Harro Segeberg, - Medienwissenschaft
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Ebene der Bildfolgen. Der Begriff streaming video ist für<br />
breitbandige Übertragung im Internet allerdings schon eine<br />
versöhnliche Metapher; gegenüber dem Video-flow der Wellen<br />
herrscht hier nämlich die logische, diskrete Zeit. „Die<br />
Aufteilungen in Zeilen und Rahmen sind nur zeitliche<br />
Aufteilungen, die Öffnung und Schließung zeitweiliger Fenster,<br />
die die Perioden der Aktivität innerhalb des Elektronenstroms<br />
abgrenzen“ - rein differentiell. „Mithin ist das Videobild<br />
ein lebendes dynamisches Energiefeld, eine Schwingung, die nur<br />
deshalb als fest erscheint, weil sie unsere Fähigkeit übersteigt,<br />
solche feinen Zeitabschnitte zu unterscheiden.“<br />
Das videospezifische Merkmal: Feedback und closed circuit<br />
Video erlaubt - im Unterschied zur filmischen Entwicklung von<br />
Zelluloid - das unmittelbare monitoring des Aufzuzeichnenden. Mit<br />
Video kehrt damit ein kybernetisch medienepistemisches Ding, die<br />
unmittelbare Rückkopplung (Feedback) in die Fernsehtechnik ein -<br />
ein Zeitprozeß, der im Zeitfenster der punktuellen Gegenwart<br />
verschwindet.<br />
Eine frühe Form der medientechnischen, kybernetischen<br />
Selbstreferenz von Video sind die closed circuit-Installationen.<br />
Hier spielt sich in wahrnehmbarer ästhetischer Makro-Dimension<br />
ab, was auf der Ebene von Mikroelektronik längst Praxis war: der<br />
geschlossene Schaltkreis, Schwingkreis und Rückkopplung.<br />
Figuren wie Nam June Paik haben mit zahlreichen closed circuit-<br />
Installationen die genuinen Eigenschaften eines Mediums zur<br />
Evidenz gebracht, das die menschliche Wahrnehmung in die visuelle<br />
Logik geschlossener Schaltkreise namens "closed circuit".<br />
Die sofortige Verfügbarkeit der Videobilder und ihre gleichzeitige Manipulationsmöglichkeit<br />
durch Verzögerung oder räumlich getrennte Wiedergabe ist eine besondere Eigenschaft von<br />
Video. Häufig wird zugleich ein Objekt oder eine Person seinem eigenen Abbild<br />
gegenübergestellt. Der Betrachter macht dabei die Erfahrung der Synchronität seiner<br />
Handlung mit deren Abbildung, ähnlich wie im Spiegelbild 15 ,<br />
doch diesmal als zeitversetztes Spiegelbild; im Kontrast zu Velaszquez´<br />
Gemälde Las Meninas dominiert hier nicht mehr das Spiel mit der Konstruktion<br />
des perspektivischen Raums, sondern das Spiel mit der Dekonstruktion von<br />
Zeit und Identität - und das nicht auf der Ebene der Erzählzeit (wie es die<br />
filmische Montage vollzieht, die ihrerseits als Kamerablock noch die Ästhetik<br />
der räumlichen Perspektive fortschreibt), sondern auf der Ebene der<br />
unmittelbaren Gegenwartserfahrung. Video als Medium, als "Zeitbild" (Giles<br />
Deleuze) steht für die Epoche jenseits der Renaissance.<br />
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