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Lei Áurea 1888 – detalhe


Institut<br />

Martius-Staden<br />

Jahrbuch 2001 - 2002<br />

Nr. 49<br />

Herausgeber:<br />

Hernâni Donato<br />

Renata S. G. Kutschat<br />

Joachim Tiemann


Sumário<br />

Prefácio - Vorwort<br />

Hernâni Donato ............................................................................................................07<br />

Deutsche Minderheiten in Lateinamerika<br />

Peter Rosenberg ............................................................................................................09<br />

Ulrich Schmidels Wahrhaftige Beschreibung (publiziert 1567)<br />

im Kontext der deutschen Südamerikaliteratur der Zeit<br />

Franz Obermeier ...........................................................................................................51<br />

Johann Heinrich Bloem Gedenken zum 150. Todesjahr 2001<br />

Helmut Andrä ................................................................................................................91<br />

Über die Kindheit der afrobrasilianischen Sklaven im 19. Jahrhundert<br />

Hannes Stubbe ........................................................................................................... 111<br />

Leopold Heck und die brasilianische Lex Aurea<br />

Rolf Nagel ................................................................................................................... 127<br />

Quatro fases distintas no ensino do alemão em Niterói<br />

Carlos Wehrs .............................................................................................................. 133<br />

O conceito de língua materna e suas implicações<br />

para o estudo do bilingüismo (alemão-português)<br />

Cléo Vilson Altenhofen ............................................................................................... 141<br />

Cultura e poder no tempo dos Mucker<br />

João Biehl ................................................................................................................... 163<br />

Regionalentwicklung im Amazonasgebiet Brasiliens<br />

Gerd Kohlhepp ........................................................................................................... 183<br />

Staden- bzw. Martius-Staden-Jahrbuch Jahrgänge 1 bis 47/48 (1953 bis 2000)<br />

Joachim Tiemann ...................................................................................................... 217<br />

Das Martius-Staden-Institut im Jahre 2002:<br />

neue Herausforderungen im Namen einer grossen Tradition<br />

Dirk Brinkmann .......................................................................................................... 238<br />

O Instituto Martius-Staden no ano 2002:<br />

novos desafios em nome de uma grande tradição<br />

Dirk Brinkmann .......................................................................................................... 248<br />

Eventos culturais do Instituto Martius-Staden 2001/2002 ................................... 257<br />

Bilder aus dem Institutsleben ................................................................................. 259<br />

5


Prefácio<br />

Vorwort<br />

Hernâni Donato<br />

Um anuário – mormente aquele de entidade cultural – é preparado<br />

para registrar ad perpetuam e para informar aos interessados as<br />

realizações havidas no ano corrente. Em fotos e relato conciso porém<br />

minucioso, temos esses informes na parte final do volume. Com isso<br />

estaria cumprida a missão do Jahrbuch do Institut Martius-Staden –<br />

2001-2002. Constatação de vitalidade, satisfação aos compromissos<br />

fundamentais de ativa continuidade.<br />

Mais isso seria pouco para a tradição e o propósito do Instituto.<br />

A publicação oferece mais de duzentas páginas escritas por eminentes<br />

especialistas que cumprem bem de perto o propósito básico da<br />

associação: abordar temas que reforcem a decisão de servir como<br />

ponte entre duas culturas.<br />

Causou satisfação especial à equipe editora a verificação da alta<br />

qualidade e da completa atualidade das matérias encaminhadas à<br />

redação. Mesmo mantendo elevado número de páginas – sem maior<br />

apoio financeiro salvo a dedicação da Diretoria do Instituto – não<br />

foi possível acomodar todos os bons textos que gostaríamos de incluir<br />

neste índice. Tratou-se de resultado gratificante e encorajador.<br />

Confiamos em que o leitor encontre nas matérias aqui reunidas o<br />

mesmo prazer e largo proveito.<br />

7


Fotos do livro “Mennoniten in Brasilien — Imigração Menonita no Brasil”


Deutsche Minderheiten<br />

in Lateinamerika<br />

Peter Rosenberg<br />

(Frankfurt/Oder)<br />

Resumo: Esta matéria foi publicada, pela primeira vez, em “Particulae<br />

Particularum”, por ocasião da comemoração do 60 o aniversário<br />

de Harald Weydt, edição de Theo Harden e Elke<br />

Hentschel, Tübingen, 1998, Stauffenburg Verlag.<br />

Por considerar esta contribuição de importância para o trabalho<br />

temático do Instituto Martius-Staden, a Equipe Editorial,<br />

decidiu publicá-la em sua íntegra.<br />

O artigo pretende dar uma visão das minorias de origem<br />

alemã na América Latina. Analisa as pesquisas existentes a<br />

respeito tendo como apoio recentes estudos sócio-lingüísticos.<br />

Para tal apresenta a historiografia dessas “ ilhas”<br />

lingüísticas, comparando-as com grupos de língua alemã<br />

em outras partes do mundo, em particular da Europa<br />

oriental. Acentua as condições de desenvolvimento desses<br />

grupos na América Latina.<br />

Abstract: Rosenberg analyses the history and current situation of<br />

German minorities in Latin America. In order to fully understand<br />

the history of these linguistic “islands”, he uses new<br />

socio-linguistic insights as parameters for his research,<br />

comparing German communities in Latin America with<br />

those in other parts of the world, particularly Eastern Europe.<br />

He thereby emphasizes the singularity of these groups<br />

in Latin America.<br />

Einleitung: Deutsch als Minderheitensprache<br />

Deutschsprachige Minderheiten leben in zahlreichen Ländern der Welt auf allen<br />

fünf Kontinenten: u.a. in der ehemaligen Sowjetunion, in Polen, in Rumänien,<br />

Ungarn und Tschechien; in Dänemark und Belgien; in den USA; in Lateinamerika;<br />

9


10<br />

in Namibia und in Australien. Diese deutschen Minderheiten weisen in ihrer ethnisch-kulturellen<br />

Vitalität eine außerordentlich große Heterogenität auf: Unterschiede<br />

betreffen die Demographie dieser Gruppen, ihren Status in der Mehrheitsgesellschaft,<br />

ihre institutionelle Unterstützung sowie die tragenden Faktoren ihrer<br />

Minderheitenidentität.<br />

Unter ihnen sind kleine Gruppen (wie in Namibia) und zahlenmäßig sehr große<br />

Gruppen zu finden (wie die noch etwa 1 Million nicht ausgesiedelter Deutscher in<br />

Rußland und Kasachstan oder die ca. 500.000 Deutschen in Brasilien), Gruppen,<br />

die stark „folklorisiert“ und sprachlich fast völlig assimiliert sind (wie die meisten<br />

Deutschen in den USA oder in Australien), und solche, die als wirkliche Sprachminderheiten<br />

anzusehen sind (wie einige deutsche Minderheitengruppen in Argentinien<br />

und Brasilien, in Westsibirien oder in Rumänien und Ungarn); Gruppen,<br />

die weniger als ethnisch konstituierte Minderheiten, sondern eher als religiös-kulturelle<br />

Sondergruppen anzusehen sind (wie die Ostniederdeutsch sprechenden<br />

Mennoniten in Paraguay, Mexiko, Belize oder in der Altai-Region Sibiriens)<br />

sowie Gruppen, die ihre Identität neben ethnisch-kulturellen Aspekten auch aus<br />

einem starken Regionalismus ziehen (wie im polnischen Oberschlesien oder im<br />

dänischen Südjütland).<br />

Gegenstand soziolinguistischer Forschung wurden die deutschen Minderheiten<br />

erst in den 1980er Jahren in größerem Umfang, vor allem die deutschsprachigen<br />

Gruppen in Europa (z.B. in Belgien, dem Elsaß, in Südtirol, im deutschdänischen<br />

Grenzgebiet, in Ungarn) sowie in Nordamerika und Australien. Gegenstand<br />

volkskundlicher und auch dialektologischer Arbeiten waren sie schon<br />

früh, auch in Rußland und in einigen Ländern Lateinamerikas. Die Wiederbeschäftigung<br />

mit den „Auslandsdeutschen“ mußte sich erst von „nationalistischem<br />

Geruch“ befreien, um einen ungetrübten Blick auf den Gegenstand zu<br />

erhalten. Insofern sah sich die Forschung mit den gleichen Vorbehalten konfrontiert<br />

wie die deutschen Minderheitengruppen selbst. Diese zu überwinden, gelingt<br />

um so leichter, je erfolgreicher bundesdeutsche Sprachwissenschaftler die<br />

Kooperation mit einheimischen Linguisten pflegen, ja den „Perspektiventausch“<br />

zum kontaktlinguistischen Arbeitsprinzip erheben. Ähnlich wie im Falle der Rußlanddeutschen,<br />

deren Erforschung den Beginn der „Arbeitsstelle ‘Deutsch als<br />

1 Die „Arbeitsstelle ‘Deutsch als Minderheitensprache’“ an der Europa-Universität Frankfurt<br />

(Oder), die anfangs vor allem über die Deutschen in Osteuropa (Polen, ehemalige Sowjetunion)<br />

gearbeitet hat, hat ihre Tätigkeit 1996 auf Lateinamerika ausgedehnt. Eine Reihe der<br />

folgenden Ausführungen gehen auf eine Forschungsreise zurück, die der Autor 1996 mit<br />

Harald Weydt nach Südamerika unternommen hat: ein „Forschungsabenteuer“ im brasilianischen<br />

Urwald und im paraguayischen Chaco, in wolgadeutschen Kolonien Argentiniens<br />

und im südchilenischen „Allgäu“ bei Llanquihue. Hart ist das Linguistenleben!


Minderheitensprache’“ darstellte 1 , ist auch für die deutschsprachigen Minderheiten<br />

in Lateinamerika beabsichtigt, das Interesse für dieses soziolinguistische und<br />

dialektologische Arbeitsfeld in Deutschland und außerhalb zu fördern und ein<br />

Kontaktnetz auszubauen, das lateinamerikanische Linguisten, die zum Teil hochinteressante<br />

Arbeiten vorgelegt haben, mit westeuropäischen und nordamerikanischen<br />

Forschern in Verbindung bringt. 2<br />

Deutsche Minderheiten in Lateinamerika: ein Überblick<br />

Im folgenden soll ein Überblick über deutsche Minderheiten in Lateinamerika<br />

gegeben werden, der die Entwicklung und die gegenwärtige Situation deutschsprachiger<br />

Gruppen skizzieren, den Forschungsstand - soweit zugänglich - sichten<br />

sowie eine erste Orientierung für eigene soziolinguistische Untersuchungen vornehmen<br />

soll. Da wir damit ein neues Forschungsgebiet aufnehmen wollen, scheint<br />

es sinnvoll, zunächst die Geschichte dieser Sprachinseln in den Mittelpunkt zu stellen<br />

und von hieraus ihren aktuellen Zustand zu betrachten. Natürlich erheben die<br />

Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die deutschsprachigen Gruppen<br />

in anderen Teilen der Welt, vor allem in Osteuropa, werden dabei gelegentlich<br />

als Vergleich herangezogen, um die Entwicklungsbedingungen der deutschen<br />

Minderheitengruppen in Lateinamerika schärfer zu akzentuieren.<br />

Mindestens 1 Million Deutschsprachige leben nach verschiedenen Angaben<br />

in Lateinamerika. Deutschsprachige Minderheiten gibt es in fast allen südamerikanischen<br />

und einigen mittelamerikanischen Staaten: in Argentinien, Belize, Bolivien,<br />

Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Paraguay, Peru, Uruguay,<br />

Venezuela.<br />

Nachdem es in den vergangenen Jahrhunderten nur einzelne oder kleine Gruppen<br />

von deutschen Auswanderern nach Lateinamerika zog, setzt im ersten Drittel<br />

des 19. Jahrhunderts eine stärkere Auswanderungsbewegung ein. Die deutsche<br />

Amerika-Auswanderung schätzt man für das gesamte 18. Jahrhundert auf etwa<br />

200.000 Menschen. Soviel emigrierten auf dem Auswanderungshöhepunkt der<br />

1880er Jahren in einem Jahr. Das „Handbuch des Deutschtums im Ausland“ geht<br />

1906 von ca. 11 Millionen Menschen in Nord- und Südamerika aus, die noch über<br />

2 Dabei kann sich die Forschung auf eine Reihe schon existierender Arbeiten stützen, die in<br />

Deutschland, Österreich und den USA in den letzten Jahren entstanden sind. Unter ihnen<br />

sind die wichtigsten die von Harald Thun, Arnd Schmidt und Clemens Scharf vorgelegten<br />

Untersuchungen in Uruguay und Argentinien, die Arbeiten von Wolfgang Moelleken und<br />

Kelly Hedges in Mexiko, von Ute Bärnert-Fürst und Joachim Born in Brasilien, von Wilfried<br />

Schabus in Peru, von Arnold Thielmann in Paraguay und einige andere.<br />

11


12<br />

deutsche Sprachkenntnisse verfügten, davon etwa 9 Millionen in den USA. Wenn<br />

auch über das ganze 19. Jahrhundert die USA das Hauptziel deutscher Emigranten<br />

bleiben, gewinnt die Südamerika-Auswanderung jedoch zunehmend an Bedeutung,<br />

aus sehr verschiedenen - wirtschaftlichen und politischen - Motiven heraus.<br />

90% der deutschen Lateinamerika-Immigranten des 19. Jahrhunderts gehen in<br />

den „Cono Sur“ , in die fünf Staaten Brasilien (Südbrasilien), Argentinien (Nordostargentinien),<br />

Paraguay, Uruguay und Chile (Südchile). Brasilien hat zunächst eine<br />

Vorreiterrolle. Im letzten Drittel des Jahrhunderts, nachdem von seiten der preußischen<br />

Regierung mit dem „Heydtschen Reskript“ (1859) die Brasilien-Auswanderung<br />

erschwert wurde, tritt auch Argentinien verstärkt hinzu. In den 1880er und<br />

1890er Jahren wächst die deutsche Emigration nach Lateinamerika und beträgt in<br />

einzelnen Jahren bis zu 30% der gesamten deutschen Auswanderung. Umgekehrt<br />

proportional zur Entwicklung der Nordamerika-Auswanderung, die seit 1893 mit<br />

dem Ende der freien Landnahme etwas zurückgeht und während des Ersten Weltkriegs<br />

starken Restriktionen unterliegt, erreicht die deutsche Lateinamerika-Emigration<br />

ihren Höhepunkt in der Zeit der Weimarer Republik. Zugleich läßt sich eine<br />

Diversifizierung der Auswanderungsziele feststellen<br />

Während des Nationalsozialismus gelangen - bis zum Auswanderungsverbot<br />

1941 - etwa 100.000 Juden aus Mitteleuropa nach Lateinamerika, unter ihnen ein<br />

großer Teil Deutschsprachiger,die sich zu 90% im „Cono Sur“ ansiedeln. Während<br />

noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ca. 80% der Juden in Europa lebten, hatte bis<br />

1946 - nach Angaben des „Hilfsvereins deutschsprechender Juden“ (später<br />

„Asociación Filantrópica Israelita“ ) in Buenos Aïres - deren Zahl auf etwa 25%<br />

abgenommen, der Anteil Nord- und Südamerikas war im gleichen Zeitraum auf<br />

über 50% gestiegen.<br />

Da andererseits einige südamerikanische Länder, vor allem Argentinien und<br />

Chile, nach dem Zweiten Weltkrieg führenden Nationalsozialisten Unterschlupf<br />

gewährten, kam es in der Nachkriegszeit zu Konfrontationen dieser beiden Gruppen<br />

innerhalb der deutschsprechenden Einwanderer.<br />

Die soziale Zusammensetzung der deutschen Einwanderer verschob sich im<br />

Laufe der Zeit: Die ursprünglich stark vertretene „Elitenwanderung“ in die Städte,<br />

darunter nicht zuletzt die sogenannten „1848er“ , geht in die „Siedlungswanderung“<br />

und schließlich in die „Arbeitswanderung“ über (vgl. Bernecker/Fischer 1992: 207ff).<br />

Hier sind jedoch regionale Unterschiede festzustellen: In Brasilien dominiert frühzeitig<br />

die Siedlungswanderung, Argentinien wird stärker als andere Staaten von<br />

der Arbeitswanderung erfaßt. Die Elitenwanderung spielte eine große Rolle in Chile,<br />

in Argentinien umfaßt sie auch die Auswanderung jüdischer Flüchtlinge und<br />

politischer Asylanten während der NS-Diktatur.


Die meisten deutschen Minderheiten Lateinamerikas verzeichnen - wie nahezu<br />

überall auf der Welt - einen Rückgang der deutschen Sprache. Ursache dieses<br />

Rückgangs ist meist die Integration der - ehemals oft abgeschieden lebenden -<br />

Gruppen in die Mehrheitsgesellschaft, eine der Modernisierung des Landes folgende<br />

Assimilation, mit der sich alle Einwanderergruppen konfrontiert sahen.<br />

Spezifische Gründe für den Sprachwechsel der Deutschen zur Mehrheitssprache<br />

lagen bei den meisten Gruppen im Statusverlust des Deutschen in der<br />

Folge des Zweiten Weltkrieges. Dies vereint die deutschen Minderheiten in Lateinamerika<br />

mit denen in Ost- und Ostmitteleuropa: Die meisten Staaten, in denen<br />

Deutsche leben, sind Kriegsgegner Deutschlands gewesen - oder zumindest<br />

kurz vor Kriegsende noch geworden. Damit verbunden wurden die deutschen<br />

Minderheitenangehörigen von einer oft statushohen und prestigereichen Gruppe<br />

zu einer - zumindest phasenweise - subalternen Minderheit. Für viele deutsche<br />

Minderheiten stellte dies die entscheidende Zäsur ihrer Entwicklung dar. In einigen<br />

südamerikanischen Ländern war überdies die Kriegs- und Nachkriegszeit<br />

eine Zeit der „Nationalisierung“ (etwa unter Getúlio Vargas in Brasilien). Dies<br />

führte oft zu einem beträchtlichen Assimilationsdruck auf die Minderheiten. In<br />

anderen Ländern setzte während der Kriegszeit ein „Boom“ deutscher Vereine<br />

und Organisationen ein, der das Zugehörigkeitsbewußtsein zur deutschen Sprachgemeinschaft<br />

erhöhte und den Sprachwechsel vorübergehend noch einmal hinausschob.<br />

Die „Abrechnung“ mit dem Kriegsgegner Deutschland in der Nachkriegszeit,<br />

mit dem die Auslandsdeutschen berechtigt oder unberechtigt identifiziert<br />

wurden und die auch gelegentliche „Sprachverbote“ nach sich zog, leitete<br />

einen Niedergang deutscher Sprache und Kultur ein. Ein Rückgang der deutschen<br />

Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg ist bei den Deutschen in Chile, in Argentinien,<br />

zum Teil auch in Brasilien zu beobachten. Hiervon ausgenommen blieben lediglich<br />

die abgeschieden siedelnden Gruppen im Süden Brasiliens, die noch für eine<br />

längere Zeit fast homogen unter sich lebten, etwa vergleichbar den rußlanddeutschen<br />

Siedlungen in Westsibirien. Weitgehend „resistent“ gegen den äußeren<br />

sprachlichen Einfluß der Mehrheitssprache blieben auch die Mennonitenkolonien<br />

in Paraguay, in Mexiko und Belize. Die Grundlage ihrer Gruppenidentität war stets<br />

weniger die ethnische Zugehörigkeit als die religiös und kulturell bedingte Eigenständigkeit,<br />

die sich in lokaler Selbstverwaltung, eigenen Kirchengemeinden, eigenen<br />

Schulen zeigte. So wenig diese Glaubensgemeinschaften „von dieser Welt“<br />

sind, so wenig berührte sie die Statuspolitik des Staats.<br />

Ein Kennzeichen der Lage deutschsprachiger Gruppen in Lateinamerika ist - im<br />

krassen Gegensatz zu den meisten Minderheitengruppen in Osteuropa - die ständig<br />

aufrechterhaltene wirtschaftliche und sonstige Verbindung nach Deutschland. Diese<br />

13


14<br />

beinhaltet eine stetige Konfrontation mit bundesdeutschen Arbeitsmigranten und<br />

führt auch umgekehrt Deutsche aus Brasilien oder Chile für einige Jahre zur Ausbildung<br />

nach Deutschland. Wenn dabei unterschiedliche „Deutschlandbilder“ sichtbar<br />

werden und miteinander in Konflikt geraten, so gehört dies dennoch zu einem<br />

„natürlichen“ Kontakt zwischen deutschen Minderheiten und der ehemaligen „Heimat“<br />

. Auch dies ist ein bedeutender Unterschied zu der langjährigen Situation<br />

rußlanddeutscher Aussiedler, die sich erst nach der Fremdheitserfahrung in<br />

Deutschland ihrer deutsch-russischen „multiplen Identität“ in der vollen Tragweite<br />

bewußt werden.<br />

Historische Entwicklung und aktuelle<br />

Sprachsituation deutscher Minderheiten<br />

Argentinien, Brasilien, Chile und Paraguay zeigen einige deutliche demographische<br />

Unterschiede, die auch die Minderheitensituation der Deutschsprachigen<br />

nicht unberührt lassen: Brasilien und Argentinien sind große Flächenstaaten, die<br />

der Besiedlung der Immigranten weite Flächen boten. Die Bevölkerungsdichte ist<br />

in allen genannten Ländern zwar landesweit ähnlich gering (Brasilien mit 47 Einwohnern/km²,<br />

Chile mit 45, Argentinien und Paraguay mit 31, Angaben von 1993),<br />

aber die regionalen Werte der deutschen Siedlungsgebiete unterscheiden sich<br />

stark: Die von Wolgadeutschen besiedelte Provinz Buenos Aires zum Beispiel ist<br />

weitaus dichter besiedelt als etwa der Chaco im Norden Paraguays (mit unter 10<br />

Einwohnern/km²). Argentinien und Chile weisen einen erheblich höheren Anteil<br />

von Stadtbewohnern an der Einwohnerzahl auf (mit 86 und 84% 1993), während<br />

Brasilien eine Verstädterung von 75% hat, Paraguay jedoch nur 47%. Hinsichtlich<br />

der Bevölkerungsstruktur versteht sich Argentinien als ein „weißes Land“ (mit einer<br />

„europäischen“ Bevölkerung von 85%, darunter ein hoher Anteil Italiener). Brasilien<br />

ist ein multiethnisches Land und sieht sich auch als solches. Es zählt nach<br />

Baranow (1988: 1266) 120 Sprachen. Mit einem Bevölkerungsanteil der „Weißen“<br />

und „Mestizen“ (die von europäischen Einwanderern und indigenen Bevölkerungsgruppen<br />

abstammen) von zusammen nur 65% unterscheidet es sich fundamental<br />

von den anderen hier behandelten Staaten, wenngleich sich dies weniger<br />

auf den brasilianischen Süden bezieht. In Chile und Paraguay beträgt der Anteil<br />

von „Mestizen“ 92 bzw. 91%, jedoch ist landesweit das indigene Element in Paraguay<br />

sehr viel bedeutender, was sich auch im Status des Guaraní als zweiter Landessprache<br />

ausdrückt, während sich in Chile die indigene Bevölkerung (zum Beispiel<br />

der Mapuche) vor allem im Süden konzentrierte, der lange aufgrund der


gewaltigen Nord-Süd-Erstreckung des Landes vom Norden abgeschnitten war und<br />

dessen „Aufsiedelung“ auch eine Folge der europäischen Immigration war.<br />

1. Argentinien<br />

In Argentinien leben nach Schätzungen etwa 300.000 Deutschsprachige (1%<br />

der Landesbevölkerung von 1993 etwa 33 Millionen) unter etwa einer Million<br />

Deutschstämmigen, davon 200.000 deutsche Staatsangehörige (vgl. Born/Dickgießer<br />

1989: 19). Damit ist Argentinien eines der Länder mit der größten Anzahl<br />

von Deutschsprachigen, in Lateinamerika an zweiter Stelle hinter Brasilien.<br />

Regionale Siedlungsschwerpunkte sind die Provinzen Entre Ríos und Buenos<br />

Aires (mit jeweils etwa 50.000-60.000) sowie Misiones und in geringerer Anzahl der<br />

Chaco und die Pampa. In der Stadt Buenos Aires (mit vor dem Krieg noch ca.<br />

45.000 Deutschsprachigen) haben sich die Deutschen inzwischen sprachlich weitgehend<br />

assimiliert. Die Zuwanderung von etwa 35.000 bis 45.000 deutschsprachigen<br />

Juden führte ebenfalls zum großen Teil nach Buenos Aires.<br />

Rußlanddeutsche aus dem Wolga- und Schwarzmeergebiet wanderten seit 1877/<br />

78 ein, in einer Zeit, in der in Rußland die Stellung der ausländischen Kolonisten<br />

zunehmend schwieriger wird: Die „Großen Reformen“ Alexanders II. haben die<br />

Modernisierung und Vereinheitlichung der Wirtschaft und Verwaltung des Russischen<br />

Reiches zum Ziel. Die Kolonisten stellen dabei einen „Fremdkörper“ dar und<br />

gehen seit 1871 ihrer Sonderrechte zum Teil verlustig. Dies veranlaßt eine größere<br />

Anzahl zur Auswanderung nach Nord- und Südamerika. Die Aufrechterhaltung<br />

ihrer kulturellen (und sprachlichen) Eigenständigkeit gehört zu den Motiven ihrer<br />

Auswanderung nach Südamerika.<br />

Die Sprachvarietäten, die sie - abgesehen von gewissen Russischkenntnissen -<br />

in die neue Heimat mitnehmen, sind wolgadeutsche Varietäten, die zum Großteil<br />

westmitteldeutsche (rheinfränkische und zentralhessische) dialektale Merkmale<br />

tragen, sowie schwarzmeerdeutsche Varietäten, unter denen süd- und rheinfränkische<br />

Merkmale dominieren. Kennzeichen der Sprachentwicklung in Rußland<br />

ist aber zu diesem Zeitpunkt noch eine außerordentliche Vielfalt dialektaler<br />

Varietäten, die die dörfliche Alltagssprache der Kolonisten darstellen. In den ersten<br />

hundert Jahren der Besiedlung hatten sich die dörflichen Varietäten zwar meist zu<br />

mehr oder weniger einheitlichen Ortsdialekten ausgeglichen, jedoch war es weder<br />

zu überörtlichen Verkehrsvarietäten noch gar zur Herausbildung eines einheitlichen<br />

„Rußlanddeutschs“ gekommen. Auch die hochdeutsche Standardsprache<br />

war nur bei den höheren sozialen Schichten verbreitet.<br />

Arnd Schmidt (1996) berichtet anschaulich über die ersten wolgadeutschen<br />

Einwanderer, die zu einem Teil direkt aus Rußland nach Argentinien kamen, zu<br />

15


16<br />

einem anderen Teil jedoch ursprünglich nach Brasilien zu übersiedeln gedachten.<br />

Manche wurden von den Schiffsreedereien und den argentinischen Einwanderungsbehörden<br />

getäuscht und in Argentinien festgehalten, andere wanderten freiwillig<br />

aus wirtschaftlichen Gründen in die für den Getreideanbau fruchtbareren<br />

Gebiete der Provinz Buenos Aires weiter. Sie stellen eine überwiegend ländliche<br />

Bevölkerung dar, die - zu dieser Zeit noch abgeschiedene - Kolonien anlegt. Anfangs<br />

ist reichlich Land vorhanden, erst später müssen sich wolgadeutsche Einwanderer<br />

als Arbeitskräfte bei anderen Deutschen verdingen, wodurch soziale<br />

Kontraste entstehen, die sich noch heute im Straßenbild der Kolonien bei Coronel<br />

Suárez widerspiegeln: In der „Vordergasse“ stehen teilweise prächtige Häuser, im<br />

„Mandschurei-Gäßchen“ strohgedeckte Lehmsteinhäuser.<br />

Deutschsprachige Auswanderer sind in den südamerikanischen Einwanderungsländern<br />

geschätzt, die eine aktive Bevölkerungspolitik zum Aufbau des<br />

Landes nach der frisch errungenen Unabhängigkeit betreiben: Die meisten lateinamerikanischen<br />

Länder erlangten in den ersten drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts<br />

ihre staatliche Unabhängigkeit (Chile 1810, Paraguay 1811, Argentinien<br />

1816, Brasilien 1822). Der Landesaufbau stützte sich in Argentinien und Brasilien<br />

auch auf eine aktive staatliche Werbungs- und Ansiedlungspolitik: „gobernar es<br />

poblar“ , so der argentinische Politiker Juan B. Alberdi. Ähnlich wie Brasilien bot<br />

auch Argentinien den Einwanderern die Möglichkeit einer geschlossenen Ansiedlung.<br />

Damit wurden insbesondere solche Gruppen angezogen, die ein Motiv ihrer<br />

Einwanderung in der Bewahrung der deutschen Kultur und Sprache sahen. Eben<br />

dies traf auf die rußlanddeutschen Immigranten zu. Hierin liegt ein bedeutender<br />

Unterschied etwa zur USA-Einwanderung, deren „Einschmelzung“ wesentlich rascher<br />

vonstatten ging.<br />

Unter den Deutschen in Argentinien war - gegenüber den mehr landwirtschaftlich<br />

geprägten deutschen Kolonien in Brasilien etwa - ein höherer Anteil von Einwanderern<br />

mit kaufmännischen und gewerblichen Berufen festzutellen, die sich in<br />

Buenos Aires und in Landstädten der Provinz niederließen. Die spätere sprachliche<br />

Assimilierung erfaßte zunächst eben diese Mittelschicht, die an dem steilen<br />

wirtschaftlichen Aufstieg Argentiniens in der Zwischenkriegszeit partizipierte. Die in<br />

den eigenständigen kompakten Kolonien gesprochenen deutschen dialektalen<br />

Varietäten bleiben davon jedoch weitgehend unberührt.<br />

Der Zustrom weiterer Einwanderer ließ auch in der Folge des Ersten Weltkriegs<br />

nicht nach. Im Gegensatz zu Brasilien, das Deutschland 1917 den Krieg erklärte, und<br />

zu Ecuador, Peru, Bolivien und Uruguay, die die diplomatischen Beziehungen zu<br />

Deutschland abbrachen, wuchs die Zahl deutscher Immigranten kontinuierlich weiter.<br />

Ein Einbruch in der Bewertung des Sprachprestiges des Deutschen, der für die USA


wie auch für Brasilien festzustellen ist, ist in Argentinien zunächst nicht zu beobachten.<br />

Das Deutsche bleibt eine prestigereiche, statushohe Einwanderersprache.<br />

In den 1930er Jahren ändern sich die Bedingungen: Bereits vor der Machtergreifung<br />

Hitlers war es zur Gründung von NS-Gruppen in mehreren lateinamerikanischen<br />

Ländern gekommen, so u.a. 1929 in Paraguay, 1931 in Brasilien, Chile,<br />

Mexiko und Argentinien. Ihre unverhohlene Propaganda für die Ziele des Nationalsozialismus<br />

führte innerhalb der deutschsprachigen Bevölkerung Argentiniens<br />

zu einer tiefgehenden Spaltung. Das ARGENTINISCHE TAGEBLATT bezog für die Weimarer<br />

Republik Stellung, während sich Konservative und Monarchisten um die DEUTSCHE<br />

LA-PLATA-ZEITUNG sammelten, die - wie die meisten deutschen Vereine - im Rahmen<br />

der NS-Gleichschaltungspolitik von der NSDAP-Auslandsorganisation vereinnahmt<br />

wurde. Nach Boykottaufforderungen von seiten der deutschen Gesandtschaft<br />

Buenos Aires wurde das ARGENTINISCHE TAGEBLATT 1933 von der NS-Reichsregierung<br />

für Deutschland verboten. Die Verlegerfamilie Alemann erhielt 1939 zum fünfzigjährigen<br />

Jubiläum der Zeitung zahlreiche Glückwünsche aus deutschsprachigen<br />

Exilkreisen, z.B. von Sigmund Freud, Lion Feuchtwanger, Thomas Mann und Stefan<br />

Zweig. Mit Unterstützung der Verleger wurde 1934 die Pestalozzi-Schule als<br />

Gegenpol zu der zunehmend unter NS-Einfluß geratenen Goethe-Schule gegründet.<br />

Die Aktivitäten der NS-Auslandsorganisation stießen auf heftige Kritik seitens<br />

der argentinischen Regierung und führten 1939 zu einem Dekret, demzufolge es<br />

allen ausländischen Vereinigungen untersagt war, sich politisch zu betätigen. Dies<br />

rief selbst beim deutschen Auswärtigen Amt Beunruhigung hervor, legte man doch<br />

großen Wert darauf, daß Argentinien „dem Druck Nordamerikas und Englands<br />

nicht nachgeben, also im Ernstfall nicht auf der Seite unserer Gegner stehen“ dürfe<br />

(aus einer Rede Ribbentrops 1939; vgl. Bergmann 1994: 52). Dies war um so bedeutender,<br />

als Brasilien im Verlauf der Politik des „Estado Novo“ unter Getúlio Vargas<br />

bereits in Gegensatz zur NS-Politik gerückt war. Ein Aufruf zur Mäßigung an die NS-<br />

Landesgruppe in Argentinien und eine Umstrukturierung der Auslandsorganisation<br />

waren die Folge. Der Anteil von NSDAP-Parteimitgliedern an der Zahl deutscher<br />

Staatsbürger betrug 1939 2,4% in Argentinien, 3,3% in Brasilien, in Chile allerdings<br />

11,1%. Unter den Mennoniten in Paraguay führten die Aktivitäten des nationalsozialistisch<br />

gleichgeschalteten „Deutschen Volksbundes für Paraguay“ (DVP) zu einer<br />

tiefen Spaltung, die in dem Beitritt des 1937 gegründeten „Bundes Deutscher Mennoniten<br />

in Paraguay“ (BDMP) zum DVP ihren Ausdruck fand. Die Nationalsozialisten<br />

nutzten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einigen mennonitischen Kolonien,<br />

die z. B. zur Abwanderung eines Drittels der Einwohner von Fernheim in die Tochterkolonie<br />

Friesland führten, sowie die Unzufriedenheit der Jugend für ihre Ziele aus.<br />

Überlegungen von einigen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, lösten<br />

17


18<br />

aufgrund des hiermit verbundenen Wehrdienstes heftigen Streit aus, der 1944 in<br />

offene (handgreifliche) Auseinandersetzungen mündete und mit dem Verweis der<br />

beiden führenden NS-Organisatoren aus den Kolonien endete (ebd.: 89ff).<br />

In der Zeit des Nationalsozialismus sind zwischen 35.000 und 45.000 deutschsprachige<br />

Juden und andere (politische) Flüchtlinge nach Argentinien emigriert,<br />

bis - ähnlich wie in Brasilien - 1938 zunehmende Restriktionen die Einwanderung<br />

erschwerten. Bis heute existieren große jüdische Gemeinden in Argentinien und<br />

Brasilien (sowie kleinere in Uruguay, Chile und Paraguay), die zunächst sehr viel<br />

stärker am Deutschen festhielten als etwa die jüdischen Emigranten in den USA.<br />

Auch im Süden Brasiliens, etwa in Porto Alegre, Rio Grande do Sul, wurde unter<br />

der jüdischen Bevölkerung bis in die 1960er Jahre noch Deutsch und Jiddisch<br />

gesprochen. Es gab jüdische Tanzgruppen, ein jüdisches Theater, eine jüdische<br />

Schule, die noch lange deutschen Sprachunterricht erteilte. Im „Instituto Cultural<br />

Judaico ‘Marc Chagall’“ liegen zahlreiche noch unbearbeitete Sprachaufnahmen<br />

vor. Im Laufe der Zeit aber gingen die jüdischen Immigranten großenteils zum<br />

Spanischen (bzw. Portugiesischen) über. Heute läßt sich in Buenos Aïres eine Spaltung<br />

zwischen „orthodoxen“ Gemeinden, die in ihren zweisprachigen Schulen im<br />

Laufe der Zeit zum Hebräischen gewechselt sind, und anderen Gemeinden, in<br />

denen nur Spanisch gesprochen wird, beobachten.<br />

In der Nachkriegszeit bot Argentinien führenden Nationalsozialisten Unterschlupf,<br />

unter ihnen Eichmann, Mengele, Schwammberger. Argentinien, ähnlich<br />

wie auch Chile, wurden in der Kriegs- und Nachkriegszeit Schauplatz einer gespenstischen<br />

Konfrontation zwischen Opfern und Tätern, innerhalb der gleichen<br />

deutschsprachigen „Gemeinschaft“ , an den gleichen Orten, in den gleichen Institutionen,<br />

zum Teil in den gleichen Zeitungen. In Buenos Aïres etwa mußte noch<br />

nach Kriegsende die Deutsche Botschaft einschreiten, nachdem auf einer Veranstaltung<br />

der Goethe-Schule von NS-Anhängern das „Horst-Wessel-Lied“ erklang -<br />

vor jüdischem Publikum!<br />

Argentinien hatte noch im März 1945 - auf Druck der USA - Deutschland den<br />

Krieg erklärt, Paraguay im Februar 1945, Brasilien bereits 1942 (Chile hatte 1943 die<br />

Beziehungen zu Deutschland abgebrochen). Damit verbunden war die Konfiszierung<br />

deutschen Eigentums, einschließlich des Vermögens der deutschen Vereine.<br />

So blieben in Argentinien von ehemals 22 Schulen mit deutscher Unterrichtssprache<br />

bzw. Sprachunterricht nur drei bestehen.<br />

Während seiner ersten Amtszeit verfolgte Juan Perón (1946-55) eine deutliche<br />

Politik der „Nationalisierung“ , die auch eine sprachliche „Hispanisierung“ der Minderheiten<br />

nach sich zog.<br />

Erst ab den 1950er Jahren beginnt der Wiederaufbau von Bildungseinrichtun-


gen und Kulturvereinigungen. Heute bestehen in Argentinien 24 „deutsche Schulen“<br />

, 15 davon führen zum argentinischen Abitur („Bachillerato“ ), auf der Goethe-<br />

Schule kann das deutsche Abitur abgelegt werden. Daneben existieren Lehrerverbände,<br />

Lehrerbildungseinrichtungen und ein Berufsbildungszentrum sowie eine<br />

Anzahl von kirchlichen Schulen mit Deutschunterricht. Die Schülerzahl betrug an<br />

den geförderten Schulen 1987 15.680 Schüler (vgl. Born/Dickgießer 1989: 22), darunter<br />

aber nur wenige deutsche Muttersprachler. Eine stetige Unterstützung des<br />

deutschsprachigen Elements erhalten die Schulen jedoch durch die Kinder bundesdeutscher<br />

Arbeitsmigranten, die sich in größerer Zahl zeitweise in Argentinien aufhalten.<br />

Es werden eine deutschsprachige Tageszeitung (FREIE PRESSE) und eine Wo-<br />

chenzeitung (ARGENTINISCHES TAGEBLATT) herausgegeben. Neben einigen katholischen<br />

deutschsprachigen Gemeinden vereint die deutsche „Evangelische Kirche am Rio<br />

de la Plata“ 70 Gemeindezentren in Argentinien, Uruguay und Paraguay.<br />

Die Deutschsprachigen sind heute zu fast 100% bilingual. Während die Assimilation<br />

in den Städten weitgehend vollzogen ist, wird auf dem Lande jedoch häufig<br />

noch eine deutsche dialektale (z.B. wolgadeutsche) Varietät gesprochen, insbesondere<br />

in den nicht-öffentlichen Sprachdomänen.<br />

Deutschkenntnisse sind jedoch heute auch in den ländlichen Kolonien bei der<br />

jüngeren Generation rapide zurückgegangen. Da andererseits die hochdeutsche<br />

Standardsprache primärsprachlich nicht vorhanden ist, richten sich in einigen<br />

Kolonien Bemühungen darauf, den Wiedererwerb des Deutschen auf die wolgadeutsche<br />

Varietät zu stützen.<br />

Diese hat sich im Laufe der einhundertjährigen Geschichte der Sprachinseln in<br />

Argentinien zu einer spezifischen argentiniendeutschen Varietät entwickelt, die<br />

zahlreiche spanische (und alte russische) Entlehnungen umfaßt. Sie ist zumindest<br />

bei der mittleren und älteren Generation Trägerin einer einzigartigen ethnischkulturellen<br />

Identität der Siedler und Ausdruck ihrer „doppelten Emigration vom<br />

Rhein zur Wolga und von der Wolga zum Río de la Plata“ (Schmidt 1996: 5f). Wie<br />

die Sprache ist auch die Kultur dieser Gruppe deutsch-argentinisch-russisch, wie<br />

sich in Formen des Hausbaus, in Speisen und Liedern und vielem anderen zeigt.<br />

In den drei Kolonien Pueblo Santa Trinidad, Pueblo San José und Pueblo Santa<br />

María bei Coronel Suárez (Provinz Buenos Aïres), die 1887 von wolgadeutschen<br />

Einwanderern gegründet worden sind, wurde 1994 ein hochinteressantes Modellprojekt<br />

„Deutscher Schulunterricht im Dialekt“ von Arnd Schmidt initiiert, das nach<br />

zweijähriger Anlaufzeit selbständig weitergeführt wird: Da die deutsche Sprache<br />

fast ausschließlich durch die wolgadeutsche Varietät vertreten wird, diese aber<br />

primärsprachlich bei der jüngsten Generation zurückgeht, wird in fünf Grundschulen<br />

vom letzten Kindergartenjahr bis zum 9. Schuljahr ein- oder zweimal in der<br />

19


20<br />

Woche durch vier wolgadeutsche Lehrerinnen dialektaler Deutschunterricht erteilt.<br />

Ab dem 6. Schuljahr wird zusätzlich die hochdeutsche Standardsprache unterrichtet.<br />

Hierfür werden eigens Unterrichtsmaterialien erstellt. Die Initiative wird<br />

finanziell und organisatorisch getragen von einer privaten Stiftung „Fundación<br />

Konie 2000“ („Stiftung Kolonie 2000“ ). Honoratioren der Kolonie gehören zum<br />

Trägerkreis. Die Stiftung ist darüber hinaus auch damit befaßt, über die Geschichte,<br />

Architektur, Musik und die kulturellen Gebräuche zu arbeiten, Dokumentationen<br />

zu publizieren und die Präsenz der wolgadeutschen Kultur in der Region zu fördern.<br />

Dabei kommt ihr der Umstand zugute, daß die Deutschsprachigen in der<br />

Region ein hohes Prestige haben und zum Teil in leitenden Stellungen in der Industrie<br />

tätig sind.<br />

Die wolgadeutsche Varietät wird verschriftet, um den Kindern, die dem Unterricht<br />

mit großer Begeisterung folgen, eine visuelle Stütze zu geben und um der<br />

unterrichteten Sprache das „gleiche Prestige“ wie dem Spanischen zu verleihen<br />

(Schmidt 1996: 5). Dabei wird die Varietät im wesentlichen als mündliche Sprachbasis<br />

erhalten und keine aktive Schriftlichkeit im Dialekt angestrebt, auch um Konfusion<br />

mit der Standardsprache zu vermeiden. Die Verschriftung geschieht - konsequent<br />

- nach spanischen Orthographienormen: „Trink, trink, priderlain trink. Lass<br />

doj di Sorguen tzú Haus.“<br />

Angesichts des fragilen Zustands der Sprachinsel scheint es eine sinnvolle Überlegung<br />

zu sein, die einzig vorhandene Varietät des Deutschen zu nutzen, „um der<br />

Gefahr einer folgerichtigen Entwicklung von aktueller Zweisprachigkeit und Bi-<br />

Kultur zu erneuter, dann aber spanischer Einsprachigkeit, dem Verlust der wolgadeutschen<br />

Mundart und der damit verbundenen Auflösung der Sprachinsel entgegenzuwirken“<br />

(Schmidt 1996: 4f) Bereits in den drei Kolonien, die als „Erst-, Zweitund<br />

Drittkolonie“ bezeichnet werden und in einem Abstand von 3,6 bis 15 km vom<br />

Zentrum Coronel Suárez entfernt hintereinander liegen, macht sich die sprachliche<br />

Fragilität deutlich: Die am weitesten von der Stadt entfernte „Drittkolonie“<br />

scheint am wenigsten von sprachlicher Assimilation geprägt zu sein, die „Erstkolonie“<br />

am stärksten (hinzu kommt offenbar ein soziales Gefälle zwischen den Kolonien) -<br />

Grund genug, über wirkungsvolle Maßnahmen nachzudenken.<br />

2. Brasilien<br />

Zum Zeitpunkt der letzten offiziellen Volkszählung (1950) lebten etwa 500.000<br />

Deutschsprachige in Brasilien; das heute 161 Millionen Einwohner hat (1993). Erhebungen<br />

aus dem Jahr 1990 gehen jedoch von 1,4 Mill. Sprechern einer deutschen<br />

Varietät aus (vgl. Altenhofen 1996: 56). Es wird von 3,6 Mill. Deutschstämmigen<br />

gesprochen, die jedoch zum großen Teil das Deutsche aufgegeben haben. Regio-


nale Siedlungsschwerpunkte der deutschen Bevölkerung in Brasilien liegen in den<br />

südlichen Bundesstaaten, in Rio Grande do Sul, Santa Catarina, Paraná, sowie<br />

weiter nördlich in Espírito Santo.<br />

Die deutsche Einwanderung beginnt in Brasilien im Jahre 1818 mit der Gründung<br />

der Kolonie Leopoldina, die von Deutschen und Schweizern südlich von<br />

Bahia angelegt und nach der Kaiserin Leopoldine aus dem Hause Habsburg benannt<br />

wurde. 1819 wird Nova Friburgo (im Staat Rio de Janeiro) von Schweizern<br />

u.a. aus den Kantonen Freiburg/Fribourg und Bern gegründet. 1824 setzt die erste<br />

große Einwanderungswelle in Rio Grande do Sul ein (São Leopoldo), 1828/29 in<br />

Santa Catarina (São Pedro de Alcântara). Siedler kommen aus zahlreichen Regionen<br />

Deutschlands, vor allem aus dem Hunsrück, aus Pommern und Westfalen,<br />

aber auch aus dem übrigen niederdeutschen Raum, dem alemannisch-schwäbischen,<br />

dem bairisch-österreichischen und weiteren Gebieten.<br />

Der Süden Brasiliens ist zu dieser Zeit außerordentlich schwach besiedelt. Motive<br />

der Ansiedlung von Immigranten sind anfangs die wirtschaftliche Erschließung<br />

und militärische Sicherung des südlichen Grenzgebiets sowie die Aufstellung<br />

von Fremdenregimentern, die die Unabhängigkeit Brasiliens (1822) vor den portugiesischen<br />

Machtansprüchen schützen sollten. Später tritt als ein weiteres Ziel hinzu,<br />

Brasilien, das zu dieser Zeit zu zwei Dritteln aus farbiger Bevölkerung bestand<br />

und wegen seiner Sklaverei vor allem nach der englischen „Bill Aberdeen“ (1845)<br />

unter internationalem Druck stand, mit „Weißen“ zu bevölkern: „para brancear la<br />

raza“ . Während sich die bäuerliche Besiedlung als sehr erfolgreich erweisen sollte,<br />

gilt dies für die „Kolonien mit agro-militärischem Charakter“ kaum, für die 1824 bis<br />

1826 Insassen von Hamburger und Mecklenburger Arbeitshäusern und Gefängnissen<br />

verpflichtet werden (vgl. da Cunha 1995: 33).<br />

Ländliche Siedlungen werden in den Folgejahren in großer Zahl angelegt, vor<br />

allem in Rio Grande do Sul und Santa Catarina. Die deutschen Siedler erhalten<br />

sogenannte „Schneisen“ , einige Kilometer Land, die ausgehend von einem Weg<br />

oder einem Fluß in den Wald führen und gerodet werden müssen. Diese „Schneisen“<br />

oder „Pikadensiedlungen“ (port. „picada“ ‘Stichweg, Schneise’) ziehen sich<br />

mit einzelnen Gehöften im Abstand von etwa 200 Metern entlang einer Rodungslinie<br />

in den Urwald. Sie bilden keine geschlossene Ortschaft im mitteleuropäischen<br />

Sinne, sondern bestehen aus Gehöften („Kolonien“ ) von Großfamilien.<br />

Die „Schneisen“ stellen gleichwohl eine organisatorische Einheit und einen<br />

Kommunikationszusammenhang dar, der angesichts der schwierigen Kolonisationsbedingungen<br />

Schutz und Hilfe bietet. Die Siedlungen bleiben aufgrund ihrer Abgeschiedenheit<br />

über lange Zeit weitgehend autark. Wegen der kaum vorhandenen<br />

Infrastruktur mußten sich die Siedlungen in vielen Bereichen selbst versorgen und<br />

21


22<br />

richteten eine vollständige Selbstversorgung ein, die vom Lebensmittelhandel bis<br />

zur Ziegelei viele notwendige Produkte selbst herstellte. Ihr wirtschaftlicher Erfolg<br />

unterstützte diese Autarkie erheblich und machte den Kontakt zur anderssprachigen<br />

Bevölkerung oft unnötig. Sie blieben viele Jahrzehnte lang relativ geschlossen<br />

und bewahrten die deutsche Sprache und Kultur. Die Kolonien der Deutschen in<br />

Brasilien sind überwiegend Streusiedlungen: Diese „Familiendörfer“ stellen die<br />

Grundlage von „Familiolekten“ („familetos“ ) dar, die nach Cléo Altenhofen (1996:<br />

345) der Ort des sprachlichen Ausgleichs sind. Eine Statistik weist anhand der Eintragungen<br />

in den Kirchenbüchern zwischen 1824 und 1937 Einwanderer in São<br />

Leopoldo, dem ersten Besiedlungsraum in Rio Grande do Sul, aus 1.090 Orten<br />

nach (vgl. Altenhofen 1996: 57). Allerdings ist die ursprünglich vorhandene Heterogenität<br />

der Ausgangsvarietäten bei weitem nicht so kraß wie etwa in Rußland, wo<br />

mitunter in einzelnen Orten Sprecher mehrerer Dutzend verschiedener Varietäten<br />

zusammentrafen. Dies mag mit der (späteren) Auswanderungszeit der deutschen<br />

Übersee-Auswanderer, als sich das Hochdeutsche über die Schulpflicht schon stärker<br />

durchgesetzt hatte, sowie mit der organisierter vonstatten gehenden Übersiedlung<br />

zusammenhängen, womit auch eine größere landsmannschaftliche Geschlossenheit<br />

verbunden war. Die Übersiedlung verlief meist über staatliche Beauftragte<br />

und später über Kolonisationsgesellschaften wie den „Colonisations-Verein von<br />

1849 in Hamburg“ , der u.a. für die Gründung von Blumenau und Joinville (Santa<br />

Catarina) 1850/1851 verantwortlich war (vgl. da Cunha 1995). In Deutschland<br />

wurde die Kolonisation auch durch die „Gesellschaft zum Schutze der deutschen<br />

Einwanderer in Südbrasilien“ (seit 1846) beobachtet, von der Dr. Blumenau entsandt<br />

worden war. Unter den ersten Siedlern in Rio Grande do Sul waren zunächst<br />

viele Norddeutsche. Auch die Einwanderung ab der Jahrhundertmitte nach<br />

Blumenau und Joinville zählte anfangs viele Siedler aus Preußen, Holstein, später<br />

aus Pommern. Die große Gruppe der „Pomeranos“ ist heute noch erkennbar an<br />

Ortsnamen wie „Pomerode“ und Familiennamen wie „Anklam“ . Jedoch dominiert<br />

in Rio Grande do Sul bald die Einwanderung aus dem westmitteldeutschen Raum,<br />

darunter vor allem Siedler aus dem Hunsrück. Der Hunsrück und angrenzende<br />

Gebiete stellten etwa 50% der Einwanderer in São Leopoldo (Rio Grande do Sul)<br />

und auch einen großen Teil der Kolonisten, die von São Pedro de Alcântara (Santa<br />

Catarina) aus ins Innere vordrangen (vgl. Klug 1994: 34).<br />

Die Besiedlung Rio Grande do Suls mit deutschsprachigen Immigranten war<br />

langfristig außerordentlich erfolgreich und verhalf dem südlichsten Staat Brasiliens<br />

zu einem überdurchschnittlichen Wohlstand: Ein Grund dafür liegt in der gesellschaftlichen<br />

Modernisierung, die vor allem in der Herausbildung einer kleinbäuerlichen<br />

sozialen Mittelschicht bestand und in der Einführung neuer Arbeits-


methoden, die ohne Sklaveneinsatz, aber mit staatlicher Unterstützung und auf<br />

guten Böden Überschüsse erzielte, vermarktete sowie in Infrastrukturmaßnahmen<br />

investierte. Bereits vier Jahre, nachdem die Einwanderungswelle einsetzte, wurde<br />

die erste (evangelische) Schule 1828 in Campo Bom gebaut (vgl. Müller 1996: 40).<br />

Der „Abstand“ dieser Kolonisten zur Aufnahmegesellschaft war entsprechend<br />

groß: Kulturelle, wirtschaftliche, soziale und auch konfessionelle Unterschiede begrenzten<br />

eine Vermischung von vornherein, wobei der Ansiedlungsraum außerhalb<br />

der Städte ohnehin nur schwach oder gar nicht besiedelt war. Eine Öffnung gegenüber<br />

der Kontaktsprache und -kultur soll zunächst auch stärker bei den Deutschen<br />

katholischer Konfession erfolgt sein, während die Angehörigen der evangelischen<br />

Konfession (ca. 60%) sich demgegenüber resistenter zeigten, unter anderem durch<br />

die in „Bethäusern“ untergebrachten eigenständigen Schulen, über die sich die hochdeutsche<br />

Standardsprache stärker verbreitete. Umgekehrt wird berichtet, daß lange<br />

Zeit Protestanten von öffentlichen Funktionen ausgeschlossen worden seien, z.B.<br />

keine Kirchen bauen durften, ein Missionsverbot erhielten und bis zur Ausrufung der<br />

Republik 1889 nicht wählen und nicht gewählt werden durften.<br />

Gegen Ende des Jahrhunderts beginnt eine verstärkte Binnenwanderung: Überwog<br />

bis dahin die Binnenkolonisation - oft entlang von Flüssen - ins Landesinnere<br />

(in Rio Grande do Sul von São Leopoldo aus, in Santa Catarina von Blumenau bzw.<br />

Joinville und Florianópolis aus ins Hinterland), kommt nun eine Migration hinzu,<br />

die von den „Alten Kolonien“ um São Leopoldo aus in den Nordwesten Rio Grande<br />

do Suls sowie nach Santa Catarina geht und die auch dialektal unterschiedliche<br />

Kolonien in Kontakt bringt. Das in sich selbst keineswegs einheitliche Hunsrückisch,<br />

wie es sich im Zuge des Sprachausgleichsprozesses in den „Alten Kolonien“ herausgebildet<br />

hat, trifft in den „Neuen Kolonien“ auf pommerische, westfälische, schwäbische<br />

und wolgadeutsche Varietäten. Der sprachliche Ausgleich ist in diesen Siedlungen<br />

zum Teil bis heute nicht abgeschlossen (s.u.). Die erneute dialektale Mischung<br />

in den „Tochterkolonien“ findet überdies unter den Bedingungen einer<br />

Entwicklung zum deutsch-portugiesischen Bilingualismus statt. Darüber hinaus hat<br />

die Binnenmigration auch zu einer näheren oder weiteren Nachbarschaft mit italienischen<br />

und polnischen Einwanderersiedlungen geführt. Andere Immigrantensprachen<br />

(wie Arabisch, Japanisch, Jiddisch, Niederländisch, Spanisch,<br />

Roma) und in Reservaten auch Tupi-Guarani tragen zur sprachlichen Vielfalt der<br />

Region bei (vgl. Altenhofen 1996: 52).<br />

Im Unterschied zu den anderen südamerikanischen Ländern löst der Erste<br />

Weltkrieg in Brasilien bereits politische Restriktionen gegenüber den Deutschbrasilianern<br />

aus. 1917 erklärte Brasilien Deutschland den Krieg. Bis zum Ende des<br />

Krieges wurden deutschsprachige Publikationen, Vereine und schulischer Deutsch-<br />

23


24<br />

unterricht verboten. Auch wenn nach Kriegsende Vereine und Organisationen<br />

der Deutschen nach und nach wieder die Arbeit aufnahmen, löste diese Veränderung<br />

des öffentlichen Ansehens des Deutschen eine erste Krise aus. Die wirtschaftliche<br />

Modernisierung und die Immigration weiterer europäischer Siedler,<br />

etwa der Italiener (ab 1874) und Polen (ab 1891) bewirkten zudem eine stärkere<br />

Verwendung des Portugiesischen, die sich vor allem in den Städten auswirkte: Für<br />

Blumenau gibt Willems (1940: 146) einen Rückgang der Angaben zum Deutschen<br />

als Muttersprache zwischen 1882 und 1927 von 71% auf 40% an. In der Stadt leben<br />

nun neben den 75% Deutschen, Rußlanddeutschen und Österreichern auch zahlreiche<br />

Italiener, Ungarn, Polen, Belgier und andere Immigranten. Auch orientierte<br />

die staatliche Ansiedlungspolitik nach 1890 auf gemischte Siedlung statt der ethnisch<br />

homogenen der Frühzeit.<br />

Wesentlich weiter reichende politische Restriktionen setzen unter der Diktatur<br />

Getúlio Vargas’ ein, der 1930 bis 1954 an der Macht ist. 1937 proklamiert er die<br />

Politik des „Estado Novo“ : Im Zuge einer radikalen Nationalisierungspolitik wird<br />

ein Verbot aller politischen Parteien, „ausländischer“ Publikationen und jeglicher<br />

politischer Betätigung von Immigranten verfügt. 1938 werden alle „ausländischen“<br />

Schulen verboten und das Portugiesische zur alleinigen Schulsprache erhoben,<br />

das bis dahin vielerorts nur fakultativ unterrichtet worden war: „A instrução primária<br />

será ministrada exclusivamente em portugues“ (nach Rohde 1996: 201). 1939 wird<br />

ein Kanzelverbot für „Fremdsprachen“ ausgesprochen, 1940 der Unterricht sämtlicher<br />

„Fremdsprachen“ untersagt. 1942, mit der Kriegserklärung Brasiliens an<br />

Deutschland, wird der mündliche wie schriftliche Gebrauch der deutschen Sprache<br />

bei Gefängnisstrafe verboten: „Überall, in Mühlen, Geschäften, Ämtern, gab es<br />

Plakate, wo man las: ‘Proibido falar Alemão’ (Verboten, Deutsch zu sprechen),<br />

‘Proibido falar Italiano’ (Verboten, Italienisch zu sprechen)“ (Beitrag zur Geschichte<br />

von Nova Petrópolis 1988: 282). Die drei Kriegsgegner sind in Brasilien mit den drei<br />

größten Immigrantengruppen, den Deutschen, Italienern, Japanern, vertreten. Die<br />

Volkszählung von 1940 (vgl. Born 1995: 136) gibt als am häufigsten vertretene nichtportugiesische<br />

„Haussprache“ Deutsch an (etwa 650.000 Sprecher), danach Italienisch<br />

(gut 450.000) und an dritter Stelle Japanisch (knapp 200.000). Die italienische<br />

Bevölkerung war - auch aufgrund der größeren sprachlichen und konfessionellen<br />

„Nähe“ - frühzeitig zweisprachig (meist mit Portugiesisch und einer dialektalen<br />

italienischen - oft venetischen - Ausgleichsvarietät) oder assimiliert. Sie konnte<br />

sich leichter arrangieren und wurde in der Umsetzung der Verbote nicht mit gleicher<br />

Härte getroffen. Die japanische Bevölkerung, seit 1908 immigriert, lebt überwiegend<br />

in der Stadt oder stadtnahen Siedlungen im Staat São Paulo und bildet<br />

dort einen beträchtlichen Teil der städtischen Mittelschicht. Sie ist durchgehend


zweisprachig (vgl. Born 1995: 138). Vergleichende Untersuchungen zur Sprachenpolitik<br />

und Soziolinguistik dieser drei Gruppen stehen noch aus.<br />

Für die deutschbrasilianische Bevölkerung stellen die Restriktionen unter<br />

Getúlio Vargas einen tiefen Einschnitt dar. Sie wird als „5. Kolonne“ verdächtigt<br />

(vgl. Rohde 1996: 210ff). Denunziationen, Verfolgungen und Verhaftungen - vor<br />

allem von Lehrern und Pfarrern - treffen die bis dahin auf dem Lande dominant<br />

deutschsprachige Bevölkerung in einer Weise, die bis heute zu spüren ist: Bücher,<br />

Gemeindechroniken, deutsches Schrifttum jeder Art hatten zu „verschwinden“ ,<br />

wurden verbrannt oder vergraben, und noch heute sind Chronisten und Heimatforscher<br />

(wie Nelson Weingärtner in Timbó bei Blumenau) damit beschäftigt, über<br />

die Dörfer zu reisen und Fundstücke zu sammeln.<br />

Die Ausschaltung von Deutschbrasilianern aus dem öffentlichen Leben hatte<br />

ebenfalls erhebliche Konsequenzen. Bis dahin hatten viele Deutsche, ähnlich wie<br />

etwa in Chile, bedeutende politische Stellungen erlangt, wie etwa Lauro Müller, der<br />

um die Jahrhundertwende dreimal zum Präsidenten des Bundesstaats Santa<br />

Catarina gewählt und 1912 sogar brasilianischer Außenminister geworden war.<br />

Folgenreiche Restriktionen trafen vor allem das deutschsprachige Bildungswesen:<br />

Das Verbot der besonders in den 1920ern gegründeten 2.000 deutschen Vereine<br />

und die Beschlagnahme ihres Vermögens, das Verbot der 70 deutschen Zeitungen<br />

und Zeitschriften, der Ausfall der 1.300 Privatschulen als Stätten der Vermittlung<br />

deutscher Sprachkenntnisse stellten einen gravierenden Einschnitt dar. Die Folge<br />

ist, daß die deutsche Sprache nur noch mündlich und in dialektaler Form weitergegeben<br />

werden konnte. Vor allem aber leiteten diese Maßnahmen einen Prestigeverlust<br />

des Deutschen ein, ließen sie doch die bis dahin weitgehend konfliktfreie<br />

Verbindung einer deutsch-brasilianischen Identität unvereinbar erscheinen. Wenn<br />

auch die Restriktionen bei weitem nicht das Ausmaß der Verfolgungen in der ehemaligen<br />

Sowjetunion erreichten, so bedeuteten sie doch auch hier eine entscheidende<br />

Zäsur in der sprachlichen und kulturellen Entwicklung der deutschen<br />

Bevölkerung. In der Folgezeit sahen sich die Angehörigen der deutschen Minderheit<br />

einem starken Assimilationsdruck ausgesetzt, insbesondere in der Stadt.<br />

Altenhofen (1996: 58) geht für die Frühzeit der Besiedlung (1824-1850) von<br />

einsprachig deutschen Verhältnissen aus (Einwanderer- und erste in Brasilien geborene<br />

Generation), sieht in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg eine Differenzierung<br />

zwischen einsprachig deutschen Landbewohnern und zweisprachigen Stadtbewohnern<br />

(zweite und dritte Generation), die - nach einer Übergangsphase bis zum<br />

Ende des Zweiten Weltkriegs (vierte Generation) - auf dem Lande zu bilingualen, in<br />

der Stadt zu monolingual portugiesischen sprachlichen Verhältnissen führt (fünfte<br />

und sechste Generation).<br />

25


26<br />

Erst nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Brasilien<br />

und Deutschland Mitte der 1950er Jahre und dem Abschluß eines Abkommens<br />

über die Rückgabe des deutschen Vermögens konnte an einen Wiederaufbau<br />

von Vereinen und Schulen gegangen werden. Erst 1961 wurde das Deutsche<br />

wieder - als Fremdsprache - in den Schulen zugelassen. Die südlichen Bundesstaaten<br />

Brasiliens kehrten damit schrittweise wieder zu dem zurück, was die aus zahlreichen<br />

Einwandererkulturen geformte Kultur des Südens ausgemacht hatte. Die<br />

Bezeichnung „Gaúcho“ etwa, ursprünglich für den „Viehzüchter“ , umschließt alle<br />

in Rio Grande do Sul Geborenen, gleich welcher Herkunft; sie ist integrativ, drückt<br />

aber zugleich die Akzeptanz der ethnischen Vielfalt aus. Dies macht ein gutes Stück<br />

der facettenreichen kulturellen Identität des brasilianischen Südens aus: Aus einer<br />

früheren Volkszählung (von 1940) ging hervor, daß fast die Hälfte der Brasilianer,<br />

die sich zu Hause einer „Fremdsprache“ bedienten, aus Rio Grande do Sul kamen.<br />

Nach einer in den späten 1980er Jahren durchgeführten Erhebung des von Walter<br />

Koch geleiteten Projekts „Bilingüismo no Rio Grande do Sul (B IRS)“ gab ein gutes<br />

Viertel aller 75.000 (ausschließlich männlichen) Befragten im Alter von 18 Jahren<br />

an, bilingual zu sein, davon 57% mit einer Varietät des Deutschen, 34% mit Italienisch.<br />

Allerdings war die Zweisprachigkeit der Deutschen seit dem Kriege von etwa<br />

30 auf etwa 20% zurückgegangen, die der Italobrasilianer allerdings noch stärker<br />

(vgl. Altenhofen 1996: 56).<br />

Heute existieren in den südlichen Bundesstaaten wieder etwa 100 Schulen, in<br />

denen deutscher Fremdsprachunterricht als Wahlpflichtfach gegeben wird. Es existieren<br />

zwei deutschsprachige Wochenzeitungen, die BRASIL POST und die DEUTSCHE<br />

ZEITUNG, sowie verschiedene Gemeindeblätter der überwiegend evangelischen Kirchengemeinden<br />

und sieben Blätter zu wirtschaftlichen Themen. In einer größeren<br />

Anzahl von Pfarrbezirken werden heute noch ganz oder teilweise deutschsprachige<br />

Gottesdienste abgehalten (vgl. Born/Dickgießer 1989: 58). Ein nicht zu unterschätzender<br />

Faktor, der die Wertschätzung deutscher Kultur unterstützt, ist der Tourismus:<br />

In Blumenau, das viele deutschbrasilianische Bewohner zählt, wird die deutsche<br />

