland. Am<br />

3. August besucht er von dort aus die familie<br />

Vogeler in Worpswede. er schenkt frau Vogeler<br />

seinen ›malte‹ mit der Widmung: »frau martha<br />

Vogeler herzlich und freundschaftlich beim<br />

Wiedersehn nach lange. Worpswede, am<br />

3. August 1910. rmr.« 54 es ist der letzte Barken -<br />

hoff-Besuch.<br />

Während seines Paris-Aufenthalts von 1911<br />

besucht Vogeler häufig den louvre, um unter<br />

anderem die Kunst der Ägypter und Babylonier<br />

zu studieren. er sieht rilke bei diesem Aufenthalt<br />

ein paar mal. seiner mutter schreibt rilke:<br />

»mein alter freund heinrich Vogeler aus<br />

Worpswede ist jetzt hier mit seiner frau, da er<br />

11


Buchkunst<br />

12<br />

Paris nur wenig kennt, musste ich mich ihm<br />

mehrfach widmen.« 55<br />

die unterschiedliche Auffassung vom Künstlerdasein<br />

und der angemessenen lebensgestaltung<br />

führte, wie wir festhalten können, zur allmählich<br />

fortschreitenden distanz der freunde,<br />

ihre Wege gingen mehr und mehr auseinander.<br />

Beide hielten jedoch an ihrer freundschaft fest.<br />

Neuer Umgang Rilkes in der<br />

Frage der Buchgestaltung durch<br />

die Zusammenarbeit mit dem<br />

Insel-Verlag<br />

durch die verstärkte, bald fast ausschließliche<br />

Zusammenarbeit mit dem insel-Verlag ändert<br />

sich rilkes Verhalten in der frage der Buchgestaltung<br />

erheblich. das zeigt sich schon bei<br />

der zweiten Auflage (1904) von ›Vom lieben<br />

Gott und Anderes‹. die initiativen gehen nun<br />

stärker vom Verlag aus <strong>als</strong> vom Autor. Auf Vorschlag<br />

<strong>des</strong> Verlagsleiters rudolf von Poellnitz 56<br />

wird nun der »eigentlich alte titel« ›Geschichten<br />

vom lieben Gott‹ genommen, der untertitel<br />

wird gestrichen. in einem Brief an ellen Key<br />

teilt rilke mit: »der insel-Verlag will die alte,<br />

unhandliche und unschöne Ausgabe <strong>des</strong> ›lieben-<br />

Gott-Buches‹ (die mir immer unlieb war) einstampfen,<br />

und eine neue, schöne Ausgabe davon<br />

drucken; ganz plötzlich kam dieser entschluss<br />

und mir zu grosser freude.« 57<br />

Bezeichnenderweise entfiel der Buchschmuck<br />

von e. r. Weiß völlig.<br />

lediglich im frühjahr 1905 gab es wie früher<br />

noch einen Briefwechsel über die Gestaltung <strong>des</strong><br />

›stunden-Buches‹ beziehungsweise <strong>des</strong>sen Ausstattung.<br />

rilke schreibt dem insel-Verlag, wie er<br />

sich das Buch vorstellt: »ich denke mir das<br />

stundenbuch schlicht und stark in der Wirkung;<br />

von jener Art eines vornehmen Gebrauchsbuches,<br />

wie die Gebetbücher etwa <strong>des</strong> sechzehnten<br />

Jahrhunderts sie aufweisen […] Absichtlich<br />

antiquierende mittel wären natürlich<br />

zu vermeiden.« 58 Auch gibt er weiterhin hin-<br />

weise auf format, titelblatt, satzspiegel und<br />

Papierqualität.<br />

die Gestaltung <strong>des</strong> Buches lag nunmehr in<br />

den händen von carl ernst Poeschel in Zusammenarbeit<br />

mit seinem freund, dem Buchgestalter<br />

Walter tiemann. Wie wichtig rilke zu<br />

diesem Zeitpunkt immer noch die einschätzung<br />

Vogelers in fragen der Buchgestaltung war,<br />

zeigt die Bitte rilkes an den insel-Verlag ende<br />

Juli 1905, der Verlag möge sich etwas gedulden,<br />

er möchte die druckproben erst Vogeler zeigen<br />

und <strong>des</strong>sen meinung hören. die gute erfahrung<br />

bei der Gestaltung <strong>des</strong> ›stundenbuches‹ prägt<br />

danach die weitere Zusammenarbeit mit dem<br />

insel-Verlag.<br />

Am 6. dezember 1905 richtet rilke aus Paris<br />

an den Verlag die Bitte, ihm einige exemplare<br />

<strong>des</strong> ›stundenbuches‹ zuzuschicken und erwähnt<br />

dabei, dass Vogeler ihm schrieb, dass er das<br />

›stundenbuch‹ in leipzig gesehen habe und dass<br />

es sehr schön geworden sei. Gegenüber Axel<br />

Juncker betont rilke: »wie viel die druckerei<br />

ausmacht, zeigt der wunderbar klare drugulinsatz<br />

im stunden-Buche.« 59 Viele Gedichte <strong>des</strong><br />

stundenbuches waren übrigens im herbst 1901<br />

in Westerwede entstanden, z. B. die 34 Gedichte<br />

<strong>des</strong> ›Buches von der Pilgerschaft‹ vom 18. bis 25.<br />

september.<br />

das Vertrauen in die solide und zuverlässige<br />

Arbeit <strong>des</strong> insel-Verlags festigt sich in der Zusammenarbeit<br />

mit Anton Kippenberg. in einem<br />

Brief an Kippenberg zur Veröffentlichung <strong>des</strong><br />

ersten teils der ›neuen Gedichte‹ schreibt rilke<br />

mitte 1907 zu dem neuen Gedichtband:<br />

Alles ist, was nun kommt, ihnen überlassen, die<br />

äußere form und Ausgestaltung und einrichtung<br />

<strong>des</strong> Buches, ja sogar (wie schon vorauszusehen war)<br />

der titel. […] Was das innere angeht, so kennen sie<br />

meine Abneigung gegen absichtliche Ausschmückung;<br />

aber hier ist alle erfahrung auf ihrer seite, und<br />

ich habe nichts weiter zu sagen und bin froh, daß es<br />

so ist. 60<br />

Kippenberg machte in der regel Vorschläge und<br />

bat um Zustimmung. Anders <strong>als</strong> früher hielt rilke<br />

sich nun zurück. ein weiteres Zitat verdeutlicht<br />

die Zufriedenheit mit der Arbeit <strong>des</strong> Ver-


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

lages. rilke schrieb ende mai 1909: »Vor einer<br />

stunde sind die Pakete eingetroffen, und ich will<br />

ihnen gleich sagen, daß ich mich an den frühen<br />

Gedichten freue und die form sehr bewundere,<br />

die sie dem requiem gegeben haben.« 61 Wohl<br />

ohne dass rilke es ahnte, trägt dieses ›requiem‹ 62<br />

auf dem deckel eine Vignette von Vogeler – ein<br />

stilisierter tulpenkranz. sie wurde vom Verlag<br />

seit 1901 bei drei weiteren Büchern verwendet.<br />

im laufe der Zeit überließ rilke die Ausstattung<br />

der Bücher immer stärker Kippenberg.<br />

seine reaktion auf die Gestaltung und Ausstattung<br />

<strong>des</strong> ›malte‹, der am 31. mai 1910 erschien,<br />

lautete:<br />

mein lieber dr Kippenberg, wer ein wenig ahnt, was<br />

es heißt, ein Buch herauszubringen, der muß ihnen<br />

ehre geben, wenn er im aufschlagen und blättern<br />

sich bewußt macht, was an überlegung, an verwendeter<br />

erfahrung, an gutem Gewissen in der Verfügung<br />

und überaus endgültigen Ordnung dieser seiten<br />

im spiele steht. das titelblatt ist vollkommen in der<br />

Vertheilung und so alles im innern mit Geistesgegenwart<br />

und Produktivität organisiert. 63<br />

Scheitern einer erneuten<br />

Zusammenarbeit<br />

– Das Marien-Leben<br />

der Verleger Anton Kippenberg schrieb rilke<br />

am 4. Januar 1912:<br />

neulich war heinrich Vogeler bei mir und sprach<br />

unter anderem die Absicht aus, ihre etwa 10 marienlieder<br />

in einer von ihm geschmückten Ausgabe<br />

herauszugeben. er brachte mir einige titel-skizzen<br />

mit, die mich recht angesprochen haben, wenn ich<br />

auch, unter uns gesagt, finde, dass Vogelers Kunst<br />

zurückgeschritten ist. Aber ich möchte ihm aus<br />

mancherlei Gründen seinen Wunsch nicht abschlagen<br />

und sie werden es ebensowenig wollen. sagen<br />

sie mir <strong>als</strong>o bitte, ob sie mit Vogelers Absicht einverstanden<br />

sind. 64<br />

rilke antwortete zwei tage später aus duino:<br />

heinrich Vogeler kommt da auf einen ganz alten<br />

Plan zurück, den ich, offen gestanden, für aufgegeben<br />

hielt, umsomehr <strong>als</strong> ich seit Jahren die fühlung<br />

mit seinen Arbeiten verloren habe, wie auch er das,<br />

was ich jetzt mache, wahrscheinlich völlig an sich<br />

muß vorübergehen lassen. diese thatsache hat freilich<br />

an den alten Grundsätzen der freundschaft, die<br />

uns verbindet, nichts verdorben, und da er uns mit<br />

diesem Vorschlag kommt, so fühle ich mich min<strong>des</strong>tens<br />

angetrieben, seine intentionen mit ihnen auf<br />

das genaueste zu bedenken […] ich schreibe ihm<br />

vielleicht nächstens, wäre ihnen aber dankbar, wenn<br />

sie ihn schon jetzt wissen ließen, daß ich mich für<br />

die sache interessiere. 65<br />

doch rilke ist unklar, welche Gedichte Vogeler<br />

meint. in der sammlung ›in und nach Worpswede‹<br />

hatte es, wie schon erwähnt, lediglich zwei<br />

auf marias leben bezogene Gedichte gegeben:<br />

›Verkündigung über den hirten‹ und ›rast auf<br />

der flucht‹. Zusätzlich kamen allenfalls das Gedicht<br />

›die heiligen drei Könige‹ aus der ›insel‹<br />

und ›Verkündigung mariä‹ aus der Weihnachtsbeilage<br />

der Zeitschrift ›Bohemia‹ (Prag 1901) in<br />

Betracht. rilke kann sich nicht vorstellen, dass<br />

wirklich genügend Gedichte für ein ›marienleben‹<br />

vorhanden sind, auch zweifelt er daran,<br />

dass sie sich für eine Zusammenstellung eignen.<br />

er fährt in seinem Brief fort:<br />

die Vogeler’sche Kunst ist vielleicht nie mehr gewesen,<br />

<strong>als</strong> sie jetzt ist, nur daß wir sie eben gleichsam<br />

immer unter der verschwiegenen Bedingung hinnahmen,<br />

daß sie noch etwas mehr werde. darum scheint<br />

sie uns nun, in ihrem stehengebliebensein, gleich<br />

unzu länglich und, unter uns gesagt, auch ich halte es<br />

Entwurf zu Rilkes<br />

Marien-Leben,<br />

1912<br />

13


Buchkunst<br />

14<br />

für möglich, daß sein marien-leben, soweit es nicht<br />

auf alte entwürfe zurückgeht, vieles bringen wird,<br />

was einfach nicht ausreicht. in solchem fall aber<br />

sind sie diplomat genug, um ihn zu bewegen, ge -<br />

wisse Blätter noch einmal vorzunehmen oder durch<br />

andere zu ersetzen, und auch ich würde da, soweit<br />

<strong>als</strong> möglich, versuchen, meine stimme auf ihn wirken<br />

zu lassen. unter diesen Bedingungen könnten wir<br />

vielleicht doch etwas Gutes und in sich Berechtigtes<br />

an den tag geben. 66<br />

Von Anton Kippenberg erhält rilke eine Abschrift<br />

<strong>des</strong> heinrich Vogeler vor mehr <strong>als</strong> zehn<br />

Jahren geschenkten manuskripts ›in und nach<br />

Worpswede‹. Am 15. Januar teilt rilke mit:<br />

ich habe eben eine merkwürdige halbe stunde mit<br />

dem lesen der Gedichte aus Vogelers Besitz verbracht.<br />

es sind sehr schöne darunter, die mir noch<br />

ganz gradaus nahegehen, aber die beiden marienlieder<br />

gehören nicht zu den besten. Je mehr ichs<br />

bedenke, es wird bei einer Zusammenstellung<br />

solcher marien-lieder, wie er sie vorschlug, nichts<br />

Gutes herauskommen: sie werden kein Ganzes<br />

ergeben.<br />

doch weiterhin:<br />

[es] überrascht mich das, was in seinem Buche allmählich<br />

zusammengekommen ist, durch seine einheit,<br />

und ich stehe in diesem moment unter der<br />

eingebung, ob es nicht recht angemessen und von<br />

besonderem reiz wäre, diese für ihn entstandenen<br />

Verse, so wie sie sind, von ihm ausgestattet, <strong>als</strong> aus<br />

seinem Besitz, herauszugeben? […] ich schreibe<br />

Vogeler davon, – dies hätte mehr natur <strong>als</strong> ein<br />

Zusammenholen von marien-Gedichten; hier ist<br />

etwas fertiges. 67<br />

Aber aus der Gedenk- und erinnerungsmappe<br />

wird nichts, 68 denn zwischen dem 15. und 22.<br />

Januar inspiriert rilke – parallel zur ersten<br />

duineser elegie – die Beschäftigung mit dem<br />

thema überraschend zu einem Zyklus von 13<br />

beziehungsweise 15 (das letzte Gedicht besteht<br />

aus drei teilen) neuen marien-Gedichten. 69<br />

diese werden Vogeler zugeschickt.<br />

Vogeler entwickelte für den von ihm geplanten<br />

Band folgende Konzeption: für die Gedichte<br />

sollte eine eigene schrift entworfen werden,<br />

und zwar von heinrich Wieynck, einem<br />

der Wegbereiter der modernen schriftkunst. die<br />

Gedichttexte wollte Vogeler mit eigenen rahmenornamenten<br />

einfassen und den Gedichtseiten<br />

ganzseitige illustrationen gegenüberstel-<br />

len. dass in diesem Konzept vergangene Jugendstil-Vorstellungen<br />

anklingen, ist überdeutlich.<br />

Vielleicht hatte Vogeler auch noch im Kopf, was<br />

rilke dam<strong>als</strong> in seinem Worpswede-Buch über<br />

seine mappe ›An den frühling‹ schrieb:<br />

Wenn schon die radierungen ›An den frühling‹ mit<br />

recht in einer mappe zusammengefaßt werden<br />

konnten, so denken diese Blätter noch viel weniger<br />

daran, sich an Wände zu wünschen. ihrer intimität<br />

entspricht es, <strong>als</strong> mappenwerk behandelt zu werden,<br />

ja man kann sie sich sogar in einem Buche vorstellen<br />

<strong>als</strong> Gegenstück einer mit feingliederigen und stillen<br />

typen bedruckten Buchseite. 70<br />

Weder die Arbeit Wieyncks noch die Vogelers<br />

gefielen Anton Kippenberg. über die starren,<br />

zum teil statuarischen, holzschnittartigen illustrationen,<br />

die Vogeler nach den Gedichten entwarf,<br />

urteilt Kippenberg im Juli: »nach meinem<br />

empfinden sind die Vogeler’schen Zeichnungen<br />

unmöglich.« 71 Auch rilke ist nicht einverstanden.<br />

nach einigem hin und her (unter anderem<br />

die überlegung, nur eine Zeichnung dem Buch<br />

voranzustellen) schlägt rilke <strong>als</strong> Ausweg vor,<br />

das kleine Buch ›marien-leben‹ heinrich<br />

Vogeler zu widmen: »heinrich Vogeler / dankbar<br />

/ für alten und neuen Anlaß / zu diesen<br />

Versen«. über die reaktion Vogelers schreibt<br />

rilke am 9. november 1912: »heinrich Vogeler<br />

hat meinen Brief überaus freundlich aufgenommen<br />

und verstanden, er schreibt mir, es schiene<br />

auch ihm das richtigste, wenn das marien-<br />

leben ohne seine Zeichnungen erscheint.« 72<br />

rilke bekam die Zeichnung, die ihm am besten<br />

gefallen hatte, von Vogeler geschenkt. das<br />

›marien- leben‹ erschien in der insel-Bücherei<br />

und darüber hinaus in einer Vorzugsausgabe<br />

von 200 nummerierten exemplaren.<br />

Letzter Kontakt<br />

Gegen ende <strong>des</strong> ersten Weltkriegs und danach<br />

entfaltete heinrich Vogeler unterschiedliche<br />

politische Aktivitäten, unter anderem hielt er<br />

Vorträge und entwickelte in knappen schriften<br />

seine neuen politischen Vorstellungen. der


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchkunst<br />

Krieg hatte zum Zusammenbruch seiner Weltanschauung<br />

und zur hinwendung zum Kommunismus<br />

geführt. Wohl in erinnerung an die<br />

alte freundschaft schickte er rilke 1919 mehrere<br />

exemplare seines gedruckten Vortrags ݟber<br />

den expressionismus der liebe. der Weg zum<br />

frieden‹, den er in Bremen gehalten hatte. es<br />

war eine seiner ersten politischen schriften. 73<br />

rilke, <strong>des</strong>sen ursprüngliche Begeisterung für die<br />

räte-republik und für die ideen einer sozialistischen<br />

revolution sich lange gelegt hatte, war<br />

von Vogelers Aufruf beeindruckt. Wie bewegt<br />

rilke war, zeigt ein Brief an die schauspielerin<br />

Anni mewes:<br />

Vogeler ist nichts weniger <strong>als</strong> konsequent, er ist<br />

leicht zu widerlegen, und ich bin sicher, die näheren<br />

Verhältnisse um ihn herum widerlegen ihn jeden<br />

tag. Aber mich, der ich seit so viel Jahren sein<br />

freund sein durfte, rührt doch dieser Ausbruch<br />

seines stillen und eigentlich schüchternen Wesens:<br />

Was mussten in diesem, in seinen Verträumungen<br />

vielfältig und zierlich befangenen menschen für<br />

erschütterungen, für stürze, für erdbeben vorgehen,<br />

damit er so aus sich hinaus zu rufen und zu wirken<br />

sich genötigt sah? immer wieder ergreift mich dieser<br />

satz: ›ein nie gekannter menschlicher Zustand ist im<br />

Werden: frieden.‹ in dieser feststellung ist die innig -<br />

keit <strong>des</strong> früheren heinrich Vogeler, vermehrt um ein<br />

unendliches: um ein wirkliches Gelittenhaben, um<br />

ein in-der-hölle-Gewesen-sein und hernach hoffen<br />

–, ja, es ist eine immense realität der Gefühls-erfahrung,<br />

aus der diese Worte hervorgehen, wie von<br />

einem Auferstehenden gesprochen, der nicht mehr<br />

zu beirren ist, ob er gleich aus einem moment <strong>des</strong><br />

Grabes kommt und in ein chaos hineintaumelnd<br />

aufersteht. 74<br />

2012 ist ein Heinrich-Vogeler-Gedenkjahr: vor 140<br />

Jahren wurde der Worpsweder Künstler in Bremen<br />

geboren; er starb vor 70 Jahren während <strong>des</strong> Zweiten<br />

Weltkriegs in Kasachstan, wohin er im Jahre <strong>des</strong> Überfalls<br />

Deutschlands auf die Sowjetunion deportiert worden<br />

war. Rainer Maria Rilke starb bereits Ende 1926<br />

in der Schweiz.<br />

Anmerkungen<br />

1 Ansichtskarte r. m. rilkes an Vogelers vom 14. August<br />

1906, deutsches literaturarchiv marbach,<br />

A. rilke, 65.1317. leider hat sich der Briefwechsel<br />

zwischen h. Vogeler und r. m. rilke nur rudimentär<br />

erhalten. in marbach liegt einzig die Karte vor; im<br />

Worpsweder Archiv der Barkenhoff-stiftung befinden<br />

sich Abschriften von zehn Briefen und einer<br />

Karte rilkes, außerdem eine Abschrift eines Briefes<br />

von Vogeler und eine Briefkopie. diese schreiben<br />

stammen aus dem Zeitraum 1900 bis 1903 (Abschriften<br />

aus dem rilke-Archiv in Gernsbach).<br />

2 Brief an hugo salus vom 21. november 1898. in:<br />

rmr. Briefe aus den Jahren 1892 bis 1904. hrsg. von<br />

ruth sieber-rilke und carl sieber. leipzig 1939, s. 60.<br />

3 Brief an seine mutter vom 17. dezember 1898. in:<br />

rmr. Briefe an die mutter. 1896 bis 1926. hrsg. von<br />

hella sieber-rilke. 2 Bde. frankfurt am main und<br />

leipzig 2009, hier Bd. 1, s. 74.<br />

4 Brief an seine mutter vom 29. dezember 1898, ebd.,<br />

s. 77.<br />

5 ebd., s. 77. die bisherigen chronologien der Künstlerfreundschaft<br />

der beiden enthalten fehler, auf die<br />

hier nicht detailliert eingegangen werden soll; z. B.<br />

richard Pettit: rmr und seine Künstlerfreunde in<br />

Worpswede. lilienthal, 3. veränderte Aufl. 2001;<br />

ebenso rieke marquarding: eine chronologie. rmr<br />

und Worpswede. in: rilke. Worpswede. eine Ausstellung<br />

<strong>als</strong> Phantasie über ein Buch. Bremen 2003, s.<br />

310–363.<br />

6 Zitiert nach carl sieber: rilke und Worpswede. in:<br />

merian, Worpswede. hamburg 1949, s. 28.<br />

7 eine Abbildung befindet sich sowohl in rilkes Aufsatz<br />

über Vogeler <strong>als</strong> auch in seinem Worpswede-<br />

Buch (siehe unten).<br />

8 rilke schenkte sein exemplar später Alfred lichtwark,<br />

dem direktor der hamburger Kunsthalle.<br />

9 Brief an seine mutter vom 7. Juli 1899, a. a. O., s. 114.<br />

10 Brief an A. Juncker vom 6. november 1901. in: rmr.<br />

Briefe an A. Juncker. hrsg. von renate scharffenberg.<br />

frankfurt am main 1979, s. 32. das Buch erschien<br />

mit verschiedenen einbandvarianten: blaues<br />

leinen, halbleinen und halbleder; roter Karton; es<br />

gibt auch Pergamentexemplare.<br />

11 Auch frühere Bücher rilkes waren von Künstlern<br />

›geschmückt‹ worden. der umschlag seiner zweiten<br />

veröffentlichten Gedichtsammlung z. B., ›larenopfer‹,<br />

1895, wurde von seiner ersten freundin, der<br />

künstlerisch begabten Valerie von david-rhonfeld<br />

entworfen. emil Orlik, rilkes freund aus Prag,<br />

zeichnete den einband zu rilkes vierter Gedichtsammlung,<br />

›Advent‹, 1897.<br />

12 Brief an rilke vom 10. dezember 1899, zit. nach renate<br />

scharffenberg: der Beitrag <strong>des</strong> dichters zum<br />

formwandel in der äusseren Gestalt <strong>des</strong> Buches um<br />

die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. diss. marburg<br />

1953, s. 151 f.<br />

13 richard Pettit: rmr und seine Künstlerfreunde in<br />

Worpswede, a. a. O., s. 13.<br />

14 Brief an seine mutter vom 12. April 1900, a. a. O., s. 167.<br />

15 Karte vom 26. Juli 1900, abgebildet in richard Pettit:<br />

rmr und seine Künstlerfreunde in Worpswede, a. a.<br />

O., s. 21.<br />

16 Brief vom 11. August 1900. in: rmr / lou Andreassalomé,<br />

Briefwechsel. hrsg. von ernst Pfeiffer<br />

frankfurt am main 1975, s. 44; gemeint ist: Vom lieben<br />

Gott und Anderes.<br />

17 Brief an seine mutter vom 8. August 1900, a. a. O.,<br />

s. 193.<br />

18 eintrag vom 4. september 1900. in: rmr. Briefe und<br />

tagebücher aus der frühzeit. 1899 bis 1902. hrsg.<br />

von ruth sieber-rilke und carl sieber. leipzig 1933,<br />

s. 269.<br />

15


Buchkunst<br />

16<br />

19 Brief an frieda von Bülow vom 24. Oktober 1900. in:<br />

rmr. Briefe aus den Jahren 1892 bis 1904. hrsg. von<br />

ruth sieber-rilke und carl sieber. leipzig 1939,<br />

s. 117.<br />

20 Brief an seine mutter vom 29. dezember 1898, a. a. O.,<br />

s. 76.<br />

21 rmr: heinrich Vogeler * Worpswede. in: deutsche<br />

Kunst und dekoration. darmstadt, April 1902,<br />

s. 325.<br />

22 Brief an h. Vogeler vom 24. november 1900; Abschrift<br />

im Worpsweder Archiv.<br />

23 theo neteler: der Buchkünstler heinrich Vogeler<br />

und die Brüder Gerhart und carl hauptmann. in:<br />

marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie.<br />

heft 3/2007, s. 2533.<br />

24 Brief an h. Vogeler vom 9. dezember 1900, Abschrift<br />

im Worpsweder Archiv. das skizzenbuch ist verloren<br />

gegangen. die federzeichnungen ›Verkündigung<br />

über den hirten‹ und ›rast auf der flucht‹ waren inspirationsquelle<br />

für die Gedichte rilkes. Bei dem<br />

›marien-leben‹ von 1912 wurde versucht, den umgekehrten<br />

Weg einzuschlagen.<br />

25 Gerade zu diesem Komplex gibt es in der literatur<br />

sehr unterschiedliche Aussagen; vgl. u. a. heinrich<br />

Wigand Petzet: das Bildnis <strong>des</strong> dichters. rainer maria<br />

rilke – Paula modersohn-Becker. eine Begegnung.<br />

frankfurt am main 1976; helmut naumann: rilke<br />

und Worpswede. rheinfelden und Berlin 1997; ralph<br />

freedman: rainer maria rilke. 2 Bde. Aus dem Amerikanischen<br />

von curdin ebneter. frankfurt am main<br />

und leipzig 2001.<br />

26 Brief an A. Juncker vom 20. september 1901, a. a. O.,<br />

s. 21. irene forbes-mosse (1864–1946) geb. Gräfin<br />

flemming, enkelin Bettine von Arnims, schriftstellerin;<br />

die Gedichtsammlung ›mezzavoce‹ erschien<br />

1901. Während rilke Vogeler zuvor noch <strong>als</strong> ›meister<br />

<strong>des</strong> frühlings‹ gesehen hatte, stellt er hier eine Weiterentwicklung<br />

