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DAS GESAMTE FAMiLiENRECHT - Linde Verlag

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<strong>DAS</strong> <strong>GESAMTE</strong> <strong>FAMiLiENRECHT</strong><br />

iNTERDiSZiPLiNäR UND KoMPETENT<br />

➤ Grundrechte und Familie<br />

➤ Kindschaftsrecht<br />

➤ Sachwalterrecht inkl. Heimvertrags-,<br />

Patienten- und Altenrecht<br />

➤ UbG/HeimAufG/Medizinrecht<br />

➤ Ehe- und Partnerschaftsrecht<br />

➤ Erbrecht<br />

➤ internationale Aspekte<br />

➤ interdisziplinärer Austausch<br />

➤ Aktuelles<br />

➤ 6-mal jährlich<br />

www.lindeverlag.at


Dr. Eleonore<br />

Breitegger<br />

Geschäftsführerin,<br />

Bereichsleitung Zeitschriften<br />

und Electronic Publishing, <strong>Linde</strong> <strong>Verlag</strong><br />

Sehr geehrte Leserinnen,<br />

sehr geehrte Leser,<br />

wir leben in einer Zeit rasanten gesellschaftlichen Wandels.<br />

Alternative Formen des Zusammenlebens, wie<br />

Patchworkfamilien oder eingetragene Partnerschaften,<br />

hohe Scheidungsraten, alleinerziehende Eltern, vielfältige<br />

Obsorgekonstellationen, und eine alternde Bevölkerung,<br />

deren würdige Pflege und Unterbringung im<br />

Alter zu den brisantesten Problemen der näheren Zukunft<br />

zählen, sind nur einige Kennzeichen dieser Entwicklung,<br />

die Gesetzgeber, Rechtsprechung, Behörden<br />

und Beratung vor neue Herausforderungen stellt.<br />

Der in diesem Zusammenhang stark gestiegenen praktischen<br />

Bedeutung des Familienrechts trägt der <strong>Linde</strong><br />

<strong>Verlag</strong> mit seiner interdisziplinären Fachzeitschrift für<br />

Familienrecht Rechnung. iFamZ erscheint sechsmal<br />

jährlich und liefert übersichtlich, kompetent und aus einer<br />

Hand alle relevanten Informationen zum gesamten<br />

Familienrecht „von der Wiege bis zur Bahre“.<br />

Der Bogen spannt sich dabei von grundrechtlichen<br />

Themen über Kernbereiche wie Kindschafts- und Ehe-/<br />

Partnerschaftsrecht bis hin zum Sachwalter- und Erbrecht.<br />

Querverbindungen zum Alten-, Behinderten- und<br />

Sozialrecht einschließlich der Rechtsfragen hinsichtlich<br />

Unterbringung und Heimaufenthalt finden ebenso Berücksichtigung<br />

wie internationale Aspekte und aktuelle<br />

Entwicklungen in Gesetzgebung und Judikatur.<br />

Jedes Heft enthält entsprechend der interdisziplinären<br />

Ausrichtung der iFamZ ein aus verschiedenen fachlichen<br />

Blickwinkeln beleuchtetes Schwerpunktthema.<br />

Bisher waren dies u. a. Unterhaltsvorschuss, Kinderbeistand,<br />

Gewaltschutz, Besuchsbegleitung, Reform des<br />

Sachwalterrechts, Patientenverfügung, Behindertenrechte,<br />

Sterben in Würde, Unterbringungsgesetz, gemeinsame<br />

Obsorge, Eherecht, eingetragene Partnerschaft,<br />

Pflichtteilsrecht, lösungsorientierte Sachverständigengutachten<br />

und Migration. Es geht der iFamZ<br />

also nicht nur um die Darstellung und Interpretation<br />

des geltenden Rechts, sondern vor allem auch um die<br />

Frage, wie sich diese Bestimmungen in der Praxis für<br />

die Betroffenen auswirken.<br />

Das hochkarätig besetzte Herausgeber- und Redaktionsteam,<br />

unterstützt von aus verschiedensten Fachbereichen<br />

stammenden Beiräten, bürgt für die Qualität<br />

der iFamZ.<br />