„Tradition“ mit ihren zahlreichen deutschen Elementen im Straßenbild (Fachwerk,<br />

deutsche Aufschriften an Geschäften) touristisch vermarktet. Das Oktoberfest von<br />

Blumenau ist mit alljährlich 1 Million Besuchern nach München das zweitgrößte der<br />

Welt und liegt hinter dem Carneval von Rio auf dem zweiten Platz aller Volksfeste in<br />

Brasilien. Natürlich hat der Blumenauer „Rummel“ nicht viel originär Deutsches.<br />

Jedoch unterstützt er die Identifikation mit deutscher Kultur und Sprache.<br />

Die deutsche Sprache ist in dialektaler Form im wesentlichen auf dem Lande in<br />

den informellen sprachlichen Domänen, vor allem der Familie, erhalten geblieben.<br />

Unter dem Druck der „Brasilianisierung“ waren Schulen mit deutscher Unterrichts-


sprache in großer Zahl geschlossen worden, ohne daß staatliche Schulen mit portugiesischer<br />

Unterrichtssprache eröffnet worden wären. Entsprechend machten sich<br />

in der Folgezeit ein Fehlen hochsprachlicher Kenntnisse und ein generelles Bildungsdefizit<br />

bemerkbar. Die lange Zeit des Ausschlusses von hochsprachlicher Bildung hat<br />

nach Altenhofen (1996: 69) zu einem „Ausweichen in den Dialekt“ geführt. Daran<br />

kann auch der wieder zugelassene Fremdsprachunterricht der hochdeutschen<br />

Standardsprache oft nicht mehr viel ändern, zumal zwischen Standard und dialektaler<br />

Varietät der Schüler „ein tiefer Abgrund klafft“ (Altenhofen 1996: 74)<br />

Die Hauptvarietät im Süden, das Riograndenser Hunsrückisch, hat sich durch<br />

170jährigen dialektalen Ausgleich, durch Varietätenkontakt mit anderen deutschen<br />

Varietäten sowie durch den Sprachkontakt mit dem Portugiesischen und anderen<br />

Einwanderersprachen zu einer neuen, eigenständigen Varietät entwickelt, deren<br />

„Diffusion“ über die Kolonien von Rio Grande do Sul Cléo Altenhofen (1996) beschreibt.<br />

Das Hunsrückische hat im Zuge dieser „Diffusion“ andere Varietäten verdrängt<br />

oder gelegentlich sogar „überdacht“ , nicht ohne selbst Merkmale dieser<br />

Varietäten aufgenommen zu haben. Altenhofen versteht das Hunsrückische als ein<br />

dialektales Kontinuum mosel- und rheinfränkischer Merkmale, das dem Dialektund<br />

Sprachkontakt innerhalb eines Varietätennetzwerks ausgesetzt ist. Anhand von<br />

Erhebungen in zehn Belegorten beschreibt Altenhofen die dialektale Variation des<br />

Hunsrückischen als „intralinguale“ Variation zwischen Merkmalen des in sich keineswegs<br />

einheitlichen Hunsrückischen, der hochdeutschen Standardsprache,<br />

verschiedener Familiolekte und der anderen dialektalen Varietäten (Pommerisch,<br />

Westfälisch etc.) sowie als „interlinguale“ Variation zwischen portugiesischen Entlehnungen,<br />

italienischen Einflüssen (und französischen Altentlehnungen). Die<br />

Siedlungs- und Familiengeschichte, soziale und altersmäßige Faktoren beeinflussen<br />

diese Variation. Inwieweit sich die Kategorie des „Familiolekts“ angesichts der<br />

zu beobachtenden Lusitanisierung der jüngeren Generation auflöst, wird zu beobachten<br />

sein. Aufschlußreich wäre auch, dialektale Kontaktergebnisse in Siedlungen<br />

zu verfolgen, in denen kompakte Gruppen von Hunsrückisch und Pommerisch<br />

oder Westfälisch Sprechenden aufeinandertrafen. Im Unterschied zur sprachlichen<br />

Entwicklung unter den Rußlanddeutschen führte in den brasilianischen Sprachinseln<br />

die dialektale Heterogenität, die durch migrationsbedingten Dialektkontakt<br />

zwischen verschiedenen deutschen Varietäten erzeugt wurde, offenbar nicht oder<br />

noch nicht zum „Umkippen“ , das heißt zum Sprachwechsel.<br />

Allerdings sind die Anzeichen der sprachlichen Assimilierung heute vermehrt<br />

zu beobachten: Während die frühere gewaltsame „Brasilianisierungspolitik“ zu keiner<br />

völligen Assimilation geführt hatte, ist es heute die Modernisierung des Landes,<br />

die durch wachsende Verstädterung und Industrialisierung, durch die damit ver-<br />

27


28<br />

bundene Herausbildung sozialer Schichten auch unter den Deutschbrasilianern<br />

sowie durch eine gestiegene Mobilität und eine wachsende Zahl von Mischehen<br />

das Portugiesische eindringen läßt. Mischehen werden jedoch bis heute in der<br />

Elterngeneration häufig abgelehnt, da sie die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit<br />

der deutschen Familien aufzulösen drohen (vgl. Tornquist 1997: 98).<br />

Das brasilianische Portugiesisch unterliegt selbst einer erheblichen Variation,<br />

wie gegenwärtig durch Paulino Vandresen und andere im Rahmen des Projekts<br />

„Variação Lingüistica Urbana no Sul do País (VARSUL)“ in südbrasilianischen Städten<br />

mit soziolinguistischen Methoden untersucht wird. Dabei haben die Immigrantensprachen<br />

im Portugiesischen ihre Spuren hinterlassen. Helga Guttenkunst Prade<br />

(1996) beschreibt etwa die vielfältigen Interferenzen im Portugiesischen, die zum<br />

Teil aus dem im Untersuchungsort gesprochenen Hunsrückischen resultieren:<br />

stimmlose Konsonanten (bzw. Fortes) anstelle von stimmhaften (z.B. „vertate“ statt<br />

„verdade“ ‘Wahrheit’), fehlende Vokalisierung des „l“ (z.B. in „papel“ ‘Papier, Rolle’),<br />

fehlende Nasalierung (z.B. in „Alemanha“ ), doppelte Verneinung, Verschiebungen<br />

des Wortakzents und zahlreiche weitere.<br />

Elke Cybulla (1993) hat die Ethnographie des Sprachverhaltens in drei Generationen<br />

in Alto Bella Vista (Santa Catarina) untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis<br />

eines in der jüngeren Generation beschleunigten Sprachwechsels, der in einem<br />

weitgehenden Übergang zum Portugiesischen in den öffentlichen Sprachdomänen<br />

besteht. Der Einschnitt der Stigmatisierung des Deutschen unter der Vargas-Diktatur<br />

stellte den Wendepunkt in diesem Prozeß dar: Heute zeigt sich ein diglossisches<br />

Sprachverhalten in der Elterngeneration und ein Übergang zum Portugiesischen<br />

in der Kindergeneration. In der Familie wird überwiegend zweisprachig oder portugiesisch<br />

gesprochen, nur mit den Großeltern spricht noch ein Fünftel ausschließlich<br />

deutsch. In öffentlichen Sprachdomänen dominiert das Portugiesische, aber<br />

immerhin ein Viertel der Informanten gebraucht teilweise Deutsch. Das verwendete<br />

Deutsch ist selbstverständlich lusitanisiert, wie etwa die dem Portugiesischen<br />

nachgebildete Begrüßungsformel „Alles gut?“ (port. „Tudo bem?“ ) zeigt.<br />

Lourdes Claudete Schwade Sufredini (1993) hat die Zweisprachigkeit in Lageado<br />

Antunes, einer ländlichen Gemeinde im westlichen Santa Catarina, untersucht. In<br />

einer Befragung von 24 Schülern der 5. bis 8. Klasse bestätigt sich der Rückzug der<br />

deutschen Varietäten in die familiären Sprachdomänen. Mit Eltern und Großeltern<br />

wird von drei Vierteln der Befragten „fast immer“ („quase sempre“ : 50-66%) oder<br />

„gelegentlich“ („às vezes“ : 8-25%) Deutsch gesprochen. In öffentlichen<br />

Kommunikationskontexten (zum Beispiel im Geschäft oder in der Kirche) wird nur<br />

„gelegentlich“ von einem Drittel bis zur Hälfte der Befragten Deutsch verwendet.<br />

Interessant ist jedoch, daß auch in der jugendlichen Peergroup die deutsche Varie-


tät durchaus noch präsent ist: Mit Klassenkameraden, unter Freunden und unter<br />

den Geschwistern wird noch relativ häufig Deutsch gesprochen (Schwade<br />

Sufredini 1993: 77ff). Es fragt sich natürlich, wie „deutsch“ dieses Deutsch ist. Schwade<br />

Sufredini (1993: 199f) hat in einer genaueren Studie dreier Generationen (in<br />

sechs Familien) portugiesische Entlehnungen in großer Zahl festgestellt, allerdings<br />

zeigen diese nahezu keinerlei Signifikanz in der Generationenabfolge: Sie sind bei<br />

den Jüngeren nicht häufiger als bei der mittleren und älteren Generation. Eine<br />

Netzwerkanalyse ergibt schließlich, daß die Kommunikation in der Familie und der<br />

engen Nachbarschaft weitgehend auf Deutsch vonstatten geht. Die Tatsache, daß<br />

Familie und engere Nachbarschaft die „Knotenpunkte“ der Verwendung des Deutschen<br />

sind, bestätigt Altenhofens Annahme einer „familiolektalen“ Basis der deutschen<br />

Varietäten (s.o.). Außerhalb der Gemeinde (beim Arzt, in Geschäften, mit<br />

dem Pfarrer) wird in allen Generationen nahezu ausschließlich portugiesisch gesprochen<br />

(Schwade Sufredini 1993: 106ff).<br />

Maria Elaine Estivalét Steiner (1988) führt eine ähnliche Untersuchung in Jaraguá<br />

do Sul bei Joinville (Santa Catarina) durch: Der Ort liegt in einer städtisch geprägten,<br />

dicht besiedelten und industriell entwickelten Region. Die Befragung unter<br />

292 Schülern kommt zu dem Ergebnis, daß in der überwiegenden Anzahl der Familien<br />

nur noch „gelegentlich“ Deutsch gesprochen wird, wie auch in der Peergroup<br />

und in der Nachbarschaft. Beim Einkauf und in der Kirche wird zu fast 90% ausschließlich<br />

Portugiesisch gesprochen. Die Verwendung des Deutschen ist gegenüber<br />

älteren Gesprächspartnen und Bekannten häufiger und auch von der Konfession<br />

abhängig: Protestanten sprechen innerhalb und außerhalb der Familie mehr<br />

Deutsch als Katholiken (Estivalét Steiner 1988: 83ff).<br />

Ute Bärnert-Fürst (1994) untersucht Sprachbewahrung und Sprachwechsel in<br />

einer Studie des Sprachverhaltens in drei Generationen in Panambi (Neu-Württemberg),<br />

einer schwäbischen Kolonie, die zwischen 1921 und 1926 im Nordwesten<br />

von Rio Grande do Sul gegründet wurde. Auch hier zeigt sich, daß in der<br />

Folge der Stigmatisierung des Deutschen es die mittlere Generation war, die den<br />

Sprachwechsel innerhalb der Familie einleitete. Während in der Gründungszeit<br />

die Verwendung des Portugiesischen auf die äußeren Kontakte des wirtschaftlichen<br />

und institutionellen Verkehrs beschränkt blieb, dringt die Kontaktsprache seit<br />

den späten 1930er Jahren über die Schule und Kirche ein, während die Arbeitssphäre<br />

auf dem Lande noch deutsch bleibt, in der Stadt jedoch partiell zum Portugiesischen<br />

übergeht. Heute (1985) wird die deutsche Varietät auf dem Lande partiell<br />

auch wieder in der Kirche und bei der Arbeit verwendet, während jedoch die<br />

familiäre Kommunikation bilingual geworden ist: in der Stadt mit Dominanz des<br />

Portugiesischen, auf dem Lande des Deutschen. Ute Bärnert-Fürst deutet dies als<br />

29


30<br />

Stadien eines langfristigen Prozesses, der mit einer Verschiebung der Sprachdomänen<br />

begann und zu einem generationenspezifischen Sprachgebrauch, insbesondere<br />

zu Veränderungen in der sprachlichen Sozialisation der Kinder, führt.<br />

Negative Spracheinstellungen gegenüber der Minderheit und ihrer Sprache seien<br />

jedoch kaum zu beobachten: „German still fulfills important social functions,<br />

particularly in the realms of identification and reproduction of ethnic identity“<br />

(Bärnert-Fürst 1994: 284). Dies wird von Ingrid Margareta Tornquist (1997) nach<br />

qualitativen Interviews unter 15 Informantinnen (zwischen 21 und 95 Jahren) anders<br />

gesehen: Zwar sei eine „deutliche Loyalität gegenüber der heimatlichen Sprache<br />

zu verzeichnen“ , die auf dem „Zusammengehörigkeitsgefühl der ethnischen<br />

Gruppe“ basiere. Jedoch schämten sich viele ihrer deutschen dialektalen Varietät,<br />

zumal sie im Deutschen überdies meist Analphabeten seien: „das wor werklich<br />

eeklich, was mer gesproch hon, iwereeklich, ich sprech jetz noch eeklich, porque<br />

[weil] ich kann keen Hochdeitsch“ (Tornquist 1997: 85 u. 79).<br />

„Das Portugiesische wurde zum Symbol der Stadt, der höheren<br />

Schicht, des Wissens, der Schule, der Nationalität und der jüngeren<br />

Generation. Das Hunsrückische wird im Gegensatz dazu wachsend<br />

mit der Sprache der ländlichen Gegenden, der Herkunft, der Familie,<br />

der Gruppensolidarität und der älteren Generation assoziiert.“<br />

(Altenhofen 1996: 73)<br />

3. Chile<br />

In Chile (mit einer Bevölkerung von 1993 12,5 Millionen) leben nach Schätzungen<br />

etwa 20.000 Deutschsprachige (unter ca. 150.000 - 200.000 Nachfahren deutscher<br />

Einwanderer). Diese waren in größerer Zahl seit 1846 aus verschiedenen<br />

Regionen Deutschlands nach Chile gekommen, zunächst aus Hessen und Brandenburg,<br />

dann aus Württemberg und der Oberlausitz, später aus Schlesien, Westfalen<br />

und schließlich aus Böhmen. Deutsche Kolonien wurden in der ersten Einwanderungszeit<br />

(zwischen 1846 und 1875) vor allem in der „Frontera“ -Region, im<br />

südlichen Grenzgebiet, angelegt, in der Region um die Orte Valdívia und Osorno<br />

und seit 1853 am Llanquihue-See. In einer zweiten Immigration wanderten zwischen<br />

1882 und 1914 Industrie- und Landarbeiter, vor allem aus Ostdeutschland,<br />

ein; die dritte Einwanderung nach 1918 führte zumeist in die Städte.<br />

Unter den ersten deutschen Siedlern sind sämtliche Berufsgruppen vertreten,<br />

einschließlich Gebildeter, unter ihnen eine größere Zahl von sogenannten<br />

„1848ern“ : Chile war zu dieser Zeit das einzige lateinamerikanische Land, das die<br />

von ihnen geforderten Freiheitsrechte garantierte. Die Einwanderer in den bäuerlichen<br />

Kolonien am Llanquihue-See sprachen in der Anfangszeit in erster Linie


ober- und mitteldeutsche Varietäten, die städtischen Deutschen bedienten sich<br />

offenbar bald einer hochdeutschnahen Varietät (vgl. Born/Dickgießer 1989: 68).<br />

Der frühzeitige Aufbau von Schulen, der vergleichsweise höhere Anteil von Intellektuellen<br />

und die relativ bald erreichte wirtschaftlich wohlhabende Stellung der<br />

Deutschsprachigen mögen dazu beigetragen haben. Unter den Immigranten sollen<br />

kaum Analphabeten gewesen sein (vgl. Burdach/Vega 1994: 15).<br />

Die Einwanderung wurde von Beginn an durch die chilenische Regierung unter<br />

den Präsidenten Bulnes und Montt staatlich gefördert. Unter den ersten Beauftragten<br />

ist Bernhard Eunom Philippi, der als Beauftragter des Kgl. Museums in Berlin<br />

den Süden Chiles erforscht und später zum Kolonisationsagenten für die Werbung<br />

deutscher Auswanderer ernannt wird. Philippi und später Vicente Pérez Rosales<br />

betreiben die Kolonistenwerbung mit dem erklärten Auftrag, (katholische) Handwerker,<br />

Bauern und Gewerbetreibende für die Besiedlung und Sicherung der „Frontera“<br />

, der südlichen Grenzregion Chiles, gegenüber der indigenen Bevölkerung zu<br />

gewinnen. Das wirtschaftlich äußerst rückständige Land hat zu diesem Zeitpunkt<br />

1,8 Mill. Einwohner, Santiago zählt etwa 100.000 Bewohner, Concepción im Süden<br />

nicht mehr als 10.000. Im gleichen Zeitraum, in dem sich zwischen 1846 und 1876<br />

4.532 Deutsche in Chile ansiedeln (vgl. Jünemann Gazmuri 1994: 12), steigt die<br />

Verstädterung in Chile von 20% auf 30% (und bis 1891 auf 45%). Parallel zur „Landerschließung“<br />

wird die Eisenbahn weiter nach Süden ausgebaut, erreicht aber erst<br />

1890 Temuco.<br />

Die chilenische Regierung hatte ursprünglich ausschließlich katholische Einwanderer<br />

zulassen wollen, zeigte sich aber bald kompromißbereit. Die sogenannten<br />

„1848ern“ , die die Verwirklichung ihrer freiheitlichen politischen Vorstellungen<br />

in der neuen Heimat anstrebten, forderten für die deutschen Einwanderer unter<br />

anderem Religionsfreiheit und Landeigentumstitel. Einer dieser Auswanderer, der<br />

preußische Landtagsabgeordnete Karl Anwandter, der 1850 in Valdívia ankam,<br />

führte die Verhandlungen. Im Gegenzug sicherte er unbedingte Loyalität zu, „unser<br />

Aufnahmeland gegen jede ausländische Aggression zu verteidigen, mit der<br />

Entschiedenheit und Beharrlichkeit des Mannes, der sein Vaterland, seine Familie<br />

und seine Rechte verteidigt“ - ein Zitat, das sich heute auf dem Gedenkstein für die<br />

deutsche Einwanderung in Valdívia wiederfindet und einen Bestandteil der deutschchilenischen<br />

Identität ausmacht:<br />

„Seremos chilenos honrados y laboriosos como el que más lo fuere.<br />

Unidos a las filas de nuestros compatriotas, defenderemos nuestro<br />

país adoptivo contra toda agresión extranjera, con la dicisión y firmeza<br />

del hombre que defiende su patria, su familia y sus intereses“ (Anwandter,<br />

nach Jünemann Gazmuri 1994: 20).<br />

31


32<br />

1852 begann die Besiedlung am Llanquihue-See, eines bis dahin dicht bewaldeten<br />

und unwegsamen, völlig unerschlossenen Gebiets am Fuße des Vulkans Osorno.<br />

Den Siedlern wurden von der Regierung eine Reihe von „Zusicherungen“ gegeben,<br />

die jedoch nur zum Teil eingehalten wurden: Land, Steuer- und Abgabenfreiheit<br />

für 15 Jahre, eine Kuh, Saatgut, Geld für den Unterhalt während des ersten<br />

Jahres (als Darlehen), medizinische Versorgung, Hausbaumaterialien und die chilenische<br />

Staatsbürgerschaft für die, die sie beantragten (Jünemann Gazmuri 1994:<br />

26). In den folgenden Jahren setzte sich die Besiedlung der Llanquihue-Region mit<br />

der Gründung weiterer Kolonien (Puerto Varas, Frutillar etc.) in großem Stile fort<br />

und hielt bis 1880 an. Neue Ansiedlungen wurden meist von geschlossenen Gruppen<br />

aus einem bestimmten Herkunftsgebiet gegründet, zum Beispiel Hessen, Sachsen,<br />

Schwaben, später auch Schlesiern und Böhmern. Anfang der 1860er Jahre<br />

wurden in der sogenannten „Colonia“ , dem „Territorio de Colonización de<br />

Llanquihue“ , 1.491 Deutsche gezählt, von denen 551 in Chile geboren waren (vgl.<br />

Reiter 1992: 59). 1863 kamen katholische Auswanderer, hauptsächlich Westfalen,<br />

nach 1875 bildeten Österreicher die Hauptmasse der Siedler.<br />

Ursprünglich waren die einzelnen Ansiedlungen durch Waldgebiete getrennt<br />

und besaßen auch kein Siedlungszentrum, sondern hatten die Struktur von weit<br />

auseinander liegenden „Seehufen“ (von etwa 75 bis 100 ha Größe), die vom Seeufer<br />

aus in den Wald gingen. „Durch diese Streusiedlung mit großen Entfernungen zwischen<br />

den Höfen übertrug sich die Isolation der ganzen Region auch auf die einzelnen<br />

Familien“ (Reiter 1992: 62). So blieben für einige Zeit landsmannschaftliche Siedlungen<br />

erhalten (z.B. schwäbische, hessische, böhmische Kolonien), die anfangs auch<br />

über dialektale Varietäten verfügten. Jedoch wurde im Laufe der Zeit das gesamte<br />

Seeufer besiedelt; entlang von Wegen wurden neue Siedlungen („Líneas“ ) eingerichtet.<br />

Aufgrund von Beschränkungen des Zukaufs von Landflächen wurde Kapital<br />

eher in verbesserte Anbaumethoden, Saatgut, Maschinen investiert, und es entstand<br />

eine für Chile völlig neue mittelbäuerliche Besitzstruktur. Dennoch waren bis<br />

1917 38,5% und bis 1961 mehr als 50% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche dieses<br />

Gebiets in Händen von Deutschchilenen (vgl. Reiter 1992: 63). Puerto Varas und<br />

Frutillar entwickelten sich im Laufe der Zeit zu Mittelpunktorten, in denen sich der<br />

Handel konzentrierte. In Frutillar bestand das erste Handelshaus der Colonia, es<br />

bildete sich ein deutscher Verein, eine deutsche Schule und eine protestantische<br />

Pfarre, die bis heute für das Seengebiet zuständig ist. Puerto Montt wuchs bis 1920 auf<br />

fast 10.000 Einwohner, die Verwaltung lag in ibero-chilenischen, Handel und Gewerbe<br />

in deutschen Händen, die Bevölkerungsmehrheit waren indigene „Chiloten“ (von<br />

der Insel Chiloé), die selbst wenig Spanisch sprachen. Heute ist Puerto Montt (mit<br />

1996 ca. 120.000 Einwohnern) Hauptstadt der „Región de los Lagos“ .


Jünemann Gazmuri (1994: 30f) stellt für die deutsche Einwanderung rückblikkend<br />

fest, daß aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung, nicht eingehaltener<br />

Versprechungen, administrativer Fehlplanung, Bodenspekulation, klimatischer und<br />

geographischer Extrembedingungen und Kommunikationsproblemen die Kolonisierung<br />

in der Anfangszeit ein Fehlschlag war. Auch quantitativ war die deutsche<br />

Einwanderung wesentlich weniger bedeutsam als etwa in Brasilien, das seinen<br />

Süden mit Immigranten besiedelte, und Argentinien, das im gleichen Zeitraum<br />

seine Bevölkerung verdoppelte. Dennoch gelang es mit Verspätung auch in der<br />

Colonia Llanquihue, die Siedlungsgebiete wirtschaftlich und naturräumlich „substantiell<br />

umzugestalten“ : Es wurden weite Landstriche gerodet, trocken gelegt und<br />

bebaut, es wurden Häfen (am Llanquihue-See) angelegt, eine regelmäßige Schiffsverbindung<br />

eingerichtet, Straßen gebaut, Betriebe gegründet, die Valdívia in eine<br />

Industrieregion verwandelten: 1882 waren 56% der Deutschen in Valdívia Gewerbetreibende<br />

gegenüber 2% der übrigen Bevölkerung. Bereits 1864 wird berichtet,<br />

daß die Deutschen eine relativ hochdeutschnahe Varietät verwendet hätten (vgl.<br />

Blancpain 1986: 191). Dies dürfte sich vor allem auf die städtischen Siedler beziehen<br />

und verdankt sich sicherlich auch dem frühzeitig entwickelten deutschen<br />

Schulwesen, das in ganz Chile als vorbildlich galt. Während sich in und um Valdívia<br />

und Osorno vorwiegend Handwerker und Kaufleute niederließen, fand am<br />

Llanquihue-See vor allem bäuerliche Besiedlung im Sinne einer Neulandkolonisation<br />

statt. Die Colonia Llanquihue verblieb lange in abgeschiedener Lage.<br />

Eine engere Anbindung der Colonia, zum Beispiel durch die Einrichtung von Zweigstellen<br />

staatlicher Einrichtungen, wurde von seiten der chilenischen Regierung<br />

abgelehnt (Reiter 1992: 66). Auch die Verwaltungsumstrukturierung, die 1861 mit<br />

der Erhebung der Region zur „provincia“ verbunden war, die aus drei<br />

„departamentos“ (mit jeweils drei distritos“ ) bestand, sollte nicht zu einer Integration<br />

der Deutschen führen: Sie übten weiterhin sämtliche administrativen Aufgaben<br />

aus und behielten die Selbstverwaltung. Die „Autarkie“ der Siedlungen am<br />

Llanquihue, damit die Notwendigkeit, sämtliche wirtschaftlichen, sozialen, administrativen<br />

und schulischen Einrichtungen selbst zu schaffen, stellte die Voraussetzung<br />

für die künftige Entwicklung dieser deutschen „Musterkolonien“ dar.<br />

Über die Notwendigkeit, Spanisch zu sprechen, gehen die Auffassungen auseinander:<br />

Reiter (1992: 110f) geht von kaum vorhandenen Sprachkontakten aus,<br />

Blancpain (1986: 94) und Burdach/Vega (1993: 17) betonen die frühe Zweisprachigkeit:<br />

Die Deutschen seien von Beginn der Besiedlung an von einem kontinuierlichen<br />

Strom chilenischer Binnenwanderer begleitet worden und hätten nie<br />

mehr als 5,5% der Bevölkerung ausgemacht. Die kulturellen, sozialen und konfessionellen<br />

Unterschiede hätten aber einen asymmetrischen Sprachkontakt bewirkt:<br />

33


34<br />

den Kontakt zwischen Herren und Arbeitern, „de patrones a obreros“ (ebd.).<br />

Dies änderte sich erst zur Jahrhundertwende mit dem Anschluß der Region<br />

durch den Eisenbahnbau, vor allem durch das aufblühende Wirtschaftsleben und<br />

die massive Zuwanderung spanisch sprechender Bevölkerung. In den Städten<br />

entsteht eine breite chilenische Mittelschicht. Damit wird der Sprachkontakt unabdingbar.<br />

Mit der Anbindung der Region wächst der Zuzug von Iberochilenen auch<br />

nach Llanquihue. Jedoch erreicht die Sprachbeherrschung des Spanischen in<br />

den ländlichen Kolonien lange Zeit nicht das Niveau der deutschen Stadtbewohner.<br />

Die deutschen Schulen, die (evangelischen) Kirchen und die deutschen Vereine<br />

stützten nach wie vor die deutsche Sprache. Am Llanquihue entwickelt sich eine<br />

von spanischen Lexemen interferierte Ausgleichsvarietät, das sogenannte „Launa-<br />

Deutsch“ (Lagunen-Deutsch, span. „Laguna“ ‘See’). Bieregel/Müschen (1983: 26)<br />

und Reiter (1992: 125) nennen zahlreiche Hispanismen („die vacken geletschert“<br />

‘die Kühe gemolken’, span. „lechar las vacas“ ) sowie „falsche Freunde“ („Examen“<br />

für ‘ärztliche Untersuchung’).<br />

Wachsender Wohlstand und eine zunehmende Mobilität prägen die ersten Jahrzehnte<br />

dieses Jahrhunderts. 1896 immatrikulieren sich die ersten deutschen Studenten<br />

an der Universität in Santiago, im gleichen Jahr wird die deutsche Burschenschaft<br />

gegründet. Wachsende Mobilität kennzeichnet die Deutschen, aber<br />

auch die Iberochilenen. Mit dem Schwinden der sozialen Kontraste fallen auch die<br />

ethnisch-kulturellen Unterschiede immer weniger ins Gewicht. Ebenso verlieren<br />

die konfessionellen Schranken in einer Zeit allgemeiner Säkularisierung an Bedeutung.<br />

Die Öffnung der deutschen Kolonien und eine zunehmende Anzahl von<br />

Mischehen führen schließlich zu einem spanisch dominierten Bilingualismus.<br />

Die sprachliche Assimilation setzte bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ein. In der<br />

NS-Zeit führt die „völkische“ Propaganda auch in Chile zu einer Rückbesinnung auf<br />

die Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit, vermittelt durch eine große Zahl von<br />

Vereinen. Die NS-Auslandsorganisationen versuchen, diese Vereine - ähnlich wie<br />

in Argentinien und Paraguay - gleichzuschalten und als ideologische Vorposten zu<br />

instrumentalisieren (s.o.). Aus der Perspektive der Deutschchilenen nimmt sich<br />

diese Zeit bis heute anders aus als aus bundesdeutscher Sicht: Sie ist mit einem<br />

Aufleben deutscher Traditionen, deutscher Kultur und deutschen Vereinslebens<br />

verbunden. Eine nostalgische Verklärung dieser Periode ist allerdings nicht gleichzusetzen<br />

mit einer NS-Anhängerschaft oder gar einer Heim-ins-Reich-Mentalität<br />

der Deutschchilenen. Schätzungen seitens des „Rassenpolitischen Amtes der<br />

NSDAP“ hatten bereits 1939 den Rückwanderungswillen der Deutschen in Brasilien,<br />

Argentinien und Chile als gering eingeschätzt (im Unterschied zu Uruguay und<br />

Paraguay; vgl. Bergmann 1994: 64).


Sprachlich gesehen hat diese Phase die Assimilation, die bereits begonnen hatte,<br />

noch einmal verzögert. Nach dem Kriege setzte sie sich fort: Spätestens in den<br />

1960er Jahren war das Potential der Renaissance der deutsch-chilenischen Kultur<br />

aufgezehrt. In einer von Grandjot und Schmidt 1960 veröffentlichten Studie unter<br />

mehr als 6.500 Befragten bezeichnen sich noch rund 70% als ausgewogen zweisprachig,<br />

jedoch geht diese Zahl in den folgenden Jahren rapide zurück, besonders<br />

unter den Jüngeren. In Chile wie in anderen Ländern bestätigt sich überdies<br />

die stärkere Assimilation der katholischen Deutschchilenen.<br />

Heute existiert nach wie vor eine große Anzahl von Vereinen und Einrichtungen<br />

(Sportvereine, Chöre, Frauenvereine, sogar Burschenschaften). 1981 wurden<br />

39 Organisationen mit 8.000 bis 9.000 Mitgliedern gezählt (vgl. Born/Dickgießer<br />

1989: 72). Diese sind jedoch oft spanischsprachig. Evangelische Gottesdienste werden<br />

in den sieben Kirchen der „Seengemeinde“ am Llanquihue immer noch mehrere<br />

Male im Monat auf Deutsch abgehalten, jedoch stoßen diese auf Sprachprobleme<br />

unter der Jugend. Deutschsprachige Radioprogramme und die deutsche<br />

Zeitung CONDOR unterstützen diese Bemühungen um die Aufrechterhaltung<br />

der deutschen Sprache. Die „Liga Chileno-Alemana“ versteht sich als Dachorganisation<br />

der Deutschchilenen, das „Emil-Held-Archiv“ in Santiago betreibt historische<br />

Forschungen zur Geschichte der Deutschen. Die 26 „deutschen Schulen“<br />

(1989), davon allein acht in Santiago, erteilen Deutschunterricht heute - bis<br />

auf wenige muttersprachliche Klassen (z.B. in Santiago, Valparaíso) - als intensivierten<br />

Fremdsprachunterricht. Von ihren 12.000 Schülern sind nur wenige noch deutsche<br />

Muttersprachler. Die deutschen Schulen und Kindergärten werden wegen<br />

ihrer besseren Sprachausbildung im Lande geschätzt. Die Schulen finden einen<br />

Teil ihrer Schülerschaft auch unter nicht der deutschchilenischen Gruppe angehörenden<br />

Chilenen, die Stipendien erhalten. Allerdings beginnen sich neue Lehrpläne,<br />

in Chile nur noch eine statt zweier Fremdsprachen zu unterrichten, für das<br />

Deutsche negativ auszuwirken: Deutsch hat gegenüber Englisch einen zunehmend<br />

schwereren Stand. Eine Umfrage in der Deutschen Schule Santiago 1987 (1000<br />

befragte Familien) ergab, daß knapp die Hälfte der Schüler zu Hause noch teilweise,<br />

nur ein Sechstel regelmäßig Deutsch spricht, darunter sicher viele Kinder von bundesdeutschen<br />

Diplomaten, Firmenvertretern etc. (vgl. Born/Dickgießer 1989: 69).<br />

Der Rückgang an deutschen Muttersprachlern wird zumindest in der Hauptstadt<br />

immer wieder durch Kinder von bundesdeutschen „Arbeitsmigranten“ gemildert,<br />

ebenso wie ein Teil der Lehrerschaft aus Deutschland kommt und von der Bundesregierung<br />

finanziert wird. Mit den bundesdeutschen Lehrkräften, Schülern und<br />

Eltern entstehen allerdings häufig Konflikte, die der Schwierigkeit entspringen, die<br />

Innen- und Außensicht Deutschlands und deutscher Kultur miteinander zu ver-<br />

35


36<br />

mitteln. Von Deutschchilenen wird daher der Einfluß bundesdeutscher „Immigranten<br />

auf Zeit“ nicht unkritisch gesehen. Allerdings ist die Verbindung mit Deutschland<br />

durchaus nicht einseitig: Es bestehen zahlreiche Kontakte nach Deutschland,<br />

viele Schüler der deutschen Schulen gehen im Rahmen des Schüleraustauschs<br />

oder zum Studium nach Deutschland.<br />

Wenn auch das Deutsche sich in permanentem Rückgang befindet, genießt es<br />

in Chile doch nach wie vor ein hohes Prestige. In der Llanquihue-Region ist<br />

„deutsch“ ein touristisches Markenzeichen geworden: Schilderaufschriften wie „Kuchen“<br />

, „Bierstube“ , „Café »Oma«“ usw. werden schlicht als Gütezeichen verwendet<br />

und haben keinen aktuellen deutschsprachigen Hintergrund mehr.<br />

Der Rückgang des Deutschen wird in einer Befragung von Ana María Burdach<br />

und Olly Vega (1994) unter 39 Deutschchilenen dreier Generationen in der<br />

Llanquihue-Region deutlich: Das Deutsche wird von den Informanten immer weniger<br />

verwendet, insbesondere herrscht bei den Jüngeren eine deutliche Tendenz<br />

des Sprachwechsels vor. Alle drei Generationen geben zwar noch an, beide Sprachen<br />

zu verwenden, die jüngeren noch zur Hälfte, die mittlere und ältere Generation<br />

zu drei Vierteln. Die Sprachwahl hängt jedoch vom Gesprächspartner und der<br />

Gesprächssituation ab: Die Großelterngeneration spricht untereinander und mit<br />

der Elterngeneration Deutsch, die Elterngeneration mit der Großelterngeneration<br />

Deutsch, aber untereinander beide Sprachen oder Spanisch, die Kindergeneration<br />

spricht außer mit den Großeltern mit allen Spanisch. Es gibt keine einzige Sprachdomäne,<br />

in der das Deutsche noch dominieren würde. In informellen Situationen<br />

verwenden Großeltern- und Elterngeneration beide Sprachen oder Spanisch, die<br />

Kindergeneration überwiegend Spanisch. In formellen und öffentlichen Situationen<br />

wird fast ausschließlich Spanisch gesprochen. Die Sprache in der (evangelischen)<br />

Kirche, in der Schule und im Kulturleben ist am ehesten noch deutsch, bei<br />

den jüngeren Informanten zweisprachig. Die katholischen Probanden dagegen<br />

haben das Deutsche in allen drei Generationen fast völlig aufgegeben. Die Studie<br />

erhärtet den Eindruck, daß das Deutsche heute nur noch institutionell gestützt<br />

wird, während in alle anderen Bereiche das Spanische rasch eindringt (vgl.<br />

Burdach/Vega 1994: 36ff).<br />

Ulrike Ziebur (1998) hat in einer Fragebogenerhebung mit 270 Informanten in<br />

der Llanquihue-Region, besonders an der deutschen Schule Puerto Varas, sowie in<br />

36 Interviews die Sprachverwendung des Deutschen und Spanischen untersucht.<br />

75% der Befragten geben an, zu Hause mit ihrer Familie nur noch Spanisch zu<br />

sprechen. Die Ergebnisse zeigen, daß die Verwendung des Deutschen - neben der<br />

Sprachkompetenz, die meist nicht mehr primärsprachlich erworben wurde - vom<br />

Alter, der Konfession und der Mitgliedschaft in deutschen Institutionen beeinflußt


wird. Interessanterweise definieren sich jeweils 40% als „Chilene deutscher Abstammung“<br />

bzw. als „Chilene“ und nur 7% als „Deutschchilene“ .<br />

4. Paraguay<br />

In Paraguay leben mindestens 60.000 Deutschsprachige, darunter über 20.000<br />

deutschsprachige Mennoniten (1987). Insgesamt wird von ca. 125.000 Deutschstämmigen<br />

gesprochen, die 3,3% der gut 4 Millionen (1993) zählenden Bevölkerung<br />

Paraguays ausmachen. Wahrscheinlich muß jedoch eine deutlich höhere<br />

Zahl angenommen werden, da seit einigen Jahren ein starker Zuzug in das<br />

paraguayisch-brasilianische Grenzgebiet eingesetzt hat, darunter auch viele<br />

Deutschbrasilianer.<br />

Paraguay war lange Zeit nach der Unabhängigkeit 1811 unter dem Diktator<br />

Francia völlig von der Außenwelt abgeschnitten, erlebte dann unter dem Präsidenten<br />

C. A. López eine bedeutende Modernisierung und erlangte einen beträchtlichen<br />

Wohlstand. Sein Sohn F. S. López trieb das Land in den ungemein verlustreichen<br />

„Tripelallianzkrieg“ mit Argentinien, Uruguay und Brasilien 1865 bis 1870. Von<br />

1,3 Millionen Einwohnern überlebten nur 200.000, davon 90% Frauen und Kinder.<br />

Erst nach diesem Desaster konnte das Land wieder aufgebaut werden. 1870 wurde<br />

eine neue demokratische Verfassung verabschiedet, eine vorsichtige Öffnung setzte<br />

ein, die sich schließlich auch in der Zuwanderung von Immigranten niederschlug<br />

(vgl. Klassen 1991: 79ff).<br />

Unter den Einwanderern nahmen die deutschsprachigen Siedler einen hohen<br />

Anteil ein. Bereits 1871 begannen erste Siedlungsversuche, die jedoch aufgrund<br />

wirtschaftlicher und klimatischer Schwierigkeiten zumeist fehlschlugen und wieder<br />

aufgegeben werden mußten. Seit 1881 (San Bernardino) wurden bis zur Jahrhundertwende<br />

vier Siedlungen gegründet, zumeist von Siedlern, die direkt aus<br />

Deutschland einwanderten. Nahezu alle Siedlungen der ersten Kolonisierungszeit<br />

befanden sich in der Nähe von Asunción, etliche Immigranten ließen sich auch in<br />

der Hauptstadt selbst nieder (vgl. Ratzlaff 1990: 114ff). Bis 1893 lebten aber erst 300<br />

Deutsche in Paraguay. Zur Gruppe der von Siedlern aus Deutschland, Österreich<br />

und der Schweiz angelegten Kolonien gehören auch die später gegründeten Orte<br />

Independencia (1920, schwäbische und badische Varietäten) Carlos Pfannl (1931,<br />

bairisch-österreichische) und Sudetia (1933).<br />

1900 wurde mit Hohenau die erste Kolonie von Deutschbrasilianern im südöstlichen<br />

Grenzgebiet zu Argentinien gebildet (Itapuá). Ihnen war Steuerfreiheit (auf<br />

15 Jahre), lokale Selbstverwaltung, freie Wahl der Richter und das Recht auf deutschsprachigen<br />

Schulunterricht (außer in Geschichte, Geographie und Spanisch) gesetzlich<br />

zugesichert worden. Zu dieser Gruppe gehören noch zwei weitere Siedlun-<br />

37


38<br />

gen. Der Zustrom von Deutschbrasilianern setzte aber in großem Umfange erst<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Er hält ungebrochen an und führt auch deutschsprachige<br />

Siedler nach Itapuá und - seit dem Bau des Staudamms Itaipú in den<br />

1970er Jahren - besonders ins östliche Grenzgebiet zu Brasilien (Alto Paraná). Unter<br />

ihnen dominiert das Hunsrückische. Von Alto Paraná aus ziehen sie oft weiter in<br />

andere Gebiete Paraguays (vgl. Bergmann 1994: 178). Die Zahl der Deutschsprechenden<br />

wurde bisher auf rund 40.000 geschätzt (vgl. Born/Dickgießer 1989: 151).<br />

Bergmann (1994: 183) spricht von 112.500 bis 150.000 deutschstämmigen Brasilianern<br />

angesichts einer Einwanderung aus Brasilien von 450.000 bis 500.000 Immigranten,<br />

die vor allem aus dem Süden kommen.<br />

1921 hatte die paraguayische Regierung das Gesetz Nr. 514 erlassen, das Einwanderern<br />

Religions- und Schwurfreiheit, Befreiung vom Militärdienst, das Recht auf<br />

eigene Schulen sowie ein freies Erbrecht zusicherte. Dies war die Grundlage für die<br />

große Zuwanderung von Mennoniten aus Kanada und der (späteren) Sowjetunion:<br />

Die erste Gruppe kam aus Kanada und gründete zunächst 1927 die Kolonie<br />

Menno in der Wildnis des Chaco. Kanada hatte nach dem Ende des Ersten Weltkrieges<br />

ein Gesetz beschlossen, das die englische Sprache als alleinige Unterrichtssprache<br />

vorsah, womit die Schul- und Sakralsprache der Mennoniten, das Hochdeutsche,<br />

verdrängt worden wäre. Mit der Schließung der mennonitischen Privatschulen<br />

war auch ein eigenständiger Religionsunterricht nicht mehr möglich. Darauf<br />

entschlossen sich ca. 1.700 Mennoniten aus Westkanada zur Auswanderung<br />

nach Paraguay (und 6.000 nach Mexiko).<br />

In der Hauptsache handelte es sich um sogenannte „Bergthaler“ , die ursprünglich<br />

aus der Chortitza-Gemeinde Bergthal im Schwarzmeergebiet stammten und<br />

von dort ab 1874 nach Kanada emigriert waren, nachdem die russische Regierung<br />

1871 den obligatorischen Russischunterricht in den Schulen und den Wehrdienst<br />

(oder einen Ersatzdienst) einführen wollte. Kurze Zeit nach der ersten Gruppe<br />

wanderten zwischen 1930 und 1932 2.000 „Rußlandmennoniten“ aus der Ukraine,<br />

von der Krim und aus Sibirien ein und gründeten die Kolonie Fernheim. Sie waren<br />

angesichts der zunehmenden religiösen Verfolgungen und der Landenteignung<br />

im Rahmen der „Entkulakisierung“ während der Stalin-Zeit emigriert und teils direkt<br />

aus der Ukraine, teils über Ostsibirien und Charbin, China, geflohen. Mit Unterstützung<br />

durch den Reichspräsidenten Hindenburg erhielten sie schließlich die<br />

Genehmigung zur Abreise nach Paraguay.<br />

Die Zuwanderung setzt sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort: Mennoniten<br />

aus der Westukraine, die mit den deutschen Truppen über den sogenannten<br />

„Warthegau“ nach Deutschland gezogen waren und in die Sowjetunion repatriiert<br />

werden sollten, wanderten nach Südamerika aus und gründeten 1947 die Kolonien


Neuland im Chaco und Volendam nördlich von Asunción. 1967 bis 1969 kamen sehr<br />

konservative Mennoniten (und Amische) aus den USA hinzu und gründeten drei<br />

Kolonien in Ostparaguay. Es handelt sich bei ihnen um zu Beginn des 18. Jahrhunderts<br />

aus der Schweiz und dem Elsaß in die USA ausgewanderte Englischsprachige<br />

(vgl. Ratzlaff 1989: 13). Bis in die 1980er Jahre sind weitere Gruppen von Mennoniten<br />

aus den USA, aus Mexiko und Belize und einzelne aus Brasilien eingewandert. Auch<br />

in der Hauptstadt haben sich zahlreiche Mennoniten niedergelassen.<br />

Siedlungsschwerpunkte sind jedoch vor allem der Chaco, in dem etwa die Hälfte<br />

der Mennoniten in 118 Dörfern leben, sowie Ostparaguay (die andere Hälfte der<br />

Mennoniten).<br />

Die Mennoniten haben die Kolonien nach Anfangsschwierigkeiten, besonders<br />

im Chaco, zu einer erstaunlichen wirtschaftlichen und kulturellen Prosperität geführt.<br />

Die Mehrzahl der Mennoniten Paraguays (57%) gehört heute zu den sogenannten<br />

„fortschrittlichen“ Mennoniten. Sie verfügen über ein ausgebautes Bildungswesen,<br />

das Primar- und Sekundarschulen und ein zweisprachiges Lehrerbildungsseminar,<br />

eine Landwirtschaftsschule sowie eine Behindertenwerkstätte<br />

und Kindergärten einschließt. Die Kolonien besitzen Krankenhäuser, Altenheime,<br />

Sozialstationen, Gästehäuser und Supermärkte. Die Kooperativen sind wirtschaftlich<br />

sehr erfolgreich und durch ein Vermarktungsnetz mit Filialbetrieben in Asunción<br />

verbunden: 50% aller Milchprodukte Paraguays werden von den Molkereien der<br />

Kolonien produziert (vgl. Ratzlaff 1996: 2ff). In den Kolonien existiert ein Wegenetz<br />

von 2.500 km Sandpisten. Es wird die Zeitung MENNO-BLATT herausgegeben und der<br />

Sender „La Voz del Chaco Paraguayo“ in Filadelfia (Fernheim) betrieben, der in<br />

neun Sprachen sendet (1996: 22% der wöchentlichen Sendezeit auf Deutsch, 65%<br />

auf Spanisch, 13% in mehreren Indianersprachen sowie auf Englisch).<br />

Bereits 1935 begannen die Mennoniten mit der Missionierung der Indianer. In<br />

der Umgebung leben zahlreiche indigene Gruppen, die neben Guarani verschiedene<br />

Indianersprachen sprechen, darunter am häufigsten Lengua, Chulupí (Nivaclé)<br />

und Ayoreo. Guarani ist heute zweite Landessprache in Paraguay und wird auch in<br />

der Schule, zumindest mit zwei Stunden in den ersten drei Klassen, unterrichtet. Die<br />

Mennoniten haben die indigene Bevölkerung in ihren Kooperativen angestellt; damit<br />

war zugleich ein Seßhaftwerdungsprozeß verbunden. Nachdem die Lager der<br />

Arbeiter sich in den 1970er Jahren zu regelrechten „Slums“ entwickelt hatten, wurde<br />

beschlossen, Land für die Indianer anzukaufen: 1995 lebten etwa 10.000 Indianer in<br />

zwölf Siedlungen auf etwa 150.000 ha. Land mit rund 1.400 eigenen Höfen (vgl.<br />

Klassen 1991: 187 u. 190). Heute gibt es 7.000 indigene und 4.000 „latein-paraguayische“<br />

Mennoniten. Unter den Indianern, die bei Mennoniten gearbeitet oder gelebt<br />

haben, gibt es mitunter „Plautdietsch“ -Sprecher.<br />

39


40<br />

Der nahezu siedlungsleere Chaco (mit knapp zwei Dritteln der Landesfläche,<br />

aber nur 2% der Einwohner) bot den Mennoniten ideale Bedingungen eines abgeschiedenen<br />

Lebens. Auch die Stationierung von Soldaten während des Chaco-<br />

Krieges 1932-1935 tangierte die Autarkie der Kolonien nur vorübergehend. Allerdings<br />

brachte die Fertigstellung der Ruta Trans Chaco in den 1960er Jahren bzw.<br />

ihre Asphaltierung 1987 den Anschluß des Chaco an die Landesentwicklung. Die<br />

Öffnung der Kolonien gegenüber der paraguayischen Gesellschaft führte zu weitgehender<br />

Zweisprachigkeit, aber keineswegs zur Assimilierung.<br />

Spanisch wird von den meisten gesprochen, hinzu kommt Portugiesisch bei<br />

den aus Brasilien Eingewanderten. Allerdings bleibt das Deutsche in den Chaco-<br />

Kolonien nach wie vor die dominante Sprache, die sämtliche Bereiche des Kolonielebens<br />

prägt, während in Itapuá das Spanische vordringt. In der Deutschen Schule<br />

„Concordia“ in Asunción wird die eine Hälfte der Fächer auf Deutsch, die andere<br />

(Mathematik, Musik, Kunst, Sport) auf Spanisch unterrichtet. Unter 356 Schülern<br />

werden 65% mennonitische Deutschparaguayer, 10% andere Deutschparaguayer<br />

und 25% „Spanischsprachige“ von der Schulleitung gezählt. Die Bedingungen in<br />

der Hauptstadt führen selbstverständlich zu einem sehr viel stärkeren Kontakt mit<br />

dem Spanischen als im Chaco.<br />

Clemens Scharf (1996) hat für die Mennoniten in Uruguay die Auswirkungen<br />

des Lebens in der Hauptstadt (Montevideo), in einer Kleinstadt (Colonia del<br />

Sacramento) und in den Kolonien (Gartental, El Ombú, Delta) in einer interessanten<br />

Studie zur sprachlichen „Akkulturation“ untersucht. Dabei fließen neben dem<br />

Raum weitere Basisfaktoren (Alter, Geschlecht) sowie eine Reihe von Kofaktoren<br />

(Bildung, Mobilität, berufsbedingte Sprachkontakte, Exogamie usw.) ein. Gegenstand<br />

sind deutsche Merkmale in der spanischen Rede der Probanden auf lexikalischem,<br />

grammatischem und phonetisch-phonologischem Gebiet. Im Ergebnis<br />

zeigt sich, daß die „Akkulturation“ hierarchisch von den Basisfaktoren Raum, Alter<br />

und Geschlecht abhängig ist, jedoch von einigen Kofaktoren (z.B. Bildung, Mobilität)<br />

modifiziert wird.<br />

In den Chaco-Kolonien Paraguays ist die Alltagssprache in der Regel die<br />

ostniederdeutsche Varietät. Bei den aus Kanada eingewanderten Mennoniten<br />

überwiegt die „Chortitza“ -Varietät der sogenannten Altkolonien im Schwarzmeergebiet,<br />

bei den aus der Sowjetunion zugewanderten die „Molotschna-Varietät“ ,<br />

eine etwas jüngere, jedoch prestigereichere Dialektvarietät, die sich auch bei den<br />

Kanada-Auswanderern ausbreitet. Allerdings liegen beide Varietäten nicht in völlig<br />

getrennter Form vor, sondern zeigen verschiedene Ausgleichserscheinungen.<br />

Das Hochdeutsche wird heute immer häufiger auch im familiären Kontext verwendet.<br />

Kenntnisse einer standardnahen Varietät sind aufgrund des Schulunter-


ichts und der Verwendung als Sprache des Gottesdiensts in der Regel vorhanden,<br />

in Asunción sogar offenbar stärker als die des „Plautdietschen“ . Der Vorschule wird<br />

die Aufgabe zugewiesen, die Kinder vom „Plautdietschen“ zum Hochdeutschen zu<br />

führen. Dazu wird in den ersten drei Primarschulklassen heute das „Plautdietsche“<br />

toleriert. Das „Plautdietsche“ hat jedoch in förmlichen Kontexten den Stempel des<br />

„Unernsthaften“ . Es war früher in den Schulen untersagt, „Plautdietsch“ auch nur<br />

auf dem Pausenhof zu sprechen. In einem Schulbuch „‘Wie sag ich’s richtig?’ Kleiner<br />

plattdeutsch-hochdeutscher Sprachkurs“ wird als Problembefund festgestellt:<br />

„Die meisten Fehler rühren von der Direktübersetzung des plattdeutschen Dialekts<br />

und der Übertragung seiner grammatischen Strukturen auf das Hochdeutsche<br />

her“ (Schnitzspahn/Rudolph 1995: 81). Außerdem wird auf englische und spanische<br />

Interferenzen hingewiesen, wie etwa „der Permiso - die Erlaubnis“ bzw. „phonen<br />

- telephonieren“ (ebd.: 51).<br />

Von den deutschsprachigen Einwanderern aus Brasilien wird zumeist<br />

Hunsrückisch gesprochen. Sie sind mittlerweile in großer Zahl als Arbeitskräfte in<br />

den Chaco-Kolonien tätig. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich dieser<br />

intensive Varietätenkontakt auswirkt. Eine Verständigung ist jederzeit möglich, wenn<br />

Mennoniten Hochdeutsch und Deutschbrasilianer Hunsrückisch sprechen. Das<br />

Hochdeutsche bekommt allerdings damit eine weiter „säkularisierte“ Funktion, die<br />

es früher nicht zu erfüllen hatte. Ob dies das klar strukturierte Sprachgebrauchssystem<br />

der Kolonien destabilisieren wird, bleibt abzuwarten.<br />

Ähnliche Erscheinungen hat Kelly Hedges (1996) bei Old Colony Mennoniten<br />

in Chihuahua, Mexiko, untersucht. Hier beginnt die „Sprachideologie“ der Gemeinschaft<br />

ins Schwanken zu geraten, da sich die Verwendungsbereiche des Hochdeutschen<br />

und des „Plautdietschen“ aus beiden Richtungen gegeneinander zu<br />

verschieben beginnen: Kommentare von Predigern im Gottesdienst werden zunehmend<br />

auch auf „Plautdietsch“ formuliert. Umgekehrt dient hochdeutscher<br />

Schriftgebrauch immer mehr auch profanen Alltagszwecken: „A sense of<br />

‘sacredness’ could spill into the everyday (...), and the boundaries between the<br />

‘sacred’ and ‘everyday’ realms could become blurred“ (Hedges 1996: 327). Ähnliches<br />

trifft auch auf die Mennoniten in Paraguay zu.<br />

Auch Frank Albers (1997) beschäftigt sich in einer Vergleichsstudie zwischen<br />

einer traditionellen und einer „liberalen“ Gemeinde unter den Mennoniten in Belize<br />

mit den Verwendungsbereichen der vorhandenen Varietäten: auch hier breiten<br />

sich die Funktionsbereiche der verwendeten Varietäten aus. In der konservativen<br />

Gemeinde Upper Barton Creek dient das Hochdeutsche mittlerweile als Verkehrsvarietät.<br />

Es dominiert in allen Sprachverwendungsbereichen und wird durchaus<br />

nicht nur im Gottesdienst oder in der Schule gebraucht. Dies hängt mit dem Zuzug<br />

41


42<br />

von Amischen aus den USA zusammen. Obwohl den Einheimischen wie den Zugezogenen<br />

das Englische als Kontaktvarietät zur Verfügung stünde und viele auch<br />

Pennsylvania-Deutsch verstehen, wird hierfür doch die (ehemalige) Sakralsprache<br />

gewählt. Umgekehrt breitet sich in der „liberalen“ Gemeinde Spanish Lookout das<br />

„Plautdietsch“ auch in den Sakralbereich aus, z.B. als „Gebetssprache“ (vgl. Albers<br />

1997: 80). Ob sich damit eine Wandlung des sprachlichen Variationssystems andeutet,<br />

die von symbolischem oder gar rituellem Wert ist, wird zu untersuchen sein.<br />

Die Rolle des Spanischen (und Portugiesischen) ist in den Chaco-Kolonien Paraguays<br />

nach wie vor klar begrenzt, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen<br />

ist: die periphere geographische Lage, die geringe Urbanisierung und Industrialisierung,<br />

eine deutschsprachige Mehrheit in den ländlichen Siedlungen, ein<br />

fest etabliertes mennonitisches Netzwerk, in das sich die deutsch-brasilianischen<br />

Zuwanderer - vorerst noch - einpassen und auf dessen gesicherter Basis auch die<br />

Öffnung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und -sprache stattfinden kann.<br />

Fazit: Einige Forschungsfragen<br />

aus der Vergleichsperspektive<br />

Die deutschen Minderheitengruppen in den vier südamerikanischen Ländern<br />

Argentinien, Brasilien, Chile und Paraguay könnten unterschiedlicher nicht sein.<br />

Sie sind bis zu einem gewissen Grade ebenso verschieden wie ihre Mehrheitsgesellschaften:<br />

Brasilien hat den Deutschen lange Zeit Rückzugsmöglichkeiten geboten, die<br />

Eigenheiten ihrer Sprachinseln zu bewahren. In dieser Hinsicht ist die Entwicklung<br />

der Deutschen in der multiethnischen Gesellschaft Brasiliens durchaus vergleichbar<br />

mit der der rußlanddeutschen Sprachinseln: auch die lange Dauer des<br />

Assimilationsprozesses von immerhin sechs Generationen, die deutliche Differenzierung<br />

zwischen Land- und Stadtbewohnern, die spracherhaltende Funktion der<br />

geschlossenen ländlich-abgeschiedenen Siedlerkolonien, die Dominanz und<br />

Binnenmischung dialektaler Ortsvarietäten und die Stigmatisierung infolge der<br />

Zäsur des Zweiten Weltkriegs zeigen eine Reihe von Parallelen. Das starke Überwiegen<br />

der aus dem Hunsrück stammenden Einwanderer, die das sprachliche<br />

Varietätenspektrum prägten, das Fehlen jeglicher Deportation (wie in der Sowjetunion),<br />

die immer vorhandene Option einer über-ethnischen Kategorie des<br />

„Brasileiro“ und die nie abgebrochenen Verbindungen nach Deutschland setzen<br />

dieser Vergleichbarkeit andererseits deutliche Grenzen. Auch sind die deutschbrasilianischen<br />

Urwald-„Schneisen“ durch ihre „zellenförmige“ Struktur von


„Familiendörfern“ als Basis des sprachlichen Ausgleichs gänzlich anders strukturiert.<br />

Der tiefe Einschnitt des „Estado Novo“ führte zur künstlichen „Fossilisierung“<br />

der Sprachinseln im Dialekt. Jedoch stellt die „Diffusion“ des Hunsrückischen, das<br />

andere Varietäten verdrängt oder zum Teil sogar überdacht, unter diesen Umständen<br />

eine hochinteressante Entwicklung dar. Die sprachlichen Ausgleichsmechanismen,<br />

die diesem Prozeß zugrunde liegen, sind in den „Neuen Kolonien“ ein ebenso ergiebiger<br />

Untersuchungsgegenstand, wie sie es in den rußlanddeutschen Tochterkolonien<br />

in Sibirien und Mittelasien waren - mit einem entscheidenden Unterschied: Dialektale<br />

Ausgleichsprozesse sind in der Sowjetunion immer wieder gewaltsam abgebrochen<br />

worden. Zur Herausbildung einer echten Koine bzw. eines Ausgleichsdialekts konnte<br />

es nicht kommen. Heute sind die rußlanddeutschen Sprachinseln so labil, daß dialektale<br />

Heterogenität zum Sprachwechsel führt, da keine (deutsche) Überdachung<br />

und auch keine Verkehrsvarietät existiert. Was die deutschbrasilianischen Sprachinseln<br />

überdies spannend macht, ist die Tatsache, daß die Verbreitung des Hunsrückischen<br />

nach wie vor anhält, z.B. im brasilianisch-paraguayischen Grenzgebiet.<br />

Die Ausgleichsvorgänge laufen unter unseren Augen ab. Nach welchen<br />

Regularitäten vollziehen sie sich? Es wird von besonderem Interesse sein, zu verfolgen,<br />

welche Mischungsprozesse, aber auch welche koexistierenden Formen aus<br />

dem Zusammentreffen kompakter Sprechergemeinschaften resultieren: Dabei treten<br />

Prozesse der dialektalen Variation, des dialektalen Ausgleichs, des Dialektwandels<br />

und der sprachlichen Interferenz (mit dem Portugiesischen) auf, die analytisch<br />

von einander zu unterscheiden sind. Für die Untersuchung des Sprachkontakts<br />

mit dem (brasilianischen) Portugiesischen bestehen mit den von VARSUL<br />

bereitgestellten Daten, aber auch den dialektgeographischen Ergebnissen von<br />

Walter Koch und Cléo Altenhofen ausgezeichnete Voraussetzungen. Ein<br />

Forschungsdesiderat liegt in einem soziolinguistischen Vergleich der Entwicklung<br />

der drei wichtigsten Immigrantensprachen: des Deutschen, des Italienischen und<br />

des Japanischen.<br />

Argentinien hat seine Immigrantensprachen stärker assimiliert, vor allem im Zuge<br />

des wirtschaftlichen Aufschwungs seit der Zwischenkriegszeit. Die Verstädterung<br />

des Landes ist früher vorangeschritten als in allen anderen hier behandelten Staaten.<br />

Dies gilt besonders für das Gebiet am Rio de la Plata. Die erhaltenen wolgadeutschen<br />

Kolonien stellen ein besonders interessantes Untersuchungsfeld dar.<br />

Die eigenständige Weiterentwicklung der aus Rußland mitgebrachten Varietäten<br />

und ihr rußlanddeutsches „Pendant“ bieten sich zum Vergleich an. Das Projekt<br />

eines dialektorientierten Deutschunterrichts in den Kolonien bei Coronel Suárez<br />

könnte ein „Schule machendes“ Beispiel dafür sein, wie eine „dachlose Außenmundart“<br />

unter starkem Assimilationsdruck stabilisiert werden kann.<br />

43


44<br />

Deutsche Minderheiten in Lateinamerika im Vergleich<br />

Anzahl (Schätzung)<br />

Regionen<br />

Erhalt der<br />

deutschen Sprache<br />

deutsche Varietäten<br />

Bilingualismus<br />

Sprachdomänen<br />

des Deutschen<br />

soziolinguistische<br />

Faktoren des<br />

Spracherhalts<br />

Nationalitätenpolitik<br />

historische Entwicklung<br />

Argentinien<br />

300.000 (- 700.000)<br />

Prov./Stadt Buenos Aïres,<br />

Entre Ríos, Misiones, Chaco, Pampa<br />

geringer bis mittlerer Erhaltungsgrad<br />

rußlanddt. Dialekte u.a.<br />

(Wolga, Schwarzmeer)<br />

Spanisch - Deutsch<br />

nicht-öffentliche Sphäre<br />

(Familie, dörfl. Bereich)<br />

Schule: Dialektunterricht<br />

Verein „Konie 2000“<br />

Alter, Dorf, Honoratioren, Entfernung<br />

von Zentren/Städten, (Schule)<br />

Einwanderungsland<br />

„weißes Land“<br />

liberale Schulpolitik<br />

ständ. wirtsch. Verbind./ Einwand.<br />

aus Deutschl.<br />

ab Mitte 19. Jh.:<br />

Einwand. aus Deutschland<br />

(dt.-evang. Gem. 1843)<br />

Rußlanddt. seit 1877/78:<br />

Entre Ríos/Buenos Aïres<br />

Wolgadt./Schwarzmeerdt.<br />

1930er: NSDAP-Org.<br />

1933-38: 45.000 Juden<br />

Unterschlupf für führende<br />

Nationalsoz.<br />

bis 1945: 22 dt. Schulen<br />

Perón: Nationalisierung<br />

und „Antifaschismus“<br />

1950: 3 dt. Schulen<br />

Modernisierung des<br />

Landes: Hispanisierung<br />

(Italiener frühzeit. assim.)<br />

1989: 24 „dt. Schulen“<br />

(15.680 Schüler)<br />

FREIE PRESSE (Tagesztg.)<br />

Argentin. Tageblatt<br />

(Wochenzeitung)<br />

Ev. Kirche am Río de la Plata<br />

(70 Gemeinden in<br />

Arg./Urug./Parag.)<br />

Brasilien<br />

500.000 (- 1,4 Mill.)<br />

Rio Grande do Sul<br />

Santa Catarina<br />

Paraná, Espírito Santo<br />

mittlerer bis örtlich höherer<br />

Erhaltungsgrad<br />

Dialekte: Hunsrück., Pommersch,<br />

menn. Plautdietsch u.a.<br />

(bras.) Portug. - Deutsch<br />

nicht-öffentliche Sphäre<br />

(Familie, dörfl. Bereich)<br />

Kontakt mit Angehörigen der<br />

älteren Generation<br />

Alter, Dorf,<br />

konfessionelle Gruppen<br />

(Evang., Menn.)<br />

multiethnischer Staat<br />

anfängl. Ausschluß von Nicht-<br />

Katholiken von öffentl. Funktionen<br />

„Brasilianisierung“<br />

seit 1818:<br />

Einwand. aus Deutschl.<br />

(Leopoldina, Bahia)<br />

Rio Grande do Sul (1824)<br />

1922 Rio Grande do Sul:<br />

698 dt. Schulen<br />

1930/37: Getúlio Vargas<br />

(„Estado Novo“)<br />

Nationalisierung/Brasilianisierung<br />

1938: Schulspr. Portug./<br />

Verbot ausl. Schulen<br />

1939: Kanzelverbot Fremdspr.<br />

1940: Unterr. sämtl.<br />

Fremdspr. verboten<br />

1942: Kriegseintritt Bras.<br />

Deutsch verboten<br />

(Gefängnisstrafen)<br />

Stigmatis. des Deutschen<br />

heute: 200 Schulen DaF<br />

Brasil Post/Dt. Zeitg.<br />

(Wochenzeitungen)<br />

13 relig. Blätter<br />

7 Ztg. Wirtsch. Themen<br />

Blumenau: zweitgrößtes<br />

Oktoberfest der Welt<br />

(1 Mill. Besucher)


Chile<br />

(65.000 -) 85.000<br />

Llanquihue<br />

Valdívia, Osorno<br />

Santiago, Concepción<br />

geringer bis mittlerer Erhaltungsgrad<br />

hochdt. Standardsprache<br />

(Ältere und Schüler)<br />

Spanisch (- Deutsch) „Lagunendeutsch“<br />

(mit span. Interferenzen)<br />

Kontakt unter Angehörigen der älteren<br />

Generationen<br />

Vereine, ev. Gottesdienste<br />

Alter<br />

Deutschunterricht<br />

Einwanderungsland<br />

Prestige des Deutschen<br />

Deutsche: o. Mittelschicht<br />

ständ. wirtsch. Verbind./<br />

Einwand. aus Deutschl.<br />

seit 1846: Einwanderung<br />

aus Deutschl.<br />

1853: Llanquihue<br />

Alle Berufsgruppen<br />

(inkl. Gebildete/“1848er“)<br />

Prestige des Deutschen<br />

dt. Einfluß im chil. Staat<br />

Deutsche: z.T. o. Mittel-schicht<br />

(Kaufl., Farmer)<br />

seit 1900: beginnende Erschließung<br />

des Südens<br />

1930er: NSDAP-Org.<br />

nach 1945: Modernis. der<br />

Wirtsch. / Infrastruktur<br />

Angleichung sozialer<br />

Unterschiede<br />

Hispanisierung<br />

Rückgang des Deutschen<br />

heute: 26 Schulen (8 in Santiago)<br />

mit DaF (12.327 Schüler)/2 Kindergärten<br />

Dt.-chil. Bund<br />

Vereine (8.000 Mitgl.)<br />

Radioprogr. (dt.+span.)<br />

CONDOR (Wochenztg.)<br />

dt. Evang. Gottesdienste<br />

(Llanquihue)<br />

Paraguay<br />

20.000 (-35.000)<br />

Chaco/Ostparaguay<br />

(Mennoniten)<br />

Itapuá, Guaira, Asunción<br />

höherer Erhaltungsgrad<br />

menn. Plautdietsch<br />

hd. Standardsprache Hunsrückisch<br />

Deutsch-Spanisch (z.T. indigene Sprachen)<br />

(bras. Portugiesisch)<br />

Kolonien: Deutsch in allen Bereichen<br />

Alltagssphäre: Plautdt.<br />

Kirche/Schule: Hd.<br />

Region, Konfession<br />

(Mennoniten)<br />

zweisprachiges Land<br />

(Span., Guaraní)<br />

Förderung der Menn.<br />

Religionstoleranz<br />

Marginalis. d. Indianer<br />

seit 1881: dt. Siedl.<br />

1900: Dt.-Brasil.<br />

1927: Menno (Kanada)<br />

1930: Fernheim (SU)<br />

1947/48: „Warthegau“<br />

1945-: Mexico/USA<br />

ab 1970: Brasiliendt.<br />

Gesetz Nr. 514 (1921)<br />

(Religionsfreiheit,<br />

Militärdienstbefreiung,<br />

eigene Schulen)<br />

deutschfreundl.<br />

Politik unter Stroessner<br />

Entwickl.-rückstand des Landes<br />

fördert Erhalt der Sprachinseln<br />

(geringe Urbanisierung/ Industrialis.<br />

Modernis./ Bev.-dichte)<br />

menn. Wirtschaftskraft<br />

menn. Netzwerke<br />

63 Privatschulen<br />

menn. Lehrerseminar<br />

MENNOBLATT (14tägig)<br />

Radiosender<br />

„La Voz del Chaco Paraguayo“<br />

(22% dt. Sendungen)<br />

Dt.-brasil. Einwand.<br />

45


46<br />

Chile hat den Süden des Landes lange Zeit sich selbst überlassen. Die Anbindung<br />

des ehemaligen „wilden Südens“ hat die Bedingungen der deutschen Sprachinseln<br />

fundamental gewandelt: Migration und Mobilität brachten die Sprachgruppen<br />

in intensiven Kontakt, Modernisierung und soziale Entwicklung ließen die<br />

ethnisch-kulturellen Schranken unbedeutend werden. Die „Chilenen deutscher<br />

Abstammung“ sind noch keine „Folklore“ -Minderheit. Dazu ist ihre soziale und<br />

ökonomische Stellung zu hoch und das Prestige des Deutschen zu ausgeprägt. Die<br />

Frage der Aufrechterhaltung einer ethnisch-kulturellen Identität angesichts eines<br />

zunehmenden Sprachwechsels stellt ein interessantes Untersuchungsfeld dar. Die<br />

Deutschen in Chile, Brasilien und Paraguay wurden zu Beginn der Kolonisation<br />

bewußt als „Fremdkörper“ im Lande angesiedelt. Die Zeit ist absehbar, zu der diese<br />

Rolle in Chile reine Historie ist. Die Angehörigen der jungen und mittleren Generation<br />

wachsen als Chilenen unter Chilenen auf - mit einem gewissen Bewußtsein<br />

deutscher Wurzeln, das jedoch kaum mit deutscher Sprache zusammenhängt. Alle<br />

hier behandelten deutschen Gruppen sehen sich heute in erster Linie als Bürger<br />

ihres Landes, in weiterer Linie auch als „deutsch“ (nicht: „bundesdeutsch“ ). Dies<br />

ist auch eines der Ergebnisse der NS-Zeit und der Rolle, zu der sich die deutschsprachige<br />

Bevölkerung in Lateinamerika seitdem verstanden hat.<br />

Die Mennoniten in Paraguay sind wie in Rußland die stabilste deutschsprachige<br />

Gruppe. Auf der Grundlage ihrer religiösen und ethnisch-kulturellen „Exterritorialität“<br />

haben sie die Herausforderung annehmen können, die die Öffnung des Chaco<br />

gestellt hat. Wirtschaftskontakte zur Mehrheitsgesellschaft, Zweisprachigkeit, Mobilität<br />

werden in den Dienst gestellt, nicht erlitten. Gleichwohl verändert sich das<br />

soziale und kulturelle Gefüge in den Kolonien: Die massive Zuwanderung<br />

Hunsrückisch (oder Portugiesisch) sprechender Deutschbrasilianer wird die Kolonien<br />

verändern. Die Trennung von Sakralbereich und „Welt“ , die auch sprachlich<br />

symbolisiert ist, beginnt durchlässig zu werden. Es wird sich zeigen, ob die<br />

Sprachvarietäten des „Plautdietschen“ und des hochdeutschen Standards ihre<br />

Verwendungsbereiche langfristig beibehalten können oder neue - soziale - Funktionen<br />

erhalten.