fest.<br />

27 Brief an A. Juncker vom 26. september 1901, ebd.,<br />

s. 22 f. richard Pettit (rainer maria rilke und seine<br />

Künstlerfreunde in Worpswede, a. a. O., s. 96) vermutet,<br />

dass rilkes intensive Beschäftigung mit der<br />

Gestaltung seiner Bücher »wohl auch durch den umgang<br />

mit heinrich Vogeler angeregt« wurde. Wahrscheinlich<br />

ist bei rilke der einfluss der reform der<br />

Buchgestaltung, die er auch durch seine mitarbeit an<br />

den Zeitschriften ›PAn‹ und ›die insel‹ kannte, bedeutender.<br />

28 Brief an A. Juncker zwischen dem 3. und 6. november<br />

1901, a. a. O., s. 31.<br />

29 Brief an A. Juncker vom 26. dezember 1901, ebd.,<br />

s. 49.<br />

30 Zit. nach ingeborg schnack: rmr. chronik seines<br />

lebens und seines Werkes. 1875–1926. erw. neuausgabe<br />

hrsg. von renate scharffenberg (im folgenden:<br />

rilke-chronik). frankfurt am main und leipzig<br />

2009, s. 137.<br />

31 Brief an A. Juncker vom 7. dezember 1901, a. a. O.,<br />

s. 45.<br />

32 Brief an A. Juncker vom 7. november 1901, ebd.,<br />

s. 35. Aus diesem Grunde entschied sich rilke für<br />

durchgehende Versalien, was er in der zweiten Auflage<br />

aber wieder zurücknahm.<br />

33 Brief an A. Juncker vom 6. februar 1902, ebd., s. 57 f.<br />

34 Brief an A. Juncker vom 7. dezember 1901, ebd.,<br />

s. 44 f. leider hat rilke das Blatt nicht genau benannt.<br />

35 Brief an A. Juncker vom 25. november 1905: »ich<br />

würde Vogeler um ein paar initialen bitten: vielleicht<br />

wollen sie sich diese kleine Auslage nicht verdrießen<br />

lassen?«; ebd., s. 168 f.<br />

36 Brief an A. Juncker vom 21. Januar 1906, ebd., s. 174.<br />

37 Brief an A. Juncker von Weihnachten 1906, ebd., s.<br />

193. rilke hatte gegenüber der ersten Auflage ein<br />

kleineres format vorgeschlagen. die Kompromisslosigkeit<br />

rilkes bei der Auseinandersetzung mit dem<br />

druck seiner Werke zeigt auch die Äußerung bei der<br />

herstellung <strong>des</strong> ›cornet‹: »die seite macht den eindruck<br />

einer leseprobe im Zimmer eines Augenarztes.«<br />

Brief an A. Juncker vom 10. August 1906,<br />

ebd., s.188 f.<br />

38 Brief rilkes an Kessler vom 12. April 1902, rilkechronik,<br />

s. 150.<br />

39 Brief an Oskar Zwintscher vom 28. mai 1902. in:<br />

rmr. dreizehn Briefe an Oskar Zwintscher. handschriftlich<br />

wiedergegeben. Gesellschaft der Bücherfreunde<br />

zu chemnitz 1931. unpag.; seine monografie:<br />

rainer maria rilke: Worpswede. fritz mackensen,<br />

Otto modersohn, fritz Overbeck, hans am<br />

ende, heinrich Vogeler. Bielefeld und leipzig 1903.<br />

40 rmr: Worpswede, ebd., s. 116 f. Vollständig erneut<br />

abgedruckt im Katalog: rilke. Worpswede. eine Ausstellung<br />

<strong>als</strong> Phantasie über ein Buch. hrsg. von Wulf<br />

herzogenrath und Andreas Kreul. Bremen 2003. der<br />

letzte satz lässt sich wohl auch auf den in dieser Zeit<br />

besprochenen Plan beziehen, gemeinsam ein Buch<br />

mit Gedichten rilkes und Zeichnungen Vogelers herauszugeben<br />

unter dem titel ›marien-leben‹.<br />

41 Brief an rudolf von Poellnitz vom 3. februar 1903,<br />

zitiert nach theo neteler: der Buchkünstler heinrich<br />

Vogeler. mit einer Bibliographie. Ascona und<br />

unterrreit 1998, s. 52.<br />

42 theo neteler: die gescheiterte doppelspitze. carl<br />

ernst Poeschel und Anton Kippenberg misslingt<br />

1905/1906 die gemeinsame leitung <strong>des</strong> insel-Verlags.<br />

in: das zweite Jahrzehnt. leipziger Bibliophilen-<br />

Abend. eine festschrift. hrsg. von h. Kästner. leipzig<br />

2011, s. 66–79.<br />

43 Brief vom 19. september 1905, zitiert nach theo<br />

neteler: »die verschlungenen Wege der Kontur…«.<br />

in: Vom Ornament zur linie. der frühe insel-Verlag<br />

1899 bis 1924. hrsg. von John dieter Brinks. Assenheim<br />

1999, s. 108.<br />

44 Brief an Vogeler vom 17. september 1902. in: rmr.<br />

Briefe. 2 Bde. hrsg. von Karl Altheim. Wiesbaden<br />

1950, s. 38 f.<br />

45 Brief an sidonie náderný von Borutin vom 31. Oktober<br />

1913. in: rmr / sidonie náderný von Borutin.<br />

Briefwechsel 1906–1926. hrsg. und kommentiert von<br />

Joachim W. storck unter mitarbeit von W. und fr.<br />

Pfäfflin. Göttingen 2007, s. 190.<br />

46 Brief an h. Vogeler vom 3. April 1903, Abschrift im<br />

Worpsweder Archiv.<br />

47 Brief an ellen Key vom 13. Juli 1903. in: rmr. Briefwechsel<br />

mit ellen Key. hrsg. von theodore fiedler.<br />

frankfurt am main und leipzig 1993, s. 30.<br />

48 Brief an seine mutter vom 3. Juli 1903, a. a. O., s. 380.<br />

49 Brief an seine mutter vom 15.7.1903, ebd., s. 381.<br />

50 Brief an l. Andreas-salomé vom 13. Juli 1903, a. a. O.,


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

s. 64. ruth war auch während <strong>des</strong> Barkenhoff-Aufenthalts<br />

bei den Großeltern in Oberneuland. die<br />

eltern besuchten sie dort acht tage lang ende Juli.<br />

51 Brief vom 8. August 1903 aus Oberneuland an<br />

l. Andreas-salomé, ebd., s. 90 f. und 92.<br />

52 rilke wohnte nicht, wie im Katalog ›rilke. Worpswede‹<br />

angegeben (s. 350) »bei heinrich Vogeler auf dem<br />

Barkenhoff«. im gleichen Buch heißt es fälschlich:<br />

das stundenbuch enthalte »illustrationen von heinrich<br />

Vogeler« (s. 351).<br />

53 Otto modersohn berichtet in seinem tagebuch Anfang<br />

februar 1908: »mit rilkes war ich in Paulas Atelier,<br />

er war schon dort gewesen und kannte alle ihre<br />

sachen. er war enthusiasmiert von ihnen.« Zitiert<br />

nach rainer stamm: »ein kurzes intensives fest«.<br />

Paula modersohn-Becker. eine Biographie. stuttgart<br />

2007, s. 238.<br />

54 Zitiert nach rilke-chronik, a. a. O., s. 349.<br />

55 Brief an seine mutter vom 2. mai 1911, a. a. O., Bd. 2,<br />

s. 71.<br />

56 rudolf von Poellnitz übernahm seit september 1901<br />

in leipzig die Geschäftsführung <strong>des</strong> insel-Verlags,<br />

vgl. theo neteler: rudolf von Poellnitz. Von eugen<br />

diederichs zum insel-Verlag. in: Philobiblon 42<br />

(1998) s. 169–200.<br />

57 Brief an e. Key vom 6. februar 1904, a. a. O., s. 46.<br />

das Buchformat änderte sich von Groß- zu Klein-<br />

Oktav.<br />

58 Brief an den insel-Verlag vom 16. mai 1905, zitiert<br />

nach rilke-chronik, s. 216.<br />

59 Brief an A. Juncker vom 21. Januar 1906, a. a. O.,<br />

s. 175; siehe auch theo neteler: die Offizin W. drugulin<br />

– haag-drugulin. leipzig 2009.<br />

60 Brief an A. Kippenberg vom 27. Juli 1907. in: rmr.<br />

Briefwechsel mit Anton Kippenberg. hrsg. von<br />

i. schnack und r. scharffenberg. frankfurt am main<br />

und leipzig 1995, hier Bd. 1, s. 79.<br />

61 Brief an A. Kippenberg vom 21. mai 1909, ebd.,<br />

s. 161.<br />

62 es handelt sich um ein Gedenkbuch für Paula modersohn-Becker,<br />

erschienen 1909 in 500 nummerierten<br />

exemplaren. einband: violettes leinen oder<br />

Pappe: deckelvignette in schwarz; weißes leinen<br />

oder Pappe: deckelvignette in Violett. die Vignette<br />

ist nicht mit den initialen Vogelers versehen.<br />

63 Brief an Kippenberg vom 9. Juni 1910, a. a. O., s. 216.<br />

64 Kippenberg an rilke vom 4. Januar 1912, ebd., s. 308.<br />

65 Brief an Kippenberg vom 6. Januar 1912, ebd., s. 311.<br />

66 ebd., s. 312.<br />

67 Brief an A. Kippenberg vom 15. Januar 1912, ebd.,<br />

s. 317 f.<br />

68 die Gedichte sind <strong>als</strong> geschlossene sammlung erst<br />

viele Jahrzehnte später veröffentlicht worden: rmr:<br />

in und nach Worpswede. Gedichte. mit Bildern von<br />

heinrich Vogeler. iB nr. 1208. frankfurt am main<br />

und leipzig 2000.<br />

69 Angeregt worden sei er, wie er später erläutert, von<br />

erinnerungen an italienische Bilder (tizian, tintoretto)<br />

bis hin zur ikonen-malerei. richard exner hat in<br />

seiner Ausgabe: rmr: das marien-leben. frankfurt<br />

am main und leipzig 1999, die Bilder, die rilke inspiriert<br />

haben (könnten), den Gedichten gegenübergestellt.<br />

70 rmr: Worpswede, a. a. O., s. 115 f.<br />

71 Brief an rilke vom 25. Juli 1912, a. a. O., s. 343.<br />

72 ebd., s. 364. die feststellungen Wolfgang leppmanns<br />

(rilke. sein leben, seine Welt, sein Werk.<br />

Bern und münchen 1993): »die freundschaft mit<br />

heinrich Vogeler zerbricht unter der last eines Projekts,<br />

das sie schon 1900 in Worpswede erwogen hatten<br />

und das der maler jetzt wieder aufnehmen möchte.«<br />

und: »rilke hatte dam<strong>als</strong> drei kurze Gedichte<br />

geschrieben, zu denen jetzt zwölf neue hinzukommen.«<br />

(s. 313 f.) sind eine überinterpretation beziehungsweise<br />

nicht ganz korrekt.<br />

73 heinrich Vogeler: über den expressionismus der<br />

liebe. der Weg zum frieden. Bremen 1918. Kart.,<br />

mit deckelillustration <strong>des</strong> Verfassers. Von dem von<br />

Vogeler in seinen erinnerungen geschilderten unglücklichen<br />

›Wiedersehen‹ in Partenkirchen Anfang<br />

februar 1915, bei dem rilke den uniformierten Vogeler<br />

offensichtlich nicht erkannt hat, wird hier abgesehen.<br />

74 Brief rilkes vom 12. september 1919 aus soglio an<br />

Anni mewes. in: Joachim W. storck (hrsg.): rmr.<br />

Briefe zur Politik. frankfurt am main und leipzig<br />

1992, s. 284.<br />

Hans Altenhein<br />

Der geteilte Buchhandel<br />

1945 bis 1990<br />

die historische Betrachtung der ersten<br />

vier nachkriegsjahre in deutschland<br />

von 1945 bis 1949, insbesondere aber<br />

die untersuchung der bilateralen Beziehungen<br />

zwischen den beiden <strong>deutschen</strong> staaten von<br />

1949 bis 1990 ist bisher weitgehend durch den<br />

standort der jeweiligen Betrachter bestimmt gewesen<br />

und damit unvermeidlich perspektivisch,<br />

das gilt auch für die Buch- und Verlagsgeschichte.<br />

1 Gründe für diese einschränkung <strong>des</strong> Gesichtsfelds<br />

beruhen nicht nur, bewusst oder unbewusst,<br />

auf den alten politischen Kontroversen,<br />

sondern auch auf den methodischen<br />

schwierigkeiten einer integralen Geschichtsschreibung.<br />

immerhin gibt es denkbare Ansätze<br />

für eine Geschichte der <strong>deutschen</strong> teilung. sie<br />

begänne etwa mit dem endzustand der einheit,<br />

<strong>als</strong>o der Katastrophe, in der sich die lebenswelt,<br />

die Warenproduktion, der Verkehr und die Kultur<br />

vor und gleich nach dem Kriegsende von<br />

17


Buchhandel<br />

18<br />

1945 befanden, sie würde fortfahren mit der Beschreibung<br />

zweier sich gegeneinander entwickelnder<br />

Gesellschaftsformen, der <strong>des</strong> spätkapitalismus<br />

auf der einen, <strong>des</strong> spätsozialismus auf<br />

der anderen seite, 2 und käme, angesichts vieler<br />

Kontroversen, zur dokumentation eines labilen,<br />

weil militarisierten Balance-Zustands, der<br />

dann, unter wechselnder Prozessgeschwindigkeit,<br />

im Zusammenbruch <strong>des</strong> einen, nämlich<br />

östlichen systems, endete und damit einen Wandel<br />

mit positiven und negativen folgen auslöste.<br />

in einem solchen Geschichtsmodell müsste auch<br />

eine integrale Buchgeschichte ihre erklärungsmuster<br />

finden, denn weder eine Parallelgeschichte<br />

<strong>des</strong> Buchwesens in der ddr und der<br />

Bun<strong>des</strong>republik, noch auch ein systemvergleich<br />

zwischen beiden, könnte den trennenden und<br />

verbindenden faktoren gerecht werden, die ja<br />

teil und motor <strong>des</strong> Geschichtsprozesses sind.<br />

nur wenn man das Ganze der Beziehungen,<br />

<strong>als</strong>o die Affinitäten, rückbezüge und trennlinien<br />

ins Auge fasst, ist die subgeschichte <strong>des</strong> geteilten<br />

Buchwesens verständlich zu machen.<br />

Die Einheit vor der Teilung<br />

man muss sich die ursprüngliche Bedeutung<br />

dieses grenzüberschreitenden, rechtsförmigkorporativen<br />

und privatwirtschaftlich operierenden<br />

systems vor Augen halten, das sich im<br />

Börsenverein der <strong>deutschen</strong> Buchhändler zu<br />

leipzig konstituierte und das stanley unwin<br />

1927 <strong>als</strong> »die vollkommenste Buchvertriebsorganisation<br />

der ganzen Welt« bezeichnet hatte, 3<br />

um zu ermessen, was im 20. Jahrhundert daraus<br />

wurde. dabei ist zu bedenken, dass die Organisation<br />

<strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Buchhandels bereits unter<br />

der herrschaft <strong>des</strong> nation<strong>als</strong>ozialismus erhebliche<br />

macht- und Kompetenzverluste erlitt, und<br />

dass durch die Verfolgung und Vertreibung<br />

jüdischer Verleger, Buchhändler und Antiquare<br />

Personen- und substanzverluste entstanden, die<br />

nie mehr gut gemacht werden konnten. die<br />

Zeitgenossen sahen das anders und hielten weiter<br />

zu ihrem Berufsverband. Allein Gerhard<br />

menz, autoritärer Vordenker <strong>des</strong> Buchhandels,<br />

erinnerte im Kriegsjahr 1942 zwar an die »großdeutsche<br />

Anlage« <strong>des</strong> Börsenvereins, fand aber<br />

nun, dass sein früherer Arbeitgeber »<strong>als</strong> ein bürgerlicher<br />

Verein alten stils für die lösung aller<br />

Aufgaben und namentlich der brennendst gewordenen«<br />

nicht mehr ausreiche, 4 und sprach<br />

ungeniert von einem erneuerten »europäischen<br />

Buchhandel unter deutscher führung«. 5<br />

tatsächlich hatte sich im Verlauf <strong>des</strong> Zweiten<br />

Weltkriegs das Geschäftsgebiet <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong><br />

Buchhandels auf ganz europa ausgedehnt.<br />

reichsdeutsche Verlage ließen ihre Bücher in<br />

besetzten ländern wie den niederlanden, frankreich,<br />

Belgien und den baltischen Gebieten<br />

produzieren. 6 ein netz von zentral geführten,<br />

stationären ›frontbuchhandlungen‹, betreut von<br />

buchhändlerisch ausgebildeten Angehörigen der<br />

Wehrmacht, später auch von Buchhändlerinnen,<br />

überzog europa – 98 filialen waren es ende<br />

1943. deutsche Verlagsgründungen, Kooperationen<br />

und Beteiligungen im Ausland 7 entstanden<br />

unter dem schirm <strong>des</strong> Besatzungsregimes der<br />

Wehrmacht. in frankreich bediente man sich<br />

der firma hachette für die distribution deutscher<br />

Bücher. der Volk und reich Verlag, der<br />

der ss zugerechnet wurde, firmierte in Berlin,<br />

Amsterdam, Prag und Wien. Aber nach Kriegsende<br />

hatte sich nicht nur für dieses Buchhandelsunternehmen<br />

alles geändert. Berlin war nicht<br />

mehr die hauptstadt <strong>des</strong> Groß<strong>deutschen</strong> reichs,<br />

sondern eine eroberte stadtruine, das besetzte<br />

Amsterdam wieder frei, Prag nicht mehr der sitz<br />

<strong>des</strong> reichsprotektors von Böhmen und mähren,<br />

sondern die hauptstadt eines wiederhergestellten<br />

tschechoslowakischen staates, Wien nicht<br />

mehr ns-Gauhauptstadt, sondern Gründungsort<br />

der zweiten republik Österreichs. frankreich<br />

gehörte zu den siegermächten. in Oslo,<br />

riga und Warschau gab es keine <strong>deutschen</strong> uniformen<br />

mehr. Breslau und Königsberg standen<br />

unter fremder Verwaltung. rest- deutschland<br />

war in vier Besatzungszonen aufgeteilt, die<br />

durchaus unterschiedlichen politischen Programmen<br />

folgten. das logistische Buchhandelszentrum<br />

in leipzig, bald sowjetische Besat-


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

zungszone, war im luftkrieg nachhaltig zerstört<br />

worden. der alliierte Kontrollrat verlangte die<br />

»Vernichtung der bestehenden übermäßigen<br />

Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt<br />

insbesondere durch Kartelle, syndikate, trusts<br />

und andere monopolvereinigungen«. 8<br />

trotz allem: erste überlegungen für eine<br />

»demokratische erneuerung deutschlands«<br />

setzten die einheit <strong>des</strong> lan<strong>des</strong> voraus. das galt<br />

vor allem für den Kulturbund gleichen namens<br />

(erster Präsident: Johannes r. Becher), der im<br />

Westen bald unter politischen Generalverdacht<br />

geriet und dort verboten wurde. einige westdeutsche<br />

Verleger, so zum Beispiel ernst rowohlt,<br />

lambert schneider oder curt Weller,<br />

standen ihm nahe. in Buchhandelskreisen interessierte<br />

man sich vor allem für die Wiederherstellung<br />

alter einrichtungen. in leipzig und<br />

Wiesbaden wurden Bemühungen um einen erneuerten<br />

Börsenverein und die fortsetzung <strong>des</strong><br />

<strong>Börsenblatt</strong>s gleichzeitig betrieben. in allen<br />

Zonen erhielten alte Verlagsunternehmen neue<br />

lizenzen. unmittelbar nach dem ende der<br />

reichsschrifttumskammer konnte ein fachmann<br />

wie horst Kliemann ernsthaft für die<br />

Wiedereinführung zentraler regulierungs-<br />

systeme plädieren, und im Auftrag der liberaldemokratischen<br />

Partei erklärte Wilhelm Goldmann<br />

– leipzig, im herbst 1945 – die »unentbehrlichkeit<br />

der Privatverlage für den neuaufbau<br />

<strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Kulturlebens«.<br />

nutznießer <strong>des</strong> alten regimes wie Wilhelm<br />

Andermann oder Kurt <strong>des</strong>ch nahmen scheinbar<br />

übergangslos ihr Verlagsgeschäft wieder auf. im<br />

frühjahr 1947 fanden offizielle tagungen zum<br />

gesamt<strong>deutschen</strong> Buchverkehr in Bielefeld und<br />

leipzig statt, und noch im sommer 1947 veranstaltete<br />

der magistrat von Groß-Berlin, in Verbindung<br />

mit der Berliner Verleger- und Buchhändlervereinigung<br />

und unter dem Patronat der<br />

Britischen militärregierung, eine ›deutsche<br />

Buchausstellung‹ mit umfangreichem rahmenprogramm,<br />

die <strong>als</strong> ›demonstration für die einheit<br />

deutschlands‹ zu verstehen war. 400 Verleger<br />

aus allen Besatzungszonen nahmen an der<br />

Ausstellung teil. 9 eine ›tagung aller <strong>deutschen</strong><br />

Buchhandelsorganisationen‹ fand gleichzeitig<br />

statt. Auch von europa war wieder die rede.<br />

Wollte man zurück in die einheit, und wenn ja,<br />

in die einheit welcher Vorkriegszeit? Oder ging<br />

es, nach der Gründung einer englisch-amerikanischen<br />

›Bizone‹, nur noch um die einheit <strong>des</strong><br />

Westens? das schisma hatte sich ja schon angekündigt,<br />

<strong>als</strong> die us-Armee 1945 bei ihrem Abzug<br />

aus leipzig wichtiges Personal und die notwendigsten<br />

Akten für ein buchhändlerisches<br />

Gegenzentrum nach Wiesbaden transportierte.<br />

den siegermächten war jedenfalls sehr früh klar<br />

geworden, dass die teilung nicht das Problem,<br />

sondern die lösung war. 10 Also hieß das historische<br />

Programm nicht Vereinigung, sondern<br />

teilung: Währungsreform 1948, Gründung<br />

zweier deutscher staaten 1949. Zwei Börsenvereine,<br />

zwei Börsenblätter, zwei nationalbibliotheken,<br />

zwei Bibliografien, zwei Buchmärkte.<br />

und: das ende der gesamt<strong>deutschen</strong> illusion.<br />

Wenn man die vorangegangene Katastrophe<br />

im Kopf hat, wird man von der teilung deutschlands<br />

und seiner einst hochgeschätzten Buchhandelsorganisation<br />

ohne f<strong>als</strong>ches Pathos, ohne<br />

billigen Vorwurf an die siegermächte und ohne<br />

Gewinnerpose reden müssen, um zu einsichten<br />

zu kommen.<br />

Teilung <strong>als</strong> Zustand<br />

die teilung kam nicht über nacht. in den frühen<br />

nachkriegsjahren waren alle Zonengrenzen<br />

– auch die Grenze zwischen der amerikanischen<br />

und der britischen Zone – höchst lästige Barrieren<br />

für den Personenverkehr, den Waren- und<br />

Geldtransfer und die Post- und telefonverbindungen,<br />

aber mehr ein praktisches, <strong>als</strong> ein politisches<br />

Problem. im ersten leipziger nachkriegs-<strong>Börsenblatt</strong><br />

werden die ›Versendungsmöglichkeiten‹<br />

in die West-Zonen, so beschränkt<br />

sie waren (»Kreuzbänder bis 500g«),<br />

ausdrücklich aufgeführt. 11 Viele West-Verlage<br />

bemühten sich bald nach der lizenzerteilung<br />

um niederlassungen in anderen Besatzungs-<br />

zonen, um das Vertriebsgebiet zu erweitern. 12<br />

19


Buchhandel<br />

20<br />

Während in Berlin noch der Anschein einer<br />

Kommunikation unter interalliierter Kontrolle<br />

aufrecht erhalten wurde, gelang es lediglich dem<br />

rowohlt Verlag, in allen vier Besatzungszonen<br />

– nämlich auch im sowjetischen sektor von Berlin<br />

– lizenzen zu erhalten, sogar eine Verbindung<br />

mit dem Aufbau-Verlag im Osten der<br />

stadt erschien dam<strong>als</strong> wünschenswert und<br />

denkbar. 13 die späteren Bemühungen Walter<br />

Jankas, mit unterstützung von rowohlt in<br />

hamburg eine niederlassung <strong>des</strong> Ost-Berliner<br />

Verlages zu errichten, scheiterten dann bereits<br />

am Veto ulbrichts, der keinen Präzedenzfall<br />

schaffen wollte. 14 denn: seit dem Juni 1945, <strong>als</strong><br />

die amerikanische Besatzungsmacht den transfer<br />

von leipzig nach Wiesbaden organisiert hatte,<br />

war eigentlich erkennbar, dass die Westgrenze<br />

der sowjetischen Besatzungszone <strong>als</strong> Grenze<br />

zweier konkurrierender Weltsysteme in mitteleuropa<br />

eine besondere qualität erlangen würde.<br />

15 das sah auch ein deutscher Akteur wie Georg<br />

Kurt schauer, dem »klar war, dass sich der<br />

Westen buchhändlerisch selbständig machen<br />

müsse«, unabhängig von leipzig, »das inzwischen<br />

ja russisch geworden war«. 16 in leipzig<br />

hingegen hatte sich die neugründung und lizenzierung<br />

<strong>des</strong> alten Börsenvereins hingezogen,<br />

die smAd war grundsätzlich gegen jede Zentralorganisa-tion,<br />

zudem galt der unternehmer-<br />

Verband bei den funktionären der KPd/sed <strong>als</strong><br />

›interessenvertretung kapitalistischer interessen‹.<br />

erst eine veränderte satzung, sowie das<br />

dringende interesse der leipziger stadtverwaltung<br />

an der Aufrechterhaltung <strong>des</strong> standorts<br />

von Buchgewerbe, messe und deutscher Bücherei<br />

(nicht zuletzt im besorgten Blick auf die<br />

Berliner Zentralverwaltung), und schließlich die<br />

Konkurrenzanstrengungen der West-Zonen<br />

veranlassten die militärregierung zum einlenken:<br />

Am 21. Juni 1946 erteilte sie die erlaubnis<br />

zur Wiederaufnahme der tätigkeit <strong>des</strong> leipziger<br />

Börsenvereins. 17<br />

unter solchen umständen wurden bis 1948<br />

alle Versuche, die wenigen noch offenen Verbindungswege<br />

zu nutzen und Buchhandelsgeschäfte<br />

über die Ost-West-Grenze hinweg ab-<br />

zuwickeln, auf beiden seiten mit wachsendem<br />

offiziellem misstrauen verfolgt. trotzdem<br />

konnte der münchner Verleger Willi Weismann<br />

in dieser übergangszeit die bestehenden praktischen<br />

wie politischen hindernisse umgehen<br />

und im Osten drucken lassen, konnte der insel<br />

Verlag in Wiesbaden lieferungen aus leipzig<br />

beziehen und der springer Verlag in West-Berlin<br />

alte Aufträge aus seinen ost<strong>deutschen</strong> druckereien<br />

abrufen, während leipziger Kommissionäre<br />

noch an westdeutsche Buchhändler lieferten.<br />

18 Jedenfalls scheint es so, <strong>als</strong> hätten die gemeinsam<br />

erfahrenen Kriegsfolgen, die alten<br />

Kollegenbekanntschaften und schließlich die<br />

ressentiments gegenüber dem Besatzungsregime<br />

für eine Weile noch eine labile Grundlage<br />

für diskrete Beziehungen unter <strong>deutschen</strong> Buchhändlern<br />

und Verlegern in Ost und West abgegeben,<br />

während eine berufsständische Gemeinsamkeit<br />

sich schon auf zwei mythen gründete:<br />

Auf den mythos der Buchstadt leipzig, und auf<br />

den der Jungbuchhandelsbewegung aus Weimarer<br />

Zeit. 19<br />

die veröffentlichte Verlagskorrespondenz<br />

der ersten nachkriegszeit zeigt, dass über den<br />

Zustand der teilung zunächst noch weitgehende<br />

unklarheit herrschte. Zum Beispiel Kiepenheuer:<br />

»Wir haben im Westen mit vorläufiger domizilierung<br />

in hagen eine von der Weimarer<br />

firma unabhängige neue Gesellschaft gegründet«,<br />

schreibt der aus der sowjetzone geflüchtete<br />

Bibliothekar und nun Verleger Joseph caspar<br />

Witsch an den Kollegen eugen claassen im dezember<br />

1948. Aus den »alten Kiepenheuerrechten«<br />

soll wieder aufgelegt werden, »was<br />

uns wünschenswert oder nützlich erscheint«,<br />

während der Gustav Kiepenheuer Verlag in<br />

Weimar <strong>als</strong> sterben<strong>des</strong> unternehmen angesehen<br />

wird. 20 Bestehende Autorenbeziehungen werden<br />

dabei gering geachtet, wie im fall der new Yorker<br />

Aurora-Bücherei, die kurzerhand von Aufbau<br />

<strong>als</strong> lizenz in Anspruch genommen wird.<br />

den exilierten Autoren geht es naturgemäß um<br />

Verbreitung in allen Zonen deutschlands, die<br />

zurück gekehrte Anna seghers operiert <strong>des</strong>halb<br />

zwischen dem Aufbau-Verlag in Ost-Berlin,


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

dem Verlag curt Weller am Bodensee und dem<br />

querido-Verlag in Amsterdam. noch fühlen<br />

sich alle diese Verlage <strong>als</strong> mögliche Konkurrenten<br />

auf einem vermuteten gemeinsamen<br />

markt. heinrich maria ledig rowohlt, 1946<br />

noch in stuttgart, lässt um Bücher aus dem<br />

»neiderregenden Prospekt <strong>des</strong> Aufbau-Verlages«<br />

bitten. 21 der Vater wird später in seinen<br />

›Ostkontakten‹ noch weiter gehen und damit<br />

seine Partner verärgern. 22<br />

erst die beiderseitige staatsgründung von<br />

1949 beendet diese improvisationen. in der ddr<br />

nimmt die ideologisch-bürokratische Organisation<br />

<strong>des</strong> Buchwesens ihren lauf. Verbote, überwachungen<br />

und Kontrollen <strong>des</strong> Bücherverkehrs<br />

garantieren beiderseits die Grenzziehung. der<br />

stetige Ausbau der ost<strong>deutschen</strong> Post- und Zollkontrolle<br />

von Zeitschriften- und Büchersendungen,<br />

später perfektioniert in der Abteilung<br />

m <strong>des</strong> ministeriums für staatssicherheit der<br />

ddr, 23 gehört ebenso dazu, wie die Kontrolle in<br />

den Post- und Zollämtern der Bun<strong>des</strong>republik. 24<br />

›staatsschutz‹ spielte eine rolle bei den sanktionen<br />

gegen Willi Weismann, nachrichtendienstlich<br />

motiviert war die Verhaftung <strong>des</strong> aus der<br />

ddr angereisten Verlagsleiters, schriftstellers<br />

und Kulturfunktionärs Günther hofé beim Besuch<br />

der frankfurter Buchmesse am 6. Oktober<br />

1963, die, zunächst zum öffentlichen fall gemacht<br />

und im Bun<strong>des</strong>kabinett erörtert, am 24.<br />

August 1964 ohne weiteres Verfahren durch<br />

freilassung im Austausch endete. 25 Kontakte<br />

und telefonate von west<strong>deutschen</strong> Aussteller<br />

auf der leipziger Buchmesse wurden überwacht,<br />

ihre exponate unterlagen der inhaltlichen<br />

›Zollkontrolle‹.<br />

natürlich wirkte sich der nicht erklärte Krieg<br />

auch in der Publizistik selbst aus. Getarnte und<br />

ungetarnte Propagandaschriften erschienen auf<br />

beiden seiten, mit deren übermittlern beschäftigten<br />

sich die Gerichte und sicherheitsdienste. 26<br />

emphatisch waren die öffentlichen Auseinandersetzungen<br />

zwischen Autoren, der Brief, den<br />

Günter Grass nach dem mauerbau 1961 an Anna<br />

seghers schrieb, ist das prominenteste Beispiel<br />

solcher Polemik, noch im selben Jahr er-<br />

schien er in einer sammlung entsprechender<br />

texte, die <strong>als</strong> rowohlt-taschenbuch Aufsehen<br />

erregte (›die mauer oder der 13. August‹).<br />

die Zweiteilung deutschlands schuf aber<br />

nicht nur einen politischen Kampfplatz, sondern<br />

zugleich auch ein ökonomisches Problemfeld,<br />

sie spaltete den nach 1945 räumlich verkleinerten<br />

Gesamtmarkt für deutsche Bücher noch<br />

einmal in zwei ungleiche teile, die von- einander<br />

durch unterschiedliche Währungen, Produktionsweisen,<br />

distributionswege und Auslandsbeziehungen<br />

getrennt waren. es kam hinzu, dass<br />

viele privatwirtschaftliche Buchhandelsunternehmen<br />

ihren traditionellen sitz in Ostdeutschland<br />

aufgeben mussten. Während es 1959 immerhin<br />

noch 2.000 private Buchhandlungen in<br />

der ddr gab, die noch nicht vom staatlichen<br />

Volksbuchhandel verdrängt worden waren, 27<br />

und während ab 1946 neben den staatlichen<br />

neugründungen dort auch wichtige Privatverlage<br />

lizenziert worden waren (nicht zuletzt, um<br />

deren Abwanderung in den Westen zu verhindern,<br />

wo ihnen wie befürchtet lizenzen ›in beliebigem<br />

umfang‹ winkten), 28 nahm die Zahl der<br />

enteigneten, unter treuhandverwaltung gestellten<br />

oder durch staatliche Auflagen oder durch<br />

amtlichen druck aus dem land verdrängten<br />

Alt-Verlage bald zu. insoweit deren inhaber in<br />

der Bun<strong>des</strong>republik neue firmen unter dem altem<br />

namen gründeten, entstanden doppelverlage,<br />

die ein beträchtliches urheber- und gesellschaftsrechtliches<br />

Konfliktpotential entwickelten<br />

und zusammen mit der gleichzeitigen<br />

Zweiteilung von Börsenverein, <strong>Börsenblatt</strong>,<br />

Buchmesse und nationalbibliothek die Konfrontation<br />

der beiden Buchhandelssysteme mit<br />

zusätzlichen emotionen aufluden. nur wenigen<br />

betroffenen unternehmen, wie dem Wissenschaftsverlag<br />

Gustav fischer in stuttgart und<br />

Jena, den firmen VeB Bibliographisches institut<br />

in leipzig und Bibliographisches institut AG in<br />

mannheim oder dem insel Verlag in Wiesbaden<br />

und leipzig, gelang es, die lange trennungsphase<br />

in begrenztem einvernehmen zu überstehen.<br />

Besondere Verhältnisse ergaben sich im Antiquariatsbuchhandel.<br />

Während in der ersten<br />

21


Buchhandel<br />

22<br />

nachkriegszeit Geschäfte mit antiquarischen<br />

Beständen oft unter der hand betrieben wurden,<br />

waren import und export in der späteren<br />

ddr zentral geregelt. das dringende interesse<br />

an exporterlösen führte dabei allerdings zu einer<br />

forcierten Ausfuhr, sodass hier von einem<br />

bilateralen Austausch nicht geredet werden<br />

kann. 29 Ab 1959 war das Zentralantiquariat der<br />

ddr – ursprünglich <strong>als</strong> Abteilung der firma<br />

Buchexport hervorgegangen aus K. f. Koehlers<br />

Antiquarium in leipzig und nun teil <strong>des</strong> Volksbuchhandels<br />

– mit dem export antiquarischer<br />

literatur in das »nicht-sozialistische Wirtschaftsgebiet«<br />

betraut. im innenverkehr der<br />

ddr bestanden weiterhin auch private Antiquariatsgeschäfte.<br />

Verbindung durch Verfahren.<br />

Bilateraler Handelsverkehr<br />

Keine Grenze ist einseitig, übergänge sind zwar<br />

ausdrücklich <strong>als</strong> Orte staatlicher hoheits-Akte<br />

hervorgehoben, dienen aber auch dem kontrollierten<br />

interessenausgleich. so wurden sehr bald<br />

administrative Verfahren entwickelt, um einen<br />

begrenzten Bücherverkehr im politisch wie monetär<br />

zweigeteilten deutschland unter beiderseitiger<br />

Kontrolle der Warenströme wie der inhalte<br />

aufrecht zu erhalten. 30 die strikt gehandhabte<br />

behördliche Organisation <strong>des</strong> bilateralen<br />

handelsverkehrs verbietet es, dieses ›loch in<br />

der mauer‹ <strong>als</strong> eine geheime und subversive<br />

›durchreiche‹ anzusehen, allerdings fanden<br />

sicherheitsbehörden immer wieder Anlass, den<br />

damit verbundenen informationsaustausch und<br />

Personenverkehr zu beanstanden und zu behindern.<br />

die motive für den im volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtvolumen bescheidenen grenzüberschreitenden<br />

handelsverkehr mit Büchern<br />

und Zeitschriften waren unterschiedlich: neben<br />

wirtschaftlichen interessen ist ein mischung von<br />

Gründen auf beiden seiten erkennbar. dem<br />

Osten waren einerseits Valuta-einkünfte hochwillkommen,<br />

andererseits gab es aber auch ein<br />

Bedürfnis nach kultureller Außendarstellung<br />

durch literatur, Wissenschaft und Buchkunst.<br />

den westlichen Partnern erbrachte der literaturverkehr<br />

nicht nur erwünschte nebenrechtseinnahmen<br />

und, anfangs jedenfalls, preiswerte<br />

druckleistungen im Gegengeschäft, sondern<br />

auch einen Zuwachs an Wirkung und Präsenz<br />

im nachbarland, einer Präsenz, die von Autoren<br />

und Verlegern nicht selten <strong>als</strong> hebelkraft im<br />

Binnenverkehr genutzt wurde. für freiberufliche<br />

schriftsteller in der ddr bedeutete die westdeutsche<br />

Verlagsbeziehung oft einen Verhandlungsvorteil<br />

im eigenen land, und im Konfliktfall<br />

eine existenzgrundlage beim langfristigen oder<br />

dauerhaften Aufenthalt in der Bun<strong>des</strong>republik.<br />

die Wege dieses interzonalen Bücherverkehrs<br />

liefen über verschiedene stationen:<br />

1 über das sogenannte clearing zwischen<br />

west<strong>deutschen</strong> Kommissionären, die<br />

sich auf diesen handelsverkehr spezia-<br />

lisierten, und der Buchexport-Gmbh<br />

der ddr, wobei Verrechnungseinheiten<br />

den baren Zahlungssausgleich ersetzten.<br />

2 über Kompensationsvereinbarungen zwi-<br />

schen einzelnen Verlagen, <strong>als</strong>o über den<br />

wechselseitigen Bezug von teilauflagen<br />

oder Zeitschriften-Abonnements oder die<br />

lieferung gegen druckaufträge.<br />

3 ein direkter Warenbezug durch die staatli -<br />

chen einkaufstellen der ddr setzte im<br />

Allgemeinen die teilnahme <strong>des</strong> west-<br />

<strong>deutschen</strong> Verlags an der leipziger<br />

Buchmesse voraus. hier wurden feste<br />

Budgets für den Bezug westlicher Ver-<br />

lagswerke durch die zentrale Außen-<br />

handelsfirma Buch-export festgelegt<br />

und die west<strong>deutschen</strong> Ausstellungsexem-<br />

plare gleich übernommen. dies war das<br />

einzige unmittelbare und natürlich<br />

nicht kostendeckende messegeschäft,<br />

trotzdem kamen westdeutsche Ausstel-<br />

ler regelmäßig nach leipzig, um die Ost-<br />

beziehungen zu pflegen.