Die Zielgruppen<br />

➤ Familien- und Außerstreitrichter<br />

➤ Rechtsanwälte<br />

➤ Notare<br />

➤ Jugendämter<br />

➤ Sachwaltervereine<br />

➤<br />

➤<br />

Familien- und<br />

Frauenberatungsstellen<br />

Sachverständige in Obsorge- (Psychologie,<br />

Psychotherapie, Pädagogik, Psychiatrie)<br />

und HeimAufG-Verfahren (Gesundheits-<br />

und Krankenpflege, Pädagogik und Medizin)<br />

➤ Alten- und Pflegeheime sowie<br />

Behinderteneinrichtungen, Krankenanstalten<br />

➤ Mediatoren<br />

➤ Lebens- und Sozialberater<br />

➤ Sozialarbeiter<br />

Das Herausgeber- und Reda<br />

Mag. Dr. Peter Barth<br />

Richter am LGZ Wien, Abteilungsleiter – Stellvertreter<br />

in der Zivilrechtsektion des BMJ; Schriftleiter<br />

der iFamZ<br />

Mag. phil. Judit Barth-Richtarz<br />

Psychoanalytisch-pädagogische Erziehungsberaterin;<br />

RAINBOWS-Gruppenleiterin<br />

Univ.-Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner<br />

Univ.-Prof. am Institut für Europäisches und Österreiches<br />

Zivilverfahrensrecht der JKU Linz<br />

Dr. Robert Fucik<br />

Leiter der u.a. für zwischenstaatliche<br />

Vereinbarungen im Familienrecht zuständigen<br />

Abteilung des BMJ


iFamZ bietet<br />

➤<br />

Das gesamte Familienrecht „von der Wiege<br />

bis zur Bahre“<br />

➤ Aktuelle Rechtsprechung<br />

➤<br />

➤<br />

➤<br />

➤<br />

Einen Blick über den Tellerrand: internationale<br />

Trends & Entwicklungen<br />

Interdisziplinäre Vernetzung: Wissenstransfer<br />

zwischen den Berufsgruppen<br />

Eine Plattform zur Diskussion heißer familien-<br />

rechtlicher Themen (gemeinsame Obsorge,<br />

Patchwork, eingetragenen Partnerschaft,<br />

Sterbehilfe, Stalking etc.)<br />

Ein hochkarätiges, fachlich anerkanntes<br />

Redaktionsteam<br />

➤ Einen prominenten und interdisziplinären Beirat<br />

➤<br />

Viele Grafiken, Tabellen, Übersichten und eine<br />

verständliche Sprache<br />

ktionsteam<br />

Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Ganner<br />

Ao. Univ.-Prof. für Bürgerliches Recht,<br />

Universität Innsbruck<br />

Univ.-Prof. Dr. iur., Dr. med.<br />

Christian Kopetzki<br />

Univ.-Prof. am Institut für Staats- und<br />

Verwaltungsrecht der Uni Wien<br />

Hon.-Prof. Dr. Matthias Neumayr<br />

Richter am OGH, Hon.-Prof. für Arbeitsrecht<br />

und Sozialrecht an der JKU Linz<br />

Univ.-Prof. Dr. Martin Schauer<br />

Univ.-Prof. am Institut für Zivilrecht<br />

der Universität Wien<br />

„Verständlichkeit auf hohem Niveau.“<br />

„Ich schätze den interdisziplinären Ansatz,<br />

die klare Gliederung des Heftes, die sehr gute<br />

und sehr kundige Redaktion und die<br />

guten Schwerpunkthefte.“<br />

Stimmen aus der iFamZ-Leserumfrage<br />

Dr. Gabriela Thoma-Twaroch<br />

Vorsteherin des Bezirksgerichts Josefstadt<br />

Dr. Wilhelm Tschugguel<br />

Richter, Präsident des Landesgerichts<br />

Korneuburg<br />

Dr. Christa Zemanek<br />

Richterin, Vizepräsidentin des Landesgerichts<br />

Korneuburg


FAX-BESTELLFoRMULAR: 01 24 630-53<br />

Ja, ich bestelle<br />

iFamZ-Jahresabonnement 2012 (7. Jahrgang, Heft 1–6) EUR 98,–<br />

Probeheft gratis<br />

Preise zzgl. MwSt. und Versandspesen<br />

Abonnementkonditionen: Abbestellungen sind nur zum Ende eines Jahrganges möglich und müssen bis jeweils<br />

