MITTERNACHTS - Missionswerk Mitternachtsruf
MITTERNACHTS - Missionswerk Mitternachtsruf
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alt und sie durch Hausarbeit abgelenkt<br />
war, turnte ich in der Hängematte herum,<br />
fi el herunter und verlor durch den Aufschlag<br />
mein Hörvermögen. Ich kann aber<br />
noch ein klein wenig hören; es gibt andere,<br />
die völlig taub sind. Ich freue mich<br />
ganz besonders, dass meine Mutter jetzt<br />
die Zeichensprache gelernt hat und ich<br />
mich mit ihr unterhalten kann. Dass sie<br />
mich schon mit fünf Jahren im Zentrum<br />
für Gehörlose eingeschrieben hat – ich<br />
bin jetzt 17 – hat mir neue Wege für die<br />
Zukunft eröffnet.<br />
Silvania: «Ich bin aus der Hängematte<br />
gefallen und habe mein Hörvermögen<br />
eingebüsst.»<br />
Wann hast Du, Marco, die<br />
Zeichensprache gelernt und<br />
welche Ziele hast Du für Dein<br />
Leben?<br />
M.: Ich begann erst mit elf Jahren,<br />
aber ich lernte schnell. Ich weiss nicht<br />
mehr, wie alt ich war, als ich ziemlich<br />
hohes Fieber mit Kopfschmerzen und<br />
Blutungen bekam; dadurch wurde<br />
ich taub. Jetzt fehlen mir noch zwei<br />
Jahre, bis ich das Abitur abschliessen<br />
kann. Ich würde danach gerne auf die<br />
Universität gehen, denn mein Ziel ist<br />
es, eine möglichst gute Berufsausbildung<br />
zu bekommen. Ich bete, dass<br />
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der Herr mir Seinen Willen zeigt und<br />
den Weg dazu öffnet.<br />
S.: Ich weiss noch nicht, welchen Beruf<br />
ich lernen will. Da kommen halt<br />
Fragen auf: Wer würde mir übersetzen<br />
können? Wo fände ich Hilfe? Wie würde<br />
es fi nanziell aussehen? Es geht mir<br />
nicht um Wohlstand, ich will einfach<br />
nur ein normales Leben führen.<br />
Lebt Ihr als Taubstumme im<br />
Gehörlosenzentrum wie in einem<br />
Internat zusammen?<br />
M.: Nein, ich lebe mit meiner Familie<br />
in Riberalta. In der «Arche» sind wir<br />
nur am Morgen, um Hausaufgaben<br />
zu machen. Nachmittags sind wir<br />
in der Schule und in der übrigen Zeit<br />
wohnen wir bei unseren Familien.<br />
Welche Erinnerungen hast<br />
Du an Deine Kindheit, bevor<br />
Du mit dem Lernen der<br />
Zeichensprache angefangen<br />
hast? Wie hast Du Dich damals<br />
mit Deinen Eltern verständigt?<br />
M.: Wir lebten auf dem Lande. Es<br />
gab keine Kommunikation zwischen<br />
meinen Eltern und mir. Wir hatten ein<br />
paar Zeichen für einige grundsätzliche<br />
Dinge, aber sonst gab es keine<br />
richtige Verständigung. Alles lief mehr<br />
auf der emotionalen Ebene ab. Sie<br />
gaben mir aber nie das Gefühl der<br />
Diskriminierung. Sie sind bekennende<br />
Christen und haben mich immer<br />
ihre Zuwendung und viel Liebe spüren<br />
lassen. Mein Grossvater war Pastor.<br />
Es gab am Ort einen Psychologen,<br />
der sich mit mir abgegeben hat, aber<br />
ich verstand nicht viel. Meine Eltern<br />
hörten dann vom Gehörlosenzentrum<br />
«Arche» in Riberalta und brachten<br />
mich hierher.<br />
Wie viele Gehörlose seid Ihr in<br />
der Klasse?<br />
M.: In meiner Klasse waren wir fünf,<br />
aber jetzt sind zwei ausgeschieden. Wir<br />
sind also drei Taubstumme unter 40<br />
Schülern, die alle hören können. Von<br />
uns Dreien sind aber nur Silvania und<br />
B O L I V I E N<br />
ich Christen. Wir haben einen Kollegen<br />
im Internat, der die Zeichensprache versteht.<br />
Er hilft uns manchmal beim Übersetzten.<br />
Mit dreizehn habe ich den Herrn<br />
angenommen, deshalb liebe ich den<br />
Religionsunterricht und höre sehr gerne<br />
den Missionaren zu, wenn sie Schülerandachten<br />
halten. Die Übersetzerin<br />
macht uns alles gut verständlich.<br />
Wie ist das Verhältnis zwischen<br />
Euch Gehörlosen und den andern<br />
in der Klasse?<br />
S.: Ich habe das Vorrecht, dass eine<br />
gläubige Schülerin hinter mir sitzt, die<br />
mich besonders versteht und respektiert,<br />
und mit der ich aufbauende Gespräche<br />
führen kann. Mit den anderen verständigen<br />
wir uns schriftlich. Wir spüren in der<br />
Klasse keine Feindschaft oder Diskriminierung.<br />
Dafür sind wir sehr dankbar.<br />
Habt Ihr in Eurer Freizeit Kontakt<br />
mit hörenden Kindern?<br />
S.: Nein. Einige Freundinnen wohnen<br />
sehr weit weg von meinem Zuhause,<br />
sodass es schwierig ist, sich<br />
zu besuchen. Zudem ist das natürlich<br />
auch wegen der Übersetzung eingeschränkt.<br />
In meinem Fall – als Mädchen<br />
– möchte meine Mutter auch<br />
nicht, dass ich mit Jungen zusammen<br />
bin und ein Gerede entsteht.<br />
Welche Schwierigkeiten gibt<br />
es sonst mit den Gehörlosen<br />
in der Schule?<br />
Antwort von Carol, der Übersetzerin:<br />
Besonders die Lehrer haben<br />
mit den ungläubigen Gehörlosen<br />
zu kämpfen, wenn sie keine Hausaufgaben<br />
machen oder faul sind. Im<br />
Zentrum gibt es zwar die Möglichkeit,<br />
gemeinsam zu lernen, aber es liegt in<br />
der Verantwortung jedes Einzelnen,<br />
inwieweit er/sie mitmacht. So gibt es<br />
einige, die sehr zurückbleiben. Manche<br />
haben Eltern, die die Zeichen-