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Diplomarbeit, Europa-Universität Frankfurt/O., ersch. demn.). Frankfurt (Oder).<br />

Peter Rosenberg, Dr.phil., geb. 1953, studierte Germanistik und Geographie in Berlin, Wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin 1985 bis 1993, seit 1993 an der Europa- Universität<br />

Viadrina Frankfurt (Oder), Fakultät für Kulturwissenschaften (Linguistik).<br />

Arbeitsgebiete: Vergleichende Sprachinselforschung, Sprachminderheitenforschung, Dialektologie,<br />

Soziolinguistik, Stadtsprachenforschung.<br />

Seit 1989 Aufbau der Arbeitsstelle „Deutsch als Minderheitensprache“.<br />

Gutachten und Beratung öffentlicher Institutionen zur sprachlichen Integration von deutschen Aussiedlern<br />

aus Osteuropa in der Bundesrepublik Deutschland.<br />

Forschungsreisen zur Sprache der Deutschen in Osteuropa und Lateinamerika.<br />

Zahlreiche Publikationen und Vorträge.<br />

Der vorstehende Text wurde erstmals publizie47rt in “Particulae Particularum zum 60. Geburtstag von<br />

Harald Weydt. Herausgegeben von Theo Harden und Erika Henkel”. Verlag Stauffenburg, Tübingen<br />

1998, s. 261 bis s.291. Die Redaktion dankt fuer die Erlaubnis zum Wiederabdruck.<br />

49


Die Seereisen Schmidels


Ulrich Schmidels Wahrhaftige<br />

Beschreibung (publiziert 1567)<br />

im Kontext der deutschen<br />

Südamerikaliteratur der Zeit<br />

Franz Obermeier<br />

Resumo: Estudo em profundidade da importância dos escritos<br />

historiográficos de Ulrich Schmidel, narrativa de sua estadia<br />

na América do Sul no século XVI. A obra se divide em<br />

duas partes: a crônica e o estudo etnográfico e aborda o<br />

estreito relacionamento entre Schmidel e Alvar Nuñez<br />

Cabeza de Vaca, o Adelantado do Paraguay.<br />

Abstract: Profound analysis of Ulrich Schmidel’s historiographical<br />

descriptions relating to his prolonged stay in South<br />

America in the 16 th century. Schmidel’s work can be divided<br />

in two parts, historical and ethnic studies. Both focus<br />

on his friendship with Alvar Nuñez Cabeza de Vaca,<br />

Paraguay’s “Adelantado”.<br />

Schmidels<br />

Südamerika<br />

(Kiel)<br />

51


52<br />

Personengeschichte und Entstehung des Werks<br />

Titelseite<br />

der<br />

Ausgabe<br />

von<br />

Levinus<br />

Hulsius,<br />

1599<br />

Schmidels Werk hat bisher nicht die ihm zustehende Würdigung als eines der<br />

wichtigsten Quellenwerke der frühen Kolonialzeit Südamerikas erfahren. Es stand<br />

lange Zeit im Schatten des bekannteren und auch literarisch ansprechenderen<br />

Reisebuchs von Hans Staden (1557), dessen persönliche Schilderung seiner Gefangenschaft<br />

dem modernen Leser durch den geschickten Einsatz von narrativen<br />

Elementen entsprechend der heutigen Genretradition des persönlich gefassten<br />

Reiseberichts mehr entgegenkommt als die trockene historiographische Chronik<br />

des Soldaten Schmidel.<br />

Die biographischen Angaben zum Leben Schmidels sind spärlich. Er wurde im<br />

niederbayerischen Straubing in einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die Bürgermeister<br />

stellte und im Rat der Stadt vertreten war, geboren. Das Geburtsjahr


liegt zwischen 1500 und 1510. Angaben über die Ausbildung sind nicht erhalten,<br />

der Besuch der örtlichen Lateinschule ist wohl anzunehmen. Über Antwerpen<br />

reiste Schmidel 1534 nach Spanien, wo er sich der Expedition Mendoza in die La<br />

Plata-Region anschloss. Dieser Zeitpunkt fällt wohl mit seiner Volljährigkeit zusammen,<br />

die damals ausgesprochen wurde, als das Mündel zwischen 20 und 25 Jahre<br />

alt war. Als Sohn aus zweiter Ehe bestanden für Schmidel wohl keine großen Ansprüche<br />

auf das väterliche Erbe, was mit ein Anlass für die Reise gewesen sein mag.<br />

Einer seiner Halbbrüder, Thomas, machte in seiner Heimatstadt Straubing eine<br />

ansehnliche Karriere. Nach dem Studium in Ingolstadt wurde er Ratsmitglied, Spitalmeister,<br />

Bürgermeister und zuletzt sogar fürstlicher Rat. Sein Brief, der Ulrich<br />

Schmidel über die Faktorei der Fugger in Sevilla zuging und den er am 18. Juli 1553<br />

(nach Schmidels Kalender am 25.07.1552) erhielt, veranlasste ihn, nach einem<br />

zwanzigjährigen Aufenthalt wegen der Aussicht auf das Erbe seines kinderlosen<br />

Bruders zurückzukehren. 1 Er zog von Assunción an die Küste. Insbesondere<br />

Schmidels Reise auf dem Landweg von Assunción nach São Vicente hat in der<br />

Sekundärliteratur große Beachtung gefunden. Als erster Europäer hatte vor ihm<br />

nur der Adelantado von Paraguay, Alvar Nuñez Cabeza de Vaca, von der Küste aus<br />

eine ähnliche Strecke zurückgelegt. Es gibt drei Versuche, den Reiseweg Schmidels<br />

zu rekonstruieren (Moura 1911, Kloster/Sommer 1942 und Maack 1959), was anhand<br />

der ungenügenden Angaben von Schmidel, Unterschieden in den Manuskripten<br />

2 und der schwierigen Identifikation von Schmidels Ortsnamen mit heutigen<br />

Lokalitäten wohl nur bis zu einem gewissen Grade möglich ist. Am 26.01.1554<br />

(nach seinem Kalender) erreichte er den Hafen von Antwerpen. Wie in Reiseberichten<br />

der Zeit üblich endet auch das Buch Schmidels mit dieser Rückkehr.<br />

Über seinen Heimweg nach Straubing und sein späteres Leben hat er sich in seinem<br />

Buch nicht mehr geäußert. Es sind aber zahlreiche Dokumente erhalten, die<br />

eine Rekonstruktion seines Lebenswegs zumindest in den groben Zügen anhand<br />

der administrativen Überlieferung der Zeit ermöglichen. Anfang September 1554<br />

ist Schmidel in Straubing urkundlich nachweisbar, schon seit 1554 ist er Mitglied<br />

des Rats. In der Zeit zwischen seiner Ankunft und seiner Rückkehr hat er sich wohl<br />

u.a. in Augsburg aufgehalten, um bei dortigen Handelsfirmen persönlich über sei-<br />

1 Eine ähnliche Aufforderung erging an den Venezuelareisenden Philipp von Hutten (1505-<br />

1546) durch dessen Bruder (vgl. Hutten 1999, S.27). Dieser wollte aus Gründen der Ritterehre<br />

jedoch nicht mit leeren Händen nach Europa zurückkehren und wurde 1546 in Venezuela<br />

von politischen Gegnern ermordet.<br />

2 So spricht das Münchner Manuskript von einer Fahrt den Paraná abwärts, während das<br />

Stuttgarter Original von einer Fahrt den Paraná aufwärts spricht, vgl. Maack (1959, S.40 und<br />

die Abbildungen 8 und 9 der jeweiligen Stelle im Stuttgarter und Münchner Manuskript).<br />

Maack (1959, S.61) glaubt aufgrund der Stromgeschwindigkeit an eine Fahrt flussabwärts.<br />

53


54<br />

nen Aufenthalt in Südamerika Bericht zu erstatten. Schmidel heiratete Ende 1558<br />

die verwitwete Juliana Hueberin aus Straubing. Die historischen Umstände, insbesondere<br />

der religiöse Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, verhinderten<br />

aber, dass Schmidel in Straubing bleiben konnte und dort eine gesellschaftliche<br />

Karriere machte. Nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 konnten die<br />

Herrscher den Glauben ihrer Untertanen bestimmen. Herzog Albrecht V. von Bayern<br />

ließ die Protestanten aus seinem Herrschaftsgebiet ausweisen. Am 15.06.1562<br />

mussten die Straubinger Protestanten die Stadt verlassen. Schmidel ließ sich mit<br />

einigen seiner Glaubensgenossen in der damals protestantisch dominierten Reichsstadt<br />

Regensburg nieder, wo er am 21.03.1563 als Bürger aufgenommen wurde. Er<br />

erwarb ein Haus an der Nordwestecke des Neupfarrplatzes in unmittelbarer Nähe<br />

zur evangelischen Hauptkirche im ehemals jüdischen Ghetto, aus dem die Juden<br />

kurz zuvor vertrieben worden waren. Das Haus (heute Apotheke Engel) trägt heute<br />

noch sein von ihm selbst anlässlich eines Anbaus angebrachtes Wappen, einen<br />

halben, nach links gewendeten gekrönten schwarzen Stier in weißem Feld 3 und<br />

die Aufschrift “ Ulrich Schmidl von Straubing”. Am hinteren Gebäudeteil dieses<br />

Komplexes, dem Altbau zur Wahlenstraße hin, hängt heute ebenfalls eine Ende des<br />

19. Jhdts. angebrachte Gedenktafel. 4<br />

Schmidels Frau starb bereits um die Jahreswende 1573/74. 5 Schmidel schloss<br />

noch zwei weitere Ehen. Am 02.03.1574 heiratete er die ebenfalls verwitwete Benigna<br />

Amman, geborene Reichlin von Meldegg, aus adeliger und wohlhabender Familie.<br />

Schmidels finanzielles Auskommen war damit gesichert. Sie starb bereits 1577. Ulrich<br />

Schmidel heiratete am 15.04.1578 ein drittes Mal Ehrentraud Stockmer, Tochter<br />

eines bereits verstorbenen fürstlichen Rats. Schmidel setzt am 08.06.1578 sein<br />

Testament auf 6 und stirbt Ende 1580 oder Anfang 1581 in Regensburg. Das Testament<br />

wurde jedenfalls am 21.02.1581 eröffnet (Friedrich 1984, S.182). Seine Rüstung,<br />

“ so ich aus fremden Landen mit mir gebracht” und einige Waffen (Friedrich<br />

1984, S.181, vgl. auch Friedrich 1997b, S.145) vermacht er einem Freund aus Regensburg.<br />

Das Grab ist nicht bekannt.<br />

3 Abgebildet auch auf dem Einband des Nachdrucks der Hulsius-Ausgabe 1602, Graz 1962.<br />

4 “Dieses Haus war das Wohnhaus des Ulrich Schmidl von Straubing des Mitentdeckers von<br />

Brasilien und Miterbauers von Buenos Aires”. Laut Mitre (1984, S.16) wurde die Tafel 1881<br />

von einem dort wohnenden Namensvetter Schmidels angebracht. Schmidel hat das Haus<br />

noch zu Lebzeiten 1578 verkauft, wohl um seine dritte Ehefrau, die er kurz zuvor geheiratet<br />

hatte, finanziell abzusichern (Friedrich 1984, S. 180).<br />

5 Die Angaben dieses Abschnitts folgen dem Aufsatz von Friedrich 1997a.<br />

6 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Regensburg Reichsstadt Testamente, Cart. 12, fasc.<br />

36. (zitiert nach Friedrich 1987b, S.276, Fußnote 6). Der vollständige Text des Testaments in<br />

Friedrich 1984, S.180-182.


Die Manuskriptüberlieferung<br />

Weitgehend geklärt ist das Abfassungsdatum des Werks selbst. Schmidel verfasste<br />

sein Werk wohl kurz nach seiner Rückkehr um 1554. Indirekt haben einige Interpreten<br />

(Huffines 1978, S.205; Friedrich 1997b, S.128, Fußnote 24) aus einer Anspielung<br />

im Text auf den “ gnädigen Herrn Herzog Albrecht” geschlossen 7 , dass Schmidel<br />

sein Buch noch in Straubing beendet hat. Er hätte wohl später, als er von demselben<br />

Herzog aus religiösen Gründen aus Straubing nach Regensburg vertrieben<br />

wurde, diesen kaum derart ehrerbietig angesprochen. Darauf deuten auch einige<br />

äußere Merkmale und inhaltliche Elemente des Stuttgarter Autographs (Württembergische<br />

Landesbibliothek, Cod. hist. 4 o 153) hin. Auf dem Vorsatzblatt dieses Original-Manuskripts,<br />

das heute in Stuttgart aufbewahrt wird, vermerkt er den Todestag<br />

seines Bruders Thomas (20.09.1554) 8 , er hatte wohl zu diesem Zeitpunkt schon<br />

mit der Niederschrift begonnen, vielleicht sein Buch beendet und hielt sich in<br />

Straubing auf. Im Text des Buchs (1602, S.92) erwähnt er seinen seligen Bruder, was<br />

zeigt, dass diese Passage nach dessen Tod geschrieben sein muss.<br />

Auch ein Schriftvergleich mit Schmidels Schrift auf seinem Testament erweist<br />

das Stuttgarter Manuskript als Autograph (Friedrich 1987b, S.265). Ein zufällig im<br />

Stadtarchiv Straubing erhaltenes und im Text eindeutig als Handschrift von Ulrich<br />

Schmidel gekennzeichnetes Abrechnungsblatt über Vormundschaftsgelder weist<br />

dieselbe Schrift wie diese beiden Dokumente auf (vgl. hierzu den Aufsatz Friedrich<br />

1987a). Die Provenienz des Papiers aus Augsburg wurde durch eine Wasserzeichenanalyse<br />

nahegelegt 9 . Ein wie damals üblich als Einband des Stuttgarter Manuskripts<br />

verwendetes Pergament, ein Nekrologiumfragment von 1360, wurde von<br />

Friedrich aufgrund der in ihm erwähnten Namen durch Vergleich mit zeitgenössischen<br />

Straubinger Urkunden und Salbüchern als Straubinger Provenienz erkannt<br />

7 Schmidel [oder wohl ein Bearbeiter an dieser Stelle] berichtet, dass er die Haut eines an<br />

dieser Stelle erwähnten Alligators in München in einer Schießstätte des Herzogs gesehen<br />

habe. Der Text der Anspielung in Huffines (1978, S.205). Bezeichnenderweise fehlt dieser<br />

Teil sowohl in der Ausgabe von Feyerabend als auch in den späteren Ausgaben von Hulsius<br />

(Huffines 1978, l.c.). Alligatoren wurden bald zu beliebten Schaustücken in Kunstkammern<br />

und bei Apothekern (z.B. Shakespeare, Romeo and Juliet, Akt V, Szene 1, v. 43).<br />

8 “1554 Den 20 tag september ist mein breueder Thoman schmidl seillieger mit tott verschienen<br />

Zwieschen 2 und 3 veren nach mietag gott sey Jm gennedig vnd parmhertzig und vnns<br />

allen Amen”. Es folgt ein Blatt mit der Aufschrift “1554 Alda seinen wier weiter” und einem<br />

Leerraum sowie eine als Titel zu deutende Beschriftung: “Zuuernem den Zug vnnd Raiss so<br />

ich vlrich schmidl von straubing Jm 1534 Jar Adj 2 Augusto von Anttorff auss per mare nach<br />

hispania/ vnd nach malss auff Indiea mit gottess willlen an khumen pin Auch wass mier vnd<br />

anndern meinen mit verwanden Zu gestannden vnd begegnet ist wie hernach volgt.” (vgl.<br />

Huffines 1978, S.205).<br />

9 Friedrich (1997a, S. 96) nach einer Auskunft von Irtenkauf, dem ehem. Leiter der Handschriftenabteilung<br />

der Württembergischen Landesbibliothek, Stuttgart.<br />

55


56<br />

(Friedrich 1987b). Die Wasserzeichenanalyse des Stuttgarter Manuskripts, von<br />

Prof.Gerhard Piccard durchgeführt, hat die Herkunft des Papiers aus Augsburg als<br />

wahrscheinlich ermittelt (Friedrich 1987b, S.278, Fußnote 28) und die Beschriftung<br />

des Papiers auf die Zeit zwischen 1552-1554 datiert. Augsburger Papier dürfte natürlich<br />

aufgrund der Handelsbeziehungen auch in Straubing zu haben gewesen<br />

sein, dennoch ist es angesichts der Bedeutung von Augsburg für die wirtschaftlichen<br />

Kontakte zu Südamerika durchaus wahrscheinlich, dass sich Schmidel auch<br />

dort aufhielt, vielleicht auch dort schon mit der Niederschrift seines Buchs begonnen<br />

hat. Auf jeden Fall dürfte er das fertige Manuskript in Straubing zu einem Buchbinder<br />

gebracht haben, der gerade vorhandenes Pergament als Einband verwendet<br />

hat. Eine Unterschrift Schmidels fehlt auf dem Stuttgarter Manuskript, sie befand<br />

sich vielleicht auf der abgerissenen unteren Hälfte des letzten Blatts, dies kann<br />

aber nur vermutet werden (Friedrich 1987a, S.262).<br />

Eine zweite Handschrift des Schmideltexts befindet sich in München (Bayerische<br />

Staatsbibliothek München Cgm 3000). Sie stammt aus der Königlichen Hofund<br />

Staatsbibliothek (damalige Signatur Cod. bav. 3000) und gelangte im Jahre<br />

1811 mit dem Manuskriptbestand aus der heute noch bestehenden Regensburger<br />

Staatlichen Bibliothek nach München. Die Provenienz des Manuskripts<br />

Schmidels ist nicht feststellbar, es liegt aber nahe, dass es sich um eine zeitgenössische<br />

Abschrift des Originals Schmidels (Friedrich 1987a, S.257) handelt, der ja<br />

in Regensburg ansässig war. Die Abschrift ist fehlerhaft und enthält vor allem<br />

zahlreiche falsche Zahlenangaben. Langmantel hat das Manuskript 1889 erstmals<br />

ediert, hielt es aber nicht für die Urfassung (Schmidel 1889, S.8, vgl. die bibliographische<br />

Angabe im Anhang). Das Stuttgarter Manuskript war zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht bekannt. Die Münchner Handschrift enthält den Namenszug Schmidels<br />

angeblich in seiner eigenen Handschrift und auf dem Deckblatt die Jahreszahl<br />

1564, vermutlich das Jahr, in dem die Abschrift gefertigt wurde (Huffines<br />

1971, S.11 und Huffines 1978, S.202). Schmidel konnte ja auch Abschriften seiner<br />

eigenen Handschrift in seinem Besitz gehabt haben, z.B. weil er sein Original verschenkt<br />

oder verliehen hatte.<br />

Eine weitere Abschrift befindet sich in der Staats- und Universitätsbibliothek<br />

Hamburg (Cod. geogr. 56). Sie stammt aus einer privaten Schenkung der Gebrüder<br />

Wolf in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die stark wassergeschädigte Handschrift<br />

blieb trotz Erwähnungen in der Literatur (Hantzsch 1895, S.50, Lehmann-<br />

Nitsche 1918, S.152-159) weitgehend unbeachtet, der Titel gleicht dem Münchner<br />

Exemplar (Friedrich 1987a, S.262; Abb.beider Titelblätter l.c., S. 260/261). Dem Schriftbild<br />

nach stammt sie aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie ist mit einem<br />

ebenfalls handschriftlichen, von demselben Schreiber kopierten Reisebericht Pere-


grination vnd Raysbüech des edlen Alexanders Züe Bappenheim über eine Fahrt ins<br />

Heilige Land im Jahr 1563 zusammengebunden. Lehmann-Nitsche (1918, S. 155),<br />

gefolgt von Huffines (1971, S. 11), hat die Nähe des Hamburger Manuskripts zu dem<br />

Münchner festgestellt, es finden sich allerdings noch zuviele Abweichungen, um in<br />

der Hamburger Version eine reine Abschrift der Münchner zu sehen. Bokor stellt<br />

ebenfalls die Hypothese auf, dass die Hamburger Handschrift keine bloße Abschrift<br />

der Münchner Handschrift sei, sie hat Stellen, die im Original, nicht aber in der<br />

Münchner Handschrift stehen.Vielleicht ist sie eine Abschrift der Münchner Handschrift<br />

eventuell über eine oder mehrere Zwischenstufen vermittelt unter zusätzlicher<br />

Verwendung einer weiteren Fassung, vielleicht gar der Stuttgarter Handschrift<br />

(Bokor 1987, S.81/82).<br />

Das bisher nicht bekannte Schmidel-Manuskript aus dem Buchbesitz der<br />

Eichstätter Bischöfe befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Eichstätt (Codex<br />

st. 677), die diese Bestände verwaltet. Die zeitgenössische Abschrift wurde bisher<br />

noch nicht auf ihr Verhältnis zu den Überlieferungstraditionen untersucht, sie ist<br />

aber mit keiner der bekannten Manuskript-Überlieferungen und veröffentlichten<br />

Druckfassungen voll identisch. Sie ist zusammen mit einer Abschrift der protestantischen<br />

Kirchenregelung des Consensus Dresdensis von 1571 und weiteren sechs<br />

Drucken des 16. Jahrhunderts in einem Volumen zusammengebunden. Obwohl<br />

der Band nach dem Ex-Libris aus einer Nürnberger protestantischen Familie stammt,<br />

kann der Schmideltext nicht mit dem heute verschollenen, bibliographisch nachgewiesenen<br />

Nürnberger Manuskript der Imhoffschen Sammlung identisch sein,<br />

das im 19. Jahrhundert noch in der Imhoffschen Sammlung war. 10<br />

Die ersten Ausgaben<br />

Alle frühen Schmidel-Ausgaben sind von protestantischen bzw. im Falle Theodor<br />

de Brys kalvinistischen Verlegern erstellt worden, was angesichts des Protestantismus<br />

von Schmidel auf eine frühe Rezeption vor allem in diesen Kreisen hindeutet.<br />

Inhaltlich enthält die editio princeps zwei wichtige Passagen, die im Münchner<br />

Manuskript fehlen. Nach der Beschreibung des Krokodils die Aussage, dass<br />

dieses nur getötet werden könne, indem man ihm einen Spiegel vorhalte (Schmidel<br />

1567, S.12 v., Schmidel, hrsg. Langmantel 1889, S.65). Es werde dann durch seinen<br />

eigenen hässlichen Anblick getötet. Dieses Märchen ist inhaltlich ein Reflex des<br />

10 Die Beschreibung des Manuskripts nach den unveröffentlichten Notizen von Dr. Klaus-Walter<br />

Littger, dem Leiter der Handschriften-Abteilung der UB Eichstätt, die dieser freundlicherweise<br />

zur Verfügung gestellt hat.<br />

57


58<br />

mittelalterlichen Glaubens an Basilisken, in dem die Medusa-Sage fortlebt. Die zweite<br />

Passage in der Alvar Nuñez Cabeza de Vaca-Episode mit einem Urteil über hochmütige<br />

Kriegsleute bringt einen Vergleich des Gouverneurs mit der Terenz-Gestalt<br />

des Thraso aus dem Eunuch (Schmidel 1567, 15 r.; Schmidel, hrsg. Langmantel<br />

1889, S.75) 11 . Beide Passagen sind durch die Anspielungen auf das Bildungswissen<br />

über den Basilisken und das Terenz-Stück leicht als Interpolationen eines Abschreibers<br />

zu erkennen. Gleich nach der Anspielung auf das Krokodil folgt im übrigen im<br />

Münchner Manuskript der für die Datierung des Manuskripts wichtige Hinweis auf<br />

die in Herzog Albrechts Schießstand in München ausgestellte Krokodilshaut. Diese<br />

Anspielung findet sich auch im Stuttgarter Manuskript (Schmidel, hrsg. Mondschein<br />

1893, S.28), während obige beide Passagen über die Tötung des Krokodils durch<br />

den Spiegel und die Stelle mit der Terenz-Anspielung im Stuttgarter Manuskript<br />

fehlen. Die Fassung des Stuttgarter Original-Manuskripts bezeichnet den Glauben<br />

vom tödlichen Blick des Krokodils als Märchen und ist hier kritischer. Schmidel<br />

verweist in dem Stuttgarter Manuskript darauf, dass er selbst Massen von Krokodilen<br />

gegessen habe und noch am Leben sei (Schmidel, hrsg. Mondschein 1893,<br />

S.28). Dies alles deutet auf Einfügungen von Abschreibern an besagten Stellen hin,<br />

die bezeichnenderweise bei einer Tierbeschreibung auf die Tradition der Mirabilia-<br />

Darstellungen verweisen.<br />

Die Illustrationen der Frontispize der Erstausgabe stammen von dem begabten<br />

Jost Amman, der später noch weitere Indianerbilder für Hans Weigels Habitus<br />

praecipuorum populorum, Nürnberg 1577 schaffen wird. 12 Sie zeigen Typen von<br />

Bewohnern fremder Länder und stehen in der Tradition der Weltkreis-Allegorien.<br />

Der Text selbst ist außer einer Schlussvignette nicht illustriert.<br />

Welches Manuskript Feyerabend für seine Edition benutzte, ist nicht bekannt,<br />

es handelte sich wohl um keines der uns bekannten. Seine Edition enthält ebenso<br />

wie die spätere Ausgabe von Bry zahlreiche kleinere Eingriffe in den Text, die aber<br />

eher durch die Druckersprache und die jeweiligen Dialektunterschiede als durch<br />

die Manuskripttradition bedingt sind. Wenig gibt es inhaltlich zur Bryschen Fassung<br />

von Schmidels Buch zu sagen. Der deutsche Text der Bry-Ausgabe von 1597<br />

ist ein bis in die Dankesformel am Textende hinein identischer Nachdruck seiner<br />

Vorlage, der Erstedition von 1567 (Bokor 1987, S. 85). Einzige Neuheit ist entsprechend<br />

den anderen Bänden von Brys Sammlung die Unterteilung des Texts in 33<br />

Kapitel, die erstmals beigefügte, aber im Vergleich zu anderen Bry-Bänden eher<br />

11 Vgl. auch die Zitate beider Stellen bei Huffines (1971, S. 100/101). In der Fassung von 1602,<br />

S.60 fehlt die Terenz-Anspielung ebenfalls.<br />

12 Zu dem Werk Habitus praecipuorum populorum und dem Einfluss seines Bildmaterials auf<br />

Lérys Histoire d’un voyage fait en la terre du Bresil (1578) vgl. Obermeier (2000a), S.47-50.


spärliche Bebilderung des Hauptteils und das parallele Erscheinen einer lateinischen<br />

Übersetzung 1599 entsprechend den anderen Bänden der Sammlung.<br />

Der Frontispiz ist -natürlich mit Ausnahme der Textkartusche in der Mitte- mit<br />

dem Titelkupfer des dritten Teils der Bryschen Sammlung, wo Stadens Text zusammen<br />

mit einer Übersetzung Lérys veröffentlicht wurde (lateinisch 1592,<br />

deutsch 1593), identisch: Er zeigt zwei brasilianische Kannibalen in den Nischen<br />

zu Seiten der Kartusche, oben am Giebel zwei ein maraca 13 anbetende Indianer 14 .<br />

Die drei für Schmidels Text von Bry neuerstellten Illustrationen entsprechen dem<br />

Stil der anderen Illustrationen der Brys, eine zeigt die von Schmidel referierte<br />

Episode, wie die Europäer während einer Hungersnot in Buenos Aires am Galgen<br />

hingerichtete Landsleute verspeisen.<br />

Die Schmidel-Ausgaben von Hulsius (dt. und lat. erstmals 1599) haben eine<br />

große Bedeutung für die weitere Rezeption des Texts gehabt. Hulsius hat eine mit<br />

in den Text integrierten Anmerkungen und nicht immer zu mehr Klarheit beitragenden<br />

Verbesserungen geographischer Begriffe versehene Ausgabe herausgegeben,<br />

den Text durch Unterteilung in eine größere Anzahl von Kapiteln als bei<br />

den Brys noch lesbarer gemacht, eine neue lateinische Übersetzung besorgt und<br />

durch seine billige Kleinquartausgabe viel für die Verfügbarkeit des Texts getan.<br />

Daneben enthält seine Ausgabe mehr Illustrationen als die vorherigen Ausgaben<br />

des Werks, einige davon offenkundig auf die Bryschen Bilder auch anderer Teile<br />

der berühmten Sammlung zurückgehend. Hulsius’ Illustrationen von Schmidels<br />

Werk bebildern das Werk erstmals angemessen in allen seinen Aspekten, sowohl<br />

im geographischen Teil (eine Karte ist beigegeben) als auch in historiographischer<br />

und in anthropologischer Hinsicht. In diesen von unbekannter Hand erstellten<br />

Illustrationen, finden sich auch einige Indianerdarstellungen. Es ist aber unwahrscheinlich,<br />

dass diese Illustrationen, wie Hulsius selbst behauptet, auf Vorlagen<br />

eines Manuskripts zurückgehen, Manuskripte waren damals nur bei Luxusausgaben<br />

bebildert, zudem entsprechen die Kupferstiche dem Stil nach den anderen<br />

Bänden von Hulsius’ Reisesammlung und konnten nach den Angaben des Buchs<br />

problemlos erstellt werden. Der explizite Verweis von Hulsius (1602, Vorwort,<br />

unpag. Blatt 1), dass ihm ein bebildertes Manuskript vorgelegen habe, das er für<br />

das Original hielt, ist sicher eine der üblichen Beglaubigungsstrategien. Der von<br />

13 Die maraca ist eine aus getrockneten Früchten hergestellte Rassel, die bei schamanistischen<br />

Ritualen der Tupi verwendet wurde.<br />

14 Zur ikonographischen und künstlerischen Bewertung dieses Stichs im Kontext der ersten<br />

Kannibalismusdarstellungen der Neuen Welt, die eine schon in frühen Mandeville-Drucken<br />

nachweisbare Tradition aufgreifen, vgl. Obermeier (2000a, S.21-28), passim, zu dem Titelkupfer<br />

dort S.83-85.<br />

59


60<br />

ihm zugrundegelegte Text ist auf jeden Fall nicht mit dem autographen Stuttgarter<br />

Manuskript identisch.<br />

Der inhaltlich-stilistische Vergleich der Manuskriptversionen und der ersten<br />

gedruckten Fassung mit Hulsius’ Hinzufügungen ist auch im Hinblick auf die Genreentwicklung<br />

von Bedeutung. Wie in den späteren Ausgaben von Lérys Histoire<br />

d’un voyage fait en la terre du Bresil, erstmals [Genf] 1578, hat Hulsius hier im Sinne<br />

editorischer Sorgfalt und inhaltlicher Genauigkeit den Vergleich mit anderer zeitgenössischer<br />

Literatur geliefert. Diese in den Text integrierten editorischen Fußnoten,<br />

bei Hulsius immer auch als solche gekennzeichnet, deuten wie Lérys in<br />

späteren Auflagen hinzugefügte Digressionen auf ein stärkeres objektiv wissenschaftliches<br />

Interesse an den naturkundlichen und geographischen Angaben<br />

der Reiseliteratur hin. Im Unterschied zu Léry ist es allerdings nicht der Autor<br />

selbst, der die entsprechende aktuelle Amerika-Literatur verarbeitet, sondern der<br />

Herausgeber, der Parallelen zu Acosta und Lopez de Gómara aufzeigt. Schmidel<br />

war zu diesem Zeitpunkt schon längst gestorben, er hat nach seinem schon erwähnten<br />

Testament wohl selbst Bücher besessen, erwähnt aber sein eigenes Werk<br />

explizit nicht. Es war für ihn wohl eine Art Erinnerungsbuch, aber nicht im persönlichen<br />

Sinne, sondern, wie seine Urteile über das historische Geschehen deutlich<br />

zeigen, ein Memorial über die historischen Ereignisse der Eroberung und<br />

Erschließung einer gänzlich unbekannten Gegend, deren Augenzeuge er gewesen<br />

ist. Der Aspekt des Wahrhaftigen im Titel seines Buchs verknüpft sich mit dem<br />

des Denkwürdigen, auch wenn dieses für ihn nur überindividuell-historisch war.<br />

Schmidel hat die Tragweite der von ihm erlebten Ereignisse wohl zumindest ansatzweise<br />

erahnt, das Buch ist sicher auch für Leser konzipiert, die zahlreichen<br />

Vergleiche mit europäischen Objekten, Bergen (der Bogenberg, ein Wallfahrtsort<br />

seiner Straubinger Heimat, 1602, S.29) oder Flüssen (die Donau, 1602, S.69) bezeugen<br />

dies im Text. Für die Verbreitung des Werks genügte dem Autor eine<br />

Weitergabe als Manuskript für den zu erwartenden beschränkten Interessentenkreis<br />

durchaus. Dies zeigt sich auch an der Publikation erst 1567 und nicht<br />

gleich nach der Rückkehr des Autors aus Südamerika wie bei Staden (Erstausgabe<br />

Marburg 1557). Entstanden ist das Buch ja, wie wir aus den schon dargelegten<br />

Indizien wissen, wohl unmittelbar nach der Rückkehr. Schmidel hätte problemlos,<br />

auch wenn er kein Schriftsteller war, durch seine Kontakte zu Nürnberger<br />

oder Augsburger Handelsleuten auch einen Buchdrucker finden könnte, der ihm<br />

das Manuskript gedruckt hätte. Besonders in Augsburg sind zu Beginn des 16. Jhts.<br />

viele Americana in deutscher Übersetzung erschienen. Auch Staden gelang es,<br />

einen Drucker zu finden, und Schmidel hätte als Protestant sicher auch einen Pastor<br />

oder sonstigen Gelehrten gekannt, der entsprechende nötige Vorworte verfasst


hätte, wie dies Johannes Dryander für Stadens Werk getan hat. Aus zufällig erhaltenen<br />

Dokumenten 15 wissen wir, dass er beispielsweise den Regensburger Theologen<br />

Nikolaus Gallus kannte, der selbst zahlreiche theologische Titel verfasst hat und<br />

entsprechende Kontakte zum Druckgewerbe sicher gehabt hat.<br />

Die Entstehungsgeschichte von Schmidels Werk<br />

und ein Vergleich mit anderen deutschen<br />

Südamerikareiseberichten der Zeit<br />

Schmidels Buch wurde erst 1567 veröffentlicht und enthält keine genauen Angaben<br />

über den Entstehungszeitraum. Auch ein Motiv für die Abfassung des Werks<br />

wird nicht genannt.<br />

Eine der Hauptfragen für die Vorgeschichte ist natürlich, ob Schmidel schon in<br />

Südamerika Notizen über seine Erlebnisse verfasst hat oder erst in Deutschland<br />

damit begonnen hat.<br />

Wahrscheinlich griff Schmidel auf Angaben in einer knappen persönlichen Agenda<br />

mit Entfernungen und Stammesnamen zurück, so die Thesen von Pistilli (1987,<br />

S.68) Kirbus (1984, S.108-110) und Classen (1993, S.257), vielleicht auch auf Briefe,<br />

die er nach Europa schrieb (Friedrich 1997a). Die Abfassung einer Chronik in Südamerika,<br />

etwa analog derjenigen Federmanns, ist wohl angesichts von Schmidels<br />

Stellung als untergeordneter Soldat unwahrscheinlich. Am auf uns gekommenen<br />

Buch ist dennoch das Bemühen um literarische Gestaltung ersichtlich.<br />

Friedrich (1997a, S.97) hat auch die Vermutung aufgestellt, dass die Befragungen<br />

durch die Augsburger Handelsherren bei Schmidel den Anstoß für die Niederschrift<br />

seiner Erlebnisse gegeben haben könnten. Foster (1991, S.77) zufolge haben<br />

die Handelsleute auch die Veröffentlichung des Buchs angeregt, der Interpret<br />

spricht sogar von einer “ German, Protestant, mercantile publication of Schmidel’s<br />

document”. Da wir hier angesichts der Quellenlage ohnehin auf Vermutungen<br />

angewiesen sind, können wir die Frage nicht entscheiden. Angesichts der Seltenheit<br />

von Rückkehrern aus Amerika war sicher Interesse von mehreren Seiten<br />

gegeben, wobei die Kaufleute eher an praktischen Hinweisen wie Wegrouten<br />

und Handelsprodukten interessiert gewesen sein dürften und diese Informationen<br />

eher der Geheimhaltung als der Publikation bedurft hätten. Hierfür reichte ein<br />

Manuskript, das in interessierten Kreisen zirkulierte. Wir wissen auch nicht, ob die<br />

15 Vgl. einen Brief des Straubinger Bürgermeisters Leonhard Schwartz an Nikolaus Gallus in<br />

Regensburg vom 02.05.1562, der laut Text von Schmidel überbracht wurde, in: Friedrich<br />

(1984, S.175).<br />

61


62<br />

editio princeps von Feyerabend auf Schmidels Anraten oder zumindest mit seiner<br />

Billigung publiziert wurde, wahrscheinlich ist das nicht angesichts der Tatsache,<br />

dass mehrere Manuskripte Schmidels zirkulierten und Feyerabend ein solches wohl<br />

ohne Rücksprache mit dem Autor erst dann publizierte, als er thematisch einschlägige<br />

Literatur für seine durch neue Texte erweiterte Bearbeitung von Francks Weltbuch<br />

suchte. Es handelte sich also um eine ad hoc entschiedene Publikation bei<br />

passender Gelegenheit. Hätte Schmidel von der Publikation gewusst, hätte er wie<br />

Staden und viele andere Autoren der Zeit zumindest eine kurze Leseransprache<br />

oder eine Widmung hinzugefügt.<br />

Die Manuskripte selbst liefern über die Entstehungsgeschichte des Buchs nur<br />

wenig Informationen. Zumindest wissen wir aus Randnotizen in der Stuttgarter<br />

Handschrift, dass der Autor Teile seines Berichts auch nach Antwerpen geschickt<br />

hat: “ Nach Annttorff geschrieben 3mal 12 tag 19 juny vnd den 4 tag july april”<br />

(Friedrich 1997a, S.97, nach Schmidel, hsrg. Mondschein 1893, Vorwort unpag.<br />

Blatt 1). 16 Dies kann aber durchaus auch parallel zur Abfassung des Manuskripts<br />

geschehen sein und muss nicht unbedingt darauf hindeuten, wie Friedrich (1997a)<br />

meint, dass Schmidel seine aus Südamerika geschriebenen eigenen Briefe nach<br />

Antwerpen zur Abfassung des Buchs heranzog. Es lag ja nahe, dass Schmidel von<br />

seinem in 20 Jahren erworbenen Wissen auch die an der La Plata-Gegend interessierten<br />

Handelshäuser teilhaben lassen wollte. Immerhin war er ja auf einem Schiff<br />

zweier Nürnberger Kaufleute nach Südamerika gereist. Sein Wissen um die Infrastruktur<br />

der Gegend, die besten Verbindungswege zwischen den einzelnen Orten<br />

und mögliche interessante Handelsgüter waren für die Kaufleute von großem Wert.<br />

Zudem hat Schmidel wohl auch andere persönliche Mitteilungen von Deutschen<br />

an ihre Freunde und Verwandten abgeliefert. Bis heute sind jedenfalls keine Briefe<br />

von Schmidel oder andere Zeugnisse des Autors über sein Buch aufgefunden, sie<br />

müssen als verschollen gelten und enthielten wohl sehr viel weniger Informationen<br />

als das Buch, das doch von Inhalt, chronologischer Abfolge der Ereignisse, Einschüben<br />

über die Indianer etc. her als Einheit konzipiert ist. Wie solche Briefe ausgesehen<br />

haben, kann man sich sehr gut im Vergleich zum damals publizierten Brief<br />

des Philipp von Hutten (1505-1546) über seinen Venezuelaaufenthalt vorstellen.<br />

Dieser 1550 anonym veröffentlichte Brief Huttens (Neuausgabe zusammen mit einigen<br />

anderen erhaltenen Briefen Huttens aus Venezuela 1999) beschränkt sich<br />

auf eine chronologische Abfolge der Entrada, bringt kaum Digressionen z.B. über<br />

die Indianer und bestellt in einem kleinen Postskriptum Grüsse an Verwandte und<br />

16 Bokor (1997, S.80) hat irrtümlich aus dieser Notiz den Schluss gezogen, das Manuskript sei<br />

zwischen dem 19. Juni und 04. Juli 1554 entstanden.


Freunde. Huttens Briefe wurden wohl ohne sein Zutun als Kuriosa veröffentlicht,<br />

seine Briefe waren aber für eine Lektüre zumindest im engeren Familien- und Freundeskreis<br />

geschrieben. Der Autor kehrte nicht mehr nach Europa zurück und hatte<br />

wohl kein Interesse an einer Publikation. Er wurde 1546 in Venezuela von politischen<br />

Gegnern ermordet, es war ihm also nicht mehr vergönnt, bei seiner Rückkehr<br />

eine überarbeitete Fassung seiner Berichte zu veröffentlichen, selbst wenn er<br />

dies beabsichtigt hätte.<br />

Der andere deutschsprachige Südamerikareisebericht über Venezuela, Nicolaus<br />

Federmanns (ca. 1505-1542) Indianische Historia von 1557, der erst lange nach dem<br />

Tod des Autors von einem Verwandten veröffentlicht wurde, bringt eine rein<br />

historiographische Chronik, deren genaueste Beschreibungen mit zahlreichen Daten<br />

der berichteten Expedition sicher auf ein von Federmann vor Ort geführtes bzw. diktiertes<br />

Journal zurückgingen. Federmann befand sich ja in einer an Deutsche, das<br />

Handelshaus der Welser, verpachteten Kolonie und als Befehlshaber in einer herausgehobenen<br />

Position, dies machte gegenüber den spanischen Institutionen in Santo<br />

Domingo und dem Indienrat in Sevilla einen genauen Bericht über seine Aktivitäten in<br />

der Kolonie notwendig. Er schreibt auch explizit in seinem Buch, dass dies erwartet<br />

wurde 17 . Grund für die Ausarbeitung dieser Notizen als Buch war zudem die Tatsache,<br />

dass sich Federmann bei seiner Rückkehr nach Europa für die eigenmächtig unternommene<br />

Expedition gegenüber den Welsern zu rechtfertigen hatte. Federmanns<br />

Bericht zeigt in seiner Detailliertheit im übrigen recht schön, wie in Vergleich zu Schmidels<br />

geraffter Darstellung oft mehrmonatiger Entradas in kurzen Kapiteln ein solcher Bericht<br />

über Expeditionen ausgesehen hätte, würde er, wie dies bei Federmanns Text der<br />

Fall war, auf unterwegs mit Hilfe eines „Nottario Scribano publico“ (Federmann 1557,<br />

Blatt P iii) erstellten Notizen beruhen. Die Differenzen zwischen einer für den Zeitkontext<br />

ausreichend um ethnographische und anthropologische Informationen erweiterten<br />

Darstellung bei Schmidel und dem trockenen Rechenschaftsbericht des Eroberers<br />

Federmann sprechen für sich. Allerdings bleibt Schmidels Buch im rein historiographischen<br />

Bereich und verzichtet wie Hans Stadens erbaulicher Text auf eine persönliche<br />

Gestaltung seines Erlebens im Sinne der Erbauungsliteratur, die Stadens Text<br />

zu einem Sonderfall in der damaligen Amerikaliteratur macht.<br />

17 “Dann solches alles zuthun, und Kay: May: von allem und yedem, das in den Indianer wirt<br />

außgericht, glaubwirdigen bericht zu geben, ist in allen Indianischen Landen Ihrer Kay: May:<br />

bevelch und ordnung, das habe ich hiemit, doch auffs kürtzest nach dem buchstaben verteütscht,<br />

und doch darneben etwa mit umbstenden ettlicher dinger, mer zu decleriern nit<br />

umbgen künden, dann auch solche Relation inn Hispanischer sprach, an ort geschriben [...]”<br />

1557, Blatt P iii, recto und verso Federmann spielt in der Folge des Zitats auf eine Bearbeitung<br />

des spanischen Originals für deutsche Leser an, was sich neben der Übersetzung aber auf<br />

einige Erklärungen spanischer und indianischer Ausdrücke beschränkt haben dürfte.<br />

63


64<br />

Bedeutung des Werks von Schmidel<br />

Die historische Bedeutung von Schmidels Werk wird heute anerkannt, nachdem<br />

Probleme mit dem Kalender (hierzu Pistilli 1980) und die Angaben von<br />

Schmidel zur Gründung von Asunción durch Juan de Ayolas statt Juan de Salazar<br />

wie historisch richtig das Urteil der Historiker lange Zeit beeinträchtigt haben. Anfang<br />

des Jahrhunderts kam es sogar zu einer kleinen publizistischen Polemik in<br />

Paraguay über die Qualität von Schmidels Werk. 18 Pistilli (1987, bes. S.13ff) geht<br />

davon aus, dass zweimal Städte mit dem Namen Asunción gegründet wurden. Die<br />

erste, von Schmidel (1602, S. 26ff) beschriebene Gründung in der Nähe der gerade<br />

von den Europäern eroberten Indianersiedlung Lambaré durch Juan de Ayolas<br />

am 11. Januar 1537 (früherer anderer Termin im Heiligenkalender für die Feier von<br />

Maria Himmelfahrt), die nur kurzzeitig bestand, und die heutige Hauptstadt, die<br />

von Salazar am 15.08.1537 gegründet wurde.<br />

Die geringe narrative Prägung der Historiographie Schmidels ist in der<br />

Sekundärliteratur ausführlich behandelt worden. Dies ist allerdings ein gemeinsames<br />

Merkmal fast aller frühen Entdeckungsberichte und auch in der<br />

historiographischen Ausrichtung des Genres Reisebericht begründet. 19 Classen<br />

(1993, S.254) schreibt: “ Schmidel saw himself more as a chronicler or reporter<br />

than as a writer of a fictional text”. Classen erwähnt auch den Wechsel des Erzählers<br />

von der ersten Person Singular im ersten Kapitel zur ersten Person Plural im<br />

Hauptteil des Buchs und wieder zurück zur ersten Person Singular im Kapitel 51,<br />

wo Schmidel beschreibt, wie er den Brief seines Bruders erhält. Sein persönliches<br />

Schicksal, etwa eine schwere Krankheit in Kapitel 40 (1602, S.62), erwähnt<br />

Schmidel getreu dem Objektivitätsgebot der Historiographie nur am Rande und<br />

an dieser Stelle auch nur deshalb, weil er die schweren Lebensverhältnisse und<br />

häufigen Todesfälle unter den Kolonisten anführt (Classen, l.c.).<br />

Literarisch ist vor allem Schmidels sachlich objektiver Stil auffallend, der auf die<br />

18 Manuel Domínguez, Historiker, Politiker, Schriftsteller aus Paraguay (1869-1935) und Verfasser<br />

nationaler chauvinistischer Literatur, hat sich insbesondere mit der Gründung von<br />

Asunción anhand aller verfügbaren Quellen beschäftigt (1918, S.201-266). Er bewies überzeugend<br />

anhand der Quellen, dass Salazar der Gründer der Stadt war. Auf den Schmidel-<br />

Text ging Domínguez in der Publikation von 1918 gar nicht ein. Er hatte ihn schon in einem<br />

Aufsatz von 1897 (abgedruckt in Domínguez 1956, S.93-110), als unglaubwürdig hingestellt.<br />

Das Zeugnis von Schmidel, der ja von einer Gründung durch Ayolas spricht, war in<br />

diesem Kontext natürlich eine abweichende Stimme, also musste er notwendigerweise<br />

dessen Wahrheit in Frage stellen. Gondra (1871-1927) hat diese einseitige Sicht Schmidels<br />

durch Domínguez in einem um 1900 entstandenen Aufsatz (1942, S.155-190) kritisiert.<br />

19 Vgl. zur Entwicklung der narratio und descriptio in Reiseberichten des 16. Jahrhunderts<br />

Obermeier (1995, S.10-22 und S.215-227).


Textintention zurückgeführt werden kann. Schmidel wollte eine objektive Chronik<br />

liefern, also eine Historia im historiographischen Sinne, er erlaubt sich persönliche<br />

Wertungen des Vorgefallenen; allerdings stellt er diese seine Bewertung an den<br />

Schluss des jeweiligen Kapitels (z.B. seine Verurteilung der Beseitigung des beliebten<br />

Hauptmanns Osorio, 1602, S.6) oder die Charakterisierung eines guten militärischen<br />

Leiters vor dem Kapitel über die Absetzung von Cabeza de Vaca (1602, S.60),<br />

um dem Objektivitätsanspruch des Hauptteils gerecht zu werden. Er vermeidet<br />

den Text durchziehende Polemik, sein Bemühen geht in Richtung einer Faktenschilderung<br />

und sein Lakonismus ist die stilistische Entsprechung dieses gänzlichen<br />

Verzichts auf “ ornatus” und Ausschmückung des Geschilderten. Diese stilistische<br />

Entscheidung ist sicher bewusst getroffen worden, der Vorbildcharakter mündlicher<br />

Schilderungen und Befragungen bei einzelnen Elementen wie den Indianerbeschreibungen<br />

ist sicher gegeben. Schmidel, der kein Schriftsteller war, hätte angesichts<br />

seiner geringen literarischen Bildung auch keinen subjektiven Reisebericht<br />

schreiben können, er wollte es aber sicher auch nicht, weil er persönliche Erlebnisse<br />

nur in Ausnahmefällen bringt, beispielsweise wenn sie eine historische Situation<br />

charakterisieren. Die anderen Elemente, die nicht in diesen historiographischen<br />

Kontext fallen, wie z.B. das Kapitel über die Amazonen, der Bericht über<br />

eine gigantische Schlange (in der Handschrift in Schmidels Schrift eingefügte<br />

Seite im Stuttgarter Autograph! S. 101 v. bis) oder der Ritt auf dem Lama sind wohl<br />

auf Anregung von außen hinzugefügt worden. Die ersten Hörer seiner Geschichten<br />

oder die Leser seines Manuskripts erwarteten nach ihrer Vorbildung einige<br />

solcher Mirabilia und naturkundliche Kuriosa, und so hat Schmidel wohl einige<br />

dieser nebensächlichen Episoden eingeflochten (die Schlange, der wahrscheinlich<br />

nur sehr kurze Ritt auf einem Lama), um diesem Leserinteresse gerecht zu<br />

werden. Bezeichnend ist es wieder, dass diese Episoden, denen Schmidel auch<br />

keine große Aufmerksamkeit widmet, von dem Herausgeber Hulsius durch die<br />

Illustrationen groß hervorgehoben werden (der Ritt auf dem Lama ist gar auf<br />

dem Titelblatt dargestellt!), sicher um das Interesse der Käufer an unterhaltender<br />

und sensationeller Reiseliteratur zu wecken.<br />

Angesichts der historiographischen Ausrichtung seines Buchs ist es nicht verwunderlich,<br />

dass ein persönliches Urteil über seinen langjährigen Südamerikaaufenthalt<br />

gänzlich fehlt, dies ist aber im Kontext der Historiographie auch nicht<br />

vorgesehen. Bei Staden war dieses Urteil durch das ständige Streben nach dem<br />

Schutz vor dem Fremden und die Rückkehr zum Eigenen gleichsam implizit in den<br />

Text integriert, Léry bringt in seinem Reisebericht zumindest retrospektiv aus der<br />

Sicht der Erinnerung das Bedauern über die Schönheiten des fremden Landes. Bei<br />

Schmidel wissen wir nur aus einem zufällig erhaltenen noch zu erwähnenden Brief-<br />

65


66<br />

regest, dass er die freien Lebensformen der Neuen Welt durchaus geschätzt hat und<br />

nicht nur zur materiellen Sicherung seines Lebensunterhalts gerne nach Südamerika<br />

zu seinen Kindern zurückgekehrt wäre. Davon hat er aber an keiner Stelle seines<br />

Buchs gesprochen, das für Europäer geschrieben war, die Interesse an dem<br />

historiographischen Bericht und nicht am persönlichen Schicksal des Autors hatten.<br />

Indianerbeschreibungen<br />

Schmidels grosse Schlangen (ed. Cramer, Leipzig 1926)<br />

Schmidels Bericht weist zwei inhaltliche Elemente auf, die für die zeitgenössische<br />

Reiseliteratur charakteristisch sind: die Chronik und den mit heutigen Begriffen<br />

gesagt ethnologischen Teil. Der Chronikcharakter ist für den Leser beim ersten<br />

Blick ins Auge fallend. Er dominiert in der Struktur des Werks, die Ereignisse werden<br />

in der historischen Abfolge geschildert, auch die kurzen ethnologischen Einschübe<br />

sind untergeordnet und finden sich an der Stelle des Werks, wo der Erzähler<br />

Schmidel den ersten Kontakt mit den jeweiligen Indianerstämmen beschreibt.<br />

Diese Digressionen sind damit die Alternative zu einem abgegrenzten eigenen zweiten<br />

ethnologischen Teil, den Staden vorgelegt hat (das 2.Buch in seiner Terminologie).<br />

Schmidel beschränkt sich dabei auf einige wesentliche Merkmale. Die Stereo-


typie seiner Beschreibungen legt nahe, dass er sich ein festes Schema bereitgelegt<br />

hatte, nach dem er die Indianer einordnet. Insbesondere die auch von Schmidel<br />

gebrachten Urteile über Schönheit und geraden Wuchs der Indianer finden sich in<br />

zahlreichen Reiseberichten der Epoche und sollen wohl Klischeevorstellungen in<br />

der Tradition des mittelalterlichen Wilden Mannes mit behaartem Körper und<br />

aggressivem Aussehen widerlegen. Die Bekleidung gehört sicherlich zur äußeren<br />

Erscheinung der Indianer, die Rekurrenz des Themas lässt sich durch den Widerspruch<br />

zum Bibelbericht (Genesis Kap. 3,7) erklären. Schmidel thematisiert aber<br />

diesen insbesondere vor theologischem Hintergrund heiklen Gegensatz zur Schamhaftigkeit<br />

nach dem Sündenfall nicht.<br />

Schmidels Indianerbeschreibungen sind wie bei seinem Zeitgenossen Alvar<br />

Nuñez, der als Rechtfertigung für seine Tätigkeit als Adelantado in Paraguay, nachdem<br />

er von einem Aufstand seiner untergebenen Soldaten vertrieben und in Spanien<br />

vor Gericht gestellt wurde, im Jahre 1555 seine Comentarios (zusammen mit<br />

den bereits 1542 veröffentlichten Naufragios über seine Zeit in Neumexiko) veröffentlichte,<br />

aber wohl ohne direkte Kenntnis dieses Vorbilds als kleine Digressionen<br />

in den Text eingefügt und sollen kurze Hintergrundinformationen zu den jeweiligen<br />

Stämmen liefern.<br />

Die kurzen Einschübe beginnen meist mit der Beschreibung des Äußeren der<br />

Indianer: der in Südamerika typische Lippenschmuck, der Körperwuchs und die<br />

Schönheit, die manchmal verneint wird. Als nächstes wird der Grad der Bekleidung<br />

analysiert, insbesondere die Bedeckung der Geschlechtsteile. Es folgen<br />

Ausführungen zu den Nahrungsgewohnheiten sowie zu der Anzahl der Stammesmitglieder.<br />

Dann einige verschiedene Bemerkungen zu den Sitten der Indianer.<br />

Die Aussagen über die Nahrung hatten neben dem rein informativen Wert<br />

wohl für die Kolonisten die Funktion, die Schwierigkeiten des eigenen Überlebens<br />

bei den Indianern durch die je nach eigener Lage des Stammes dargebrachten<br />

Abgaben von Nahrungsmitteln zu dokumentieren. Der Rest der Informationen<br />

lässt sich grob unter dem Gesichtspunkt Sitten der Indianer, materielle Kultur und<br />

militärisch relevante Informationen zusammenfassen. Natürlich hatte die Stärke<br />

eines Stammes insbesondere bei verfeindeten Indianern für den Landsknecht eine<br />

wesentliche Bedeutung, ebenso wie die Stärke der als Unterstützung eigener Kräfte<br />

eingesetzten indianischen Hilfstruppen bei den Carios.<br />

Manche der Angaben Schmidels mögen zwar wie in Cabeza de Vacas Buch<br />

kontingent sein, aber das Auftauchen einiger rekurrenter Motive wie das Äußere<br />

und die Nacktheit deuten auf ein festgelegtes Beschreibungsschema hin, das entsprechend<br />

der Taxonomie und moralischen Einschätzung der Zeit die Einordnung<br />

der Indianer in ein festes Schema ermöglichte. Die Bekleidung und die damit<br />

67


68<br />

verbundene Schamhaftigkeit können im Sinne der Kongruenz bzw. Differenz zum<br />

Bibelbericht als Zeichen für die höhere “ Kultiviertheit” im Vergleich zu gänzlich<br />

nackt lebenden Völkern angesehen werden.<br />

Hat nun Schmidel sich dieses Schema vor dem Zeithintergrund selbst ausgedacht<br />

oder einen ihm etwa durch Antwerpener Kaufleute vorgegebenen Fragenkatalog<br />

auf die Indianer angewandt? Es gab ja beispielsweise solche Fragenkataloge,<br />

die vom spanischen Hof den Adelantados oder anderen Expeditionsleitern mitgegeben<br />

wurden. 20 Diese Fragenkataloge sind allerdings sehr umfangreich und wurden<br />

wohl in den wenigsten Fällen systematisch beantwortet. Sie stellen eher einen Maximalkatalog<br />

dessen dar, was der spanischen Verwaltung beachtenswert erschien. Schmidel<br />

bringt nur einige wesentliche, aber charakteristische Merkmale der Fremdkultur, die<br />

ihn im persönlichen Kontakt direkt interessierten. Wurde dieser Beschreibungskatalog<br />

erst anlässlich der Abfassung des Buchs entwickelt, oder überträgt Schmidel hier<br />

ausgearbeitete zeitgenössische Kriterienkataloge, die analog auch Cabeza de Vaca<br />

verwendet hat, auf die Indianer, mit denen er im Laufe seines Südamerika-Aufenthalts<br />

Kontakt gehabt hat? Schmidels Absicht lag dabei sicher nicht in der theoretischen<br />

Erfassung indianischer Kultur oder in einer moralisch-wertenden Schematisierung,<br />

wie sie beispielsweise sein Zeitgenosse, der Jesuit José de Acosta (1540-<br />

1600), 21 auf die Völker Mittel- und Südamerikas angewandt hat. In Acostas Sicht<br />

spielen insbesondere die Kenntnis der Schrift und die Sesshaftigkeit eine erhebliche<br />

Rolle. Schmidels Beschreibungen haben allein die Absicht, ein möglichst einfaches<br />

und für den Leser auch durchschaubares Schema auf die Indianer anzuwenden,<br />

um die Stämme einer gleichen Kulturstufe durch differentielle Merkmale zumindest<br />

rudimentär zu charakterisieren. Moralische Wertungen knüpft er an keine dieser<br />

Beschreibungen, auch nicht als er über die sexuelle Freizügigkeit der Indianerfrauen<br />

spricht, die sich die Europäer -wie er offen zugibt- auch zunutze machten. Insbesondere<br />

die Sexualität der Indianer ist ein aus moralischer Sicht immer wieder kritisierter<br />

Punkt der damaligen Reiseliteratur, besonders der von Theologen geschriebenen,<br />

dieser Vorwurf findet sich aber bei Schmidel überhaupt nicht. Auch die nicht nur<br />

bildlich gemeinte Verteufelung der Indianer, Berichte über die Herrschaft des Teufels<br />

oder seine Erscheinungen in Amerika, alles die Standardbewertung nichtchristli-<br />

20 Drei recht umfangreiche derartige Fragenkataloge wurden veröffentlicht in: Documentos<br />

históricos y geográficos relativos a la conquista y colonización, hrsg. von José Torre Revello,<br />

Argentina, Comisión Oficial del IV Centenario de la Primera Fundación de Buenos Aires, 5<br />