spätestens 30. November des Jahres schriftlich erfolgen. Unterbleibt die Abbestellung, so läuft das Abonnement<br />

automatisch ein Jahr und zu den jeweils gültigen Abopreisen weiter. Preisänderungen und Irrtum vorbehalten.<br />

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die anrechnung im Pflichtteilsrecht<br />

Übersicht zur geltenden rechtslage<br />

i. Pflichtteilsberechtigte<br />

Pflichtteil<br />

ErbrEcht<br />

„Das Eherecht ist antiquiert, die Ehe bedeutet nicht mehr Vater, Mutter, Kind,<br />

verheiratet bis ans Ende ihrer Tage.“ (Der Standard, 1.8.2011)<br />

„Ein modernes Familienrecht des 21. Jahrhunderts ist mehr, als nur Fragen<br />

der Obsorge zu klären.“ (Kurier, 23.3.2011)<br />

„Her mit einem Eherecht, das endlich jahrzehntealte Regelungen aus Ehegesetz und ABGB<br />

überholt; weg etwa mit verzopften Verschuldens- und Unterhaltsfragen.“ (Die Presse, 31.7.2011)<br />

Datum/Unterschrift<br />

Handelsgericht Wien, FB-Nr.: 102235X, ATU 14910701, DVR: 000 2356<br />

InterdIszIplInärer AustAusch<br />

auswirkungen psychischer traumata auf aussagen vor Gericht<br />

Kinder (Kindeskinder): je die Hälfte<br />

des gesetzlichen Erbteils,<br />

subsidiär Eltern (Großeltern, Urgroßeltern):<br />

Ehegatte: Hälfte des gesetzlichen Erbteils<br />

je ein Drittel des gesetzlichen Erbteils<br />

ii. anrechnungsrecht nach geltender rechtslage<br />

§§ 788, 789 ABGB<br />

§ 785 ABGB<br />

Vorempfänge (Zweckwidmung im Zeitpunkt der<br />

Übergabe) à „Starthilfen“ für Kinder (§ 42 ABGB):<br />

Schenkungen (an konkrete Pflichtteilsberechtigten im<br />

Todeszeitpunkt und Dritte; hRsp: nicht auf den Todes­<br />

n ehelicher Haushalt<br />

n Berufsausübung<br />

n Schulden des volljährigen Kindes<br />

Vorschüsse (Konsens im Zeitpunkt der Übergabe)<br />

à auf Pflichtteil oder Erbteil<br />

n des Kindes (§ 42 ABGB)<br />

n des Ehegatten<br />

n der Eltern<br />

fall!) à jede unentgeltliche Zuwendung vermögens­<br />

i. adäquater Umgang mit (Zeugen-)aussagen<br />

werter Vorteile:<br />

traumatisierter Menschen<br />

n Versicherungssumme aus Lebensversicherung<br />

n Schuldenerlass Die Auswirkungen psychischer Traumatisierungen auf<br />

n Zuwendung an Privatstiftung die Qualität von Zeugenaussagen bei Gericht werden<br />

n Ausschüttung an Begünstigten aktuell einer vor Privatstiftung<br />

allem in Hinblick auf Strafverfahren (insb bei<br />

Sexualdelikten) und Asylverfahren diskutiert. Besondere<br />

Problem: Pflichtteilsverzicht à Rechtsmissbrauch?<br />

Bedeutung kommt diesen Aussagen in jenen Verfahren zu,<br />

in denen andere Beweismittel oder Zeuginnen fehlen, die<br />

Nicht erfasst: freigebige Schenkungen.<br />

für eine gerichtliche Entscheidung wesentlich wären. Auch<br />

Nicht erfasst:<br />

das Familienrecht ist von dieser Thematik betroffen, wenn<br />

n Schenkungen aus Einkünften es etwa ohne nach Schmälerung einer Verfahrenseinstellung im Strafverfahren<br />