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

Angesichts der seit 1948 inkompatiblen Währungen<br />

musste die handelsbilanz möglichst ausgeglichen<br />

bleiben, das erreichte man ab 1950<br />

durch zwischenstaatliche Abkommen, in denen<br />

bestimmte quoten für Bücher und Zeitschriften<br />

ausgehandelt und festgesetzt wurden. über die<br />

Jahre hinweg war der ›interzonenhandel‹ – nicht<br />

nur der mit druckerzeugnissen – der einzige<br />

Kommunikationskanal zwischen beiden staaten,<br />

fachleute <strong>des</strong> ddr-ministeriums für Außenhandel<br />

und inner<strong>deutschen</strong> handel konferierten<br />

hier in aller stille mit solchen der westlichen<br />

treuhandstelle für den interzonenhandel<br />

(tatsächlich <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>wirtschaftsministeriums).<br />

im übrigen konnte man in der ddr West-<br />

Bücher aus dem sogenannten ›tanten-export‹,<br />

<strong>als</strong>o aus west<strong>deutschen</strong> Geschenksendungen,<br />

oder aus der ›mitnahme‹ von Ausstellungsexemplaren<br />

auf der leipziger Buchmesse erlangen,<br />

umgekehrt gab es für westdeutsche Besucher die<br />

möglichkeit zu Bücher-einkäufen in umgetauschter<br />

lan<strong>des</strong>währung. mit zunehmenden<br />

schwierigkeiten der termin- und qualitätskontrolle<br />

in der Polygrafie der ddr wurde zwischen<br />

Verlagen der materialfreie Austausch von Vertriebslizenzen<br />

immer beliebter, im laufe der<br />

Zeit entstanden dabei lose Partnerschaften. solche<br />

lizenzausgaben ließen sich gut in das eigene<br />

Angebot der lizenznehmenden Verlage integrieren,<br />

31 während Originalausgaben der jeweils anderen<br />

seite, wie immer sie ins land gekommen<br />

waren, eher <strong>als</strong> eine Art politischen Gefahrguts<br />

angesehen wurden.<br />

interessanter noch <strong>als</strong> die mengen sind die<br />

inhalte der grenzüberschreitenden drucksachen<br />

und deren rezeption. Wie zumeist, stand dabei<br />

die Belletristik im Zentrum der Aufmerksamkeit.<br />

die namen vieler schriftsteller, deren<br />

Werke auf diese Weise ins nachbarland gelangten,<br />

wobei nicht wenige ostdeutsche Autoren<br />

ihren Werken folgten, können aber die tatsache<br />

nicht verdecken, dass ein erheblicher teil<br />

der Bücher und Zeitschriften nicht der schönen<br />

literatur, sondern den wissenschaftlichen und<br />

technischen sachgruppen zuzuordnen war. das<br />

galt vor allem für den Zeitschriftenaustausch,<br />

schließt aber nicht aus, dass einzelne fachbuchtitel<br />

in größerer stückzahl über die Grenze<br />

transportiert wurden, sei es im interzonenhandel,<br />

sei es <strong>als</strong> lizenzausgaben. ein bekanntes<br />

Beispiel ist das ›taschenbuch der mathematik<br />

für ingenieure und studenten der technischen<br />

hochschulen‹ von Bronstein/semendjajew,<br />

1958 bei B. G. teubner in leipzig erstm<strong>als</strong> <strong>als</strong><br />

übersetzung aus dem russischen erschienen,<br />

das in den folgenden Jahren in Zehntausenden<br />

von exemplaren in die Bun<strong>des</strong>republik geliefert<br />

wurde. umgekehrt war der ›dubbel‹, das bekannte<br />

taschenbuch für den maschinenbau, seit<br />

1949 wieder bei springer in Berlin aufgelegt, ein<br />

vielbenutztes Werk in der ddr.<br />

die sozialgeschichtliche Bedeutung und Wirkung<br />

<strong>des</strong> literaturaustauschs darf allerdings<br />

nicht überschätzt werden. An wissenschaftlicher<br />

und literarischer Kommunikation ist immer nur<br />

ein relativ kleiner teil der Bevölkerung beteiligt<br />

und interessiert, wer im Osten dazu gehörte, sah<br />

sich oft genug in der rolle <strong>des</strong> ›heimlichen lesers‹.<br />

eine jahrzehntelange unterbrechung der<br />

Alltagsverbindungen, die entwicklung unterschiedlicher<br />

formen von Arbeitsorganisation,<br />

Verwaltung, lebenshaltung, Geldwirtschaft,<br />

mode, Alters- und Gesundheitsfürsorge führten<br />

zu einer entfremdung und entfernung der lebenswelten<br />

in Ost- und Westdeutschland, die<br />

durch lektüre und (beschränkte) mediennutzung<br />

nicht aufzuheben war und auch nach ende<br />

der trennung nicht einfach entfiel. fotodokumentationen<br />

aus der untergegangenen <strong>deutschen</strong><br />

demokratischen republik, die nach 1990<br />

erschienen, zeigen den west<strong>deutschen</strong> Betrachtern<br />

ein weithin frem<strong>des</strong>, oft genug befremdliches<br />

und seltsam zeitentrücktes Bild. 32<br />

daran konnte auch die private und im laufe<br />

der Jahrzehnte zunehmende Kontaktaufnahme<br />

der literarischen intelligenz nichts ändern. 33 sie<br />

beschränkte sich auf das feld der literatur und<br />

literaturproduktion, bewirkte hier allerdings<br />

einen grenzüberschreitenden, von sicherheitsorganen<br />

beobachteten diskurs, der sich mehr<br />

und mehr durch sachlichkeit auszeichnete und<br />

innerhalb der gebotenen schranken auch Ver-<br />

23


Buchhandel<br />

24<br />

trauensbeziehungen möglich machte. der<br />

Amtssitz und die residenz von Günter Gaus in<br />

Ost-Berlin waren dabei gern genutzte treffpunkte.<br />

Am leichtesten ist noch die institutionen-<br />

geschichte der teilung zu verfolgen. nach der<br />

Auflösung der Wiesbadener ›Zweigstelle‹ <strong>des</strong><br />

Börsenvereins der <strong>deutschen</strong> Buchhändler zu<br />

leipzig hatten sich von den lan<strong>des</strong>verbänden,<br />

die in den westlichen Zonen gebildet worden<br />

waren, 1948 zunächst nur die der amerikanischen<br />

und der britischen Zone zu einer Arbeitsgemeinschaft<br />

zusammen geschlossen, die<br />

sich dann ›Börsenverein deutscher Verleger-<br />

und Buchhändler-Verbände‹ nannte und ab 1949<br />

auch die französische Zone sowie ab 1950 die<br />

West-sektoren von Berlin einschloss. erst mit<br />

der neuen satzung von 1955 gab es in frankfurt<br />

formell einen ›Börsenverein <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong><br />

Buchhandels‹ und mit dem seit 1946 tätigen<br />

Börsenverein der <strong>deutschen</strong> Buchhändler zu<br />

leipzig zwei in ihrem jeweiligen staatsgebiet<br />

flächendeckende und zentrale, ihrer struktur<br />

und politischen Zielsetzung nach aber unterschiedliche<br />

Verbände. deren Verkehr war nicht<br />

allein durch den erbstreit von 1945 belastet.<br />

Während der frankfurter Verein mit der größeren<br />

firmenzahl auch den größeren Binnenmarkt<br />

vertrat und seine mitglieder sich bald den Zugang<br />

zum westeuropäischen und dann auch<br />

transatlantischen markt erschließen konnten,<br />

war der leipziger Verein auf sein kleineres territorium<br />

und auf einen planwirtschaftlich regulierten<br />

Buchmarkt beschränkt. es kam hinzu,<br />

dass die Organisationskraft und politische<br />

durchsetzungsfähigkeit <strong>des</strong> Verbands in frankfurt<br />

schnell wuchs, während in leipzig ein großer<br />

teil der früheren Kompetenzen auf zentrale<br />

Behörden in Berlin übergegangen war, dem sitz<br />

auch der großen Verlagsneugründungen.<br />

Von einer wirklichen Zusammenarbeit der<br />

beiden ungleichen Verbände konnte auf lange<br />

Zeit keine rede sein. 34 der interzonenhandel<br />

war ihrer Zuständigkeit entzogen, die einrichtung<br />

einer gemeinsamen Vergabe von isBnnummern<br />

bedurfte jahrelanger Verhandlungen,<br />

die regeln der teilnahme an den Buchmessen in<br />

frankfurt und leipzig führten zu schweren<br />

Auseinandersetzungen, die ursprünglich auf<br />

initiative <strong>des</strong> Börsenvereins in leipzig begründete<br />

bibliografische und bibliothekarische informationszentrale<br />

in Gestalt der <strong>deutschen</strong><br />

Bücherei hatte in der <strong>deutschen</strong> Bibliothek in<br />

frankfurt ihr Gegenstück erhalten. erst die<br />

unterzeichnung <strong>des</strong> Kulturabkommens zwischen<br />

beiden <strong>deutschen</strong> staaten von 1986 schuf<br />

den rahmen einer vorsichtigen Kooperation,<br />

die sich vor allem in der lange geplanten Organisation<br />

wechselseitiger repräsentativer Buchausstellungen<br />

verwirklichte, verhandelt von den<br />

Vorstehern Jürgen Gruner und Günther christiansen,<br />

35 eine Kooperation, die bald von der fusion<br />

der beiden Verbände überholt wurde. sitz<br />

<strong>des</strong> vereinigten Börsenvereins wurde frankfurt<br />

am main, das auf dem Grundstück <strong>des</strong> alten<br />

Vereins neu erbaute und 1996 eröffnete haus<br />

<strong>des</strong> Buches in leipzig dient, nach der lösung<br />

erheblicher finanzierungsprobleme durch den<br />

Börsenverein, lokalen Zwecken. 36<br />

Zwischenbilanz<br />

eigentlich gab es nur schwierigkeiten. der literarische<br />

Warenverkehr zur Zeit der <strong>deutschen</strong><br />

teilung erscheint bestimmt durch eine unauflösliche<br />

Vermischung von politischen, ökonomischen<br />

und publizistischen interessen, die das<br />

Prinzip der ›einheit von Kulturpolitik und<br />

Ökonomie‹, das in der ddr proklamiert, aber<br />

nie verwirklicht wurde, 37 deutlich dementiert<br />

und zugleich Züge einer systemkonkurrenz<br />

zeigt. Bei der unterschiedlichen Größe, Wirtschaftskraft<br />

und Bevölkerung beider Kontrahenten<br />

ergeben sich dabei ein asymmetrisches<br />

Bild und eine unausgeglichene Bilanz, die im<br />

Osten durchaus <strong>als</strong> solche empfunden wurde.<br />

Während die größere Bun<strong>des</strong>republik sehr auf<br />

die Vermeidung eines Preisdrucks durch größere<br />

einfuhrmengen achtete, war der kleinere<br />

Partner ddr besonders stark am export von<br />

leistungen und Produkten und damit an Valu-


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

ta-erlösen interessiert. die Konfrontation der<br />

Politik und der politischen Programme sowie<br />

die strittigen eigentumsverhältnisse an buchhändlerischen<br />

unternehmen in Ostdeutschland<br />

erwiesen sich zudem immer wieder <strong>als</strong> erhebliche<br />

störfaktoren im wechselseitigen Austausch.<br />

im übrigen ging die entwicklung der<br />

materiellen Buchproduktion mit unterschiedlicher<br />

Geschwindigkeit vonstatten. Während<br />

sich im Westen die grafische industrie automatisierte<br />

und rationalisierte, kämpfte sie im Osten<br />

mit materi<strong>als</strong>chwierigkeiten und mit der rückständigkeit<br />

der maschinenausstattung. (Klagen<br />

darüber nehmen bis 1989 eher zu <strong>als</strong> ab.) die<br />

Großhandelslogistik blieb dort ein anhalten<strong>des</strong><br />

Problem. 38 die Organisation <strong>des</strong> Verlagswesens<br />

folgte einem eher traditionellen, hierarchischen<br />

und bürokratischen schema, während im Westen<br />

absatzorientierte Verlagsgruppen ihre eigene<br />

dynamik entwickelten. eine soziologie <strong>des</strong><br />

lebenslaufs könnte zeigen, wie unterschiedlich<br />

sich die Profile der handelnden Personen auf<br />

beiden seiten vor allem in den frühen Jahren<br />

darstellten. Kein einfaches milieu für Vereinbarungen.<br />

Bei all diesen schwierigkeiten, ungleichzeitigkeiten<br />

und schwankungen sind umso mehr<br />

die ergebnisse einer immer wieder neu ansetzenden<br />

Zusammenarbeit zu notieren. das gilt<br />

vor allem für die Kooperation zwischen Verlagen<br />

beider seiten, sei es durch lizenzaustausch,<br />

sei es durch Kooperationen. herausragende<br />

Beispiele, zu denen auch die namen der Akteure<br />

genannt werden müssen: die 30bändige<br />

›Große kommentierte Berliner und frankfurter<br />

Ausgabe‹ der Werke Bertolt Brechts bei suhrkamp<br />

(siegfried unseld) und Aufbau (elmar faber),<br />

die ›Bibliothek <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts‹ bei c.<br />

h. Beck (ernst-Peter Wieckenberg <strong>als</strong> Programmleiter)<br />

und der Verlagsgruppe Kiepenheuer<br />

(roland links), 39 die doppelausgaben<br />

von nachschlagewerken in beiden Bibliographischen<br />

instituten (helmut Bähring war der<br />

höchst erfolgreicher leiter <strong>des</strong> gleichnamigen<br />

VeB in leipzig) oder die zahlreichen mappenwerke,<br />

Pressen-drucke und bibliophilen Aus-<br />

gaben, die im Zusammenwirken <strong>des</strong> Verlags<br />

Philipp reclam jun. in leipzig (hans marquardt<br />

<strong>als</strong> leiter und Kunstverständiger) und der<br />

Büchergilde Gutenberg in frankfurt (edgar<br />

Päßler) erschienen. 40 hier sind die umrisse einer<br />

ungeteilten Kulturlandschaft zu erkennen.<br />

Wenn auch der materielle Wert <strong>des</strong> lieferverkehrs<br />

mit Büchern zwischen den beiden <strong>deutschen</strong><br />

staaten volkswirtschaftlich nicht bedeutend<br />

war – der sogenannte ›innerdeutsche handel‹<br />

brachte es 1987 auf Bezüge von nicht einmal<br />

25 millionen und auf lieferungen von knapp 14<br />

millionen Verrechnungseinheiten in der Bun<strong>des</strong>republik<br />

(die differenz wurde durch Zeitschriftenlieferungen<br />

ausgeglichen), der Austausch<br />

von lizenzen bewegte sich hin wie her<br />

um die zweihundert Vorgänge – so war die damit<br />

in Gang gesetzte Buch-medienkommunikation<br />

doch von weitreichender Wirkung. sie irritierte<br />

auf beiden seiten die Anwälte einer strikten<br />

Abgrenzung, aber sie trug zur relativierung<br />

fixer Vorstellungen vom jeweils anderen Kulturleben<br />

bei. Ohne die zögernde, aber unvermeidliche<br />

Öffnung <strong>des</strong> Westens nach Osten einerseits,<br />

ohne die mehr geduldete <strong>als</strong> gewünschte<br />

Öffnung <strong>des</strong> Ostens nach Westen andererseits,<br />

<strong>als</strong>o ohne diese doppelte herausforderung und<br />

Zumutung, hätte sich das deutsche selbstbewusstsein<br />

auf beiden seiten der Grenze noch<br />

provinzieller und eingeschränkter entwickelt,<br />

<strong>als</strong> es sowieso schon der fall war. die Probleme<br />

einer einigung nach 45 Jahren der teilung wären<br />

noch erheblich größer gewesen.<br />

der einigungsprozess selbst, <strong>als</strong>o die Zusammenführung<br />

der ungleichen teile <strong>des</strong> Buchhandels,<br />

bleibt ein thema für sich. 41 es wird allerdings<br />

im rahmen einer Geschichte der digitalisierung<br />

und internationalisierung <strong>des</strong> allumfassenden<br />

medienmarktes zu behandeln sein.<br />

Anmerkungen<br />

1 die richtungsweisende leipziger tagung <strong>des</strong> leipziger<br />

Arbeitskreises zur Geschichte <strong>des</strong> Buchwesens<br />

von 1996 (das loch in der mauer. der innerdeutsche<br />

literaturaustausch. hrsg. mark lehmstedt und siegfried<br />

lokatis [schriften und Zeugnisse zur Buchge-<br />

25


Buchhandel<br />

26<br />

schichte Band 10]. Wiesbaden: harrassowitz 1997)<br />

mit Beiträgen ost- und westdeutscher Wissenschaftler<br />

und Zeitzeugen führte erstm<strong>als</strong> zu übergreifenden<br />

fragestellungen. siehe insgesamt Konrad h. Jarausch:<br />

»die teile <strong>als</strong> Ganzes erkennen.« Zur integration der<br />

beiden <strong>deutschen</strong> nachkriegsgeschichten, in: Zeithistorische<br />

forschungen, Online-Ausgabe, 1 (2004)<br />

heft 1, www.zeithistorische-forschungen.de/ 16126041<br />

-Jarausch-1-2004 (16. september 2011).<br />

2 charles s. maier: das Verschwinden der ddr und<br />

der untergang <strong>des</strong> Kommunismus. frankfurt am<br />

main 2000.<br />

3 stanley unwin: das wahre Gesicht <strong>des</strong> Verlagsbuchhandels.<br />

stuttgart 1927, s. 207.<br />

4 Gerhard menz: der deutsche Buchhandel. 2., durchgesehene<br />

und vermehrte Aufl. Gotha 1942, s. 180.<br />

5 Gerhard menz: der europäische Buchhandel seit dem<br />

Wiener Kongreß. Würzburg 1941 (das Buch im Kulturleben<br />

der Völker, hrsg. von Prof. dr. Gerhard<br />

menz, Bd. 1), s. 162.<br />

6 Vgl. hierzu und im folgenden hans-eugen Bühler in<br />

Verbindung mit edelgard Bühler: der fontbuchhandel<br />

1939–1945. Organisationen, Kompetenzen, Bücher.<br />

eine dokumentation. frankfurt am main 2002.<br />

7 Beispielsweise die Beteiligung <strong>des</strong> callwey-Verlegers<br />

Karl Baur an den rohrer-firmen in Brünn und Prag,<br />

siehe Karl Baur: Wenn ich so zurückdenke… ein<br />

leben <strong>als</strong> Verleger in bewegter Zeit. münchen 1985,<br />

s. 257–265.<br />

8 Zitiert nach stefan doernberg: die Geburt eines neuen<br />

deutschland 1945–1949. Berlin (Ost) 1959, s. 53.<br />

9 Vgl. monika estermann: nachrichten aus dem Zwischenreich.<br />

das neue Buch – ein Ausstellungskatalog<br />

von 1947. in: Parallelwelten <strong>des</strong> Buches. Beiträge zur<br />

Buchpolitik, Verlagsgeschichte, Bibliophilie und<br />

Buchkunst. hrsg. von monika estermann, ernst<br />

fischer und reinhard Wittmann. Wiesbaden 2008,<br />

s. 241–275.<br />

10 »that the only way to keep Germany from being the<br />

problem was to change the terms of the debate and<br />

declare it the solution« – tony Judt: Postwar. A history<br />

of europe since 1945. new York 2006, s. 128.<br />

11 <strong>Börsenblatt</strong> für den <strong>deutschen</strong> Buchhandel, 113. Jg.,<br />

nr.1/2 , leipzig, 25. August 1946, s. 6.<br />

12 hans Altenhein: Gründung 1947. der Aldus Verlag.<br />

in: Aus dem Antiquariat nf 7 (2009) s. 386–391. der<br />

Aldus Verlag in diez war eine filialgründung in der<br />

französischen Zone von Wolfgang Krüger in hamburg.<br />

13 ursula reinhold: rororo – Bücher für alle. in: unterm<br />

notdach. nachkriegsliteratur in Berlin 1945–<br />

1949. hrsg. von ursula heukenkamp. Berlin 1996,<br />

s. 201.<br />

14 carsten Wurm: der frühe Aufbau-Verlag 1945–1961.<br />

Konzepte und Kontroversen. Wiesbaden 1996,<br />

s. 182–185.<br />

15 … einer neuen Zeit Beginn. erinnerungen an die Anfänge<br />

unserer Kulturrevolution 1945–1949. hrsg.<br />

vom institut für marxismus-leninismus beim ZK der<br />

sed und vom Kulturbund der ddr. Berlin (Ost)<br />

1980.<br />

16 die unbefangenen Äußerungen stammen allerdings<br />

aus späterer Zeit: leipzig – Wiesbaden – frankfurt.<br />

ein Gespräch mit Professor dr. Georg Kurt schauer<br />

über die Anfänge <strong>des</strong> frankfurter <strong>Börsenblatt</strong>es. in:<br />

<strong>Börsenblatt</strong> für den <strong>deutschen</strong> Buchhandel – frankfurter<br />

Ausgabe – nr. 60 vom 30. Juli 1974, s. 1238–<br />

1241, hier s. 1238 f.; siehe auch ders.: erinnerungen<br />

an meine <strong>Börsenblatt</strong>-Zeit: 1. Juni 1945 bis 1. Oktober<br />

1948. in: Buchhandelsgeschichte 2/5, <strong>Börsenblatt</strong><br />

für den <strong>deutschen</strong> Buchhandel – frankfurter Ausgabe<br />

– nr. 31 vom 11. April 1980, B 267–275.<br />

17 siehe dazu reimar riese: der Börsenverein in der sowjetischen<br />

Besatzungszone und in der <strong>deutschen</strong><br />

demokratischen republik. in: der Börsenverein <strong>des</strong><br />

<strong>deutschen</strong> Buchhandels 1825–2000. ein geschichtlicher<br />

Aufriss. hrsg. im Auftrag der historischen<br />

Kommission von stephan füssel… frankfurt am<br />

main 2000, s. 118–160.<br />

18 heinz sarkowski: die Anfänge <strong>des</strong> deutsch-<strong>deutschen</strong><br />

Buchhandelsverkehrs (1945–1955). in: das<br />

loch in der mauer (Anm. 1), s. 89–108, hier s. 92 f.<br />

19 harry fauth: Zur Geschichte <strong>des</strong> Jungbuchhandels in<br />

deutschland 1923 bis 1933. in: Beiträge zur Geschichte<br />

<strong>des</strong> Buchwesens. Bd. iV. leipzig 1969, s.<br />

163–187.<br />

20 Joseph caspar Witsch: Briefe 1948–1967. hrsg. von<br />

Kristian Witsch. Köln 1977, s. 17.<br />

21 A. a. O., s. 221 f.<br />

22 100 Jahre rowohlt. eine illustrierte chronik. reinbek<br />

2008, s. 198 f.<br />

23 hanna labrenz-Weiss: Abteilung m. in: mfs-handbuch<br />

teil iii/19. Berlin 2005.<br />

24 das ›Gesetz zur überwachung strafrechtlicher und<br />

anderer Verbringungsverbote‹ von 1961 schränkte<br />

das Brief- und Postgeheimnis ausdrücklich ein – »es<br />

sei denn, daß es sich lediglich um reiselektüre handelt«<br />

(§ 2,1).<br />

25 die Kabinettsprotokolle der Bun<strong>des</strong>regierung online:<br />

119. Kabinettssitzung am 22. April 1964. www.bun<br />

<strong>des</strong>archiv.de/cocoon/barch/z1/k/k1964k (12.12.2010).<br />

26 Zum Beispiel Braunbuch. Kriegs- und naziverbrecher<br />

in der Bun<strong>des</strong>republik. staat, Wirtschaft, Armee,<br />

Verwaltung, Justiz, Wissenschaft. hg. nationalrat<br />

der nationalen front <strong>des</strong> demokratischen deutschland.<br />

Berlin: staatsverlag der ddr 1965. siehe Klaus<br />

Körner: ›sBZ von A–Z‹. die sieben Verlage <strong>des</strong> Berend<br />

von nottbeck 1950–1990. in: Aus dem Antiquariat<br />

1999, A 188–214. folgenreich war die grenzverletzende<br />

›Ballonaffäre‹ <strong>des</strong> rowohlt Verlags von<br />

1969: Wolfgang Kraushaar: die Ballonaffäre. in: 100<br />

Jahre rowohlt (Anm. 22), s. 260–262.<br />

27 dietrich löffler: Zwischen literaturvertrieb und<br />

Buchhandel. der Buchmarkt der ddr seit den siebziger<br />

Jahren, in: leipziger Jahrbuch zur Buchgeschichte<br />

11 (2001/2002). Wiesbaden 2002. siehe jetzt<br />

vom selben Verfasser: Buch und lesen in der ddr.<br />

ein literatur-soziologischer rückblick. Berlin 2011.<br />

28 Bettina Jütte: Verlagslizenzierungen in der sowjetischen<br />

Besatzungszone (1945–1949). Berlin 2010, s. 175.<br />

29 Vgl. heidi Karla: der handel mit antiquarischen Büchern<br />

aus der ddr in die Brd. in: das loch in der<br />

mauer (Anm. 1), s. 109–120.<br />

30 siehe das postum veröffentlichte, nicht abgeschlossene<br />

Kapitel ›der Buchhandel im geteilten deutschland‹.<br />

in: ernst umlauff: der Wiederaufbau <strong>des</strong><br />

Buchhandels. Beiträge zur Geschichte <strong>des</strong> Buchmarkes<br />

in Westdeutschland nach 1945. frankfurt am


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

main 1978, sp. 1187–1454.<br />

31 hans Altenhein: im spiegel. ddr-literatur in den<br />

hauspublikationen eines west<strong>deutschen</strong> Verlages<br />

(luchterhand 1965–1987). in: das loch in der mauer<br />

(Anm. 1), s. 298–304.<br />

32 roger mehlis: in einem stillen land. fotografien<br />

1965–1989. leipzig 2007. schau ins land. ein fotolese-Buch.<br />

hrsg. von Günther drommer. Berlin<br />

1989. die fähre. eine Geschichte in Bildern von helfried<br />

strauß. eingeleitet von fritz rudolf fries.<br />

frankfurt und leipzig: insel 1991. Weltnest. literarisches<br />

leben in leipzig 1970–1990. fotografien von<br />

helfried strauß. hrsg. von Peter Gosse und helfried<br />

strauß. halle 2007.<br />

33 stille Post. inoffizielle schriftstellerkontakte zwischen<br />

West und Ost. hrsg. von roland Berbig. Berlin<br />

2005. die heimlichkeit, die der anekdotenreiche<br />

sammelband unterstellt, war begrenzt.<br />

34 Vgl. monika estermann: die Börsenvereine in leipzig<br />

und frankfurt – eine Problemskizze. in: das<br />

loch in der mauer (Anm. 1), s. 72–88.<br />

35 hans Altenhein: Buchhandel und Kulturpolitik: die<br />

wechselseitigen Buchausstellungen in den beiden<br />

<strong>deutschen</strong> staaten 1988–1990. in: leipziger Jahrbuch<br />

zur Buchgeschichte 12 (2003) s. 389–393.<br />

36 das haus <strong>des</strong> Buches in leipzig. Zu seiner eröffnung<br />

hrsg. vom Kuratorium »haus <strong>des</strong> Buches« e. V. leipzig.<br />

leipzig 1996.<br />

37 Karlheinz selle: Zur Geschichte <strong>des</strong> Verlagswesens<br />

der <strong>deutschen</strong> demokratischen republik. ein Abriß<br />

der entwicklung <strong>des</strong> Buchverlagswesens 1945–1970.<br />

in: Beiträge zur Geschichte <strong>des</strong> Buchwesens Band V.<br />

hrsg. von Karl-heinz Kalhöfer und helmut rötzsch<br />

im Auftrage der historischen Kommission <strong>des</strong> Börsenvereins<br />

der <strong>deutschen</strong> Buchhändler zu leipzig.<br />

leipzig 1972, s. 43.<br />

38 Jürgen Petry: das monopol. Geschichte <strong>des</strong> leipziger<br />

Kommissions- und Großbuchhandels lKG. leipzig<br />

2001, s. 69–89.<br />

39 ernst-Peter Wieckenberg: die Bibliothek <strong>des</strong> 18.<br />

Jahrhunderts. Bericht über eine deutsch-deutsche Zusammenarbeit.<br />

in: 100 Jahre Kiepenheuer-Verlage.<br />

hrsg. von siegfried lokatis und ingrid sonntag. Berlin<br />

2011, s. 327–338.<br />

40 Bibliographische übersicht in: Autoren, Verleger, Bücher.<br />

ein Almanach. für hans marquardt zum 12.<br />

August 1985. leipzig 1985.<br />

41 Vgl. christoph links: das schicksal der ddr-Verlage.<br />

die Privatisierung und ihre Konsequenzen. 2.<br />

Auflage. Berlin 2010.<br />

Hartmut Pätzke<br />

Anmerkungen zum<br />

Antiquariatsbuchhandel<br />

in der DDR<br />

eine Geschichte <strong>des</strong> Antiquariats in der<br />

sowjetischen Besatzungszone (sBZ)<br />

und in der <strong>deutschen</strong> demokratischen<br />

republik (ddr) – einschließlich der Buch- und<br />

Grafikauktionen – ist noch nicht geschrieben.<br />

sie kann im Augenblick nur angedeutet werden.<br />

es bedürfte der sichtung vieler quellen und <strong>des</strong><br />

Gesprächs mit Beteiligten, um ein annähernd<br />

zutreffen<strong>des</strong> Bild zu erhalten. selbst um den<br />

rechten Gebrauch <strong>des</strong> Begriffs Antiquariat<br />

musste Bruno Kaiser in den 1970er Jahren in<br />

Berlin besorgt sein. über dem haus eines fotogeschäfts<br />

in Berlin-mitte, in dem es auch eine<br />

Abteilung für gebrauchte fotoapparate und<br />

Zubehör gab, prangte eine leuchtschrift, die auf<br />

ein foto-Antiquariat hinwies. es bedurfte energischen<br />

Protests <strong>des</strong> Vorsitzenden der Pirckheimer-Gesellschaft,<br />

der in den Antiquariaten<br />

europas zuhause war. 1<br />

Krieg und Zerstörung hatten vielfache Verluste<br />

gebracht. Bibliotheken waren bemüht, ihre<br />

lücken zu schließen. Wissenschaftler und studierende,<br />

wie menschen, für die das Buch zum<br />

leben gehörte, bemühten sich um eigene Bestände.<br />

Bei franz dorsch in hagenow, emil<br />

Gräfe und f. W. haschke in leipzig und bei<br />

eckard J. mueller in halle an der saale, bei c. f.<br />

schulz & co. in Plauen gab es etwas zu erwerben.<br />

Akribisch müsste man auf der landkarte<br />

Bücherfähnchen mit namen versehen, um zu<br />

einer übersicht zu gelangen. wo sich ein oder<br />

gar mehrere Antiquariate befanden. seit mitte<br />

der 1950er Jahren wurden staatliche Antiquariate<br />

gebildet. Oft, wie in Berlin-Pankow, cottbus,<br />

dresden, halle und in rostock, wurden so<br />

zuvor private Antiquariate weitergeführt. seit<br />

den 1950er Jahren war die Zulassung für private<br />

Buch- und Kunsthandlungen so gut wie ausge-<br />

27


Buchhandel<br />

28<br />

schlossen. Allein in leipzig eröffneten mitte der<br />

1960er Jahre gleichzeitig mehrere private Antiquitätenhändler,<br />

die zuvor in der Gaststättenbranche<br />

tätig gewesen sind. Von ihnen blieb nur<br />

Petkus, nahe dem hauptbahnhof, übrig.<br />

es war sowohl für private Antiquitätenhändler<br />

<strong>als</strong> auch für die Geschäfte <strong>des</strong> staatlichen<br />