Bde: davon, Bd. 1.: Memorias y relaciones históricas y geográficas, S.3-46, eines davon ist<br />

undatiert, aber aus dem 16. Jahrhundert, die beiden anderen sind von 1573 und 1577.<br />

21 Acosta, José: De natura Novi Orbis libri duo, et de promulgatione evangelii, apud barbaros,<br />

sive de procuranda Indorum salute libri sex, Salamanca: G. Fouquet 1588 (Neuauflage in 2<br />

Bänden, spanisch/lat., 1985/1987).


cher Völker bei theologischen Autoren der Zeit, die auch in Illustrationen dargestellt<br />

wird (vgl. hierzu Obermeier 2000a, SS.98-102), finden sich bei Schmidel an keiner<br />

Stelle. Ihn interessiert als Landsknecht nur die Zuverlässigkeit der Indianer als Verbündete<br />

und damit zusammenhängend ihr zumindest teilweise zu Verrat und Intrige<br />

neigender Charakter, wobei Schmidel immerhin so ehrlich ist, zuzugeben, dass einige<br />

der indianischen Aufstände durchaus auch auf moralisches Fehlverhalten der Europäer<br />

ihnen gegenüber zurückzuführen sind.<br />

Im Vergleich zu den Themen, die andere gebildete Reiseschriftsteller üblicherweise<br />

abgehandelt haben, fehlt der Teil über die Religion gänzlich, die Sozialstrukturen<br />

werden von Schmidel nur am Rand behandelt, etwa wenn er von den Oberen<br />

oder Königen spricht. Ein weiteres oft zur abschätzigen Bewertung der Indiokultur<br />

herangezogenes Kriterium, das Inzestverbot, das seit Vespucci in den Beschreibungen<br />

der Südamerikaner als Stereotyp auftaucht, wird nicht behandelt, es<br />

klingt etwas bei der Beschreibung der Carios an, die wahllos ihre Familienmitglieder<br />

verkaufen (1602, S. 23). Kannibalismusschilderungen, seit Vespucci und in der<br />

deutschen Tradition besonders durch Staden (1557) ein rekurrenter und auch<br />

häufig illustrierter Bestandteil insbesondere der Brasilienberichte, sind nur am Rande<br />

erwähnt, bei den Carios (1602, S. 23) und den brasilianischen Tupi (“ Toupin”),<br />

durch deren Land Schmidel während seines Zugs von Asunción nach São Vicente<br />

kommt (1602, S. 94). Die seit Herodot üblicherweise abgehandelten Kategorien bei<br />

den Beschreibungen der Fremdkultur sind damit bei Schmidel nur selektiv berücksichtigt,<br />

beispielsweise fehlen auch detaillierte Aussagen über die Begräbnissitten,<br />

die wir von Thevet (1557/58), Léry (1578) und Staden kennen.<br />

Die naturkundlichen Aussagen sind wie bei Staden knapp und zumeist im Zusammenhang<br />

mit der Eßbarkeit der Tiere gesehen, ein Merkmal, das sich allerdings auch<br />

bei Léry häufig findet, der seine detaillierten Kenntnisse über die Tierwelt wohl dem<br />

Wissen der lange in Brasilien lebenden Übersetzer, den “ truchements” 22 , verdankt.<br />

Allein bei der Beschreibung der Amazonen (Kap. 37, S. 53-56) hat Schmidel<br />

einem zeitgenössischen Mythos in seinem Buch Raum gegeben, das Thema hat er<br />

aber auch nur deshalb eingefügt, da die Suche nach den Amazonen auch das<br />

Motiv für eine Expedition war. Er findet sich auch in einem anderen Quellentext<br />

der Zeit. Hernando de Ribera, Übersetzer, der schon vor der Mendoza-Expedition<br />

in Brasilien auf der Insel Santa Caterina ansässig war und sich den Spaniern<br />

anschloss (dies bezeugt Díaz de Guzman, 1986 [1612], S.125), beschreibt sie wie<br />

22 Zur Bedeutung der Übersetzer, französisch truchements (aus einem arabischen Begriff<br />

entlehnt), portugiesisch línguas, span. interpretes vgl. anhand zeitgenössischer Dokumente<br />

zu Maranhão Obermeier (1998) und in Bezug auf die La-Plata-Gegend das Buch von<br />

Arnaud (1950).<br />

69


70<br />

Schmidel in einem Bericht über die Entrada vom 03.03.1545, dieselbe, an der auch<br />

Schmidel beteiligt war und bei der die Spanier die geheimnisvollen Nachrichten<br />

über die Amazonen erhielten (Hernando de Ribera, veröffentlicht schon in der<br />

Erstausgabe als Anhang zu: Alvar Nuñez Cabeza de Vaca, 1985, S.230).<br />

Schmidel hat den Mythos also nicht gänzlich erfunden, sondern die Europäer<br />

stießen bei ihren Expeditionen in der Tat auf derartige indianische Erzählungen,<br />

die sie nach ihrer Vorbildung in die antike Begrifflichkeit der Amazonen fassten.<br />

Dieser Mythos wurde aber ähnlich wie der von El Dorado oder der Sierra de la<br />

Plata zu einem konkreten Handlungsmotiv der Conquistadoren. Domínguez (1918,<br />

S.100) schreibt recht schön: “ los relatos leyendarios concurrieron a la realización<br />

de hechos positivos, empujando las expediciones”. Der Mythos der silber- und<br />

goldreichen La Plata-Gegend ist gleichsam als Subtext in Schmidels Buch und den<br />

Briefen Iralas immer vorhanden, er wird aber nicht explizit kritisch durchleuchtet.<br />

Die des öfteren erwähnten Goldgeschenke der Indianer und das Nachfragen der<br />

Europäer, welche benachbarten Völker denn Gold hätten, lassen das Thema ohnehin<br />

immer präsent sein.<br />

Vermutlich ist Schmidel sowohl mit einigen Informationen über die neue Welt<br />

nach Südamerika gereist als auch mit Ratschlägen, worauf er denn bei seinen Beobachtungen<br />

achtgeben sollte; den “ Fragenkatalog” hat er sich wohl nach seiner Rückkehr<br />

anhand der Gespräche zu Hause, vielleicht auch auf Anraten zeitgenössischer<br />

Gebildeter erarbeitet und auf die Beschreibungen in seinem Buch angewandt. Die<br />

Schamhaftigkeit und Bekleidung der Indianer gehören zu einem solchen tradierten<br />

Merkmal der Reiseliteratur, das Schmidel als Kuriosum sicher erwähnt hätte, aber<br />

hier muss nicht unbedingt die eigene Lektüre der zeitgenössischen Literatur Schmidel<br />

inhaltlich angeregt haben. Cabeza de Vaca bringt sicher ohne Kenntnis Schmidels<br />

ähnliche Selektionskriterien. Möglicherweise hat einer seiner ersten Zuhörer<br />

oder Leser Schmidel auf die theologische Bedeutung seiner Beobachtungen hingewiesen,<br />

oder die Geistlichen der Kolonie haben dieses Thema des öfteren in ihren<br />

Predigten angesprochen. Dies könnte die durchgehende Behandlung des Themenbereichs<br />

bei allen Stämmen veranlasst haben. Bei diesem Punkt entsteht des öfteren<br />

der Eindruck, dass Schmidel bei seinen Beschreibungen ein festgelegtes Pflichtprogramm<br />

abhandelt. Vielleicht liegen auch einige rudimentäre Notizen und Gedächtnisstützen<br />

Schmidels diesen standardisierten Beschreibungen zugrunde. Insbesondere<br />

die Angaben zu militärischer Stärke der Indianer, zu ihrer Bevölkerungszahl und<br />

ihrem ungefähren Siedlungsgebiet dürften schon in der Neuen Welt schriftlich fixiert<br />

worden sein. Immerhin zeigen Schmidels für einzelne Stämme differenzierte Beschreibungen,<br />

dass die Europäer die Indianer nicht mehr als amorphe Masse wahrnahmen<br />

wie in der Frühphase der Entdeckungen, sondern die einzelnen Stämme und


ihre Kultur durchaus zu unterscheiden vermochten. Dies ist im Vergleich zu den<br />

meisten anderen Reiseberichten der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein erheblicher<br />

Fortschritt und zeugt von einem intensiveren Kulturkontakt.<br />

Hätte Schmidel einen besseren Bildungsstand besessen, hätte er sich wohl an<br />

die Tradition der antiken Länder- und Kulturbeschreibungen angeglichen; dies<br />

war aber auch nicht seine Absicht. Er wollte keine Cosmographia schreiben, sondern<br />

eine Historia im Sinne einer historiographischen Chronik. Welche Texte der<br />

Reiseliteratur Schmidel gekannt hat, ist nicht mehr feststellbar, die Anspielungen<br />

auf Acosta, López de Gómara und andere sind Zugaben von Hulsius. Zu der Zeit,<br />

als er sein Buch verfasste, standen in Europa nur sehr wenige Texte über Südamerika<br />

zur Verfügung. Der am meisten differenzierte Text, Stadens Brasilienbericht,<br />

erschien 1557, verfolgt aber durch seine erbaulich-narrative und ethnographische<br />

Zielrichtung ein ganz anderes Konzept als Schmidels Buch. Deutliche Reflexe einer<br />

naheliegenden Stadenlektüre sind jedenfalls nicht feststellbar, sie ist aber angesichts<br />

des Erfolgs von Stadens Buch und seiner Verankerung im protestantischen<br />

Kontext und die dadurch bedingte Nähe zu Schmidels Vita wahrscheinlich, hat<br />

sich aber in dem wohl schon 1556 fertiggestellten Manuskript nicht mehr niedergeschlagen.<br />

Allenfalls die rudimentären Angaben über den Kannibalismus der brasilianischen<br />

Tupi könnten auf Staden zurückgehen, diese Informationen standen<br />

Schmidel durch den Zug von Nuñez Cabeza de Vaca, seine eigene Rückkehr über<br />

Land an die Küste und die eigenen kurzen Aufenthalte bei der Hinfahrt sowie<br />

Kontakte zu Schiffen, die auf dem Weg in die La Plata-Region in Brasilien Zwischenhalt<br />

machten, aber ohnedies zur Verfügung. Die Briefe von Philipp von Hutten aus<br />

der Welserkolonie in Venezuela wurden schon 1550 ohne Nennung des Autors im<br />

Anhang der Berichte über Cortés Eroberungen publiziert, Federmanns Bericht aus<br />

Venezuela 1557, beide könnte Schmidel also gekannt haben, es finden sich aber<br />

keine Reflexe einer Lektüre. Einzige Parallele ist, dass Hutten an einer Stelle (1999,<br />

S.94) ebenfalls von Indianerinnen spricht, die die Scham bedecken. Dieses<br />

Selektionskriterium ist allerdings vor dem Hintergrund des kanonischen Schöpfungsberichts<br />

zeittypisch und nicht an eine Kenntnis des Texts von Hutten gebunden.<br />

Auch die Indianer selbst wurden als Informanten über fremde Stämme herangezogen.<br />

Schmidel liefert uns an einer Stelle einen schönen Beleg für die Herkunft<br />

einiger seiner eigenen Beschreibungen aus militärischen Erkundigungen. In<br />

Asunción lässt der Hauptmann Juan de Ayolas die Carios nach dem Stamm der<br />

Piembos befragen, zu denen er wenige Zeit später eine Expedition ausrüstet:<br />

“ Also ließ unser Häuptmann Don Eyollas diese Carios fragen, nach einer Nation,<br />

die heißt Piembos, da antworteten sie, es were von dieser Statt d’Assumption, biß zu<br />

diesen Piembos hundert meil Wegs, und lege am Wasser Parabol auffwarts: Darauff<br />

71


72<br />

ließ er sie weyter fragen: Ob diese Piembos auch Proviandt hetten, und warvon sie<br />

sich enthielten, was es für ein Volck und was ihr Wandel und Thun were. Darauf<br />

antworteten sie im hinwider: Diese Piembos hetten kein ander Proviandt, dann<br />

Fisch und Fleisch, Item Bochshörnlein oder JohansBrodt, Algorobo genandt, auß<br />

welchem sie Meel macheten, und essen dasselbe zu den Fischen, Sie machen auch<br />

Wein darauß, der ist gar süß, gleich wie bey uns der Medt.” (1602, S. 28).<br />

Diese zufällig überlieferte Stelle, die im narrativen Kontext den Hintergrund für<br />

eine in der Folge beschriebene Expedition zu besagten Piembos liefert, zeigt uns,<br />

wie ähnlich diese militärisch motivierten Befragungen Schmidels Kriterienkatalog<br />

sind. Dies ist sicher nicht zufällig. Schmidel erwähnt beispielsweise explizit das<br />

Johannisbrot, als er von der Nahrung der Piembos (Patembos) spricht (1602, S.29).<br />

Wir müssen also in diesen Befragungen durch die Soldaten ein direktes Vorbild für<br />

die Indianerschilderungen der kurzen descriptio-Einschübe sehen, auch wenn<br />

Schmidel dann noch einige persönliche Beobachtungen über die Sitten hinzufügt.<br />

Es ist also wahrscheinlich, dass sowohl diese Befragungen als auch persönliche,<br />

mehr willkürlich ausgewählte Bemerkungen sowie Anregungen von fremder Seite<br />

(Nacktheit als Kriterium für den Zivilisationsstand) als Selektionskriterien in<br />

Schmidels Indianerpassagen eingeflossen sind.<br />

Schmidel verwendet das zeittypische Vergleichsschema, das außereuropäische<br />

Erscheinungen mit europäischen Elementen vergleicht, nur bei geographischen<br />

Beobachtungen und Bemerkungen über die materielle Kultur der Indianer, nicht<br />

aber bei der moralischen Bewertung der Indianer. Schmidel vergleicht einen Berg<br />

mit dem Bogenberg seiner Straubinger Heimat (1602, S.29), einen großen Fluss mit<br />

der Donau (1602, S.69; analog übrigens ein Vergleich des aus Ulm stammenden<br />

Federmann in seiner Indianische Historia 1557, Blatt L 2 verso) oder die Ruder der<br />

Kanus der Indianer mit europäischen Rudern (1602, S.15). Diese Vergleiche sind<br />

aber eher sporadisch und nicht nach einer stilistischen Absicht in den Text eingestreut.<br />

Bezeichnenderweise stammen sie aus Schmidels näherer Heimat und sind<br />

auch für den ersten intendierten Leser als ein Verweis auf die dem Autor wie dem<br />

Rezipienten selbst bekannten Gegenden zu sehen.<br />

Schmidels Indianerbild lässt sich inhaltlich nicht auf einen Nenner bringen,<br />

sondern muss vor dem jeweiligen Kontext betrachtet werden. Sozialverhalten und<br />

Religion spielen keine Rolle in seiner moralischen Bewertung. Bei Schmidel sind<br />

auch die moralischen Urteile über die Indianer gänzlich in deren militärischer Zuverlässigkeit<br />

begründet. Die Konformität mit europäischen Verhaltensnormen, etwa<br />

der zeremonielle Empfang der Europäer durch einen Indianerhäuptling, werden<br />

zwar positiv hervorgehoben (Classen, 1993, S. 258), dies allerdings bei eher sekundären<br />

Beobachtungen. Angesichts der Tatsache, dass das Thema Religion auch bei


den einzelnen Passagen über die Indianer in dem Buch praktisch unbeachtet bleibt,<br />

findet sich verständlicherweise auch die übliche Abwertung der Indianer als Nicht-<br />

Christen in seinem Text nicht. Schmidel hebt die Freundlichkeit der Indianer, die die<br />

Europäer mit Nahrungsmitteln versorgen, nicht als “ charité naturelle” wie etwa<br />

Thevet oder Léry (Thevet, Singularitez, 1557/58, S 55 v., 84 r. ff, Léry, Histoire, 1580, S.<br />

290) hervor, er betrachtet dies als selbstverständlich. Die Europäer intervenieren<br />

auch militärisch, wenn diese Unterstützung ausbleibt. Manchmal sieht Schmidel jedoch<br />

auch, dass einige Stämme so arm sind, dass sie nur das Wenige, was sie selbst<br />

haben, mit den Spaniern teilen können (“ ihre Armuth gutwillig mitgetheilt” 1602,<br />

S.9). Die Bewertungen der Indianer folgen keiner klar erkennbaren ethnographischen<br />

Absicht, sondern sind bei passender Gelegenheit angebracht. Ein moralischer<br />

Vergleich des Verhaltens der Europäer mit dem der Indianer findet sich nicht, allenfalls<br />

Selbstkritik an ungerechtfertigten Strafmaßnahmen der Europäer, insbesondere<br />

wenn diese militärische Gegenaktionen der Indianer verursachen. Die bei Autoren<br />

wie Montaigne weidlich ausgenutzte Komponente des moralischen Vergleichs zwischen<br />

Europäern und Indianern, angelegt schon in einigen Gesprächspassagen der<br />

Montaigne bekannten Werke von López de Gómara (La istoria de las Indias, span.<br />

Ausgabe 1552, franz. Übersetzung von Martin Fumée 1568 u.ö.) und Jean de Léry<br />

(erstmals [Genf] 1578, zahlreiche Neuauflagen), wird nicht dazu genutzt, zumindest<br />

ansatzweise die Eigenkultur der Europäer oder ihr moralisches Recht auf die Conquista<br />

zu hinterfragen (zu Montaigne vgl. Obermeier 2002b). Dies hat Schmidel allerdings<br />

mit der überwiegenden Zahl seiner Zeitgenossen gemein.<br />

Auch über das Leben der Indianer in der frühen Kolonialzeit liefert uns Schmidel<br />

eine Fülle von Informationen. Er vermerkt, wieviele Indianersklaven er bei den<br />

Kriegszügen erhielt. Nach einem Gefecht mit den Maipais erhielt er beispielsweise<br />

19 Sklaven (1602, S. 75), wobei er besonders auf die jungen Frauen wert legte, wie<br />

er an dieser Stelle auch zugibt. Nach einem Gefecht mit den Machcakies erhielt er<br />

gar an die 50 Gefangene, darunter Männer, Frauen und Kinder (1602, S.90). Diese<br />

Stellen sind aber nur kurze Einschübe und dienen eher zur Illustrierung der europäischen<br />

Siege, als dass damit eine weitergehende narrative Gestaltungsabsicht<br />

des Texts verbunden wäre.<br />

Die Enge des Kulturkontakts in der La Plata-Gegend ist durch einen Schmidel<br />

betreffenden Briefregest bezeugt. Durch dieses Dokument wissen wir, dass Schmidel<br />

in Südamerika mit einer oder mehr Indianerinnen zusammengelebt hat, mit der er<br />

auch einige Kinder gehabt hat. Dies belegt ein Brief des Fugger-Vertreters in Sevilla<br />

Christoph Raiser vom 17.04.1558 an den spanischen Hof. Der spanische Hof erhielt<br />

Kopien von allen Briefen, die Südamerika betrafen. Die Schmidel betreffende Stelle<br />

des Briefs in einer Liste mehrerer Briefe mit kurzen Inhaltsangaben lautet wie folgt:<br />

73


74<br />

“ Sunst hiemit ain briefflen an ainem genant Vlrich schmeidel, ain lange Zeitt In<br />

Riodelaplata gewest, alda khinder verlassen, ist Jetztund 3 Jar von dar hinauß khumen,<br />

wie mir der fugger anzeigt, Im krieg vmbzeucht, mechte der guet man lieber wider<br />

dinen ynd bey seinenn khindern sein, sich vil basser dan heraussen erneren, welt Ime<br />

disen brieff lassen Zuschickhen.” (zitiert nach Friedrich 1997a, S. 102).<br />

Der Brief eines nicht genannten Schreibers an Schmidel selbst ist nicht erhalten.<br />

Vielleicht handelte es sich um eine Nachricht eines Freundes aus Südamerika, oder<br />

Schmidel hatte, wie uns die Formulierung Raisers suggeriert, angefragt, ob er nach<br />

dorthin zurückkehren könnte. Dieses Dokument ist für uns in mehrerer Hinsicht von<br />

großer Bedeutung. Zum einen bezeugt es, dass auch Schmidel wie viele der französischen<br />

truchements oder der spanischen bzw. portugiesischen Eroberer mit indianischen<br />

Frauen zusammenlebte und von ihnen auch Kinder hatte. Dies ist im Zeitkontext nichts<br />

Außergewöhnliches und wurde in den Kolonien auch geduldet, ja sogar gefördert.<br />

Diese Poltitik hat schon in den ersten Jahren zu einer starken Zunahme der Mestizenbevölkerung<br />

in Paraguay geführt und verbunden mit der relativ geringen Einwanderung<br />

in die Gegend zu einer bis heute andauernden großen Bedeutung des Guarani<br />

als von großen Teilen der Bevölkerung benutzte lebendige Sprache. In seinem rein<br />

historiographischen Bericht hat er diesen Aspekt allerdings unterschlagen, nur generell<br />

des öfteren über die Zuteilung von Indianerinnen gesprochen.<br />

Schmidels<br />

Reiserouten<br />

in Südamerika<br />

(1535 - 1553).


Schmidels Sicht ist eindeutig eurozentrisch, er verschweigt aber auch kritische<br />

Aspekte der Conquista nicht. Unbegründete Strafaktionen der Spanier gegen<br />

Indianer, die sie zuvor freundlich aufgenommen haben, verurteilt Schmidel,<br />

so im Fall der Surucusen, die niedergemacht werden: “ weiß Gott daß wir in<br />

solchem ihnen groß unrecht gethan haben” (1602, S.59). Bei militärisch gerechtfertigten<br />

Aktionen gegen feindliche Indianer kennt er aber kein Erbarmen und<br />

beschreibt ehrlich die vollzogenen Strafaktionen als Massaker: “ da schlugen wir<br />

alle Menschen [der Aygais-Indianer] jung und alt zu todt, dann die Carios habens<br />

im Brauch, wann sie kriegen und obsiegen, so muß es alles daran, und haben kein<br />

Erbarmung uber das Volck” (1602, S.27). Was hier noch durch indianische Sitten<br />

der Verbündeten scheinbar gerechtfertigt wird, bedarf an anderer Stelle, so beim<br />

Kampf gegen die Carendies, die Bewohner der Gegend von Buenos Aires, keiner<br />

Begründung mehr, sondern wird nur noch trocken konstatiert: Die Landsknechte<br />

operierten “ mit bevelch, gemelte Indianische Carendies alle zu Todt zuschlagen<br />

und zufangen, und iren Flecken einzunemen” (1602, S.8). Oder beim Kampf<br />

gegen den feindlichen Häuptling Dabero: “ und den vierten Tag fielen wir 3.<br />

Stund vor Tag inn den Flecken, erschlugen alles was wir darin fanden, und fiengen<br />

viel Weiber, daß ward uns ein grosser Behelff ” (1602, S.45). Auch die Legitimität<br />

der Versklavung von Frauen, die als Helfer bei der Nahrungsbeschaffung und<br />

Sexualpartner eine große Rolle spielten, wird nicht thematisiert.<br />

Allerdings waren die militärisch als notwendig angesehenen Aktionen durchaus<br />

auch von klaren Handlungsanleitungen geprägt, in welchen Fällen Gnade<br />

gewährt werden sollte:<br />

“ Uber 4. Monat kamen etliche Aygais, so dißmal nicht anheymisch, noch im<br />

Scharmützel gewesen, und begehrten Gnad, da muste sie unser Hauptmann<br />

begnaden, nach der Kays. Majest. Befehl, daß man jeden Indianer biß zum drittenmal<br />

solte begnaden, were aber sach, daß einer zum drittenmal friedbrüchig würde, so<br />

solte derselbe sein Lebenlang ein Leibeygen oder Gefangener seyn.”<br />

1602, S.27<br />

Wir wissen aus zeitgenössischen Berichten viel von den Schwierigkeiten, eine<br />

wohlwollende Indianergesetzgebung in Lateinamerika de facto sowohl bei den<br />

Siedlern, die Arbeitskräfte brauchten, als auch bei den Soldaten, die sich durch<br />

Versklavung der Indianer persönlich bereicherten, durchzusetzen. Die schon erwähnte<br />

Capitulación von Mendoza bezieht sich explizit 23 auf eine andere Muster-<br />

23 Coleccion de documentos inéditos, Bd.22.1874, Nachdruck 1966, S.359.<br />

75


76<br />

Capitulación zwischen der Krone und Francisco de Montejo über die Eroberung<br />

Yucatans von 1526 24 , die eine solche wohlwollende Behandlung der Indianer explizit<br />

fordert, insbesondere die willkürliche Versklavung freier Indianer unter Strafe<br />

stellt und ihnen für getane Arbeit einen gerechten Lohn zuspricht. Der die Indianer<br />

betreffende Teil der Capitulación von 1526 wird wörtlich in der Ernennung des<br />

Alvar Nuñez vom 18.03.1540 wiederholt 25 . Die Befreiung zweimal aufständischer<br />

Indianer wird in diesen Capitulaciones nicht erwähnt, die Möglichkeit eines gerechten<br />

Krieges zur Erhaltung der eigenen Existenz der Eroberer aber explizit vorgesehen,<br />

besonders wenn die Indianer die Annahme der christlichen Religion<br />

verweigern 26 . Der Straferlass wurde aufständischen Indianern wohl im Einzelfall<br />

gewährt, wenn sie zur Unterwerfung bereit waren (“ ofreciéndoles [i.e. den Indianern<br />

der Provinz Ipané] perdón, si voluntariamente viniesen a la real obediencia”)<br />

schreibt Díaz de Guzman in seinem historischen Bericht La Argentina, entstanden<br />

1612, Ausgabe 1986 [1612], S.156). Wenn man den Berichten des Pero Hernández<br />

in den Comentarios glauben darf, hat Alvar Nuñez auch genau auf eine gute Behandlung<br />

der Indianer und ihre Bezahlung für gelieferte Güter geachtet, was nicht<br />

wenig zu seiner Unbeliebtheit unter den Soldaten beigetragen haben dürfte. Insbesondere<br />

bei der Versklavung besiegter Indianer dürften sich auch mit den einfachen<br />

Soldaten Konflikte ergeben haben, da diese Indianer für die Landsknechte<br />

neben ihrem Sold und dem Erwerb von Handelsgütern der Indianer eine Art zusätzliche<br />

Einnahmequelle darstellten. Nach der Rückkehr von einem Eroberungszug<br />

verlangt Cabeza de Vaca die Abgabe des Beuteguts (1602, S.56/57) und eine Bestrafung<br />

des Hauptmanns Hernando de Ribera, was die Soldaten durch einen Aufruhr<br />

verhindern. Vielleicht waren mit diesem Beutegut auch die an dieser Stelle<br />

nicht explizit erwähnten versklavten Indianer gemeint. An anderen Stellen spricht<br />

Schmidel wie selbstverständlich von der Versklavung im Krieg besiegter Indianer<br />

(1602, S.75, S.90), ohne auf die von ihm mehrfach erwähnte Regelung des dreimaligen<br />

Aufstands gegen die Europäer einzugehen. Es handelt sich bei diesen Versklavungen<br />

wohl um ein Gewohnheitsrecht, das in der vom Überlebenskampf geprägten<br />

täglichen Praxis der Kolonien nicht nur für Schmidel keiner Rechtfertigung<br />

durch ein wie auch immer geartetes Konzept der “ guerra justa” bedurfte. Nach der<br />

Absetzung von Cabeza de Vaca soll es nach einigen Quellen, die, selbst wenn sie für<br />

24 Abgedruckt in: Coleccion de documentos inéditos, Bd.23.1875, Nachdruck 1966, S.201-223.<br />

25 Coleccion de documentos inéditos, Bd.22.1874, Nachdruck 1966, S.18-32 entspricht der<br />

Capitulación von Montejo in: Coleccion de documentos inéditos, Bd.23.1875, Nachdruck<br />

1966, S.209-222.<br />

26 Coleccion de documentos inéditos, Bd.23.1875, Nachdruck 1966, S.27 (aus der Muster-<br />

Capitulacion Montejos, d.h. allgemeingültig).


Cabeza de Vaca eingenommen sind, hier durchaus glaubwürdig sind (vgl. neben<br />

den schon zitierten, von seinem Schreiber Pero Hernández unter Anleitung von<br />

Alvar Nuñez verfassten Comentarios z.B. das durchaus glaubwürdige Memorial des<br />

Priesters González Paniagua vom 03.03.1545, in der Revista de la Biblioteca nacional,<br />

Buenos Aires 1937, S.469), auch zu zahlreichen Versklavungen und Verkäufen freier,<br />

also nicht im Krieg besiegter feindlicher Indianer, insbesondere von Indianerinnen<br />

gekommen sein, was gegen die Rechtsvorschriften verstieß. Dieses Verhalten<br />

der Aufständischen zeigt die große Bedeutung des Sklavenhandels für die Kolonie<br />

und deutet wohl darauf hin, dass der Kampf gegen reglementierende Maßnahmen<br />

von Cabeza de Vaca ein auslösendes Moment für seine Absetzung war.<br />

Es wäre wohl verfehlt, diese militärischen Aktionen mit ihren brutalen Konsequenzen<br />

für die Indianer heute einzig unter humanitären Gesichtspunkten zu bewerten<br />

und zu verurteilen. Die Politik der damaligen Heere schloss auch in Europa<br />

Gewalttaten gegen die Zivilbevölkerung mit ein, die Gräuel der Religionskriege oder<br />

später des Dreißigjährigen Krieges sind hinlänglich bekannt (vgl. zu diesem Aspekt bei<br />

der Bewertung von Schmidels Buch auch Lefebvre 1987, S.112). Die Eroberungspolitik<br />

in Amerika war von klaren utilitaristischen Gesichtspunkten geleitet, die das<br />

Ziel hatten, das physische Überleben der Europäer auf jeden Fall und um jeden Preis<br />

sicherzustellen. Die militärische Überlegenheit der Europäer und die de-facto Versklavung<br />

zahlreicher Indianer sowie der Einsatz entsprechender Repressionsmaßnahmen<br />

bildeten hierzu die Voraussetzung. Die Indianer, insbesondere die Frauen,<br />

waren als Nahrungsmittellieferanten für das physische Überleben der Europäer von<br />

existentieller Bedeutung. Die mit der Versklavung einhergehende sexuelle Promiskuität<br />

der Europäer war gewollt, wurde von Martínez de Irala vorgelebt und obwohl<br />

katholische Geistliche in der Kolonie anwesend waren, auch geduldet 27 .<br />

Die Rezeption Schmidels<br />

Die Rezeptionsgeschichte Schmidels weist deutliche Parallelen zu der Stadens<br />

auf, auch wenn sein Buch niemals dessen Bekanntheitsgrad durch schon gleich<br />

nach dem Erstdruck erstellte zahlreiche Nachdrucke erlangte. Parallel war in der<br />

Rezeptionsgeschichte aber das Interesse von Bry und Hulsius an beiden Autoren<br />

27 Der Franziskaner Francisco González Paniagua beschwert sich in seinem Memorial vom<br />

03.03.1545, in dem er für den abgesetzten Cabeza de Vaca eintritt, über die Polygamie, er<br />

erwähnt aber wohlweislich nicht, dass diese nicht ursächlich mit der Absetzung des Adelante<br />

zusammenhing, sondern schon seit dem Beginn der Kolonie allgemeinverbreitete<br />

Praxis unter den Europäern war (Paniagua 1937, S.470/471).<br />

77


78<br />

für ihre großen Reiseberichtssammlungen, wobei bei Schmidel wohl erst durch die<br />

Hulsius-Ausgabe überhaupt ein größerer Bekanntheitsgrad einsetzte. In der Erstausgabe<br />

von Schmidels Text durch Feyerabend geht dieser in einer Sammlung von<br />

mehreren längeren Texten unter und wurde wohl wenig beachtet, selbst wenn es<br />

von der Erstausgabe auch mehrere Einzeldrucke des zweiten Bands unter dem<br />

Titel Newe Welt gegeben hat.<br />

Schmidels Werk hat im übrigen auch die Kartendarstellungen beeinflusst. Insbesondere<br />

die Orte, die er angibt, während seines Zugs von Asunción nach São<br />

Vicente durchzogen zu haben, finden sich auf den Karten der Familie Hondius<br />

(1606, 1638) und werden auch auf späteren Karten wie denen von Wilhelm<br />

Jansenius Blaeu und Johannes Blaeu, zwischen 1599 und 1640 in Amsterdam<br />

gedruckt, aufgeführt (vgl. die Zusammenstellung bei Maack, 1959, S. 52-53 und S.<br />

56-60). Man sollte aber vorsichtig sein, von diesen Karten ausgehend den Reiseweg<br />

Schmidels erkunden zu wollen, wie dies Maack (1959, S.55) stellenweise versucht,<br />

da die Kartographen ja von Schmidel selbst beeinflusst sind und bei der<br />

Situierung der Ortsnamen, auch wenn sie diese aus anderen Quellen hatten, angesichts<br />

der Unkenntnis des Innern Südamerikas zumeist Phantasie walten ließen.<br />

Ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts liegen auch spanische Ausgaben<br />

Schmidels vor (erstmals 1749, der genaue Titel im Anhang), was wohl zu einer<br />

verstärkten Rezeption Schmidels im spanischsprachigen Bereich geführt haben<br />

dürfte. Die Schmidel-Rezeption durch Historiker und heimatgeschichtlich interessierte<br />

Forscher setzt damit also etwas früher ein als bei Staden, bei dem der<br />

erste wirkungsgeschichtlich bedeutende Nachdruck nach der Lücke im 18. Jahrhundert<br />

erst wieder 1837 in Ternaux-Compans’ französischer Fassung erschien.<br />

Dieses frühe Interesse an Schmidel liegt darin begründet, dass sein Werk ja von<br />

der Intention her historiographischen Charakter hat und zudem eine der frühesten<br />

Quellen über die La Plata-Region überhaupt ist. Da es nur sehr wenige<br />

solcher Quellen über die Eroberung des Gebiets gab, wurde die Übersetzung<br />

ins Spanische angesichts des Interesses für die eigene kulturelle Identität und<br />

Geschichte der spanischen Kolonien in Lateinamerika schon anlässlich der ersten<br />

Quellensammlungen im 18. Jahrhundert veranlasst. Nicht besonders auffallend<br />

ist es, dass die Rezeption von Schmidel in holländischen Übersetzungen<br />

wie bei Staden fehlt, da hier einfach das kolonialpolitische Interesse der Holländer<br />

an Nordbrasilien im 17. Jahrhundert und die dezidiert protestantische Ausrichtung<br />

des Texts bei Staden günstige Rezeptionsvoraussetzungen bildeten.<br />

Einzige Ausnahme bildet die recht umfassende Sammlung des Druckers und<br />

Verlegers Van der Aa von 1706.<br />

Über die lateinische Version war Schmidel auch den ersten Historikern der La


Plata-Gegend bekannt. Der Jesuit Nicolas del Techo (eigentlich Du Toict,<br />

1611-1685) verwendet Schmidel in seiner Historia provinciae Paraquariae Societatis<br />

Iesu, Lüttich 1673, ohne auf ihn namentlich zu verweisen. Pedro Lozano (1697 -<br />

1752), Verfasser der Historia de la Compañía de Jesús en la provincia del Paraguay,<br />

Madrid 1754 - 1755, zitiert ihn häufig, ebenso José Guevara (Historia de la conquista<br />

del Paraguay, Río de la Plata y Tucumán: hasta fines del siglo XVI, Buenos Aires<br />

1882). 28 Félix de Azaras (1752-1821) Descripción e Historia del Paraguay y del Río de<br />

la Plata, Madrid 1847, Bd.1, Prólogo, S.4-5 29 , lobt die Exaktheit Schmidels mit<br />

Ausnahme seiner Eigennamen und ethnologischen Bezeichnungen. Er hält auch<br />

die Zahlenangaben über die Entfernungen sowie die Indianerbezeichnungen<br />

für sorgfältig vermerkt. Die Zahlenangaben über die Größe der Stämme werden<br />

von Kloster/Sommer (1942, S. 58) und Kirbus (1984, S.96) als übertrieben bezeichnet,<br />

es handelt sich wohl um Schätzwerte.<br />

Ein Versuch Straubinger Gebildeter im Jahr 1810 eine heimatgeschichtlich motivierte<br />

Publikation des Werks des großen Sohnes ihrer Stadt durch Subskription zu<br />

ermöglichen, scheiterte. Dazu wurde eine kurze, nur wenige Seiten zählende Bekanntmachung<br />

über Ulrich Schmidel, Straubing, 1810 (vorhanden an der Universitätsbibliothek<br />

München), separat gedruckt. Schmidels Text geht schließlich mit zahlreichen<br />

anderen in die große Sammlung bei Ternaux-Compans 1837 in französischer<br />

Übersetzung ein (Histoire veritable d’un voyage curieux fait par Ulrich Schmidel de<br />

Straubing, Nuremberg 1599, Paris 1837). Die weiteren Entwicklungen der Ausgaben<br />

sind deutlich parallel zu Staden. Wie dieser wird er im Rahmen eines wissenschaftshistorischen<br />

Interesses an alten Quellentexten in der Bibliothek des Literarischen<br />

Vereins in Stuttgart 1889 neu aufgelegt, erstmals nach dem Münchner. Die<br />

Forschungen des lokalgeschichtlich interessierten Straubinger Rektors der Königlichen<br />

Realschule Johannes Mondschein führen zu seinem Aufsatz von 1881, der<br />

erstmals die damals bekannten personengeschichtlichen Quellen erforscht, und<br />

anlässlich der Entdeckung des Stuttgarter Manuskripts zu seiner Neuausgabe desselben<br />

im Jahr 1893 (die genauen Titel siehe den Anhang).<br />

Der ehemalige argentinische Staatspräsident Mitre hat ein Vorwort für die<br />

Schmidel-Ausgabe von 1903 geschrieben. Dieses Vorwort ist identisch mit einem<br />

nach 1881 entstandenen Aufsatz, wo Mitre Schmidel als “ primer historiador del Río<br />

de la Plata“ (so der Untertitel des Aufsatzes, der erstmals in den Anales del Museo de<br />

La Plata 1890 erschien) bezeichnet. Anlass für diese Neuausgabe von 1903 war<br />

28 Vgl. auch Pistilli (1987, S.76).<br />

29 Zitiert nach Pistilli (1987, S.71). Das Kapitel bei Pistilli (1987, S.61-80) bietet trotz unzureichender<br />

bibliographischer Angaben einen guten Überblick der Urteile in der Sekundärliteratur<br />

über Schmidel.<br />

79


80<br />

wohl die bereits erwähnte Polemik zwischen Gondra und Domínguez. Heute wird<br />

Schmidel seit dem Buch von Pistilli (1980) angemessen gewürdigt.<br />

Vor allem im 20. Jahrhundert werden zahlreiche Bearbeitungen des Texts<br />

herausgegeben. Die damals bekannten wichtigen Manuskripte waren durch Langmantel<br />

und Mondschein ja veröffentlicht, der Text also auch wieder in neuen<br />

Ausgaben greifbar. Alle späteren deutschen Ausgaben bis in die 50er Jahre sind<br />

Bearbeitungen des Texts, manchmal eher Nacherzählungen des Stoffs, die sich<br />

an die Geschichte Schmidels anlehnen. Den Anfang macht Pannwitz (Deutsche<br />

Pfadfinder des 16. Jahrhunderts in Afrika, Asien und Südamerika: Stuttgart 1911 und<br />

1912). Hegaurs Ausgabe von 1914 Wahrhaftige Historie einer wunderbaren Schiffahrt,<br />

welche Ulrich Schmidel von Straubing von 1534 bis 1554 in America oder<br />

Neuewelt bei Brasilia oder Rio della Plata getan, München 1914; („Engelbert Hegaur“<br />

ist ein Pseudonym für Wilhelm Engelbert Oeftering) ist wohl durch das Interesse<br />

des Autors und Übersetzers für alte deutsche Texte und die Renaissanceliteratur<br />

bedingt, auch die Ausgabe von Cramer (Abenteuer in Südamerika: 1534 bis 1554,<br />

Leipzig 1922 und 1926) ist eine wohl durch die Herausgabe in einer Reihe von<br />

frühen Quellentexten angeregte Bearbeitung. Siemes Textbearbeitung Zwanzig Jahre<br />

Landsknecht in Südamerika. 1534-1554. Nach der Handschrift hrsg. von Severin Rüttgers,<br />

Köln: 1928, erschien ebenfalls in einer Reihe von Volkstexten, wobei hier der<br />

Herausgeber Severin Rüttgers einen Bildungsanspruch für einfachere Schichten<br />

vertrat, denen nicht nur aus nationalen Gründen zur geistigen Überwindung der<br />

als Schande empfundenen Niederlage von 1918 und der Revolution deutsche<br />

Literatur zur moralischen Stärkung dargeboten werden sollte, wobei alle kritischen<br />

und für das Empfinden der Zeit moralisch anstößigen Aspekte natürlich ausgeklammert<br />

wurden. Die Ausgaben von Tepp (Der erste Deutsche am Rio de LaPlata,<br />

Buenos Aires: [1934] und seine Romangestaltung unter dem Titel Buenos Aires<br />

oder: Die Kinder des Landes bauen eine Stadt, Buenos Aires: 1940) sind sicher durch<br />

das heimatgeschichtliche Interesse des Deutschargentiniers angeregt, der seinen<br />

in Argentinien lebenden Landsleuten einen wichtigen historischen Text bekanntmachen<br />

will. Eindeutig in die national-völkische Richtung gehen die Bearbeitungen<br />

von Hans Rubbert: Die glückhafte Rotte: das Gefechtsbuch Ulrich<br />

Schmiedels aus Straubing, Zeulenroda 1938, Eduard Christophé: Landsknecht des<br />

Kaisers am La Plata: mit Pedro de Mendoza vor den Toren von Buenos Aires; Berlin:<br />

[1941] und Oskar Förster, Deutsche Landsknechte in Südamerika. Den Berichten<br />

Hans Stadens und Ulrich Schmiedels nacherzählt, Bochum 1942. Bezeichnenderweise<br />

wurde das Buch von Gustav Faber, Deutsches Blut in fremder Erde, erstmals<br />

Berlin 1939, das unter anderen Reisetexten auch Schmidels Bericht enthielt, im<br />

Jahre 1944 in einer eigenen Feldpostausgabe herausgegeben. Diese Texte kann


man -auch wenn sie sicherlich keine nationalsozialistische Literatur sind- durchaus<br />

als Aufputschliteratur für die im Kriege stehenden Deutschen verstehen. Da<br />

aus der glücklichen Zukunft, die die letzten Sätze der Ausgabe von Rubbert 1938<br />

versprochen hatten, nichts wurde, setzt nach dem Krieg ein anderes Interesse ein.<br />

Der Südamerikaforscher Krieg veröffentlicht eine populäre Bearbeitung des Buchs<br />

Ein Landsknecht am La Plata. Auf den Spuren Ulrich Schmidels im Indianerland Südamerikas,<br />

Stuttgart 1950, der Straubinger Heimatforscher Keim eine Textbearbeitung<br />

Ulrich Schmidls Erlebnisse in Südamerika: nach dem Frankfurter Druck (1567), 1962,<br />

im selben Jahr erschien in Graz auch das Faksimile der zweiten deutschen Ausgabe<br />

von Hulsius 1602 (Titel in einleitender Bibliographie). Die jüngste Übersetzung ins<br />

Neuhochdeutsche, hrsg. von Markus Tremmel, Ulrich Schmidels Fahrt in die Neue<br />

Welt: erschien Taufkirchen 2000.<br />

Die Geschichte der spanischen Ausgaben entspricht der der deutschen. Nach<br />

der Erstübersetzung erschien ein Nachdruck in der Coleccion (sic) de Obras y<br />

Documentos relativos a la Historia antigua y moderna de las provincias del Rio de la<br />

Plata, hrsg. von Pedro de Angelis, Buenos Aires 1836 - 1837. Sämtliche frühen<br />

Übersetzungen ins Spanische folgen der lateinischen Ausgabe von Hulsius. Gut<br />

kommentierte Ausgaben erschienen 1887 (Nachdruck des Texts der Ausgabe<br />

1749) unter dem Titel Historia y descubrimiento del Rio de la Plata y Paraguay hrsg.<br />

von Mariano A. Pelliza in Buenos Aires, 1903 erschien in Buenos Aires die ebenfalls<br />

mit vielen Quellen versehene Übersetzung von Samuel A. Lafone Quevedo<br />

(Viaje al Rio de la Plata: 1534 -1554) erstmals nach dem Münchner Manuskript. Die<br />

erste spanische Übersetzung nach dem Manuskript von Stuttgart wurde von Edmundo<br />

Wernicke 1936 herausgegeben (Derrotero y viaje a España y las Indias)<br />

und wurde bis heute zahlreiche Male wiederaufgelegt. Selbst eine Bearbeitung<br />

als Kinderbuch in Comicform unter dem Titel Ulrico, textos y dibujos de Carlos<br />

Schlaen, erschien Buenos Aires 1987. Neuere Ausgaben des Texts beschränken<br />

sich auf magere Kommentare und einen Nachdruck der alten, längst überholten<br />

Aufsätze, so druckt die Ausgabe Buenos Aires von 1993 (Cronica del viaje a las<br />

regiones del Plata, Paraguay y Brasil) wieder mit dem Wernicketext die Sekundärliteratur<br />

von 1948 nach. Kritische Ausgaben sind weder in Spanisch noch in<br />

Deutsch bisher verfügbar.<br />

In Buenos Aires wurde analog zum schon seit längerem bestehenden Hans-<br />

Staden-Institut (heute Martius-Staden-Institut) in São Paulo 1982 im Rahmen der<br />

seit 1922 bestehenden Institución Cultural Argentino-Germana das Instituto Ulrico<br />

Schmidl ins Leben gerufen, das 1984 seine Tätigkeit aufnahm, aber nach dem Tod<br />

des Initiators, des Ingenieurs und Deutschargentiniers Peter Steiner, faktisch seine<br />

Arbeit eingestellt hat.<br />

81


82<br />

Eine Büste von Schmidel befindet sich im Parque Lezama in Buenos Aires, wo<br />

man früher vermutete, dass die erste, 1536 gegründete Siedlung stand (abgebildet<br />

in Kirbus 1984, S.95). Das Kunstwerk stammt von José Fioravanti. Es wurde gestohlen<br />

und im August 2000 auf Initiative der Institución Cultural Argentino-Germana<br />

durch einen Zementguss nach dem wiedergefundenen Gipsmodell ersetzt. Im Jahr<br />

1978 haben Archäologen Reste dieser ersten Siedlung an einer anderen Stelle der<br />

Stadt in der Zone von Belén de Escobar entdeckt.<br />

Quellen:<br />

Bibliographie<br />

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Superior de Investigaciones Cientif., (Corpus Hispanorum de pace ;...) Text lat. u. span.,<br />

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Azara, Félix de: Descripcion é historia del Paraguay y del Rio de la Plata. Obra póstuma de<br />

Don Felix de Azara. La publica su sobrino y heredero el señor Don Augustin de Azara...<br />

bajo la direccion de Don Basilio Sebastian Castellanos de Losada, 2 Bde., Madrid: Impr.<br />

De Sanchéz: Imprenta nacional 1847<br />

Bry, Theodor de: America: 1590 - 1634 ; Amerika oder die Neue Welt; die “ Entdeckung”<br />

eines Kontinents in 346 Kupferstichen, bearb. und hrsg. von Gereon Sievernich, Berlin<br />

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de las posesiones españolas en América y Occeanía, sacados, en su mayor parte, del<br />

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Colección de documentos inéditos relativos al descubrimiento, conquista y colonizacion<br />

de las posesiones españolas en América y Occeanía, sacados, en su mayor parte, del<br />

Real Archivo de Indias, bajo la dir. de Joaquin F. Pacheco.... - Repr. d. Ausg. Madrid<br />

1864-1884 Vaduz : Kraus (Colección de documentos inéditos del archivo de Indias.)<br />

Bd.1-42.; 1964-1966.<br />

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Federmann, Nicolaus: Indianische Historia: ein schoene kurtzweilige Historia Niclaus Federmanns<br />

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Cortesii: Von dem Newen Hispanien, so im Meer gegen Nidergang, Zwo gantz lustige<br />

unnd fruchtreiche Historien,... Transferiert... in hochteutsche Sprach,... von Xysto Betuleio<br />

und Andrea Diethero.. Augsburg, 1550. - Bl. LI - LX<br />

Hutten, Philipp von: Das Gold der Neuen Welt: die Papiere des Welser-Konquistadors und<br />

Generalkapitäns von Venezuela Philipp von Hutten 1534 - 1541, hrsg. von Eberhard Schmitt<br />

und Friedrich Karl von Hutten, zweite, neubearb. Aufl. Berlin: Berlin-Verl. Spitz 1999<br />

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Martínez de Irala, von Ricardo Lafuente Machain, Buenos Aires 1939, S.499-509<br />

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von Jean Claude Morisot und Louis Necker, Genf 1975<br />

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(Einleitender Teil der Historia de la Compañia de Jesus en la Provincia del Paraguay,<br />

erstmals erschienen Madrid 2 Bde., 1754/55), 1. ed., (Coleccion identidad nacional ; 68)<br />

Buenos Aires: Gram Ed. 1994<br />

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1552 meist zitiert unter dem Titel der Neuauflage Historia general de las Indias, Medina 1553.<br />

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83


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[Aufruf zur Subskription einer geplanten aber nie im Druck erschienenen Schmidel-Ausgabe]<br />

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Marburg, Univ., Diss., 1988)<br />

Classen, Albrecht: Ulrich Schmidel in the Brazilian Jungle: A Sixteenth-Century Travel<br />

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Domínguez, Manuel: Estudios históricos y literarios, Asunción 1956<br />

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1991 Nov, 20:2, 73-77<br />

Friedrich, Werner: Wirkungen der lutherischen Lehre in Stadt und Rentamt Straubing, in:<br />

Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing 85.1983 (1984), S.306/307<br />

Friedrich, Werner: Warum wurde Ulrich Schmidl aus seiner Heimat vertrieben: Wirkungen<br />

der lutherischen Lehre in Straubing, in: Straubinger Kalender 389 (1985), S. 51-54, 56-<br />

57 [zitiert als 1985a]<br />

Friedrich, Werner: Ulrich Schmidel und die Reformation in Straubing, in: Jahresbericht des<br />

Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 86.1984 (1985), S.173-184 [zitiert als 1985b]<br />

Friedrich, Werner: Ein Abrechnungsblatt von Ulrich Schmidl im Stadtarchiv Straubing, in: Jahresbericht<br />

des Historischen Vereins für Straubing 88.1986 (1987), S.255-263 [zitiert als 1987a]<br />

Friedrich, Werner: Der Einband des Stuttgarter Ulrich Schmidl-Manuskripts, ein Straubinger<br />

Nekrologium-Fragment aus dem 14. Jahrhundert erzählt, in: Jahresbericht des<br />

Historischen Vereins für Straubing 88.1986 (1987), S.265-278 [zitiert als 1987b]


Friedrich, Werner: Ulrich Schmidl, Bürger und Mitglied des Rats zu Straubing: ein Beitrag<br />

zur Genealogie der Familie Schmidl, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für<br />

Straubing und Umgebung 98.1996 (1997), S. 93 -130 [zitiert als 1997a]<br />

Friedrich, Werner: Ulrich Schmidl von Straubing, Bürger zu Regensburg zur Biographie<br />

seiner zweiten und dritten Ehefrau, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für<br />

Straubing und Umgebung 98.1996 (1997), S. 131 -148 [zitiert als 1997b]<br />

Gondra, Manuel: Hombres y Letrados de América, Asunción: Editorial Guarania [1942]<br />

Granada, Daniel: Diccionario rioplantense razonado, introd. y ed. de Úrsula Kühl de Mones,<br />

Madrid: Arco Libros 1998<br />

Granada, Daniel: Diccionario rioplatense razonado, von Daniel Granada, introducción y<br />

edición de Ursula Kühl de Mones, Madrid: Arco/Libros 1989 (ursprüngl. ersch. 1889<br />

u.d.T.: Granada, Daniel: Vocabulario rioplatense razonado)<br />

Hantzsch, Viktor: Deutsche Reisende des sechzehnten Jahrhunderts, (Leipziger Studien<br />

aus dem Gebiet der Geschichte ; 1,4) Leipzig: Duncker & Humblot, 1895<br />

Huffines, Marion L: A sixteenth century german diary, linguistic analysis and comparison of<br />

the original and the first printed edition, Diss, Indiana University 1971, Ann Arbor 1971<br />

Huffines, Marion L.: The original manuscript of Ulrich Schmidel, in: The Americas, Bethesda<br />

(Md), 34.1978, (Juli 1977-April 1978, hrsg. 1978), Nr. 2, S. 202-206<br />

Irtenkauf, Wolfgang: Das Stuttgarter Schmidl-Manuskript, in: Straubinger Tagbatt vom 21.12.1984<br />

Jahn, Bernhard: Raumkonzepte in der frühen Neuzeit: zur Konstruktion von Wirklichkeit<br />

in Pilgerberichten, Amerikareisebeschreibungen und Prosaerzählungen, (Mikrokosmos<br />

: Beiträge zur Literaturwissenschaft und Bedeutungsforschung 34), Frankfurt am Main<br />

[u.a.]: Lang 1993 [zugleich München Diss. 1992]<br />

Kirbus, Federico B.: La vida de un heroe y el redescubrimiento de la Sierra de la Plata, in:<br />

Utz Schmidl: su vida, sus viajes, su obra, hrsg. von Federico B. Kirbus; Nicolás Cócaro,<br />

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Kloster, Wilhelm; Sommer, Friedrich: Schmidl no Brasil quinhentista, von W. Kloster und F.<br />

Sommer (Sociedade Hans Staden: Publicações da Sociedade Hans Staden ; 4), São<br />

Paulo: Tip. Gutenberg, 1942 [Aus dem Dt. übers.]<br />

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del Río de La Plata y Paraguay“ del Dr. M. Domínguez, in: Revista del instituto paraguayo,<br />

Asunción, Jahrgang 3, Heft 29.1901, S.113-124<br />

Lefebvre, Joël: Un allemand dans la ruée vers l’or: le journal de voyage d’Ulrich Schmidel<br />

en Amérique du Sud (1534-1554, in: Voyager à la Renaissance: actes du colloque de<br />

Tours, 30.06.1983-13.07.83, hrsg. von Jean Ceard, Centre d’Études Supérieures de la<br />

Renaissance, Paris: Maisonneuve et Larose 1987, S.99-114<br />

Lehmann-Nitsche, Robert: Ulrich Schmidels Aufenthalt in São Vincente, Brasilien (1553),<br />

in: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing 31.1928, S. 50-53<br />

Lehmann-Nitsche, Roberto: Los manuscritos del diario de Schmidel, in: Universidad nacional<br />

de Buenos Aires, Facultad de filosofia y letras, publicaciónes de la sección de<br />

história IV, 1918, S. 3-10 + unpag. Faksimileblätter zugleich erschienen in: Revista de la<br />

universidad de Buenos Aires Bd.38, S. 152 ff<br />

Maack, Reinhard: Sôbre o itinerário de Ulrich Schmidel através do sul do Brasil: (1552 -1553); uma<br />

85


86<br />

pesquisa histórico-geográfica, Curitiba, 1959 (Universidade Federal do Paraná :<br />

[Boletim da Universidade Federal do Paraná / Geografia física] ; 1) Text portug. u. dt.<br />

Mitre, Bartolome: Ulrich Schmidel, Primer historiador del Río de la Plata, Notas bibliográficas<br />

y biográficas in: Anales del Museo de La Plata, materiales para la historia física y<br />

moral del Continente Sud-Americano, Sección de historia americana I, Buenos Aires<br />

u.a. 1890, S. 3-17<br />

Mitre, Bartolome: Ulrich Schmidel, Primer historiador del Río de la Plata, in: Utz Schmidl:<br />

su vida, sus viajes, su obra, hrsg. von Federico B. Kirbus ; Nicolás Cócaro, Buenos Aires<br />

: Ed. Tres Tiempos, 1984, S.11-23 (Nachdruck des Vorworts der Schmidel-Ausgabe,<br />

Buenos Aires 1903, identisch mit dem Aufsatz von Mitre von 1890)<br />

Mondschein, Johannes E.: Ulrich Schmidel von Straubing und seine Reisebeschreibung,<br />

(Beilage zum Jahresbericht der Königlichen Realschule Straubing) 1880/81<br />

Moura, Gentil de Assis: O caminho do Paraguay a Santo André da Borda do Campo,<br />

reconstituição do itinerario de Ulrich Schmidel em 1553 in: Revista do Instituto Historico<br />

e geografico de São Paulo, vol. 13.1908, São Paulo 1911, S.167-180<br />

Neuber, Wolfgang: Fremde Welt im europäischen Horizont: zur Topik der deutschen Amerika-Reiseberichte<br />

der frühen Neuzeit, Berlin: Schmidt 1991<br />

Nickson, R. Andrew.: Historical dictionary of Paraguay, hrsg. von R. Andrew Nickson, 2.<br />

ed., rev., enlarged, and updated, (Latin American historical dictionaries ; 24) Metuchen<br />

(NJ) u.a.: Scarecrow Press 1993<br />

Obermeier, Franz: Brasilien in Illustrationen des 16. Jahrhunderts (americana eystettensia,<br />

B. 11), Frankfurt, Vervuert 2000 [2000a]<br />

Obermeier, Franz: Französische Brasilienreiseberichte im 17. Jahrhundert, Claude<br />

d’Abbeville: Histoire de la mission; Yves d’Evreux: Suitte de l’histoire (Abhandlungen<br />

zur Sprache und Literatur, 83), Bonn: Romanist. Verlag 1995 (zugleich Regensburg,<br />

Univ. Diss, 1994)<br />

Obermeier, Franz: Bilder von Kannibalen, Kannibalismus im Bild, Brasilianische Indios in<br />

Bildern und Texten des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas,<br />

38.2001, erschienen 2002, p.49-72. [2002a]<br />

Obermeier, Franz: Katechismen in der “ língua geral” der brasilianischen Tupiindianer und<br />

ihre Überlieferung in zeitgenössischen französischen und portugiesischen Dokumenten<br />

des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Bibliotheksforum Bayern, 1998, S.48-69<br />

Obermeier, Franz: Montaigne, die Wilden und das Groteske, in: Brasilien-Dialog, hrsg. vom<br />

Institut für Brasilienkunde, Mettingen, Heft 3/4. 2001, erschienen 2002, S.27-40. [2002b]<br />

Obermeier, Franz: Die Rezeption von Hans Stadens „Wahrhaftige Historia“ und ihrer<br />

Ikonographie, in: Jahrbuch Institut Martius-Staden, São Paulo, 1999/2000, S.133-151.<br />

Obermeier, Franz: Hans Stadens Wahrhafftige Historia 1557, in: Brasilien-Dialog, hrsg. vom<br />

Institut für Brasilienkunde, Mettingen, Heft 3/4.2000, S.92-110 [2000b]<br />

Pistilli S., Vicente: La primera fundación de Asunción: la gesta de Don Juan de Ayolas;<br />

análisis crítico textual de las fuentes, Asunción: Ed. el Foro, 1987<br />

Pistilli S., Vicente: La cronología de Ulrich Schmidel, Asunción, Paraguay, Instituto Paraguayo<br />

de Ciencia del Hombre 1980<br />

Service, Elman R.: Spanish-Guarani relations in early colonial Paraguay, Repr. d. Ausg. Ann


Arbor, Mich., University of Michigan, Museum of Anthropology (Anthropological papers,<br />

9) 1954, Westport, Conn.: Greenwood Pr. 1971<br />

Steiner, Peter: Das Testament Ulrich Schmidls und ein Versuch seiner Auswertung, die<br />

neuen Forschungsergebnisse über Leben und Familie des ersten Geschichtsschreibers<br />

Argentiniens, Typoskript 16 Blatt und 1 unpag. Blatt, o. O, April 1985 [Peter Steiner hat<br />

diesen Aufsatz wohl im Rahmen seiner Aktivitäten für das von ihm initiierte Instituto<br />

Ulrico Schmidl geschrieben, dieses Institut war Teil der Institución Cultural Argentino-<br />

Germana und ist heute faktisch aufgelöst, der Aufsatz war mir durch den Kontakt zu<br />

Herrn Hans Baumann, Martínez, Argentinien zugänglich]<br />

Steiner, Peter: Utz Schmidl- der bekannte Unbekannte, in: Argentinisches Tageblatt vom<br />

04.02.1984<br />

Susnik, Branislava: Eine sozio-anthropologische Vision Paraguays, Hrsg. v. Chraska, Wilhelm;<br />

Orthmann, Ellen. Aus d. Span. v. Chraska, Wilhelm, Bd. 1, 16. und Hälfte 17.<br />

Jahrhundert, 1995, Bd. 2: 18. Jahrhundert 1996, Bd 3,1: 19. Jahrhundert 1, Calvi: Chraska<br />

[Verlag] 1992<br />

Utz Schmidl: su vida, sus viajes, su obra, von Federico B. Kirbus; Nicolás Cócaro, Buenos<br />

Aires: Ed. Tres Tiempos 1984<br />

Anhang:<br />

Bibliographische Beschreibung der frühen Ausgaben:<br />

Ulrich Schmidels Wahrhaftige Beschreibung<br />

(publiziert 1567)<br />

Manuskriptausgaben:<br />

Stuttgarter Autograph:<br />

Schmidel, Ulrich:<br />

[Reise nach Südamerika in den Jahren 1534 bis 1554]<br />

Ulrich Schmidels Reise nach Südamerika in den Jahren 1534 bis 1554, nach der<br />

Stuttgarter Handschrift hrsg. von Johannes Mondschein, Straubing: Attenkofer<br />

1893. - 60 S. (Programm Straubing, Königliche Realschule, 1892/93)<br />

Münchner Manuskript:<br />

Schmidel, Ulrich:<br />

Ulrich Schmidels Reise nach Süd-Amerika in den Jahren 1534 bis 1554 : nach<br />

der Münchener Handschrift, hrsg. von Valentin Langmantel, Tübingen, Litte-<br />

87


88<br />

rar. Verein in Stuttgart, (Literarischer Verein : Bibliothek des Literarischen<br />

Vereins in Stuttgart ; 184) 1889. - 162 S.<br />

Eichstätter und Hamburger Manuskript unveröffentlicht.<br />

Editio princeps:<br />

hrsg. von Sigismund Feyerabend Frankfurt 1567 im Rahmen einer Neubearbeitung<br />

von Sebastian Francks Weltbuch (erstmals Tübingen 1534) wohl ohne Wissen des<br />

Autors Schmidel.<br />

Der zweite Teil mit dem Schmidelbericht weist zwei unterschiedliche Titelblätter<br />

auf. Eines trägt den Titel:<br />

Ander theil dieses Weltbuchs von Schiffarten. Warhafftige Beschreibunge aller<br />

und mancherley sorgfeltigen Schiffarten, auch viler unbekanten erfundnen<br />

Landtschafften, Insulen, Königreichen und Stedten [...wie oben unter<br />

dem ersten zitierten Titel] Durch Ulrich Schmidt von Straubingen, und andern<br />

mehr sodaselbst in eigener Person gegenwertig gewesen, und solches<br />

erfaren, Gedruckt zu Franckfurt am Mayn, Anno 1567<br />

Von diesem Titelblatt gibt es auch eine etwas abweichende Version:<br />

Neuwe Welt : Das ist, Warhafftige Beschreibunge aller schönen Historien von<br />

erfindung viler vnbekanten Königreichen, Landschafften, Jnsulen vnnd Stedten,<br />

von derselbigen gelegenheit, wesen, bräuchen... ; Auch von allerley gefahr,<br />

streitt vnd scharmützeln... Jtem von erschrecklicher, seltzamer natur und<br />

Eygenschafft der Leuthfresser, Durch Ulrich Schmid von Straubingen und<br />

andern mehr, so in eigner Person gegenwertig gewesen Franckfurt am Mayn<br />

: Feirabend und Hüter, 1567 (Drucker: Lechler). - [6], 110, 59, [1] Bl. [Bibliogr.<br />

Nachweis: VD16, Eintrag S 3117]<br />

Der eigentliche Beginn des Schmideltexts (S. 1-59) ohne eigenes Titelblatt lautet<br />

dann jeweils: Wahrhafftige und liebliche Beschreibung etlicher fürnemen Indianischen<br />

Landtschaften und Insulen die vormals in keiner Chroniken gedacht und<br />

erstlich in der Schiffart Ulrici Schmidts von Straubingen mit grosser gefahr erkundigt<br />

und von ihm selber auffs fleissigt beschrieben und dargethan. [folgt unmittelbar<br />

auf derselben Seite der Textbeginn mit Initiale ohne Abstand, Druckervermerk oder<br />

Holzschnitte]. Diese verschiedenen Titelblätter bzw. der Titelbeginn haben zu etwas<br />

Konfusion in den bibliographischen Beschreibungen der Erstausgabe geführt.<br />

Zahlreiche weitere Ausgaben und Bearbeitungen des Werks: Bry (jeweils<br />

America, Bd. 7): deutsch 1597, 2. Auflage 1599, 3. Auflage 1617, Bry: lateinische


Ausgabe 1599, 2. Auflage 1625 (im Titel fälschlich als 3. Auflage bezeichnet); Hulsius<br />

deutsch 1599, 2. Auflage 1602, 3. Auflage 1612, Latein 1599, erste spanische Ausgabe<br />

in Historiadores primitivos de las Indias occidentales que juntó, trad. en parte y<br />

sacó à luz, ilustrados con erudítas notas y copiosos índices Andrés González Barcía,<br />

Madrid : Zúñiga 1749, 3. Bd., 1749.<br />

Beachte auch die verschiedenen Schreibungen des Namens: Faber in der lat.<br />

Übersetzung, Schmidl in zahlreichen deutschen Ausgaben, auch Schmidt. Angesichts<br />

einer fehlenden kritischen Ausgabe empfiehlt es sich trotz der Textergänzungen<br />

durch den Herausgeber Hulsius auch das Faksimile der Hulsius-Ausgabe<br />

(zweite Auflage von 1602) heranzuziehen:<br />

Schmidel, Ulrich:<br />

Wahrhafftige Historien einer wunderbaren Schiffart. - Neuausg., Nachdr. der<br />