des Stammvermögens oder einem Freispruch in dubio zu Obsorge- oder Besuchs-<br />

n Schenkungen zu gemeinnützigen rechtsanträgen Zwecken, kommt, aus obwohl der Vorwurf körperlicher<br />

sittlicher Pflicht oder aus Anstand oder sexueller Gewalt nach wie vor im Raum steht, oder<br />

n Schenkungen an Dritte, die wenn früher in als Scheidungs- zwei Jahre und vor Obsorgeverfahren Vorwürfe<br />

dem Tod des Erblassers gemacht häuslicher wurden Gewalt (Schen­ behandelt werden. Immer wieder berichkungszeitpunkt<br />

nach hM Zeitpunkt<br />

ten Richterinnen<br />

des Vertragsvon<br />

der Herausforderung, diese Aussagen<br />

abschlusses)<br />

adäquat einzuschätzen und angemessen mit ihnen umzu-<br />

Anrechnungsmethode:<br />

1. reiner Nachlass + Wert des Anrechnungspostens,<br />

2. davon Pflichtteilsquoten berechnen,<br />

gehen – besonders in Fällen, in denen der Rahmen für eine<br />

Anrechnungsmethode: Beurteilung durch Sachverständige nicht gegeben ist.<br />

1. reiner Nachlass samt Wert des Im Geschenkten,<br />

Folgenden soll versucht werden, das Zustandekom-<br />

2. davon Pflichtteilsquote berechnen men solcher (erhöhter Zeugenaussagen Pflicht­ zu erklären und die zugrunde<br />

3. Abzug des Anrechnungspostens vom Pflichtteil des<br />

Vorempfängers.<br />

Ausgleich nur mit Mitteln des Nachlasses (keine Belastung<br />

der Zuwendungsempfänger).<br />

Auf Verlangen aller Noterben (und Erben).<br />

i<br />

teil),<br />

liegenden psychischen Prozesse verständlich zu machen.<br />

3. erhöhter Pflichtteil minus Nachlasspflichtteil Dabei werden Erkenntnisse = der Traumaforschung heran-<br />

Schenkungspflichtteil, gezogen. Diese richten sich zwar vorrangig an Personen, die<br />

4. Schenkungspflichtteil minus psychotherapeutisch Wert des Geschenkten. mit Traumapatientinnen arbeiten. Sie<br />

sind aber auch für Angehörige juristischer, pädagogischer<br />

Ausgleich aus Mitteln des Nachlasses, subsidiär<br />

und psychosozialer Berufe von Nutzen, da auch sie immer<br />

Herausgabeanspruch gegen Beschenkten (dieser hat<br />

wieder mit Menschen mit Traumaerfahrungen konfrontiert<br />

Ersetzungsbefugnis [facultas alternativa]).<br />

sind und Hintergrundwissen benötigen, um einen professionellen<br />

Zugang zu ihnen finden. Nicht näher eingegan-<br />

Auf Verlangen aller konkret pflichtteilsberechtigten<br />

gen wird hier auf die vor allem in Deutschland kontrovers<br />

Kinder und Ehegatten (zum Todeszeitpunkt).<br />

geführte aussagepsychologische Diskussion darüber, ob –<br />

Voraussetzung: Im Zeitpunkt<br />

wie<br />

der<br />

einige<br />

Schenkung<br />

Traumatologinnen<br />

war<br />

vorschlagen – bei Aussagen<br />

irgendein Kind vorhanden oder über aufrechte traumatische Ehe mit Ereignisse aufgrund der im Folgenden<br />