Kunsthandels möglich, mit alten Büchern und<br />

mit Grafik dekorativen oder künstlerischen<br />

charakters zu handeln. Alte landkarten, vor<br />

allem homann-Karten, die gerahmt wurden,<br />

waren ein einträgliches Geschäft. Bibeln <strong>des</strong><br />

17. und 18. Jahrhunderts gehörten zu den relativ<br />

häufigen Angeboten. in der zweiten hälfte der<br />

1960er Jahre hätte man den ›PAn‹ in erfurt auf<br />

der Krämerbrücke im staatlichen Kunsthandel<br />

bei Gisela Kosa ohne das hauptblatt von toulouse-lautrec<br />

für etwa 6.000 mark erwerben<br />

können. die schedelsche Weltchronik ging im<br />

staatlichen Kunsthandel bei frau Blumenfeld in<br />

leipzig in der Goethestraße 6 (vorm<strong>als</strong> franke,<br />

dann in Baden-Baden) zu einem angemessenen<br />

Preis über den ladentisch. lithografien von Otto<br />

dix gab es dort zu etwa 250 mark in größerer<br />

Zahl. Bei nova (Kempe) in dresden auf der<br />

friedrich-engels-straße, im ersten stock, stand<br />

die komplette Zeitschrift ›Jugend‹ lange für etwa<br />

350 mark zum Verkauf.<br />

Wer Geld, Kenntnisse und gute Beziehungen<br />

zu Antiquaren hatte, konnte bald nach dem<br />

ende <strong>des</strong> Zweiten Weltkriegs eine nützliche und<br />

sehenswerte Bibliothek aufbauen. Jürgen<br />

Kuczynski berichtete von dem Antiquar Pinzke, 2<br />

der seinen laden am Bahnhof friedrichstraße<br />

hatte. dort erwarben Jürgen Kuczynski Bücher<br />

kofferweise, Bruno Kaiser aktentaschenweise,<br />

und danach blieb für i. m. lange, Gründungs-<br />

und später ehrenmitglied der Pirckheimer, noch<br />

etwas übrig. 3 der romanist Werner Krauss erzählte<br />

mir am Ostermontag 1972 (in der ddr<br />

zu der Zeit kein feiertag mehr) in seiner Wohnung<br />

in hessenwinkel, dass die 1950er Jahre in<br />

leipzig für ihn eine wahre fundgrube waren.<br />

die Währungsreform 1948 und die Gründung<br />

der beiden <strong>deutschen</strong> staaten führten in<br />

der ddr zu dem zwar erst 1952 beschlossenen<br />

Aufbau <strong>des</strong> sozialismus, brachten aber schon<br />

zuvor Probleme für private unternehmen, zu<br />

denen auch Antiquariate und Kunsthandlungen<br />

gehörten. das monopol für den Außenhandel,<br />

das heißt für den export, oblag auch innerhalb<br />

deutschlands allein dem staat beziehungsweise<br />

den damit beauftragten institutionen. traditionell<br />

kamen aber die Käufer vom rhein. heinrich<br />

mock (1904–1984) verkaufte seinen Graphik<br />

Verlag 1949 an den thüringer Volksverlag, da er<br />

durch das Ausbleiben seiner Kunden auf der<br />

leipziger messe für sich keine Absatz- und<br />

Verdienstmöglichkeiten mehr sah. 4 ferdinand<br />

möller ging im september 1949 aus neuruppin<br />

nach Köln, nachdem er zuvor inhaftiert worden<br />

war. 5 Aus chemnitz ging 1950 Wilhelm<br />

Grosshennig (gemeinsam mit h. u. K. stickel<br />

Kunstausstellung Gerstenberger Gmbh, gegründet<br />

1847), der sowohl Gemälde, Grafik und<br />

Plastik <strong>des</strong> 17. bis 19. Jahrhunderts <strong>als</strong> auch die<br />

expressionisten handelte, nach düsseldorf. das<br />

Auktionshaus c. G. Boerner, in leipzig seit<br />

1826, hatte noch 1948 mit zwei Katalogen in der<br />

messe stadt auf sich aufmerksam gemacht, um<br />

dann 1950 mit seinem Geschäftsführer eduard<br />

trautscholdt (1893–1976) und ruth-maria<br />

muthmann sein domizil in düsseldorf aufzuschlagen.<br />

6 das Brockhaus/Antiquarium bestand<br />

in leipzig seit 1856 (zwischen 1948 und 1950


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

erschienen 22 Verkaufskataloge). 7 die Antiquariate<br />

von harrassowitz und hiersemann bildeten<br />

mit dem Weggang der Verlage nach<br />

Wiesbaden beziehungsweise stuttgart den<br />

Grundstock <strong>des</strong> Zentralantiquariats der ddr.<br />

die Bezirksantiquariate, die nach und nach entstanden,<br />

gehörten zum Volksbuchhandel <strong>des</strong> jeweiligen<br />

Bezirkes, meist in den zum sitz der Bezirksverwaltung<br />

1952 ernannten städten, aber<br />

auch in Jena, Weimar und meiningen. sie arbeiteten<br />

unter schwierigen Bedingungen. Pläne,<br />

auch für den export, waren zu erfüllen. fahrzeuge<br />

zum einkauf im Bezirk waren anzufordern.<br />

die Kataloge, die sie erstellten, mussten<br />

dem leipziger Zentralantiquariat vor der<br />

drucklegung vorgelegt werden. die Bücher beziehungsweise<br />

Posten, die von exportkunden<br />

bestellt wurden, mussten nach leipzig eingesandt<br />

werden. so war eine mehrfache Kontrolle<br />

gesichert.<br />

Vor dem exportkunden standen <strong>als</strong> Kunden<br />

an erster stelle die sächsische lan<strong>des</strong>bibliothek<br />

in dresden, die erhebliche Verluste während <strong>des</strong><br />

Krieges und aufgrund der Beschlagnahme durch<br />

die sowjetische Besatzungsmacht erlitten hatte,<br />

und das Armeemuseum. die chancen für den<br />

privaten Besteller, etwas Besonderes zu ergattern,<br />

auch wenn er gleich nach Katalogerhalt<br />

zum telefonhörer griff, um seine Begehrlichkeiten<br />

zu äußern, waren gering. der exportkunde,<br />

auch wenn er sich erst 14 tage nach dem<br />

privaten ddr-erstbesteller meldete, hatte Priorität.<br />

Auf meine Bestellungen im Zentralantiquariat<br />

in Berlin in der rungestraße erhielt ich<br />

in den 1980er Jahren nach circa vier Wochen einen<br />

Bescheid. das eine Buch, das mir zugestanden<br />

wurde, musste ich auch noch abholen.<br />

eine Besonderheit <strong>des</strong> Zentralantiquariats<br />

der ddr bildete die reprintabteilung, die überwiegend<br />

seltene und gesuchte wissenschaftliche<br />

Werke produzierte, besonders für den export. 8<br />

für ein Buch allerdings, es traf gewiss öfter zu,<br />

bemerkte Jürgen Kuczynski einmal, dass das<br />

originale Werk in einem Antiquariatskatalog <strong>des</strong><br />

Zentralantiquariats für einen spürbar geringeren<br />

Preis zu haben war.<br />

Antiquariate in Berlin<br />

die situation im Kunsthandel in Berlin unterschied<br />

sich in der Viersektorenstadt sehr von der<br />

in der ddr. es war bis zur schließung der<br />

Grenze am 13. August 1961 leicht, etwas <strong>als</strong><br />

fußgänger oder per s-Bahn in den Westteil der<br />

stadt zu bringen und zu verkaufen. Kontrollen<br />

fanden so gut wie gar nicht statt, da der Verkehr<br />

in der millionenstadt nicht unterbrochen war.<br />

Ärzte und andere Personen besaßen sondergenehmigungen,<br />

die ihnen die durchfahrt beziehungsweise<br />

fahrt in die Westsektoren mit eigenem<br />

fahrzeug erlaubten. reisende von und<br />

nach Berlin unterlagen strengen Kontrollen.<br />

im Osten Berlins gab es traditionell wenige<br />

Kunsthandlungen, wie auch die Käufer dort in<br />

der minderzahl waren. erich c. l. Zintl (1911–<br />

1998) 9 hatte sich schon 1938 unter den linden<br />

66 etabliert. in nachkriegszeitschriften bis 1948<br />

fallen seine ganzseitigen Annoncen auf. Amsler<br />

& ruthardt hatte eine Adresse unter den linden<br />

9 zu Beginn der 1950er Jahre. Karl Buchholz<br />

(1901–1992), 10 bis 1942 in der leipziger straße<br />

119, mit einer Antiquariatsgründung 1940 in der<br />

Pommerschen straße, hatte schon 1947 das<br />

Geschäft unter den linden nach charlottenburg<br />

verlegt. hollstein & Puppel hatte es nach<br />

quedlinburg verschlagen. reinhold Puppel<br />

starb im herbst 1956 kurz vor seiner rückkehr<br />

nach Berlin.<br />

im dezember 1955 wurde der staatliche<br />

Kunsthandel gegründet. in dem laden in der<br />

stalinallee 366 (seit 1960 frankfurter Allee 84),<br />

einem früheren Bankhaus, war zuvor eine private<br />

Antiquitätenhandlung untergebracht. Als<br />

stellvertretender leiter war heinrich mock<br />

gewonnen worden. mock war sammler und<br />

hatte sich <strong>als</strong> Verleger in Altenburg unmittelbar<br />

nach dem Krieg für die deutsche Gegenwartsgrafik<br />

engagiert. er machte fortan nicht nur<br />

Ausstellungen von Berliner Künstlern, sondern<br />

baute auch eine eigene Abteilung für Grafik und<br />

Bücher auf.<br />

in der ddr war die Zugehörigkeit zu einem<br />

größeren Betrieb ein Gebot. in diesem fall war<br />

29


Buchhandel<br />

30<br />

es die 1950 gegründete staatliche handelsorganisation<br />

(hO), die nach und nach neben den<br />

Geschäften der Konsum-Genossenschaft den<br />

einzelhandel bestimmte. mock ging im november<br />

1959 nach münchen. Kurz vor Weihnachten<br />

1962 war die gesamte Belegschaft inhaftiert und<br />

1964 verurteilt worden. in der zweiten hälfte<br />

der 1960er Jahre gelangten die Grafik-restbestände<br />

zu einem Pauschalpreis an das leipziger<br />

Zentralantiquariat.<br />

Viele kleine Buchhandlungen führten bescheidene<br />

antiquarische eckchen. Allein in Pankow<br />

gab es um 1960 noch drei private Buchhandlungen,<br />

in denen Bücher antiquarisch zu<br />

haben waren. das setzte sich in der schönhauser<br />

Allee in der Buchhandlung von Walter dörge<br />

fort, die in den 1980er Jahren zum modernen<br />

Antiquariat wurde. in der schönhauser Allee 9<br />

A gab es bis 1955 die Kunsthandlung Willy<br />

müller. treuhänder wurde Willy Vandüren, ein<br />

rheinländer, der zuvor beim magistrat in der<br />

Kulturverwaltung beschäftigt war. Assistiert<br />

wurde er von hugo ludwig, der das Geschäft<br />

<strong>als</strong> leiter übernahm, <strong>als</strong> es Anfang 1963 zum<br />

Antiquitätengeschäftssektor der ›modernen<br />

kunst‹ gelangte.<br />

1954 war in der stalinallee (seit 1960 in diesem<br />

teil Karl-marx-Allee 78-84) die zu der Zeit<br />

größte Buchhandlung im Ostteil der stadt in<br />

zwei etagen eröffnet worden. das Antiquariat<br />

in dem haus, hinter der Kunstbuchabteilung im<br />

zweiten stock gelegen, sollte den Ausgangspunkt<br />

für das Zentralantiquariat bilden, das <strong>als</strong><br />

teil der Berliner Buchhandelsgesellschaft 1960<br />

gebildet wurde und <strong>des</strong>sen Zentrale in der rungestraße<br />

war. nicht vergessen werden darf die<br />

deutsche Bücherstube, die in der ersten etage<br />

eine Antiquariatsabteilung hatte, die ilse von<br />

Kamptz leitete. 11<br />

erwin Kohlmann 12 hatte schon die Genehmigung<br />

<strong>des</strong> Vorstands der ndPd, dieses Antiquariat<br />

<strong>als</strong> Zweigstelle seines naumburger unternehmens<br />

zu führen. das scheiterte aber am Veto<br />

von ilse von Kamptz, die einen entsprechenden<br />

Vertrag besaß. 13 Auch nach dem Weggang von<br />

ilse von Kamptz ende 1962 waren hin und wie-<br />

der in der <strong>deutschen</strong> Bücherstube Kartons aufgestellt,<br />

die Beachtliches enthielten. Vor der<br />

universitätsbibliothek in der clara-Zetkinstraße<br />

(jetzt wieder dorotheenstraße) stand ein<br />

älteres ehepaar mit einem Bücherkarren. ich erinnere<br />

mich der herder-Ausgabe von Bernhard<br />

suphan zu einem moderaten Preis, die ich versäumt<br />

habe zu erwerben. regen Zuspruchs, nahe<br />

dem Bahnhof friedrichstraße, erfreute sich<br />

bis August 1961 ein Bücherwagen, wohl der<br />

Berliner Buchhandelsgesellschaft, wo viele Bücher<br />

zu niedrigpreisen zu erwerben waren.<br />

einen besonderen status hatte unter den<br />

ddr-Antiquaren erich c. l. Zintl. er kaufte<br />

sowohl in Berlin <strong>als</strong> auch in leipzig in den staatlichen<br />

Antiquariaten und schlug kräftig auf.<br />

neue literatur erwarb er häufig mit einem Kollegenrabatt<br />

im stets gut sortierten Buchgeschäft<br />

<strong>des</strong> Kulturbunds in der Otto-nuschke-straße 2,<br />

den nach ilse von Kamptz marianne Voss (1926–<br />

2009) bis zur vereinigungsbedingten liquidation<br />

leitete. in seinem laden in der friedrichstraße<br />

konnte Zintl warten. es kamen nicht wenige<br />

Kunden aus dem Westen, die über höhere ddrmarkbeträge<br />

verfügten, die sie so immer noch<br />

günstig anlegen konnten. er kaufte auch, zahlte<br />

immer bar, sowohl auf den Auktionen in Berlin<br />

<strong>als</strong> auch in leipzig stets jeweils für circa 40.000<br />

bis 50.000 mark. Zum ende der ddr rief er<br />

mich einmal an, hatte einige Bedenken, da er<br />

von einem Vertreter der Kunst & Antiquitäten<br />

Gmbh aufgesucht worden war. seine lageretage<br />

in der Albrechtstraße, die er mir zeigte,<br />

barg aber wenig. einiges auf den Auktionen erworbene<br />

stand noch original verpackt.<br />

im laufe der Jahre entstanden Antiquariatsläden<br />

der Berliner Buchhandelsgesellschaft in<br />

der münzstraße, dann Weinmeisterstraße, 14 in<br />

der chausseestraße, nach der inhaftierung <strong>des</strong><br />

leiters wegen großer Kassenfehlbeträge, in der<br />

friedrichstraße. um 1963 gab es auch Geschäfte<br />

in der frankfurter Allee und in Weißensee. 1966<br />

wurde das linden-Antiquariat eröffnet, im rücken<br />

der Komischen Oper, geleitet von Gerhard<br />

Beinlich (1927–2002), 15 der seit 1954 im Antiquariat<br />

der Karl-marx-Buchhandlung tätig ge-


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

wesen war. Auch dem staatlichen Antiquitätenhandel<br />

war 1967/68 ein Geschäft in der neuen<br />

ladenpassage angeboten, von der damaligen<br />

leitung aber abgelehnt worden. schräg gegenüber<br />

in einer <strong>als</strong> Autosalon konzipierten fläche<br />

zog 1981 die Galerie Berlin (nun Galerie unter<br />

den linden) aus dem Würfelbau der Karl-marx-<br />

Allee 45 ein. dort war Anfang 1963 die ›moderne<br />

kunst‹ gegründet worden, der erste große<br />

staatliche Kunsthandel mit Geschäften in der<br />

ddr, der 1967 in liquidation ging. 16 das linden-Antiquariat<br />

zog zum April 1988 in die<br />

friedrichstraße 165, ecke Behrenstraße.<br />

um die mitte der 1960er Jahre wurde das ohnehin<br />

für eine stadt wie Berlin geringe netz der<br />

Antiquariate leicht erweitert, indem aus einer<br />

althergebrachten Buchhandlung mit Antiquariatsabteilung<br />

(in Berlin-Pankow, schönholzer<br />

straße 1), die aus Altersgründen aufgegeben<br />

wurde, ein Antiquariat der Berliner Buchhandelsgesellschaft<br />

wurde. so bestanden ende der<br />

1980er Jahre insgesamt vier Antiquariatsladengeschäfte<br />

der Buchhandelsgesellschaft; zusätzlich<br />

gab es die möglichkeit, in der rungestraße,<br />

von wo aus die Kataloge versandt wurden, etwas<br />

zu erwerben. 1986 entschloss sich die Buchhandelsgesellschaft,<br />

erstm<strong>als</strong> am Alexanderplatz einen<br />

Antiquariatsmarkt zu veranstalten, der regen<br />

Zulauf hatte.<br />

nur von wenigen menschen beachtet, verfügte<br />

rudolf Ziegler, der das ›sonnenhaus‹, einen<br />

Werkladen mit katholischer Buchhandlung<br />

in der Oranienburger straße 1 in Berlin-mitte<br />

führte, seit den 1930er Jahren über die erlaubnis,<br />

<strong>als</strong> Antiquar tätig zu sein. Jedenfalls waren<br />

hier einige hefte <strong>des</strong> ›Ziegelbrenner‹ von ret<br />

marut und die ›neuere Plastik‹ von Alfred<br />

Kuhn zu finden, den er für seinen tischnachbarn,<br />

den Amerikanisten Georg Kartzke, mit<br />

einer freundlichen Widmung versehen hatte.<br />

das ›sonnenhaus‹ wurde von der tochter heidrun<br />

Klinkmann weitergeführt und befindet<br />

sich seit einigen Jahren in den heckmann-höfen<br />

zwischen der Oranienburger und der Auguststraße.<br />

1983 hat es in Berlin im Bereich <strong>des</strong><br />

Volksbuchhandels 13 läden mit An- und Ver-<br />

kauf antiquarischer Bücher gegeben. fünf davon<br />

waren auf literatur seit 1945 begrenzt.<br />

Antiquariate in Leipzig<br />

Kunsthandlungen und Antiquariate befanden<br />

sich <strong>als</strong> ladengeschäfte in den 1950er und 60er<br />

Jahren in relativ großer Zahl im Zentrum der<br />

stadt. die franz-mehring-Buchhandlung, gegründet<br />

am 18. August 1945, lange die größte<br />

Buchhandlung im Gebiet der ddr, führte auch<br />

ein Antiquariat. 17 Von dort kamen Kataloge, die<br />

zur Bestellung einluden, erarbeitet von Walter<br />

Kappert (gest. Juni 1957). 18 franz Otto Genth in<br />

der Grimmaischen straße, um die ecke gelegen,<br />

hatte sowohl ein sortiment <strong>als</strong> auch einige Antiquariatsabteilungen.<br />

Antiquarisches war in den<br />

schaufenstern zu sehen; ich erinnere mich der<br />

sophien-Ausgabe der Werke Goethes, die um<br />

1960 für circa 980 mark zu haben war.<br />

ein besonders rühriger Antiquar war Karl<br />

markert (1883–1965), 19 der noch vor dem ersten<br />

31


Buchhandel<br />

32<br />

Weltkrieg in england erfahrungen gesammelt<br />

hatte und 1956 die leitung der leipziger Gruppe<br />

der Pirckheimer-Gesellschaft übernahm. in<br />

den 1960er Jahren verdrängte ihn rudolf Vogel<br />

(1912–1998), leiter <strong>des</strong> Zentralantiquariats der<br />

ddr, der aus frankfurt an der Oder gekommen<br />

war, aus diesem ehrenamt. die listen von<br />

Karl markert waren eine freude. seine tochter<br />

führte das Antiquariat weiter. Goedecke zu besuchen<br />

gehörte allemal zu meinen freuden in<br />

leipzig. der alte Goedecke gewährte stets zehn<br />

Prozent rabatt. unter seinem sohn, der wohl,<br />

wie ich hörte, die fürsprache von Bruno Kaiser<br />

erhalten hatte, wurde das Geschäft in der Karlliebknecht-straße<br />

geschlossen. nach den Gesetzen<br />

der ddr war er in seinem Gewerbe<br />

straffällig geworden. die verbliebene Ware wurde<br />

vom Zentralantiquariat abgeholt. in leipzig<br />

soll es vorgekommen sein, dass ein Antiquitätengeschäft,<br />

in dem auch Bücher gehandelt<br />

wurden, über nacht ausgeräumt und die mitarbeiter<br />

inhaftiert wurden, weil transaktionen mit<br />

leuten aus dem Westen stattgefunden hatten.<br />

Zu den rührigsten Buch- und Kunsthändlern<br />

nach dem Krieg zählte Kurt engewald. Bei ihm<br />

fanden auch Ausstellungen in dem langgezogenen<br />

barocken Bau statt. eines tages wurde<br />

das haus abgerissen, und der Buchhändler und<br />

Antiquar führte noch im hohen Alter an der<br />

thomaskirche sein Geschäft alleine fort. Auch<br />

dort konnte es sein, dass einem unerwartet aufgrund<br />

eines Gesprächs ein Büchlein zufiel. Gegenüber<br />

der nikolaikirche befand sich das große<br />

Geschäft <strong>des</strong> Zentralantiquariats. in der zweiten<br />

hälfte der 1960er Jahre wurde ehem<strong>als</strong> Genth,<br />

aus Altersgründen aufgegeben, um die ecke in<br />

der Grimmaischen straße gelegen, dem imperiums<br />

<strong>des</strong> Zentralantiquariats hinzugefügt, das separat<br />

noch das leipziger Antiquariat (Abt. Bibliophilie)<br />

in der Grimmaischen straße 2–4<br />

führte. ich erinnere mich an fromund hoy<br />

(1941–2007), 20 der ziemlich lange dort tätig war,<br />

bevor er wegen einer geringen inventurdifferenz<br />

einen unglücklichen Wanderweg antrat. Als er<br />

erster leiter der Brecht-Buchhandlung in der<br />

chausseestraße in Berlin wurde, war zuvor auch<br />

von der einrichtung eines Antiquariats im Keller<br />

die rede.<br />

Dresden und weitere Orte<br />

in dresden war die situation für die Antiquitäten-<br />

und Kunsthändler etwas schwieriger <strong>als</strong><br />

in leipzig, weil im februar 1945 in der innenstadt<br />

alles zerstört worden war. so hatten mitte<br />

der 1960er Jahre einige der besseren händler<br />

nur in ihren Wohnungen oder auf etagen ihre<br />

Verkaufsräume. das dresdener Antiquariat war<br />

ende der 1950er Jahre unter der leitung von<br />

Arthur nestler (1896–1997) 21 in einer holzbaracke<br />

untergebracht. in der nazizeit hatte er die<br />

Buchhandlung ›Wilhelm nestler – Alle literatur<br />

für Wehrmacht und luftfahrt‹ zu einem<br />

treffpunkt illegal wirkender mitglieder der<br />

KPd gemacht. er leitete das dresdener Antiquariat<br />

von 1955 bis 1971, bevor es in einen laden<br />

in der Bautzner straße 27 ziehen konnte.<br />

Benachbart, in der hausnummer 23, war der<br />

VeB dresdner An- und Verkauf in der ersten


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

etage untergebracht, der Gebrauchtwaren, Antiquitäten,<br />

Bilder und Grafik führte und am export<br />

beteiligt war. nachdem die firma nova<br />

(horst und frank Kempe), die in der straße der<br />

Befreiung einen repräsentativen laden hatte<br />

einrichten können, diesen 1974 aufgrund von<br />

repressalien und <strong>des</strong> Wegzugs nach münchen<br />

hatte aufgeben müssen, etablierte sich dort der<br />

VeB dresdner An- und Verkauf. in den späten<br />

1960er Jahren hatte er in einem neubau in der<br />

Prager straße einen großen laden eröffnet, der<br />

nur kurzlebig war.<br />

für dresden war die Kunstausstellung Kühl<br />

über Jahrzehnte eine gefragte Anschrift. das familienunternehmen<br />

beteiligte sich nicht am export,<br />

ebenso wie einige bessere Antiquitätenhändler<br />

in dresden. für interessenten und Käufer<br />

von Bildern und Grafik war Johannes Kühl<br />

(1922–1996), der das unternehmen 1965 von<br />

seinem Vater hatte übernehmen können, ein<br />

wichtiger Partner und ratgeber. 22 ein kleines<br />

Antiquariat in laubegast war das von Karl ullrich<br />

(1897–1969), 23 das nach seinem tod von der<br />

Witwe nicht weitergeführt werden durfte. lohnend<br />

war ein Besuch bei dienemann nachf.<br />

Gmbh, geführt von Georg leukroth (1899–<br />

1999), 24 nahe dem neustädtischen Bahnhof, auf<br />

einer etage im hochparterre, erreichbar über<br />

eine kleine treppe vom hof aus. Bei ihm konnte<br />

man in den 1980er Jahren auf tischen in einem<br />

nebenraum auch neueingänge in Augenschein<br />

nehmen. Bei dem einen oder anderen stück war<br />

zu hören, dass er auch etwas brauche, wenn er<br />

<strong>als</strong> rentner nach dem Westen fahre. Aber schon<br />

Jahre zuvor hatte er großzügig Kredit gewährt<br />

oder einem auch einmal ein Büchlein geschenkt.<br />

Auf das dresdner Kunstantiquariat franz<br />

meyer, in dem Karl Gustav Joachim meyer<br />

(1900–1981) nach 1945 die Geschäfte führte und<br />

seit 1949 in der Wohnung Kaitzer straße 57 tätig<br />

war, hat Werner schmidt aufgrund der großzügigen<br />

schenkung von hildegard und Joachim<br />

meyer aus deren privaten Beständen aufmerksam<br />

gemacht. 25 einen guten ruf genoss carl Adlers<br />

Buchhandlung in dresden, die von hans-<br />

Georg Kühnel (1927–1994) geführt wurde. 26<br />

Auch in der christlichen Buchhandlung c.<br />

l. ungelenk, auf dem Plauenschen ring 7, die<br />

manfred Artur fellisch (geb. 1947) gehörte, der<br />

bei leukroth volontiert hatte, waren Buchhandlung<br />

und Antiquariat zu finden. Karl enax<br />

(1906–?) war in radebeul bei Gottfried sauermann<br />

(geb. 1942) beschäftigt, der seiner Buchhandlung<br />

nach der Wende eine Vinothek hinzufügte.<br />

eine ganze reihe Antiquare und Buchhändler<br />

waren mitglied in der Pirckheimer-Gesellschaft.<br />

Zu ihnen zählte auch rudolf<br />

Kretschmar (1908–1976) 27 in Bautzen, <strong>des</strong>sen<br />

tochter reingard (geb. 1953) sein Geschäft weiterführte.<br />

Von Zeit zu Zeit kamen Angebotslisten von<br />

Otto tappert von der Ascherslebener Bücherstube,<br />

tie 14, am Johannisturm, die nicht allzu<br />

umfangreich waren, aber gute Kunstliteratur<br />

enthielten. Zu schwalbe in <strong>des</strong>sau zu schauen,<br />

war günstig. Von der Kunsthandlung Giese, inhaber<br />

erwin mahler (geb. 1928), in magdeburg<br />

in der leiterstraße, war es nicht weit zu holtermann,<br />

wo stets Antiquarisches anzusehen war.<br />

Von der evangelischen Buchhandlung max<br />

müller in Karl-marx-stadt wurden viele Kataloge<br />

versandt, zum einen für neuerscheinungen,<br />

besonders zur Weihnachtszeit, aber auch Antiquariatskataloge,<br />

die sich ob ihres inhalts sehen<br />

lassen konnten. 28<br />

sein Antiquariat in cottbus gab Walter<br />

drangosch (1899–1985) 29 1960 zugunsten <strong>des</strong><br />

Bezirksantiquariats cottbus auf, das er dann leitete.<br />

1979 wurde er ehrenbürger von cottbus.<br />

erhalten hatte sich eine lange geübte Praxis<br />

einer Gemeinsamkeit von Buchhandlung, Antiquariat<br />

und Kunsthandlung, wie sie in der <strong>deutschen</strong><br />

Bücherstube in Berlin geübt wurde, aber<br />

auch in naumburg und in Weimar. erwin Kohlmann<br />

(1920–2001), renommierter sammler von<br />

spielkarten und Vorsitzender der Antiquare im<br />

Börsenverein <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Buchhandels in<br />

leipzig, hatte die firma mit Buchhandlung, Antiquariat<br />

und Antiquitäten um 1950 übernommen.<br />

Zu Katharina Becker in Weimar musste man<br />

stets schauen, zumal die Atmosphäre zum<br />

33


Buchhandel<br />

34<br />

schmökern einlud. ein schaufenster mit Antiquarischem,<br />

neue Bücher am eingang, Ansichtskarten,<br />

ein Karton mit Antiquarischem gegenüber,<br />

Antiquitäten im schaufenster, Antiquariat<br />

im zweiten raum. dort waren der jung verstorbene<br />

herr frommhold, ein Bruder <strong>des</strong> Autors<br />

und Verlegers erhard frommhold, und renate<br />

müller-Krumbach tätig, Autorin <strong>des</strong> Buches zur<br />

cranach-Presse. nach ihrem Ausscheiden aus<br />

den staatlichen Kunstsammlungen Weimar, <strong>als</strong><br />

dort Gerhard Pommeranz-liedtke direktor geworden<br />

war, fand sie hier unterschlupf. hatte<br />

nicht gerade Giovanni (hans) mardersteig vorbeigeschaut<br />

oder wurde erwartet, der einst von<br />

Weimar nach Verona aufgebrochen war? Zuvor<br />

hatte sich meist ein Blick in die hoffmann’sche<br />

Buchhandlung (Wilh. hoffmanns Buch- und<br />

Kunsthandlung) gelohnt, die schon zur Goethezeit<br />

bestand, zwei, drei Bretter mit oft überraschender<br />

Kunstliteratur. Gegenüber, quasi benachbart<br />

dem schillerhaus, Wasmunds Buch-<br />

und Kunsthandlung, die allerhand antiquarische<br />

literatur führte, aber nicht sehr kundenfreundlich<br />

war. ende der 1970er Jahre ging der Besitzer<br />

mit seiner tochter nach Bayern. das hervorragend<br />

gelegene eckgeschäft beherbergte dann das<br />

staatliche Weimarer Antiquariat. der Pirckheimer-freund<br />

und sänger rainer schulze (geb.<br />

1946) in Wernigerode führte in der altehrwürdigen<br />

Jüttners Buchhandlung auch ein Antiquariat,<br />

30 das, wie er selbst mitteilt, auch zur fundgrube<br />

<strong>des</strong> magdeburger Antiquariats wurde.<br />

hermann rhein (1906–1993) in Wismar, der<br />

1936 die hinstorffsche hofbuchhandlung in der<br />

lübschenstraße gekauft hatte, die nach seinem<br />

Ausscheiden 1973 <strong>als</strong> hermann rhein nachf.<br />

firmierte, 31 war ebenso wie erwin Kohlmann in<br />

naumburg ende der 1950er Jahre eine staatliche<br />

Beteiligung für seine Buchhandlung und Antiquariat<br />

eingegangen, die vorübergehend ein sicheres<br />

einkommen garantierte. Bei heinz niemann<br />

(1906–?) in halberstadt, einem Gebrauchtwaren-<br />

und Antiquitätenhändler, waren<br />

öfter Bücher zu finden, darunter eine Gutsbibliothek,<br />

Bücher, die zwischen 1800 und 1850 erschienen,<br />

einheitlich in blauem Karton gebun-<br />

den. das magdeburger Antiquariat hielt hier<br />

auch einkehr.<br />

ein Ausflug lohnte sich zu einer Buchhandlung<br />

in quedlinburg, die Antiquarisches vorrätig<br />

hatte, aus dem nachlass <strong>des</strong> Kunsthistorikers<br />

hans spitzmann. in Ahrenshoop ist an die Bunte<br />

stube zu erinnern, die von fritz Wegscheider<br />

32 geleitet wurde und in der in den späten<br />

1980er Jahren nicht wenige Veröffentlichungen<br />

deutscher bibliophiler Gesellschaften antiquarisch<br />

zu finden waren. in Potsdam gab es eine<br />

christliche Buchhandlung, die ihre antiquarischen<br />

Bestände wohl überwiegend aus Pfarrernachlässen<br />

speiste.<br />

Zu den Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft<br />

in Berlin, Gera, halle, leipzig und rostock<br />

waren staatliche Antiquariate jeweils mit<br />

einem ausgesuchten Angebot dabei, allen voran<br />

Gerhard Beinlich aus Berlin, der auch keine mühe<br />

scheute, nach frankfurt an der Oder, tabarz<br />

und Wolgast zu kommen. Zu den Berliner<br />

Abenden brachte Beinlich oft aus dem linden-<br />

Antiquariat eine Aktentasche mit Pretiosen mit,<br />

die er zum Kauf auslegte. in Karl-marx-stadt<br />

(1978) öffneten sowohl das staatliche Geschäft<br />

im rosenhof <strong>als</strong> auch Gottfried müller.<br />

in den 1980er Jahren reiste theo Pinkus<br />

(1909–1991) aus Zürich mit staatlicher einwilligung<br />

durch die ddr, um Bücher seiner Gebiete<br />

von Privatpersonen gegen forumschecks zu erwerben,<br />

eine von erich honecker eingeführte<br />

notwährung zum Kauf von Waren in den intershops.<br />

ein rentner, der in den Westen fuhr,<br />

konnte nur d-mark gebrauchen. <strong>des</strong>halb zahlte<br />

Pinkus bei Protest auch in d-mark.<br />

Zwar nur <strong>als</strong> Auswahl bezeichnet, liegt mir<br />

eine liste vom 19. september 1989 vor, die das<br />

mitglied der Pirckheimer-Gesellschaft, norbert<br />

Köppe (zu jener Zeit Berlin, jetzt hannover),<br />

erstellt hat, in der 104 Anschriften notiert sind,<br />

von Altenburg bis Zwickau, von denen ein gutes<br />

drittel moderne Antiquariate sind. es hätten<br />

sich weitere hinzufügen lassen, was aber aufgrund<br />

der veränderten Verhältnisse (die Begleitzeilen<br />

sind vom 28. Januar 1990) auch auf dem<br />

Buch- und Antiquariatsmarkt keinen sinn mehr


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

ergab. Welchem schicksal Antiquariate, Antiquarinnen<br />

und Antiquare aus der ddr entgegengingen,<br />

das wäre ein neues Kapitel.<br />

Auktionen in der DDR<br />

Am 6. dezember 1975 fand im Klub der intelligenz<br />

Gottfried Wilhelm leibniz in der elsterstraße<br />

35 in leipzig die erste Buch- und Grafikauktion<br />

<strong>des</strong> Zentralantiquariats der ddr statt,<br />

zu der direktor Vogel und Bereichsleiter Wend<br />

eingeladen hatten. der Katalog umfasste 110<br />

Positionen Bücher, neun Blätter dekorativer<br />

Grafik, 47 Blätter alter Grafik und circa 140<br />

Blätter Grafik <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts. 33<br />