Ausg. Nürnberg, 1602, [Vorwort von Hans Plischke] Graz : Akad. Dr.- u.<br />

Verl.-Anst., 1962. - XXVII, 103 S. : Ill., Kt. (Frühe Reisen und Seefahrten ; 1)<br />

Franz Obermeier, geboren 1967 in Kelheim (Bayern), Studium der Romanistik und Slavistik in<br />

Regensburg.<br />

Promotion über französische Brasilienreiseberichte im 17.Jahrhundert. Bibliotheksausbildung, gegenwärtig<br />

an der Universitätsbibliothek in Kiel tätig.<br />

Veröffentlichungen: Französische Brasilienreiseberichte im 17.Jahrhundert. Bonn 1995.<br />

Katechismen in der „língua geral“ der brasilianischen Tupiindianer... in Bibliotheksforum Bayern<br />

1998. Brasilien in Illustrationen des 16.Jahrhunderts, Frankfurt 2000.<br />

Kannibalismus im Bild, Bilder von Kannibalen, brasilianische Indios in Bildern und Texten des 16.<br />

Jahrhunderts in Jahrbuch für Geschichte Lateinamerikas, 2001. Die Rezeption von Hans Stadens<br />

„Wahrhaftige Historia“ und ihrer Ikonographie in Institut Martius-Staden, Jahrbuch 1999-2000, São<br />

Paulo, 2000.<br />

89


Ipanema 1821


Johann Heinrich Bloem<br />

Gedenken zum 150. Todesjahr 2001<br />

Helmut Andrä<br />

(São Paulo)<br />

Resumo: Pesquisa centrada em Johann Heinrich Bloem, a partir de<br />

dados historiográficos compilados. O autor relata os fatos<br />

importantes da vida desse eminente imigrante alemão que,<br />

naturalizado brasileiro, fez parte das Forças Armadas do<br />

Império, foi comandante de Fernando de Noronha e, a<br />

partir de 1828, liderou a colônia alemã em Pernambuco,<br />

“Cova da Onça”. Fez o planejamento de várias cidades do<br />

Nordeste até assumir, em 1834, a chefia da usina siderúrgica<br />

de Ipanema, em Sorocaba.<br />

Abstract: Johann Heinrich Bloem,one of the most prominent German<br />

immigrants, is the center of this essay. The author refers<br />

to important biographical facts in Bloem’s life. After assuming<br />

the brazilian citizenship, Bloem enlisted in the Imperial<br />

Army. He then served as commanding officer of<br />

Fernando de Noronha, and later became the leader of the<br />

German settlement “Cova da Onça” in Pernambuco. Bloem<br />

was in charge of the urban planning of various cities in<br />

Brazil’s Northeast, before taking on the post of chief executive<br />

in Sorocaba’s iron plant “Ipanema”.<br />

Wer war Johann Heinrich Bloem, der stets Johann (João) Bloem unterzeichnete?<br />

Zunächst zum mir bekannten und in meiner Bücherei vorhandenen Schrifttum. Im<br />

Registro de Estrangeiros (Ausländerverzeichnis) 1823 – 1830, Rio de Janeiro, 1961,<br />

Seite 24 kann man lesen: Blame, Johann Heinrich, Deutscher, 3.9.1829, reist nach<br />

Campos. (Col.423-vol.5, fls 47v). In den Bänden dieser Veröffentlichung sind Namen<br />

oft verstümmelt angegeben; es ist wahrscheinlich, dass diese Angabe sich auf<br />

Bloem bezieht. 1826 – 1829 befand er sich als Kommandant auf der Sträflingsinselgruppe<br />

Fernando de Noronha und noch im selben Jahre in Santa Amélia,<br />

Pernambuco, als Leiter der deutschen Ansiedlung dieses Namens. Ob er von dort<br />

in einer wichtigen Angelegenheit einen Abstecher nach Rio de Janeiro und dann<br />

nach Campos gemacht hat, muss offen bleiben.<br />

91


92<br />

Nach Manoel Eufrazio de Azevedo Marques („Apontamentos Historicos,<br />

Geographicos Biographicos, Estatisticos e Noticiosos da Provincia de S.Paulo”,<br />

zwei Bände, Rio de Janeiro, Typographia de Eduardo & Henrique Laemmert,<br />

1879, 1.Band, Seite 138) „wurde der Major der Ingenieure Johann Bloem zum<br />

Leiter [des Eisenwerkes] ernannt, der sein Amt 1835 antrat und bald danach<br />

nach Europa abreiste, beaufragt, Arbeiter anzuwerben. An seiner Stelle blieb einstweilig<br />

der Major Francisco Antonio de Oliveira. Aus Europa zurückgekehrt, übernahm<br />

Bloem wieder die Leitung der Fabrik. Man kann sagen, dass von diesem<br />

Zeitpunkt an die Stilllegung des Werkes begann, trotz der gemachten großen<br />

Ausgaben für Personen und für von ihm eingeführte Reformen. 1842 der Unfähigkeit<br />

und des Mangels an Wirtschaftlichkeit angeklagt sowie verdächtigt, in die<br />

Revolte verwickelt zu sein, die in jenem Jahre in der Provinz ausbrach, gab man<br />

ihm Oberstleutnant Antonio Manoel de Mello als Nachfolger, der aber nur kurze<br />

Zeit [im Amte] verblieb, verzweifelt über die Zukunftsaussichten der Fabrik infolge<br />

des Verfalles, in dem sie sich befand.“ Diese Ausführungen über das Eisenwerk<br />

und Bloem enthalten, was Personen und Sachverhalte anbelangt, grobe Fehler,<br />

die umso schwerer wiegen, als diese Veröffentlichung noch lange nach ihrem<br />

Erscheinen als eine grundlegende, zuverlässige Schrift galt.<br />

In “Historia da Siderurgia de São Paulo” (Verfasser Jesuino Felicíssimo Jr., Verlag<br />

Associação Brasileira de Metais, São Paulo, 1969) steht auf Seite 81:<br />

„Ende 1833 übernahm Oberst João Florêncio Pereira die Leitung [der Eisenhütte],<br />

der als Adjutanten den Major der Ingenieure Johann Bloem erhielt. Der<br />

einzige Versuch..., den Oberst Pereira unternahm, einen Hochofen in Betrieb zu<br />

nehmen, mißlang völlig. Er schob die Schuld daran Bloem zu, der Sabotage begangen<br />

habe. Pereira nahm am 8.Januar 1835 seine Entlassung, der die Ernennung<br />

von Bloem folgte, welcher bereits am 10. des Monats die Leitung übernahm und<br />

der Wiederherstellung und der Leistungsfähigkeit der Fabrik neue Antriebe gab.<br />

Oberst Pereira war kein metallurgischer Fachmann; aber der Major Bloem, geboren<br />

in Elberfeld, besaß ausreichende Kenntnisse in diesem Sonderfach.“<br />

Das Buch „História da Siderurgia no Brasil” von Francisco Magalhães Gomes<br />

(Verlag Editora Itatiaia Limitada und Editora da Universidade de São Paulo, 1983)<br />

berichtet auf Seite 137 über Bloem:<br />

“ 1835 wurde der Major der Ingenieure Johann Bloem Leiter der Fabrik. Im<br />

selben Jahre genehmigte der Regent Feijó die Erneuerung der Fabrik, die in Verfall<br />

geraten war, und beauftragte den neuen Direktor, in Deutschland Fachleute zu<br />

verpflichten und metallurgische Maschinen zu erwerben. Bloem, der von Geburt<br />

Rumäne [!] war und vertraut mit diesem Gebiet, reiste August 1837 ab und kehrte<br />

Dezember 1838 zurück. Von den 227 [!] Personen, die er verpflichtete, Frauen und


Kinder eingeschlossen, gingen 56 nach Ipanema, die anderen verwendete man im<br />

Bau der Eisenbahn [!!], die damals den Höhenzug von Cubatão erklomm.“<br />

Der bedeutende brasilianische Historiker deutscher Abkunft Dr.Karl Oberacker<br />

Jr. erwähnt in seinem Hauptwerk „Der deutsche Beitrag zum Aufbau der brasilianischen<br />

Nation“ Johann Bloem mehrmals. In der letzten Ausgabe in deutscher Sprache<br />

(1978, Federação dos Centros Culturais 25 de Julho, São Leopoldo – RS)<br />

schreibt er (Seiten 332 und 340):“ Die bahnbrechenden Leistungen Deutscher auf<br />

anderen industriellen Gebieten seien nur an einigen Beispielen erläutert. Johann<br />

Bloem, der damalige Leiter des Eisenwerkes in Ipanema, stellte in São Paulo Ende<br />

der dreissiger Jahre mit deutschen Fachkräften die ersten Hacken, Äxte, Pflüge<br />

und landwirtschaftlichen Maschinen aus inländischem Material her. Statt der in<br />

dieser Provinz üblichen hölzernen Zuckermühlen baute er eiserne, welche allgemein<br />

Anklang fanden. Um 1840 goss er, wohl als erster nach den Jesuiten in Rio<br />

Grande do Sul, auch Kirchenglocken. Aluísio de Almeida hat Johann Bloem als<br />

einen der grossen Bahnbrecher bezeichnet oder als den Mann, „ der in seiner Zeit<br />

gewiss mittelbar am meisten für den Fortschritt...São Paulos gearbeitet hat.“ „Johann<br />

Bloem brachte Ende der dreissiger Jahre aus Deutschland den ersten vierrädrigen<br />

Wagen nach São Paulo mit.“<br />

Der brasilianische General A. De Lyra Tavares schrieb („A Engenharia Militar<br />

Portuguesa“ , 1965) über Bloem:“ Deutscher Ingenieur, kam, von Portugal vor der<br />

Unabhängigkeitserklärung verpflichtet, nach Brasilien (Pernambuco), naturalisiert<br />

als Brasilianer war er auf der Insel Fernando de Noronha tätig. 1828 leitete er in<br />

Pernambuco die deutsche Siedlung Cova da Onça oder Catucá. 1830, schon<br />

Sargento-Mor [Major], wurde er durch Vertrag angestellt, in der Abteilung für Öffentliche<br />

Arbeiten zu wirken, zuständig für die Architektur der Stadt. Seine Tätigkeit<br />

war hervorragend und deutlich erneuernd.<br />

Er entwarf den Richtplan der Stadt, führte ihn vollständig aus und versuchte<br />

Recife europäisch zu machen, mittels eines wahren militärischen Planes.<br />

Als disziplinierter Preuße unterließ er, Soldaten zu befehligen, um, wie man sagte,<br />

Häuser zu befehligen. Er erließ durch < fast tyrannische Gesetze > strenge<br />

Verordnungen gegen widerspenstige Eigentümer bezüglich der Architektur, Regelmäßigkeit<br />

und Zinswirtschaft der Stadt. Er war Verfasser verschiedener<br />

bewässerungsmäßiger Studien der Hafeneinfahrten und Reeden von Piauí bis Rio<br />

Grande do Norte.Am 22.Juni 1851 nahm er sich das Leben.”<br />

Bloem war –obwohl unbekannt- der bedeutendste Deutsche in Brasilien während<br />

der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Diese Feststellung mag allen auf den<br />

ersten Blick als übertrieben erscheinen. Wer als erster den Spuren dieser Persön-<br />

93


94<br />

lichkeit nachging, war der aus Recife (Pernambuco) gebürtige Historiker Dr.<br />

Guilherme Auler. Die früheste Bekanntschaft mit der Tätigkeit Bloems habe er vor<br />

vielen Jahren bei seinen Forschungen über die Geschichte der Befestigungsanlagen<br />

der Insel Fernando de Noronha gemacht. Gegen Ende 1825 sei Bloem dort<br />

erschienen, um diese Anlagen zu besichtigen und ein Projekt über ihre Verbesserungen<br />

auszuarbeiten. Er wird deshalb 1826 zu ihrem Kommandanten ernannt<br />

und verbleibt dort bis 1829. Über diese Zeit Bloems schreibt der Historiker und<br />

Geograph Guilherme Studart, Baron von Studart (1856 – 1938), in „Geographia do<br />

Ceará“ (Fortaleza 1924, S.200), Bloem habe auf Fernando de Noronha aus Eifersucht<br />

Alexandre Raimundo Pereira Ibiapina ermordet.<br />

Dazu in der Revista Trimensal do Instituto do Ceará (Tomo XXVIII-Anno<br />

XXVIII,1914, S.71): “ In Ceará wurde gleichfalls verurteilt [als Teilnehmer an der<br />

Confederação] Raymundo Alexandre Pereira Ibiapina zu lebenslänglicher Verbannung<br />

und [Zwangs-] Arbeit an öffentlichen Einrichtungen auf der Insel Fernando de<br />

Noronha, wo er starb.“ Diese Auskunft stellt in Zweifel, ob Bloem wirklich aus Eifersucht<br />

die oben genannte Bluttat beging; denn es trafen sich auf der Insel zwei alte<br />

Gegner wieder, und diese Gegnerschaft hatte nichts mit Eifersucht zu tun. Bloem war<br />

Beisitzer einer von der siegreichen Behörde ernannten Kommission gewesen (wie<br />

weiter unten geschildert werden wird), welche die unterlegenen Aufständischen<br />

verurteilen sollte; er stand also damals als Richter Ibiapina gegenüber. Auf der Insel<br />

trafen sie sich wieder; der eine war dort Kommandant, der andere Sträfling. Was<br />

dann geschah, ist nicht in Einzelheiten überliefert, führte aber zum Tode des Sträflings.<br />

Vielleicht musste sich Bloem gegen einen Angriff des Verurteilten wehren, der<br />

in ihm einen seiner Richter erkannte, dieser aber wahrscheinlich nicht seinen ehemaligen<br />

Angeklagten. Vielleicht war der Sträfling Pereira Ibiapina auch ein Verwandter<br />

von Francisco Miguel Pereira Ibiapina, der von dem „Blutgericht“ , dem Bloem als<br />

Beisitzer angehört hatte, zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Es könnte also<br />

Rachsucht gewesen sein, die den Sträfling bewog, den Kommandanten anzugreifen.<br />

Aulers Forschungen über die Geschichte seiner Heimatstadt und seines Heimatstaates<br />

führten ihn dann erneut zu Bloem, und er stellte die Frage nach dem Lebenslauf<br />

dieses bemerkenswerten Deutschen in “ Os Colonos de Santa Amélia<br />

(Pernambuco-1829) e o Diretor Major Bloem“ , Recife 1964. Er fand die Nachricht,<br />

Bloem habe sich in einem Anfall von Verzweiflung 1851 in Rio das Leben genommen.<br />

Auler durchforschte dort Archive der Polizei und der Kirchen, suchte in den<br />

Kirchhöfen nach einer Grabstätte des hohen Offiziers, selbst im englischen, wo<br />

zumeist auch Protestanten anderer Volksangehörigkeit bestattet wurden. Alles vergeblich.<br />

Schließlich besorgte er sich aus dem Heeresarchiv die “ Fé de Oficio“ Bloems,<br />

worunter man das Dienstzeugnis eines Militärs verstehen kann, das auch bei Beam-


ten angelegt wird. In einem Aufsatz in „I Colóquio de Estudos Teuto-Brasileiros“<br />

(Porto Alegre 1966) berichtete er über den Inhalt. Nach Baron von Studart ist<br />

Bloem am 22.April 1851 in Porto Alegre-RS gestorben; den Freitod läßt er unerwähnt.<br />

Dieses traurige Ereignis erfolgte dort im Hause des Generals Seára. Dieser<br />

General (vgl.Alfredo Pretextato Maciel da Silva „Os Generais do Exercito Brasileiro“<br />

) war ab Januar 1851 bis Juni desselben Jahres Militärkommandant der Provinz Rio<br />

Grande do Sul und wohnte in Porto Alegre, befand sich also am fraglichen Tage,<br />

22.April 1851, dort. Bloem, der das glückliche Familienleben seines besten Freundes<br />

in Porto Alegre erneut beobachtete, geriet in Verzweiflung angesichts seiner<br />

eigenen zerrütteten Familienverhältnisse und erklärte, er sei müde und wolle sich<br />

ausruhen, ging in ein Nebenzimmer, griff dort lebensmüde zur Waffe und schoss<br />

sich eine Kugel in den Kopf; er wollte für immer ausruhen. Ob in Porto Alegre die<br />

Behörde auch den Selbstmord des hohen Offiziers als Unglücksfall bezeichnete,<br />

wie das in S.Paulo 1842 bei Generalmajor Daniel Peter Müller geschah, ist mir nicht<br />

bekannt. Vielleicht kann ein riograndenser Forscher in den Kirchenbüchern der<br />

Stadt über den Tod Bloems weiteres feststellen.<br />

Kehren wir zurück zu der “ Fé de Oficio“ Bloems!<br />

Danach wurde Johann Bloem als Sohn von Matthäus Bloem im Rheinland in<br />

der damals durch ihre Textilindustrie bekannten Stadt Krefeld geboren.<br />

Nach Brasilien gelangte John Bloem als Leutnant zur See auf der Brigg „Colonel<br />

Allen“ unter dem Kommando des Admirals Lord Thomaz Archibald Cochrane. Wie<br />

sein Admiral trat Johann Bloem am 17.März 1823 mit 24 Jahren in brasilianische<br />

Dienste. Im Mai 1823 wird er als Artillerieleutnant der brasilianischen Marine bestätigt,<br />

nimmt teil an den Kämpfen gegen portugiesische Einheiten und setzt in Bahia<br />

von diesen zerstörte Befestigungsanlagen des Forte do Mar u.a. wieder in Stand.<br />

Über das Schiff „Pedro Primeiro“ , auf dem Bloem dann Dienst tat, bemerkt Maria<br />

Graham („Diário de uma Viagem ao Brasil“ , Companhia Editora Nacional, S.Paulo,<br />

1956), es habe vorher „Martim de Freitas“ geheißen und sei am 12.März 1823 nach<br />

Ausbesserungen wieder unter dem neuen Namen in Dienst gestellt worden. Es war<br />

das größte Schiff der jungen brasilianischen Marine, bestückt nicht wie vorgesehen mit<br />

64, sondern mit 78 Kanonen. Zu den Offizieren gehörte Bloem. Die große Schwierigkeit<br />

der Marine sei der Mangel an Mannschaften (vgl.dazu die unveröffentlichte Abhandlung<br />

des Verfassers „Werbung in Deutschland für brasilianischen Marinedienst 1836“ ).<br />

Dieser Mangel bestand allerdings nicht nur bei der Marine, sondern auch im Heere,<br />

weshalb ja auch in Deutschland über 4.000 Söldner angeworben wurden.<br />

Die Führer eines Aufstandes, bekannt als Confederação do Equador, riefen die<br />

Republik aus und erklärten den Kaiser als abgesetzt. Die Bewegung ging von<br />

Pernambuco aus und fand Unterstützung durch andere Provinzen, darunter Ceará.<br />

95


96<br />

Bloem als Angehöriger der brasilianischen Kriegsmarine zeichnet sich bei der Niederschlagung<br />

des Aufstandes aus, wird im Kampfe schwer verwundet und am 9.August<br />

1824 zum Hauptmann befördert. Später erfolgte Bloems Versetzung von der<br />

Marine in das Ingenieurkorps des Heeres, gleichfalls als Hauptmann.<br />

Gegen Ende 1824 beauftragt man ihn, die Artillerie und die Befestigungen<br />

von Ceará zu besichtigen. In dieser Provinz verblieb er noch das gesamte folgende<br />

Jahr, unermüdlich tätig, den Zustand der Straßen zu untersuchen und Pläne<br />

der wichtigsten Häfen auszuarbeiten. Verschiedene dieser Ausarbeitungen sind<br />

bekannt. Auf der großen Ausstellung über die Geschichte Brasiliens von 1881<br />

wurden 14 seiner Pläne gezeigt, die auch 1953 im Katalog der Kartensammlung<br />

des Heeres genannt werden.<br />

Nach Niederschlagung des Aufstandes der “ Confederação“ gehörte Bloem 1824<br />

als Beisitzer in Ceará auch der Kommission an, welche die in Gefangenschaft befindlichen<br />

Häupter des Aufstandes richten sollte. Auf kaiserlichen Bescheid vom 15.Oktober<br />

1824 waren zwei dieser Kommissionen gebildet worden, außer der genannten<br />

noch eine andere in Pernambuco. Der Kaiser war der Auffassung, dass die viel Zeit<br />

erfordernden Beschlüsse der ordentlichen Justiz nicht der dringenden Notwendigkeit<br />

entsprachen, die Revolutionäre zu bestrafen, ordnete die Bildung der beiden<br />

militärischen Kommissionen an und befahl, „rasch, mündlich und summarisch die<br />

Führer und Hauptpersonen der Bewegung zu richten“ - „julgar breve, verbal- e<br />

summariamente os chefes e cabeças“ . Dieser Ausschuß oder das „Blutgericht“ bestand<br />

in Ceará aus Conrado Jacob de Niemeyer (Vorsitzender), Moraes Mayer (Referent);<br />

Johann Bloem war einer der vier Beisitzer. Es heißt, auch die Urteile standen<br />

laut einer Anweisung des Kaisers schon vorher fest: Vergeltung für die von den Republikanern<br />

gegen ihn und die Monarchie erklärten Absichten. Am 22.April 1825 begann<br />

dieser Ausschuss in Ceará mit seiner Arbeit, und schon am 30.April wurden<br />

zwei Todesstrafen vollstreckt, am 7., 16. und 28.Mai weitere drei. Lord Cochrane, der<br />

Maranhão für das Kaiserreich eroberte und am Hofe in hoher Gunst stand, gewährte<br />

den Verurteilten Gnade. Trotzdem erhob der Kaiser Einspruch, da der Admiral nicht<br />

dazu bevollmächtigt sei. Aber immerhin wurde das Todesurteil gegen drei Republikaner<br />

in Verbannung nach der Insel Fernando de Noronha und an den Rio Negro in<br />

Amazonien geändert. Die Opfer gelten bis heute besonders in ihren Heimatstaaten<br />

als Helden und Märtyrer, als Vorkämpfer der Freiheit und der Republik. Die Mitglieder<br />

des „Blutgerichtes“ waren in den betroffenen Provinzen, vor allem in Ceará, nicht<br />

beliebt, auch wenn sie sich wie vor allem Bloem und Niemeyer auf verschiedenen<br />

Gebieten Verdienste erworben hatten.<br />

Guilherme Studart, Baron von Studart, veröffentlicht in seinem genannten Buch<br />

(S.199f.) alle Ceará betreffenden Pläne, Vermessungen usw. Bloems. Während eines


Aufenthaltes in Fortaleza-Ceará erfolgte auch Bloems Heirat. In”Famílias Brasileiras<br />

de Origem Germânica” findet sich in Band IV, Seite 602 folgende Angabe:<br />

„Johannes Blohm, geboren in Deutschland, Hauptmann im Ingenieurkorps,<br />

lebte in “ Cidade de Fortaleza do Ceará Grande“ , als er in Recife durch Vollmacht,<br />

ausgestellt zugunsten von Luiz da Costa Porto-Carrero, im Jahre 1824/25 Maria<br />

Carolina de Albuquerque e Mello heiratete, geboren in Rio Grande do Norte, Tochter<br />

von Luiz da Costa Ferreira Quatorze und Ana Teodora Ferreira de Mello. Die<br />

Braut war Schwester des Barons do Forte de Coimbra.“<br />

Ab Ende 1825 bis 1829 lebt Bloem auf der Inselgruppe Fernando de Noronha<br />

und leitet anschließend die Siedlung Colônia de Santa Amélia. Bloems Aufenthalt<br />

in Pernambuco dauert bis 1834, beschränkt sich aber nicht auf Lösung von Routineaufgaben.<br />

Das Munizip Recife ernennt ihn zum Architekten der Stadt. Schon im Mai<br />

1826 hatte er Pläne über Anlage von Straßen im Aufschüttgebiet von Afogados<br />

vorgelegt. In der Fé de Oficio sind nach Auler mehrere Kommissionen erwähnt,<br />

denen Bloem angehörte u.a. Oktober 1829 Plan der Strecke zwischen Recife und<br />

Olinda; Oktober 1830 Meeresstatistik der Provinz; Februar 1831 Projekt eines Universitätsgebäudes<br />

im Kloster Carmo in Olinda wie auch Projekte, Pläne und Kostenanschläge<br />

für vier Straßen, die von Recife nach Igaraçú, Pau Dalho, Santo<br />

Antão und Ponte de Carvalhos führen sollten.<br />

Infolge des Erlasses vom Juni 1831, der alle Ausländer aus dem Heer entfernte,<br />

wird auch Bloem verabschiedet, aber einen Monat später in Würdigung seiner<br />

Verdienste während der Unabhängigkeitsbewegung wieder als Major eingestellt,<br />

wie übrigens andere ausländische Offiziere gleichfalls, darunter verschiedene deutsche.<br />

Von 1834 bis 1842 hält Bloem sich in Ipanema bei Sorocaba, Provinz São<br />

Paulo, auf, wo er zunächst den Zustand von Anlagen untersuchen und ein Projekt<br />

zur Verbesserung und Erweiterung derselben einreichen sollte. Man übertrug ihm<br />

dann die Leitung des Eisenwerkes São João de Ipanema. Die Hütte war nach der<br />

Verwaltung von Varnhagen, Vater des bedeutenden Historikers Visconde de Porto<br />

Seguro, vernachlässigt worden. Jesuino Felicíssimo Jr. “ História da Siderurgia de<br />

São Paulo”(S.Paulo, 1969, S.81) berichtet, dass Ende 1833 Oberst João Florêncio<br />

Pereira die Leitung der Hütte übernommen habe, der kein Fachmann war und nur<br />

einmal wagte, einen Hochofen in Betrieb zu nehmen, was ihm völlig misslang. Er<br />

schrieb dieses Versagen dem ihm beigegebenen Adjutanten zu, Major des Ingenieurkorps<br />

Johann Bloem, der Sabotage begangen habe. Oberst Pereira wurde aber<br />

entlassen und Bloem Anfang 1835 mit der Leitung des Eisenwerkes betraut. Nach<br />

Felicíssimo Jr. V verlieh dieser der Hütte eine neue Blüte.<br />

Auler erwähnt auch nach der Fé de Oficio die von Bloem in Deutschland angeworbene<br />

Handwerker- und Arbeiterkompanie, die Gegenstand einer eigenen<br />

97


98<br />

Schrift sein soll. Die liberale Aufstandsbewegung von 1842 zieht Bloem in ihr Netz,<br />

obwohl er sich an ihr nicht unmittelbar beteiligte, aber den Gegnern des Kaisers<br />

Waffen und anderes lieferte. Bloem wurde deshalb fristlos entlassen und verhaftet;<br />

möglicherweise aber erst nach Ende des Aufstandes, als Caxias bereits alles<br />

militärisch entschieden hatte. Hier sei festgehalten, was der Marquis und Herzog<br />

von Caxias, Schutzpatron des brasilianischen Heeres, der „Feuerlöscher“ , über<br />

die von ihm als erforderlich betrachtete Entfernung Bloems dem Polizeipräsidenten<br />

in São Paulo mitteilte (in „Annaes do Museu Paulista“ , Tomo Quinto, S.Paulo,<br />

1931, Zweiter Teil,S.380, wo 12 bis dahin unbekannte Briefe von Luiz Alves de<br />

Lima e Silva, damals Baron von Caxias, veröffentlicht sind). Anrede und<br />

Schlussfloskeln werden weggelassen.<br />

Es folgt Nr.9:<br />

„Ich erhielt gestern Nacht während des Marsches nach Pindamonhangaba den<br />

Brief Ew.Exzellenz vom 13.d.M. und gehe auf seinen Inhalt ein. Ich stimme der<br />

Meinung Ew.Exzellenz über die Notwendigkeit der Entfernung des Majors Johann<br />

Bloem aus dem Eisenwerk São João d`Ipanema, wovon wir schon gesprochen<br />

haben, völlig zu. Diese Erfordernis wird dringender nach den letzten Unstimmigkeiten<br />

zwischen ihm und Hauptmann Xavier und Major Carlos Augusto de Oliveira,<br />

Militärkommandant von Sorocaba. Von allen werden die Tätigkeit und die Fähigkeiten<br />

Bloems als Direktor der Fabrik anerkannt und gewiss wird er diesem wichtigen<br />

Unternehmen sehr fehlen; es ist aber unvermeidbar, ihn zu entfernen, weshalb<br />

Eure Exzellenz ihm den Befehl erteilen müssen, sich beim Herrn Kriegsminister zu<br />

melden und dem Ingenieurleutnant Raposo die Leitung [des Eisenwerks] zu übergeben,<br />

bis die Regierung einen Nachfolger ernennt. Taubaté, den 16.Juli 1842,<br />

Baron von Caxias.“<br />

In der Schrift von Aluisio de Almeida (Deckname) „A Revolução Liberal de<br />

1842“ , Band 46 der Schriftenreihe „Documentos Brasileiros“ , Livraria José Olympio<br />

Editora, 1944, Rio de Janeiro, die hauptsächlich die Vorgänge während des Aufstandes<br />

in Sorocaba behandelt, sind auch mancherlei Angaben über Bloem enthalten,<br />

der ja im nahe gelegenen Ipanema das Eisenwerk leitete. Führer des Aufstandes<br />

war Rafael Tobias de Aguiar. Bloem war mit ihm befreundet, weshalb Baron<br />

de Caxias vorschlug, ihm den Befehl zu erteilen, sich beim Kriegsminister zu melden.<br />

Dieser befahl ihm, sein Amt als Leiter des Eisenwerkes niederzulegen. Der<br />

Provinzpräsident in S.Paulo, von der kaiserlichen Regierung eingesetzt, also ein<br />

Gegner von Tobias de Aguiar und Johann Bloem, äußerte sich über diesen wie<br />

folgt:“ Ich hatte schon begonnen, von dem Verhalten des erwähnten Majors als<br />

Verwalter (der Eisenhütte) Kenntnis zu nehmen, das schädlich und äußerst schlecht<br />

ist. Gleich zu Anfang trat er dem Aufstand bei und fertigte in der Fabrik Waffen an,


lieferte Uniformen und andere Sachen an die Rebellen.“ Der Verfasser des genannten<br />

Buches fügt hinzu, er habe Dienstschreiben Bloems an den Präsidenten in<br />

S.Paulo gelesen, als dieser sein Amt antrat und der Aufstand noch nicht ausgebrochen<br />

war; diese Schreiben seien in sehr schroffer Sprache gehalten gewesen und<br />

unterrichteten den Präsidenten auch, dass er Waffen in der Fabrik herstelle; er<br />

sandte ihm den Entwurf einer Anzeige zur Veröffentlichung zu, in der die Tropeiros<br />

(Viehtreiber) aufgefordert wurden, Munition nach Santos zu befördern. Der Verfasser<br />

des Buches fügt hinzu: „Unser Major spielte mit dem Feuer.“ Im Juni 1842<br />

richtet der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Streitkräfte, der stets siegreiche Caxias,<br />

einen Brief an Johann Bloem, in dem er ihn ersucht, den Widerstand in Ipanema<br />

gegen die Aufständischen zu organisieren, Hilfstruppen seien im Anmarsch. Beide<br />

Seiten bemühten sich um den Eisenwerkleiter. Das oben abgedruckte Schreiben<br />

des Caxias an den Präsidenten der Provinz ließ ja schon durchblicken, dass er<br />

Bloem schätzte. Im November 1842 wurde dieser verhaftet, und erst im Dezember<br />

1843 stellte man ihn vor ein Kriegsgericht, das ihn aus Mangel an Beweisen einstimmig<br />

freisprach und seine Wiedereinstellung im Heere als Major verfügte.<br />

Seine fristlose Entlassung als Leiter der Eisenhütte Ipanema betreffend wandte<br />

sich Bloem am 8.September 1842 schriftlich an den damaligen Präsidenten der<br />

Provinz, José Carlos Pereira dÀlmeida Torres, und führte aus:<br />

„Als ich mich gestern auf die Reise[von Ipanema nach São Paulo] begab, um<br />

Eurer Exzellenz die angeforderten Papiere über die Fabrik zu übergeben, wie auch<br />

in Übereinstimmung mit dem kaiserlichen Erlaß vom 12.vergangenen Monats Auskünfte<br />

über das Gesuch von Henrique Godwin zu machen, erfuhr ich in Sorocaba,<br />

daß der Hauptmann Antonio Ribeiro Escobar angekommen war [dem Bloem die<br />

Leitung des Werkes abgeben sollte] und da vielleicht einige Nachteile eintreten<br />

könnten, wenn er mich nicht anträfe, suchte ich ihn auf. Er überreichte mir den<br />

Erlaß Eurer Exzellenz vom vergangenen Monat, mit dem Eure Exzellenz mir befehlen,<br />

die Leitung [der Fabrik] sofort zu übergeben und ein Inventar anfertigen zu<br />

lassen, womit Eure Exzellenz geruhten, den Buchhalter des Schatzamtes der Provinz,<br />

Jaime da Silva Telles, zu beauftragen und anordneten, daß sofort jede Teilnahme<br />

meinerseits an der Leitung der Anstalt aufhöre, was morgen erfolgen wird,<br />

wenn der genannte Hauptmann Escobar und Jaime da Silva Telles sich vorstellen.<br />

Ich werde dann ohne Zeitverlust zur Hauptstadt reisen und mich beim Kriegsminister<br />

melden. Das Inventar, Exmo.Senhor, dürfte, wenn man von morgens bis nachts<br />

arbeitet, innerhalb von 20 bis 24 Tagen abgeschlossen sein. Ich habe inzwischen<br />

von der Morgenfrühe an geschuftet, um die Sachen meiner Wohnung, die nicht<br />

wenige sind, zu ordnen und nach Sorocaba bringen zu lassen, wo sie für irgend<br />

einen Preis veräußert werden. Da ich oft Gastfreundschaft gewähren mußte, manch-<br />

99


100<br />

mal gleichzeitig 12 bis 20 Personen, ist leicht zu ermessen, was dafür nötig war. Ich<br />

bin jedoch schon daran gewöhnt und es befremdet mich nicht, habe allerdings<br />

von einer so illustrierten Regierung erwartet, daß sie mir Zeit ließe, zu retten, was<br />

mir schwer fiel zu erwerben. Der Soldat muß aber immer bereit sein, und deshalb<br />

erleide ich diesen Verlust, außer anderen.<br />

Ich werde Eurer Exzellenz persönlich überbringen, was angefordert ist und<br />

gleichzeitig alle Unterlagen über die Verleumdungen, die ich durch Henrique<br />

Godwin erleide. Diese und andere werde ich auch Seiner Majestät dem Kaiser<br />

überreichen, Der einem treuen Untertanen Gerechtigkeit widerfahren lassen wird.<br />

Gott beschütze Eure Exzellenz.<br />

Kaiserliches Eisenwerk S.João de Ypanema 8.September 1842.<br />

Der Major des Kaiserlichen Ingenieurkorps<br />

Johann Bloem.“<br />

Das Schreiben lässt die Verstimmung erkennen, die der verdiente Offizier und<br />

fähige Leiter des Eisenwerks über die Art seiner Entlassung aus politischen Gründen<br />

mit Recht empfand. Er kam nicht nach Ipanema zurück, erhielt aber nach<br />

Ende seines Prozesses von anderen Provinzen des Reiches in den kommenden<br />

Jahren ehrenvolle Aufträge.<br />

Der als Verleumder bezeichnete Georg Peter Godwin, ein Engländer aus Bath,<br />

lebte zur Zeit der Anwerbung für Ipanema in Deutschland und war mit einer<br />

Berlinerin verheiratet, die damals 28 Jahre alt war und mit einem fünfjährigen<br />

Sohn nach Brasilien kam. Im Eisenwerk war Godwin als Direktor des Maschinenwesens<br />

beschäftigt und wohl gelegentlich Stellvertreter des Hüttendirektors. Sollte<br />

ich noch dazu kommen, das beabsichtigte Buch über die Eisenhütte zu schreiben,<br />

werde ich näher auf diese Angelegenheit eingehen. Zahlreiche Urkunden<br />

stehen zur Verfügung.<br />

Im Juli 1844 ernennt die Provinzregierung von Sergipe Bloem vertraglich zum<br />

Generaldirektor der öffentlichen Arbeiten, wo er laut Fé de Oficio große und bedeutende<br />

Arbeiten verrichtete. Nach Beendigung seiner Aufgabe in Sergipe wird<br />

er in gleicher Eigenschaft nach Bahia verpflichtet; dort verblieb er von Ende 1847<br />

bis 1850, wo er wie immer sehr rührig war und wiederholt von der vorgesetzten<br />

Behörde gelobt wurde.<br />

Die Anmerkungen in seinem Dienstverzeichnis enden im April 1850 und erläutern<br />

nichts über sein späteres Schicksal, vermerken aber seine Beförderung zum<br />

Oberstleutnant am 27.August 1849. Dr.Auler gelang es noch, im Nationalarchiv,<br />

Abteilung Documentação Histórica, Originale betreffend verschiedene Auszeichnungen<br />

einzusehen. Am 28.August 1824 wird er zum Ritter des Cruzeiroordens


ernannt; am 13.September 1841 zum Offizier desselben Ordens, am 18.Juli 1841<br />

zum Ritter des Rosenordens und schließlich am 25.März 1849 zum Offizier desselben<br />

Ordens. Bloem konnte also mit Berechtigung 1838 in Deutschland als Ritter<br />

Bloem auftreten.<br />

Aus Fé de Oficio erhellt auch, dass Bloem wenigstens zwei Söhne hatte; denn er<br />

wird August 1837 ermächtigt, für ihre Erziehung jährlich „500 duros espanhois“ auszugeben.<br />

Kurz bevor er die Handwerkerkompanie in Deutschland anwarb, reiste er<br />

mit zwei Söhnen, aber ohne Frau nach Europa; anscheinend verstand er sich gut mit<br />

seinen Söhnen. Unter den Passagieren des englischen Schiffes „Alert“ , das, von<br />

Falmouth kommend, in der Guanabarabucht ankerte, befanden sich der Major des<br />

Ingenieurkorps João Bloem, José Maria de Albuquerque Bloem und Antero Augusto<br />

de Albuquerque Bloem. Beide Söhne ergriffen wie der Vater die Militärlaufbahn und<br />

nahmen am Paraguayfeldzug teil, der erste als Kommandant und Oberleutnant des<br />

Transportschiffes „Presidente“ und ein Leutnant Joaquim de Albuquerque Bloem als<br />

einer der Offiziere des Schiffes „Princesa“ . Eine andere Angabe verdankte Dr.Auler<br />

Hinweisen von Dr.Carlos Rheinganz, Präsident des Colégio Brasileiro de Genealogia,<br />

nach der im Heiratsregister der Stadt Rio de Janeiro vom 28.September 1861 eine<br />

Trauung vermerkt sei, die als Braut Maria Luisa Ribeiro Campos angebe und als Bräutigam<br />

José Maria de Albuquerque Bloem, getauft im Kirchspiel von São Lourenço in<br />

Pernambuco, Sohn von João Bloem und Maria Carolina Albuquerque. Leider erfahren<br />

wir nicht, wie alt dieser war; immerhin wird angegeben, dass er in Pernambuco<br />

getauft und also auch dort geboren worden war.<br />

Am 22.April 1839, also weniger als ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft in Brasilien,<br />

stellten Deutsche, die im Eisenwerk Ipanema beschäftigt waren, ihrem Vorgesetzten<br />

Bloem einen Brief zu, der nicht unterzeichnet war. Er lautet:<br />

“ Herr Major!<br />

Sämtliche teutsche (den daß was ihn durch Contract zuerkant und theilweise<br />

auch durch Ihre bevollmächtigen versprochen ist, und nicht gehalten ist und noch<br />

imer schlimer anstadt beßer wird) tragen jetzt an um folgende Gründe es will ein<br />

jeder daß ihnen versprochene Kostgeld auch für den Sontag haben weil man doch<br />

Sontags auch leben muß 2. ist uns versprochen daß auch bei jetziger Zeit 1 ½<br />

Stunde Mittag sein soll jetzt aber schon zu stocken angefangen hat. 3. will jeder<br />

teutsche besser behandelt sein und sich nicht den Negern gleich gestellt sehen.<br />

4.will jeder daß Lohn was Sie in Teutschland auf Preußisch Curs gestellt haben auch<br />

danach ausgezahlt wissen 5.wollen wir unsere gute gesunde Wohnung haben jetzt<br />

ist es kalt wir können für Frost und Ungeziefer Nachts nicht liegen folglich auch am<br />

Tage unsere Pflicht nicht so erfüllen wie wir wohl müßten. 6.verlangen wir einen<br />

101


102<br />

Docktor auf dass wir nicht zum Krüppel werden. 7.sind mehrere darunter den von<br />

Bremen auß der Gehalt ausgezahlt werden sollte aber noch nichts geschehen ist.<br />

Um diese Punkte werden der Herr Major ersucht selbige zu erfüllen wier bitten<br />

daher um eine Erklärung sollte Diese nicht zu Gunsten ausfallen so sehen wir uns<br />

genöthigt die Hochlöbige Regierung zu S.Paul in Anspruch zu nehmen.<br />

Auch machen wir den Versuch zu lassen an Sie unsere Bitte ergehen daß<br />

Schwarm [vielleicht handelt es sich um Johann Schwarm von der Arbeiterkompanie;<br />

einige von diesen wurden, um die Kompanie zu verkleinern, nach Ipanema geschickt,<br />

andere, besonders tüchtige Handwerker, wurden von Bloem angefordert]<br />

und wenn sich ein teutscher ferner vergehen sollte; doch nicht von Negern eingesteckt<br />

wird auf daß die Leute nicht sagen können daß wir die weißen Sclaven sind<br />

denn bis jetzt können wir uns mit recht aufwerfen [ungehorsam sein] weil noch<br />

alles erfüllt werden muß um so mehr ist uns daß auffallend daß Sie sagten die<br />

teutschen sollten alle so eingesteckt werden erst laßen Sie jeden zukommen waß<br />

ihm versprochen ist dan glauben wir wirds beßer gehen. Es fehlt bloß noch ein<br />

fiktor [feitor = Aufseher] mit der Peitsch so ists gemacht aber dahin glauben wir<br />

werden Sies doch nicht bringen wollen. Wir harren auf baldige Antwort<br />

Ergebenst, die Teutschen<br />

-V N.<br />

Dies ersuchen an ihre Wohlgeboren<br />

ist im Namen aller Arbeiter<br />

durch Eintracht beschloßen worden<br />

und verlangen baldige Antwort<br />

An hochwohlgeboren<br />

den Herrn Major Bloem<br />

zu<br />

Ipanema.”<br />

Soweit der Brief der deutschen Arbeiter an Bloem. Friedrich Sommer bringt in<br />

seiner nicht veröffentlichten Arbeit über die Deutschen in São Paulo gleichfalls<br />

dieses Ersuchen der Deutschen von Ipanema; aber leider nur sehr ungenau, mit<br />

Verbesserungen. Er bemerkt zu dieser Urkunde: „ Die Eingabe trägt den in S.Paulo<br />

beigefügten Vermerk: Es muß geprüft werden, wie diese Dinge abgestellt werden<br />

können.“ Sommer fährt dann fort: Da die übrigen Beschwerden ohne weiteres<br />

verständlich sind, soll nur zu Punkt 4 erwähnt werden, daß der brasilianische Wechselkurs<br />

zu dieser Zeit zwischen 36 Pence und 30 Pence geschwankt hat. Es scheint<br />

den Deutschen bei der Anstellung die Zusicherung gemacht worden zu sein, daß<br />

sie bei einer Verschlechterung des Kurses unter 36 Pence ein entsprechend höheres<br />

Milreis-Einkommen beziehen würden.“


Der Nordamerikaner Daniel P.Kidder, 1837 ausgesandt von der amerikanischen<br />

Bibelgesellschaft, um die Brasilianer mit der Heiligen Schrift vertraut zu machen<br />

und sie zum Lesen derselben zu führen, kam 1840 auch zur Eisenhütte Ipanema<br />

und berichtet in dem Band seiner Erinnerungen, der seine Reisen in den Provinzen<br />

Rio de Janeiro und S.Paulo behandelt, der ins Portugiesischen übersetzt wurde<br />

und in der Reihe „Biblioteca Histórica Brasileira“ als Band III unter dem Titel<br />

„Reminiscências de Viagens e Permanência no Brasil (Rio de Janeiro e Província<br />

de São Paulo)“ ohne Jahresangabe (1940) in São Paulo erschienen ist, auf Seite<br />

232 wie folgt:<br />

„Das Werk gehört der Regierung und besteht aus sechs oder acht Anwesen, wo<br />

Eisen gekocht und gegossen wird. Es ist noch ein großes Gebäude vorhanden, das<br />

dem Direktor als Wohnung dient, und mehrere kleinere Häuser, in denen die Arbeiter<br />

und ihre Familien untergebracht sind, von denen gelegentlich unseres Besuches<br />

sieben Deutsche waren.<br />

Der Direktor, Major Bloem, empfing uns mit großer Höflichkeit und erleichterte<br />

uns den Besuch aller Abteilungen der Fabrik.“ Kidder beschreibt dann ausführlich<br />

den Betrieb, alle seine Einrichtungen und Arbeitsvorgänge, die wir hier übergehen<br />

wollen. Er fährt dann fort mit dem Inhalt weiterer Gespräche, die er mit dem Direktor<br />

führte: „Major Bloem wurde nach Europa gesandt, um mit allen Einzelheiten<br />

der Eisenhüttenkunde vertraut zu werden. Er besuchte sechzig der wichtigsten<br />

Anlagen in England und auf dem Kontinent, verpflichtete viele deutsche Arbeiter<br />

für die Hütte und legte, als er zurückkehrte, der Behörde ausgezeichnete Pläne<br />

und Projekte zur Verwirklichung ihrer Absichten vor. Diese hatte aber gewechselt,<br />

und die neue gönnte der alten nicht als Ruhmesblatt ihrer Verwaltung etwaige<br />

Erfolge des Unternehmens. Zudem zeigten sich die deutschen Arbeiter sehr unzufrieden<br />

mit ihren Löhnen, obwohl diese genau den in Europa vertraglich vereinbarten<br />

entsprachen, aber weit unter dem Lohn lagen, der für die Arbeit eines Sklaven<br />

bezahlt werden mußte. Trotz aller dieser Widerwärtigkeiten gab Major Bloem<br />

nicht auf, und es gelang ihm, innerhalb von zwei Monaten als Beweis seiner Fähigkeit<br />

für ungefähr tausend Dollar Gußeisen herzustellen.“ Kidder hatte also im Werk<br />

nichts von Grausamkeiten des Hüttenleiters gehört, verübt an Sklaven und Weißen,<br />

wie Tschudi ihm 1858 nach Hörensagen vorwirft und worüber anschließend<br />

berichtet werden wird. Bloem wird nicht bei allen Rundgängen Kidders im Werk<br />

dabei gewesen sein, er „erleichterte den Besuch aller Abteilungen“ . All das geschah<br />

schon fast am Ende der Tätigkeit Bloems in Ipanema. Der fromme Bibelkolporteur<br />

hätte sicher nicht unterlassen, über Sünden der Grausamkeit zu berichten,<br />

wenn er davon in der Hütte gehört hätte. Er lobt Bloem. Kidder reiste dann<br />

nach Santos, um von dort in seine Heimat zurückzukehren. In Cubatão traf er auf<br />

103


104<br />

große Gruppen von Deutschen, die am Straßenbau arbeiteten. Bloem hatte ihm<br />

also in Ipanema nur von den Arbeitern berichtet, die er in Deutschland für die<br />

Hütte angeworben hatte, aber nicht weiteren für den Straßenbau, sonst hätte<br />

Kidder das sicherlich erwähnt.<br />

1858 kam der berühmte Schweizer Baron Johann Jakob von Tschudi in der<br />

Absicht nach Santos, von dort auf dem Landwege nach Rio Grande do Sul und<br />

weiter nach Montevideo zu reisen. Die bei seinem Aufenthalt in Ipanema erhaltenen<br />

Auskünfte bewogen ihn aber, den Plan aufzugeben und nach einer Rundreise<br />

in der Provinz S.Paulo nach Santos zurückzukehren und von dort auf dem Seewege<br />

die Reise nach dem Süden fortzusetzen. In „Reisen durch Südamerika“ ,Band 4,<br />

Seite 128f. berichtet er über die Hütte und über Bloem:<br />

„In der Hoffnung, der Hütte wieder aufzuhelfen, ernannte die Regierung einen<br />

gewissen Geniemajor Blöhm als Director und sandte ihn 1834(!) nach Deutschland,<br />

um die nöthigen Acquisitionen zu machen und die Hütte allen Anforderungen<br />

entsprechend zu erweitern. Blöhm brachte von seiner Reise eine Menge Gegenstände<br />

mit, als die schon erwähnten Mineralien-, Modell-, Instrumenten- und<br />

Büchersammlungen, das chemische Laboratorium, die Dampf-, Hobel- und<br />

Cylinderbohrmaschine, Drehbank mit Support, eine Säge- und Mahlmühle u.s.f.,<br />

auch eine Anzahl Arbeiter, aber unbegreiflicherweise keinen einzigen Schmelzer<br />

[unter den in Deutschland Angeworbenen befand sich der Gelbgießer (Messing)<br />

Wilhelm Hugel, der aber aus irgendeinem Grunde als Straßenbauarbeiter beschäftigt<br />

wurde]. Die Einkäufe Blöhms kosteten der Regierung über 40.000 Milreis. Unter<br />

seiner Leitung nahm der Betrieb der Hütte allerdings einen größeren Aufschwung,<br />

aber die Einnahmen reichten noch lange nicht hin, um die laufenden Ausgaben zu<br />

decken [was bei dem Eisenwerk meines Wissens immer der Fall gewesen ist, es kam<br />

nie aus den Schulden heraus].<br />

Blöhm war aus Elberfeld gebürtig und in seiner Jugend Kellner gewesen. Durch<br />

Zufall (!) wurde er nach Brasilien verschlagen, wo er sich zuerst mit Feldmessen<br />

beschäftigte, bald aber unter günstigen Bedingungen als Offizier in das Geniekorps<br />

trat und in kurzer Zeit zum Major avancirte. In dieser Stelle war er eine Zeit lang<br />

Gouverneur der Verbrechercolonie auf der Insel Fernando Noronha und zeichnete<br />

sich dort durch unerhörte Grausamkeit gegen die Sträflinge aus. Nicht weniger<br />

tyrannisch war er in Ipanema. Es wurden mir wahrhaft schaudervolle Beispiele<br />

von seiner sinnlosen Brutalität erzählt; so soll er z.B. nicht nur Neger, sondern auch<br />

Weisse am Pranger der Fabrik haben prügeln lassen, dass sie infolge der erlittenen<br />

Mishandlungen den Geist aufgaben. Ein von den Schweden angelernter Gussmeister<br />

starb unter seinen Händen. Ebenso brutal wie gegen seine Untergebenen, betrug<br />

er sich in seiner Familie. Sein Schwager [der Baron?] erzählte mir auf dem Dampf-


oote nach Rio Grande, Blöhm habe seine Frau derart mishandelt, dass sie wiederholt<br />

bei den Ihrigen Schutz suchen musste. Die Erzeugnisse der Fabrik wurden<br />

trotz aller Versuche nicht besser; das Gusseisen war immer weisses Spiegeleisen, die<br />

fertigen Arbeiten sprangen entweder während des Gusses oder während des Transportes<br />

auf den Ochsenkarren, selbst in den Magazinen. Das Meiste ging beim Abdrehen<br />

zu Grunde. Es gab von allen Seiten endlose Reclamationen. Blöhm versank<br />

in Verzweiflung und Immoralität und wurde, da er schliesslich auch an revolutionären<br />

Umtrieben Partei nahm, seiner Stelle entsetzt. Mit sich selbst und der Welt<br />

zerfallen, jagte er sich schliesslich eine Kugel durch den Kopf.“<br />

In diesem Bericht paart sich Falsches mit Richtigem, frühere und spätere Ereignisse<br />

werden vertauscht; der Eindruck wird erweckt, als ob Bloem bald nach seiner<br />

Zeit als Leiter der Hütte freiwillig aus dem Leben schied, was erst neun Jahre später<br />

erfolgte und nicht mit seiner dortigen Tätigkeit in Zusammenhang stand. Auch<br />

über die Vorgänge auf Fernando de Noronha sind wir genauer unterrichtet; sie<br />

hatten nichts mit von ihm verübten Grausamkeiten zu tun. Er, der nach dieser<br />

üblen Nachrede, nach diesem Gerüchtegewäsch, nach diesen Verunglimpfungen<br />

ein Unmensch war, ein Unhold und Mörder, setzte sich vergeblich während seiner<br />

Zeit als Hüttenleiter dafür ein, einen dortigen Arbeiter, Heinrich Hubertus Stock,<br />

wieder ins Gefängnis zu bringen, der allgemein noch als der Mörder des Journalisten<br />

Dr.Libero Badaró in S.Paulo betrachtet wurde, obwohl er freigesprochen worden<br />

war, was aber bald in Vergessenheit geriet. Bloem wollte also diesen Arbeiter,<br />

den er für einen Mörder hielt, wieder ins Gefängnis bringen, er, der angeblich selbst<br />

Neger und Weiße desselben Werkes mit eigner Hand umgebracht hatte. Das ist<br />

absurd. Er wäre als mehrfacher Mörder trotz seiner Stellung und seines militärischen<br />

Ranges zu Gefängnishaft verurteilt worden. Tschudi reiste mit einem Schwager<br />

Bloems und hörte wohl von diesem nicht nur über dessen Familienverhältnisse,<br />

sondern auch von Gerüchten und Verdächtigungen, die man noch sieben<br />

Jahre nach dem Tode des Beschuldigten weitergab, der sich nicht mehr verteidigen<br />

konnte. Bloem war hart gegen sich und andere, aber kein gemeiner Mörder.<br />

Ich bin erstaunt und empört, daß Tschudi diesen Schmutz für die Nachwelt als<br />

wissenswert und wichtig in sein Reisewerk aufnahm, er, der in diesem Falle kein<br />

Augenzeuge war. Wie anders urteilte der Augenzeuge Kidder. Bloem bemühte sich<br />

um das Wohlergehen der von ihm für Ipanema angeworbenen Deutschen wie<br />

auch um das der Sklaven und freien Neger, die ein wahres Heer bildeten. Die<br />

„Teutschen“ wurden von seinen Nachfolgern im Werk nach und nach entlassen.<br />

Auch ärztliche Hilfe wollte der Werkleiter ihnen angedeihen lassen. Nirgends sonst<br />

als bei Tschudi, der erst fast zwanzig Jahre nach den von ihm geschilderten Ereignissen<br />

nach Ipanema kam, wird von angeblichen Untaten Bloems berichtet.<br />

105


106<br />

Pläne, Vermessungen, kartographische<br />

Aufnahmen und andere Arbeiten Bloems<br />

a. nach Dicionário Bio-Bibliográfico Brasileiro von J.F.Velho Sobrinho, Volume II,<br />

Rio de Janeiro, 1940, Seiten 358f<br />

b. nach Catálogo da Exposição de História do Brasil(1881), Edição fac-similada,<br />

Editora Universidade de Brasília, Tomo 1,1981, verschiedene Seiten. Alle Ceará<br />

betreffenden Arbeiten Bloems sind auch in der oben erwähnten Schrift des<br />

Barons von Studart über die Geographie dieser Provinz erwähnt.<br />

c. Andere: Lucinda Ferreira Prestes: A Vila tropeira de Nossa Senhora da Ponte de<br />

Sorocaba, pro editores, 1999, erwähnt Bloem s.65, 77, 148 (Ponte), 152 - 155, 157, 202.<br />

Das ursprüngliche Verzeichnis ist von mir in zeitlicher Reihenfolge geändert<br />

worden.<br />

1. Planta Hydrográfica do Porto e Rio de Ceará levantado por ordem do Illmo.e<br />

Exmo.Srs. Jozé Felis de Azevedo e Sá por João Bloem, Capitão do Imperial Corpo<br />

de Engenheiros, Março de 1825. Om. 381x Om.486. Cópia de 1870, a aquarella.<br />

2. Barra do Igarassú.Levantou o Capitão João Bloem. Barra do Igarassú em 10 de<br />

Agosto de 1825. 0,483 x 0m.379. Cópia de 1870. Arch. Militar.<br />

3. Barra de Carramopim. Levantou o Capitão do Imperial Corpo de Engos. João<br />

Bloem. Barra de Carramopim 15 de Agosto de 1825, 0m.376 X 0m.482. Cópia de<br />

1870 a aquarella. Arch.Militar<br />

4. Barra da Timonha. Levantada pelo Capitão do Imperial Corpo de Engenheiros<br />

João Bloem. Timonha em 19 de Agosto de 1825, 0m.757 x 0m.471. Cópia de<br />

1870 a aquarella. Arch.Militar.<br />

5. Barra de Tupiú ou Remedio. Levantou o Capitão do Imperial Corpo de<br />

Engenheiros João Bloem. Barra de Tupiú em 22 de Agosto de 1825. 0m.374 x<br />

0m.482. Cópia de 1870, a aquarelle. Arch.Militar.<br />

6. Barra do Camossim. Levantou o Capitão do Imperial Corpo de Engenheriros<br />

João Bloem. Barra do Camossim em 26 de Agosto de 1825. 0m.379 x 484. Cópia<br />

de 1870, a aquarella. Arch.Militar.<br />

7. Enseada de Jericoacoára. Levantou o Capitão do Imperial Corpo de Engenheiros<br />

J.Bloem. Jericoacoára em 1º de Setembro de 1825. 0m.381 x 488. Cópia<br />

de 1870 a aquarella. Arch.Militar.<br />

8. Barra de Acaracú. Levantou o Capm.do Impal. Corpo de Engenheiros João<br />

Bloem. Barra d‘Aracarú (sic!) 6 de Septembro de 1825, 0m.483 x om.375. Cópia<br />

de 1870, a aquarella. Arch.Militar.<br />

9. Enseada e Barra de Aracatí Assú. Levantou João Bloem, Capm.do Imp. Corpo


de engenos. Aracatí Assú 15 de 7br.º de 1825, 0m. 380 x 0m.491. Cópia de 1870,<br />

a aquarella. Arch.Militar.<br />

10. Enseada e Barra de Mundaú. Levantou o Capm. João Bloem de Corpo impal.<br />

dos Engos. Enseada de Mundaú em 18 de Septembro de 1825, 0m.377 x 0m.491.<br />

Cópia de 1870, a aquarella. Arch. Militar.<br />

11. Enseada e Barra do Parazinho. Levantou o Capm. do Imperial Corpo de<br />

Engenheiros João Bloem. Parazinho em 22 de Setembro de 1825. 0m.380 x 0m.<br />

490. Cópia de 1870. Arch.Militar.<br />

12. Barra e Rio de Jagoaribe. Levantou o Capm.do Imperial Corpo de Engenheiros<br />

João Bloem. Barra do Jagoaribe em 8 de Outubro de 1825. 1m, 47 x 0m.522.<br />

Cópia de 1870, a aquarella.<br />

13. Memoria geral dos Portos e Enseadas e Costa da Provincia do Ceará os quaes<br />

são navegaveis, como se vê das plantas, alevantadas por João Bloem, etc.<br />

Fortaleza do Ceará, 31 de Outubro de 1825. Cópia, auth. In-fol. de 7fls. no<br />

Arquivo do Estado Maior do Exército.<br />

14. Enseada de Mucuripe porto da Cidade de Fortaleza. Levantou o Capm. do<br />

Impal. Corpo de Engenheiros João Bloem. Mucuripe em....(1825?). 0m 367 X<br />

0m. 708. Cópia de 1870, a aquarella. Arch. Militar<br />

15. Mappa topographico dos Terrenos adjacentes à Fabrica de Ferro de S.João de<br />

Ipanema, levantado pelo Major de Engenheiros João Bloem, em 1837, 0m.511<br />

x 0m.564, rascunho original sem titulo, a aquarela, cópia de 1848 e outra de<br />

1850. Arch.Militar.<br />

16. Projeto de uma cadeia para Ipanema, 1840, ausgeführt im selben Jahre In: c-1.<br />

auf Seite 155 ist der Entwurf des Gefängnisses abgebildet. Auf den Seiten 153/<br />

154 sind auch zwei Briefe Bloems abgedruckt, der eine aus dem Jahre 1834,<br />

datiert: Fabrica de S.João de Ypanema, 19 de abril 1834. João Bloem, der andere<br />

aus dem Jahre 1840.<br />

17. Am 20. Februar 1840 berichtet Bloem in einem Dienstschreiben an den Minister<br />

Manoel Antônio Galvão über die Entdeckung einer Antimonmine. Er schreibt<br />

darüber: „Es ist zwischen dem Kirchspiel Campo Largo und Lambary eine<br />

Antimonmine gefunden worden (Speisglarz), die ich für sehr gemischt mit Blei<br />

und wahrscheinlich auch mit etwas Zink und dem Augenschein nach mit Fahlerz<br />

halte. Es wäre nicht zu verwundern, wenn sie auch Silber enthielte. Mir<br />

bleibt jetzt keine Zeit, wenn aber die beiden Hochöfen sich in ihrem normalen<br />

Betrieb befinden, beabsichtige ich, jene beiden Plätze aufzusuchen; ich benötige<br />

aber zur Untersuchung, die ich für vorteilhaft halte, eine Ermächtigung durch<br />

Eure Exzellenz. Gott behüte Eure Exzellenz. Eisenwerk S.João de Ypanema 20.Februar<br />

1840. Johann Bloem, Major des Kaiserlichen Ingenieurkorps. Man richte<br />

107


108<br />

an den Präsidenten der Provinz S.Paulo die Aufforderung, mitzuteilen, ob der<br />

Anordnung vom 21.März vorigen Jahres bezüglich der zwischen dem Kirchspiel<br />

von Campo Largo und Lambary aufgefundenen Antimonmine entsprochen<br />

worden ist und welches Ergebnis die Ausbeute, die man dem Major Bloem<br />

befahl durchzuführen, ergeben hat.“ Angaben entnommen der Schrift “ Flora<br />

Fluminensis“ ,Documentos, 1961, Rio de Janeiro, Seite 223.<br />

18. Entweder 1840 oder 1841 wird der Leiter des Eisenwerkes Ipanema, Johann<br />

Bloem, von der Munizipalkammer Sorocaba aufgefordert, einen Entwurf zum<br />

Bau einer neuen Brücke über den Fluß einzureichen. “ Plantas, orçamentos e<br />

principios de construção de uma nova ponte de pedra no rio desta vila.” Bloem<br />

kam nicht dazu, die Arbeit auszuführen, da er während des liberalen Aufstandes<br />

1842 entlassen wurde. Die Brücke wurde dann nach Bloems Plänen von Carl<br />

Abraham Bresser fertiggestellt, nachdem andere Fachleute in der Zwischenzeit<br />

daran gearbeitet hatten. Eine Abbildung von ihr, eine zeitgenössische Arbeit, ist<br />

im Museu Sorocabano zu finden.<br />

19. Im Jahre 1864, dreizehn Jahre nach dem Freitode Bloems, wird in Sorocaba<br />

die neue Munizipalkammer (Rathaus) mit Gefängnis nach einem Entwurf Bloems<br />

aus dem Jahre 1841 oder 1842 eingeweiht.<br />

20. Carta Corographica para a divisão das comarcas termos e municipios da Provincia<br />

de Sergipe d‘El Rey, organisada pelas informações exames e de varias<br />

cartas as mais exatas que existem até hoje, por ordem do... Brigadeiro José de<br />

Sá Bethencourt e Camara, Prezidente da mesma Provincia pelo Tenente Coronel<br />

do Imperial Corpo de Engenheiros João Bloem no anno de 1844. Lit. do Arquivo<br />

Militar, J.A.P. 0m.754 x 573, na Biblioteca Nacional.<br />

21. Carta corographica comprehendendo o Terreno entre o Rio de S.Francisco, e<br />

estrada geral de Vila Nova para a Missão, e Rio de Japaratuba até a Barra; e<br />

desta Barra, costa abaixo até o Rio de S.Francisco; para Reforma da Carta<br />

corographica da Provincia de Sergipe pelo Tenente Coronel do Imperial Corpo<br />

de Engnros. João Bloem, 1846, 0m.329 x 0m.400, original a aquarela no Arquivo<br />

do Estado Major do Exército.<br />

22. Mapa geral do Imperio do Brasil. Publicado por B.L. Garnier, Rio de Janeiro,<br />

1851, benutzte neben Arbeiten von vielen anderen auch solche von Bloem; in<br />

seinem Todesjahr.<br />

Die in obigen vermessungsmäßigen und kartographischen Erhebungen, wie<br />

auch Entdeckungen Bloems, welche nicht vollständig erhalten sein dürften, enthaltenen<br />

Angaben stammen nicht von diesem; es sind Hinzufügungen aus späterer<br />

Zeit, vielleicht 1870 in Kopien eingefügt, weshalb damals auch sein letzter Dienstgrad<br />

angegeben wird, Oberstleutnant (Tenente Coronel), den er 1844 oder 1846


noch nicht besaß, da er ja erst am 27.August 1849 dahin befördert wurde. Wir<br />

sehen aus der obigen Aufstellung, dass der Offizier des Ingenieurkorps 1825 eifrig<br />

mit Vermessungen in verschiedenen Provinzen des Reiches beschäftigt war.<br />

Ich wiederhole die Feststellung, Bloem sei der bedeutendste Deutsche in Brasilien<br />

während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewesen. Nach all dem, was<br />

über ihn obenstehend berichtet werden konnte, ist sie wohl berechtigt. Oder kann<br />

man mir eine andere Persönlichkeit namhaft machen, die Bloem an Bedeutung in<br />

jener Zeit übertrifft? Man mag vielleicht auf Karl von Koseritz hinweisen; aber dieser<br />

traf erst 1851, im Todesjahr Bloems, in Brasilien ein, gehört demnach der zweiten<br />

Hälfte des genannten Jahrhunderts an; seine segensreiche Tätigkeit beschränkte<br />

sich zudem so gut wie ausschließlich auf Rio Grande do Sul, war also nicht so weit<br />

gespannt wie die Bloems. Über Koseritz sind mehrere Arbeiten veröffentlicht worden,<br />

in deutscher wie in portugiesischer Sprache; über Bloems Leben und Tätigkeit<br />

bisher keine. Und Carl Abraham Breßer? Wollte man die obige Frage auf die Provinz<br />

S.Paulo beschränken, könnte man sie vielleicht bejahen. Zur Würdigung Bloems<br />

haben wir lediglich in Ansätzen die Veröffentlichungen von Dr.Guilherme Auler. Es<br />

freut mich, diese etwas erweitern zu können.<br />

Der Familienname Bloem ist im Telefonbuch 2001 der Stadt São Paulo zu finden.Im<br />

Jardim Iracema gibt es einen Platz Coronel João Bloem, CEP 05790-170. Ein Rui<br />

Bloem schrieb vor längerer Zeit über die Gründung von Brasilia. Ob es sich dabei um<br />

Nachkommen der beiden genannten Söhne Johann Bloems handelt, ist noch nicht<br />

geklärt. Unter den in Deutschland in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts<br />

am meisten gelesenen Romanschriftstellern befand sich neben Rudolf Herzog auch<br />

Walter Bloem. Von ihm besitze ich das Buch „Komödiantinnen“ , das 1914 schon die<br />

auch für heutige Verhältnisse beachtliche Auflagenhöhe von 266 000 erreicht hatte;<br />

und mit meinem Exemplar war möglicherweise die Nachfrage noch nicht gesättigt.<br />

Keine Geschichte der deutschen Literatur oder Nachschlagewerke nennen den<br />

Namen Walter Bloem; dieser einst vielgelesene Schriftsteller blieb unbekannt.<br />

Helmut Andrä, geb.1909 in Borna bei Chemnitz. Von 1930 bis 1942 Lehrer an verschiedenen<br />

deutsch-brasilianischen Schulen, 1932 bis 1937 Leiter des Colégio Teuto-Brasileiro in Porto União<br />

(SC), 1943 bis 1957 in Industrie und Handel beschäftigt.<br />

1957 bis 1960 stellvertretender Geschäftsführer, später Direktor des Staden-Instituts.<br />

Geschichtsforscher, Autor zahlreicher Arbeiten über brasilianische und deutsch-brasilianische Geschichte.<br />

Zuletzt erschien „Deutsche Söldner in Brasilien“, Band I, S.Paulo, 2000.<br />

109


«Habitação de negros» – Quelle : Rugendas, 1972 :4/5 – detalhe


Über die Kindheit der<br />

afrobrasilianischen Sklaven<br />

im 19. Jahrhundert<br />

Hannes Stubbe<br />

Resumo: Análise da situação específica da infância dos filhos de escravos<br />

nascidos no Brasil. Foi pesquisada essa fase com<br />

especial destaque ao aspecto de socialização destes, que<br />

inclui a transmissão da vivência e atitudes comportamentais<br />

dentro da sociedade escrava, bem como em relação<br />

aos seus “ patrões”.<br />

Abstract: Analysing the peculiar circumstances of slave children’s<br />

socialization in Brazil, Stubbe’s research centers on both<br />

their living conditions and behavioral patterns, along with<br />

the relationship to their masters.<br />

„...Sechshundert Neger tauschte ich ein spottwohlfeil<br />

am Senegalflusse. Das Fleisch ist hart, die Sehnen sind<br />

stramm, wie Eisen vom besten Gusse....“<br />

Heinrich Heine, Das Sklavenschiff,1853/54<br />

“ Die ganze Arbeit wird von den Schwarzen gemacht, der<br />

gesamte Reichtum wird durch schwarze Hände erworben”<br />

Ina von Binzer, 1887<br />

Einleitung<br />

(Köln)<br />

Brasilien ist heute das Land mit der zweitgrößten afrikanischen Bevölkerung der<br />

Erde nach Nigeria, eine Tatsache, die oftmals auch von Human- und Sozialwissenschaftlern<br />

verschleiert wird. Diese Situation ist auf den massiven Import afrikanischer<br />

Sklaven nach Brasilien seit ca. 1525 zurückzuführen.<br />

111


112<br />

Der Historiker Conrad (1985) kommt bzgl. der Sklaverei in Brasilien zu folgendem<br />

Ergebnis:<br />

“ O tráfico de escravos da África para o Brasil foi uma das grandes tragédias da<br />

história humana. Provavelmente mais de 5 milhões de africanos foram desembarcados<br />

nas praias brasileiras durante os anos 1525 a 1851, uma média de mais de um<br />

milhão e meio por século. Essas multidões, contudo, compreenderam apenas parte<br />

do número total de pessoas afetadas por este tráfico, uma vez que muitos morreram<br />

em seu continente nativo antes que pudessem ser colocados a bordo de um navio<br />

e muitos mais pereceram no mar. Uma vez no Brasil, além disso, muitos sobreviventes<br />

da longa jornada rapidamente sucubiram à doenca ou outras privações, de forma<br />

que apenas uma pequena porcentagem das pessoas capturadas ou vendidas na<br />

África chegou a trabalhar para um senhor no Novo Mundo.”(Conrad,1985:209).<br />

Was die Sklavenkinder angeht, so stellt Klein (1987) aufgrund seiner quantitativen<br />

Analysen der “ middle passage” fest, daß das Interesse der Sklavenhändler an afrikanischen<br />

Kindern und Jugendlichen gering gewesen sein muß, denn 80% der<br />

eingeführten Sklaven waren Erwachsene mittleren Alters (darunter 60-70% Männer),<br />

und außerdem wurden die Sklavinnen bereits vor ihrer Verschiffung nach<br />

Brasilien von ihren Kindern getrennt. Es läßt sich insgesamt auch eine sehr hohe<br />

Mortalitätsrate der Sklaven beobachten.<br />

Sklavenmütter<br />

Wegen der prekären physischen Bedingungen der Sklavenmütter kam es oftmals<br />

zu Totgeburten und Aborten. Aber selbst wenn der Säugling lebend geboren<br />

wurde, waren die Chancen für ein Sklavenkind das Erwachsenenalter zu erreichen<br />

äußerst gering (vgl. Kiple & King, 1977; Karasch, 1987:92ff).<br />

Die forcierte Arbeit der Sklavinnen auf den Feldern, die schlechte medizinische<br />

Versorgung, die unzureichende Ernährung, die unangemessene Kleidung und<br />

Unterkunft und das geringe Interesse an dem gesundheitlichen Wohlergehen der<br />

kleinen Sklavenkinder seitens der Sklavenhalter (ein Ergebnis ihres geringen ökonomischen<br />

Wertes) führten zur Dezimierung der afrobrasilianischen Sklavenbevölkerung<br />

und verursachten wiederum neue Importe afrikanischer Sklaven. In<br />

einem Manual für Pflanzer aus dem Jahre 1839 heißt es, daß die Mehrzahl der in<br />

Brasilien geborenen Sklaven (=escravos crioulos) in der Kindheit bereits stirbt und<br />

daß der verbleibende Rest „com exessiva afetuosidade e indulgência no seio da<br />

família ou com desumanidade e negligência, definhando como plantas em solo<br />

deserto.“ (Taunay,1839:17f).