d iesem Ehegatten. beschriebenen Prozesse die üblicherweise angewendeten<br />

Kriterien für die Abgrenzung von realem Erlebnisbezug,<br />

Pseudoerinnerungen Peter und Barth bewussten Falschdarstellungen<br />

zu modifizieren sind.<br />

September 2011<br />

287<br />

iFamZ_2011-05.indd 287 9/6/2011 3:29:13 PM<br />

232 i Juli 2011<br />

1<br />

ii. Was ist ein traumatisches Ereignis?<br />

Der Begriff „Trauma“ geht zunehmend auch in den alltäglichen<br />

Sprachgebrauch ein, wobei er in sehr unterschiedlicher<br />

Weise für belastende Lebensereignisse verwendet wird.<br />

Das Diagnostisch-Statistische Manual der Amerikanischen<br />

Psychiatrischen Gesellschaft (DSM-IV) definiert Trauma<br />

als ein Ereignis, das zum einen objektiv eine Konfrontation<br />

mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung<br />

oder Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der<br />

eigenen Person oder anderer beinhaltet und zum anderen<br />

subjektiv mit intensiven Gefühlen der Furcht, Hilflosigkeit<br />

oder Entsetzen verbunden ist. 2 Van der Kolk weist darauf<br />

hin, dass mit dieser Definition eine Reihe interpersoneller<br />

Traumata wie psychische Misshandlung, Vernachlässigung,<br />

Trennung und Verlust von Bezugspersonen und unangemessenes<br />

sexuelles Verhalten nicht erfasst wird. 3 Diese sind<br />

vor allem im Kindes- und Jugendalter relevant. Fischer/<br />

Riedesser definieren psychische Traumatisierung als „vitales<br />

Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren<br />

und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten,<br />

das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe<br />

einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von<br />

Selbst- und Weltverständnis bewirkt“. 4 Im klinischen Bereich<br />

wird zwischen verschiedenen Traumafolgestörungen<br />

unterschieden, deren bekannteste wohl die Posttraumatische<br />

Belastungsstörung (PTSD) ist.<br />

Die Definitionen implizieren einen Unterschied zwischen<br />

traumatischen Erfahrungen im engeren Sinne und<br />

belastenden bzw stressreichen Lebensereignissen, die sich<br />

zwar ebenfalls negativ auf die psychische und körperliche<br />

Entwicklung und Gesundheit auswirken können, aber eben<br />

nicht zu einem Zusammenbruch der Fähigkeit führen, in<br />

Bezug auf die eigene Person „für ein minimales Gefühl von<br />

Sicherheit und integrativer Vollständigkeit zu sorgen“. 5 Wie die traumaforschung helfen kann, Zeugenaussagen traumatisierter Menschen<br />

besser zu verstehen<br />

Nicht nur im Strafrecht, sondern auch in familienrechtlichen Verfahren können Aussagen über besonders belastende<br />

und traumatische Ereignisse von besonderer Bedeutung sein. Häufig sind diese Aussagen allerdings nur schwer<br />

verwertbar, weil sie etwa in sich widersprüchlich, detailarm oder nicht leicht nachvollziehbar sind. Erkenntnisse aus<br />

der Traumaforschung können dazu beitragen, Unterschiede in der Aussagequalität zu erklären und diese Aussagen<br />

für gerichtliche Entscheidungen besser verwertbar zu machen.<br />

Mag<br />

In<br />

der Praxis wird hier häufig nicht sorgfältig differenziert,<br />

was mitunter zu einem inflationären Gebrauch des Begriffs<br />

„Trauma“ führt. Ebenso wird oft nicht hinreichend<br />

unterschieden, dass nicht jede psychische Traumatisierung<br />

a . Barbara Neudecker*<br />

* Maga SCHWERPUNKT<br />

Welche Gründe sprechen gegen die Obsorge beider Eltern?<br />

Kriterien für Entscheidungen über Obsorge und persönliche Kontakte des Kindes<br />

Derzeit ist unter dem Titel „Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2012“ eine Novelle des Kindschaftsrechts in<br />

Diskussion, wonach die Obsorge beider Elternteile auch nach Auflösung der Ehe bzw Trennung der Eltern aufrecht<br />

bleibt, die Eltern aber innerhalb angemessener Frist eine Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt des<br />