für die zweite Auktion, die in leipzig ein<br />

Jahr später, am 5. dezember 1976 stattfand, luden<br />

der neue direktor Jürgen schebera und Bereichsleiter<br />

Johannes Wend ein, bis zum 5. Oktober<br />

1976 »geeignete Bücher und Blätter aus<br />

ihrer sammlung uns zu diesem Zwecke zu übergeben«.<br />

1977 kam das Zentralantiquariat erstm<strong>als</strong><br />

nach Berlin, ins tiP (theater im Palast).<br />

Künftig sollten alle Auktionen <strong>des</strong> Zentralantiquariats<br />

für Bücher und Grafik in Berlin stattfinden.<br />

die drei <strong>als</strong> ›tiP-Auktion für junge leu-<br />

te‹ deklarierten Versteigerungen von 1978 bis<br />

1980 wurden wohl nicht fortgeführt, weil nicht<br />

zu verhindern war, dass die wahren Käufer daneben<br />

saßen. insgesamt gab es bis 1980 vier<br />

Auktionen für Bücher und Grafik im theater<br />

im Palast. Von der siebten Buch- und Grafikauktion<br />

an (die beiden leipziger Auktionen<br />

und die vier tiP-Auktionen wurden zusammengezogen<br />

und numerisch fortgeführt) bis zur 16.<br />

(und letzten) Buch- und Grafikauktion am 26.<br />

november 1989 fanden im Kino- und Vortragssaal<br />

im museum für deutsche Geschichte (unter<br />

den linden 2) statt. Ab der 7. Buch- und<br />

Grafikauktion (1981) erschienen die Kataloge<br />

für Buch und Grafik getrennt (mit Ausnahme<br />

der 8. Buch- und Grafikauktion).<br />

Bieter waren sowohl Privatpersonen <strong>als</strong> auch<br />

institutionen. Auktionator Johannes Wend<br />

(1937–1993) wurde von Gerhard Beinlich und<br />

seinen Kolleginnen assistiert. nach einer der<br />

letzten Auktionen sah ich jüngere leute, die einen<br />

großen Bargeldbetrag aus einer Aktentasche<br />

kippten. die Zahl der Ausreisenden war gewachsen,<br />

aus Verkäufen erzieltes Geld sollte<br />

vermutlich gewinnbringend angelegt werden.<br />

seit 1972 konnten Bun<strong>des</strong>bürger mit dem<br />

Auto einreisen und sich auch im weiteren umkreis<br />

bewegen, was vordem nicht gestattet worden<br />

war. es wurde die möglichkeit genutzt, Antiquitäten<br />

und Antiquarisches zu erwerben. das<br />

hatte zur folge, dass aufgrund der steigenden<br />

nachfrage die Preise stiegen. die Auktionen<br />

hoben das Preisniveau. die Versteigerungen von<br />

Büchern und Grafik wurden in der Zeitschrift<br />

›marginalien‹ von Anfang an kritisch besprochen.<br />

der leitung <strong>des</strong> Zentralantiquariats der<br />

ddr gefiel das gar nicht. Am liebsten hätten sie<br />

den Autor »wegen Geschäftsschädigung« vor<br />

Gericht gebracht. in einer Aussprache mit dem<br />

Vorstand der Pirckheimer-Gesellschaft bekräftigten<br />

Bruno Kaiser und der redakteur der Zeitschrift,<br />

lothar lang, ihren standpunkt in einem<br />

Plädoyer, unterstützt von dem Altphilologen<br />

Wolfgang Kirsch, dam<strong>als</strong> Vorsitzender der Bezirksgruppe<br />

halle. ein Brief <strong>des</strong> großen Bibliophilen<br />

und Verlegers der Jahre um 1930 in Ber-<br />

35


Buchhandel<br />

36<br />

lin, Abraham horodisch aus Amsterdam, vom<br />

11. mai 1979 an leo Piotracha drückte »Bewunderung«<br />

aus, da der Bücherfreund in seiner<br />

»60jährigen [sic] bibliophilen Praxis immer nur<br />

Auktionsberichten begegnet, die sich damit begnügt<br />

haben, erzielte spitzenpreise zu verzeichnen,<br />

gelegentlich auch namen von Käufern zu<br />

melden. einer Kritik der Katalogbeschreibungen,<br />

so wie sie sie durchaus zurecht geübt<br />

haben, kann ich mich nicht erinnern, und systematischer<br />

hinweise auf Bibliographien und<br />

Werkverzeichnisse schon gar nicht.« 34 Zu den<br />

Versteigerungen für Jugendliche wünschte horodisch,<br />

dass sie aufhörten.<br />

Zu erwähnen wären die Auktionen der Galerie<br />

oben, der Genossenschaft bildender Künstler<br />

in Karl-marx-stadt (chemnitz). Begonnen haben<br />

Pirckheimer-freunde (uli eichhorn, Wolfgang<br />

neubert) mit Auktionen in Karl-marxstadt,<br />

35 deren dritte bereits am 5. februar 1983<br />

im Pablo-neruda-Klub stattfand. unter der redaktion<br />

von uli eichhorn umfasste sie 157 Positionen.<br />

die Galerie oben führte die Auktionen<br />

erfolgreich weiter. Zu dem Jahrestreffen der<br />

Pirckheimer-Gesellschaft in Karl-marx-stadt<br />

(1978) fanden eine Auktion auf schloss Augustusburg<br />

mit material aus dem Bezirksantiquariat<br />

Karl-marx-stadt und dem Antiquariat der<br />

evangelischen Buchhandlung max müller (Katalog<br />

der Buch- und Grafikauktion mit 61 Positionen)<br />

und in cottbus (1984) aus den einlieferungen<br />

der mitglieder (maschinenschriftlich<br />

vervielfältigte liste) und in leipzig 1989 statt.<br />

die letzte von der Galerie oben geführte Auktion<br />

fand am 26. mai 1990 statt. der staatliche<br />

Kunsthandel der ddr, ein monopolunternehmen<br />

unter seinem Generaldirektor horst Weiß,<br />

zog nach und nach alle Auktionen für bildende<br />

Kunst und Grafik an sich. dazu gehörten auch<br />

die dresdner Auktionen, die Werner schmidt<br />

vom Kupferstich-Kabinett begonnen hatte, und<br />

die Auktionen der Galerie am Prater in Berlin,<br />

geleitet von Joachim Pohl.<br />

Von der schwierigen bis katastrophalen Wirtschaftslage<br />

in der ddr wussten wenige menschen.<br />

die Gründung der Kunst & Antiquitäten<br />

Gmbh 1973, die nach der Wende erst mit dem<br />

Bereich Kommerzielle Koordinierung <strong>des</strong><br />

staatssekretärs Alexander schalck-Golodkowski<br />

in Verbindung gebracht wurde, erweiterte<br />

ihren umsatz mit dem eintritt von Johannes<br />

Wend, bisher spezialist für Auktionen <strong>des</strong><br />

Zentralantiquariats, indem nun Bücher und<br />

Grafik in das exportgeschäft verstärkt einbezogen<br />

wurden. hilfreich waren dafür nicht allein<br />

die fachkenntnisse <strong>des</strong> neuen Kollegen, aufgrund<br />

seiner langen erfahrungen kannte er die<br />

sammler, die erfolgversprechen<strong>des</strong> besaßen. Zu<br />

ihnen gehörte Karl Koehler, 36 ein schon betagter<br />

metallurge, der, wie er erzählte, seine erste Grafik<br />

1917 auf einer Auktion erworben hatte. unmittelbar<br />

nach seinem tod wurden die erben<br />

zur Kasse gebeten. es blieb für sie nach den<br />

schätzungen von Johannes Wend nichts übrig. 37<br />

dabei hatte sich Koehler durchaus mit exponaten<br />

an Ausstellungen beteiligt, was steuerfreiheit<br />

versprach.<br />

Für Auskünfte und Gespräche danke ich Ingrid Blankenburger,<br />

Sibylle Böhme, Bernhard Stübner, Hanna<br />

Tzschacksch, Heinz Wegehaupt und Wolfgang Wehlitz<br />

(sämtlich Berlin); Manfred Artur Fellisch (Radebeul),<br />

Werner Kohlert (Dresden), Peter Minkewitz und Ronald<br />

Paris (Rangsdorf). Danken möchte ich auch meiner Frau<br />

Brigitte für ihre unendliche Geduld und Hilfe bei der<br />

Fertigstellung <strong>des</strong> Textes.<br />

Anmerkungen<br />

1 Bruno Kaiser: der Kampf um das Antiquariat.<br />

in: marginalien 51. heft (1973) s. 84–86. in der<br />

Korrespondenz Bruno Kaisers, die in der handschriftenabteilung<br />

der staatsbibliothek zu Berlin aufbewahrt<br />

wird, befindet sich die Kopie eines Briefes<br />

vom 23. märz 1973 an roland Bauer, mitglied <strong>des</strong> ZK<br />

der sed, mitglied der Kulturkommission <strong>des</strong> ZK<br />

und mitglied der stadtverordnetenversammlung von<br />

Berlin.<br />

2 hermann Weber: der Antiquar Georg Pinzke –<br />

schicksal eines vergessenen Kommunisten. in: die<br />

Vitrine. fachblatt für linke Bibliomanie. heft 2. märz<br />

2003, s. 4–11.<br />

3 Bertolt Brecht berichtet unter dem 12. november 1948<br />

im »Arbeitsjournal 1938–1955«. hrsg. von Werner<br />

hecht. Berlin und Weimar 1977, s. 459: »am bahnhof<br />

friedrichstraße ist eine buchhandlung mit alten büchern.<br />

sie gehört einem kommunisten. ich wähle eine<br />

goetheausgabe, und er weigert sich, mich bezahlen zu<br />

lassen.«


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Buchhandel<br />

4 hartmut Pätzke: der »Graphik-Verlag dr. heinrich<br />

mock« in Altenburg (1945–1949), Weimar und erfurt<br />

(1949–1953). in: AdA nf 3 (2005) s. 199–205.<br />

5 eberhard roters: Galerie ferdinand möller. Berlin<br />

1984.<br />

6 monika heffels: c. G. Boerner Kataloge. in: heinz<br />

ladendorf (hrsg.): festschrift dr. h. c. eduard trautscholdt<br />

zum siebzigsten Geburtstag am 13. Januar<br />

1963. hamburg 1965, s. 203–226.<br />

7 Brockhaus/Antiquarium 1856 bis 2006. ein Blick in<br />

die Geschichte zum 150-jährigen Jubiläum. Kornwestheim<br />

2006.<br />

8 theodor Pinkus: neudruck und Bibliophilie. in:<br />

marginalien 24. heft (1966) s. 22–26.<br />

9 hartmut Pätzke: erich c. l. Zintl 1.3.1911 – 2.4.1998.<br />

in: AdA 7/1998, A 547–549.<br />

10 Godula Buchholz: Karl Buchholz. Buch- und Kunsthändler<br />

im 20. Jahrhundert. sein leben und seine<br />

Buchhandlungen und Galerien: Berlin, new York,<br />

Bukarest, lissabon, madrid, Bogotà. Köln 2005.<br />

11 hartmut Pätzke: ilse von Kamptz (1909–2000),<br />

Buchhändlerin, Antiquarin und Galeristin. in: AdA<br />

nf 8 (2010) s. 69–73.<br />

12 Was sechzigjährige von einander halten. Wolfram<br />

Körner über erwin Kohlmann. in: marginalien 79.<br />

heft (1980) s. 87.<br />

13 Brief erwin Kohlmann an Bruno Kaiser vom 29.<br />

April 1961; nachlass Bruno Kaiser, handschriftenabteilung<br />

der staatsbibliothek zu Berlin, haus Potsdamer<br />

straße.<br />

14 (hartmut Pätzke) unter: nachrichten für den Bücher-<br />

und Graphikfreund. in: marginalien 110. heft<br />

1988, s. 81.<br />

15 hartmut Pätzke: Gerhard Beinlich. in: marginalien<br />

108. heft 1987, s. 74 f.; ders.: Gerhard Beinlich 65<br />

Jahre. in: marginalien 120. heft 1993, s. 97; ders.:<br />

Gerhard Beinlich 70 Jahre alt. in: marginalien 147.<br />

heft (1997) s. 103; ders.: Zum tod von Gerhard<br />

Beinlich. in: AdA 5/2002, A 299 f.<br />

16 modernde Kunst. eine nicht im Auftrage <strong>des</strong> ministeriums<br />

für Kultur geschaffene Bilder-Geschichte<br />

von Peter dittrich. in: eulenspiegel, Januar 1968, s. 5.<br />

17 Bücher für leipzig. festschrift zum 50jährigen Bestehen<br />

der Buchhandlung »franz-mehring-haus«<br />

leipzig. redaktion: thomas Biskupek. leipzig 1995.<br />

18 Bruno Kaiser: Zum Gedenken. in: marginalien 2.<br />

heft (1957) s. 15 f.<br />

19 Karl markert: erinnerungen und Betrachtungen eines<br />

Antiquars. in: marginalien 4. heft (1959) s. 23–28.<br />

20 herbert Kästner: der Antiquar fromund hoy. in:<br />

marginalien 192. heft (2008) s. 92 f.<br />

21 Victor Klemperer: und alles ist schwankend. tagebücher<br />

Juni bis dezember 1945. hrsg. von Günter Jäckel<br />

unter der mitarbeit von hadwig Klemperer. 3.<br />

Aufl. Berlin 1995; ders.: so sitze ich denn zwischen<br />

allen stühlen. tagebücher 1945–1949. hrsg. von Walter<br />

nowojski unter der mitarbeit von christian löser.<br />

3. Aufl. Berlin 1999; frank hermann: Vom Kaiserreich<br />

zur republik. der Buchhändler Arthur<br />

nestler wurde 100. in: AdA 9/1996, A 407 f.; hartmut<br />

Pätzke: dresden. 100 Jahre alt wurde Arthur<br />

nestler. in: marginalien 143. heft (1996) s. 82; ders.:<br />

erinnerung an Arthur nestler. in: marginalien 147.<br />

heft (1997) s. 63–65.<br />

22 hans-ulrich lehmann: Zeichnungen in der Kunst<br />

der ddr, Katalog, Kupferstich-Kabinett der staatlichen<br />

Kunstsammlungen dresden 1974, zu Johannes<br />

Kühl s. 130 f.; Kunsthändler künstlerisch tätig, Katalog,<br />

Galerie nierendorf. Berlin 1987; ingrid Wenzkat:<br />

65 Jahre Galerie Kühl, dresden, in: marginalien<br />

einhundertsiebzehntes heft 1990, s. 56–61; die<br />

Kunstausstellung Kühl. Johannes Kühl im Gespräch<br />

mit Peter nüske. in: eckhart Gillen und rainer<br />

haarmann (hrsg.): Kunst in der ddr, Kiepenheuer<br />

& Witsch 1990, s. 331–334.<br />

23 Karl ullrich: erinnerungen an Kindheitserlebnisse<br />

mit Büchern. in: marginalien 24. heft (1966) s. 34–<br />

46; horst Kunze: Karl ullrich, Antiquar. in: marginalien<br />

37. heft (1970) s. 56–59.<br />

24 Werner Kohlert: dem Antiquar Georg leukroth<br />

zum 100. Geburtstag. in: AdA 2/1999, A 118 f.<br />

25 Werner schmidt: 100 Werke aus der schenkung hildegard<br />

und Joachim meyer. erwerbungen 41. Kupferstich-Kabinett<br />

der staatlichen Kunstsammlungen<br />

dresden (1982).<br />

26 hans-Georg Kühnel: Aus meinem leben und Wirken<br />

<strong>als</strong> Buchhändler (Privatdruck); [lothar lang]:<br />

dresden. hans-Georg Kühnel. in: marginalien 136.<br />

heft (1994) s. 115.<br />

27 rudolf Kretschmar 30.03.1908–13.11.1976. in: marginalien<br />

65. heft (1977) s. 50.<br />

28 michael schädlich: das Antiquariat der evangelischen<br />

Buchhandlung max müller in chemnitz/<br />

Karl-marx-stadt. in: marginalien 190. heft (2008) s.<br />

56–58.<br />

29 reinhard seidler: ein senior der cottbuser sammler.<br />

in: marginalien 77. heft (1980) s. 14–19; hkk: Walter<br />

drangosch. in: lausitzer rundschau, 13. Januar<br />

2010.<br />

30 rainer schulze: Aus der chronik der (allzeit) privaten<br />

Jüttners Buchhandlung Wernigerode. in: leipziger<br />

Jahrbuch zur Buchgeschichte 12 (2003) s. 337–<br />

345.<br />

31 Johannes lischke: Wismar. in memoriam hermann<br />

rhein. in: marginalien 133. heft (1994) s. 108 f.<br />

32 detlef hamer: 60 Jahre Bunte stube Ahrenshoop.<br />

Geburtstagsgruß an ein traditionsreiches Kunstunternehmen.<br />

in: marginalien 87. heft (1982) s. 45–50.<br />

33 leo Piotracha: Auktionen. Berlin/leipzig. Zwei<br />

Auktionen für Graphik und Bücher und ihre ergebnisse.<br />

i. Kleine sommerauktion der Galerie Arkade<br />

am 24.6.1975 in Berlin und Auktion nr. 1 <strong>des</strong><br />

Zentralantiquariats der ddr am 6. dezember 1975<br />

in leipzig. in: marginalien 62. heft (1976) s. 75–80.<br />

34 der Brief befindet sich im Besitz <strong>des</strong> Adressaten.<br />

35 Wolfgang neubert: [Zur Zweiten Buchauktion im<br />

Karl-marx-städter Klub »Pablo neruda« am 3.<br />

April 1982]. in: marginalien 87. heft (1982) s. 61 f.<br />

36 lithographien. sammlung dr. Karl Koehler. in:<br />

Günter Blutke: Obskure Geschäfte mit Kunst und<br />

Antiquitäten. ein Kriminalreport. 2., veränderte<br />

Auflage. Berlin 1994, s. 81–86.<br />

37 Zur rolle von Johannes Wend bei Wertschätzungen<br />

von Kulturgut siehe auch Bernt ture von zur mühlen:<br />

der Ausverkauf der stadtarchivbibliotheken in<br />

Altenburg und döbeln. in: AdA 12/1990, A 509–<br />

512.<br />

37


Buchhandel<br />

Nach-<br />

bemerkung<br />

Björn Biester<br />

Auswahlbibliografie<br />

(chronologisch<br />

geordnet):<br />

38<br />

die vorstehend veröffentlichten Anmerkungen von hartmut Pätzke (geb. 1938<br />

Berlin-friedenau) zum Antiquariatsbuchhandel und Auktionswesen in der <strong>deutschen</strong><br />

demokratischen republik bieten gewiss keinen vollständigen oder historisch<br />

abgeklärten überblick über ein schwieriges terrain, jedoch Bausteine zur<br />

einordnung einzelner firmen und ihrer inhaber aus einer innen- und sammler-<br />

Perspektive über mehrere Jahrzehnte. Viele dinge lassen sich auf andere Weise<br />

wohl kaum noch erschließen, ganz sicher nicht etwa durch Akten oder die leipziger<br />

Ausgabe <strong>des</strong> ›<strong>Börsenblatt</strong>s‹. Auch Adressbücher sind nur begrenzt hilfreich,<br />

da deren einträge oft nicht einmal verraten, ob und in welchem umfang eine sortimentsbuchhandlung<br />

auch antiquarisch tätig gewesen ist. mehr <strong>als</strong> 20 Jahre nach<br />

dem untergang der ddr scheint es ein dringen<strong>des</strong> Anliegen, dieses Verfahren der<br />

materialgewinnung, das heißt Äußerungen von Zeitzeugen zu sammeln und dokumentieren,<br />

zu intensivieren. mitteilungen dieser Art sind bislang rar, nachträge<br />

und ergänzungen <strong>des</strong>halb sehr willkommen.<br />

1 erste Auktion im Zentralantiquariat leipzig.<br />

in: AdA 12/1975, A 402.<br />

2 stula, hans: eindrücke von der internationalen<br />

Buchkunst-Ausstellung in leipzig und ddr-<br />

Antiquariaten. in: AdA 8/1977, A 306–308.<br />

3 Werner, h. G.: Anmerkungen zum Antiquariats -<br />

buchhandel in der ddr. in: AdA 4/1978, A 130–132.<br />

4 Bielschowsky, ludwig: Buch- und Graphikauktion<br />

in Ost-Berlin. in: AdA 11/1980, A 503 f.<br />

5 schebera, Jürgen: Geschätzter Partner in der Welt.<br />

Kundendienst (Postkarte genügt) und exaktheit<br />

werden in leipzig großgeschrieben (Buchwesen in<br />

der ddr 27: das Zentralantiquariat). in: Börsen -<br />

blatt für den <strong>deutschen</strong> Buchhandel (frankfurt)<br />

nr. 60, 18. Juli 1980. s. 1736 f.<br />

6 ludwig, erich: Zentralantiquariat der ddr:<br />

7. Buch- und Grafikauktion. in: AdA 11/1981,<br />

A 478–482.<br />

7 ludwig, erich: Zentralantiquariat der ddr:<br />

8. Buch- und Grafikauktion. in: AdA 1/1982,<br />

A 28–31.<br />

8 ludwig, erich: Zentralantiquariat der ddr:<br />

9. Buch- und Grafikauktion mit Versteigerung<br />

einer frans-masereel-sammlung. in: AdA 1/1983,<br />

A 28–32.<br />

9 ludwig, erich: Zentralantiquariat der ddr:<br />

10. Buch- und Grafikauktion. in: AdA 2/1984,<br />

A 66–69.<br />

10 Beinlich, Gerhard: meine marginalien. in: AdA<br />

8/1990, A 344 f.<br />

11 hiersemann, Gerd: Beschlagnahme <strong>als</strong> Grundstock.<br />

in: AdA 9/1990, A 403. [Aneignung der hierse-<br />

mann-handbibliothek durch das Zentralantiquariat.]<br />

12 Kazimirek, helmut: Gegendarstellung. in: AdA<br />

11/1990, A 484 f. [Zum Beitrag von Gerd hierse-<br />

mann in AdA 9/1990.]<br />

13 Zur mühlen, Bernt ture von: Anmerkungen zum<br />

Antiquariatsbuchhandel in der <strong>deutschen</strong> demo-<br />

kratischen republik. in: AdA 6/1990, A 239–241.<br />

14 Zur mühlen, Bernt ture von: das leipziger Zentral -<br />

antiquariat. in: AdA 7/1990, A 302 f.<br />

15 hiersemann, Gerd: Alte Bücher <strong>als</strong> devisen-quelle.<br />

in: frankfurter Allgemeine Zeitung nr. 114, 17. mai<br />

1996, s. 10 (Briefe an die herausgeber).<br />

16 Karla, heidi: eine Anordnung für den Antiquariats-<br />

buchhandel in der ddr (1960) – Vorgeschichte,<br />

inhalt, Auswirkungen. in: leipziger Jahrbuch zur<br />

Buchgeschichte 6 (1996) s. 383 – 403.<br />

17 Alfred eberlein an der universitätsbibliothek<br />

rostock 1954–1971. Zusammengestellt von Werner<br />

müller und hanno lietz. rostock 1997.<br />

18 Karla, heidi: der handel mit antiquarischen<br />

Büchern aus der ddr in die Brd. in: das loch in<br />

der mauer. der innerdeutsche literaturaustausch.<br />

hrsg. von mark lehmstedt und siegfried lokatis.<br />

Wiesbaden 1997, s. 109–120.<br />

19 Karla, heidi: Antiquariatsbuchhandel in der sBZ/<br />

ddr 1945–1962. in: AdA 10/1997, A 529–542.<br />

20 sangmeister, dirk: ein Akt der grossen Kulturbar-<br />

barei. die systematische Zerschlagung historischer<br />

Buchbestände in der ddr. in: neue Zürcher<br />

Zeitung nr. 86, 15. April 2002, s. 23; Online:<br />

www.nzz.ch/2002/04/15/fe/article81cWs.html<br />

21 Biester, Björn: deutsch-deutsche Büchergeschäfte<br />

1945 bis 1989. Anmerkungen zur rolle <strong>des</strong> Antiqua-<br />

riatsbuchhandels. in: 95. deutscher Bibliothekartag<br />

in dresden 2006. netzwerk Bibliothek. hrsg. von<br />

daniela lülfing. frankfurt am main 2007, s. 249–257.<br />

22 naake, Bernd: Zentralantiquariat leipzig Gmbh<br />

1959–2009. in: Zentralantiquariat leipzig Gmbh.<br />

15. leipziger Antiquariatsmesse 12.–15. märz 2009.<br />

Verzeichnis der ausgestellten Bücher. leipzig 2009.<br />

[Vorwort.]<br />

23 diag, sarah: staatlich bedingte dekadenz <strong>des</strong> leip-<br />

ziger Antiquariatsbuchhandels. eine Betrachtung für<br />

die Zeit der sBZ und ddr. unveröffentlichte mA-<br />

Arbeit, universität leipzig, institut für Kommunika-<br />

tions- und medienwissenschaft, 2011. 117 s., Anhang.<br />

[Gutachter: Prof. dr. siegfried lokatis und Pd dr.<br />

habil. thomas Keiderling.]


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 literatur<br />

Karl Klaus Walther<br />

Von der neuen Leselust<br />

ins Leseland – einige<br />

Erinnerungen<br />

Vorsatz<br />

Bevor ich zu einem intensiven leser wurde,<br />

mussten mir meine eltern an einem anstrengenden<br />

nachmittag beibringen, dass die buchstabierte<br />

Buchstabenfolge m – a – m – a ein<br />

ganzes Worte bedeutete. Als ich das begriffen<br />

hatte, war ein tor geöffnet. in den Büchern, die<br />

ich geschenkt bekam, und in Vaters Bücherschrank<br />

fand ich die erste nahrung für meine<br />

leselust. Blicke ich auf meine lektüren zurück,<br />

so falle ich vermutlich durch elternhaus, studium,<br />

Beruf und glückliche umstände durch<br />

das raster der statistischen erhebungen, aus<br />

denen sich die selbstdarstellung der DDR <strong>als</strong><br />

»leseland« ableitet. Als ich aus einem eher trivialen<br />

Anlass begann, episoden, die ich selbst erlebt<br />

oder aus glaubwürdiger erster hand er-<br />

fahren hatte, niederzuschreiben, fügten sich<br />

nach und nach manche erinnerungsfragmente,<br />

manches vermeintlich disparate, zu einem<br />

muster, das neue Zusammenhänge erkennbar<br />

machte. daraus ergibt sich diese sicht auf<br />

Bücher, Buchhändler und Bibliotheken.<br />

Aus Vaters Bücherschrank<br />

mein Vater war Buchhändler gewesen und besaß<br />

eine umfangreiche Bibliothek, in der zwar<br />

keine große Goethe-Ausgabe in leder und<br />

Goldschnitt zu finden war, dafür aber Balzac,<br />

stendhal, dickens, 1001 nacht, stefan Zweig,<br />

hermann hesse, B. traven, zum teil in den<br />

schönen Ausgaben der Zeit zwischen 1910 und<br />

1930. der von John heartfield gestaltete um -<br />

schlag zu John reeds Bericht über die russische<br />

revolution, ›10 tage, die die Welt erschütterten‹,<br />

beeindruckte mich zusammen mit den fotos<br />

mehr <strong>als</strong> der inhalt. da mein Vater die Bücher<br />

gelegentlich umstellte, verschwand das Buch<br />

nach Kriegsende zeitweilig in der zweiten reihe<br />

– heute frage ich mich, ob dahinter nicht doch<br />

mehr <strong>als</strong> der Zufall der ordnenden hand steckte.<br />

hier fand ich neben den schullektüren auch<br />

Gedichtsammlungen wie der ›der deutsche<br />

spielmann‹ und die romane und erzählungen<br />

James fenimore coopers, friedrich Ger-<br />

stäckers, charles se<strong>als</strong>fields, die mich mehr faszinierten<br />

<strong>als</strong> Karl may. die schöne, reich kommentierte<br />

faust-Ausgabe von Georg Witkowski<br />

half mir gegen die deutungen der frisch ausgebildeten<br />

deutschlehrer, nach denen Goethe im<br />

zweiten teil schon die Großbauten <strong>des</strong> Kommunismus<br />

vorausgeahnt haben soll.<br />

in einem der unteren regale, teilweise verdeckt<br />

von anderen Büchern, lagen ungebunden<br />

hefte <strong>des</strong> ›tagebuch‹ und der ›Weltbühne‹ aus<br />

der Zeit vor 1933. in deren roten heften fand<br />

ich neben den frechen Versen tucholskys und<br />

seiner Zeitgenossen auch manche Artikel zu ereignissen,<br />

über die in der schule nicht gesprochen<br />

wurde. Als wir im russisch-unterricht<br />

majakowski behandelten und uns erzählt wurde,<br />

dass er 1928 gestorben sei, setzte ich die lehrerin,<br />

die in der sowjetunion überzeugt und ausgebildet<br />

worden war, mit der frage nach majakowskis<br />

selbstmord, von dem ich in der ›Weltbühne‹<br />

gelesen hatte, in Verlegenheit – vielleicht<br />

hörte sie aber auch zum erstem mal davon.<br />

Zur Bibliothek meines Vaters gehörte auch<br />

die Ausgabe von meyers lexikon von 1906 mit<br />

dem schönen Jugendstilrücken, die mit ihrem<br />

inhalt, der exaktheit und schönheit ihrer Abbildungen<br />

auch später noch eine zuverlässige informationsquelle<br />

für mich darstellte. trotzdem<br />

gehörte diese Ausgabe wie auch andere ältere<br />

lexikonausgaben zu den titeln, die am Anfang<br />

der fünfziger Jahre vielfach aus den stadt- und<br />

schulbibliotheken ausgesondert wurden. diese<br />

lücke konnte erst seit den sechziger Jahren<br />

durch meyers neues lexikon aus dem VeB<br />

Bibliographisches institut leipzig wenigstens<br />

annähernd geschlossen werden.<br />

39


literatur<br />

40<br />

Neue Leselust<br />

einfache nachrichtenblätter, dünne Zeitungen<br />

und Zeitschriften waren in den ersten nachkriegsjahren<br />

knapp und wurden den händlern<br />

aus den händen gerissen – die Verlautbarungen<br />

der Behörden, aber auch das Wissen von dem,<br />

was vorging und was sich auf jeden einzelnen<br />

auswirken konnte wie auch die ersten offenen<br />

Berichte über die ereignisse der zurückliegenden<br />

Jahre gehörten zur überlebensstrategie<br />

dieser Zeit.<br />

meine heimatstadt cottbus lag rund 100 Kilo-<br />

meter von Berlin entfernt. die direkte straßenverbindung<br />

führte in die südöstlichen, jetzt zu<br />

Westberlin gehörenden teile der stadt. Auch der<br />

Görlitzer Bahnhof war noch Ausgangs- und<br />

endpunkt der Züge nach und von cottbus und<br />

lag ebenso wie der Anhalter und der Potsdamer<br />

Bahnhof in den Westsektoren. dieser umstand<br />

erleichterte es vermutlich, dass bis zur Währungsreform<br />

Zeitungen, Zeitschriften und Bücher<br />

aus Westberlin und den Westzonen nach<br />

cottbus gelangten – wenn es schwierigkeiten<br />

beim Vertrieb gab, so lag das nicht selten an den<br />

allgemeinen umständen: Papierknappheit,<br />

transportprobleme, aber auch Zensureingriffe<br />

der Besatzungsmacht und der neuen <strong>deutschen</strong><br />

Behörden. so kamen die ›neue Zeitung‹ aus<br />

münchen sowie Westberliner Zeitungen wie<br />

›tagesspiegel‹, ›telegraf‹, ›Kurier‹, ›die Welt‹ bis<br />

zur Währungsreform zum Verkauf. über einen<br />

befreundeten Buchhändler abonnierte mein<br />

Vater die in der Britischen Besatzungszone erscheinende<br />

monatszeitschrift ›Blick in die Welt‹<br />

sowie die ›neue Auslese‹, die durch Auszüge<br />

aus Zeitschriften <strong>des</strong> in- und Auslan<strong>des</strong> einen<br />

überblick über aktuelle entwicklungen auf<br />

allen Wissensgebieten gab. mit der Währungsreform<br />

endete der legale Bezug von westlichen<br />

Periodika und Büchern.<br />

eine zunächst weniger unkontrollierte quelle<br />

waren Zeitungen und Zeitschriften der westlichen<br />

kommunistischen Parteien, die über die<br />

Postzeitungsliste im Abonnement oder am Kiosk<br />

erhältlich waren. Blätter aus Österreich waren<br />

sprachlich leichter zugänglich, daher auch<br />

schwerer im freien Verkauf zu erhalten. die<br />

sonntagsausgabe der humanité, ›humanité<br />

dimanche‹ oder die von louis Aragon<br />

begründeten ›les lettres françaises‹ enthielten<br />

dagegen auch informationen, die in ddr-Veröffentlichungen<br />

nicht zu finden waren. durch<br />

eine erhebliche Anhebung der Abonnementspreise<br />

wurde Privatpersonen seit dem ende der<br />

fünfziger Jahre der Bezug erschwert. Aber das<br />

war wohl Absicht.<br />

die lektüre aus Vaters Bücherschrank wurde<br />

durch neuere titel ergänzt. so las ich, teilweise<br />

<strong>als</strong> fortsetzungsromane, Arnold Zweigs ›Beil<br />

von Wandsbek‹ und hans falladas ›Jeder stirbt<br />

für sich allein‹, ein roman, der jüngst seine literarische<br />

Wiederentdeckung erlebte. es waren<br />

die ersten Versuche, die zurückliegenden Jahre<br />

literarisch zu gestalten. ungewohnt war der realismus<br />

in erwin strittmatters ›der Ochsenkutscher‹,<br />

der <strong>als</strong> fortsetzungsroman in der ›märkischen<br />

Volksstimme‹ erschien und die gängigen<br />

seichten fortsetzungsromane an dieser stelle ersetzte.<br />

er rief auch unter uns schülern diskussionen<br />

hervor, doch ahnte keiner, dass der Autor<br />

am Anfang einer bemerkenswerten Karriere<br />

stand. theodor Pliviers ›stalingrad‹ und heinz<br />

reins ›finale Berlin‹ gehörten ebenfalls zu den<br />

neuen Büchern.<br />

im deutschunterricht lernten wir zwar nicht<br />

mehr schillers ›Glocke‹ auswendig, doch fontanes<br />

›John maynard‹, Börries von münchhausens<br />

›Bauernaufstand‹ oder ludwig uhlands<br />

›die rache‹ mit den in der damaligen Zeit beziehungsreichen<br />

Zeilen ›der Knecht hat erstochen<br />

den edlen herrn / der Knecht wäre selber ein<br />

ritter gern‹ gehörten noch zum lese- und lernstoff.<br />

Zum beliebten lesestoff gehörten die romane<br />

Arnold Zweigs. ›der streit um den sergeanten<br />

Grischa‹ war 1953 eines der themen für<br />

deutschaufsatz im Abitur. War mir Aufsät-<br />

ze schreiben nicht zuletzt wegen der themen<br />

über den fünfjahrplan, Kritik und selbstkritik,<br />

freundschaft zur sowjetunion usw. eher unsympathisch,<br />

so schrieb ich jetzt, in der Klausur,


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 literatur<br />

zügig und ohne stocken. Vielleicht hatten mir<br />

bisher nur die richtigen themen gefehlt.<br />

ein Klassenkamerad war in der stadtbücherei<br />

auf hermann Kasacks ›stadt hinter dem<br />

strom‹ gestoßen. Kasack, der in den ersten<br />

nachkriegsjahren noch in Potsdam lebte, hatte<br />

den roman bei seinem Arbeitgeber Peter suhrkamp<br />

erscheinen lassen. Vor der Währungs-<br />

reform war er noch an eine reihe von Bibliotheken<br />

in der sowjetischen Besatzungszone ausgeliefert<br />

worden. Jetzt, am Anfang der fünfziger<br />

Jahre, <strong>als</strong> ›Westtitel‹ aus den Beständen der öffentlichen<br />

Bibliotheken ausgesondert wurden,<br />

sollte auch in cottbus der titel aus dem Bestand<br />

entfernt werden. ich war vermutlich einer der<br />

letzten, der ihn dort auslieh. es wurde eines der<br />

Bücher, die ich mehrm<strong>als</strong> gelesen habe, und Jahre<br />

später habe ich die erstausgabe in einem Antiquariat<br />

erworben.<br />

Auch eine Empfehlung.<br />

noch in der Oberschulzeit 1952/53 kamen mir<br />

die traktate gegen den formalismus in Kunst<br />

und literatur, über westliche dekadenz usw.<br />

aus der feder shdanows 1 , n. Orlows 2 , hans<br />

lauters 3 , Joachim G. Böckhs 4 und anderer in die<br />

hände. Begierig sog ich die namen der schriftsteller,<br />

Künstler und Komponisten auf, die <strong>als</strong><br />

dekadent, formalistisch, reaktionär und was derartige<br />

Worte mehr waren, beschimpft wurden.<br />

es war eine ruhmvolle liste, auf der in bunter<br />

und undifferenzierter Abfolge sartre, Joyce,<br />

tennessee Williams, hindemith, Orff, Kandinsky,<br />

strawinsky, Paul Klee, Alban Berg und andere<br />

Vertreter der moderne zu finden waren.<br />

die studienzeit in Berlin zwischen 1953 und<br />

1958 bot die Gelegenheit, in Bibliotheken und<br />

Buchhandlungen, in Konzerten und theateraufführungen,<br />

in museen und Galerien diese Werke<br />

kennenzulernen – ich sah, hörte und las vieles,<br />

was über den rahmen <strong>des</strong> studiums der Anglistik<br />

und Bibliothekswissenschaft hinausging.<br />

Auch wenn manches inzwischen vergessen ist,<br />

so bleibt die erinnerung an eine Zeit, in der Berlin<br />

zwar politisch und wirtschaftlich geteilt war,<br />

der ›Wettkampf der systeme‹ aber für den, der<br />

›Grenzgänge‹ nicht scheute, eine fülle prägender<br />

kultureller eindrücke in allen teilen der<br />

stadt bot. theater, Kinos, museen boten für den<br />

Besucher aus dem Osten mitunter erhebliche<br />

ermäßigungen – wie teuer der eintritt dann<br />

wurde, hing vom täglich schwankenden Wechselkurs<br />

Ostmark/Westmark ab, wobei sich allerdings<br />

erich loests romantitel ›die Westmark<br />

fällt weiter‹ (1952) nicht bewahrheitete.<br />

***<br />

Als student war ich Benutzer der <strong>deutschen</strong><br />

staatsbibliothek und der universitätsbibliothek<br />

Berlin. im unterschied zur <strong>deutschen</strong> staatsbibliothek<br />

hatte sie keine großen Bestandsverluste<br />

erlitten, doch war das Gebäude noch von<br />

den Kriegsfolgen gezeichnet. Professor dr. Willi<br />

Göber, direktor der universitätsbibliothek bis<br />

zu seinem frühen tode im sommer 1961, hatte<br />

daher im treppenhaus <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> einen lenin<br />

zugeschriebenen satz hängen: »der Zustand<br />

der Bibliotheken ist der index der Kultur eines<br />

lan<strong>des</strong>.« der satz verschwand zwar unter seinen<br />

nachfolgern, die mitglieder der SED waren,<br />

doch der Zustand <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> blieb bis zur<br />