Alle in Mattosos (1991) Untersuchung registierten Sklavenmütter sind „alleinerziehend“<br />

, aber oftmals Mütter, die nicht immer ihre eigenen Kinder versorgen<br />

können, auch wenn sich diese noch im Säuglingsalter befinden.<br />

Die Müttersterblichkeit der Sklavinnen war außerordentlich hoch und ihre Lebenserwartung<br />

gering.<br />

Mattoso charakterisiert diese Situation sehr klar, indem sie schreibt: „De qualquer<br />

maneira, o filho da escrava é uma criança cuja mãe biológica é frequentemente<br />

ausente, sendo criado sem referências parentais seguras: da mesma forma que<br />

todos os homens da comunidade podem simbolizar o papel do pai ausente, a comunidade<br />

feminina pode também simbolizar a mãe ausente, mas, em ambos os casos,<br />

a referência fica imprecisa. Assim, se no ato de seu nascimento o escravo é uma<br />

criança sem pai, a má sorte e má fortuna ainda torná-lo órfão, também, de mãe.”<br />

(Mattoso,1991:87).<br />

Mattoso beobachtet auch, daß die Mehrheit der Sklavenmütter während ihres<br />

ganzen fruchtbaren Lebensabschnittes, nur maximal ein bis zwei (verbleibende)<br />

Kinder besitzen. Dies besagt jedoch nichts über die wirkliche (vermutlich höhere)<br />

Geburtenrate, die durch eine hohe Säuglingssterblichkeit, viele Aborte, Infantizide,<br />

und Ausssetzen in der „Roda dos Expostos“ gekennzeichnet war (vgl. Stubbe, 2001).<br />

Ein Gesetz zwang alle Mütter, Freie oder Sklavinnen, ihre Kinder bis zum Alter<br />

von 3 Jahren zu ernähren. Es ist aber nicht bekannt, ob die Sklavenhalter diese<br />

Vorschrift wirklich beachteten.<br />

«Habitação de negros» – Quelle : Rugendas, 1972 :4/5<br />

113


114<br />

Schwangerschaft und Geburt<br />

Unter welchen Lebensbedingungen wurden die Sklavenkinder in Brasilien geboren?<br />

Der Arzt Dr. José Rodrigues de Lima schreibt in scheinbarer Unkenntnis des<br />

Sklavereisystems im Jahre 1849, daß unter den Sklaven nicht die geringsten hygienischen<br />

Regeln beachtet würden, daß sie dem Ort ihrer Behausungen, ihrer Kleidung,<br />

ihrer Ernährung, ihrer Erholung, ihren Schlafstellen und anderen<br />

Gesundheitsfragen keinerlei Beachtung schenken würden. Ein anderer brasilianischer<br />

„higienista“ (vgl. Machado et al. 1978) Dr. David Gomes Jardim betont im<br />

Jahre 1847, daß die tägliche Ernährung der Sklaven aus schwarzen Bohnen, Mais<br />

und Maniokmehl bestünde und kommt zu dem Schluß: „Uma refeição não variada,<br />

como esta, muitas vezes em quantidade insuficiente e mal preparada, deve influir<br />

de maneira notável no desenvolvimento das moléstias que tem por costume agredir<br />

esta classe de indivíduo.“ (Gomes Jardim, 1847:7f)<br />

Die Bekleidung der Sklaven war nicht besser. Aus Beobachtungen der europäischen<br />

Reisenden wissen wir, daß den Sklaven das Tragen von Schuhwerk oder<br />

irgendeines Schutzes der Füße verboten war, weil Barfüßigkeit den Sklavenzustand<br />

selbst symbolisierte (vgl. Stubbe, 1985:27f; zur Sklaverei in der Bibel, die oftmals als<br />

Modell diente vgl. Cornfeld & Botterweck, 1972:1292ff; Vendrame, 1981). Aber die<br />

Sklaven/innen gingen nicht nur barfuß (was viele Tropenkrankheiten verursachte<br />

z.B. „bicho do pé“ ), sondern waren auch ungenügend bekleidet oder fast nackt,<br />

wie zeitgenössische Illustrationen (vgl. Rugendas, Debret) zeigen. Die ländlichen<br />

Sklaven erhielten pro Jahr nur eine Hose und ein Hemd und arbeiteten „fast nackt“<br />

, wie auch der oben zitierte Arzt Jardim (1847:10) bemerkt. Untergebracht waren<br />

die Sklaven in schmutzigen und zugigen Lehmhütten und schliefen auf dem Boden<br />

ohne Decken. Sie arbeiteten 15 bis 16 Stunden pro Tag ohne ausreichende Ernährung<br />

und im Zustand der Halbnacktheit (vgl. Conrad, 1985). Welche verheerenden<br />

Folgen diese Lebensverhältnisse auf die geistige und körperliche Entwicklung<br />

der Sklavenkinder (schon im intrauterinen Zustand) hatte, wurde bisher kaum<br />

systematisch untersucht (vgl. Kiple & King, 1977).<br />

Über die Schwangerschaft und Geburt bei den Sklavinnen fehlen uns bisher<br />

direkte und sichere Quellen. Sie wurden weder wie im Falle der weißen Maria<br />

gemalt noch modelliert.<br />

Die afrobrasilianischen Sklavenkinder wurden meistens in den Sklavenhütten<br />

geboren und man zog Hebammen den Ärzten vor. Auf manchen „fazendas“ gab es<br />

aber auch spezielle „enfermarias“ für Sklaven, die auch als Geburtshilfeeinrichtungen<br />

fungierten (vgl. Mott, 1979). Wichtig in diesem Zusammenhang sind aber medizinische<br />

Schriften der damaligen Zeit wie das „Manual do Fazendeiro e tratado


doméstico sobre as enfermidades dos negros“ (1839) des französischen Chirurgen<br />

J. M. Imbert aus Montpellier, in dem sich einige Stellen über die Geburt bei den<br />

Sklavinnen befinden. Ebenfalls in dem jüngst in der „Biblioteca Nacional de Lisboa“<br />

aufgefundenen Schriftstück „Tratado do parto humano...“ des Arztes Francisco<br />

Nunes finden sich einige Details über die Geburtshilfe in Pernambuco gegen Ende<br />

des 17.Jh.s (vgl. Priore, 1989). Bekanntlich hatte auch der Brasilienreisende Baron<br />

von Langsdorff (1774-1852) im Jahre 1800 eine Monographie mit dem Titel „Nachrichten<br />

aus Lissabon über das weibliche Geschlecht, die Geburten und Entbindungskunst<br />

in Portugal“ publiziert (vgl. Bertels, Komissarov & Licenko, 1988).<br />

In der von Johann Moritz Rugendas (1802-1858) und Jean Baptiste Debret<br />

(1768-1848) gezeichneten und gemalten Ikonographie der Sklaverei in Brasilien<br />

finden wir vielfach Szenen aus dem Alltagsleben der Sklavinnenmütter mit ihren<br />

Säuglingen (insbes. auch die Körpertrageweise), die auch verdeutlichen, daß den<br />

Müttern nach der Geburt keinerlei Ruhepause gegönnt wurde.<br />

Insgesamt wird die schwarze Mutter (im Gegensatz zu den Indianermüttern)<br />

von den Reisenden des 19. Jh.s als gute und liebevolle Mutter beschrieben.<br />

Die ersten sieben Jahre<br />

In ihrer Analyse der Inventare post mortem in Bahia(1860-1888) unterscheidet<br />

Kátia de Queiros Mattoso (1991) zwei Abschnitte in der Kindheit der afrobrasilianischen<br />

Sklaven: von 0 bis 7/8 Jahren, in denen die „crioulinha“ oder der<br />

„crioulinho“ , die „pardinha“ oder der „pardinho“ , die „cabrinha“ oder der „cabrinho“<br />

keinerlei ökonomisch relevante Tätigkeiten ausübten, und die Phase von 7/8 bis 12<br />

Jahren, in denen die jungen Sklaven aufhören Kinder zu sein und in die Erwachsenenwelt<br />

eintreten, aber in Gestalt des „aprendiz“ oder des „moleque/moleca“ . Mott (1979),<br />

die die Sklavenkindheit anhand der Reiseliteratur des 19.Jh.s untersucht hat, gibt<br />

einen früheren Endpunkt der eigentlichen Sklavenkindheit an, indem sie schreibt:<br />

“A idade de cinco a seis anos parece encerrar uma fase na vida da criança<br />

escrava. A partir desta idade ela aparece desempenhando alguma atividade. Das<br />

obras levantadas para a primeira metade do século XIX, talvez seja a de Debret<br />

aquela que apresenta um maior número de crianças escravas trabalhando”, “ ...No<br />

meio rural, as mulheres e as crianças desempenhavam frequentemente a mesma<br />

tarefa, como por exemplo descascar mandioca, descaroçar algodão e arrancar<br />

ervas daninhas.” (Mott, 1979:61)<br />

Mattoso (1991) stellt in ihrer Untersuchung fest, daß absolut alle Taufen der<br />

Sklavenkinder Taufen illegitimer Kinder sind. Einschränkend ist jedoch hierzu an-<br />

115


116<br />

zumerken, daß in dem untersuchten Zeitraum die Illegitimitätsrate des freien<br />

Bevölkerungsteils 62% betrug.<br />

Auf den großen Zuckerrohrplantagen (engenhos de açucar) verbringen die<br />

Sklavenkinder die ersten Lebensjahre in relativer Freiheit, nehmen an den Spielen<br />

der weißen Kinder teil (aber häufig als „cavalinho“ = Pferdchen!) und erfahren<br />

sogar Liebkosungen der weißen Herrin. In den Städten dagegen ist ihr Bewegungsraum<br />

eingeengt durch die Familie des Sklavenhalters und beschränkt den Spielraum<br />

der Sklavenkinder auf die Wohngegend der Sklaven (=cortiço) oder andere<br />

Plätze wie den Markt oder Lagunen, in denen die Sklavinnen die Wäsche waschen.<br />

„Família de<br />

fazendeiros“<br />

Quelle: Rugendas,<br />

1972:3/16<br />

„Desvelos de<br />

mãe negra“<br />

Quelle: Rugendas<br />

nach N. Carneiro,<br />

1979:113


Über die Institution des „muleque companheiro de brinquedo“ , eines Sklavenkindes,<br />

das jedem weißen Kind des Sklavenhalters als Spielobjekt zugeordnet wurde,<br />

schreibt der engliche Reisende Koster (1816) folgendes: „Logo que a criança<br />

deixa o berço dão-lhe um escravo do seu sexo e de sua idade, pouco mais ou<br />

menos, por camarada, ou antes, para seus caprichos; empregam-no em tudo e<br />

além disso incorre sempre em censura e em punição...Enfim, a ridícula ternura dos<br />

pais anima o insuportável despotismo dos filhos.“ (Koster apud Freyre, 1969:468)<br />

Das kleine Sklavenkind wird als ein reduzierter Sklave angesehen, nur hinsichtlich<br />

seiner Größe und Körperkraft vom erwachsenen Sklaven unterschieden. So<br />

stellt bereits der kurze Abschnitt der eigentlichen Sklavenkindheit eine Sozialisierungsphase<br />

„sklavenmäßiger Verhaltens- und Erlebensweisen“ im Hinblick auf die<br />

Sklavenhalterfamilie einerseits und andererseits eine Phase der sozialen Integration<br />

in das Beziehungsgeflecht der Sklavengemeinschaft dar. Wahrscheinlich bildet sich<br />

bereits in diesem Kindesalter der „Senhor“ eine Vorstellung darüber, über welche<br />

Fähigkeiten und welchen Charakter das Sklavenkind verfügt. Und bereits in diesem<br />

frühen Alter beginnt das Sklavenkind auch zu bemerken, welche Bedeutung und<br />

Wirkung die Körperstrafen als ein unverzichtbarer Bestandteil des Sklavereisystems<br />

besitzen. Eine ausführliche Schilderung der an Sklaven vollzogenen vielfältigen<br />

Körperstrafen kann hier nicht gegeben werden (vgl. Ramos, 1938; Goulart, 1971). Die<br />

oftmals grausamen Strafen spielten wahrscheinlich bereits in der primären Sozialisation<br />

der Sklavenkinder eine bedeutsame Rolle. Wir können feststellen, daß die Strafen<br />

von den ersten bis zu den letzten Tagen der Sklaverei häufig vollzogen wurden<br />

und zwar, wie Conrad (1985) ganz richtig bemerkt, nicht mit der Intention, die Bestraften<br />

zu „bessern“ , denn in vielen Fällen führten die Strafen zum Tode, zur Verstümmelung<br />

oder starken Beeinträchtigung der Arbeitskraft. Die Strafen wurden in<br />

aller Öffentlichkeit vollzogen und schufen so ein Klima des Terrors und der Angst, das<br />

für die Aufrechterhaltung der Sklaverei unbedingt notwendig war. Bereits an Sklavenkindern<br />

wurden die grausamsten Körperstrafen ausgeführt. Debret, der von 1816 bis<br />

1831 in Brasilien lebte, schreibt : „...Sendo ainda criança o escravo, o peso da corrente<br />

é apenas 5 a 6 libras, fixando-se uma das extremidades no pé e outra a um cepo de<br />

madeira que ele carrega à cabeça durante o serviço...“ (Debret, vol.1, 1978:344).<br />

Auch die „grilhões“ , Eisenmasken und -Ketten, wurden bereits bei Sklavenkindern<br />

eingesetzt (vgl. auch Walsh, vol.2, 1830:355).<br />

Bereits Sklaven-Säuglinge und -Kleinkinder konnten verkauft werden. Bei Debret<br />

(prancha 23, 2.tomo) finden wir eine Abbildung des Sklavenmarktes in der Rua do<br />

Valongo (Rio de Janeiro; er wurde 1831 geschlossen), in der „ciganos“ (die in<br />

Brasilien oftmals den internen Sklavenhandel betrieben) Sklavenkinder verkaufen<br />

(vgl. Karasch, 1987:36ff). Auch Magalhães & Giacomini (1983) listen eine Reihe von<br />

117


118<br />

Zeitungsannoncen aus dem Jahre 1850 auf, in denen Sklavenkinder zum Verkauf<br />

angeboten werden z.B. (Jornal do Commercio,24.7.1850): „Vende-se uma negrinha<br />

de perto de 2 annos, muito linda e socegada“ (zit. apud Magalhães & Giacomini,<br />

1983: 79). Das Leben eines Sklavenkindes war also von früher Kindheit an nicht nur<br />

durch Tod, Krankheit und Unter- bzw. Fehl-Ernährung gekennzeichnet, sondern es<br />

konnte bereits in diesem frühen Alter von seiner leiblichen Mutter getrennt werden.<br />

„Sklavenmarkt in der Rua do Valongo (R.J.)„ Quelle: Debret<br />

Manche Sklavenhalter „befreiten“ auch ihre Sklavenkinder (oftmals im Gefolge<br />

der Taufe). In Vila Rica z.B. waren es im Zeitraum von 1719- 1798 ca.10% (vgl.<br />

Venâncio, 1991: 100). Dies geschah jedoch aus Berechnung, denn sie brauchten<br />

nun nicht mehr für den Unterhalt dieser Kinder aufzukommen. Eine Folge davon<br />

war, daß immer mehr Sklavensäuglinge ausgesetzt wurden, um die sich nun die “<br />

Câmaras” (Stadtverwaltungen) kümmern mußten. In Mariana forderten z.B. die<br />

Stadträte im 18.Jh. sogar ein rassistisches „atestado de brancura dos expostos“<br />

(sic!) und verweigerten so den schwarzen Kindern Schutz und Betreuung<br />

(Venâncio, 1991:101; Mello de Souza, 1991:35).<br />

Im 19.Jh. begann sich dieses Verhalten der Sklavenhändler zu verändern und<br />

sie „befreiten“ immer weniger Sklavenkinder, weil deren Preis zu steigen begann


(vgl. Tabelle für den Zeitabschnitt von 1800 bis 1869 bei Venâncio,1991:105). Es<br />

kam in dieser Zeit auch zu immer häufigerem Raub von freien schwarzen Kindern<br />

mit dem Ziel, sie zu versklaven bzw. zu verkaufen.<br />

Wie hoch war der Kinderanteil unter der Sklavenbevölkerung Brasiliens?<br />

Nach Stuart Schwartz (1988:291) lag der Anteil der Kindersklaven im Alter von<br />

0 bis 15 Jahren in den baianischen „engenhos“ zu Beginn des 19.Jhs. bei 20% bis<br />

24%, in Minas Gerais variierte der Kinderanteil (von 0 bis 14 Jahren) zwischen 19%<br />

und 33% (Venâncio,1991:100) und in Paraná (1800-1830) mit dem höchsten Anteil<br />

zwischen 37% und 40% (Venâncio,1991:105).<br />

Von 8 bis ins Erwachsenenalter<br />

Schulbesuch kam für die Sklavenkinder nicht in Betracht. Noch im Jahre 1872<br />

bewegte sich die Alphabetisierungsrate der Sklaven (je nach Region etwas unterschiedlich)<br />

um 1 pro Mill. Während der holländischen Besatzungzeit (1630-1654)<br />

richtete man aber bereits nach dem Apartheits-Prinzip 1645 in Recife die erste für<br />

Afrobrasilianer reservierte Schule ein, die nach der Vertreibung der Holländer wieder<br />

geschlossen wurde (vgl. Duarte, 1986:89; Niskier, 2001).<br />

Etwa im Alter von sieben bis acht Jahren hat das Sklavenkind nicht mehr das<br />

Recht, seine Mutter spielend zu begleiten, sondern muß nun regelmäßige Dienstleistungen<br />

vollbringen, um die Unkosten für die eigene Aufzucht auszugleichen, die<br />

seinem Sklavenhalter entstanden sind. Manchmal muß es auch seiner Mutter helfen,<br />

wenn diese eine „escrava de ganho“ (freischaffende Sklavin) ist und außerhalb<br />

des Hauses ihres Besitzers wohnt.<br />

Der „Senhor“ verwendet den kleinen Sklaven nun als Boten, Austräger von<br />

Bestellungen, als Pagen etc. Nur wenige Sklavenkinder übten eine qualifizierte Tätigkeit<br />

aus z.B. als Lehrlinge eines Barbiers oder Schmieds oder in der Hausarbeit<br />

etc. (vgl. hierzu Venâncio, 1991:102ff).<br />

In der Ikonographie der brasilianischen Sklaverei (vor allem bei Debret) erscheinen<br />

die Sklavenjungen oftmals als Träger von Kleiderbündeln, Schirm, Kerzen<br />

(für Gelübde) etc. oder machen Einkäufe und holen Bestellungen ab. Die<br />

Sklavenmädchen tragen dagegen die Dinge ihrer Herrin oder kümmern sich um<br />

deren Kinder. Im Haushalt hatten die Sklavenkinder auch andere Aufgaben, wie<br />

am Tisch zu bedienen, in der Küche zu helfen, Wasser zu holen, zu putzen, Wind zu<br />

fächeln etc.<br />

Debret zeigt einen Sklavenjungen als Gehilfen eines Barbiers und bei Ewbank<br />

finden wir Sklavenjungen, die in einer Musikgruppe mitmarschieren.<br />

119


120<br />

Ab dem Alter von zwölf Jahren wurden die Sklavenkinder im Hinblick auf die<br />

Arbeit und Sexualität als Erwachsene angesehen. (vgl. Mott,1979)<br />

Der größte Teil der Sklavinnen-Prostituierten war sehr jung. Macedo Júnior gibt<br />

in seiner medizinischen Dissertation(1869) ein Durchschnittsalter von 10 bis 15<br />

Jahren an. Man nannte diese Kinderprostituierten, die von ihren Sklavenhaltern<br />

zu dieser Tätigkeit gezwungen wurden, im Volksmund „capitais inocentes“ . Die „Lei<br />

do Ventre Livre“ (=Lei Rio Branco No.2040 vom 28.September 1871) verbesserte<br />

die Situation der Sklavenkinder in keiner Weise. Dieses Gesetz stellte nämlich die<br />

Sklavenkinder in die Gewalt und unter die Autorität ihres „Senhor“ , indem es ihn<br />

zwang „criá-los e tratá-los até a idade de oito annos completos. Chegando o filho<br />

da escrava a esta idade, o senhor da mãe terá a opção, ou de receber do Estado a<br />

Indenização de 600$000, ou de utilizar-se dos serviços do menor até a idade de 21<br />

anos completos.“ (zit. apud Mattoso, 1991:80)<br />

Ohne Zweifel werden nur wenige Sklavenhalter auf eine 13jährige Arbeitsausbeute<br />

ihrer Sklavenkinder und Jugendlichen verzichtet haben.<br />

Wie wir gesehen haben, ist über die seelische und soziale Entwicklung der Sklaven<br />

und Sklavinnen in Brasilien bisher wenig bekannt geworden, weshalb ich bei<br />

anderer Gelegenheit schrieb, daß die „Seele“ des Afrobrasilianers noch immer ein<br />

weißer Fleck auf der Landkarte Brasiliens ist (Stubbe, 1989:6).<br />

Lassen Sie mich abschließend noch einige kritische methodische Bemerkungen<br />

zum „Olhar“ der europäischen Reisenden machen: Die Reisenden des 19.Jh.s<br />

brachten bereits ein bestimmtes, teilweise vorurteilbelastetes Bild über Brasilien<br />

und die Sklaverei mit nach Brasilien, das sie oftmals bestätigt wissen wollten. Diese<br />

Vorurteile spiegeln sich auch in ihren Reiseberichten und Bildern wider. Sie<br />

selektierten somit in ihrer Wahrnehmung bestimmte Aspekte der Lebenswirklichkeit<br />

der Brasilianer. Slenes(1988) analysiert in diesem Zusammenhang<br />

verschiedene Wahrnehmungseinstellungen und Vorurteile der europäischen<br />

Reisenden, indem er bezeichnenderweise von ihrem “ olhar branco” spricht, denn<br />

sie waren ja in ihrer Gesamtheit Weiße, also „Herren“ . In dieser Reiseliteratur<br />

werden oftmals auch bestimmte “ historische Mythen” wie die von der “ suavidade<br />

da escravidão no Brasil” (Mildheit der Sklaverei in Brasilien) oder von der “<br />

escravidão como um veículo de civilização” (Sklaverei als Vehikel der Zivilisation)<br />

reproduziert (vgl. Mott, 1979).<br />

Die Optik der Reisenden ist nicht nur eine „weiße“ , sondern auch vor allem eine<br />

„männliche Optik“ . Nur wenige Frauen (wie z.B. Maria Graham oder Ina von Binzer)<br />

haben bekanntlich über Brasilien Reiseberichte verfasst bzw. gemalt. Die Reisenden<br />

entstammten auch vor allem dem Adel (z.B. von Martius, von Spix, von Wied, von<br />

Langsdorff, von Eschwege, von Binzer etc.) und erst in zweiter Linie dem Bürger-


tum (z.B. Darwin, Goeldi, Rugendas, Debret, Ender, Graham, Koster etc.). Mit dem<br />

jeweiligen Status waren aber ebenfalls bestimmte soziale Wahrnehmungseinstellungen<br />

verbunden.<br />

Wichtig war außerdem die religiöse Orientierung der Reisenden d.h. ob sie z.B.<br />

katholisch oder protestantisch waren.<br />

Auch haben die Reisenden vor allem die Stadtsklaverei dargestellt bzw. beschrieben<br />

und kaum die Sklaverei auf den großen Fazendas, obwohl hier die Masse der<br />

Sklaven arbeitete. Ihre Beobachtungen geben uns also ein oftmals reduziertes Bild<br />

des Sklaverei-Systems in Brasilien.<br />

Häufig waren die Aufenthalte der Reisenden in Brasilien auch nur kurz, ihre<br />

Sprachkenntnisse oftmals gering, und eine intensivere, teilnehmende Beobachtung<br />

zumal des Sklavenreisystems war deshalb nicht möglich.<br />

121


122<br />

A Mãe da Familia, Rio de Janeiro, 1880<br />

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Hannes Stubbe, Prof. Dr., geb. 1941, 1975 Promotion zum Dr.phil. in Freiburg. 1975 bis1980<br />

wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität Heidelberg, 1980 bis 1982 Stipendiat der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft in Brasilien, 1982 bis 1988 DAAD-Lektor in Rio de Janeiro, 1986 Gastprofessor<br />

in Peking, 1989 bis 1995 und seit 1998 Professor an der Universität Köln, 1996/97 Gastprofessor<br />

an der Universität in Maputo (Mozambique).<br />

Zahlreiche Veröffentlichungen zur Ethnologie, Psychologie und Psychoanalyse; zuletzt:<br />

Kultur und Psychologie in Brasilien.Eine ethnopsychologische und<br />

wissenschaftshistorische Studie. Bonn 2001.<br />

125


Lei Áurea 1888


Leopold Heck und die<br />

brasilianische Lex Aurea<br />

Rolf Nagel<br />

(Düsseldorf)<br />

Resumo: Referindo-se ao prefácio do editor, Hernâni Donato “Alemães<br />

nos 500 Anos do Brasil”, o autor iniciou pesquisa sobre<br />

o documento de 13 de Maio de 1888, a Lei Áurea.<br />

Elaborado artísticamente em pergaminho, o artista Leopold<br />

Heck, alemão, brasileiro naturalizado, fez uso neste trabalho<br />

da simbologia das cores da Heráldica Brasileira. Pintor<br />

de cenas da corte imperial, Leopoldo Heck conseguiu, de<br />

forma genial, reforçar o cunho de direito de estado deste<br />

documento, exposto no Arquivo Nacional.<br />

Abstract: Taking reference to the preface of the editor, Hernâni Donato<br />

“Germans in the 500 years of Brazil”, the author researched<br />

one of Brazil’s most important documents, the “Lex Aurea”<br />

from May, 13, 1888. The paper is an artistic work on pergament<br />

where Leopold Heck, german, later a brazilian citizen, used<br />

the simbology of brazilian heraldic colours.<br />

Through this really genial instrument he achieved to give<br />

the document all the force of state law. It is to be seen in the<br />

Arquivo Nacional.<br />

Das Jahrbuch des Instituts Martius-Staden hat getreu seinem Auftrag, “ eine<br />

Brücke zwischen deutscher und brasilianischer Kultur” zu sein – so zuletzt formuliert<br />

im Vorwort des Jahrbuchs 1997/1998 –, immer wieder Leben und Werk der<br />

Deutschen in Brasilien erforscht. Im Jahrbuch 1999/2000 schrieb Hernâni Donato<br />

noch über “ Alemães nos Primeiros 500 Anos do Brasil”.<br />

Zu diesen zählt auch Leopold Heck, ein wenig bekannter Künstler. Der Historiker<br />

schenkt ihm vielleicht mehr Beachtung, denn er hat die berühmte lex aurea<br />

geschrieben und die im Nationalarchiv verwahrte Urkunde künstlerisch gestaltet.<br />

127


128<br />

In einer Zimelienausstellung des Nationalarchivs in Rio de Janeiro konnten wir im<br />

November 1977 die Ausfertigung eines der berühmtesten und folgenschwersten Gesetze<br />

Brasiliens bewundern, das Gesetz Nummer 3353 vom 13. Mai 1888 oder die lei áurea<br />

über die Sklavenbefreiung. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass das Diplom<br />

von einem Kalligraphen namens Leopoldo Heck geschrieben war. Diese nichtportugiesische<br />

Namensform deutete auf die mögliche Herkunft aus dem deutschen<br />

Sprachraum hin. Doch wo sollte man in Deutschland, Österreich oder der Schweiz<br />

ansetzen? Aussichtsreicher erschien die Suche nach Leopold Heck zunächst in Brasilien<br />

selbst. Das Glück kam uns zu Hilfe, da sich im Nationalarchiv in Rio der Naturalisierungsakt<br />

von Heck befand.¹ In diesem Antrag nennt unser Autor sich “ subdito alemão”. Er<br />

stammt aus Münster in Westfalen, wo er am 29. März 1832 geboren ist.<br />

Vor 1859 soll er Student an der Kunstakademie in Düsseldorf gewesen sein.<br />

Leider ist sein Name in den erhaltenen Schülerlisten nicht überliefert. Vermutlich<br />

1862 siedelt er nach Rio über. Sein künstlerisches Schaffen ist beachtlich.² Er malt,<br />

zeichnet und beteiligt sich aktiv am künstlerischen Leben der Hauptstadt. Er hatte<br />

Verbindung zum Hofe, da er mehrere Male den Kaiser D. Pedro II porträtierte; auch<br />

ein Bild des Kaiserpaares (1875) zählt zu den in der Akademie der Schönen Künste<br />

verwahrten Werken des ausgewanderten Westfalen. Im Jahre 1870 heiratet er<br />

nach dem Tode seiner ersten Frau Josefine zum zweiten Male. Dona Virgínia Júlia<br />

Clarisse Taniere ist nach Auskunft der Heiratsurkunde “ natural e baptizada na<br />

freguesia de São José desta Corte e moradora nesta Glória”.³ Es liegt nahe, dass<br />

Heck nach dieser Eheschliessung mit einer echten carioca und nach zehnjähriger<br />

Residenz in Rio den Entschluss zur Einbürgerung fasste. Auf seinen Antrag vom<br />

18.Juli 1873 schreibt die Behörde bereits einen Tag später, am 19.Juli: “ O Supplicante<br />

está no caso de ser naturalizado Cidadão brasileiro”. Damit war Hecks Wunsch<br />

entsprochen, “ adoptar o Brasil por sua pátria afim de que possa fazer parte da<br />

grande família brasileira”. 4 1884 wird er mit dem Orden Habito da Ordem da Rosa,<br />

ein Jahr später mit dem Offiziersrang desselben Ordens ausgezeichnet. 5 Zu hohen<br />

Ehren gelangte Heck 1888, als er die Prachtausfertigung der Lex Áurea erstellte, die<br />

nachfolgend transkribiert ist.<br />

1 Arquivo Nacional SPE-IJJ6 – N 799. Meinen herzlichen Dank spreche ich an dieser Stelle für<br />

ihre Bemühungen den Herren und Kollegen Generaldirektor Dr. Raul Lima und Prof. Donato<br />

Mello Júnior in Rio de Janeiro aus<br />

2 Dicionário Brasileiro de Artistas Plásticos (hrsg) Carlos Cavalcanti, MEC-INL, 3 vol. Brasília<br />

1973-1977, kennt nicht die Lebensdaten Hecks, hebt sein Porträt von Kaiser Pedro hervor.<br />

3 Certidão de Casamento, Arquivo Nacional SPE-IJJ 6 – N 799<br />

4 Naturalização, A. N. ibidem.<br />

5 Mercês, A. N. Cx. 789 Doc. 30


1 [Kaiserwappen]<br />

2 Lei No. 3353 de 13 de Maio de 1888<br />

3 Declara extincta a escravidão no Brasil<br />

4 A Princeza Imperial Regente em Nome de Sua Majestade o Imperador<br />

5 o Senhor D. Pedro II, Faz saber a todos os subditos do Império que a Assembléia<br />

Geral Decretou e Ella sancionou a Lei seguinte:<br />

Artigo 1º É declarada extincta desde a data desta Lei a escravidão no Brasil<br />

Artigo 2º Revogam-se as disposições em contrario<br />

Manda portanto a todas as autoridades a quem o conhecimento e execução<br />

da referida<br />

10 Lei pertencer, que a cumpram e façam cumprir e guardar tão inteiramente<br />

como nella se contem.<br />

O Secretario do Estado dos Negocios d’Agricultura, Commercio e Obras Publicas<br />

e Interino dos Negócios Estrangeiros Bacharel Rodrigo Augusto da Silva do<br />

Conselho de Sua Magestade o Imperador, o faça imprimir, publicar e correr.<br />

Dado no Palácio do Rio de Janeiro, em 13 de maio de 1886-67º da<br />

15 Independência e do Imperio<br />

16 Princeza Imperial Regente<br />

17 Rodrigo A. da Silva<br />

Carta de lei, pela qual Vossa Alteza Imperial Manda executar o Decreto da<br />

Assembléia Geral, que Houve por bem sancionar declarando extincta a<br />

escravidão no Brasil.<br />

20 Como nella se declara<br />

Chancelaria-môr do Imperio.<br />

Antonio Ferreira Viana<br />

Para Vossa Alteza Real ver Transitou em 13 de Maio de 1888<br />

José Jùlio d’Albuqe Barros<br />

(Leopoldo Heck)<br />

Die Ausfertigung misst 41,5 x 53,2 cm, der Beschreibstoff ist Pergament, und das<br />

Schreibmaterial ist schwarze Tinte; einzelne Buchstaben, Wörter und Zahlen sind<br />

mit roter, grüner oder goldener Tinte geschrieben, zu Unterstreichungen ist nur<br />

rote und schwarze verwendet worden. Die Urkunde ist vom Austeller und Staatssekretär<br />

unterfertigt, sie trägt einen Kanzleivermerk und ist nicht gesiegelt.<br />

Der Gesamteindruck vermittelt ein einheitliches Bild mit deutlicher Betonung<br />

des Urkundeneingangs: Wappen, Zierzeile in überhöhten Frakturbuchstaben (inhaltlich<br />

ein Regest), Eingangsprotokoll.<br />

Eröffnet wird die Urkunde mit dem kaiserlichen Vollwappen über dem Text-<br />

129


130<br />

block; seine Beschreibung lautet: “ O escudo de armas deste Reino do Brasil, em<br />

campo verde, uma esfera armilar de ouro, atravessado por uma cruz da Ordem de<br />

Cristo, sendo circulada a mesma esfera de 19 estrelas de prata em uma orla azul; e<br />

firmada a coroa real diamantina sobre o escudo, cujos lados serão abraçados por<br />

dois ramos de plantas de café e tabaco como emblemas de sua riqueza comercial,<br />

representados na sua própria cor, e ligados na parte inferior pelo laço da nação”. 6<br />

Sehr ansprechend und wirkungsvoll ist die Farbensymbolik. In den Nationalfarben<br />

Gold und Grün 7 sind die hoheitlichen Begriffe gehalten: Brasil (3), A<br />

Princeza Imperial(4), D. Pedro II, Império(5), Sua Magestade o Imperador (12/<br />

13); dies zum Teil in Wechselfarben – heraldisch gesprochen -, so die Majuskel in<br />

Brasil (3) in Grün, der Wortrest in Gold, wobei die Buchstabenschäfte rechts<br />

schwarz begrenzt sind; die ersten drei Wörter des eigentlichen Textspiegels(4) in<br />

der gleichen Weise, dabei steht das über drei Linien reichende grüne A in einem<br />

schwarz geränderten Felde; die beiden folgenden Wörter wechseln die Farben:<br />

die Initialen P und I gold, der Wortkörper grün. Die grossen Buchstaben von D.<br />

Pedro II und Império (5) sind wiederum mit feinstrichigem schwarzen Zierrat,<br />

Schaftbegrenzung oder Ornamentik versehen.<br />

Die rote Tinte, die vom schwarzen Gesamtbild gut abhebt, ist für die Initialen<br />

von Sua Magestade o Imperador verwendet; die Abkürzung SIM mag der Kalligraph<br />

aus deutschen Urkunden oder Akten gekannt haben. Die Wörter Brasil (7),<br />

Rodrigo Augusto da Silva (12) sowie Para Vossa Alteza Imperial ver (23) und die<br />

Zahlen 1888-67º sind durch rot deutlich hervorgehoben, während gleicherweise<br />

geschriebene Artigo 1º und Artigo 2º (7,8) durch schwarze Umrandung und Unterstreichung<br />

gemindert sind.<br />

Die Unterfertigung “ Princeza Imperial Regente” (16) ist durch Aussteller schwungvoll<br />

vollzogen worden und stellt durch Grösse und Plazierung ein Gegengewicht zur<br />

Zierzeile dar; man kann die beiden Zeilen, die den Sachbetreff und die handelnde<br />

Person beinhalten, ohne Mühe auf einen Blick lesen: declara extincta a escravidão<br />

no Brasil Princeza Imperial Regente, und somit den Kern der Urkunde erfassen.<br />

Wenden wir uns abschliessend der Schrift zu. Drei Schrifttypen sind verwendet:<br />

Regel ist die lateinische Schreibschrift, die aber bei den Grossbuchstaben M und N<br />

Frakturelemente aufweist, ferner die lateinische Druckschrift (Kapitale) bei den auch<br />

schon farblich herausgehobenen Wörtern der Zeilen 4 und 5. Die dritte Schriftart ist<br />

typisch deutsch, nämlich Fraktur, die auch im ausserdeutschen Schriftraum gerne als<br />

6 Raimundo Orlando Coimbra, A Bandeira do Brasil, Raízes histórico-culturais (Rio) 1972, 276 f.<br />

7 “Verde de primavera e amarelo de ouro”, nach D. Pedros I. Worten im Dekret vom 18.Sept.<br />

1822, Coleção de Leis do Brasil, 1822


Zierschrift verwendet wird; hier wirkt sie durch ihre steile Überhöhung zusätzlich.<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass Leopoldo Heck, als er die Lex Áurea<br />

schrieb, schon ein Vierteljahrhundert in Brasilien lebte und dort ein anerkannter<br />

Künstler war. Seine geniale Idee bei diesem Diplom ist die Verwendung der Nationalfarben<br />

Gold und Grün, was den staatsrechtlichen Inhalt noch betont; die farbliche<br />

Abstufung ist sehr bewusst. Sparsam ist Rot – die Farbe Portugals – benutzt.<br />

Wirkt das Diplom durch seine Farben und Schriften insgesamt lebhaft, ja unruhig,<br />

so ist der folgenschwere Inhalt doch formal in ein der Bedeutung gleich würdiges<br />

Gewand gekleidet. Dass Heck sich als Künstler verstand, geht auch aus der<br />

Signierung klar hervor. Heck starb im Jahre 1902 in Rio de Janeiro.<br />

(Der Beitrag wurde als Miszelle erstmals im Ibero-Amerikanischen Archiv des<br />

Preussischen Kulturbesitzes, 1981, Berlin, publiziert und erscheint hier mit einer<br />

einleitenden Bemerkung des Autors)<br />

Rolf Nagel, Dr.phil., ist Honorarprofessor an der Gerhard Mercator Universität in Duisburg, Mitglied<br />

der Portugiesischen Akademie der Geschichte und Präsident der Internationalen Akademie der<br />

Heraldik. Er lebt in Düsseldorf.<br />

131


Forte de Gragoatá – construção de 1960 – do livro “400 anos de Niterói”


Quatro fases distintas no<br />

ensino do alemão em Niterói<br />

Carlos Wehrs<br />

(Rio de Janeiro)<br />

Thematik: Deutscher Sprachunterricht in Niterói, von der Privatinitiative<br />

zur staatlichen Universität. Drei deutsche Schulen<br />

gab es im Laufe von 60 Jahren. Die erste öffnet ihre Pforten<br />

1883, die dritte schließt sie 1942.<br />

Ein vierter Anlauf ereignet sich 1960 mit der Gründung<br />

der Universidade Federal Fluminense – jetzt also Deutschunterricht<br />

für Erwachsene im Rahmen eines linguistischen<br />

Studienganges.<br />

Abstract: German language teaching in Niterói: from private lessons<br />

to state university. There were three German schools within<br />

60 years from 1883 to 1942. A fourth start happened in 1960<br />

with the foundation of the “Universidade Federal Fluminense”<br />

– this time with adults and as part of a program of<br />

linguistic studies.<br />

Em nosso meio, no século XIX, com exceção do idioma nacional e das aulas de<br />

latim, ministradas com afinco em toda parte, somente o francês entre as línguas<br />

vivas gozava de grande prestígio. Era o idioma da sociedade, e, nos colégios, tanto<br />

de meninos quanto de meninas, era caprichado o seu ensino, já que usado nos<br />

melhores círculos sociais e muito lidos os romances franceses. Aguardava-se com<br />

ansiedade a chegada dos paquetes, trazendo da Europa as mais recentes obras de<br />

Chateaubriand, Hugo, Zola, Dumas e Jules Verne. Além do francês, as meninas<br />

tinham necessariamente aulas de piano e de trabalhos de agulha: eram o mínimo<br />

que as da classe média tinham de saber para poder aparecer em público e aspirar a<br />

um bom casamento.<br />

Muito menor, incomparavelmente, era o interesse pela língua inglesa, esta mais<br />

133


134<br />

para fins comerciais. Por isso, enquanto todas as escolas, ao final do Segundo<br />

Reinado, anunciavam fartamente o ensino de francês e de música, em Niterói,<br />

além da Escola Normal (do Governo provincial), só duas eram conhecidas como<br />

lecionando bem a língua de Shakespeare, e eram até famosas por isso: o Liceu de<br />

Instrução Popular de Niterói, onde o ensinava William Henry Cunditt, e o colégio<br />

de Guilherme Briggs. Possuíam renome.<br />

E quanto ao idioma alemão, há 100 ou 120 anos? Para escrevemos este pequeno<br />

artigo tivemos de fazer pesquisa acurada, já que ninguém naquela época, em<br />

jornais ou almanaques, anunciara o seu ensino. Para isso contribuía a reduzida<br />

colônia alemã ou teuto-brasileira local. E foi precisamente entre estes últimos que<br />

descobrimos o que acreditamos terem sido os primeiros passos do ensino da língua<br />

de Goethe na cidade.<br />

Assim, aconteceu em 1883 que em casa da família Backheuser se criou o<br />

“Externato Particular”. Fundaram-no Evelina Amália Backheuser, irmã do conhecido<br />

geólogo e professor Everardo Adolfo Backheuser, auxiliada por Josefina Pinto<br />

Soares e Hermínia Ihmer. Curiosamente, era conhecido como “o colégio de<br />

dona Hermínia”, e localizou-se, nesses primórdios, na grande chácara à margem<br />

da rua do Calimbá, hoje rua Dr. Paulo César, no bairro de Santa Rosa. Além do<br />

curso primário ministravam-se ali aulas complementares de alemão, francês, inglês,<br />

piano, história sagrada e trabalhos manuais. Em 1884 o “colégio de dona<br />

Hermínia” transferiu-se, já com o nome oficial de “Colégio Backheuser”, para a rua<br />

Visconde do Rio Branco, n o 113, no centro da cidade, onde a população era mais<br />

densa e próximo à antiga estação das barcas. Sabe-se que dona Evelina se ocupava<br />

das classes adiantadas; o prof. Louis Charles Littré ali lecionava francês e o prof.<br />

Felisberto de Carvalho, português. No ano seguinte, por motivos para nós desconhecidos,<br />

o colégio retornou ao endereço primitivo, quando dele se desligou a<br />

Sra. Josefina P. Soares. Em 1886 foi admitido o professor Paulo Duponchel. Evelina<br />

Backheuser afastou-se em 1887, deixando Hermínia Ihmer na direção. O nome<br />

Colégio Backheuser desapareceu dos registros depois de 1889.<br />

Quando, em abril de 1914, chegou da Argentina o prof. Adolf Nabe para dirigir<br />

a Escola Alemã no Rio de Janeiro, mantida pela Sociedade Alemã Beneficente<br />

(Deutscher Hilfsverein), com o auxílio do comércio e indústria locais, assumiu esse<br />

encargo com numerosos planos para desenvolvimento da mesma. De fato, esse<br />

mestre, especializado em matemática e ciências naturais, era homem dinâmico e<br />

programara grandes atividades, que, nos anos em que permaneceu na direção da<br />

escola, desde a saída do pastor Hoepffner (1914) até a entrega da mesma, em 1926, ao<br />

dr. Ferdinand Kunzig, muito ela progrediu. Desse conjunto de atividades mencionaremos<br />

aqui apenas o significativo fato de ter sido reconhecida, em 1922, como


“Realschule”, pelo Governo Alemão, permitindo a seus concludentes da UII<br />

(Untersekunda) serem automaticamente aceitos na OII (Obersekunda), na Alemanha.<br />

Além disso, devemos ressaltar o acréscimo de novas salas de aula. Embora se<br />

tratasse de prédio ainda novo, levantado há pouco,era já insuficiente para atender<br />

a demanda. A escola, antes na rua do Senado, n o 114, tivera de mudar-se devido a<br />

desapropriações realizadas pela Prefeitura, e instalara-se na rua Carlos de Carvalho,<br />

n o 76, recém-aberta e nem calçada ainda, em área obtida pelo desmonte do<br />

morro do Senado. Era então local ermo, completamente desabitado nos arredores.<br />

É importante lembrar que, pouco depois de o prof. Nabe assumir a direção do<br />

estabelecimento, estourou a 1 a Guerra Mundial, dificultando enormemente a consecução<br />

das metas por ele traçadas. À frente da pasta das Relações Exteriores<br />

encontrava-se Lauro Muller, o que fazia crer que o país se mantivesse afastado das<br />

ações beligerantes.<br />

Nabe, em princípio de 1916, decidiu abrir uma filial da escola em Niterói, pois o<br />

número de alemães e de teuto-brasileiros ali vinha crescendo. Escolheu para sede<br />

o prédio n o 81 (numeração antiga) da rua da Conceição, casarão que no final do<br />

século anterior fora residência do médico dr. Marcelino Pinto Ribeiro Duarte. Ao<br />

abrirem-se as aulas já contava o empreendimento com cerca de 50 crianças, de<br />

ambos sexos, de até 12 anos de idade. Dirigia-o mme. Marde. A forte vinculação<br />

econômica do Brasil de então à Inglaterra, o prestígio que a França desfrutava<br />

junto à maioria dos intelectuais brasileiros e a entrada dos Estados Unidos da<br />

América na guerra foram fatores adjuvantes; determinantes foram, porém, torpedeamento<br />

por submarinos alemães, junto ao litoral francês, de navios mercantes<br />

brasileiros (“Paraná”, “Tijuca”, “Lapa” e “Macau”) e a substituição de Lauro<br />

Severiano Muller por Nilo Peçanha no Ministério. O Brasil, como se sabe, entrou na<br />

guerra em outubro de 1917. Se, no Rio de Janeiro, cidade grande, as perseguições<br />

aos súditos dos Impérios Centrais se diluíram e não chegaram a afetar a desabitada<br />

Esplanada do Senado, tão fora de mão para manifestações hostis, e houve, com<br />

relação às aulas, apenas a sua interrupção por uma semana. Já na cidade menor,<br />

Niterói, onde a incipiente escola encontrava-se localizada na rua mais central,<br />

para onde todas as atenções, inclusive os atos adversos e até agressivos da população,<br />

convergiam, esta não se pôde manter e logo encerrou suas atividades.<br />

Fechada a escola, quem pôde enviou seus filhos ao Rio de Janeiro, para continuação<br />

dos estudos em alemão, mas não podendo fazer essa viagem sozinhas,<br />

algumas crianças menores tiveram professores particulares nessa língua.<br />

Em 1920 ou 1921, já arrefecida a oposição à Alemanha e seus antigos aliados,<br />

havia também entre os jovens mestres em Niterói a srta. Edith Wehrs, que desde<br />

1919 residia com sua família em Icaraí. Dona Edith, como era conhecida, ini-<br />

135


136<br />

ciou seus trabalhos com poucos alunos, logo transformados em pequenos grupos<br />

de crianças, pouco a pouco mais numerosas e acabou constituindo uma<br />

escola primária em 1925, que tomou o nome de “Deutsche Schule in Nictheroy”<br />

(mais tarde “Deutsche Schule – Nictheroy”), para a qual teve de contratar alguns<br />

professores, já que não mais podia dar conta sozinha. Começou, evidentemente,<br />

com as classes “Nona” e “Oktava”, mas à proporção que os anos e os<br />

alunos avançavam, chegou até a “Quinta”. Em 1935, foi criado o jardim de<br />

infância e, no ano seguinte, veio também a “Quarta”. Esta foi acrescida para que<br />

os alunos que se destinavam à Escola Alemã no Rio de Janeiro já não fossem<br />

tão pequenos obrigados à longa viagem de ida e volta (que implicava em seis<br />

diferentes meios de condução, três na ida e três na volta, incluída duas vezes a<br />

barca, a cada dia). Para os alunos que se destinavam aos ginásios brasileiros foi<br />

anexada uma “Quinta – A”, em 1937, em que o ensino era só em português,<br />

dado por duas professoras luso-brasileiras. De resto, as aulas e atividades escolares<br />

eram sempre em alemão, inclusive de uso obrigatório na hora do recreio.<br />

Exceção faziam, evidentemente, as aulas de inglês, para a “Quinta” e a “Quarta”,<br />

dadas pela própria diretora do estabelecimento.<br />

Funcionou, assim, em instalações adaptadas, até meados de 1935, nos fundos<br />

da residência da família, na rua Mariz e Barros, n o 97, uma parte em pavilhão separado,<br />

em meio a uma grande chácara. Dessa época em diante, até meados do ano<br />

seguinte, ficou alojada provisoriamente em antigo palacete, na rua Moreira César,<br />

n o 175, a poucas quadras dali, para obras de acréscimo de novas e maiores salas de<br />

aula, novas instalações sanitárias e reforma do prédio antigo, já que este fora totalmente<br />

desocupado pela família.<br />

O material escolar era bem conservado (carteiras, mapas geográficos, material<br />

e aparelhos de ginástica, biblioteca, aparelhos de projeção etc.) e a disciplina e a<br />

ordem imperavam ao lado de suavidade e brandura. As turmas eram mistas, mas as<br />

carteiras de meninas e meninos separadas na classe, e o recreio totalmente separado.<br />

Além das aulas havia naturalmente atividades paralelas. Semanais eram as<br />

tardes de recreio (“Spielnachmittage”) para as classes mais adiantadas e anuais, as<br />

excursões de um dia para lugares fora da cidade, em geral praias afastadas, além de<br />

atividades esportivas e visitas a museus – Histórico e Nacional, no Rio de Janeiro.<br />

Também uma vez por ano havia para todos os alunos uma representação de<br />

teatrinho de fantoches (“Kasperletheater”).<br />

Por ocasião da conclusão do ano letivo, ocorria a exposição dos trabalhos<br />

manuais: desenhos e trabalhos de agulha das meninas, e desenhos e “Bastelarbeiten”<br />

dos meninos. A grande festa de encerramento, pouco antes do Natal,<br />

geralmente em ambiente fechado, com apresentação teatral, canto coral, pe-


quenas peças dramáticas e coisas do gênero. No dia da entrega dos boletins<br />

finais do ano, cada aluno recebia pequena lembrança, em geral material de<br />

leitura instrutiva.<br />

O autor do presente artigo, que ali esteve até 1937, quando ao todo funcionavam<br />

oito turmas simultaneamente, incluído o jardim de infância, recorda com<br />

saudade alguns nomes do corpo docente que ali atuou: Margarethe Witzani,<br />

Emil Benz, Bernhard Gutschwager, Maria Lorentzen, Helmut Andrä, Kurt Vorsatz,<br />

Igreja de S. Francisco Xavier onde se diz ter pregado o Padre José de Anchieta<br />

Do livro “400 anos de Niterói”<br />

137


138<br />

Frau Schwinn, Brunhilde Engelbart, Frau Ludwig, Frl. Lotte Krauss, as irmãs Carmen<br />

e Minervina Ribeiro e Ruth Frank, além da diretora, sua tia. O ensino religioso,<br />

igualmente em língua alemã, era ministrado por um sacerdote católico e um<br />

protestante, vindos semanalmente do Rio. Contava então com cerca de 120 alunos,<br />

muito favorecidos pela gratuidade.<br />

Jamais teve a escola qualquer atividade ou conotação política ou políticopartidária,<br />

muito embora alguns pais de alunos a desejassem e a autoridade<br />

diplomática, no Rio, a sugerisse. Caso desejada pelos pais, que seus filhos se<br />

aproximassem do núcleo partidário local (“Nationalsoz. Deutsche Arbeiterpartei<br />

– Ortsgruppe Nictheroy”), assim pensava dona Edith. Naqueles anos de Estado<br />

Novo também a escola cumpria rigorosamente as solicitações e imposições das<br />

autoridades fluminenses, ora enviando seus alunos, como os outros educandários,<br />

aos desfiles da “Semana da Pátria” e do “Dia da Roça”, criados pela<br />

ditadura Vargas, ora realizando pequenas cerimônias cívicas, em português, no<br />

“Dia da Bandeira”, por exemplo. Nem por isso as autoridades locais deixavam<br />

de pressionar, como podiam, a direção da escola. Esta, nos últimos tempos,<br />

chegou até a modificar seu nome para “Escola Particular Edith Wehrs”, muito<br />

embora o ensino continuasse em língua estrangeira. Não resistindo por fim a<br />

mais coações das autoridades, e antes que sobreviesse algum ato violento,<br />

cerrou, em 1942, as suas portas, com grande prejuízo (devido às obras feitas e<br />

ainda não de todo pagas), após 17 anos de bons serviços.<br />

A quarta fase, que ainda perdura, iniciou-se na Segunda metade do século<br />

passado, com a criação, em 18 de dezembro de 1960, da Universidade Federal<br />

Fluminense (U. F. F.), em virtude da Lei n o 3.848, que, com a Faculdade de Letras,<br />

conferiu, tardiamente embora, a oficialização da cadeira de Língua Alemã, que<br />

passou a receber status universitário, bem merecido, por ser na atualidade dos<br />

mais importantes idiomas deste planeta. Note-se, entretanto, que esse passo não<br />

significou para os diplomados necessariamente a fluência oral e escrita da língua,<br />

como seria de desejar, mas, nesse curso de quatro anos as exigências resumemse<br />

ao conhecimento dos fundamentos da gramática, de literatura, teatro, geografia<br />

e história germânicos. Como sempre acontece nesse gênero de cursos,<br />

estes iniciam-se com bom número de matriculados, que, ao correr dos anos, vão<br />

diminuindo para no final somente um terço alcançar a almejada diplomação.