Kindes zu schließen haben.<br />

I. Allgemeine Vorbemerkung<br />

Ein Beispiel für die erste Variante wäre die Einschränkung<br />

des Besuchsrechts des Vaters auf begleitete Besuche, wenn<br />

Vor die Frage gestellt, welche „wichtigen Gründe aus Sicht dieser durch eine singuläre Handlung dem Kind große<br />

des Kindeswohls“ gegen die Obsorge beider Elternteile bzw Angst machte. Hier braucht das Kind vielleicht Zeit und der<br />

auch gegen die Zuteilung der alleinigen Obsorge an einen Vater erziehungsberaterische Unterstützung, damit sich das<br />

Elternteil sprechen können, erscheint es mir zunächst wich- alte Vertrauensverhältnis wieder herstellen kann. Es besteht<br />

tig, zwischen der Obsorge und den Kontakten zwischen den aber überhaupt kein Grund, diesem Vater die gesamte Ob-<br />

Eltern und dem Kind zu unterscheiden. Sieht man nämlich sorge zu entziehen oder vorzuenthalten.<br />

vom „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ (siehe dazu unten Ein Beispiel für die zweite Variante wäre eine geistig<br />

II.K.) ab, sind<br />

behinderte Mutter, die auch nach der Trennung von dem<br />

■ Fälle denkbar, in denen es gerechtfertigt erscheint, den Vater ihres Kindes vielleicht das wichtigste Beziehungs -<br />

Kontakt zwischen einem Elternteil Bedingungen bzw objekt für das Kind ist, die im Alltag für das Kind auch hin-<br />

Beschränkungen zu unterwerfen, ohne diesem Elternteil reichend zu sorgen vermag, der man möglicherweise jedoch<br />

die gesamte Fähigkeit, für sein Kind Verantwortung in- den nötigen Weitblick für entwicklungsrelevante Entscheinezuhaben<br />

und Sorge zu tragen, abzusprechen; dungen nicht zutrauen kann.<br />

■ aber auch Fälle, in denen umgekehrt ein intensiver Kon- Um für die individuellen Verhältnisse jeden einzelnen<br />

2 Fischer/Riedesser, Lehrbuch der Psychotraumatologie (1998) 42.<br />

3 Van der Kolk, Entwicklungstrauma-Störung: Auf takt dem für Weg das zu Kind einer sinnvollen wichtig sein kann, ohne dass man von Falls optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, scheint<br />

. Barbara Neudecker, MA, ist Psychotherapeutin in Ausbildung und psycho- Diagnostik für chronisch traumatisierte Kinder, Praxis der Kinderpsychologie und<br />

diesem Elternteil erwarten kann, dass er Sorge und Ver- mir eine weitere klare Differenzierung notwendig, und<br />

analytisch-pädagogische Erziehungsberaterin sowie Lehrbeauftragte an den Uni- Kinderpsychiatrie 2009, 572.<br />

4 versitäten Wien und Innsbruck.<br />

Fischer/Riedesser, Psychotraumatologie 79. antwortung iSd Kindeswohls wahrnehmen kann. zwar im Hinblick auf die konkrete Beziehung zwischen<br />

1 5 Vgl dazu den ausführlichen Überblick in Volbert, Beurteilungen von Aussagen Streeck-Fischer, Trauma und Entwicklung. Frühe Traumatisierungen und ihre Fol-<br />

Kind und Elternteil(en), unabhängig von der Obsorge-<br />

über Traumata. Erinnerungen und ihre psychologische Bewertung (2004).<br />

gen in der Adoleszenz (2006) 107.<br />

* Univ.-Doz. Dr. Helmuth Figdor ist Psychoanalytiker, Kinderpsychotherapeut und form.<br />

Erziehungsberater sowie Leiter der Kinderbeistand-Schulung im Auftrag der JBA.<br />

1 § 177 Abs 1 und 2 ABGB idF des Entwurfs lautet: „(1) Wird die Ehe der Eltern<br />

eines minderjährigen ehelichen Kindes geschieden, aufgehoben oder für nichtig<br />

erklärt, so bleibt die Obsorge beider Eltern aufrecht. (…) (2) In jedem Fall einer<br />