Wende unverändert.<br />

die wichtigste quelle war aber die Bibliothek<br />

›meines‹ instituts, <strong>des</strong> englisch-Amerikanischen<br />

instituts der humboldt-universität.<br />

neben den großen Werk- und textausgaben der<br />

kanonisierten Autoren fanden sich hier dank der<br />

großzügigen spenden der engländer und Amerikaner<br />

in der nachkriegszeit zahlreiche moderne<br />

Autoren. darunter waren auch frühe Ausgaben<br />

der dichter der dreißiger Jahre wie W. h.<br />

Auden, day lewis, louis macneice oder edith<br />

sitwell, deren Werke und deren politisches<br />

engagement zu dieser Zeit in deutschland nur<br />

wenigen bekannt waren.<br />

Leseland DDR – oder<br />

Schwierigkeiten beim Lesen<br />

Als ich während meines studiums erich Kästners<br />

›fabian‹ in der uB Berlin bestellte, erhielt<br />

ich den leihschein zurück mit dem Vermerk<br />

41


literatur<br />

42<br />

»schrank 9«. die Bibliothekarin bedeutete mir,<br />

dass ich mich beim leiter der Benutzungsabteilung<br />

melden müsste. nach einigem hin und<br />

her erhielt ich das Buch für eine Woche ausgeliehen,<br />

es schien noch immer in dem schrank zu<br />

stehen, in den man es in den dreißiger Jahren<br />

gestellt hatte.<br />

Ähnlich erging es mir mit einem roman<br />

sartres – da ich an einem donnerstag vorsprach,<br />

konnte ich nach einigem Verhandeln das Buch<br />

bis montagfrüh nach hause mitnehmen.<br />

War es bei sartre zu dieser Zeit der name, so<br />

stand Kästners ›fabian‹ im ruf, ein unmoralisches<br />

Buch zu sein. und auch später fürchtete<br />

man noch um die moral der jüngeren leser, wie<br />

es sich um 1960 in der universitäts- und lan<strong>des</strong>bibliothek<br />

in halle ereignete. der insel-<br />

Verlag leipzig hatte den freizügigen erotischen<br />

roman King Ping meh aus dem alten china neu<br />

herausgebracht. Als ihn eine jüngere unverheiratete<br />

Kollegin entleihen wollte, zögerte der für<br />

die Ausleihe zuständige Abteilungsleiter, ihr das<br />

Buch auszuleihen. es kam zu einer heftigen<br />

diskussion an der Wandzeitung, wobei sich das<br />

Gros der mitarbeiter für die uneingeschränkte<br />

lektüre <strong>des</strong> Buches aussprach.<br />

***<br />

eine Bibliotheksmitarbeiterin aus einer Kleinstadt<br />

im harzvorland kam nach der mittagspause<br />

mit einer vollen einkaufstasche zum Weiterbildungskurs<br />

zurück. Voller stolz erzählte sie,<br />

dass sie in einer halleschen Buchhandlung die<br />

reclamhefte für die Klasse ihres sohnes bekommen<br />

hatte. es waren texte von Goethe und<br />

schiller, die zur schullektüre gehörten, die aber<br />

die örtliche Buchhandlung nicht beschaffen<br />

konnte.<br />

***<br />

»du bis doch in einer Bibliothek und kennst<br />

Buchhändler. Kannst du uns nicht mal einen<br />

duden besorgen?« diesen Wunsch von Bekannten<br />

konnte ich leider nicht erfüllen, denn es<br />

gab den duden nur dann zu kaufen, wenn eine<br />

neue Auflage erschienen war.<br />

nach der Wende lag im cottbuser Antiquariat<br />

ein stapel der letzten, bereits überarbeiteten<br />

und modernisierten Ausgabe <strong>des</strong> leipziger dudens<br />

zu einem stark reduzierten Preis, ohne dass<br />

ihn jemand kaufte. der Antiquar: »die leute<br />

jammern, dass sie kein Geld haben, aber sie kaufen<br />

den teuren west<strong>deutschen</strong> duden.«<br />

***<br />

Jeden donnerstagnachmittag bildete sich vor<br />

dem Zeitungskiosk eine schlange, um ein exemplar<br />

der ›Wochenpost‹ zu bekommen. die<br />

Zeitung war begehrt, doch da die Auflage nicht<br />

erhöht wurde, konnten neue Abonnements erst<br />

abgeschlossen werden, wenn ein Abonnent<br />

starb. Als einem älteren ehepaar der Weg zum<br />

Zeitungskiosk und das schlangestehen bei Wind<br />

und Wetter zu beschwerlich wurden, versuchten<br />

sie ein Abonnement zu erhalten. dazu mussten<br />

sie bei einem dienststellenleiter <strong>des</strong> Postzeitungsvertriebes<br />

vorsprechen und ihm ihr Anliegen<br />

vortragen. sie bekamen ein Abonnement,<br />

das erst endete, <strong>als</strong> die Zeitung nach der Wende<br />

ihr erscheinen einstellte.<br />

***<br />

solshenizyn zu Gast. eine Kollegin raunte mir<br />

zu, dass ihr Bruder abgehauen sei. Jetzt befürchtete<br />

sie eine haussuchung und fragte mich, ob<br />

ich drei Bände solshenizyn bei mir unterbringen<br />

könnte. Gesagt, getan, und so las ich die drei<br />

Bände, zu denen auch ›der erste Kreis der<br />

hölle‹ gehörte, bevor ich sie ihr nach einigen<br />

Wochen wieder zurückgab.<br />

Buchhandlungen und Buchhändler<br />

in der neustädter straße in cottbus, in der<br />

nähe <strong>des</strong> Altmarkts, befand sich die Buchhandlung<br />

von Georg ikier. sie bestand aus einem hohen<br />

ladenraum mit regalen, die bis an die<br />

decke reichten und zum teil verglast waren. An<br />

der stirnseite, vor der tür, die zum hinteren<br />

raum führte, befand sich ein hohes stehpult mit<br />

regal, fast eine Barrikade. hier lagen in mappen<br />

vorsortiert die Zeitungen und Zeitschriften, die<br />

die Kunden persönlich abholten – in der nachkriegszeit<br />

ein üblicher Vorgang.


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 literatur<br />

das hinterzimmer war eine mischung von<br />

lager und Wohnküche, hier wurde auch gekocht,<br />

ein sofa lud in der stillen Geschäftszeit<br />

zur entspannung ein – hinter dieser spitzweghaft<br />

anmutenden Atmosphäre verbarg sich aber<br />

auch die karge existenz eines Buchhändlers.<br />

der inhaber stammte aus dem Posenschen,<br />

war eine hagere Gestalt mit einem martialisch<br />

gezwirbelten schnurrbart, wie er seinem charakter<br />

und seinen mitunter sehr freimütig geäußerten<br />

meinungen entsprach. und da er aus<br />

seinem herzen keine mördergrube machte,<br />

verkaufte er unter umständen auch nichts an<br />

Kunden, die ihm unsympathisch waren.<br />

Von ihm erhielt ich ein kleines Bändchen<br />

aus dem druckhaus tempelhof mit dem titel<br />

›erzähler von drüben‹. es vereinte Autoren aus<br />

den usA, Großbritannien, frankreich und der<br />

sowjetunion, die dem <strong>deutschen</strong> leser zu dieser<br />

Zeit meist noch unbekannt waren. Aus dieser<br />

sammlung ist mir wegen ihrer raffinierten literarischen<br />

technik die erzählung ›ein Zwischenfall<br />

an der Owl creek Bridge‹ von Ambrose<br />

Bierce bis heute in erinnerung geblieben.<br />

***<br />

das cottbuser Antiquariat <strong>des</strong> Volksbuchhandels<br />

befand sich in den in den achtziger Jahren in<br />

der belebten Karl-liebknecht-straße. nach der<br />

Wende erlebte es einen besonderen schub. Während<br />

in anderen Bezirken zu dieser Zeit ein<br />

großer teil der lagerbestände <strong>des</strong> Volksbuchhandels<br />

auf der müllkippe landete oder nur<br />

dank einzelner initiativen davor bewahrt wurde,<br />

verkaufte der Antiquar diese Bestände zu reduzierten<br />

Preisen. es waren nicht nur die ladenhüter<br />

vergangener Zeiten oder die auf<br />

schlechtestem Papier gedruckten taschenbücher<br />

der achtziger Jahre, sondern auch die sogenannte<br />

Bückware: liebevoll gestaltete Kinderbücher,<br />

nach denen meine Kolleginnen und Kollegen<br />

immer eifrig gesucht hatten, sorgfältig edierte<br />

Klassikerausgaben, handbücher, nachschlagewerke<br />

und viele titel, die auch der neuen freiheit<br />

der Verleger in der ddr zu danken waren.<br />

Als das haus saniert wurde, zog das Antiquarat<br />

aus, ein anderes Geschäft übernahm den laden.<br />

***<br />

in den fünfziger Jahren befanden sich am Kurfürstendamm<br />

in Berlin noch eine reihe namhafter<br />

Buchhandlungen und Galerien. unter ihnen<br />

nahm die Buchhandlung von marga schöller<br />

an der Kreuzung uhlandstraße einen besonderen<br />

Platz ein. der laden bestand aus zwei<br />

teilen links und rechts von einer toreinfahrt,<br />

die <strong>als</strong> solche nicht mehr benutzt wurde, weil<br />

der rest <strong>des</strong> hauses dem Krieg zum Opfer gefallen<br />

war. in den Auslagen der toreinfahrt fanden<br />

sich die neuerscheinungen oder anderweitig<br />

bemerkenswerte Bücher, rezensionen aus<br />

tageszeitungen klebten an den scheiben. der<br />

rechte teil <strong>des</strong> Geschäftes war ein muss für jeden<br />

Anglisten. in langen regalen standen hier<br />

die preiswerten englischen und amerikanischen<br />

taschenbücher, vor allem aus der großen reihe<br />

der Penguin Books. mitunter bekamen wir in<br />

den seminaren den tipp, falls wir eine tante<br />

oder einen Onkel im Westen hätten, dann sollten<br />

wir uns doch diese literaturgeschichte oder jenes<br />

Wörterbuch besorgen, die preiswert und<br />

wirklich gut wären. Wir verstanden den Wink,<br />

denn es waren meistens titel, die trotz <strong>des</strong><br />

Wechselkurses auch für den schmalen Geldbeutel<br />

eines studenten aus dem Osten noch erschwinglich<br />

waren, und gingen zu frau schöller.<br />

***<br />

Als ich im herbst 1958 nach halle kam, hatte<br />

von den großen privaten Buchhandlungen nur<br />

die Buchhandlung neubert am hansering die<br />

schließungs- und Beschlagnahmeaktionen der<br />

zurückliegenden monate überlebt. der inhaber,<br />

ein älterer hagerer herr, betrieb sie mit zwei<br />

oder drei ebenfalls älteren mitarbeiterinnen in<br />

den großen räumen, deren regale jetzt fast leer<br />

waren. Kunsthandel und die früher üblichen lesungen<br />

gab es nicht mehr, und die neuerscheinungen<br />

vermochten die vielen regale nicht zu<br />

füllen. der Buchhändler konnte nicht immer<br />

alle Bestellungen realisieren und musste bei<br />

knapper Zuteilung begehrter titel versuchen,<br />

alle Kunden zu bedenken. eines tages hatte er<br />

zwei Bücher für mich zurückgelegt, doch konnte<br />

er mir nur eins verkaufen und stellte mich vor<br />

43


Antiquariat<br />

44<br />

die Wahl zwischen einem Band erzählungen<br />

heinrich Bölls in der insel-Bücherei oder dem<br />

›Glasperlenspiel‹ hermann hesses.<br />

nachsatz. dem »leseland« mit seiner begrenzten,<br />

oft an den tatsächlichen interessen<br />

vorbeigehenden und daher überschaubaren titelproduktion<br />

folgte keine weitverbreitete neue<br />

leselust wie in den Jahren nach 1945. Aus der<br />

erinnerung an leselust und lektüreerlebnisse<br />

sind diese Aufzeichnungen entstanden.<br />

Anmerkungen<br />

1 Andrej A. Ždanow: über Kunst und Wissenschaft.<br />

1.–50. tsd. Berlin: dietz 1951. eine Westberliner<br />

›Kulturgruppe A. shdanow‹ fühlte sich 1972 bemüßigt,<br />

dieses traktat erneut aufzulegen.<br />

2 hinter diesem Pseudonym verbarg sich ein hochrangiger<br />

und einflussreicher Kulturoffizier der sowjetischen<br />

militäradministration in deutschland<br />

(smAd).<br />

3 hans lauter: der Kampf gegen den formalismus in<br />

Kunst und literatur, für eine fortschrittliche deutsche<br />

Kultur. referat, diskussion u. entschließung von d.<br />

5. tagung d. Zentralkomitees d. sozialistischen einheitspartei<br />

deutschlands vom 15.–17. märz 1951.<br />

Berlin: dietz, 1951.<br />

4 Joachim G. Boeckh: literaturfibel. eine erste Anleitung<br />

zur Beschäftigung mit theorie und Praxis der<br />

dichtung. Berlin: henschel, 1952.<br />

Auch Antiquare haben<br />

Witwen. Zwanzig Jahre<br />

Bekanntschaft mit Emma<br />

Rosen<br />

mit Aufmerksamkeit habe ich den Artikel von<br />

carl-ernst Kohlhauer über den Antiquar Gerd<br />

rosen gelesen (AdA 5/2011). das urteil, das der<br />

Autor fällt, kann man in einem satz zusammenfassen:<br />

Gerd rosen war ein genialer Antiquar,<br />

aber gleichzeitig ein eitler Geck und ein mit geringen<br />

skrupeln ausgestatteter Bibliomane. meine<br />

persönliche meinung ist damit nicht identisch,<br />

hätte man aber dieses urteil in Gegenwart<br />

seiner Witwe emma rosen geäußert, wäre<br />

einem das sicher schlecht bekommen. Kritik, die<br />

an derbheit und Offenheit kaum etwas zu wünschen<br />

übrig ließ, betrachtete sie <strong>als</strong> ihr persönliches<br />

Privileg. sie muss mit einer großen hassliebe<br />

an ihrem ehemann gehangen haben. doch<br />

Gemach, ein wenig chronologie muss schon<br />

beachtet werden.<br />

Gerd rosen habe ich persönlich nicht mehr<br />

kennengelernt. seiner Witwe wurde ich 1968<br />

oder 1969 vorgestellt von meinem damaligen<br />

seniorpartner Wolfgang Bran<strong>des</strong>, den ich auf<br />

einer einkaufsreise nach Berlin begleitete. er<br />

hatte mir emma rosen (im folgenden stets e. r.)<br />

<strong>als</strong> eine alte dame geschildert, die nicht sehr viel<br />

auf ihr Äußeres gab. umso erstaunter war ich,<br />

<strong>als</strong> e. r. uns am flughafen abholte, dam<strong>als</strong> noch<br />

tempelhof. sie fuhr ein bemerkenswertes Auto:<br />

einen merce<strong>des</strong> sportwagen 190 sl, traum vieler<br />

Oldtimer-fans. sie fuhr mit uns in die von<br />

Kohlhauer geschilderte Wohnung in der landhausstraße,<br />

die allerdings nur noch reste <strong>des</strong> allgemeinen<br />

Antiquariatslagers enthielt, weil das<br />

meiste schon veräußert war. Wenig später überwarf<br />

sich e. r. mit Wolfgang Bran<strong>des</strong>. Auf eine<br />

unstimmigkeit reagierte er in einer für mich unverständlichen<br />

Weise, die mir persönlich für<br />

mein zukünftiges handeln im Auktionswesen<br />

eine lehre war. er wies e. r. darauf hin, das angeblich<br />

fehlende Kollwitz-Blatt könne von<br />

ihrem älteren sohn gestohlen worden sein, der ja<br />

einschlägig bekannt sei. Wenn dies auch den tatsachen<br />

entsprach, so war dies doch das wohl<br />

dümmste Argument, um es e. r. entgegenzuhalten.<br />

Als ich mich wenig später in mainz selbständig<br />

machte, fiel es mir nicht ganz leicht, mich<br />

mit e. r. in Verbindung zu setzen und sie zu<br />

fragen, ob sie das gestörte Verhältnis mit Bran<strong>des</strong><br />

nicht auf andere Weise mit mir erneuern wolle.<br />

sie war am telefon sehr freundlich zu mir und<br />

lud mich ein, sie zu besuchen. das tat ich auch,<br />

und in den nächsten zwanzig Jahren war ein Besuch<br />

bei ihr stets schlusspunkt meiner halbjährlichen<br />

einkaufsreisen nach Berlin.<br />

der Besuch vollzog sich immer auf die<br />

gleiche Weise. Am samstagmorgen um 11 uhr<br />

ging ich in ihre Wohnung am Kurfürstendamm


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Antiquariat<br />

und wurde freundlich empfangen. ein stapel<br />

mit einlieferungsgut war bereits vorbereitet,<br />

gemeinsam fertigten wir eine liste an. Zu meiner<br />

freude waren beim ersten Besuch die restbestände<br />

in der landhausstraße inzwischen in<br />

toto veräußert worden, an den Berliner Kollegen<br />

theodor hennig (1928–2002), wenn ich<br />

mich recht erinnere. und so hatte ich das Vergnügen,<br />

nicht mehr mittelware, sondern immer<br />

ein stapelchen schönster reformationsdrucke<br />

eingeliefert zu bekommen. es war erstaunlich,<br />

wie diese alte dame, die von Büchern nun wirklich<br />

nichts verstand, jeweils eine gleiche Zusammenstellung<br />

brachte. Zwei oder drei schriften<br />

waren wenig wert oder inkomplett, die große<br />

menge waren ausgezeichnete reformationsdrucke<br />

und stets befand sich ein spitzenstück<br />

darunter. so konnte ich im laufe der Jahre aus<br />

ihrem Besitz zwei Bücher versteigern, die für<br />

mich zu den bedeutendsten texten gehörten, die<br />

in vierzig Jahren durch meine hände gingen.<br />

das war einmal die einzige Buchausgabe von<br />

martin luthers thesen aus dem Jahr 1517 (Auktion<br />

33/1985, taxe 20.000 dm, Zuschlag 52.000<br />

dm) und zum anderen der urdruck der Bauernartikel<br />

von 1525 (Auktion 31/1984, taxe 10.000<br />

dm/ Zuschlag 20.000 dm). es war mir natürlich<br />

bekannt, dass ein weit größerer teil der<br />

rosen’schen Bücher nach münchen zur Auktion<br />

gingen. Aber ich habe nie versucht, mehr zu erbitten.<br />

Bei e. r. richtete man sich einfach nach<br />

ihren Vorstellungen, und damit bin ich bestens<br />

gefahren. die geschäftliche seite war in der<br />

regel innerhalb von 30 bis 60 minuten erledigt.<br />

dann begann der gemütliche teil; in e. r.’s<br />

großem Wohnzimmer, das direkt auf den Kurfürstendamm<br />

hinausging, befand sich ein erker.<br />

in diesem war gerade Platz für zwei Personen<br />

und einen frühstückstisch. er war stets reich<br />

mit delikatessen bestückt, dazu trank man tee.<br />

dieses köstliche frühstück war jeweils begleitet<br />

von einer recht einseitigen unterhaltung:<br />

e. r. berichtete aus ihrem leben und dem ihres<br />

mannes, sie berichtete über ihre Kinder und den<br />

stand ihres gegenwärtigen Verhältnisses zu ihnen<br />

und erzählte viele interessante dinge aus der<br />

Vergangenheit. Auch eine reihe von episoden,<br />

die Kohlhauer anspricht, wurden mir immer<br />

wieder geschildert, natürlich aus dem Blickwinkel<br />

von e. r., zum Beispiel der Zweikampf mit<br />

schirm und Baguette.<br />

Von der Kriegs- und gar Vorkriegszeit war<br />

kaum die rede. lediglich der zeitweise umzug<br />

nach Wien, um für das Antiquariat von h. P.<br />

Kraus (von e. r. stets »hans Petter« genannt)<br />

zu arbeiten, fand gelegentlich erwähnung. Während<br />

<strong>des</strong> Zweiten Weltkriegs konnte rosen,<br />

protestantisch getauft, <strong>als</strong> ›halbjude‹ (nach den<br />

nürnberger rassegesetzen) mit sondergenehmigung<br />

in Berlin seinen Beruf ausüben, weil eine<br />

bibliophil stark engagierte nazigröße, ich<br />

meine, es war der ›reichsjugendführer‹ Baldur<br />

von schirach, seine schützende hand über ihn<br />

hielt. erst ganz am ende <strong>des</strong> Krieges, <strong>als</strong> die<br />

Kämpfe um Berlin schon begonnen hatten,<br />

scheint sich das Blatt gewendet zu haben. es ist<br />

bekannt, dass Greifkommandos der Gestapo<br />

oder ss in diesen tagen durch die hauptstadt<br />

zogen und <strong>des</strong>erteure oder andere ›Volksverräter‹<br />

ohne viel feder lesens liquidierten. ein solches<br />

rollkommando stand eines tages vor rosens<br />

Wohnungstür. das ehepaar hatte die männer<br />

wohl schon bemerkt, jedenfalls stieg rosen<br />

aus dem fenster, klammerte sich an einem spalier<br />

fest und entging so, nachdem die männer die<br />

Wohnung durchsucht hatten und wieder gegangen<br />

waren, der Verhaftung und schlimmerem.<br />

Von rosens tätigkeit <strong>als</strong> Galerist nach dem<br />

Kriege war kaum die rede, außer, dass er <strong>als</strong><br />

erster händler von den Besatzungsmächten eine<br />

handelslizenz erhielt, dam<strong>als</strong> wohl mehr wert<br />

<strong>als</strong> Gold und silber.<br />

Als Gerd rosen im dezember 1961 verstorben<br />

war, stand e. r. vor der Aufgabe, ein Geschäft<br />

weiterzuführen, von dem sie keine Ahnung<br />

hatte. noch zwei Auktionen wurden nach<br />

rosens tod durchgeführt, danach hat e. r. die<br />

firma liquidiert.<br />

e. r. legte größten Wert darauf, ein geordnetes,<br />

sauberes haus zu hinterlassen. Geschickt<br />

verstand sie es, die Verbindlichkeiten der firma<br />

dadurch zu decken, dass sie dem Kollegen ernst<br />

45


Antiquariat<br />

46<br />

hauswedell die handbibliothek der firma zur<br />

Versteigerung übergab. einen teil muss er aber<br />

vorher gegen einen hohen Barbetrag erworben<br />

haben (hierzu vergleiche die entsprechende<br />

stelle bei Kohlhauer). im Zuge dieser Abwicklung<br />

kam es zu streitigkeiten zwischen hauswedell<br />

und e. r. Angeblich hatte der hamburger<br />

Auktionator einige wertvolle Bücher oder<br />

Kunstblätter verschwinden lassen, was er natürlich<br />

bestritt. es kam zum Gerichtsprozess, der<br />

von e. r. verloren wurde. diese niederlage<br />

konnte e. r. nie verwinden. sie verfolgte hauswedell<br />

auch nach <strong>des</strong>sen tod lange noch mit<br />

drastischen Äußerungen, deren Wortlaut ich<br />

dem leser ersparen möchte. in solchen situationen<br />

konnte e. r. einfach kein frem<strong>des</strong> urteil<br />

akzeptieren, wo sie sich im recht glaubte, da<br />

war sie es auch.<br />

Bemerkenswert war das Verhältnis von e. r.<br />

zu ihren Kindern. sie hatte eine tochter, die<br />

nach einer, wie man hörte, wilden Jugend eine<br />

gute Partie machte und einen der leitenden Beamten<br />

entweder der Berliner V erkehrsbetriebe<br />

oder der stromversorgung heiratete. diese<br />

tochter habe ich einmal kurz kennengelernt,<br />

und sie befand sich mit ihrer mutter in bestem<br />

einvernehmen.<br />

schwieriger war der fall mit ihrem älteren<br />

sohn. dieser war vor vielen Jahren in ihre münchener<br />

Zweitwohnung eingebrochen, wo sie eine<br />

Anzahl besonders wertvoller stücke aufbewahrte.<br />

der sohn hat sich eine reihe von Büchern<br />

angeeignet und diese veräußert. inwieweit<br />

der Kollege heinz Wünschmann in die<br />

Angelegenheit verwickelt war, wie Kohlhauer<br />

es schildert, weiß ich nicht. Was e. r. mir erzählte,<br />

war, dass sie die meisten Bücher, <strong>als</strong> die<br />

sache ruchbar wurde, wiederbekam und ihr<br />

dabei ganz besonders der münchner Kollege<br />

helmuth domizlaff geholfen habe. Alle Kollegen,<br />

die von diesen Büchern gekauft hatten,<br />

gaben sie zurück. Wie die finanzielle regelung<br />

erfolgte, ist mir unbekannt. das Besondere an<br />

diesem Vorfall ist nur die tatsache, dass ein<br />

schwedischer Kollege (ich meine, sein name sei<br />

sandberg gewesen) sich auch bereit erklärte, das<br />

betreffende Buch, das sich in seinem Besitz befand,<br />

zurückzugeben, allerdings unter der<br />

Voraussetzung, dass e. r. ihren sohn anzeigte.<br />

das kam für e. r. natürlich nicht in frage. Zur<br />

Zeit unserer Bekanntschaft war das Verhältnis<br />

zu diesem sohn wieder normalisiert; er betrieb<br />

in düsseldorf einen handel mit Ost asiatika.<br />

dann gab es noch einen zweiten sohn, der<br />

Gerd hieß wie sein Vater und wohl ein nachkömmling<br />

war. er dürfte wohl Anfang der<br />

1950er Jahre geboren sein. Wie sich anlässlich<br />

eines telefonats herausstellte, war Kohlhauer<br />

die existenz dieses sohnes nicht bekannt. dafür<br />

hörte ich umso häufiger von ihm. der junge<br />

mann wurde mir auch einmal persönlich vorgestellt.<br />

er sah seinem Vater ziemlich ähnlich<br />

und war darum vermutlich auch eine mischung<br />

aus Augapfel und Alptraum für seine mutter.<br />

Kein Besuch von ihr verging, ohne dass mir<br />

eingehende schilderungen zukamen. die hälfte<br />

der Zeit befand sich Gerd jun. im Zustand<br />

<strong>des</strong> enterbtseins, die andere hälfte erbrachte<br />

im Gespräch Berichte über große summen, die<br />

ihm seine mutter immer wieder auf sein Bitten<br />

hin zur Verfügung stellte. diese Gelder verwendete<br />

er zur investition in zweifelhafte Geschäfte,<br />

die je<strong>des</strong> mal in einer Katastrophe endeten.<br />

der junge mann scheint meister darin<br />

gewesen zu sein, sich die f<strong>als</strong>chen Partner zu<br />

suchen.<br />

für seine mutter ergab sich daraus, dass sie<br />

große teile ihrer erheblichen jährlichen einnahmen<br />

aus Auktionsverkäufen auf diese Weise<br />

wieder verlor. sie selbst führte jedenfalls ein<br />

eher bescheidenes dasein, allerdings in einer<br />

schönen und hervorragend gelegenen Wohnung<br />

im Berliner Westend. ihren sportwagen hat sie<br />

schon bald verkauft, nachdem ich mit ihr bekannt<br />

geworden war. sie wollte wegen ihres<br />

Alters einfach nicht mehr selber am steuer<br />

sitzen.<br />

meinen letzten Besuch stattete ich e. r. 1988<br />

oder 1989 ab, <strong>als</strong> sie mich um rat beim Verkauf<br />

eines teuren Bil<strong>des</strong> bat. Beim letzten gemeinsamen<br />

frühstück wies sie mich auf das große,<br />

dunkle Bücherregal hin, dass an einer Kopfwand


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Katalogbesprechungen<br />

<strong>des</strong> Wohnzimmers aufgestellt war. dieses regal<br />

hatte einmal die sammlung ferdinand Baron<br />

von neufforge und noch zahlreiche andere Pretiosen<br />

beherbergt. nun war es leer. man musste<br />

an das nietzsche-Zitat denken »…und in den<br />

öden fensterhöhlen wohnt das Grauen«, die<br />

»öden fensterhöhlen« waren nur durch »leere<br />

Bücherfächer« zu ersetzen. e. r. fühlte wohl<br />

Ähnliches.<br />

e. r. war immer ängstlich und furchtsam gewesen.<br />

einen unbekannten hätte sie niem<strong>als</strong> in<br />

ihre Wohnung gelassen, um das regal zu entfernen.<br />

Also fragte sie mich nach jemand Vertrauenswürdigem,<br />

der das regal abbauen und abtransportieren<br />

könne. mir fiel einer meiner<br />

Volontäre ein, der sich gerade selbständig<br />

gemacht hatte und einen laden einrichtete.<br />

mein letzter Kontakt mit e. r. war ihr telefonanruf,<br />

in dem sie sich für die reibungslose<br />

Abwicklung <strong>des</strong> regalabbaus bedankte und<br />

meinen ex-Volontär <strong>als</strong> wohlerzogen und hilfreich<br />

lobte. Wenig später, 1992, ist e. r. verstorben.<br />

ich denke noch oft an einen grundanständigen,<br />

interessanten menschen mit ganz besonderem<br />

humor. möge sie in frieden ruhen.<br />

Godebert M. Reiss<br />

Jürgen Voersters legendäre<br />

E. T. A. Hoffmann-Sammlung<br />

J. Voerster Antiquariat für musik und deutsche<br />

literatur (relenbergstraße 20, 70174 stuttgart /<br />

tel. 0711/297186, fax 0711/2294267, e-mail: mail@<br />

antiquariat-voerster.de, www.antiquariat-voerster.de).<br />

Katalog 37: e. t. A. hoffmann (576 nrn.)<br />

der stuttgarter Antiquar Jürgen Voerster publizierte<br />

1967 das heute noch nützliche nachschlagewerk<br />

›160 Jahre e. t. A. hoffmann-forschung‹,<br />

<strong>des</strong>sen inhalt sich hauptsächlich aus<br />

seiner eigenen hoffmann-sammlung zusammensetzte<br />

(vgl. die kritische rezension von<br />

elmar hertrich in AdA 1967, s. 1629 – 1631).<br />

nach Voersters tod haben seine Geschäftsnachfolger<br />

nun einen opulenten und abbil-<br />

dungsreichen hoffmann-Katalog veröffentlicht,<br />

der ebenfalls <strong>als</strong> referenzwerk dienen wird. darin<br />

findet man nicht nur Autographe und Werke<br />

hoffmanns in erstausgaben und erstdrucken,<br />

sondern auch zahlreiche titel zu hoffmanns literarischer,<br />

musikalischer sowie medizinischpsychologischer<br />

lektüre. ein Personenregister<br />

erleichtert die suche nach weniger bekannten<br />

namen.<br />

schon monate vor der Veröffentlichung wurde<br />

es der staatsbibliothek Bamberg mit ihrem<br />

sammelschwerpunkt e. t. A. hoffmann gestattet,<br />

einige Zeichnungen und Briefe hoffmanns<br />

zur Vervollständigung ihrer sammlung zu erwerben,<br />

die nun bedauerlicherweise nicht mehr<br />

im gedruckten Katalog auftauchen.<br />

Zu den herausragenden, nicht vorab verkauften<br />

Objekten unter hoffmanns handschriften<br />

gehören zweifelsohne ein exemplar der faksimilierten<br />

to<strong>des</strong>anzeige für seinen verblichenen<br />

Kater murr sowie ein Brief von Zacharias<br />

Werner an hoffmann vom 7. Januar 1808. Angeboten<br />

werden ferner Briefe von chamisso<br />

und fouqué sowie ein Brief <strong>des</strong> direktors <strong>des</strong><br />

preußischen Polizeiministeriums von Kamptz<br />

aus der Zeit der demagogenverfolgung, der<br />

nicht nur historiker interessieren sollte. Weniger<br />

bekannt dürften zwei Briefe von thomas<br />

mann an seinen Kollegen Paul remer aus dem<br />

Jahr 1904 sein; remer versuchte vergeblich den<br />

Autor der ›Buddenbrooks‹ zu animieren, eine<br />

monografie über e. t. A. hoffmann zu verfassen.<br />

neben den zahlreich angebotenen erstdrucken<br />

hoffmannscher texte, vorrangig aus der<br />

To<strong>des</strong>anzeige <strong>des</strong><br />

Katers Murr<br />

(1821), Nr. 3<br />

47


Katalogbesprechungen<br />

48<br />

›Allgemeinen musikalischen Zeitung‹ sowie aus<br />

den Almanachen und taschenbüchern seiner<br />

Zeit, finden sich raritäten wie hoffmanns gedruckter<br />

erstling ›schreiben eines Klostergeistlichen<br />

an seinen freund in der hauptstadt‹ aus<br />

dem Jahr 1803. Auch eine sehr selten im handel<br />

auftauchende Kostbarkeit unter den hoffmannschen<br />

erstausgaben findet sich im vorliegenden<br />

Angebot: die zweibändigen ›Kinder-mährchen‹<br />

von contessa, fouqué und hoffmann, die in<br />

den Jahren 1816/17 in der Berliner re<strong>als</strong>chulbuchhandlung<br />

erschienen; das exemplar enthält<br />

auch die von hoffmann kolorierten radierungen<br />

und lithografien sowie die illustrierten<br />

Originalumschläge. ebenfalls selten dürfte die<br />

Vorzugsausgabe <strong>des</strong> von hoffmann übersetzten<br />

textbuches zu Gasparo spontinis Oper ›Olimpia‹<br />

im erstdruck von 1821 sein, die aus dem Besitz<br />

<strong>des</strong> bibliophilen sammlers hans fürstenberg<br />

stammt. unter hoffmanns zahlreichen<br />

Kompositionen findet sich hier auch die seltene<br />

erstausgabe seiner ›sechs italienischen duettinen<br />

für sopran und tenor‹ aus dem Jahr 1819 im<br />

Angebot. ebenfalls in erstausgaben angeboten<br />

werden lieblingsbücher hoffmanns wie heinrich<br />

von Kleists ›das Käthchen von heilbronn‹<br />

oder ludwig tiecks ›Phantasus‹. eine weitere<br />

rarität bildet die einflussreiche Kupferstichsammlung<br />

›Balli di sfessiania‹ von Jacques callot,<br />

die hoffmann zu seinen ›fantasiestücken‹<br />

und vor allem zu seinem capriccio ›Prinzessin<br />

Brambilla‹ anregte. in der Abteilung ›hoffmanns<br />

medizinische und psychologische lektüre‹<br />

findet der liebhaber oder forscher wichtige<br />

erstausgaben von mesmer, reil, Pinel, G. h.<br />

schubert, Wiegleb oder auch swammerdams<br />

›Bibel der natur‹ von 1752, die hoffmanns<br />

märchen ›meister floh‹ beeinflusste.<br />

den Autoren dieses vorzüglichen e. t. A.<br />

hoffmann-Antiquariatskatalogs sei an dieser<br />

stelle ein großes lob gespendet, denn die aufwendigen<br />

und ausführlichen Begleittexte zu den<br />

angebotenen Objekten, die sich auf aktuellem<br />

stand der forschung befinden, sorgen für anregende<br />

lektüre.<br />

Jörg Petzel<br />

Briefe aus dem Exil<br />

Antiquariat michael lehr (niedstraße 24, 12159<br />

Berlin, tel. 030/50598615, lehr@antiquariat-lehr.de).<br />

Katalog 100: Briefe aus dem exil. 30 Antworten von<br />

exilanten auf fragen von Arnim Borski. mit einem<br />

Vorwort von Günter Kunert und einem nachwort<br />

von Arnim Borski. hrsg. mit Anmerkungen und<br />

einem bio-bibliographischen Anhang von michael<br />

lehr unter mitarbeit von heike Ploew. 254 s.,<br />

schutzgebühr 20 euro<br />

das etikett einer <strong>deutschen</strong> Buchhandlung in<br />

Baku, unter dem umschlag eines romans versteckt,<br />

eine Widmung auf dem titel, ein name<br />

mit Jahreszahl – in der Welt <strong>des</strong> Antiquariats<br />

braucht es nicht viel, um auf kleinstem raum<br />

eine große Geschichte zu erzählen. Oft kommt<br />

dabei eine Geschichte mit tragischem unterton<br />

zum Vorschein, die irgendwo im unbekannten<br />

endet, manchmal führt sie nach vielen umwegen<br />

jedoch an ein Ziel und damit ans licht.<br />

michael lehr macht in seinem jüngsten – dem<br />

einhundertsten – Katalog viele Wege sichtbar,<br />

denn er widmet sich darin einer der schmerzhaftesten<br />

erfahrungen <strong>des</strong> vorigen Jahrhunderts:<br />

dem schicksal der von den <strong>deutschen</strong> während<br />

der ns-Zeit ins Ausland Getriebenen, der Verjagten,<br />

die nur durch flucht ihr leben retten<br />

konnten.