Notas<br />

1. Filho de João Carlos Backheuser (Santos, 1838 – Niterói, 1880) e de Eugênia de Gouveia<br />

Backheuser, e neto do alemão Gustav Backheuser (da antiga firma Backheuser & Meyer)<br />

e da francesa Léonore Stéphanie Catala.<br />

2. Hermínia Ihmer nasceu por volta de 1860, filha de João e Mariana Ihmer. Faleceu<br />

solteira, em idade muito avançada, em Niterói.<br />

3. Doente, Evelina Backheuser seguiu para Petrópolis, mas, curando-se, casou pouco<br />

depois e voltou para Icaraí. Abandonou, todavia, o magistério primário para dedicar-se<br />

ao ensino de música, pois era professora de piano e também tocava violino. Faleceu em<br />

Icaraí, muito idosa.<br />

4. Edith Wehrs (Petrópolis, 1900 – Niterói, 1965), era filha de Cristiano Carlos João Wehrs<br />

( Rio de Janeiro, 1865 – Rio de Janeiro, 1942) e de Suzana Finkennauer Wehrs (Petropólis,<br />

1875 – Niterói, 1942) e neta de Christiano Carlos Frederico Wehrs (Hamburgo, 1840 –<br />

Petrópolis, 1914) e de Maria Cornélia Francisca Loewenkamp (Hamburgo, 1841 –<br />

Petrópolis, 1883).<br />

Era também adepta do Esperanto (pertenceu ao “Niterói Esperanto-Klubo”, a cuja<br />

biblioteca foi dado o seu nome após sua morte). Faleceu solteira, de acidente de trânsito.<br />

Em 1962 recebeu de seus numerosos ex-alunos uma espontânea manifestação<br />

gratulatória, realizada no salão da casa da Comunidade Evangélica (“Gemeindehaus”),<br />

em Santa Teresa, Niterói.<br />

Dr. Carlos Wehrs, geboren 1927 in Niterói, Arzt und Historiker, Mitglied des Instituto Histórico e<br />

Geográfico do Rio de Janeiro und des Instituto Histórico de Niterói. Buchveröffentlichungen über Rio,<br />

Niterói, das Musikleben dort. Verschiedene Beiträge in den Staden-Jahrbüchern.<br />

139


Foto de Ricardo Teles, do livro “Saga – Retrato das Colônias Alemãs no Brasil”


O conceito de língua materna<br />

e suas implicações para o estudo<br />

do bilingüismo (alemão-português) 1<br />

Cléo Vilson Altenhofen<br />

(Porto Alegre)<br />

Thematik: „Der Begriff der Muttersprache besitzt ein breites Spektrum<br />

an Bedeutungen“ , sagt der Autor in der Zusammenfassung<br />

seiner Ergebnisse.<br />

Muttersprache: Sprache der Mutter, Erstsprache, dominierende<br />

Sprache, Landessprache, Minderheitensprache. Kann<br />

man zwei Muttersprachen haben? Kann man seine Muttersprache<br />

vergessen? Der Verfasser geht diesen Fragen nach<br />

und kommt zu dem Ergebnis, dass verschiedene Faktoren in<br />

den Spracherwerb hineinwirken und ihn beeinflussen: ethnische<br />

z.B., historische, geographische, politische...<br />

Abstract: “The conception of mother tongue offers a wide spectrum<br />

of significance.” This is the author’s final statement.<br />

Mother tongue; language of the mother, a person’s language,<br />

predominant language, language of the country,<br />

language of a minority group.<br />

Can a person have two mother tongues? Can a mother<br />

tongue be getting lost?<br />

The author discusses such problems and comes to the conclusion<br />

that there are several factors important in the development<br />

of a person’s language: the ethnological, the historical,<br />

the geographical, the political – just to name a few.<br />

1. Este estudo conta, indiretamente, com apoio da Fundação de Amparo à Pesquisa do Rio<br />

Grande do Sul – FAPERGS, Conselho Nacional de Pesquisa – CNPq e Pró-Reitoria de Pesquisa<br />

– PROPESQ da Universidade Federal do Rio Grande do Sul – UFRGS.<br />

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142<br />

Introdução<br />

Apesar do uso abrangente da denominação língua materna (ale. Muttersprache,<br />

ing. mother tongue), tem-se feito uma série de críticas a ela 2 principalmente devido à<br />

sua imprecisão e às variações de sentido observadas no seu uso. A seguir, pretendese<br />

analisar os problemas ou implicações que o conceito acarreta quando aplicado a<br />

contextos multilíngües, 3 como é o caso de boa parte das comunidades de descendentes<br />

de imigrantes europeus no sul do Brasil enfocadas por nossas pesquisas.<br />

De modo geral, pode-se dizer que, mesmo uma conceituação mais ou menos<br />

razoável, como a que define língua materna como “a primeira língua aprendida no<br />

lar”, 4 não simplifica de modo algum a questão, que se mostra ainda mais complexa<br />

do que se pode supor a priori. Tal complexidade ultrapassa o plano meramente<br />

lingüístico, para abranger adicionalmente aspectos de ordem histórica, social, política,<br />

educacional e psicológica, como tentarei mostrar a seguir. Pensando, por<br />

exemplo, em um falante bilíngüe que, como eu, adquiriu simultaneamente duas<br />

línguas, o Hunsrückisch e o português, poderíamos perguntar: esse falante possui<br />

duas línguas maternas? 5 O que implica o conceito de língua materna? E como<br />

solucionar os diversos problemas inerentes a sua definição?<br />

Problema 1: a versão oficial<br />

dos censos demográficos<br />

Um primeiro exemplo que serve para ilustrar as oscilações de sentido da denominação<br />

língua materna é dado pelos censos demográficos no Canadá, portanto um<br />

país eminentemente multilíngüe que abriga duas grandes línguas nacionais, o inglês<br />

e o francês. Como observa Romaine (1994, p. 37), até 1941 a mother tongue aparece<br />

nesses censos como sendo “a primeira língua aprendida pelo respondente e ainda<br />

falada [grifo nosso]”. De 1941 até depois de 1976, contudo, passa-se a uma definição<br />

de “primeira língua aprendida e ainda compreendida [grifo nosso]”. A mu-<br />

2. Vejam-se Apeltauer (1997, p. 10) e Romaine (1994, p. 37).<br />

3. Cf. Crystal (1997, p. 289): “In many of the more multilingual communities in the world, it is<br />

not even easy to answer the simple question, ‘What is your mother tongue?’”.<br />

4. Weinreich (1974, p. 88): “Notwithstanding the reservations about the term ‘mother tongue’<br />

when applied vaguely [...], the expression can be utilized in the present technical sense as<br />

‘the language learned first’”.<br />

5. Sobre a língua materna do indivíduo bilíngüe, vejam-se dificuldades em Kielhöfer & Jonekeit<br />

(1983, p. 19), que concluem pela pouca utilidade do conceito Muttersprache (“in seiner<br />

Irrationalität wenig hilfreich”).


dança de definição acabou dificultando uma comparação longitudinal dos dados<br />

estatísticos, já que se dispunha de duas definições distintas para o mesmo conceito.<br />

Uma mudança mais séria, porém, verificou-se, segundo Romaine, nos Estados<br />

Unidos. Em 1910 e 1920, classificou-se a língua da segunda geração de imigrantes<br />

pela língua materna da primeira geração, representada pelos respectivos pais, nascidos<br />

no estrangeiro. Enquanto isso, no censo de 1940, a língua materna dessas<br />

populações foi registrada como sendo “a língua falada no lar desde a idade inicial”.<br />

Conseqüentemente, nos primeiros censos não se pôde contar nenhum falante<br />

desse grupo com língua materna inglês, a não ser que os pais já falassem inglês em<br />

casa antes de emigrar para os Estados Unidos.<br />

No Brasil, a última vez em que se incluiu no censo do Instituto Brasileiro de<br />

Geografia e Estatística (IBGE) uma pergunta sobre a língua foi em 1950, mais ou<br />

menos na mesma linha do censo americano, ou seja: 6<br />

Pergunta n.º 18: “O recenseado fala correntemente o português?”<br />

Pergunta n.º 19: “Que língua fala habitualmente no lar?”<br />

Qual seria a nossa resposta ao recenseador? Essa resposta seria equivalente ao<br />

que entendemos por língua materna? Considerando os casos em que o pai ou a<br />

mãe falavam originariamente alemão ou italiano como “língua materna”, porém<br />

utilizavam habitualmente o português na comunicação com os filhos, podem ter<br />

ocorrido duas coisas: a) a primeira língua aprendida deixou de ser registrada ou b)<br />

registrou-se uma língua materna que, na verdade, equivalia a uma segunda língua<br />

aprendida, nesse caso o português, habitualmente usado no lar, no momento do<br />

censo. Isso leva a crer que os índices de bilingüismo dados pelo censo de 1940, que<br />

apontam o alemão como a língua estrangeira mais falada no Brasil, segundo Mortara<br />

(1950, p. 40s.), possam ter sido ainda mais elevados.<br />

Problema 2: a(s) língua(s)<br />

materna(s) do bilíngüe<br />

O segundo problema que poderíamos apontar, nessa discussão, já está dado<br />

pelo meu exemplo particular: é possível ter duas línguas maternas? Se admitirmos<br />

o bilingüismo simultâneo e precoce, no qual se aprende, desde cedo e ao mesmo<br />

tempo, duas línguas distintas, poderíamos responder tentadoramente que sim,<br />

embora nem sempre com a precisão de qual seja a intensidade e amplitude dessa<br />

6. Vejam-se Mortara (1950, p. 39) e Altenhofen (1996, p. 55).<br />

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simultaneidade. Nas comunidades bilíngües do sul do Brasil, observam-se, é certo,<br />

oscilações quanto à determinação do momento de aprendizagem do português,<br />

seja como língua do meio usada simultaneamente com o alemão, ou apenas<br />

a partir da entrada na escola, como ainda acontece em áreas mais isoladas<br />

do interior do país.<br />

Talvez o caso mais simultâneo de aprendizagem de duas línguas seja o da<br />

educação bilíngüe no lar, utilizando o que, nos estudos de aquisição da linguagem,<br />

se conhece por princípio de Grammont: une personne, une langue. Segundo<br />

esse princípio, o pai e a mãe, com línguas diferentes, devem usar sempre a mesma<br />

língua e apenas uma, na interação com a criança, a fim de que esta, associando<br />

cada uma das línguas à respectiva pessoa, as aprenda de modo separado. Um<br />

exemplo de aplicação desse princípio é dado por Kielhöfer & Jonekeit (1983),<br />

que descrevem, em um estudo longitudinal, como tornaram seus dois filhos,<br />

Oliver e Jens, bilíngües em alemão (língua usada pelo pai e pelo meio, em Berlim,<br />

onde moravam) e em francês (língua usada pela mãe e pelos avós, na França).<br />

Para mim, como pai de uma criança (Amanda, com menos de um ano), a decisão<br />

em favor de uma educação bilíngüe representa uma experiência desafiadora,<br />

com a qual se defronta a maioria dos pais, quando se perguntam sobre o futuro<br />

lingüístico de seus filhos.<br />

Pesam sobre essa decisão atitudes negativas e positivas em relação ao bilingüismo,<br />

algumas de caráter extremamente ideológico e ofensivo, como a de que<br />

a criança bilíngüe “não teria língua materna”. 7 Tal preconceito vai contra todas<br />

as pesquisas mais sérias sobre o bilingüismo, as quais apontam evidências cada<br />

vez maiores de que há mais benefícios do que eventuais prejuízos na educação<br />

bilíngüe. 8 Vale lembrar o exemplo de Charles Berlitz, que relata o seguinte:<br />

“Quando comecei a falar, aprendi quatro idiomas diferentes ao mesmo<br />

tempo, cada membro da família dirigindo-se a mim exclusivamente num<br />

deles. Com idade tão tenra, não percebia que se tratava de idiomas<br />

mundiais, mas achava que eram apenas maneiras diferentes de as pessoas<br />

se expressarem, o que, quando se examina a questão, é uma boa<br />

maneira de definir linguagem.” (Berlitz 1988, p. 9)<br />

Retornando à pergunta se é possível ter duas ou mais línguas maternas, podemos<br />

concluir que, muito mais do que investigar essa possibilidade, o que se sobressai<br />

na análise da questão é a necessidade de definir melhor o que implica a noção<br />

7. Veja-se o levantamento de prós e contras do bilingüismo na literatura mais antiga, em<br />

Kielhöfer & Jonekeit (1983, p. 9-10).<br />

8. Veja-se Titone (1975, p.6-7; 1983, p. 150).


de língua materna. Em outras palavras, o que significa que uma língua X é minha<br />

língua materna? Ou melhor, o que está em jogo quando eu falo, por exemplo, que<br />

o Hunsrückisch (ou o português) é a minha língua materna?<br />

Este problema, de ordem conceitual, aparece, de maneira similar, na definição<br />

do que seja um indivíduo bilíngüe. Segundo Mackey (1972, p. 555) e Titone (1993,<br />

p. 18), é preciso tomar o bilingüismo como um conceito não absoluto, mas relativo,<br />

onde não importa tanto saber se determinado indivíduo é bilíngüe ou não, mas sim<br />

em que medida é bilíngüe, visto ser distinto e muito difícil determinar o ponto exato<br />

que divide a sua proficiência em ambas as línguas envolvidas. 9 Da mesma forma,<br />

diremos a partir de agora que, muito mais do que definir qual e o que é a língua<br />

materna, nos perguntaremos em que medida determinada língua é materna, se é que<br />

ainda nos parece adequado falar em língua materna. Para tanto, precisamos proceder<br />

à descrição dos traços que caracterizam esse conceito.<br />

Problema 3: a visão do senso comum<br />

Uma segunda questão, de natureza conceitual, é a necessidade de discernir<br />

entre a visão popular e a visão científica de uma expressão ou palavra. A noção<br />

de língua materna, no senso comum, a exemplo do que ocorre com outras “designações”<br />

sobretudo herdadas da tradição greco-romana, como dialeto, verbo,<br />

frase, gramática, suscitou uma série de conotações novas devidas a atitudes lingüísticas<br />

dos falantes que nada têm a ver com a visão científica e imparcial da<br />

língua como “sistema de regras”. São antes reflexo de condicionamentos externos<br />

ligados não à língua como tal, mas muito mais aos seus usuários e à sua<br />

posição na estrutura social. Quando o falante comum afirma, por exemplo, que<br />

alguém fala o “alemão gramatical”, 10 está conotando que pode haver uma língua<br />

alemã sem gramática, em oposição à variedade ensinada na escola. Do mesmo<br />

modo, se alguém diz que fala “o dialeto”, está restringindo o uso do termo imprecisamente<br />

a uma língua específica, em oposição a um não-dialeto. Assim, parece<br />

haver uma tendência de atribuir à língua materna conotações diversas que va-<br />

9. “[...] il bilinguismo (o multilinguismo) deve essere considerato come un concetto non assoluto<br />

ma relativo. Il che significa che il quesito non può essere posto nei termini di: ‘E’ bilingue<br />

questo dato individuo?’, ma di: ‘In che senso è bilingue?’.” (Titone 1993, p. 18)<br />

10. A expressão, corrente entre descendentes de alemães, no sul do Brasil, deve ser entendida<br />

como sinônimo de “alemão ensinado e aprendido via escola”, tradicionalmente por meio<br />

do uso e exercício de uma gramática formal, como tem ocorrido especialmente no passado.<br />

É curioso notar que, até onde se tem conhecimento, não é costume dizer, ao contrário, que<br />

alguém fala “o português gramatical”.<br />

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riam segundo a experiência individual de cada falante: língua mais dominante,<br />

língua aprendida da mãe, primeira língua, dialeto de casa, ou mesmo, na nossa<br />

realidade, o próprio português (v. seção 10).<br />

Não existe, porém, um levantamento sistemático do(s) emprego(s) da denominação<br />

língua materna no senso comum. A sua introdução no uso corrente pode<br />

ter uma origem variada, embora predomine aparentemente a influência semântica<br />

do adjetivo “materno”, o qual conduz à associação do conceito com o âmbito<br />

da “família” e da “aquisição da língua pela criança”.<br />

Valem, para a solução deste problema, os mesmos argumentos apresentados<br />

anteriormente, quando se colocou o esforço em definir critérios para determinar a<br />

medida em que uma língua X seria considerada a língua materna de um indivíduo.<br />

O certo é que é preciso abandonar as conotações sociais, para abordar o conceito<br />

em termos de sua aquisição concreta na vida dos falantes.<br />

Problema 4: do mito histórico da língua materna<br />

Na verdade, a expressão língua materna encontra raízes históricas na tradição<br />

católica romana medieval, onde se opunha ao latim, para designar a língua aprendida<br />

e falada “naturalmente” no lar. Originariamente, a denominação<br />

(Muttersprache) teria sido empregada por monges católicos para designar uma<br />

determinada língua da qual faziam uso em lugar do latim, quando falavam da<br />

cátedra. 11 Segundo ainda uma observação de Kemp (1999), a aquisição do latim<br />

surgia como marca de prestígio de domínio eminentemente masculino, associando-se<br />

a língua materna, diferentemente, à mulher, que permanecia no lar:<br />

“In the middle ages, Latin language acquisition usually involved the<br />

(male) student’s physical removal from the home (and women) to the<br />

all-male grammar school (or perhaps a cathedral school) where he<br />

would differentiate himself from both all women and laymen by learning<br />

to speak and write Latin. Latin language would distinguish him as a<br />

member of an elite minority and therefore suited to participation in<br />

the mysteries of theology”. (Kemp 1999, p. 235) 12<br />

11. Cf. Ilich (1982, p. 33ss. apud Apeltauer 1997, p. 10).<br />

12. Tradução: “No período medieval, a aquisição da língua latina normalmente envolvia a<br />

remoção física de estudantes (homens) do lar (e das mulheres) para a escola de gramática<br />

(ou talvez uma escola catedral) só de homens, onde ele se diferenciaria tanto das mulheres<br />

quanto dos homens leigos por aprender a falar e a escrever em latim. A língua latina o<br />

distinguiria como um membro de uma elite minoritária e por isso sujeita à participação nos<br />

mistérios da teologia”.


O fato é que a noção de língua materna carregou inicialmente conotação negativa,<br />

depreciativa, em oposição ao latim, como língua de cultura. O próprio Dante<br />

Alighieri, em seu De vulgari eloquentia, evita o emprego da expressão, preferindo o<br />

termo volgare (Volkssprache, língua popular), 13 ao qual atribui uma série de virtudes:<br />

“[...] sie ist die zuerst gebrauchte (prima usitata); sie wird von allen<br />

Menschen, der ganzen Welt angewendet (totus orbis perfruitur); und<br />

sie ist uns Menschen natürlich, während die sekundäre Sprache mehr<br />

als etwas Künstliches existiert (naturalis est nobis, potius artificialis<br />

existat)” (Ivo 1994, p. 71). 14<br />

Não se pode perder de vista que a obra de Dante está a serviço de um programa<br />

político-lingüístico, qual seja de elevar a língua “popular” italiana à condição de<br />

língua escrita, língua literária e língua comum. Quando Dante utiliza a expressão<br />

língua materna, remete a uma tradição que associava essa expressão com a fala dos<br />

iletrados e não-instruídos. Não obstante isso, porém, a língua materna tornou-se<br />

“pouco a pouco uma noção oficial, ou pelo menos admitida pelos poderes religiosos<br />

e políticos”, operando “enquanto mito” de uma língua natural, única, própria a<br />

um Estado, “a unidade significativa do território, conferindo-lhe um poder – mais<br />

nacional que lingüístico – de unidade de troca entre os falantes e de barreira<br />

simbólica das fronteiras” (Decrosse 1989, p. 21).<br />

A partir dessas constatações, compreende-se melhor por que os dicionários da<br />

língua portuguesa, em suas edições mais antigas, registram a denominação língua<br />

materna com o significado de “a [língua] do país natal [de alguém]”. 15 Essa significação<br />

reproduz, em certo sentido, o cunho político presente no mito da língua materna<br />

como língua “nacional”. Ela surge, até mesmo, no Dicionário Aurélio (1986), 16 até<br />

sua 2. ed., sendo corrigida na 3. ed., onde aparece com o significado de “E. Ling. A<br />

primeira língua que o indivíduo aprende, ger. ligada ao seu ambiente. Cf. língua nativa<br />

e língua primária”. 17 Esta definição coincide, aliás, pelo menos aparentemente, com a<br />

13. Cf. Ivo (1994, p. 73).<br />

14. Tradução: “[...] ela é a primeira língua usada [...]; ela é empregada por todos os seres<br />

humanos, do mundo inteiro [...]; ela é natural para nós, enquanto a língua secundária existe<br />

mais como algo artificial [...].<br />

15. Assim, p. ex., os dicionários de CALDAS AULETE, F. J. Diccionario contemporaneo da lingua<br />

portugueza. 2. ed. actualizada. Lisboa : Parceria Antonio Maria Pereira, 1925. 2 volumes; e<br />

NASCENTES, Antenor. Dicionário da língua portuguêsa. Rio de Janeiro : [Academia Brasileira de<br />

Letras], [1943]. 4 tomos.<br />

16. FERREIRA, Aurélio Buarque de Holanda & J.E.M.M. Novo dicionário da língua portuguesa. 2. ed.<br />

rev. e aum. Rio de Janeiro : Nova Fronteira, 1986. 1838 p.<br />

17. FERREIRA, Aurélio Buarque de Holanda. Novo Aurélio Século XXI: o dicionário da língua portuguesa.<br />

3. ed. totalmente rev. e ampl. Rio de Janeiro : Nova Fronteira, 1999. 2128 p.<br />

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que dá o Dicionário Houaiss, que define l. materna como “LING A primeira língua<br />

aprendida por uma pessoa na infância, ger. a de sua mãe; língua nativa”. 18<br />

Constatamos, assim, no âmbito lexicográfico, evidências de uma mudança de<br />

definição da expressão língua materna que abandona o ponto de vista históricopolítico<br />

e incorpora contribuições da área da lingüística, no seu emprego atual. Tal<br />

mudança de perspectiva corrige uma situação capaz de produzir equívocos na<br />

comunicação, sobretudo quando está em jogo a questão da língua nacional.<br />

Um fato que ilustra bem tal confusão de sentido foi registrado durante o XII Encontro<br />

da FECAB, realizado em 2001. Alguns bilíngües alemão-português, brasileiros nascidos<br />

no Brasil, teriam sido repreendidos por terem dito que a sua “língua materna era<br />

o alemão”. Enquanto emissores da mensagem, estavam usando a expressão com o<br />

significado atual dado pelos Dicionários Houaiss e Aurélio (3. ed.). Os receptores da<br />

mensagem, porém, a decodificavam de acordo com o significado dado pelos dicionários<br />

mais antigos, ou seja como “língua do país natal”, que, na sua visão, deveria<br />

corresponder ao “português”, uma vez que estavam no Brasil e eram brasileiros.<br />

Problema 5: a língua da mãe?<br />

Uma das críticas mais correntes à expressão língua materna baseia-se na<br />

constatação de que nem sempre é a língua da mãe a que realmente passa para os<br />

filhos. Essa constatação comporta dois lados. O primeiro, de ordem sociocultural,<br />

é lembrado por Romaine (1994, p. 37-8), quando menciona a existência de comunidades,<br />

como a dos Vaupés na Colômbia e Brasil, onde a primeira língua é transmitida<br />

às crianças por meio do pai. Além disso, em casamentos exogâmicos, nos quais<br />

se unem marido e esposa de grupos lingüísticos diferentes, não seria exagero falar<br />

em língua materna e paterna, já que as crianças se tornam fluentes em ambas as<br />

línguas, sendo uma delas da parte não-materna, ou seja, do pai.<br />

Na verdade, verifica-se, a partir das pesquisas de aquisição da linguagem, que<br />

existe uma tendência de que as crianças adquiram a língua essencialmente de<br />

outras crianças, ou de seus pares de mesma idade. 19 Essa posição pode ser constatada<br />

no exemplo dado por Jespersen (apud Apeltauer 1997, p. 10), quando observa,<br />

em famílias dinamarquesas, que, embora muitas mães conservassem um forte<br />

sotaque norueguês, seus filhos falavam um dinamarquês com pronúncia igual à<br />

18. HOUAISS, Antônio & VILLAR, Mauro de Salles. Dicionário Houaiss da língua portuguesa. Rio de<br />

Janeiro : Objetiva, 2001. 2922 p.<br />

19. Cf. Weinreich; Labov & Herzog (1971, p. 145).


dos falantes nativos, quer dizer, sem qualquer interferência de sotaque. 20<br />

Não se trata, porém, de menosprezar ou minimizar o papel da mãe na aquisição<br />

da linguagem. Pelo contrário, sobretudo os estilos de interação entre a mãe e a<br />

criança são determinantes na aquisição da língua. 21 Assim, observou-se por exemplo<br />

que as crianças que mais rapidamente adquiriam a língua, comparadas com<br />

crianças com desenvolvimento normal, possuíam mães que costumavam produzir<br />

frases mais curtas e simples e que formulavam, em geral, mais perguntas à criança,<br />

principalmente do tipo com resposta sim/não (Ja/Nein-Fragen) ou com uso de pronome<br />

interrogativo (W-Fragen como wo? was? wie?). 22<br />

Pensando especificamente nas áreas bilíngües em alemão e português no Rio<br />

Grande do Sul, encontramos estudos como o de Tornquist (1997, p. 181), 23 que<br />

ressaltam a importância da mãe na manutenção do alemão. Tornquist exemplifica,<br />

além disso, essa posição, citando um estudo de Koch (1974, p. 46), onde este explica<br />

a presença do Hunsrückisch na localidade vestfaliana de Linha Clara como decorrente<br />

da influência de algumas mulheres de origem Hunsrück que teriam casado<br />

com membros de famílias vestfalianas dessa localidade.<br />

Apesar dessas ponderações realçando o papel da mãe na aquisição da linguagem,<br />

não se deve criar a ilusão de que a língua falada pela criança é única e<br />

exatamente a língua que aprendeu da mãe, desconsiderando deste modo qualquer<br />

outra fonte de insumo ou input, como, por exemplo nas grandes famílias, os<br />

inúmeros irmãos e parentes, ou as relações de amizade e de vizinhança, presentes<br />

em maior ou menor grau nas comunidades bilíngües. Além disso, não se pode perder<br />

de vista o papel da Motherese (baby talk) como um registro lingüístico com função<br />

comunicativa-afetiva, usado na interação dos adultos com as crianças. Quer<br />

dizer, a fala da mãe na interação com a criança apresenta-se ela própria muitas vezes<br />

alterada, na medida em que a mãe faz uso da baby talk como “estratégia lingüística,<br />

para adequar sua fala à compreensão lingüística da criança”. 24 Segundo Zollinger (1991,<br />

p. 50s.), esse registro mostra-se relativamente “regular”, no sentido de que seus traços<br />

característicos foram observados na fala não apenas das mães, mas também dos<br />

pais e mesmo já de crianças de quatro anos, ao interagirem com crianças menores.<br />

20. Razão por que conclui que “Die Sprache, die ein Kind auf natürliche Weise erwirbt, ist nicht<br />

immer die Sprache seiner Mutter”.<br />

21. Veja-se, em Zollinger (1991, p. 48-57), Mutter-Kind-Interaktion.<br />

22. Cf. Apeltauer (1997, p. 30). Segundo Zollinger (1991, p. 49), as perguntas perfazem cerca<br />

de 30 a 50% dos enunciados dirigidos à criança.<br />

23. Já anunciado no título de seu estudo: “Das hon ich von meiner Mama”.<br />

24. “[...] die Motherese als sprachliche Strategie der Mutter, sich an das Sprachverständnis des<br />

Kindes anzupassen” (Zollinger 1991, p. 51).<br />

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Problema 6: a primeira língua aprendida<br />

Em decorrência do fato de a mãe propiciar o primeiro contato com a língua,<br />

define-se, conforme já foi mencionado, a língua materna como “a primeira língua<br />

aprendida”. Alguns autores, 25 em virtude de nem sempre ser a mãe a real<br />

transmissora da “língua dita materna”, chegam a sugerir a designação primeira<br />

língua (Erstsprache) como mais apropriada, em associação com segunda língua<br />

(Zweitsprache), adquirida no contato direto no meio social, e língua estrangeira<br />

(Fremdsprache), aprendida adicionalmente por meio do ensino formal.<br />

O que se pode relacionar como criticável nessa visão de “língua materna” é que<br />

nem sempre a primeira língua aprendida permanece viva e forte para o resto da<br />

vida do falante. No que se refere a falantes bilíngües, observam os estudiosos que,<br />

tão rápido e fácil como uma criança aprende qualquer língua, tão fácil também<br />

pode vir a esquecê-la, se não vier a praticá-la com regularidade:<br />

“Ein Kind erwirbt eine Zweitsprache ebenso schnell, wie es sie wieder<br />

verliert. Sobald es bemerkt, dass es eine seiner Sprachen nicht mehr<br />

braucht, wird es sie nicht mehr verwenden, und sie wird sich verlieren<br />

bis zum vollständigen Verschwinden. Dies gilt vor allem, wenn das<br />

Kind bemerkt, dass seine Eltern selbst zweisprachig sind und dass es<br />

also keine Gründe mehr gibt, seine Sprache zu erhalten, wenn sie die<br />

einzigen sind, die sie sprechen.” (Grosjean 1996, p. 171) 26<br />

Dessa maneira, uma criança da colônia, 27 falante fluente de alemão, que se<br />

muda para Porto Alegre ou outro meio monolíngüe em português e deixa de falar<br />

a primeira língua, com muita probabilidade a esquece totalmente, a não ser que<br />

continue a usá-la no dia-a-dia da família. Outro exemplo que vale a pena citar é<br />

dado pelo descobridor da América, Cristóvão Colombo. Sua primeira língua teria<br />

sido o dialeto genovês, a sua língua de origem, visto que procedia de Gênova.<br />

Segundo Ilich (1982, p. 19/20, apud Apeltauer 1997, p. 10s.):<br />

“Er lernte Geschäftsbriefe in Latein zu schreiben, (...) heiratete eine<br />

Portugiesin und vergass wahrscheinlich das Italienische fast ganz. Er<br />

sprach Portugiesisch, schrieb aber nie ein Wort in dieser Sprache.<br />

25. Apeltauer (1997, p. 11).<br />

26. Tradução: “Uma criança adquire uma segunda língua tão rapidamente como a perde de<br />

novo. Tão logo ela percebe que não necessita mais de uma de suas línguas, a criança<br />

deixará de usá-la, perdendo-se essa língua até sua completa extinção. Isso vale, sobretudo,<br />

quando a criança percebe que seus pais são bilíngües e que, portanto, não há motivos para<br />

manter sua língua, se eles são os únicos que a falam”.<br />

27. Designação dada às áreas ocupadas pelos imigrantes europeus no sul do Brasil.


Während seiner neun Jahre in Lissabon gewöhnte er sich an, in Spanisch<br />

zu schreiben. (...) Kolumbus schrieb also zwei Sprachen, die er<br />

nicht sprach, und er sprach mehrere andere.” 28<br />

Pelo critério relativo à primeira língua aprendida, a língua materna de Colombo<br />

seria o genovês. Pergunta-se, porém, se esse critério é aplicável, mesmo tendo<br />

Colombo não mais usado ou totalmente esquecido essa primeira língua. Uma solução<br />

seria afirmar que a língua materna de um falante pode mudar de um período<br />

de sua vida a outro. Mas, para nos assegurarmos disso, teremos que recorrer a mais<br />

traços determinantes da medida em que uma língua pode ser considerada a língua<br />

materna de um indivíduo.<br />

Problema 7: a língua da afetividade<br />

As condições de aquisição da língua materna, ou melhor, os traços que a caracterizam<br />

– primeira língua aprendida “naturalmente” na interação em um ambiente<br />

“familiar” –, conferem-lhe um valor afetivo especial para o desenvolvimento do<br />

indivíduo. Nas palavras de Dante, por exemplo, a relação do falante com sua própria<br />

língua (“proprio volgare”) é determinada, duplamente, pelo “naturale amore<br />

de la propria loquela” e pelo “perfettissimo amore di quella”. 29<br />

Na verdade, estabelece-se via de regra uma relação de identidade entre língua<br />

materna e família, tão forte como o vínculo que une mãe-pai e filho. Essa identidade<br />

afetiva é proporcional ao estilo de interação dos pais com as crianças 30 e<br />

parece aumentar na medida em que a língua usada na família se distingue da<br />

língua do meio, como no caso dos falantes de línguas minoritárias.<br />

Pensando em uma criança que adquiriu o Hunsrückisch como primeira língua<br />

em uma comunidade bilíngüe alemão-português do sul do Brasil, encontramos um<br />

exemplo do papel que assume a afetividade na determinação da língua materna do<br />

falante. Uma prova de que existe esse valor afetivo, bem ou mal, estaria na própria<br />

compreensão de como se adquire a “primeira língua”, em princípio a “língua materna”.<br />

Mesmo diante da posição social desfavorável dessa língua minoritária como<br />

28. Tradução: “Ele aprendeu a escrever cartas comerciais em latim, (...) casou com uma<br />

portuguesa e esqueceu provavelmente quase por completo o italiano. Falou português,<br />

porém sem ter escrevido jamais uma palavra sequer nessa língua. Durante seus nove anos<br />

em Lisboa, acostumou-se a escrever em espanhol. (...) Colombo escreveu, portanto, em<br />

duas línguas que ele nunca chegou a falar e falava muitas outras”.<br />

29. Cf. Ivo (1994, p. 72).<br />

30. Veja-se Apeltauer (1997, p. 31).<br />

151


152<br />

variedade dialetal de imigrantes, “língua da família” e marca distintiva do grupo<br />

muitas vezes estigmatizada pela escola, deve haver qualquer interferência afetiva,<br />

consciente ou inconsciente, do Hunsrückisch nos hábitos lingüísticos até mesmo<br />

em português. Basta observar a fala dos jovens, quando acentuam os traços de<br />

interferência do alemão no português, principalmente na prosódia, para expressar a<br />

solidariedade ao grupo e o respeito aos mais velhos, identificados com o alemão.<br />

Como já se mencionou acima no tocante ao papel da mãe no processo de aquisição,<br />

os adultos estabelecem um estilo de fala específico ao interagirem com as crianças.<br />

Analisando as características desse estilo, chamado de baby talk, ou Motherese,<br />

observamos traços, como a abundância de diminutivos e a entonação, os quais<br />

enaltecem a carga de afetividade da interação. Zollinger (1991, p. 48ss.) cita, ainda<br />

entre esses traços, as imitações ou expansões da fala da criança (entre 16 e 30%<br />

do total de enunciados); a formulação de perguntas (W-Fragen ou Ja-Nein-Fragen)<br />

como base da interação verbal (30-50% dos enunciados); fatores referenciais (ligados<br />

à situação momentânea da interação, ao aqui e agora), refletidos no grande uso<br />

de dêixis; simplificação sintática (considerando a extensão média dos enunciados);<br />

a prosódia específica (segundo estudos, com freqüência média de 267 Hz em<br />

comparação com 200 Hz de adultos); a velocidade da fala mais reduzida e clara<br />

(em média 34-75 palavras /min. em comparação com 100-170 palavras/min. de adultos).<br />

Em suma, a prosódia específica estaria associada primordialmente à função afetiva<br />

e à conquista de atenção, enquanto os demais traços teriam mais a função de facilitar<br />

a compreensão, assumindo uma função mais comunicativa.<br />

No caso de crianças falantes de Hunsrückisch, a questão torna-se ainda mais<br />

complexa. Muitas vezes, verifica-se a tendência dos adultos de alternarem o código<br />

para o português, ao se dirigirem a crianças. 31 Será esse um reflexo de sua<br />

crença de que “os mais jovens falam primordialmente o português”, buscando por<br />

isso garantir expressividade e êxito na comunicação? Ou será essa uma atitude<br />

afetiva, com a qual se expressam seus valores e emoções? Seria necessário um<br />

estudo mais sistemático e controlado para avaliar melhor essas questões. O que se<br />

tem, por enquanto, são indícios de que, apesar da influência do português, o<br />

Hunsrückisch apresenta um estilo particular de baby talk que integra elementos do<br />

português à base dialetal alemã. Citem-se alguns exemplos dessa fala, com destaque<br />

para os diminutivos, que se estendem a diferentes classes gramaticais: 32<br />

31. “Pela observação participante, deparei-me com inúmeras situações em que pessoas de<br />

mais idade, ao se dirigirem a interlocutores mais jovens, principalmente crianças, optavam<br />

(até com certa ênfase) pelo português. Quer dizer, o português é visto pelos mais velhos<br />

como sendo a língua dos jovens (“das junge Volik”)” (Altenhofen 1990, p. 192s.).<br />

32. Compare-se com exemplos dados por Stoel-Gammon (1976), para o português.


Kommche!, literalmente ‘Vemzinho!’<br />

Mach Nanache!, literalmente ‘Faz nanazinho!’<br />

Geh schlofeche!, literalmente ‘Vai nanazinho!’<br />

Komm upa!, ‘Vem upa! (i.e. vem no colo)’<br />

Mach Sentache!, literalmente ‘Faz sentazinho!’<br />

Wie liebche!, ‘Que queridinho!’<br />

Lieb Tierche!, literalmente ‘Bichinho querido!’<br />

Brummbrumm, ‘automóvel, brum-brum’ (cf. ale. brummen ‘zunir’)<br />

Mach Aache!, literalmente ‘faz azinho, i.e.’, o som carinhoso do A, encostando<br />

a cabeça na cabeça de alguém’<br />

A apresentação dos dados com os respectivos equivalentes em português mostra<br />

uma característica lembrada por muitos falantes bilíngües: a dificuldade de<br />

tradução de determinadas expressões e a sensação de intraduzibilidade da “língua<br />

materna”. Trata-se de uma característica não apenas da baby talk, mas também de<br />

outros estilos de uso da língua, como o humor e o palavrão. Assim, é comum ouvir<br />

um falante bilíngüe dizer, por exemplo, que, na língua minoritária, a piada “soa<br />

melhor e é mais engraçada”.<br />

Problema 8: a língua dominante<br />

Apesar de reconhecermos o valor afetivo implícito no uso da “primeira língua<br />

aprendida no lar”, este pode restringir-se a uma função específica, por exemplo<br />

xingar e utilizar palavrões. Daí, concluirmos que toda língua materna pressupõe<br />

certa afetividade, porém a afetividade por si só ainda não define suficientemente<br />

a língua materna.<br />

Muito mais relevante é a observação de que o conceito de língua materna evoca<br />

quase sempre a idéia de ser essa também a língua dominante. Que isso constitui uma<br />

constatação forte não resta dúvida. Porém, o que significa afirmar que “uma língua X<br />

é sua língua dominante”? Ou ainda: “o que significa dominar uma língua?”<br />

O problema da “dominância relativa das línguas” (ou configuração de dominância,<br />

cf. Weinreich 1974, p. 75) reside nas implicações decorrentes dessa noção. Em primeiro<br />

lugar, a influência cognitiva da língua materna é tal que produz a sensação de<br />

que não precisamos mais aprendê-la, pela razão simples de julgarmos que já a sabemos.<br />

33 Há, por trás disso, um conteúdo ideológico que perpassa todo o ensino de<br />

33. Ivo (1994, p. 9) vê, por isso, um “paradoxo na constituição do conceito ‘formação em língua<br />

materna’ (paradoxe Begriffsbildung: muttersprachliche Bildung)”.<br />

153


154<br />

línguas e que pode ser ilustrado pelo seguinte diálogo entre um pesquisador e alunos<br />

de 1. a série, na comunidade bilíngüe alemão-português de Harmonia (RS): 34<br />

ENTREVISTADOR: (em tom de brincadeira) Vamos esclarecer as<br />

coisas. Vocês não gostariam de aprender alemão porque já sabem?...<br />

E português, vocês, então, não sabem? (Os alunos reagem enfaticamente,<br />

para dizer que sabem.)<br />

ALUNOS: (juntos) Sim!<br />

ALUNO: Eu sei!!!<br />

ALUNO: Eu sei!!!<br />

A interpretação dessa “tese” do senso comum, segundo a qual “não seria<br />

preciso o ensino da língua minoritária, na escola, por julgar-se já sabê-la” conduz-nos<br />

a algumas reflexões importantes sobre o desenvolvimento da língua<br />

materna em um meio bilíngüe:<br />

a) a referida tese não é invenção das crianças, falantes da língua minoritária; as crianças,<br />

na verdade, estão repetindo o que recebem direta ou indiretamente dos adultos; 35<br />

b) a tese em questão expressa a perspectiva do ensino formal. Mudando o tema<br />

para a questão da sobrevivência/manutenção da língua minoritária, ouve-se<br />

muitas vezes a posição contrária, qual seja de que “ninguém mais fala ou sabe<br />

a língua minoritária [no caso, alemão]”. Estaria, aqui, uma evidência inconsciente<br />

da tentativa de fugir das sanções impostas contra a língua minoritária e<br />

atender à norma (ou ideologia) do monolingüismo em português? Certamente,<br />

essa é uma hipótese altamente possível; 36<br />

c) a tese reflete a posição da língua estrangeira como conteúdo acessório, ou<br />

seja, como um a-mais optativo no currículo da escola, e não como parte<br />

essencial da formação;<br />

d) ao negarem enfaticamente a suposição do pesquisador de que talvez “não<br />

soubessem português”, as crianças estão expressando inconscientemente sua<br />

adequação ao mercado social, onde “saber” carrega um valor a ser perseguido,<br />

e “não saber” um estado a ser evitado, sob pena de ser considerado “inferior,<br />

limitado, sem escola, mais pobre ou, mesmo, inculto ou colono”.<br />

34. Exemplo retirado de Altenhofen (1990, p. 187).<br />

35. Veja-se Altenhofen (1990, p. 189).<br />

36. Pensando em termos do conceito de cultura como “compensação de deficiências (homo<br />

compensator)” (De Boer 1985), veja-se o depoimento de um informante, em Altenhofen<br />

(1990, p. 220): “Dann kommt’en Bresilioner... dann tut der Bresilioner, der fängt on,<br />

resmungejat mit’de Taitsche. Sie sollte Bresilionisch spreche, sie were doch in Brasilie”.<br />

Tradução: “Aí vem um brasileiro, ele começa resmungando com os alemães. E diz que eles<br />

deveriam falar português, afinal eles estão no Brasil”.


Um reflexo dessa norma expressa em d) é, segundo Altenhofen (1990, p. 189), a<br />

diferença de reação às perguntas Quem fala alemão? e Quem sabe alemão?, as quais<br />

são um bom exemplo do “campo de lutas” estabelecido pelo contato lingüístico na<br />

escola. Na primeira pergunta, a ênfase recai sobre um comportamento específico,<br />

proibido pela professora, i.e., falar alemão na sala de aula. A voz mais forte é a de<br />

quem “não fala”, proferida especialmente pelos alunos monolíngües, que se vêem<br />

amparados pela legitimidade do português como língua oficial da escola. A segunda<br />

pergunta inquire sobre um conhecimento, uma habilidade, uma qualidade<br />

ou talento. Nesse caso, fortalece-se a voz dos alunos bilíngües, que têm a seu favor<br />

a legitimidade do saber, como valor social. Esta norma, porém, parece aplicar-se<br />

muito mais ao aprendizado da segunda língua, ou da língua do outro, e muito<br />

menos ao domínio já implícito na primeira língua, ou língua materna.<br />

Contudo, se saber constitui um valor em tão alto grau, o que significa, afinal,<br />

“saber de fato uma língua”? Um caminho é medir o grau de domínio da língua<br />

materna em termos das habilidades de expressão e compreensão oral e escrita<br />

(falar, escrever, ler e ouvir), nos diferentes níveis de estruturação da língua (pronúncia,<br />

gramática, léxico, etc.), como sugere Mackey (1972, p. 555).<br />

Em relação ao falante monolíngüe, havendo apenas uma língua, bastaria portanto<br />

medir essas habilidades para chegar a um resultado do grau de domínio<br />

dessa língua. O domínio relativo varia de falante para falante. Alguém pode ter um<br />

vasto vocabulário mas uma pronúncia pobre, ou expressar-se mal na oralidade,<br />

porém possuir um bom texto. Determinar dessa forma a configuração de dominância<br />

da língua materna, ou seja, como cada um domina cada um desses meios em cada<br />

tipo de habilidade de uso da língua.<br />

Muito mais complexa é a determinação da língua dominante entre os falantes<br />

bilíngües. Suponhamos novamente um falante de Hunsrückisch como primeira<br />

língua aprendida no lar. Essa variedade dialetal, como outras línguas de imigrantes<br />

no Brasil, tem existência essencialmente oral, quer dizer, existe apenas na<br />

forma falada, sendo a sua competência escrita restrita a alguns poucos contextos<br />

e falantes. Seria essa, ainda assim, sua língua dominante e, conseqüentemente,<br />

sua língua materna? Ou a língua dominante seria o português, para o qual se<br />

possui normalmente o domínio em todas as quatro habilidades? É possível que a<br />

língua dominante não seja a língua materna? Em outra perspectiva, poderíamos<br />

perguntar, ainda, se um falante de português como segundo língua, com bom<br />

domínio da expressão escrita, porém apresentando um sotaque forte, domina<br />

melhor a língua do que um falante nativo analfabeto em português? O que significa,<br />

afinal, dominar uma língua? É curioso que esse tipo de relativização do<br />

conceito de dominância de uma língua favorece uma revisão dos preconceitos e<br />

155


156<br />

atitudes da escola e do meio social em relação à fala das pessoas, especialmente<br />

dos falantes bilíngües de línguas minoritárias.<br />

Por outro lado, ainda se mantém o problema da definição da língua materna<br />

como língua dominante. Para tanto, é preciso recorrer a outros fatores, adicionais<br />

ao do grau de domínio, para determinar claramente o status de cada língua, na<br />

situação bilíngüe. Mackey (1972, p. 556) aponta, por isso, mais três fatores<br />

determinantes para a descrição do bilingüismo, o qual define como “um padrão de<br />

comportamento que envolve práticas lingüísticas que mudam mutuamente, variando<br />

em grau, função, alternância e interferência”: 37<br />

a ) grau: Quanto o falante conhece das línguas que usa? Em outras palavras, quanto<br />

ele é bilíngüe?<br />

b) função: Para que finalidade o bilíngüe usa suas línguas? Que papel as mesmas<br />

desempenham no seu comportamento global?<br />

c ) alternância: Em que medida ele alterna entre suas línguas? Como ele muda<br />

de uma língua para a outra e sob quais condições?<br />

d ) interferência: Em que medida o bilíngüe mantém suas línguas separadas? Até<br />

onde ele as funde? Poderíamos acrescentar, em que direção vai a interferência<br />

(Appel & Muysken 1992, p. 85)?<br />

A descrição destes fatores, assim como a consideração de outros critérios citados<br />

por Weinreich (1974, p. 75) para a determinação da língua dominante, tais como “o meio<br />

de emprego da língua (oral ou escrito), a ordem de aquisição e a idade, a utilidade para<br />

a comunicação, o envolvimento emocional, o papel da língua na promoção social e o<br />

valor literário-cultural das línguas envolvidas”, dão evidências de que a dominância<br />

de uma língua, para um indivíduo bilíngüe, pode ser interpretada, antes de mais<br />

nada, como a soma do conjunto desses fatores, em um dado momento e circunstâncias<br />

da vida do falante (relative proficiency), onde não imperam apenas habilidades<br />

sistêmicas de uso da língua, mas também de ordem sociolingüística e pragmática.<br />

Problema 9: o status socioeducacional<br />

Adotando o ponto de vista de que a língua materna reveste-se de um conjunto<br />

de valores afetivos ligados ao ambiente de aquisição, o seu lar inicial (problema 7), e<br />

de que constitui a primeira língua aprendida (problema 6), sendo por isso geralmente<br />

sua língua dominante (problema 8), não se torna difícil imaginar as conseqüências<br />

37. “[...] a behavioural pattern of mutually modifying linguistic practices varying in degree,<br />

function, alternation, and interference.”


desse fato para o ensino de línguas, como se pode observar na continuidade do<br />

exemplo anterior da entrevista em uma sala de aula de 1. a série com alunos bilíngües:<br />

ALUNO: Um não sabe. O Luciano. O Luciano não sabe falar em<br />

português. (Os colegas confirmam.)<br />

ALUNO: Quem é o Luciano?<br />

ALUNO: Aquele que saiu.<br />

ALUNO: Eu sempre falo em alemão com ele.<br />

ALUNO: Vocês já experimentaram ver se ele entende alguma coisa?<br />

ALUNO: Quando ele quer uma coisa, não pode falar pra professora.<br />

Ele fala pra profe que não entende.<br />

ALUNO: Daí, nós têm que falar com português com a profe.<br />

ALUNO: Alemão! (Retruca outro aluno.)<br />

ALUNO: Português! Que ela não entende em alemão.<br />

O fato mais marcante da entrevista é a exclusão de um dos alunos, o Luciano,<br />

“aquele que saiu”, o qual “não sabe português”, pois sua língua materna ou primeira<br />

língua é outra, “não prevista pela escola” e diferente da língua da professora. Muitos<br />

discursos se aplicam a essa situação. O mais freqüente é o que coloca a responsabilidade<br />

da exclusão na família, a qual não teria cumprido com o seu papel de proporcionar<br />

à criança o acesso à língua majoritária, antes da entrada na escola. São numerosos os<br />

comentários colhidos de jovens pais bilíngües, afirmando ensinarem apenas o português<br />

aos seus filhos, para que “esses não passem pelos mesmos problemas pelos quais<br />

eles passaram na escola”. Nesse sentido, as novas gerações, que a duras penas conseguiram<br />

um domínio pelo menos relativo do português, parecem ter absorvido à risca<br />

esse tipo de discurso, embora sem avaliar o alto preço que representa a perda lingüística.<br />

De certa maneira, sua atitude não deixa de ser outra forma de exclusão.<br />

A visão oposta é a que delega à escola (e ao Estado) a responsabilidade da<br />

exclusão, uma vez que cabe a ela o papel de promover a escolarização e a socialização,<br />

independentemente das condições do meio e considerando as suas especificidades.<br />

Afinal, é ela que deveria ser a “especialista” em questões de linguagem, e<br />

os professores tão bem formados que pudessem dar à realidade bilíngüe o tratamento<br />

devido, garantindo assim o êxito na educação. Não obstante essa atribuição,<br />

porém, escola e Estado têm historicamente omitido as línguas de imigrantes, nem<br />

mesmo garantindo a estrutura física para uma escolarização adequada. Essa preocupação<br />

tem partido muito mais das comunidades de imigrantes, principalmente<br />

alemães, que, na ausência de um apoio do Estado, criaram suas próprias escolas. 38<br />

38. Veja-se Roche (1969).<br />

157


158<br />

Enfim, a exclusão do Luciano, o aluno da nossa entrevista, simboliza, em última<br />

instância, a exclusão do bilingüismo do âmbito da escola. Tal quadro assemelha-se<br />

ao descrito por Paraíso (1996) em relação a um contexto de contato rural-urbano.<br />

Paraíso explica essa situação com a metáfora do “campo do silêncio”:<br />

“Assim, com a metáfora ‘campo de silêncio’, quero indicar a privação<br />

a respeito de algo que, se problematizado, poderia provocar reflexões<br />

e atitudes nas pessoas envolvidas no processo ensino-aprendizagem.<br />

Quero indicar, também, a existência de um ‘silêncio’, imposto mas<br />

não ‘respeitado’, sobre algo que incomoda, que provoca conflitos e<br />

contestação. É um ‘calar’sobre algo que se faz presente, pedindo para<br />

ser problematizado e trabalhado. É um campo de silêncio porque está<br />

ausente no currículo formal e não é problematizado no currículo em<br />

ação como um conhecimento digno de ser trabalhado no Curso.”<br />

(Paraíso 1996, p. 138)<br />

O silenciamento do bilingüismo, muitas vezes eleito como “bode expiatório” do<br />

fracasso escolar, 39 leva a um ensino que joga na vala comum monolíngües e bilíngües<br />

e ignora qualquer adequação metodológica do ensino às especificidades do<br />

aluno falante da língua minoritária. Nem mesmo uma medida relativamente simples,<br />

como a que designa professores falantes da língua minoritária, a L1 do aluno,<br />

para as séries iniciais, tem sido devidamente levada em conta. O português é, em<br />

conseqüência, ensinado como se fosse a língua materna do aluno bilíngüe, sendo<br />

tomado quase como um sinônimo dessa denominação.<br />

Em resumo, a língua materna<br />

Resumidamente, colocam-se algumas conclusões importantes em relação ao<br />

conceito de língua materna. Em primeiro lugar, cabe enfatizar a constatação de<br />

que o conceito carrega, no plano oficial, uma polissemia de sentidos. Do ponto de<br />

vista histórico, tem-se a gênese de uma ligação forte com a percepção da “língua<br />

nacional”, fato também atestado no plano lexicográfico mais antigo. No âmbito<br />

pedagógico e político-educacional, observa-se uma incompreensão e omissão do<br />

39. Segundo depoimentos coletados de professores, alguns alunos “aprenderiam português<br />

somente no dia em deixassem de falar o alemão”. No estudo de Paraíso (1996, p. 141), tal<br />

é ilustrado por exemplos como o seguinte: “A gente não consegue grandes coisas não. As<br />

alunas, na sua grande maioria, são pobres, moram em casa de família para estudar e<br />

vieram da roça. O nível delas é muito baixo”.


sentido real da língua materna e de suas implicações na prática de ensino. O conceito<br />

serve, antes, para encobrir e excluir outras facetas da realidade lingüística<br />

que, se visualizadas, trariam incômodos à ordem lingüística estabelecida. Assim, a<br />

língua materna figura como uma “disciplina do currículo”, que se pressupõe, na<br />

realidade brasileira, equivalente a “língua portuguesa”. No que se refere à configuração<br />

demográfica da população, emprega-se o conceito para nomear basicamente<br />

a “língua do lar”. Em uma visão lingüística tradicional, língua materna surge<br />

genericamente “a primeira língua aprendida no lar.”<br />

A segunda conclusão diz respeito aos problemas levantados em relação ao<br />

conceito de língua materna. Tais problemas têm menos a ver com o que o conceito<br />

abarca em termos de um aspecto relevante do desenvolvimento lingüístico de um<br />

indivíduo, mas mais com as interpretações variadas que diferentes segmentos têm<br />

dado à noção de língua materna. Nesse sentido, a análise mostrou a necessidade<br />

de se considerar as diversas implicações no uso da denominação língua materna,<br />

onde importa muito mais descrever “em que medida determinada língua pode ser<br />

considerada língua materna”, do que definir uniformemente um conceito que<br />

depende de uma série de variáveis, das quais o bilingüismo é a mais complexa.<br />

Como, então, determinar essa medida?<br />

A solução encontrada neste estudo foi descrever língua materna como um<br />

conceito dinâmico que varia conforme um conjunto de traços relevantes que<br />

engloba, em uma situação normal, válida para um determinado momento da vida<br />

do falante, a) a primeira língua aprendida pelo falante, b) em alguns casos, simultaneamente<br />

com outra língua, com a qual c) compartilha usos e funções específicas,<br />

e) apresentando-se porém geralmente como língua dominante, f) fortemente<br />

identificada com a língua da mãe e do pai, e, por isso, d) provida de um valor<br />

afetivo próprio. Em relação ao bilingüismo precoce e simultâneo, é pertinente admitir<br />

a possibilidade de falantes com duas línguas maternas, contendo os traços<br />

mencionados acima.<br />

159


160<br />

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Printing 1971. p. 95-188.<br />

ZOLLINGER, Barbara. Spracherwerbsstörungen: Grundlagen zur Früherfassung und Frühtherapie.<br />

3. Aufl. Bern; Stuttgart : Haupt, 1991. 158 p. (Beiträge zur zur Heil- und<br />

Sonderpädagogik; 5.)<br />

Cléo Altenhofen, Prof.Dr.phil., geb. 1963 in São Leopoldo – RS, Brasilien. Dozent für Deutsch und<br />

Linguistik an der Universität Porto Alegre RS, Leiter des Projekts “Atlas Linguístico-Etnográfico da<br />

Região Sul do Brasil“.<br />

Veröffentlichungen: „Hunsrückisch in Rio Grande do Sul. Ein Beitrag zur Beschreibung einer deutschbrasilianischen<br />

Dialektvarietät im Kontakt mit dem Portugiesischen“(Mainzer Studien zur Sprach- und<br />

Volksforschung,21), Stuttgart 1996.<br />

(Edit.):Bd.1 und 2 des “Atlas Linguístico-Etnográfico...“: Bd.1 Introdução, Bd.2 Cartas Fonéticas e<br />

Morfossintáticas, Porto Alegre, Curitiba, Florianópolis 2002 .<br />

161


162<br />

Ilustrações do livro “O episódio do Ferrabraz (Os Mucker)” – Leopoldo Petry


Cultura e poder no<br />

tempo dos Mucker<br />

João Biehl<br />

Este texto é dedicado ao nosso querido Ruben Kirschner da Picada Café,<br />

por sua prática comunitária e sabedoria de vida.<br />

(Princeton)<br />

Thematik: In diesem Beitrag zeige ich, dass die Darstellung der „Mucker“<br />

als primitiv und geistesgestört sowie ihre schließliche Exekution<br />

als Kriminelle im Jahre 1874 Teil war einer forcierten Etablierung<br />

eines deutschen Modus Vivendi und einer deutschen<br />

politischen Ökonomie im Süden Brasiliens. Der Muckerkrieg<br />

enthüllte die Unausgeglichenheit jener Einwandererkultur<br />

und beschleunigte den Prozess ihrer Veränderung. Unter Verwendung<br />

von Missionsberichten, militärischen Akten und<br />

Zeitungsberichten möchte ich die Intensität solchen kulturellen<br />

Wandels deutlich machen und den Verlust an lebendiger<br />

Substanz bei den sogenannten Muckern.<br />

Abstract: Around 1872, a group of second generation German speaking<br />

colonists, who for years had been meeting around the<br />

unconscious speech of Jacobina Maurer and the herbal<br />

medicine prepared by her husband João Jorge, began to<br />

be mocked as Mucker (meaning false believers and stubborn<br />

people) by their neighbors and local authorities in<br />

southern Brazil. After having been described as messianic<br />

and primitive and treated as mad and criminal in several<br />

emergent public arenas, the Mucker were actually eliminated<br />

by the National Army called in by the local enlightened<br />

Germanist bourgeoisie with the support of Protestant<br />

and Jesuit missionaries. In this essay, I show that the manufacture<br />

of Jacobina and João Jorge Maurer’s followers as<br />

Mucker and their subsequent murder was part of the dynamic<br />

163


164<br />

installation of the modus vivendi and political economy of<br />

local Germanism and of the constitution of an enlightened<br />

German self in the South. The installation of such a “modern<br />

reality” in that region was actually produced as a trauma,<br />

involving a deliberate and violent break of already fragile ties<br />

between the individual and the collective, the dismissal as<br />

illegitimate of other ways of mapping that world, and the<br />

ingraining of imaginary foundations for identity-making and<br />

group membership based on German Kultur. I argue that the<br />

Mucker War both revealed the imbalance of an immigrant<br />

culture and accelerated the process of its mutation. Drawing<br />

from missionary reports, military documents, and newspapers<br />

of the times, I want to bring to mind the intensity of<br />

such a cultural change and symbolic loss experienced in the<br />

flesh of the so-called Mucker.<br />

A cultura colona e o imaginário alemão<br />

“Não se acha religiosidade no Brasil”: palavras do pastor Hermann Borchard,<br />

pioneiro da campanha para sinodalizar as comunidades evangélicas no sul do país.<br />

O missionário alemão documentou esta suposta irreligiosidade no primeiro relatório<br />

que enviou aos seus superiores eclesiásticos em Berlim, logo após a sua chegada em<br />

São Leopoldo, no início de 1865. De 1854 a 1861 (depois de ter concluído seus<br />

estudos em Könisberg), Borchard trabalhou nos Estados Unidos junto ao Sínodo<br />

Luterano da América do Norte. De volta à Alemanha, exerceu a chefia da União<br />

Berlinense para os Emigrantes Alemães Evangélicos e da Sociedade Evangélica para<br />

os Protestantes Alemães na América do Norte. Entre viagens e conferências, assumiu<br />

ainda um pastorado em Barmen por um ano e meio. “Livros descrentes, como o<br />

Evangelho da Natureza, romances ruins e escritos racionais acharam seu caminho<br />

para cá via oceano. Lêem-se mais romances do que a Bíblia. Os bailes reúnem mais<br />

gente do que a igreja. Não se conhece o descanso do sábado. Aqui, no entanto,<br />

ainda não impera uma descrença tão selvagem quanto nos Estados Unidos.” 1<br />

Na década de 1850, uma nova onda migratória trouxe ao Sul mercenários (die<br />

Brummer, ex-combatentes do Deutsches Reich), intelectuais e negociantes sem um proeminente<br />

background social na Alemanha. Após desertarem da Legião Estrangeira, muitos<br />

1. E. Z. B, Die Mission unter den Evangelischen Deutschen in Südbrasilien, 1/5/1865.


desses mercenários fixaram residência nas colônias de São Leopoldo, trabalhando,<br />

por exemplo, como professores, jornalistas e comerciantes. Os Brummer tornaram-se<br />

os catalisadores de uma emergente burguesia “alemã” na região. Por volta de 1860, a<br />

região de São Leopoldo prosperava, fornecendo produtos agrícolas para os mercados<br />

da capital Porto Alegre e já atraindo interesses e investimentos da Inglaterrra (construção<br />

da estrada de ferro ligando São Leopoldo às colônias) e, principalmente, da Alemanha<br />

(comércio). Brummer Karl von Koseritz (jornalista e político diretor do Deutsche<br />

Zeitung desde 1864), encabeçava as tentativas desta burguesia (hiesiges Deutschtum —<br />

germanismo local) de consolidar politicamente seu crescente bem-estar econômico.<br />

Essa consolidação aconteceria em aliança e em confronto com as organizações<br />

missionárias protestante e jesuíta, e sob a égide comum de uma expansão patriótica<br />

alemã no contexto de um estado brasileiro pós-colonial.<br />

A intervenção pastoral de Borchard e dos que o seguiram é parte da miríade de<br />

práticas discursivas e instituições que deram forma ao germanismo local, hiesiges<br />

Deutschtum, a partir de meados de 1860, em contraposição à autóctone cultura<br />

colona vivida no sul do Brasil. Neste ensaio apresento reações de Karl von Koseritz<br />

ao projeto sinodal evangélico encabeçado pelo pastor Borchard e, mais tarde,<br />

pelo pastor Kleingünther. Trata-se de explicitar conexões desse projeto eclesiástico<br />

com o ideário de Koseritz a partir de conflitos ocorridos durante maio e junho de<br />

1873 nas comunidades evangélicas de Porto Alegre e da colônia de Linha Nova:<br />

aqui diferenças individuais e populacionais eram mapeadas no plano congregacional.<br />

Exatamente no período em questão, os participantes das reuniões ao<br />

redor dos transes e interpretações bíblicas de Jacobina e dos remédios preparados<br />

por seu marido, João Jorge Maurer (o casal era membro da Comunidade Evangélica<br />

de Sapiranga), eram publicamente denominados como Mucker (“muito religiosos,<br />

intolerantes”). 2 A fim de localizar os primórdios do empreendimento oficial<br />

evangélico no panorama imperial brasileiro, apresento fragmentos das “Considerações<br />

Gerais do Comissário do Governo de São Leopoldo, José Joaquim Rodrigues<br />

Lopes, sobre a ex-Colônia de São Leopoldo, em 1867” — relato orientado por<br />

alegações de separatismo no extremo Sul. Nesse registro de cunho etnográfico<br />

entrevê-se o projeto em andamento de uma naturalização de colonos como sen-<br />

2. Os materiais aqui apresentados são oriundos da minha tese de doutoramento “Jammerthal,<br />

The Valley of Lamentation — The Mucker War: A Contribution to the History of Local<br />

Germanism in 19th Century Southern Brazil”. Ann Harbor, UMI Dissertation Services, 1996.<br />

Vide meus artigos: “Apontamentos para uma Arqueologia dos Mucker” in Psicanálise e<br />

Ilusões Contemporâneas / Associação Psicanalítica de Porto Alegre, Porto Alegre, Artes e<br />

Ofícios, 1994; “Uma Tribo que Pensa e Negocia em Alemão” in René Gertz and Luis A. Fischer<br />

(eds.), Nós, os Teuto-gaúchos, Porto Alegre: Editora da UFRGS, 1996; “Jammerthal, the<br />

Valley of Lamentation: Kultur, War Trauma, and Subjectivity in Nineteenth-Century Brazil” in<br />

Journal of Latin American Cultural Studies 8 (2): 171-98.<br />

165


166<br />

do “culturalmente alemães,” ou nas palavras de Lopes: “Pode-se dizer que seu<br />

coração e sua alma pertencem inteiros à Divindade alemã”. As Considerações de<br />

Lopes apontam para a instrumentalização de Kultur tanto pelas forças legais quanto<br />

pela emergente burguesia germanista lutando por instalar-se politicamente no<br />

cenário provincial e nacional.<br />

Ao longo deste ensaio argumento que amplos segmentos colonos não endossavam<br />

as novas regulamentações pessoais e comunitárias articuladas por meio dos<br />

interesses e práticas maçons, protestantes e jesuítas — o projeto de uma tribo pensando<br />

e negociando em alemão — e que os eventos Mucker cristalizaram esse conflito<br />

entre o emergente imaginário e poder alemão no Sul e as formas colonas de<br />

vida. Entre disputas de oligarquias regionais, retóricas monárquicas, guerras demarcando<br />

limites comerciais, enriquecimentos de poucos vendeiros, corrupções administrativas,<br />

obstáculos burocráticos para transferência e venda de propriedades, oportunismos<br />

de autoridades locais, os colonos dessa região haviam viabilizado suas<br />

próprias infra-estruturas e intercâmbios sociais e subjetivos. Mas com a chegada dos<br />

Brummer e a constituição formal de um germanismo local, essa cultura colona estava<br />

por ser apagada da história. Nesse processo, simples colonos foram feitos Mucker<br />

e os Mucker tornaram-se a patologia de um obscuro e perigoso estádio religioso (e<br />

agora criminoso) a ser exterminado pelas idéias, valores, dogmas, capital e práticas<br />

para-legais daquele emergente Deutschtum. A Guerra Mucker seria pois a prova de<br />

fogo da existência, normalidade e legalidade de um forte e independente Germanismo,<br />

liberando “um ar alemão quase nativo” no Sul, isto nas palavras de Koseritz.” 3<br />

Uma tribo que pensa e negocia em alemão<br />

Segundo Borchard, os desvios colonos de práticas religiosas ortodoxas eram<br />

conseqüência da precariedade das estruturas eclesiásticas locais, constantemente<br />

ameaçadas pelo liberalismo maçom e pelo proselitismo dos jesuítas. Era necessário<br />

agir imediatamente, de forma drástica: importar pastores com formação teológica<br />

e missionária alemã e administrar o indiferentismo das comunidades: “Os que nasceram<br />

na Alemanha têm um sentimento sombrio de que não é decente deixar-se<br />

batizar e casar por qualquer vagabundo. Já que é impossível voltarem para a Alemanha,<br />

eles não têm outra opção do que aceitar estas práticas... Assim que aqui<br />

existir um grande número de pastores reunidos num sínodo e for criada uma<br />

3. Karl von Koseritz, Rathschläge für Auswanderer nach Südbrasilien, Berlin, Allgemeine Verlags-Agentur,<br />

1897, p. 38.


estrita ordem eclesiástica, então as comunidades se juntarão muito mais rápido do<br />

que aconteceu nos Estados Unidos... Este é um campo de trabalho árido, fundado<br />

em indiferença. Mas é aqui que a Igreja Evangélica pode dar frutos”. 4<br />

Esse trabalho missionário concebia-se como uma extensão legítima da nacionalidade<br />

alemã d’além-mar (identificada com teorias/práticas racistas em voga): “A nacionalidade<br />

alemã local tem um bom futuro... Aqui é possível fundar comunidades alemãs<br />

puras. Nos Estados Unidos os alemães misturaram-se com os anglo-saxões. Aqui, durante<br />

39 anos, a população alemã permaneceu não-misturada... As nacionalidades<br />

alemã e portuguesa são de caráter e singularidade tão distintas que não se podem<br />

misturar. A Província do Rio Grande do Sul é o ponto de encontro dos imigrantes<br />

alemães no Brasil; para cá devem ser deslocados todos os imigrantes alemães que vêm<br />

ao Brasil... O clima é saudável, o solo é fértil; só é preciso muito trabalho. Além do mais,<br />

é importante que os alemães se concentrem numa província”. 5<br />

Num ambiente que, segundo Borchard, lembrava “a igreja alemã no final do<br />

século 18”, Borchard também encontrou resquícios obscuros de “um sentimento<br />

religioso tradicional entre os que aqui nasceram... Seus pais eram trabalhadores<br />

pobres e, livremente, trouxeram pouca fé da Alemanha. Mas eles ainda têm a velha<br />

Bíblia trazida pelos familiares da Alemanha — e isto os lembra de que são cristãos<br />

evangélicos... Também ouviram que seus pais caminharam muito para batizá-los,<br />

por isso também querem batizar e confirmar seus filhos... Este é ponto inicial para a<br />

missão. Os pais não mandam as crianças regularmente à escola. Disso decorre o<br />

mau hábito de confirmá-las muito jovens, sem prévio ensino por parte do pastor.” 6<br />

As festas e bailes que freqüentemente aconteciam após os cultos foram interpretados<br />

como transgressões profanas. Borchard registrou um incidente acontecido<br />

na Comunidade Evangélica de Lomba Grande — devido à presença do pastor, os<br />

colonos adiaram a festa dançante, mas não a cancelaram: “A comunidade de Lomba<br />

Grande é composta de setenta famílias, que moram numa distância de uma a quatro<br />

horas da igreja. Mesmo assim, todos se fizeram presentes, homens, mulheres e<br />

senhoritas em trajes típicos da Bavária, com lenços coloridos nos cabelos. Fiquei<br />

muito feliz ao ser saudado por todos quando cavalgava a caminho da igreja. As<br />

crianças me recepcionaram com um canto. A igreja foi decorada de forma festiva.<br />

Em consideração à minha pessoa, a festa dançante marcada para acontecer naquele<br />

domingo foi transferida para o domingo seguinte”. 7<br />

4. Notas do pe. Lipinsk in Arthur Rabuske, “A Contribuição Teuta à Igreja Católica no Rio<br />

Grande do Sul”, Estudos Leopoldenses, São Leopoldo, no 28, p. 141).<br />

5. Vide nota 2.<br />

6. E. Z. B., Carta de Borchard, 28/5/1864.<br />

7. Idem.<br />

167


168<br />

Ao descrever sua primeira missão popular pelas colônias alemãs, em 1858, o padre<br />

jesuíta Bonifácio Klüber (pároco de São Leopoldo entre 1859 e 1864) descreveu uma<br />

religiosidade caracterizada pela ausência de prédios religiosos (“sem tabernáculos<br />

para o Santíssimo, nem púlpito); pela hospitalidade (“dessa forma cada morador colono<br />

dos arredores tinha geralmente à sua mesa 20, 30 ou até mesmo 40 hóspedes, que<br />

ele atendia”); indiferença (“haviam preferido sair em busca de caça por montes e<br />

vales”); sinais de iconolatria e festa: “Dias mais tarde fui a cavalo, em companhia de<br />

uma longa fila de cavaleiros e amazonas ao Jammerthal... atravessando assim altas e<br />