Obsorge beider Eltern nach Auflösung der Ehe haben diese vor Gericht eine Vereinbarung<br />

darüber zu schließen, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut<br />

wird. (…)“ Der aktuelle Ministerialentwurf zum KindRÄG 2012 ist elektro-<br />

iFamZ_2011-04.indd 232<br />

nisch auf der Homepage des BMJ abrufbar.<br />

2 § 177a ABGB idF des Entwurfs lautet:<br />

6/30/2011<br />

„(1) Kommt<br />

1:13:17<br />

innerhalb<br />

PM<br />

angemessener Frist<br />

nach Auflösung der Ehe der Eltern eine Vereinbarung nach § 177 über die Betreuung<br />

des Kindes oder über die Betrauung mit der Obsorge nicht zustande, so hat<br />

das Gericht auszusprechen, dass die Obsorge beider Eltern aufrecht bleibt und<br />

festzulegen, welcher Elternteil das Kind in Hinkunft in seinem Haushalt betreuen<br />

soll, sofern aus Sicht des Wohles des Kindes nicht wichtige Gründe dagegen<br />

1 Kommt innerhalb angemessener Frist nach Auflösung der Ehe der Eltern eine solche<br />

Vereinbarung nicht zustande, so hat das Gericht auszusprechen, dass die Obsorge beider Eltern aufrecht bleibt,<br />

„sofern aus Sicht des Wohles des Kindes nicht wichtige<br />

Gründe dagegen sprechen“, und gleichzeitig festzulegen,<br />

welcher Elternteil das Kind in Hinkunft in seinem<br />

Haushalt betreuen soll. Sprechen wichtige Gründe<br />

gegen die Obsorge beider Eltern, so hat das Gericht<br />

einen Elternteil allein mit der Obsorge zu betrauen. 2<br />

L_iFamZ_2011-03:RZ_Vorlage_PV-Info_2c#B04ED.qxd 27.04.2011 11:26 Seite 131<br />

Dieser Regelungsvorschlag wird im Folgenden zum<br />

Anlass genommen, Szenarien darzustellen, bei deren<br />

Vorliegen aus Sicht des Autors eine Obsorge beider<br />

Elternteile nicht angebracht erscheint. Zugleich sollen<br />

dabei Kriterien entwickelt werden, die dem Pflegschaftsgericht<br />

allgemein bei Entscheidungen über die Zuteilung<br />

bzw Entziehung der Obsorge und die Regelung der<br />

persön lichen Kontakte des Kindes eine Hilfe sein können.<br />

Univ.-Doz. Dr. Helmuth Figdor*<br />

© Robert Fucik<br />

sprechen. Ansonsten hat das Gericht einen Elternteil allein mit der Obsorge zu<br />

betrauen. (2) Sind beide Eltern nach Auflösung der Ehe mit der Obsorge betraut<br />

und beantragt ein Elternteil deren Aufhebung, so hat das Gericht nach Abs. 1 vorzugehen.<br />

(3) Insoweit ein Elternteil nicht mit der Obsorge betraut ist, kann er bei<br />

Gericht beantragen, mit der Obsorge betraut zu werden. Das Gericht hat nach<br />

Maßgabe des Wohles des Kindes auszusprechen, ob die Mutter oder der Vater<br />

allein oder beide Elternteile mit der Obsorge betraut sind und festzulegen, welcher<br />

Elternteil das Kind in seinem Haushalt betreuen soll. § 177b. ABGB idF des Entwurfs<br />

lautet: „Die vorstehenden Bestimmungen sind auch anzuwenden, wenn die<br />

Eltern eines minderjährigen ehelichen Kindes nicht bloß vorübergehend getrennt<br />

leben. Doch entscheidet das Gericht in einem solchen Fall über die Obsorge nur<br />

auf Antrag eines Elternteils.“<br />

InterdIszIplInärer AustAusch<br />

<strong>Linde</strong> <strong>Verlag</strong> Wien Ges.m.b.H.<br />

Scheydgasse 24, PF 351, 1210 Wien<br />

Tel: 01 24 630-0, Fax: 01 24 630-53<br />

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E-Mail: office@lindeverlag.at onlineshop: www.lindeverlag.at Telefon: 01-24630 Fax: 01-24630-53<br />

i<br />

Mai 2011<br />

131

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