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Katalognotizen<br />

im dezember 1982 schreibt der Journalist<br />

Arnim Borski – er ist von Berlin nach nordfriesland<br />

gezogen, um dort ein Antiquariat zu<br />

betreiben – einen rundbrief an 48 emigrierte<br />

schriftsteller. sein Anliegen: sie mögen ihm<br />

doch ihre erfahrungen im exil mitteilen, die unverbrüchlichen<br />

erinnerungen an das land ihrer<br />

Jugend nennen und ihm eine leseempfehlung<br />

geben, um »jene Zeit und den Weg, den sie gegangen<br />

sind, besser zu verstehen«. der auf den<br />

ersten Blick etwas unbeholfene Versuch eines<br />

nachgeborenen, diejenigen zum sprechen zu<br />

bringen, die aus eigenem erleben berichten können,<br />

ergibt schließlich dreißig Antworten. in das<br />

dorf nahe der dänischen Grenze trudeln mehr<br />

oder weniger umfangreiche Briefe ein – aus Orten<br />

in israel, ecuador, den usA und dem europäischen<br />

Ausland.<br />

im Januar 2010 starb Arnim Borski. Aus<br />

seinem nachlass kommen nun die Briefe geschlossen<br />

zum Verkauf. michael lehrs Katalog<br />

dokumentiert sie akribisch und gibt damit jenen<br />

emigranten eine stimme, die gleichsam in der<br />

zweiten reihe standen und noch stehen, die fast<br />

vergessen sind. Geläufigere namen wie Anna<br />

maria Jokl, hans Keilson, stephan lackner und<br />

curt riess sind zwar darunter, doch begegnet<br />

man meistens weithin unbekannten, so zum<br />

Beispiel dem 1935 geflohenen Antiquar und<br />

P ublizisten eugen Brehm, <strong>des</strong>sen lebenslanges<br />

heimweh in einem einzigen satz gerinnt:<br />

» neben meinem schreibtisch hängt je<strong>des</strong> Jahr<br />

der schwaben-Kalender.« Oder frieda hebel,<br />

die von ihren »vielgesammelten Bitterkeiten«<br />

spricht.<br />

die erfahrung <strong>des</strong> exils wird mit diesem<br />

Buch der Geschichte und Geschichten in vielen<br />

tonlagen lebendig: emotional und sachlich,<br />

voller Optimismus und resignativ, offenherzig<br />

und schüchtern, hin und wieder auch etwas geschwätzig<br />

und eitel. ein umfangreicher bio-<br />

bibliografischer Anhang sowie biografische<br />

Anmerkungen zu Briefstellen ergänzen die<br />

dokumentation, eine bewundernswerte fleißarbeit,<br />

auch wenn so mancher Biografie die<br />

sprachlichen Anleihen bei Wikipedia anzu-<br />

merken sind. der Aufbau <strong>des</strong> Buches mag<br />

disparat sein (außer den Briefen nebst Anhang<br />

und einem kleinen Angebot von Büchern enthält<br />

es auch einen teil ›Anzeigen und Beiträge‹ mit<br />

Artikeln über geplante editionen, selbstdarstellungen<br />

literarischer Organisationen u. ä.), dennoch<br />

hat hier ein über den Verkaufszweck<br />

hinausreichen<strong>des</strong> interesse ein veritables lesebuch<br />

geschaffen. das ›museum <strong>des</strong> exils‹, das<br />

herta müller in einem offenen Brief an die<br />

Bun<strong>des</strong>kanzlerin im Juni 2011 forderte, wird<br />

wohl für lange Zeit der fromme Wunsch einer<br />

nobelpreisträgerin bleiben, die das schicksal<br />

der emigranten aus eigener erfahrung kennt.<br />

›Briefe aus dem exil‹ ist ein Werk, das für die<br />

chancen <strong>des</strong> Antiquariatsbuchhandels <strong>als</strong> geschichtsbewahrende<br />

institution spricht. es<br />

sollte <strong>des</strong>halb auch <strong>als</strong> station auf dem langen<br />

Weg gesehen werden, dem leben der vielen bis<br />

heute verfolgten Autoren und Künstler einen<br />

zentralen Ort zu geben: <strong>des</strong> forschens, der Anschauung<br />

und der bleibenden erinnerung.<br />

Stephan Schurr<br />

Neue Listen und Kataloge<br />

Knut Ahnert, Berlin nr. 95: 2011/2012 (2.594 nrn.)<br />

Frank Albrecht, Schriesheim das 20. Jahrhundert 175:<br />

sekundärliteratur und neueingänge (498 nrn.); das 20.<br />

Jahrhundert 177: Belletristik (374 nrn.)<br />

Frank Albrecht, Schriesheim – Eberhard Köstler,<br />

Tutzing Gemeinschaftskatalog: das 20. Jahrhundert<br />

176: Widmungsexemplare (296 nrn.) – nr. 93: Widmungsexemplare.<br />

Gewidmete und signierte Bücher (225<br />

nrn.)<br />

Peter Bierl, Eurasburg nr. 143: Antiquariatskatalog<br />

Winter 2011 (1.210 nrn.)<br />

Herbert Blank, Stuttgart stuttgarter Antiquariatsmesse<br />

2012: literatur <strong>des</strong> 18.–20. Jahrhunderts (137<br />

nrn.)<br />

Bojara & Bojara-Kellinghaus, Osnabrück nr. 123<br />

(5.089 nrn.)<br />

Brockhaus / Antiquarium, Kornwestheim Bücher<br />

über alle länder der erde. 150 ausgewählte Bücher<br />

carpe diem Monika Grevers, Bocholt nr. 7: Zwischen<br />

den Jahren (480 nrn.)<br />

49


Katalognotizen<br />

50<br />

Den Hertog Bolland Rare Books, Houten nr. 3<br />

(24 nrn.)<br />

Eckert & Kaun, Bremen nr. 10: Winter 2011/12<br />

(1.297 nrn.)<br />

Engel & Co., Stuttgart nr. 187: schöne, alte, seltene<br />

und wertvolle Bücher aus allen Gebieten (438 nrn.)<br />

Michael Eschmann, Griesheim liste: chirurgie (115<br />

nrn.); liste: Porträts und Graphik (79 nrn.)<br />

Joseph Fach, Frankfurt am Main liste: die Brüder<br />

ferdinand und franz Kobell (27 nrn.)<br />

Fons Blavus Hans-Günter Bilger, Renningen<br />

liste Januar 2012<br />

A. Gerits & Son, Diemen nr. 116 (222 nrn.)<br />

Göttinger Antiquariat Erich Groß (Inh. Angelika<br />

Groß), Göttingen u 2012: Klassische Altertumswissenschaft<br />

(9.113 nrn.)<br />

Gerhard Gruber, Heilbronn nr. 176: schöne und wertvolle<br />

Bücher der Wissenschaftsgeschichte (253 nrn.)<br />

Harteveld Rare Books Ltd., Fribourg nr. 227: choix<br />

de 110 livres & gravures<br />

Haufe & Lutz, Karlsruhe – Martin Klaußner, Fürth<br />

Gemeinschaftskatalog: literatur, illustrierte Bücher und<br />

Philosophie von der Antike bis ins 20. Jahrhundert;<br />

Architektur, Buchwesen, Kunst und Photographie;<br />

Kinder- und Jugendbücher; Varia (Geschichte, musik,<br />

naturwissenschaften u. a.) (884 nrn.)<br />

J. J. Heckenhauer, Tübingen messe-liste zur stuttgarter<br />

Antiquariatsmesse 2012 (100 nrn.)<br />

Katja Hildebrandt, Haiger liste 84: Alte landkarten,<br />

stadtansichten von deutschland, dekorative Graphik,<br />

Berufe, technik und Varia (1.575 nrn.)<br />

Wilhelm Hohmann, Stuttgart nr. 80: Wirtschaftsgeschichte<br />

(584 nrn.)<br />

Hans Jauker, Wien nr. 161: Austriaca. Geschichte,<br />

Kultur, Wissenschaft. Bücher und Periodica (917 nrn.)<br />

Peter Kiefer, Pforzheim Kommissionskatalog 3<br />

(9.793 nrn.)<br />

Martin Klaußner, Fürth liste literatur(186 nrn.)<br />

A. Klittich-Pfankuch, Braunschweig Buchauswahl<br />

zum Jahresbeginn 2012 mit messeangebot stuttgart<br />

(218 nrn.)<br />

Meinhard Knigge, Hamburg liste stuttgarter Antiquariatsmesse<br />

2012 (133 nrn.)<br />

Eberhard Köstler, Tutzing nr. 91: elf! elf! elf!<br />

Autographen und Bücher zum 11. november 2011<br />

(100 nrn.); nr. 92: Zwischen den Jahren. Autographen<br />

und Bücher zum Jahreswechsel (110 nrn.); nr. 96:<br />

eisenbahn-spiel. Autographen, Widmungen, signaturen<br />

und Bücher zur stuttgarter Antiquariatsmesse 2012<br />

(285 nrn.)<br />

Rainer Kurz, Oberaudorf – Uwe Turszynski,<br />

München doppelkatalog iii: Varia (488 u. 45 nrn.;<br />

572 nrn.)<br />

Jürgen Lässig, Berlin liste 17: literatur – Kunst und<br />

Gesellschaft (316 nrn.)<br />

August Laube, Zürich Alte meister, Graphik, moderne<br />

Graphik, Alte drucke, Zeichnungen, helvetica (32<br />

nrn.)<br />

Manuel Lehnherr, Basel nr. 1: Kunst, fotografie, Varia<br />

(100 nrn.)<br />

Libelle mit H&B, Basel neue folge 13 (20 nrn.)<br />

Marlborough Rare Books, London nr. 218: recent<br />

Acquisitions (180 nrn.)<br />

von Matt, Stans nr. 268: Jubiläumskatalog »175 Jahre<br />

Antiquariat von matt« (756 nrn.)<br />

Hans K. Matussek & Sohn, Nettetal nr. 104: literatur<br />

november 2011 (178 nrn.)<br />

Johannes Müller, Salzburg nr. 53: Alte drucke vor<br />

1700 (190 nrn.)<br />

MykoLibri Christian Volbracht, Hamburg nr. 85<br />

(304 nrn.)<br />

Daniel Osthoff, Würzburg neueingänge liste »Zwischen<br />

den Jahren« 2011/2012 (134 nrn.); neueingänge<br />

Klassische Philologie (185 nrn.)<br />

Bernard Quaritch Ltd., London nr. 1412: Art &<br />

Architecture (86 nrn.)<br />

Dietrich und Brigitte Schaper, Hamburg Alte Bücher<br />

von 1621–1898, Buchkunst, Kunst, fotografie, literatur<br />

u. a. (195 nrn.)<br />

Musikantiquariat Hans Schneider, Tutzing – nr. 459:<br />

récréations musicales. noten, Bücher, sammelstücke<br />

(554 nrn.); nr. 460: neujahrskonzert mit noten,<br />

Büchern, sammelstücken (250 nrn.)<br />

Stefan Schuelke Fine Books, Köln dieter roth. Künstlerbücher,<br />

Beiträge und Kataloge<br />

Susanne Schulz-F<strong>als</strong>ter, London – Michael Banzhaf,<br />

Tübingen Gemeinschaftskatalog: typography and Printing<br />

(71 nrn.)<br />

Franz Siegle, Mühlhausen/Kraichgau liste: eine<br />

Auswahl schöner Werke aus unserem lager und neuerwerbungen<br />

(86 nrn.); liste: Zur Geschichte der Augenheilkunde<br />

(107 nrn.); diabetes mellitus. eine Volkskrankheit<br />

(51 nrn.)<br />

Steinkopf, Stuttgart nr. 338: theologie (2.155 nrn.)<br />

Nikolaus Struck, Berlin nr. 177: stadtansichten und<br />

landkarten (4.819 nrn.); nr. 178: deutschland. Alte<br />

stadtansichten und land karten (3.952 nrn.)<br />

Inge Utzt, Stuttgart nr. 93: Wie soll ein junges frauenzimmer<br />

sich würdig bilden. Bücher von, für und über<br />

frauen (199 nrn.)<br />

VICO, Frankfurt am Main nr. 114: Verbrechen und<br />

strafe. Aus der Bibliothek von Prof. dr. reinhard von<br />

hippel und anderen quellen (656 nrn.); nr. 115/1 und<br />

115/2: exeunte anno mmXi (65 bzw. 115 nrn.)<br />

J. Voerster Antiquariat für Musik und Deutsche<br />

Literatur, Stuttgart nr. 37: e. t. A. hoffmann (576<br />

nrn.)<br />

Robert Wölfle, München – Peter Bierl, Eurasburg<br />

Gemeinschaftskatalog: raritäten & Preziosen. Bleibende<br />

Werte im Wandel der Zeit (80 nrn.)


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 rezensionen<br />

The Kelmscott Chaucer<br />

William s. Peterson und sylvia holten Peterson:<br />

the Kelmscott chaucer. A census. new castle,<br />

delaware: Oak Knoll Press, 2011. XVi, 272 s., Abb.,<br />

geb., 95 us-dollar, isBn 978-1-58456-289-4<br />

die im Juni 1896, wenige monate vor William<br />

morris’ tod, in <strong>des</strong>sen Kelmscott Press erschienene<br />

Gesamtausgabe der Werke Geoffrey chaucers<br />

mit 87 holzstichen nach entwürfen von<br />

edward Burne-Jones zählt ohne Zweifel zu den<br />

monumenten <strong>des</strong> Privatpressendrucks. um es<br />

vorweg zu nehmen: die Bearbeiter hatten nicht<br />

die Absicht, den zahlreichen studien, die sich<br />

mit der entstehungsgeschichte von chaucers<br />

›Works‹ befassen, eine weitere hinzu zu fügen.<br />

es ging den Autoren vielmehr darum, möglichst<br />

viele exemplare <strong>des</strong> Kelmscott chaucer nachzuweisen<br />

und ausführlich zu beschreiben; ein Zensus<br />

eben, der bislang nur herausragenden Werken<br />

der druckgeschichte vom Kaliber einer<br />

Gutenberg-Bibel oder shakespeares first folio<br />

zuteilwurde.<br />

sydney c. cockerell gibt in seiner 1898 erschienenen<br />

Bibliografie der Kelmscott Press die<br />

Auflagenhöhe <strong>des</strong> chaucer mit 425 exemplaren<br />

auf Papier und 13 auf Pergament an. Petersons<br />

weisen 281 exemplare auf Papier und 15 (!) auf<br />

Pergament nach, davon sieben Papierausgaben<br />

in <strong>deutschen</strong> Bibliotheken, wobei der von ignatz<br />

Wiemeler für Karl Klingspor in schweinsleder<br />

gebundene foliant im Offenbacher Klingspormuseum<br />

besondere erwähnung verdient. Wie<br />

zu erwarten war, befinden sich die meisten<br />

exemplare in englischen und amerikanischen<br />

sammlungen, allein unglaubliche je vier in<br />

cambridge, Oxford, Austin, Princeton und<br />

Berkeley, sogar fünf in Yale.<br />

Was das vorliegende Werk über die bibliografische<br />

statistik hinaus zu einem überaus<br />

unterhaltsam zu lesenden Werk macht, ist die<br />

akribische erforschung der Provenienzen und<br />

sammlerbiografien. das diktum, dass Bücher<br />

ihre schicksale haben, bestätigt sich auch hier:<br />

»Provenance has proven to be not a dull, technical<br />

term, but a window into the fascinating hu-<br />

man stories that lie behind nearly every copy of<br />

the chaucer.«<br />

und faszinierend sind die ›stories‹ hinter den<br />

Büchern in der tat, zum Beispiel wie lawrence<br />

von Arabiens exemplar in den Besitz der<br />

queen’s university library (Kingston, Kanada)<br />

gelangte oder wie der irische schriftsteller W. B.<br />

Yeats von 26 freunden zu seinem 40. Geburtstag<br />

einen chaucer geschenkt bekam, den er zeitlebens<br />

auf einem bemalten lesepult zwischen<br />

zwei Kerzenständern <strong>als</strong> morris-schrein aufbewahrte.<br />

Yeats’ exemplar befindet sich seit 2002,<br />

man wird das <strong>als</strong> adäquaten Aufbewahrungsort<br />

empfinden, in der irischen nationalbibliothek<br />

in dublin. Besonders die sammlungsgeschichte<br />

der 15 Pergamentexemplare <strong>als</strong> ›most <strong>des</strong>irable<br />

objects‹ liest sich wie ein ›Who’s who‹ der großen,<br />

vorwiegend amerikanischen sammler<br />

(nebst einer sammlerin) <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts: J.<br />

P. morgan. estelle doheny, lessing J. rosenwald,<br />

Paul Getty und William randolph hearst.<br />

Viele exemplare wurden von bekannten Buchbindern<br />

gebunden, denen 24 farbtafeln und ein<br />

Kapitel mit Kurzbiografien gewidmet sind. neben<br />

dem erwähnten ignatz Wiemeler und den<br />

bereits bei erscheinen bestellbaren Vorzugs-<br />

einbänden von J. J. leighton und der doves<br />

Bindery erscheint ein ledereinband Kurt londenbergs<br />

für einen schweizer Privatsammler<br />

besonders bemerkenswert.<br />

ein weiteres Kapitel befasst sich mit im<br />

moment nicht lokalisierbaren exemplaren <strong>des</strong><br />

›chaucer‹, für das annähernd 800 Auktions- und<br />

Antiquariatskataloge ausgewertet wurden. man<br />

darf gespannt sein, was aufgrund der detektivischen<br />

Vorarbeiten der Petersons noch ans<br />

licht kommen wird. Zumin<strong>des</strong>t konnten seit<br />

erscheinen <strong>des</strong> Buches vier weitere exemplare<br />

nachgewiesen werden (nachzulesen im Onlinesupplement<br />

unter www.kelmscottchaucer.<br />

wordpress.com). für die Provenienzforschung<br />

von großer Bedeutung sind die erstm<strong>als</strong> publizierten<br />

rechnungsbücher <strong>des</strong> Antiquars Bernard<br />

quaritch, der einen teil <strong>des</strong> Vertriebs übernahm,<br />

und die über 800 Anschriften umfassende<br />

Adressdatei der Kelmscott Press, in der auch<br />

51


ezensionen<br />

52<br />

einige Kunden aus dem <strong>deutschen</strong> sprachraum<br />

zu finden sind, zum Beispiel die Antiquariate<br />

Joseph Baer in frankfurt am main und r. friedländer<br />

in Berlin.<br />

mit ›the Kelmscott chaucer. A census‹ liegt<br />

eine Publikation vor, die sowohl <strong>als</strong> buchhistorisches<br />

lesebuch wie auch <strong>als</strong> wissenschaftliches<br />

Grundlagenwerk verwendet werden kann und<br />

insbesondere für die handbibliothek von Pressendrucksammlern<br />

zu empfehlen ist. Jedoch sollen<br />

auch einige wenige, aber gravierende mängel<br />

nicht verschwiegen werden: die zahlreichen<br />

rechtschreibfehler in <strong>deutschen</strong> texten und der<br />

zu nah an den mittelfalz reichende satzspiegel.<br />

Gerade bei einem Buch zu diesem thema hätte<br />

man sich eine bessere typografische Gestaltung<br />

gewünscht. um abschließend William morris zu<br />

zitieren: »[ein f<strong>als</strong>ch platzierter satzspiegel] ist<br />

so dumm, <strong>als</strong> würde sich ein mann seinen mantel<br />

hinten zuknöpfen oder eine dame ihren hut<br />

verkehrt herum aufsetzen …«<br />

Hans Eckert<br />

Bibliotheken und<br />

Sammlungen im Exil<br />

exilforschung. ein internationales Jahrbuch.<br />

hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für exilforschung<br />

von claus-dieter Krohn und lutz Winckler.<br />

Bd. 29/2011: Bibliotheken und sammlungen im exil.<br />

münchen: edition text + kritik im richard Boorberg<br />

Verlag, 2011. iX, 262 s., Abb., brosch., 32 euro,<br />

isBn 978-3-86916-143-3<br />

das vorliegende Jahrbuch (Bd. 29/2011), <strong>des</strong>sen<br />

inhalt auf eine tagung im marbacher <strong>deutschen</strong><br />

literaturarchiv im frühjahr 2011 zurückgeht,<br />

enthält unter anderem einen instruktiven Aufsatz<br />

von thomas richter über ›die Bibliothek<br />

harry Graf Kesslers. möglichkeiten und Grenzen<br />

einer rekonstruktion‹ (s. 42 – 68). Als ein<br />

zentrales dokument der spurensuche erweist<br />

sich hierbei für richter der wohl 1935 ausgegebene<br />

Verkaufskatalog 112 <strong>des</strong> Antiquariats Georg<br />

ecke (1892 – 1955) in Berlin, der unter dem<br />

titel ›Aus der Bibliothek harry Graf Kessler‹<br />

einen wertvollen teil der Kessler‹schen Bücher-<br />

sammlung enthält, mutmaßlich aus seiner Berliner<br />

Bibliothek. mehrere hundert Bücher aus<br />

Kesslers Besitz befinden sich heute außerdem in<br />

der herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar.<br />

einen zweiten Katalog Georg eckes (›Aus<br />

der Bücherei von harry Graf Kessler‹, 178 nrn.)<br />

weist roland folter in ›deutsche dichter- und<br />

Germanistenbibliotheken. eine kritische Bibliographie<br />

ihrer Kataloge‹ nach.<br />

Weitere Aufsätze <strong>des</strong> Jahrbuchs behandeln<br />

unter anderem Walter mehring, Alfred mombert,<br />

die Warburg-Bibliothek und raymond<br />

Klibansky, das heikle thema ns-raubgut in der<br />

erwerbungspolitik der Preußischen staatsbibliothek<br />

nach 1933, österreichische Büchersammler<br />

und ihre schicksale sowie die private Bibliothek<br />

von lion feuchtwanger.<br />

Björn Biester<br />

Verlagslizenzierungen in der<br />

Sowjetischen Besatzungszone<br />

(1945–1949)<br />

Bettina Jütte: Verlagslizenzierungen in der sowjetischen<br />

Besatzungszone (1945–1949). Berlin – new<br />

York: de Gruyter, 2010 (Archiv für Geschichte <strong>des</strong><br />

Buchwesens, studien 8). 390 s., Abb., geb., 119,95<br />

euro, isBn 978-3-11-023011-6<br />

die lizenzierungsprinzipien der vier Besatzungsmächte<br />

beschäftigten die forschung seit<br />

den 1960er Jahren. die Befunde begründeten in<br />

den lehrbüchern über medien in deutschland<br />

die unterschiedlichen strukturen der Presse-<br />

systeme in der Bun<strong>des</strong>republik deutschland<br />

und in der <strong>deutschen</strong> demokratischen republik<br />

(ddr). das Verlagswesen fand – gegenüber<br />

Zeitung und Zeitschrift, rundfunk, nachrichtenagentur<br />

und film – weniger Beachtung. untersuchungen<br />

über Verlage, oft (aber nicht nur)<br />

einzeldarstellungen von Buchverlagen, nehmen<br />

seit der Öffnung der ddr-Archive nach der Vereinigung<br />

zu. Bettina Jüttes buchwissenschaftliche<br />

dissertation an der universität mainz aus<br />

dem Jahr 2007 markiert die schnittstelle: sie<br />

verfolgt das ehrgeizige Ziel, eine »erste eigen-


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 rezensionen<br />

ständige wissenschaftliche Arbeit über die<br />

Verlags-lizenzierungen in der sowjetischen Besatzungszone<br />

deutschlands« vorzulegen, <strong>als</strong>o<br />

eine Gesamtdarstellung. sie rekonstruiert die<br />

ent-stehungsbedingungen, entwicklungen und<br />

Auswirkungen der lizenzierungspolitik der<br />

sowjetischen militäradministration (smAd).<br />

Arbeitsweise und einfluss der neu geschaffenen<br />

<strong>deutschen</strong> Verwaltungsorgane werden berücksichtigt.<br />

die Publikation zeichnet sich durch<br />

umfangreiches quellenstudium aus.<br />

Gesetzgebung, strukturen und funktionen<br />

der smAd werden demgegenüber im Wesentlichen<br />

aus deutschsprachigen editionen der sowjetischen<br />

quellen und aus den Analysen <strong>des</strong><br />

Zeithistorikers Jan foitzik erschlossen. letztere<br />

dürfen aus heutiger sicht <strong>als</strong> Vorstudien zum<br />

2001 vereinbarten und 2009 veröffentlichten<br />

deutsch-russischen Kooperationsprojekt ›smAd-<br />

handbuch‹ bezeichnet werden, an dem foitzik<br />

maßgeblichen Anteil hat. 1<br />

im einzelnen behandelt Jütte erstens die institutionen,<br />

zweitens die Verfahren entlang den<br />

hinreichend bekannten gesetzlichen Bestimmungen<br />

zur literatursäuberung und lizenzie-<br />

rung und drittens die Organisationsformen der<br />

Verlage, die eine lizenz erhielten. Zumal nicht<br />

nur die smAd-Zentrale in Berlin, sondern auch<br />

die Verwaltungen der sowjetischen militäradministration<br />

in den ländern sachsen, mecklenburg-Vorpommern<br />

und thüringen beziehunsweise<br />

in den Provinzen, später ländern, mark<br />

Brandenburg und sachsen-Anhalt betrachtet<br />

wurden, gelingt der nachweis unterschiedlicher<br />

handlungsbedingungen und -spielräume. unklarheiten<br />

in den Zuständigkeiten hätten in<br />

Kenntnis <strong>des</strong> smAd-handbuchs, das über verschiedene<br />

Zeitpunkte hinweg Organisationspläne<br />

und, soweit zugänglich, das Personalarchiv<br />

der smAd auswertet, zwar nicht ausgeräumt,<br />

aber sicherer dargestellt werden können.<br />

im hinblick auf den – zunächst uneinheitlichen<br />

– administrativen Auf- und Ausbau und<br />

auf das tätigkeitsfeld der <strong>deutschen</strong> Behörden<br />

(dazu gehört der mitte 1946 in Anbindung an<br />

die deutsche Verwaltung für Volksbildung eingerichtete<br />

Kulturelle Beirat für das Verlagswesen)<br />

verfolgt Jütte von Anfang an die Annahme,<br />

die mitarbeiter der <strong>deutschen</strong> Verwaltungen<br />

hätten auf zentraler und regionaler ebene die<br />

wesentlichen Arbeiten geleistet, während sich<br />

die zuständigen institutionen der sowjetischen<br />

Besatzungsmacht in der regel an deren Vorschlägen<br />

und entscheidungen orientierten. die<br />

quellenanalyse stützt diese these nicht durchweg<br />

(vgl. s. 37 f.: lizenzvergabe; s. 49: Annullierung<br />

vereinbarter Papierzuteilungen; s. 119<br />

ff.: Genehmigung von Verordnungen deutscher<br />

Verwaltungen usw.), wohl aber weitgehend. Als<br />

hindernisse gelten Personalmangel und Arbeitsüberlastung,Verständigungsschwierigkeiten,<br />

Koordinierungsprobleme und widersprüchliche<br />

Auffassungen. um die Anzahl der<br />

lizenzen für Privatverlage niedrig zu halten,<br />

wurden in der fachwelt regionale Zusammenschlüsse<br />

und überregionale Kooperationsmodelle<br />

diskutiert und realisiert.<br />

die Perspektive der betroffenen Verlage erhellt<br />

eine (1996 schon einmal vorgetragene und<br />

1997 veröffentlichte) fallstudie <strong>des</strong> in Jena alteingesessenen<br />

Gustav fischer Verlags. 2 die Ge-<br />

53


ezensionen | Allgemeines<br />

54<br />

schichte dieses Verlags von der Wiederaufnahme<br />

der Verlagstätigkeit nach dem ende <strong>des</strong> Zweiten<br />

Weltkriegs bis zur übersiedlung der Verlegerfamilie<br />

nach stuttgart, 1953, einschließlich enteignung<br />

und ›Verstaatlichung‹ <strong>des</strong> unternehmens<br />

unmittelbar danach, spiegelt am Beispiel eindrucksvoll,<br />

was die gesamte untersuchung vermittelt:<br />

die Vergabe von lizenzen orientierte<br />

sich nicht an einem von der sowjetischen militäradministration<br />

vorgegebenen einheitlichen Konzept.<br />

Wie schon andernorts beobachtet, haben<br />

wir es mit einer episode zu tun, in der variable<br />

entscheidungen und Problemlösungen möglich<br />

schienen – bis der erste Zweijahresplan (1948)<br />

und deutlicher das Programm der sozialistischen<br />

einheitspartei deutschlands zum ›Aufbau <strong>des</strong><br />

sozialismus‹ (1952) klare Verhältnisse schufen.<br />

inzwischen hatte die (provisorische) regierung<br />

der ddr die Verwaltungsfunktionen übernommen,<br />

die vorher die smAd ausübte.<br />

die Autorin unterzieht sich <strong>des</strong> Weiteren der<br />

mühe, auf der Grundlage ihrer quellen ein detailliertes<br />

und verlässliches Verzeichnis der in<br />

der sowjetischen Besatzungszone lizenzierten<br />

Verlage zusammenzustellen. dieses ersetzt nach<br />

einem halben Jahrhundert die lückenhaften und<br />

unzuverlässigen Angaben <strong>des</strong> bei de Gruyter<br />

verlegten ›handbuch der lizenzen deutscher<br />

Verlage‹, stand märz 1947 3 , und <strong>des</strong> ›lizenzenhandbuch<br />

deutscher Verlage‹, stand märz<br />

1949 4 . das Verzeichnis registriert jeweils den<br />

namen <strong>des</strong> Verlags, die lizenznummer und die<br />

quellenhinweise. ursprünglich aus der untersuchung<br />

ausgeklammert, erfasst es sinnvoller<br />

Weise auch die Zeitungsverlage der Parteien und<br />

Organisationen, die mit der Zulassung gleichsam<br />

automatisch die ersten lizenzen erhielten.<br />

die einmal alphabetisch und einmal chronologisch<br />

geordneten listen erscheinen <strong>als</strong> eigenständiges<br />

Kapitel im fortlaufenden Bericht. dem<br />

im Klappentext <strong>des</strong> Buches beanspruchten<br />

›handbuchcharakter‹ hätte es jedoch keinen<br />

Abbruch getan, hätte man die listen wie üblich<br />

im Anhang platziert. dort finden sich neben<br />

dem quellen- und literaturverzeichnis Kurzbiografien<br />

der handelnden Personen, doku-<br />

mente zum Gustav fischer Verlag, ein institutionen-<br />

und sachregister, ein Ortsverzeichnis, ein<br />

Personenregister. der Band enthält zahlreiche<br />

faksimiles und einige grafische darstellungen.<br />

das nicht gänzlich geklärte selbstverständnis<br />

der Buchwissenschaft umfasst die Beschäftigung<br />

mit ökonomischen fragen, was hier unter den<br />

stichworten Papierknappheit, Papierzuteilung<br />

und Papierbedarf am rande geschieht. leider<br />

fehlt dieser verdienstvollen studie eine weitergehende,<br />

systematische darstellung der wirtschaftlichen<br />

Zusammenhänge <strong>des</strong> Verlagswesens<br />

in der sBZ. sie bleibt so ein <strong>des</strong>iderat.<br />

Barbara Baerns<br />

Es handelt sich um die leicht gekürzte Fassung einer am<br />

29. September 2011 in dem Fachforum H-Soz-u-Kult<br />

veröffentlichten Besprechung (http://hsozkult.geschichte.<br />

hu-berlin.de/rezensionen/2011-3-202).<br />

Anmerkungen<br />

1 horst möller/Aleksandr O. tschubarjan (hrsg.):<br />

smAd-handbuch. die sowjetische militäradministration<br />

in deutschland 1945–1949. münchen 2009.<br />

im Auftrag der Gemeinsamen Kommission zur erforschung<br />

der neuesten Geschichte der deutsch-russischen<br />

Beziehungen. Bearbeiter: Jan foitzik und tatjana<br />

W. Zarewskaja-djakina. redaktion: Jan foitzik.<br />

2 Bettina Jütte: das Problem der »zweigleisigen« Verlage<br />

<strong>als</strong> folge der lizenzierungspolitik in der sBZ am<br />

Beispiel <strong>des</strong> Gustav fischer Verlags (1945–1953). in:<br />

mark lehmstedt / siegfried lokatis (hrsg.): das<br />

loch in der mauer. der innerdeutsche literaturaustausch.<br />

Wiesbaden 1997, s. 185–197.<br />

3 Wilhelm seidel (hrsg.): handbuch der lizenzen<br />

deutscher Verlage. Zeitungen, Zeitschriften, Buchverlage.<br />

Berlin 1947.<br />

4 ders. (hrsg.): lizenzen-handbuch deutscher Verlage<br />

1949. Zeitungen, Zeitschriften, Buchverlage. Berlin<br />

1949.<br />

Nachrichten<br />

Historische Kommission <strong>des</strong> Börsenvereins<br />

in der Geschäftsstelle der historischen Kommission<br />

<strong>des</strong> Börsenvereins <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Buchhandels<br />

in frankfurt am main gibt es einen<br />

Wechsel: monika estermann, die die Geschäftsstelle<br />

seit 1982 betreut hat, beendete ihre tätig-


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Allgemeines<br />

keit zum Jahresende 2011. Zum 1. Januar 2012<br />

hat Björn Biester die federführung übernommen.<br />

die Geschäftsstelle ist unter anderem Anlaufstelle<br />

für die mitglieder der Kommission<br />

und externe Anfragen. Zu den Aufgaben gehört<br />

ferner die Geschäftsführung der horst Kliemann<br />

stiftung für Geschichte <strong>des</strong> Buchwesens.<br />

Antiquariate in Berlin 2012<br />

das vom lan<strong>des</strong>verband Berlin-Brandenburg<br />

<strong>des</strong> Börsenvereins <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Buchhandels<br />

herausgegebene Berliner Antiquariatsverzeichnis<br />

liegt in einer aktualisierten Ausgabe vor. das<br />

Verzeichnis ist kostenlos in den 74 aufgeführten<br />

Antiquariaten erhältlich; es kann zudem gegen<br />

einsendung von fünf 55 cent-Briefmarken bei<br />

der Geschäftsstelle <strong>des</strong> lan<strong>des</strong>verbands bestellt<br />

werden (lützowstraße 33, 10785 Berlin, tel. 030/<br />

263918-0, fax 030/26391818, verband@<br />

berlinerbuchhandel.de). ein Pdf steht unter<br />

www. berlinerbuchhandel.de zur Verfügung.<br />

Detlef Gerd Stechern im GIAQ-Vorstand<br />

Auf der hauptversammlung der Genossenschaft<br />

der internet-Antiquare (GiAq) im november<br />

2011 in Berlin wurde detlef Gerd stechern<br />

(Antiquariat halkyone, hamburg) in den<br />

Vorstand gewählt. stechern nimmt in diesem<br />

Gremium den Platz von marc daniel Kretzer<br />

(Kirchhain) ein. Als Vorstandsmitglieder bestätigt<br />

wurden hermann Wiedenroth (Bargfeld)<br />

und Peter rudolf (Berlin).<br />

18. Antiquaria-Preis an Clemens-Tobias Lange<br />

clemens-tobias lange hat im Januar 2012 den<br />

mit 6.500 euro dotierten 18. Antiquaria-Preis<br />

für Buchkultur erhalten. clemens-tobias lange,<br />

1960 in Berlin geboren, gründete 1988 mit<br />

dem Kauf einer alten setzergasse die ctl-Presse<br />

in hamburg.<br />

Stiftung Buchkunst: neue Geschäftsführerin<br />

Alexandra sender, seit 2003 in der Verlagsbranche<br />

tätig, übernimmt zum 1. märz 2012 <strong>als</strong><br />

nachfolgerin von uta schneider die Geschäftsführung<br />

der stiftung Buchkunst in frankfurt am<br />

main. uta schneider wird sich künftig wieder<br />

eigenen künstlerischen und typografischen Projekten<br />

widmen, wie in AdA 6/2011 gemeldet.<br />

Schriftenverzeichnis Hartmut Walravens<br />

Zum 65. Geburtstag von hartmut Walravens,<br />

langjährigem Beiträger dieser Zeitschrift, hat der<br />

simon Verlag für Bibliothekswissen ein schriftenverzeichnis<br />

mit mehr <strong>als</strong> 1.100 nummern<br />

vorgelegt (hartmut Walravens: rückblick auf<br />

ein leben für die Wissenschaft. Asien – Osteuropa<br />

– Bibliographie – Bibliothek – Geschichte –<br />

Kunst und literatur. Berlin 2011, 223 s., brosch.,<br />

18 euro, isBn 978-3-940862-27-3).<br />

Aree Greul: neuer Himalaya-Katalog<br />

über die Versandbuchhandlung Aree Greul<br />

(Am Goldsteinpark 28, 60529 frankfurt am<br />

main, tel. 069/6661817, fax 069/6661817,<br />

greulalpin@t-online.de, www.mountain-bookshop.de)<br />

ist ab sofort (und exklusiv) die neue<br />

Ausgabe <strong>des</strong> ›catalogue of the himalayan<br />

literature‹ von Yoshimi Yakushi lieferbar (4.<br />

Ausgabe 2011, 1.275 s., 420 euro inkl. mwst.,<br />

Versand innerhalb deutschlands frei, Vorauszahlung).<br />

die lieferzeit beträgt circa zwei monate.<br />

Katalogsammlung Knupfer in Frankfurt<br />

Karl-heinz Knupfer, seit 1989 geschäftsführender<br />

Gesellschafter <strong>des</strong> Kölner Auktionshauses<br />

Venator & hanstein und unter anderem Vorstandsmitglied<br />

der maximilian-Gesellschaft e. V.<br />

für alte und neue Buchkunst, hat im Januar 2012<br />

seine sammlung von <strong>deutschen</strong> Antiquariatskatalogen<br />

an Archiv und Bibliothek <strong>des</strong> Börsenvereins<br />

in der <strong>deutschen</strong> nationalbibliothek in<br />

frankfurt am main übereignet. Knupfers wertvolle<br />

sammlung ergänzt die dort bereits vorhandenen<br />

Katalogbestände (siehe hermann staub:<br />

die Antiquariats- und Auktionskatalogesammlung<br />

<strong>des</strong> Börsenvereins – Versuch einer<br />

Bestandsaufnahme. in: AdA nf 6, 2008, s. 30–<br />

37; vgl. ders: das historische Archiv <strong>des</strong> Börsenvereins<br />

– ein Branchenarchiv? in: AdA nf 8,<br />

2010, s. 213–226). ein Bericht folgt.<br />

55


Allgemeines<br />

56<br />

Universal Short Title Catalogue im Netz<br />

der universal short title catalogue (ustc) ist<br />

seit november 2011 online (www.ustc.ac.uk).<br />

es handelt sich um ein Projekt der university of<br />

st Andrews und <strong>des</strong> university college dublin.<br />

erfasst werden »approximately 355,000 editions<br />

and around 1.5 million surviving copies, located<br />

in over 5,000 libraries worldwide« (vor 1601 erschienen).<br />

eine fortsetzung bis 1650 ist geplant.<br />

Neues Blog: Notabilia<br />

unter dem namen ›notabilia‹ ist im herbst<br />

2011 ein neues Biblio-Blog gestartet (http://<br />

blogs.princeton.edu/notabilia/). untertitel: »An<br />

in-progress registry of provenance, bindings,<br />

annotations, and other evidence for book history<br />

from the rare book collections at Princeton«.<br />

Carl Schmitts Bibliothek<br />

martin tielke hat einen Aufsatz über ›die Bibliothek<br />

carl schmitts‹ veröffentlicht (in: schmittiana.<br />

Beiträge zu leben und Werk carl<br />

schmitts. hrsg. von der carl-schmitt-Gesellschaft.<br />

n. f. Bd. 1. Berlin: duncker & humblot,<br />

2011, s. 257–332), der auch den Verkauf eines<br />

teilbestands an das frankfurter Antiquariat<br />

rolf Kerst im Jahr 1954 thematisiert.<br />

Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft<br />

das Jahrestreffen der Pirckheimer-Gesellschaft<br />

findet vom 7. bis 9. september 2012 in ingolstadt<br />

statt. Anmeldungen werden bis ende April<br />

erbeten (ernst reif, Anzengruberstraße 4, 85084<br />

reichertshofen; Pirckheimer-Gesellschaft e. V.,<br />

Postfach 640114, 10047 Berlin, tel. 030/8122972).<br />

Franz Georg Kaltwasser †<br />

franz Georg Kaltwasser, ehemaliger direktor<br />

der Bayerischen staatsbibliothek in münchen,<br />

ist am 18. november 2011 im Alter von 84 Jahren<br />

gestorben. Kaltwasser, seit den 1960er Jahren<br />

Beiträger dieser Zeitschrift, trat 1954 in den<br />

Bibliotheksdienst ein und leitete von 1958 bis<br />

1961 die lan<strong>des</strong>bibliothek coburg, bevor er<br />

nach münchen wechselte (dort 1972 ernennung<br />

zum direktor).<br />

Firmen/Personalien<br />

Eckert & Kaun: Umzug<br />

das Antiquariat eckert & Kaun ist innerhalb<br />

Bremens umgezogen. neue Anschrift: Plantage 13,<br />

28215 Bremen, tel. 0421/72204, info@eckertkaun.de,<br />

www.eckert-kaun.de. der laden im<br />

richtweg 4 bleibt bestehen.<br />

Dr. Jörn Günther: neuer Standort Basel<br />

dr. Jörn Günther hat seit Januar 2012 einen neuen<br />

standort in der Altstadt von Basel bezogen:<br />

dr. Jörn Günther Antiquariat, spalenberg 55,<br />

Postfach 410, 4051 Basel, tel. 0041/61/2757575,<br />

fax 0041/61/2757576, info@guenther-rare<br />

books.com, www.guenther-rarebooks.com).<br />

Kataloge und andere Post sollen künftig an diese<br />

Adresse geschickt werden. Besucher werden um<br />

Anmeldung gebeten. die dr. Jörn Günther rare<br />

Books AG behält ihren sitz in stalden.<br />

Hans Hammerstein †<br />

Am 29. dezember 2011 ist der münchener Antiquar<br />

hans hammerstein im Alter von 78 Jahren<br />

verstorben. hans hammerstein, geboren am 24.<br />

Juli 1933, gründete sein <strong>als</strong> familienbetrieb geführtes<br />

Antiquariat in der türkenstraße 37<br />

(maxvorstadt) im Jahr 1968. die schwerpunkte<br />

<strong>des</strong> Angebots liegen bei Zeitschriften wie »simplicissimus«<br />

und »Jugend« sowie bei Kunst und<br />

literatur der 19. und 20. Jahrhunderts. eine<br />

charakterisierung <strong>des</strong> Antiquars bietet carlheinz<br />

schellenberg in ›streifzüge in folio –<br />

münchens Antiquariate aus persönlicher sicht‹<br />

(AdA 8/1972, A 331 f.): »Bleiben sie auf der<br />

türkenstraße, und versuchen sie ihr Glück bei<br />

hammerstein. Vormittags ist der laden geschlossen,<br />

und nachmittags hängt oft der trügerische<br />

Zettel ›Komme gleich‹ an der tür. hans<br />

hammerstein ist kein Antiquar, aber die Bücher<br />

sind sein leben, kein Geschäftsmann, aber nur<br />

Geld kann ihn in den laden locken, den seine<br />

frau geduldig hütet. nur mit langmut können<br />

sie bei hammerstein kaufen, denn er hat die<br />

unpünktlichkeit zur regel gemacht und zur


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 Allgemeines<br />

tugend erniedrigt. Wenn sie ihn vor die flinte,<br />

das heißt vor die Brieftasche bekommen, lassen<br />

sie sich weder von seinen bayrischen trachten<br />

und redensarten noch von seinem Knoblauchatem<br />

schrecken. Wenn sie ihn zum lachen<br />

bringen, haben sie gewonnen, und er rückt heraus,<br />

was er hat, und beschafft ihnen, was er<br />

nicht hat. Alte Bücher interessieren ihn nicht,<br />

aber er hat moderne luxusdrucke von schönster<br />

erhaltung, erotika, moderne Graphik und seit<br />

letztem eine Kollektion von frühen Ansichtskarten,<br />

die sensationell ist. das sind nicht die<br />

üblichen Kitschkarten – die hat er auch die menge<br />

und in teilweise hinreißenden exemplaren –,<br />

es sind herrliche Karten der ›Wiener Werkstätte‹<br />

von allen Künstlern der damaligen Zeit:<br />

Kokoschka, mela Köhler und fritzi löw. er hat<br />

auch die drei berühmten Bergkarikaturen von<br />

nolde, die mit hansen signiert sind.«<br />

Werner Greve 1952–2011<br />

Als ich Werner Greve mitte der 1990er Jahre<br />

kennenlernte, war ich noch teilhaber in einem<br />

Berliner Auktionshaus. er begann seine tätigkeit<br />

<strong>als</strong> Antiquar im Geschäft eines der anderen<br />

teilhaber, nachdem er seinen Beruf <strong>als</strong> lehrer an<br />

einer neuköllner Grundschule an den nagel gehängt<br />

hatte. über die Zeit <strong>als</strong> lehrer sprach er<br />

wenig, aber der neuanfang muss eine erlösung<br />

für ihn gewesen sein. innerhalb kürzester Zeit<br />

hatte er sich in das neue metier eingearbeitet<br />

und lernte die niederungen und höhen <strong>des</strong> allgemeinen<br />

Antiquariats kennen. und nebenher<br />

baute er sich ein eigenes Antiquariat mit dem<br />

schwerpunkt musik auf, ein spezialgebiet, in<br />

dem er unbestreitbar eine Koryphäe war, was<br />

auch seine Kataloge bewiesen. einer der höhepunkte<br />

war im Jahr 2000 sein Katalog zum thema<br />

tanz, in dem er eine umfassende sammlung<br />

zu diesem thema anbieten konnte, die mehr<br />

oder weniger alle wichtigen Werke enthielt.<br />

Als ich zum Jahr 2000 das Auktionshaus verließ,<br />

wurde Werner mein nachfolger und ich<br />

muss neidlos anerkennen, dass er meine Arbeit<br />

besser fortsetzte, <strong>als</strong> ich es je gekonnt hätte. Von<br />

Anfang an stieg er mit größter energie in das<br />

Geschäft ein, denn er erkannte, dass der erfolg<br />

eines Auktionshauses von der Akquise abhängig<br />

ist. dieser Arbeit widmete er sich mit voller<br />

Kraft, teils bis zum rand der erschöpfung. Wieder<br />

und wieder telefonierte er den Büchern hinterher<br />

und fuhr kreuz und quer durch das land.<br />

so machte das Auktionshaus mit ihm und durch<br />

ihn einen großen schritt nach vorn und stieg in<br />

die spitzengruppe der <strong>deutschen</strong> Auktionshäuser<br />

auf, was bei anderen häusern durchaus unruhe<br />

auszulösen schien. Wenn Werner etwas anpackte,<br />

machte er es mit aller energie und konnte<br />

dabei hart sein – gegen sich und andere. Auch<br />

im messegeschehen ist eine Veränderung auf ihn<br />

zurückzuführen. über viele Jahre war es üblich,<br />

zur messeeröffnung so genannte läufer an den<br />

start zu schicken, um die ersehnten oder möglicherweise<br />

zu billigen Objekte zu erkämpfen.<br />

Bei Werner wurde das so straff organisiert, dass<br />

es beinahe kriegerischen charakter angenommen<br />

hatte. das resultat war, dass heute nicht<br />

mehr gelaufen, sondern gelost wird.<br />

Obwohl Werner seine ellbogen zu benutzen<br />

wusste, war er keineswegs skrupellos, das Geschäft<br />

rechtfertigte nicht je<strong>des</strong> mittel. nur mit<br />

Angebern und Bluffern hatte er kein mitleid,<br />

lieber wurde im Kreise der mitarbeiter auch oft<br />

und herzhaft gelacht, denn er war sich im Klaren,<br />

dass ihm andere den rücken freihalten<br />

mussten. und dazu führte Werner im hintergrund<br />

noch das eigene, überaus renommierte<br />

musikantiquariat. spurlos gingen die Jahre aber<br />

an ihm nicht vorbei, manchmal schien er wie eine<br />

Kerze, die an beiden enden brennt. es<br />

zeigten sich erschöpfungszustände, herzbeschwerden,<br />

unruhe. Vielleicht war das Auktionshaus<br />

für ihn auch ein durchlauferhitzer, und<br />

er trat seinen Anteil 2005 ab.<br />

die Zeit nach dem stress im Auktionshaus<br />

wollte er ruhiger angehen und sich mehr den<br />

Annehmlichkeiten <strong>des</strong> lebens widmen, so <strong>als</strong><br />

ob er geahnt hätte, dass ihm nicht mehr viel Zeit<br />

bliebe. sein Antiquariat führe er nun von zu<br />

hause, dies aber nicht weniger ambitioniert.<br />

57


Allgemeines | impressum<br />

58<br />

nebenbei baute er sich einen neuen Absatzmarkt<br />

über ebay auf. Auch dort gehörte er zu<br />

den wenigen wirklich erfolgreichen Anbietern,<br />

und es hat seinem renommee in keiner Weise<br />

geschadet. stolz war er, <strong>als</strong> er ein repräsentatives<br />

Geschenk für eine amerikanische Außenministerin<br />

vermitteln konnte und auch das Geschenk<br />

für den Papst bei seinem Besuch wurde über ihn<br />

organisiert. Größere Ankäufe organisierte er oft<br />

zusammen mit Kollegen, um sein Geschäft nicht<br />

mit Objekten außerhalb seines spezialgebiets zu<br />

belasten. ein fairer Partner war er immer, ihm<br />

konnte man die Bewertung auch von seltenen<br />

musiktiteln vorbehaltlos überlassen.<br />

dann aber zeigte sich, dass die Ärzte seine<br />

erschöpfung nicht richtig diagnostiziert hatten.<br />

es war keine herz-, sondern eine seltene Autoimmunschwäche,<br />

die ihm die lebenskraft<br />

raubte. Zuletzt war er mehrm<strong>als</strong> in der Woche<br />

zur dialyse im Krankenhaus, wollte kaum noch<br />

unter menschen sein und wurde aufopferungsvoll<br />

von seiner familie gepflegt; eine notwendige<br />

nierentransplantation war nicht möglich.<br />

und trotz alledem machte er noch weiter Kataloge<br />

und betrieb sein Geschäft – hoffnungsvoll,<br />

dass es doch noch einmal besser werden könnte.<br />

er war noch auf der Beerdigung eines väterlichen<br />

mentors und förderers aus der stiftung<br />

Preußischer Kulturbesitz, dann verstarb er am 9.<br />

dezember 2011 in Berlin, 59 Jahre alt.<br />

und so haben wir mit Werner Greve einen<br />

großartigen Kollegen verloren, der wie wenige<br />

erfolgreich und integer war. das Antiquariat<br />

wird nicht weitergeführt, es verschwindet. spurlos<br />

sicher nicht, es bleiben ja gedruckte Kataloge<br />

<strong>als</strong> dokumentation geleisteter Arbeit.<br />

Herbert Meinke<br />

Aus dem Inhalt der<br />

kommenden Hefte:<br />

● die huths. Bibliophilie <strong>als</strong> familien geschichte<br />

(carsten scholz)<br />

● ein exlibris <strong>als</strong> Kunstwerk – eine spur im<br />

leben harry Graf Kesslers. (sabine müller-<br />

Wirth)<br />

● der Verein der <strong>deutschen</strong> Antiquariats-<br />

und export-Buchhändler e. V. (1918–1942)<br />

(torsten sander)<br />

● fredy und darbi. Zum 100. Geburtstag von<br />

Anthony Buckeridge (martin hollender)<br />

Das nächste Heft von ›Aus dem Antiquariat‹<br />

erscheint am 27. April 2012.<br />

issn 0343-186X<br />

›Aus dem Antiquariat. Zeitschrift für<br />

Antiquare und Büchersammler.‹<br />

Begründet 1948. erscheint fünfmal im<br />

Jahr (doppelnummer im Juni).<br />

›Aus dem Antiquariat‹ wird auch an alle mitglieder der<br />

maximilian-Gesellschaft e. V. für alte und neue Buchkunst<br />

verteilt.<br />

Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft Antiquariat im<br />

Börsenverein <strong>des</strong> <strong>deutschen</strong> Buchhandels e. V.<br />

Verlag: mVB marketing- und Verlagsservice <strong>des</strong> Buchhandels<br />

Gmbh, Braubachstraße 16, 60311 frankfurt am<br />

main<br />

Geschäftsführung: ronald schild<br />

Verlagsleitung: dr. torsten casimir<br />

Redaktion: dr. Björn Biester (verantwortlich),<br />

tel. 069/1306-469, fax -394, b.biester@mvb-online.de<br />

Kalender: marion hanke, hamburg,<br />

mail@hanke-altedrucke.de<br />

Layout: carolin Kastner, Offenbach am main,<br />

www.carolinkastner.de<br />

Druck: Pr rachfahl druck Gmbh, lärchenstraße 3,<br />

61118 Bad Vilbel<br />

Bezugsbedingungen (www.mvb-online.de/ada):<br />

Preis pro Jahr eur 109 (Ausland zzgl. Porto). Auszubildende<br />

und studierende eur 32. für <strong>Börsenblatt</strong>-<br />

Bezieher eur 69 (Ausland zzgl. Porto) – einzelheft:<br />

eur 22,50<br />

Manuskripte: für unverlangt eingesandte manuskripte<br />

kann keine Gewähr übernommen werden. der redaktion<br />

bleibt vorbehalten, Beiträge zu kürzen oder zu überarbeiten.<br />

– leserzuschriften sind der redaktion willkommen,<br />

sie behält sich jedoch vor, sie gekürzt wiederzugeben.


Aus dem Antiquariat nf 10 (2012) nr. 1 termine<br />

Messen<br />

10. Salon Europeen du Livre Ancien |<br />

3. und 4. März 2012<br />

Koifhus-Ancienne douane, colmar, www.<strong>als</strong>atica.eu<br />

Edinburgh Book Fair | 9. und 10. März 2012<br />

radisson Blu hotel, royal mile,<br />

www.edinburghbookfair.org<br />

18. Leipziger Antiquariatsmesse | 15. bis 18. März 2012<br />

leipziger Buchmesse, neues messegelände (halle 3)<br />

www.abooks.de, www.leipziger-buchmesse.de<br />

XXIII Mostra del Libro Antico | 16. bis 18 März 2012<br />

Palazzo della Permanente, mailand,<br />

www.mostradellibroantico.it<br />

TEFAF Maastricht | 16. bis 25. März 2012<br />

mecc, forum 100, www.tefaf.com<br />

Kyoto International Antiquarian Book Fair |<br />

23. bis 25. März 2012<br />

miyako messe (Kyoto international exhibition hall),<br />

www.abaj.gr.jp<br />

52. New York International Antiquarian Book Fair |<br />

12. bis 15. April 2012<br />

the Park Avenue Armory,<br />

www.abaa.org, www.sanfordsmith.com<br />

Salon International du Livre Ancien |<br />

27. bis 29. April 2012<br />

Grand Palais, Paris, www.salondulivreancienparis.fr<br />

Barcelona International Antiquarian Book Fair |<br />

10. bis 12. Mai 2012<br />

casa Batlló, www.barcelonabookfair.com<br />

3. Berliner Antiquariatstag | 20. Mai 2012<br />

hotel ellington, nürnberger straße 50–55,<br />

www.abooks.de<br />

55. London Antiquarian Book Fair |<br />

24. bis 26. Mai 2012<br />

national hall at Olympia, www.olympiabookfair.com<br />

Auktionen<br />

Falk + Falk | 10. März 2012<br />

Bücher, Grafik, Gemälde – falk + falk, Zürich,<br />

www.falkbooks.ch<br />

Dorotheum | 12. März 2012<br />

Bücher und dekorative Grafik – dorotheum, Wien,<br />

www.dorotheum.com<br />

Sächsisches Auktionshaus | 17. März 2012<br />

Bücher und Kunst – sächsisches Auktionshaus &<br />

Antiquariat, leipzig, www.antiquariat-wend.de<br />

Venator & Hanstein | 23. und 24. März 2012<br />

Bücher, Autographen, Grafik – Venator &<br />

hanstein, Köln, www.venator-hanstein.de<br />

Jeschke van Vliet | 24. März 2012<br />

Alexandre dumas-sondersammlung – Jeschke van<br />

Vliet, Berlin, www.jvv-berlin.de<br />

Koller | 30. und 31. März 2012<br />

Alte Grafik und Zeichnungen; Bücher und Autographen<br />

– Koller, Zürich, www.kollerauktionen.ch<br />

Koller | 2. April 2012<br />

sammlung nessi (wissenschaftliche instrumente,<br />

Gerätschaften und Bücher) – Koller, Zürich,<br />

www.kollerauktionen.ch<br />

Kiefer | 20. und 21. April 2012<br />

Bücher und Grafik – Peter Kiefer, Pforzheim,<br />

www.kiefer.de<br />

Bassenge | 18. bis 21. April 2012<br />

Bücher, Grafik, Autographen; historische Plakate;<br />

sonderkatalog emil rudolf Weiss – Galerie Bassenge,<br />

Berlin, www.bassenge.com<br />

Reiss & Sohn | 2. bis 5. Mai 2012<br />

Bücher, handschriften; Geographie, reisen, Atlanten,<br />

landkarten, stadtansichen; Alte und neue Kunst –<br />

reiss & sohn, Königstein i. ts., www.reiss-sohn.de<br />

Hartung & Hartung | 7. bis 9. Mai 2012<br />

manuskripte, Bücher, Autographen, Grafik –<br />

hartung & hartung, münchen,<br />

www.hartung-hartung.com<br />

Zisska & Schauer | 9. bis 11. Mai 2012<br />

Bücher, handschriften, Autographen, stadt ansichten<br />

und dekorative Grafik – Zisska & s chauer, münchen,<br />

www.zisska.de<br />

Schramm | 12. Mai 2012<br />

Bücher, Autographen, Grafik und Kunst – schramm,<br />

Kiel, www.antiquariat-schramm.de<br />

Winterberg | 12. Mai 2012<br />

Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Grafik –<br />

Winterberg Kunst, heidelberg,<br />

www.winterberg-kunst.de<br />

Jeschke van Vliet | 18. Mai 2012<br />

Bücher – Jeschke van Vliet, Berlin, www.jvv-berlin.de<br />

Hesse | 19. Mai 2012<br />

Bücher, Autographen, Grafik – christian hesse,<br />

hamburg, www.hesse-auktionen.de<br />

Ketterer | 21. und 22. Mai 2012<br />

Bücher, manuskripte, Autographen, Grafik,<br />

maritime und norddeutsche Kunst – Ketterer Kunst,<br />

hamburg, www.kettererkunst.de<br />

Hauswedell & Nolte | 22. und 23. Mai 2012<br />

Bücher und Autographen – hauswedell & nolte,<br />

hamburg, www.hauswedell-nolte.de<br />

Hauff und Auvermann | 30. Mai bis 2. Juni 2012<br />

Bücher, Autographen, Grafik,<br />

www.buchauktionen-berlin.de<br />

Schneider-Henn | 14. und 15. Juni 2012<br />

Kunstliteratur, Kunst, fotografie – dietrich<br />

schneider-henn, münchen, www.schneider-henn.de<br />

Galerie Kornfeld | 14. und 15. Juni 2012<br />

Kunst; Grafik und handzeichnungen alter meister<br />

vom 15. bis 18. Jahrhundert – Galerie Kornfeld, Bern,<br />

www.kornfeld.ch<br />

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termine<br />

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Klittich-Pfankuch | 21. und 23. Juni 2012<br />

landkarten, Künstlergrafik, Orts- und lan<strong>des</strong>kunde,<br />

wertvolle Bücher, schach u. a. – Klittich-Pfankuch,<br />

Braunschweig, www.klittich-pfankuch.de<br />

Ausstellungen<br />

Aschaffenburg<br />

reiselust und sinnesfreude – corinth –<br />

liebermann – slevogt (bis 9. April 2012).<br />

Kunsthalle Jesuitenkirche<br />

Augsburg<br />

Kann der mensch durch erziehung verbessert<br />

werden? französische erziehungsschriften <strong>des</strong><br />

18. Jahrhunderts (bis 31. märz). Zentralbibliothek<br />

Bamberg<br />

sprache unterwegs. Verständigung auf reisen<br />

1500–1800 (bis 3. märz 2012). staatsbibliothek<br />

Bergisch Gladbach<br />

Guck mal! Bilderbücher vom struwwelpeter bis<br />

zum Grüffelo (bis 12. August 2012).<br />

lVr-industriemuseum<br />

Berlin<br />

100 Jahre max frisch (bis 11. märz 2012).<br />

Akademie der Künste<br />

Walt disneys große Zeichner – Gottfredson,<br />

t aliaferro, Barks (bis 11. märz 2012). schloss Britz<br />

Chemnitz<br />

Otto dix in chemnitz (bis 15. April 2012).<br />

Kunstsammlungen – museum Gunzenhauser<br />

Cologny (Genf)<br />

c. G. Jung. le rouge et le noir (bis 25. märz 2012).<br />

fondation martin Bodmer<br />

Frankfurt am Main<br />

tomi ungerer – satyricon. das satirisch-komische<br />

Werk (bis 18. märz 2012). caricatura museum<br />

Kreise der Poesie. handschriften von friedrich<br />

schlegel aus der sammlung lieber (bis 4. märz<br />

2012). Goethe-haus<br />

tierhelden im Kinderbuch. eine tierische Zeitreise<br />

(bis 25. märz 2012). struwwelpeter museum<br />

Hamburg<br />

architectura. Werke zur Architektur aus den sammlungen<br />

der christian-Albrechts-universität Kiel<br />

(bis 11. märz 2012). staatsbibliothek<br />

Heidelberg<br />

Kunst auf Papier. druckgraphik von Albrecht dürer<br />

bis max ernst (bis 22. April 2012).<br />

Kurpfälzisches museum<br />

Götterbilder und Götzendiener in der frühen<br />

neuzeit – europas Blick auf fremde religionen<br />

(29. februar bis 25. november 2012).<br />

universitätsbibliothek<br />

Köln<br />

die entfesselte Antike. Aby Warburg und die<br />

Geburt der Pathosformel (2. märz bis 28. mai 2012).<br />

Wallraf-richartz-museum<br />

Artisten der linie. hendrick Goltzius und die Kunst<br />

der Graphik um 1600 (16. märz bis 10. Juni 2012).<br />

Wallraf-richartz-museum<br />

Leipzig<br />

ns-raubgut in der universitätsbibliothek leipzig<br />

(bis 18. märz 2012). universitätsbibliothek<br />

Mainz<br />

Arbeitsprobe ii (bis 6. April 2012).<br />

Gutenberg-museum (druckladen)<br />

moving types – lettern in Bewegung<br />

(bis 22. April 2012). Gutenberg-museum<br />

On-tYPe: texte zur typografie (bis 6. mai 2012).<br />

Gutenberg-museum<br />

München<br />

Vom ABc bis zur Apokalypse – leben, Glauben<br />

und sterben in spätmittelalterlichen Blockbüchern<br />

(17. februar bis 6. mai 2012). Bayerische staatsbibliothek<br />

Offenbach am Main<br />

Virulent. Aufrühren in Wort und Bezeichnung.<br />

hartmut Andryczuk (24. februar bis 8. April 2012).<br />

Klingspor museum<br />

märchenhaft: rotkäppchen und andere ungeheuer -<br />

lichkeiten (24. februar bis 8. April 2012).<br />

Klingspor museum<br />

St. Gallen<br />

der heilige Gallus 612 | 2012. leben – legende<br />

– Kult (bis 11. november 2012). stiftsbibliothek<br />

Stuttgart<br />

tobias mayer 1723-1762. mathematiker, Kartograph<br />

und Astronom der Aufklärungszeit (29. februar bis<br />

14. April 2012). Württembergische lan<strong>des</strong>bibliothek<br />

das Augsburger Geschlechterbuch – Wappenpracht<br />

und figurenkunst (3. märz bis 24. Juni 2012). staatsgalerie<br />

Troisdorf<br />

das Janosch-universum. Janosch zum 80. Geburtstag<br />

(bis 4. märz 2012). Burg Wissem Bilderbuchmuseum<br />

Weimar<br />

reise in die Bücherwelt. drucke der herzogin<br />

Anna Amalia Bibliothek aus sieben Jahrhunderten<br />

(bis 11. märz 2012). herzogin Anna Amalia<br />

Bibliothek<br />

Wien<br />

lesespuren – spurenlesen oder Wie kommt die<br />

handschrift ins Buch? (bis. 29. februar 2012).<br />

Wienbibliothek im rathaus<br />

Wolfenbüttel<br />

»verklingend und ewig« – tausend Jahre musikgedächtnis<br />

800–1800 (bis 26. februar 2012).<br />

herzog August Bibliothek<br />

Wolfsburg<br />

henri cartier-Bresson. die Geometrie <strong>des</strong> Augenblicks<br />

»landschaften« (bis 13. mai 2012).<br />

Kunstmuseum


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