íngremes montanhas. Numa choça de barro, ornada de flores e ramos de palmeiras,<br />

ofereci o santo sacrifício da missa, para o qual ocorreram de longe alemães, também<br />

protestantes, em traje festivo. No rústico altar improvisado, o sentimento devoto dos<br />

moradores tinha reunido e afixado todas as imagens e estampas existentes naquela<br />

picada”. 8 Ao descrever as dificuldades jesuítas de instalarem seu modus operandi, o<br />

padre Ambrosio Schupp, por exemplo, deixa entrever traços de uma subjetividade<br />

colona autônoma: “O colono é um pequeno rei. Independente e ilimitado, ele é senhor<br />

sobre o que é seu. Ninguém lhe pode ordenar nada. Disto ele sabe; e por isto é<br />

orgulhoso e nisto sente-se igual a qualquer outra pessoa... irrita-se com qualquer palavra<br />

na qual acredita encontrar menosprezo a sua pessoa ou aos seus pertences... Seus<br />

pensamentos, suas preocupações têm a ver com a terra...” 9<br />

Borchard também relatou que os residentes das colônias não facilmente aderiam<br />

às ordens do novo poder pastoral. Com muita dificuldade, Borchard conseguiu<br />

impor novas regras para o ensino confirmatório; uma vez que a maioria dos<br />

primeiros imigrantes pertencia à Igreja Reformada introduziu o catecismo de<br />

Heidelberg; manteve o hinário berlinense, pois no passado recente um grande<br />

número de exemplares fora enviado a Porto Alegre e, então, distribuído nas colônias.<br />

10 O missionário também informou que o imperador Dom Pedro II fornecera<br />

uma pequena contribuição financeira para a construção da Igreja Evangélica de<br />

São Leopoldo. A maior parte da construção fora feita a partir de doações, recursos e<br />

trabalho dos próprios membros da comunidade. Ao descrever o interior do templo,<br />

Borchard criticou o caráter híbrido das simbolizações evangélicas: “No altar há uma<br />

pintura da Ascensão de Cristo que certamente pertencia originalmente a um mosteiro<br />

católico, mas foi presenteado por comerciantes britânicos. No altar queimam<br />

8. In Asthur Rabuske, “A Contribuição Teuta à Igreja Católica no Rio Grande do Sul”, Estudos<br />

Leopoldenses, São Leopoldo, n. 28, p. 141.<br />

9. “Die Deutsche Jesuiten-Mission in Rio Grande do Sul (Brasilien)”, São Leopoldo, Instituto<br />

Anchietano de Pesquisas (organizado por Arthur Rabuske), p. 213.<br />

10. Depois de revistar a casa de João Jorge e Jacobina Maurer em maio de 1873, a Polícia<br />

informou ter encontrado a Bíblia e esse hinário.


velas. Na Santa Ceia é usado pão. Ao invés de cálice é usado um copo comum; ao<br />

invés da jarra uma garrafa de vinho, ao invés da pia batismal uma bacia... Vocês<br />

podem imaginar que aqui existe uma caótica mistura de hábitos e maus costumes<br />

reformados e luteranos, algo católico, cristão e racional”. 11 Ou seja, nas colônias de<br />

então “ainda não existiam três deuses”, como sabiamente afirma Ruben Kirschner, e<br />

por meio de uma híbrida ordem simbólica os colonos explicitavam a importância do<br />

laço comunitário para a difícil sobrevivência cotidiana.<br />

Mas, conforme os dirigentes berlinenses, até a chegada de Borchard os colonos<br />

estavam, por assim dizer, “abandonados a si mesmos”: “Muitos deles ficaram<br />

trinta anos vivendo sem qualquer prédica da palavra divina, nenhum professor<br />

instruiu suas crianças. Ou, o que é ainda pior, foram freqüentemente atendidos por<br />

sujeitos depravados, que indecentemente abusaram do ofício a eles conferido a<br />

ponto do pastor e o ofício pastoral serem desprezados. É o grande mérito de<br />

Borchard ter libertado o ofício desta vergonha”. 12 Em meados de 1870 os relatórios<br />

oficiais do Comitê para os Alemães Protestantes no Sul do Brasil ressaltavam as<br />

dificuldades enfrentadas por Borchard na fundação do sínodo, o perigo Jesuíta, as<br />

brigas entre a comunidade acerca da sede da moradia pastoral, problemas decorrentes<br />

de casamentos mistos. Destaque especial era dado ao anúncio de pastores<br />

recém-chegados e à listagem de comunidades aderidas ao seu comando.<br />

Em 1882, antes da publicação do seu livro Die Mucker, padre Ambrosio Schupp<br />

relatou o que seus predecessores jesuítas haviam encontrado ao instalarem-se nas<br />

colônias por volta de 1850. Eles também interpretaram a religiosidade colona como<br />

um desvio ou disfunção a ser corrigida: “A longa falta de um regular cura d’almas<br />

havia produzido para além disso uma espécie de embrutecimento, também numa<br />

parte dos moradores católicos. E, visto, que lhes faltava o sacerdote, tinham-se<br />

metido, eles mesmos, a organizar um culto leigo. A direção deste culto foi confiada<br />

a um colono do meio ambiente. Esse homem, que tinha mais sentimentos piedosos<br />

do que juízo reto, afastou-se insensivelmente do caminho da ordem, permitindo a<br />

si mesmo coisas incríveis. Revestido de reles casaca — uma espécie de batina — de<br />

cujos bolsos espiavam as cartas do baralho, aproximava-se ele do altar. Ajudavamno<br />

dois meninos, fazendo de acólitos, enquanto ele mesmo imitava todas as ações<br />

litúrgicas do padre celebrante... Acontecia isso de há muito tempo...”<br />

11. Em maio de 1873 a polícia invadiu o quarto onde Jacobina tinha seus transes. Conforme<br />

Koseritz in Deutsche Zeitung, 28/6/1873: “A casa é construída para ilusões misteriosas. Os<br />

quartos são contínuos; não é preciso sair de um para entrar-se no outro. O subdelegado<br />

entrou em todos os aposentos, inclusive o quarto escuro onde a senhora Cristo faz os seus<br />

experimentos... Aí foram encontradas um par de pistolas, algumas facas e três quadros...<br />

Cristo, Dr. Borchard e Ignácio de Loyola”.<br />

12. E. Z. B., Die Arbeit unter den Evangelischen Deutschen in Südbrasilien — Fünfter Bericht, p. 9,10.<br />

169


170<br />

O relatório do Comitê Berlinense de 1871 atribuiu o aumento do nível de instrução<br />

escolar nas colônias à chegada de “pastores leais”. Tanto clérigos evangélicos<br />

quanto jesuítas articularam-se localmente por meio de estabelecimentos de<br />

ensino. 13 As lideranças do Germanismo local aplaudiram esse processo de escolarização<br />

das colônias: “Os jornais alemães de São Leopoldo e Porto Alegre finalmente<br />

publicaram um artigo elogioso sobre o trabalho da instituição e sobre os<br />

méritos do Dr. Borchard na elevação do ensino no Brasil”. 14<br />

O fato é que o Germanismo local instrumentalizou o conceito de Kultur no sul<br />

do Brasil na sua tentativa de administrar a vida nas colônias e ascender ao poder<br />

legislativo na Província. 15 Segundo Norbert Elias, o fundamento da Kultur alemã<br />

existe “naquilo que é chamado exatamente por essa razão como das rein Geistige (o<br />

puramente espiritual), em livros, educação, religião, arte, filosofia, no enriquecimento<br />

interior, na formação intelectual (Bildung) do indivíduo, principalmente por<br />

meio de livros, na personalidade”. Com a ascensão da burguesia alemã como<br />

classe dominante, entre os séculos 18 e 19 na Alemanha, Kultur mudou de significado<br />

e função — de “um arsenal de conceitos agressivos direcionados contra a<br />

classe alta da corte” para tornar-se uma questão de vida íntima e de identidade<br />

nacional. Nesse sentido, a identidade alemã está historicamente vinculada à constituição<br />

de fronteiras políticas, territoriais e espirituais. No Sul do Brasil Kultur desempenhou<br />

um papel vital para a asserção da segregação “espiritual” de grupos de<br />

descendentes alemães de outros brasileiros e para a asserção de obrigações no<br />

que diz respeito a disciplinadas condutas individuais, familiares e comunitárias. O<br />

aspecto puramente espiritual (das rein Geistige) da Kultur e suas categorias familiares<br />

era transmitido por meio de administradores, negociantes, intelectuais maçons<br />

e missionários. O que legitimava essa intelligentsia administrativa estava imbricado<br />

na economia e política das colônias e ia além das mesmas — a legitimação encontrava-se<br />

na expansão da sua auto-imagem como hiesiges Deutschtum. Essa moderna<br />

ruptura germanista local era dependente da produção e extermínio de um<br />

mundo colono primitivo, muito religioso, um mundo de obscurantismo; e do estabelecimento<br />

de uma rede de locais produtivos (associações patrióticas e Gemeinde,<br />

comunidades por exemplo), na qual verdades e práticas “esclarecidas” viriam a ser<br />

formuladas, inspecionadas e retroativamente vividas em memórias kulturais.<br />

Imperativos morais de espíritos expansionistas e religiões nacionalistas de uma<br />

pátria d’além-mar foram transplantados como uma história natural alemã em evo-<br />

13. Para informações sobre os jesuítas e suas práticas educacionais vide Lúcio Kreutz, O Professor<br />

Paroquial: Magistério e Imigração Alemã, Porto Alegre, Editora da Universidade/UFRGS, 1991.<br />

14. E. Z. B., Die Arbeit unter den Evangelischen Deutschen in Brasilien — Vierter Bericht, p. 11, 14.<br />

15. Norbert Elias, The History of Manners, New York, Pantheon Books, 1978, p. 27, p. 6.


lução no Sul: memorialização de passados étnicos, educação virtuosa, vida ilibida,<br />

trabalho árduo da infância à velhice, segregação quanto à afiliação religiosa, obediência<br />

incondicional aos clérigos estrangeiros, às autoridades econômicas e legais<br />

da burguesia alemã. A Sociedade Berlinense para os Alemães Protestantes no<br />

Brasil, por exemplo, definia sua ajuda às comunidades no Sul do Brasil como um<br />

“dever patriótico” de sujeitos esclarecidos (aufgeklärt): “Assim como um dever cristão<br />

nos impulsiona para tal pedido, da mesma maneira um dever nacional. Então,<br />

do que se trata? É basicamente também um empreendimento patriótico quando<br />

nós procuramos que uma parte dos imigrantes que vão cada ano para a América e<br />

são, assim, perdidos pela Alemanha, guardem nossa pátria. Quão importante é ter<br />

d’além-mar uma tribo alemã que pensa e negocia em alemão, que simpatiza conosco<br />

em termos de comércio e de política, e representa nossos interesses em todas as<br />

questões — isso já é reconhecido desde há muito pela sensatez e precisa agora<br />

tornar-se óbvio para todas as pessoas esclarecidas”. 16<br />

Carl von Koseritz encabeçou as tentativas dessa ilustrada burguesia local de<br />

consolidar politicamente seu crescente bem-estar econômico aliado ao expansionismo<br />

nacionalista alemão. Já não mais se tratava de fundar colônias agrícolas<br />

por meio de anexação territorial: “[Aqui] uma conquista pacífica é possível por<br />

meio de trabalho e sem dependência política da pátria... O Sul do Brasil apresenta<br />

o terreno mais favorável para esse tipo de conquista, pois aqui podemos permanecer<br />

sendo fornecedores e compradores da pátria – isto é o que a Alemanha de fato<br />

necessita... Nós vivemos num mundo de compensações: se a Alemanha tem o<br />

poder, o Brasil tem as riquezas naturais”. 17<br />

Ao assumir a direção do Deutsche Zeitung em 1864, Koseritz afirmou que: “Estou<br />

consciente da missão histórica e cultural aqui designada aos elementos alemães,<br />

assim como da responsabilidade que recai principalmente sobre os meus ombros.<br />

Atento e consciente cumprirei o meu dever.” 18 Conforme o articulador-mor do<br />

germanismo local, por volta de 1850 os mercenários Brummer deixaram para trás<br />

o ideal Reino Unificado Alemão e vieram ao Brasil defender suas “idéias liberais e<br />

democráticas” — eram “politicizados” e isso os diferenciava dos colonos retrógrados:<br />

“Esses homens trouxeram consigo um espírito novo e independente, estimulando<br />

o que então existia em termos de germanismo”. 19<br />

16. E.Z.B., Die Arbeit unter den Evangelischen Deutschen in Brasilien — Fünfter Bericht, p. 45.<br />

Nessa época Wilhelm Rotermund era secretário do presidente Fabri. Na década seguinte<br />

Rotermund fundou o Sínodo do qual a história da Igreja Evangélica de Confissão Luterana<br />

no Brasil oficialmente emergiu.<br />

17. Karl von Koseritz in Rathschläge für Auswanderer nach Südbrasilien, Berlin, Allgemeine<br />

Verlags-Agentur, 1897, p. 47, 48.<br />

18. In Carlos Oberacker Jr., Carlos von Koseritz, Porto Alegre, Anhambi, 1961, p. 44.<br />

171


172<br />

Germanismo local e a emergência Mucker<br />

Para levar sua missão a cabo, pastor Borchard manteve boas relações com o<br />

editor do Deutsche Zeitung. Koseritz mencionou essa política de boa vizinhança<br />

quando, em 1873, publicamente entrou em conflito com o pastor Kleingünther,<br />

sucessor de Borchard na liderança do sínodo que existiu de forma provisória entre<br />

1868 e 1873: “Com Borchard era diferente”. 20 As primeiras tentativas de consolidação<br />

sinodal não haviam conseguido o desejado apoio das comunidades; o empreendimento<br />

existiu de forma precária devido às obsessões dos que o eram: um<br />

reduzido número de pastoral vindos da Alemanha. 21<br />

As lideranças da Comunidade Evangélica de Porto Alegre abertamente confrontaram<br />

essa tentativa pastoral de administração comunitária. A partir desse conflito<br />

Koseritz teve a oportunidade de criticar o sínodo, destacando o seu caráter<br />

retrógrado e a sua ilegalidade. Os desdobramentos dessa instituição não eram<br />

mais percebidos como compatíveis com as articulações do germanismo local: “A<br />

comunidade de Porto Alegre não aceita ordem de Kleingünther nem de Berlim.<br />

Aliás, o que tem o bispo prussiano a ver com comunidades religiosas no reino<br />

brasileiro?... Esses pastores e missionários comportam-se como os católicos... Esse<br />

punhado de clérigos espanca com o próprio punho cristãos que pertencem a<br />

grupos evangélicos e também católicos, como se não fossem parte da cristandade<br />

positiva... Não sabem que querem uma instituição anacrônica e que o sínodo não<br />

tem existência e competência legal?... Não quisemos esta briga. Nossas palavras são<br />

insuspeitas, pois ajudaram o pastor Borchard (hoje em dia dizemos ‘infelizmente’) a<br />

constituir a comunidade local e o sínodo”. 22<br />

Os alvos políticos de Borchard não foram maçons germanófilos, mas os assim<br />

19. Ibidem, p. 17. Segundo Hans Gehse, in Die Deutsche Presse in Brasilien von 1852 bis zur<br />

Gegenwart, Münster, Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, 1931, p. 37: “Esta classe<br />

trabalhou com o objetivo de estabeler uma plataforma para a vida intelectual nas colônias<br />

e colocar o elemento alemão na sua devida posição na vida governamental”. Vide Reinhard<br />

Köhne, Carl v. Koseritz und die Anfänge einer deutsch-brasilianischen Politik, Bochum, Heinrich<br />

Pöppinghaus, 1937, p.140s: Os Brummer tornaram-se “estudantes do materialismo de<br />

Koseritz” e, em meados de 1870, engajaram-se abertamente na Kulturkampf (luta cultural)<br />

contra “o mal do autoritarismo protestante e do profetismo jesuíta”. Vide também o ensaio<br />

de Maria Amélia Dickie, “Dos ‘Senhores do Sul’ aos Brummer: A Trajetória da Construção<br />

Social do Trabalho (RS, 1824-1880)”, Florianópolis, UFSC, 1989.<br />

20. D. Z., 28/5/1873.<br />

21. Vide carta de Borchard mencionando a criação de reuniões pastorais, E. Z. B., 7/5/1866. Vide<br />

também o relatório de fundação desta primeira tentativa sinodal in E. Z. B., Die Arbeit unter<br />

den Evangelischen Deutschen in Brasilien – Vierter Bericht, p. 5.<br />

22. D. Z., 28/5/1873. Vide também D. Z., 7/5/1873 e D. Z., 4/4/1873. O independentismo da<br />

Comunidade de Porto Alegre já fora descrito por Borchard em carta à sede missionária em<br />

Berlim, 28/5/1864. O assunto foi retomado por Borchard em carta de 07/05/1866.


chamados “pseudo-pastores” (na verdade “pastores-colonos”, na sua maioria eleitos<br />

pelas próprias comunidades). A estratégia ordeira encetada por Borchard foi<br />

descrita pelo historiador luterano Joachim Fischer como “A Luta contra os Pseudopastores<br />

no Rio Grande do Sul no Séc.19”: “Foram feitas mais tentativas de juntar as<br />

comunidades evangélicas supracomunitariamente e dessa forma restabelecer a<br />

ordem eclesiástica perdida. Um dos objetivos principais de todas essas tentativas<br />

era prover as comunidades com pastores ordeiros, academicamente treinados e<br />

ordenados, e também reprimir os inconvenientes pseudo-pastores que arruinavam<br />

as comunidades. Isso já vale para a primeira tentativa concreta de ordem do<br />

pastor dr. Hermann Borchard”. 23<br />

Enquanto Borchard e demais representantes sinodais tentavam convencer as<br />

comunidades de que elas precisavam requisitar a presença de pastores ordenados<br />

a fim de garantir o seu próprio bem-estar, estas mantinham-se indiferentes e independentes.<br />

Em 1868 Kleingünther relatou ao Comitê Berlinense que “a maioria das<br />

comunidades ainda não quer saber nada do sínodo... com o tempo esse medo<br />

infundado das comunidades frente ao sínodo desaparecerá”. 24 Em 1873 ele<br />

enfatizou que “sem sínodo as comunidades recairão no seu indiferentismo”. 25 O<br />

relatório da missão berlinense admitia em 1874 que “as novas organizações não<br />

poderiam crescer das vidas das comunidades em tão pouco tempo”. 26<br />

Afinal, o pastorado leigo era um ofício eclesiástico legal que atendia às demandas<br />

das populações colonas. A assim conhecida Lei de 1863 permitia que comunidades<br />

de qualquer religião oficialmente reconhecida pudessem ter validada civilmente<br />

a atuação ritual do seu pastor localmente escolhido. 27 Batismos, casamentos<br />

e funerais oficiados por pastores colonos tinham implicações legais. Koseritz<br />

atacou o empreendimento sinodal na medida em que ele interferia com a proposta<br />

de um germanismo integrado ao aparato legislativo brasileiro: “A comunidade que<br />

não quiser reconhecer o assim chamado sínodo não precisa fazê-lo... Cada comunidade<br />

pode escolher quem quiser para pastor e registrá-lo junto à Presidência. O<br />

Sínodo não pode impedir isso de maneira alguma já que não tem existência legal,<br />

nem surgiu a partir da livre iniciativa de todas as comunidades... nenhuma comu-<br />

23. Joachim Fischer, “Der Kampf gegen die Pseudopfarren in Rio Grande do Sul im 19.Jahrhundert”<br />

in Evangelische Diaspora, no 38, 1967, p. 105.<br />

24. E. Z. B., Carta de Kleingünther, 28/12/1868.<br />

25. E. Z. B., Carta de Kleingünther, 22/1/1873.<br />

26. E. Z. B., Die Arbeit unter den Evangelischen Deutschen in Südbrasilien – Fünfter Bericht, p. 10.<br />

27. Vide Joachim Fischer, op. cit., p. 105; e Martin Dreher, Igreja e Germanidade, São Leopoldo,<br />

Editora Sinodal, 1984, p.54. Mercedes Gassen Koethe discute a questão da liberdade religiosa<br />

entre imigrantes alemães, “O Imigrante Alemão na Província de São Paulo (1880-1889)”,<br />

São Paulo, PUC, 1987 (dissertação de mestrado).<br />

173


174<br />

nidade lhe deve obediência a não ser que livremente o queira.” 28<br />

Os dois artigos acerca do conflito entre o Sínodo e a Comunidade de Porto<br />

Alegre foram publicados por Koseritz nas primeiras páginas do Deutsche Zeitung,<br />

final de maio e início de junho de 1873. Nessas edições ele também veiculou detalhes<br />

sobre o aprisionamento e interrogatório de Jacobina e João Jorge Maurer<br />

(esta justaposição sugere uma primeira associação dos Mucker com a patologia de<br />

um estado teológico). Pouco antes, a 21 de maio, Koseritz publicou carta do seu<br />

correspondente de Linha Nova, C. Buss, denunciando o autoritarismo pastoral e a<br />

imposição de novos estatutos na Comunidade Evangélica daquela colônia. Conforme<br />

Buss, isso teria “tornado impossível o cumprimento do nosso dever de<br />

presbítero na comunidade”. No mesmo relato, Buss insinua que os “pastores profissionais”<br />

estariam perdendo a membrezia evangélica para um reles colono, João<br />

Jorge Maurer: “Ora, vós cura d’almas, pastores de almas, médicos de almas, como<br />

conseguis admirar despreocupadamente que um colono bobo vos ultrapasse na<br />

arte de arrebanhar fiéis?” 29 Na edição de 7 de junho do Deutsche Zeitung, C. Buss<br />

reiterou que alguns membros saíram da comunidade para filiar-se ao “Hanjorg”, a<br />

fim de criar uma nova “seita religiosa”. 30<br />

Na correspondência de 21 de maio, Buss já explicitara que a estratégia eclesiástica<br />

propagada pelo Sínodo não estava promovendo os valores do germanismo<br />

local: “Muito se fala sobre germanismo, mas ele não vai prosseguir sem o fortalecimento<br />

da igreja e da escola... As melhores ovelhas no entanto estão saindo das<br />

igrejas. Chegou a hora — a indiferença o comprova — trata-se do nosso germanismo<br />

e do seu florescimento (que os jesuítas e os pietistas enterram de igual maneira)...<br />

É preciso empregar todos os meios à disposição, com toda a energia.”<br />

Como já mencionei antes, largos segmentos de colonos, agricultores e pequenos-artesãos,<br />

não aceitaram prontamente as novas regulações individuais e sociais<br />

articuladas por meio dos ensinamentos, burocracias e investimentos de missionários<br />

e maçons. Os colonos também não endossaram as reivindicações representativas<br />

dos germanistas — o projeto de uma tribo pensando e negociando em alemão e<br />

forjado ao redor do conceito de Kultur e de uma espiritualidade d’além-mar. Para<br />

muitos imigrantes e descendentes, Deutschtum não era um destino inexorável, ou a<br />

evolução potencial de bastardos de uma espécie nacionalista. Viviam do seu jeito<br />

colono; tinham suas identificações domésticas, sistemas de honra e meios de troca.<br />

Desde 1868, um número cada vez maior de pessoas visitava Jacobina e João<br />

28. D. Z., 4/6/1873.<br />

29. D. Z., 21/5/1873.<br />

30. D. Z., 7/6/1873.


Jorge Maurer na Colônia do Padre Eterno, à procura de um outro esclarecimento<br />

(Aufklärung) ao redor dos seus sonhos, cura com ervas e interpretações das Escrituras.<br />

Esses colonos dialogavam com o que chamavam de “Espírito da Natureza”,<br />

rezavam, cantavam, preparavam refeições comunais, descansavam e retornavam<br />

para suas roças. Os sentidos que os colonos tinham de doença, sofrimento e morte<br />

nos corpos e seus apelos por ajuda encontraram ouvidos e um lugar expressivo<br />

nas reuniões ao redor das “palavras inconscientes” de Jacobina; e essas palavras<br />

em transe encontraram refúgio entre as pessoas ali reunidas. Passadas boca a boca,<br />

essas práticas continham e representavam demandas subjetivas e possibilidades<br />

terapêuticas coletadas por esses colonos e seus ancestrais ao longo de meio século<br />

vivendo ali. Um sobrevivente Mucker, Miguel Noé, relembra que: “Acontece que<br />

ela dizia as coisas inconscientemente ao ponto de terem de repetir-lhe quando<br />

voltava a si. Assim havia esclarecimento para todos os tipos de doença, independente<br />

de como se chamavam... Conforme a localização da doença, faziam-se infusões<br />

de ervas, tanto para friccionar, quanto para serem ingeridas, sendo necessário<br />

muito cuidado com as correntes de ar”. A realidade ao redor dos sonhos de<br />

Jacobina não era o legado de um passado mágico pré-moderno, mas era composta<br />

de identificações que co-existiam com a auto-constituição de uma moderna<br />

interioridade (natureza) alemã no Sul.<br />

Em 1872, vizinhos e conhecidos de Jacobina e João Jorge começaram a sair<br />

das suas comunidades protestantes e católicas, pararam de vender e de comprar<br />

produtos nas vendas da vizinhança, enterravam seus mortos nas suas próprias<br />

roças, passaram a assumir a responsabilidade de ensinar suas crianças e começaram<br />

a explicar a realidade que se configurava por meio de alegorias derivadas da<br />

literatura apocalíptica. Dali em diante seriam tratados nas arenas públicas (media,<br />

eclesiástica, política, médica e legal) como incorporações de fanatismo, alienação<br />

mental, barbárie e criminalidade — dos púlpitos os clérigos começaram a pregar<br />

contra aqueles “falsos religiosos”. Não pode ser descartada a hipótese de que a<br />

represália aos colonos que se reuniam ao redor de Jacobina e João Jorge tinha<br />

também a ver com sua crítica política fundada. Em 1873, em carta aberta ao Deutsche<br />

Zeitung (não publicada), João Jorge Klein (ex-pastor-colono e cunhado de<br />

Jacobina), mencionou corrupção na administração pública das colônias. Segundo<br />

ele, dinheiro para pontes era embolsado por políticos e empreitreiros e a coleta<br />

de impostos era injusta: “Tem pois o pobre a pagar os impostos atrasados dos ricos.<br />

Há necessidade urgente de reformas”. 31<br />

31. Texto de João Jorge Klein, provavelmente escrito em 1873 para o Deutsche Zeitung, mas sua<br />

publicação foi rejeitada. In Angela T. Sperb, “Autos dos Processos dos Mucker”, in IV Simpósio de<br />

História da Imigração e Colonização Alemã no Rio Grande do Sul — 1980, São Leopoldo, p. 245.<br />

175


176<br />

Mas voltemos ao conflito na comunidade de Linha Nova. O Deutsche Zeitung<br />

do dia 2 de julho de 1873 publicou uma carta da diretoria da comunidade evangélica<br />

de Linha Nova apoiando a posição do seu pastor, Heinrich Hunsche, no conflito<br />

estatutário. A diretoria negou qualquer conexão entre “autoritarismo pastoral”<br />

e o desligamento definitivo de alguns membros que também participavam das<br />

reuniões na casa dos Maurer. 32 Hunsche e sua diretoria aproveitaram a ocasião<br />

para inferir que os ingênuos adeptos de Maurer eram justamente membros não<br />

aceitavam os ensinamentos pastorais respaladados pelo sínodo: “Ademais, é um<br />

absurdo aproveitar a questão dos estatutos da comunidade para estabelecer uma<br />

conexão com o Hanjorg (João Jorge). Pois há pouco tempo atrás um dos seus<br />

próprios adeptos esclareceu que sua saída da comunidade nada tem a ver com<br />

tudo isso. De forma estratégica, o sr. Buss não mencionou que os cinco membros<br />

que riscaram seus nomes da comunidade são desde há muito tempo adeptos do<br />

Hanjorg”. 33<br />

Os missionários alemães acabaram utilizando os eventos Mucker para substanciar<br />

suas alegações de que a desordem reinante nas comunidades era decorrência<br />

direta da falta de pastores ordenados e da resistência às normas por eles<br />

formuladas. No primeiro relatório que o pastor Rotermund enviou aos seus superiores<br />

berlinenses após sua chegada a São Leopoldo em 1874 (imediatamente após o<br />

fim da guerra Mucker), ele mencionou que o trabalho do pastor Schmierer na<br />

região do Ferrabrás faria com que “a desordem e a inimizade evocadas por Maurer<br />

encontrem um final definitivo”. 34 Na linhagem de Borchard e Rotermund, o historiador<br />

Joachim Fischer não oferece qualquer crítica à legitimidade da luta sinodal<br />

contra os “pseudo-pastores”. Não deixa, no entanto, de reconhecer as dificuldades<br />

em erradicar essa prática religiosa local: “Com o ano 1900 a luta do sínodo<br />

contra os pseudo-pastores ainda estava longe do seu fim”. 35<br />

O Relatório do Comitê Berlinense de 1874 (baseado em informações coletadas<br />

durante 1871 e 1872) mencionou um caso de cura relacionado com certo pastor<br />

Roos nas vizinhanças do Ferrabrás. O “milagre” aconteceu durante um período<br />

32. Mucker João Noé foi um dos que se desligaram da comunidade de Linha Nova. Ele sobreviveu<br />

a guerra e, mais tarde, ditou a sua versão dos eventos Mucker para o seu filho, Miguel Noé,<br />

casado com Aurélia, filha de Jacobina e João Jorge. Vide esse relato in Moacyr Domingues,<br />

A Nova Face dos Muckers, São Leopoldo, Rotermund, 1977.<br />

33. D. Z., 2/7/1873.<br />

34. E. Z. B., Die Arbeit unter den Evangelischen Deutschen in Brasilien – Fünfter Bericht, p.52.<br />

Com base em relatórios do pastor Rotermund e do pastor Schmierer, o historiador Martin<br />

Dreher sugere que os Mucker representaram um “reavivamento espiritual” decorrente da<br />

seca espiritual fomentada pelos “pseudo-pastores” (“O Movimento Mucker na Visão de<br />

Dois Pastores Evangélicos” in Peregrinação, São Leopoldo, Editora Sinodal, 1990).<br />

35. Fischer, op. cit., p. 98.


marcado por desavenças dentro da comunidade: um homem à beira da morte foi<br />

visitado, contra a sua vontade, pelo pastor e, surpreendentemente, alguns dias<br />

mais tarde recuperou a saúde. “A partir desse feito o pastor Roos pode relatar que<br />

mais de 200 famílias permaneceram na comunidade.” Adiante, o Comitê menciona<br />

que “o pastor considerava o exercício da farmacologia como uma porta através<br />

da qual tinha acesso ao coração da sua comunidade.” 36<br />

O kerb e a guerra fratricida<br />

O comissário José Joaquim Rodrigues Lopes escreveu suas “Considerações<br />

Gerais sobre a ex-Colônia de São Leopoldo”, 1867, em resposta à inquietação imperial<br />

referente à formação de um estado prussiano independente dentro da província<br />

de São Pedro do Rio Grande do Sul. Essa suspeita era ardentemente negada<br />

por Koseritz, articulador-mor do germanismo local, que defendia um germanismo<br />

de irmandade, independente das instituições prussianas, com participação total e<br />

efetiva no sistema jurídico e legislativo brasileiro: “No Brasil nós não vivemos sob a<br />

bandeira alemã; somos, no entanto, parte da Alemanha por meio da língua e dos<br />

costumes. Todas as fibras do nosso coração estão ligadas à velha pátria, mas politicamente<br />

somos completamente cidadãos brasileiros”. 37<br />

Ao respaldar as alegações de separatismo, o relato do comissário tinha o efeito<br />

indireto de desculpar, entre outras coisas, a negligência governamental em retomar<br />

negociações imigratórias com o governo prussiano, a morosidade na efetivação<br />

da práticas de naturalização e a não concessão de amplos direitos eleitorais<br />

a imigrantes e seus descendentes: “A população da ex-colônia é quase em sua<br />

totalidade composta de alemães, dos filhos destes... e de estrangeiros de diversos<br />

estados vizinhos da Alemanha, e perfazem de 16 a 18 mil almas: não se conhece<br />

nestes o desejo de se naturalizarem... Apesar de serem todos de uma só origem...<br />

faz-se notar entre eles uma certa rivalidade... não tem contudo alterado o sossego,<br />

a confraternidade que felizmente reina entre todos... Pode-se dizer que seu coração<br />

e sua alma pertencem inteiros à Divindade alemã... Quem sabe se com estas<br />

idéias não nos aproximamos às feições do visionário, crendo que este estado de<br />

coisas será no futuro um grande mal para a integridade do Império...” 38<br />

Lopes mencionou que havia, aparentemente, uma boa convivência entre as<br />

famílias católicas e evangélicas; conflitos religiosos eram fomentados por espíritos<br />

36. E. Z. B., Die Arbeit unter den Evangelischen... Fünfter Bericht, pp. 18, 22.<br />

37. In Carlos Oberacker Jr., op. cit., p. 53. Vide Deutsche Zeitung, 12/02/1873; 21/5/1873; 30/7/1873.<br />

38. Arquivo Nacional, “Considerações Gerais...”, código 807, v. 16.<br />

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178<br />

interesseiros. Nos templos ninguém se apropriava de objetos alheios: “Em ambas comunhões<br />

a casa de oração tem bancos, com a diferença que nos protestantes estes<br />

são munidos de estantes, onde pousam as Bíblias dos fiéis... Fervorosamente devotos...<br />

não excedem os de uma comunhão dos da outra na prática dos seus deveres: qualquer<br />

objeto perdido no templo é no templo guardado à vista de todos para que o dono<br />

desse objeto tome conta dele quando ali voltar... É pena que os espíritos interesseiros<br />

busquem ali... a discórdia religiosa entre tão bons adoradores do Crucificado, como se<br />

as diferenças entre eles fossem as que existem entre a cruz e a meia lua...” 39<br />

Lopes referiu-se aos colonos como um povo honrado, trabalhador, festivo e presa<br />

fácil para negociantes e filósofos de boa fé: “onde os sentimentos de nacionalidade<br />

brasileira são interiamente desconhecidos... Não obstante isto, o povo é honrado,<br />

modesto e timorato, para prová-lo basta declarar que é necessariamente laborioso<br />

e religioso, e que sua consciência é, como deve ser, filha de suas convicções...<br />

Cada domingo, pais e filhos, amas e criados, dançam freneticamente até alta noite<br />

nas casas de baile mais próximas, mas ao amanhecer do dia seguinte todos estão<br />

em seus postos... Esses bailes são dados em casas, que embora construídas para<br />

outros misteres, são feitas em condições de salões de baile... Será conveniente<br />

guardar segredo sobre esta matéria, mas, digamos de passagem, que existe um<br />

ciúme infundado e alimentado entre as duas comunhões por um ou outro filósofo<br />

de boa fé, mas também, muitas vezes, por quem, fingindo-se amigo dos alemães,<br />

para monopolizar o proveito dos seus trabalhos agrícolas, não tem dúvidas de se<br />

declarar católico ou evangélico, conforme o grupo a quem fala...” 40<br />

No relatório de Lopes há também a descrição de um kerb, “quer dizer, a festa<br />

pelo aniversário da inauguração de um templo alemão”. 41 Segundo o sociólogo<br />

Jean Roche: “embora tenha perdido progressivamente seu caráter essencialmente<br />

religioso, para tornar-se a festa da povoação, e reúna sempre, na mesma data,<br />

protestantes e católicos, é a festa que menos mudou desde o começo da colonização...<br />

Quando o caráter religioso diminuiu ou quando a festa se tornou comum<br />

aos dois credos, também se consagra a tarde à dança”. 42 A hipótese de Roche<br />

operacionaliza uma compreensão de religião “essencialmente” dualista: sagrado<br />

como primitivo e profano como cultural. Um dos efeitos de tal ciência social é a<br />

naturalização da religiosidade colona como “originariamente” denominacional<br />

39. Idem.<br />

40. Idem.<br />

41. Idem.<br />

42. Jean Roche, A Colonização Alemã e o Rio Grande do Sul, Porto Alegre, Editora Globo, 1969,<br />

p. 642. Janaína Amado parece concordar com o dualismo de Roche, Conflito Social no Brasil,<br />

São Paulo, Editora Símbolo, 1978, p. 48.


(algo pleiteado por Borchard et alii). Assim, perde-se de vista a combinação colona<br />

de religião com trabalho diário e festa comunitária:<br />

“Nestes dias, além da festa propriamente dita da igreja, todas as casas de baile<br />

do povoado se decoram com cortinas e cestões de flores. Na frente dela se levanta<br />

um mastro também enfeitado de folhas e flores tendo... uma garrafa. Outras tantas<br />

garrafas de vinho se enterram, escondidas no solo. A certa hora do dia saem das<br />

casas de baile grupos de rapazes, precedidos de música; e munidos de pás, picaretas<br />

e enxadas cavam aqui e acolá, até acharem as garrafas, que ficam pertencendo<br />

a quem as descobre. Neste trajeto a música toca apressada ou pausadamente,<br />

conforme a garrafa procurada se acha mais perto ou mais longe. Daqui por diante<br />

dança-se freneticamente, e por espaço de três dias”. 43<br />

Seis anos mais tarde, a festa comunitária deu lugar à guerra fratricida. Na edição<br />

de 10 de dezembro de 1873, o Deutsche Zeitung publica que:<br />

“As ações [dos Mucker] são perniciosas e o governo precisa reprimi-la com<br />

todos os meios disponíveis. As práticas da seita são imorais: exercitam o comunismo<br />

em diversas formas, estendendo-o até o casamento... Ensinam que ‘o mundo<br />

somente será bom quando a idade de ouro chegar, quando os rebentos forem<br />

pegos pelos pés e as suas cabeças batidas contra as paredes’... As ações desta seita<br />

são perigosas para a comunidade, pois divulgam que ‘quem não pertence a ela<br />

pode ser contado entre os mortos’, e que é legítimo atirar contra os incrédulos, e<br />

que a pessoa não tem então mais pecados do que se tivesse atirado contra animais...<br />

As ações desta seita são perigosas para o estado, pois preparam a revolução<br />

e desprezam as leis; estão armados até os dentes... Eles têm infra-estrutura suficiente<br />

para tornar esta sociedade inativa...<br />

“Caso a motivação deles fosse somente de natureza religiosa, e caso existisse<br />

entre eles ao menos um pouco de senso comum, então deveria-se permitir que isso<br />

fosse levado adiante — a história ensina que as repressões multiplicam as seitas<br />

religiosas ao invés de acabarem com elas... A história também ensina, especificamente<br />

a estatística criminal, os tremendos danos ocasionados pela loucura religiosa.<br />

A forma pura desta associação é tão insensata e tão sem sentido quanto o seu<br />

agir; não merecem, pois, nenhum direito... Eles adoram uma mulher como a Cristo;<br />

ela, aliás, com mais razão, deveria ser chamada de p... [puta] babilônica. Para este<br />

bando só resta abrigo na prisão ou no manicômio... Eles são devotos de todos os<br />

atos de maldade e operam sobre a sociedade como um veneno de morte que<br />

destrói o organismo humano... Caso o governo não libertar a sociedade deste<br />

monstro, os moradores das colônias farão justiça de linchamento a fim de assegu-<br />

43. Arquivo Nacional, “Considerações Gerais...”, código 807, v. 16.<br />

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180<br />

rar a segurança pesoal, e mortes serão daí decorrentes”. 44<br />

Esta visão germanista foi eficientemente operacionalizada por meio de tecnologias<br />

sociais como campanhas na imprensa teuto-brasileira, pronunciamentos<br />

eclesiásticos, alegações de fraude, sectarismo, concubinato e incesto, revistas policiais,<br />

aprisionamentos ilegais, confinamento clínico, assassinatos misteriosos. Em<br />

verdade, os violentos eventos Mucker foram produzidos como sintomas traumáticos<br />

45 . Disputas familiares e dependências subjetivas foram trazidas ao fórum público<br />

e tiveram função decisiva na formação de alianças, desmembramentos e repetições<br />

de papéis. Por meio dos eventos Mucker abriu-se um espaço no tecido social<br />

para ajuste de contas pendentes, vinganças de abusos no passado, e para a cifragem<br />

de novas auto-definições culturais em relação a vizinhos agora tidos como “sobrenaturais”.<br />

Esses estranhamentos pessoais e sociais encontraram suporte nas emergentes<br />

burocracias religiosas e legais. Foram combinados com injustas economias,<br />

formalizando servidões imaginárias. Mucker tornou-se a condição detrimental e<br />

determinante de ser de origem alemã naquela região Sul.<br />

Em meio a relatos pastorais, governamentais e mediáticos do tempo Mucker é<br />

todavia possível vislumbrar resíduos do senso comum e das formas de vida que os<br />

colonos desenvolveram antes e durante a chegada dos que vieram a escrever a<br />

história local como sendo “alemã”. Refiro-me a Spuren na língua colona (ecke<br />

Deutsch, língua das macegas, que não cabe em dicionários e gramáticas de pátrias<br />

inexistentes aqui): sentir algo estranho no próprio corpo, também pre-ver. Por meio<br />

desses resíduos, percebemos sujeitos cortando-se fora de linguagens ilusórias, revelando<br />

no seu lugar mentiras e injustiças e tentando levar o trabalho e a vida<br />

adiante, do seu jeito, mas agora sem a legitimidade de sua própria ordem simbólica,<br />

suplantada pelas idéias e práticas de um germanismo local.<br />

Considere estas inscrições nas lápides do Cemitério Luterano da Linha Nova<br />

Alta, referido no embate entre Koseritz e os pastores luteranos na época dos Mucker:<br />

“Abandonado, descansa agora das tribulações e inquietações da vida, aqui<br />

nesta casa temporária do cemitério”.<br />

“Na minha lápide podereis ler que vos fui leal. Este foi o meu dever; não me<br />

esqueçam”. “Leais e laboriosas foram suas mãos, caladas na passagem para uma<br />

pátria melhor”.<br />

44. Deutsche Zeitung, 10/12/1873.<br />

45. Vide a discussão de Freud e Breuer sobre histeria e cura traumática, Studies on Hysteria<br />

(New York, Basic Books, 1987) e o posterior retorno de Freud à questão do trauma à luz das<br />

neuroses de guerra in Beyond the Pleasure Principle (New York, W. W. Norton, 1989). Sobre<br />

“trauma” vide também J. Laplanche and J. B. Pontalis, The Language of Psycho-Analysis,<br />

New York, W. W. Norton & Company, 1973, p. 465-473; e Roland Chemama, ed., Dicionário<br />

de Psicanálise Larousse, Porto Alegre: Artes Médicas, 1995.


“Aqui não temos um lugar permanente; nós procuramos um futuro lugar”.<br />

“Dos braços da sua mulher, do círculo das crianças, arranca-se a cruel palavra<br />

da morte. Nada nos substitui esta ausência”.<br />

“No céu não há mais sofrimento, nenhuma morte e perecimento; lá Deus seca<br />

nossos desejos num reencontro eterno”.<br />

A presente investigação abre espaço público para as vozes colonas silenciadas<br />

de forma traumática nos eventos associados à Guerra Mucker. A existência de um<br />

saber e ética colona subjugada pelo imaginário e poder germanista nos desafia a<br />

repensar a suposta história alemã no Brasil e a articular de onde de fato viemos.<br />

Epílogo<br />

Eis que a janela se fecha quando, desconhecido, me achego a uma casa do<br />

século passado na colônia do Padre Eterno. “Ó de casa... Alguém em casa?” O que<br />

não responde espia pelas frestas.<br />

Agradecimentos<br />

Agradeço a Ruben Kirschner, Rejane Sornberger Ruppenthal e Walter Seger por tornarem possível a<br />

minha participação na reunião da Federação Cultural Alemã no Brasil (FECAB), realizada em Nova<br />

Petrópolis em novembro de 2001. Naquela oportunidade, apresentei os materiais históricos desenvolvidos<br />

neste ensaio. Também agradeço a hospitalidade de Noemia Kirschner Biehl e Margarida Arend. A<br />

redação final deste ensaio foi feita em Nova Petrópolis em junho de 2002. Fico muito agradecido pela<br />

acolhida e pelo apoio de Leandro Arend Teixeira, Fausto e Elaide Biehl, Hanna Götz, Chico Caregnato,<br />

Valéria Paiva e Regina Dhein.<br />

João Biehl, Prof. Dr. Promovierte in Anthropologie in Berkeley. Nach Forschungstätigkeit in Harvard<br />

lehrt er jetzt in Princeton. Veröffentlichungen in den Zeitschriften „Social Text“; „Culture, Medicine,<br />

and Psychiatry“; „Journal of Latin American Cultural Studies“. In Brasilien ist er an den<br />

Sammelpublikationen “Nós, os Teuto-Gaúchos“ und „Psicanálise e Colonização“ beteiligt. Buchveröffentlichungen:<br />

“De Igual Para Igual” und “Clandestino” (Vozes e Sinodal).<br />

181


182


Regionalentwicklung im<br />

Amazonasgebiet Brasiliens<br />

Konflikte zwischen Wirtschaftsinteressen<br />

sowie Schutz und nachhaltiger Nutzung<br />

der tropischen Regenwälder<br />

Gerd Kohlhepp<br />

(Türbingen)<br />

Resumo: A Floresta Amazônica, desde 1970 sob forte pressão de<br />

desbravamento para fins de crescimento econômico, perfaz<br />

uma área de 30% do total da floresta úmida tropical do planeta.<br />

Por meio de debates globais, iniciados pelo G7 em 1990,<br />

foram elaborados programas-piloto para sua conservação,<br />

dividindo a enorme área em Amazônia central e ocidental,<br />

de tal forma diferenciando as prioridades para cada uma<br />

dessas regiões, a partir das necessidades das populações, da<br />

estrutura do solo, do futuro. Neste trabalho que inclui mapeamento<br />

das áreas devastadas, foram analisados os programas<br />

pré-existentes, o desmatamento descontrolado e as<br />

influências climáticas na região.<br />

Abstract: Since 1970 the rain forest of Amazonas has been under<br />

strong pressure due to economic interests. Its area is a 30%<br />

of the whole planet’s rain forest areas.Through global debates,<br />

started by the G7 Group in 1990, pilot-programs for its<br />

conservation have been developed, according to each of<br />

the area’s regions: Central and Occidental Amazonia. Thus,<br />

priorities could be defined according to the necessities of<br />

the population, soil structure and the future.<br />

In this research pre-existent programs were analized as well<br />

as uncontrolled tree falling and the climatic influences on<br />

this area.<br />

183


184<br />

Einleitung<br />

Die amazonischen Regenwälder Brasiliens, die einen Anteil von 30 % an der<br />

tropischen Regenwaldfläche der Erde haben, sind seit den 1970er Jahren durch<br />

den starken Erschließungsdruck und auf wirtschaftliches Wachstum konzentrierte<br />

Regionalplanungs- und Raumordnungsmaßnahmen einer schnell zunehmenden<br />

Zerstörung und Degradierung durch Strategien mit einem aus ökologischer und<br />

sozialer Sicht destruktiven Entwicklungsstil ausgesetzt.<br />

Erst durch die umweltpolitische Diskussion der letzten Jahre wurde deutlich<br />

gemacht, daß die Regenwaldvernichtung durch Brandrodung nicht nur ein ökologisches<br />

bzw. global vernetztes Klimaproblem ist, sondern vor dem Hintergrund<br />

eines Mensch-Umwelt-Beziehungssystems auch ein soziales und - vor allem mittelund<br />

langfristig - ein ökonomisches Problem für die betroffenen Länder und Bevölkerungen<br />

darstellt. Der Verlust von Lebensraum indigener Bevölkerungsgruppen<br />

und die Zerstörung des artenreichsten Ökosystems der Erde und seiner Biodiversität<br />

schädigt vor allem die nationalen Interessen der Regenwald-Länder.<br />

Das sehr begrenzte natürliche Potential der zonalen Böden der immerfeuchten<br />

Tropen mit einem - außer in den Überschwemmungsauen (várzeas) - äußerst geringen<br />

Nährstoffgehalt und die geringe Regenerationsfähigkeit degradierter Flächen<br />

in geschädigten Wald-Ökosystemen zeigen (SIOLI 1983), daß ökologisch orientiertes<br />

Handeln ein gesamtgesellschaftliches Langzeit-Ziel sein muß. Die Größenordnung<br />

der Vernichtung tropischer Regenwälder erreichte weltweit im Jahre<br />

1998 eine Fläche von etwa 170.000 qkm (KOHLHEPP 1998c). Dies entspricht fast der<br />

Hälfte der Fläche Deutschlands. Gelingt es nicht, die Tropenwaldzerstörung aufzuhalten,<br />

werden diese Wälder in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein.<br />

Traditionelle Strategien zur<br />

Regionalentwicklung in Amazonien<br />

Seit der Machtübernahme durch die brasilianischen Militärs im Jahre 1964<br />

waren die Erschließung und die umfassende Nutzung der natürlichen Ressourcen<br />

Amazoniens Teil des wachstums- und exportorientierten wirtschaftlichen Entwicklungsmodells<br />

Brasiliens (KOHLHEPP 1978; BECKER/EGLER 1992).<br />

Die regionale Entwicklungpolitik für Amazonien kann in vier Hauptphasen gegliedert<br />

werden, die für die Regenwaldzerstörung bis Anfang der 90er Jahre verantwortlich<br />

sind:<br />

1. Das staatliche “ Programm der nationalen Integration” Ende der 60er und An-


fang der 70er Jahre mit einer betonten Infrastruktur-Entwicklung, insbesondere<br />

des Straßenbaus (u.a. Transamazônica) (KOHLHEPP 1976, 1979). Die staatlich<br />

gelenkte und mit umfangreichen Binnenwanderungen verbundene kleinbäuerliche<br />

Agrarkolonisation entlang sog. Entwicklungsachsen und die Planung<br />

korridorartiger wirtschaftlicher Aktivräume standen im Mittelpunkt<br />

(GOODLAND/IRWIN 1975) (siehe Fig. 1).<br />

2. Das wachstumsorientierte “ Polamazônia” - Programm ab Mitte der 70er Jahre<br />

mit Priorität auf privatwirtschaftlichen Interessen. Diese Phase brachte mit der<br />

Einrichtung von Entwicklungspolen die funktionale Ausrichtung auf wirtschaftliche<br />

Akteure, die der Peripherie nur eine Ergänzungsfunktion für nationale<br />

Planziele zuwiesen. Die Einrichtung von Rinderfarmen im Großgrundbesitz<br />

mit ökologisch folgenschweren großflächigen Waldrodungen zur Weidelandgewinnung<br />

schürte die Landspekulation (KOHLHEPP 1984, 1987a).<br />

3. Programme integrierter ländlicher Entwicklung (ILE)waren ab Anfang der 80er<br />

Jahre auf die Grundbedürfnisse ausgerichtet. Diese neue Phase der ländlichen<br />

Entwicklungsförderung kam unter dem Druck einer veränderten Entwicklungsstrategie<br />

der Weltbank zustande. Im Sinne “ endogener” Entwicklung sah man<br />

die Beteiligung der betroffenen regionalen Bevölkerung an den Entscheidungen<br />

vor. Als Ansatz zur “ Entwicklung von unten” wurde in Rondônia das<br />

Polonoroeste-Programm durchgeführt (COY 1988).<br />

4. Parallel zu innovativen Ansätzen im Rahmen von ILE wurden in den 80er Jahren<br />

aber auch Großprojekte nach “ klassischem” Muster mit außerordentlich<br />

hohen staatlichen und privaten Investitionen zur forcierten Weltmarktintegration<br />

realisiert. Diese führten zu vielfältigen sozioökonomischen und ökologischen<br />

Interessenkonflikten. Als Beispiel dient das Grande Carajás-Programm mit Infrastruktur-,<br />

Bergbau-, Industrialisierungs- und Kraftwerkprojekten mit dem Bau<br />

großer Stauseen (HALL 1989; KOHLHEPP 1987b).<br />

Die Konflikte der an der Pionierfront konkurrierenden sozialen Akteure führten<br />

zu einer ständig eskalierenden Raumnutzungskonkurrenz. Strukturelle Gewalt und<br />

zunehmend offene Gewaltanwendung bestimmten die Aktionen an der Peripherie.<br />

Die bestehenden Machtverhältnisse ließen in den 70er und 80er Jahren eine Koexistenz<br />

der verschiedenen Gruppen und ihrer wirtschaftlichen Zielsetzungen kaum<br />

noch möglich erscheinen. Die indianischen Stammesgruppen waren das schwächste<br />

Glied bei diesen Auseinandersetzungen.<br />

Ein Umdenken bei den grundlegenden Entwicklungsstrategien hin zu umweltorientierten<br />

und auch sozial verantwortlichen Entwicklungsansätzen war eine der<br />

entscheidenden Veränderungen, die nach dem jahrzehntelangen Fehlen eines<br />

185


186<br />

klaren Konzeptes zur Regionalentwicklung Mitte der 90er Jahre zu einer neuen<br />

regionalen Entwicklungspolitik in Amazonien führten.<br />

Das Pilotprogramm zum Schutz der Regenwälder:<br />

Ein neuer Ansatz zu einer nachhaltigen<br />

Regionalentwicklung?<br />

Als Ergebnis der nationalen und internationalen Diskussion über die Brandrodung<br />

sowie die Abholzung tropischer Regenwälder wurde aufgrund einer deutschen<br />

Initiative beim G7-Weltwirtschaftsgipfel im Juli 1990 in Houston das “ Internationale<br />

Pilotprogramm zum Schutz der tropischen Regenwälder Brasiliens“ (PPG-7)<br />

ins Leben gerufen (KOHLHEPP 1995, 1998b). Das Angebot der G7-Staaten, Brasilien<br />

beim Aufbau regionaler Entwicklungskonzepte in Amazonien finanziell zu unterstützen,<br />

wurde von der brasilianischen Regierung angenommen.<br />

Trotz der innenpolitisch sehr kontroversen Diskussion um die Zielsetzungen<br />

des Programms, vor allem bezüglich des nationalen Souveränitätsanspruchs im<br />

Amazonasgebiet, und auch des Widerstands von wirtschaftlichen Interessengruppen<br />

gegen ein Umweltschutz-Programm für diese Region, wurde der Durchführung<br />

des Pilotprogramms zugestimmt. Dies war aufgrund des damals bevorstehenden<br />

Umweltgipfels in Rio de Janeiro 1992 ein politisch sehr geschickter<br />

Schachzug der Regierung Collor. Die G7-Staaten bekräftigten ihr Engagement<br />

durch großzügige finanzielle Zusagen in Form von Schenkungen in Höhe von<br />

290 Millionen US$. Außerdem wurde technische Hilfe angeboten. Der Weltbank<br />

wurde die Koordination des Programms übertragen und ein Treuhandfonds (Rain<br />

Forest Trust Fund) mit 60 Millionen US$ zur finanziellen Förderung verschiedener<br />

Programmaktivitäten eingerichtet.<br />

Das PPG-7 ist ein Gemeinschaftsprojekt der brasilianischen Regierung, der brasilianischen<br />

Zivilgesellschaft, der Weltbank und der G7-Geberländer mit dem Ziel, die<br />

Regenwaldzerstörung zu verringern und eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen.<br />

Das Programm besteht aus einer Reihe von Einzelprojekten, die in ihrer Gesamtheit<br />

zu einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen zum Wohl der regionalen<br />

Bevölkerung, insbesondere auch der indigenen Bevölkerung, beitragen sollen.<br />

Die regionale Entwicklungspolitik der Weltbank hat sich in den letzten Jahrzehnten<br />

grundlegend verändert. Umweltkonzepte sowie soziale Komponenten von<br />

Projekten gewannen während der 80er Jahre immer mehr an Bedeutung und<br />

wurden schon vor der Wende zu den 90er Jahren zum neuen und dominanten<br />

Paradigma nachhaltiger Entwicklungsstrategien.


Entsprechend der Zielsetzung des PPG-7 sollte ein Modell der Nord-Süd- Kooperation<br />

in globalen, umweltrelevanten Fragen geschaffen werden, das ökologische<br />

und ökonomische Zielsetzungen in Regenwaldgebieten zu vereinbaren sucht<br />

(MMA/WORLD BANK 1998). Dies könnte sowohl zur Bewahrung der Biodiversität<br />

und genetischer Ressourcen beitragen, als auch zur Verringerung der CO 2 -Emis-<br />

sionen in Brasilien durch die Verminderung der Brandrodungen amazonischer<br />

Regenwälder (WORLD BANK 1994).<br />

Im Wesentlichen besteht das Programm aus fünf großen Gruppen von Maßnahmen:<br />

1. Experimentelle Demonstrationsprojekte sollen die praktische Erfahrung<br />

lokaler sozialer Gruppen im Umgang mit Umweltschutz, nachhaltiger Entwicklung<br />

und Umwelterziehung verbessern und fördern. Dies wird durch Musterprojekte<br />

mit Nichtregierungsorganisationen (NRO), Ressourcen-Management<br />

in Wald- und Überschwemmungsgebieten, Präventionsmaßnahmen gegen<br />

Waldbrände sowie Ausbildungs- und Trainingskurse zur Brandbekämpfung<br />

umgesetzt (NEPSTAD/ MOREIRA/ALENCAR 1999). Die Überschwemmungsflächen<br />

(várzeas) der Weißwasserflüsse bieten eine Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten<br />

der natürlichen Ressourcen (SIOLI 1956, 1969, 1983; JUNK et al. 2000).<br />

Die Demonstrationsprojekte wurden ab 1995 implementiert und sind die<br />

Schlüsselelemente im PPG-7 Programm. Ihr vorrangiges Ziel liegt in der Erprobung<br />

und Verbreitung gemeinsam entwickelter Schutz- und Erhaltungsstrategien<br />

sowie auf kleinräumlichen Entwicklungsinitiativen, die ökologisch, ökonomisch<br />

und sozial verträglich sind und direkte Wohlstandseffekte für die lokale Bevölkerung<br />

im Regenwald hervorbringen.<br />

Bis jetzt wurden über 140 Projekte durchgeführt. Viele der Projekte experimentieren<br />

mit neuen Formen der nachhaltigen Ressourcennutzung, einschließlich<br />

der Verarbeitung und Vermarktung von Nutzpflanzen wie Früchten, Harz oder<br />

Nüssen. Die Rückführung degradierter Flächen zur Nutzung durch die Einführung<br />

von Agroforstwirtschaftssystemen ist ein weiteres wichtiges Projekt (SMITH<br />

et al. 1998). Ein Netzwerk von NRO unterstützt dabei die weitere Verbreitung<br />

von erfolgreichen Techniken (HALL 1997).<br />

2. Projekte zur Verbesserung des Managements natürlicher Ressourcen<br />

und Schutzgebiete, wie z.B. von Naturreservaten, Nationalforsten,<br />

Sammlerreservaten (CLÜSENER-GODT/SACHS 1994) oder Indianerreservaten.<br />

Eines der Projekte ist die Einrichtung von sogenannten ökologischen Korridoren,<br />

die zu einer Verbesserung der Vernetzung von Schutzgebieten mit ihren<br />

Randbereichen (Pufferzonen) führen sollen.<br />

Die Schutzgebiet-Politik in Amazonien ist durch die Knappheit der natürlichen<br />

187


188<br />

Ressourcen mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Zu deren Lösung wurde<br />

im Jahre 2000 ein neues Gesetz verabschiedet, das eine größere Bandbreite<br />

von Schutzmöglichkeiten im Rahmen des “ Nationalen Systems von Schutzgebieten”<br />

(SNUC) aufweist. Der Beitrag des Pilotprogramms zu einer Reform der Schutzgebiet-Politik<br />

ist beträchtlich.<br />

Die Demarkierung und Einrichtung von Indianerschutzgebieten ist eine der wichtigsten,<br />

schwierigsten und innenpolitisch auch äußerst umstrittenen Aufgaben<br />

(KASBURG/GRAMKOW 1999). Da die räumliche, physische und kulturelle Integrität<br />

der indigenen Gruppen bedroht ist, muß deren Lebensraum - wenn auch nur in<br />

Form von Reservaten - geschützt werden (KOHLHEPP 1998a). Lange Zeit wurde das<br />

Ökosystem des Regenwaldes im Amazonasgebiet von indigenen Gruppen ohne<br />

Degradationserscheinungen genutzt. Ihr spezialisiertes Wissen über die natürlichen<br />

Ressourcen wird als grundlegend für die Durchführung einer nachhaltigen<br />

Nutzung und das Management der Waldressourcen angesehen.<br />

Das Projekt der Indianer-Reservate (siehe auch Kap. Indianergebiete sowie Fig.<br />

8), hauptsächlich von Deutschland finanziert, hat die Erhaltung der natürlichen<br />

Ressourcen durch die Legalisierung und den Schutz von 121 Indianerschutzgebieten<br />

in Amazonien zum Ziel.<br />

3. Ein weiteres Anliegen des Pilotprogramms stellt die Stärkung der Umwelt-<br />

Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen der neun Bundesstaaten<br />

im Amazonasgebiet dar.<br />

Die Realisierung nachhaltiger Umweltpolitik in Zusammenarbeit mit dem privaten<br />

Sektor und der Zivilgesellschaft im Rahmen der Dezentralisierung von Umweltbehörden<br />

und der damit verbundenen Ausbildung von Fachkräften spielt<br />

dabei eine zentrale Rolle. Dieser Prozess wird durch das komplexe Projekt der<br />

Naturressourcen-Politik unterstützt (KOHLHEPP 1998b), das Landnutzungsplanung<br />

als Instrument für ein besseres Land-Management und Projekte zur Überwachung<br />

und Kontrolle der Entwaldung und der Brände einschließt.<br />

4. Förderung von Forschungsvorhaben zur Verbesserung der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse über die amazonischen Ökosysteme und die Möglichkeiten<br />

einer nachhaltigen Ressourcennutzung.<br />

Eine Komponente, das Projekt “ Wissenschaftszentren”, zielt darauf ab, zwei renommierte<br />

regionale Forschungszentren - das INPA (Instituto Nacional de<br />

Pesquisas da Amazônia, Manaus) und das Museu Paraense Emílio Goeldi in<br />

Belém - bei der Modernisierung und grundlegenden Verbesserung der regionalen<br />

Forschungsbasis und bei der Anwerbung und Einstellung hochqualifizierter<br />

Forscher zu unterstützen. Im Teilprojekt “ problemorientierte Forschung”<br />

wird hervorragenden Wissenschaftlern und ihren Arbeitsgruppen die Möglich-


keit gegeben, die Finanzierung von Forschungsprojekten mit besonderer thematischer<br />

Priorität zu beantragen.<br />

5. Erfahrungs- und Informationsaustausch zur Verbreitung von praxisrelevanten<br />

Erkenntnissen und Forschungsergebnissen. Dies soll mit Hilfe des “ Monitoring”-<br />

Projekts erreicht werden, das die zentrale Aufgabe der kontinuierlichen Evaluierung<br />

der Einzelprojekte und der Umsetzung der erzielten Ergebnisse hat.<br />

Das Pilotprogramm ist ein sehr komplexes Vorhaben. Sein experimenteller Charakter<br />

eröffnet die Möglichkeit, in einen Lernprozess über nachhaltige Entwicklung<br />

auf internationaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene einzutreten (BECKER<br />

2001). Das Programm ermutigt sowohl zu Partnerschaften zwischen öffentlichen<br />

Einrichtungen und der Privatwirtschaft sowie zur Schaffung starker NRO-Netzwerke,<br />

als auch zur Partizipation lokaler Gemeinschaften an Entscheidungsprozessen<br />

bei Strategien der Ressourcennutzung und des -Managements. Trotz aller konzeptioneller<br />

und organisatorischer Defizite und den Problemen bei der Implementierung<br />

und Umsetzung ist das von den Geberländern - Deutschland ist mit 45% der<br />

Gesamtmittel das Hauptgeberland - finanzierte Pilotprogramm bis jetzt das erfolgreichste<br />

Beispiel internationaler Kooperation im Bereich Umwelt (KOHLHEPP 1998b,c).<br />

Es ist eine Herausforderung für die brasilianische Regierung, zu beweisen, daß die<br />

Verpflichtung zu einem neuen Modell nachhaltiger Regionalentwicklung im Amazonasgebiet<br />

innenpolitisch realisiert werden kann. Das brasilianische Umweltministerium hat<br />

sich auch aufgrund zahlreicher neuer Aufgaben im Rahmen der Durchführung des<br />

Pilotprogramms in den wenigen Jahren seit der offiziellen Erlangung des Status als<br />

eigenständiges Ministerium im Jahr 1993 organisatorisch und in fachlicher Hinsicht<br />

gut entwickelt. In ihrer politischen Durchsetzungsfähigkeit sind die Umweltbehörden<br />

sowohl auf Bundes- als auch auf Bundesstaatsebene aber noch äußerst schwach.<br />

Aktuelle Probleme in Amazonien<br />

Im Folgenden sollen einige ausgewählte Problemkreise analysiert werden, die<br />

vor dem Hintergrund der bekannten Landnutzungskonflikte für das Verständnis der<br />

ökologischen und sozialen Verwundbarkeit im Amazonasgebiet von Bedeutung sind.<br />

Bevölkerungsentwicklung und zunehmende Verstädterung<br />

Das Pilotprogramm umfasst die Planungsregion Amazônia Legal mit heute bereits<br />

über 20 Millionen Menschen, von denen zwei Drittel in Städten leben. Aus dieser<br />

Sicht ist Amazonien ein “ urbanized forest” (BECKER 1995) mit “ rainforest cities” (BROWDER/<br />

189


190<br />

GODFREY 1997). Neben den zwei Regional-Metropolen Manaus und Belém mit jeweils<br />

über einer Million Einwohnern sind São Luís (Maranhão) und Cuiabá, die boomende<br />

Hauptstadt des Bundesstaates Mato Grosso (COY 1999), wichtige urbane Zentren.<br />

Die traditionelle räumliche Verteilung der städtischen Siedlungen im östlichen<br />

Amazonien, entlang des Rio Solimões-Amazonas und einiger Haupt- Nebenflüsse,<br />

wird heute durch weitere Bevölkerungskonzentrationen in Städten und im ländlichen<br />

Raum entlang von Entwicklungsachsen ergänzt, wie z.B. in Rondônia (Bundesstraße<br />

Cuiabá - Porto Velho), entlang der Transamazônica in Pará oder der Bundesstraßen<br />

Belém-Brasília oder Cuiabá-Santarém (siehe Fig. 2). Aufgrund der starken<br />

Binnenwanderung rücken die Siedlungsgrenzen schnell vor und Städte schaffen<br />

eine neue räumliche Ordnung der Urbanisierung mit neuen Modellen einer nachhaltigen<br />

sozialen und ökologischen Stadtentwicklung (COY 1992).<br />

Die Zahl indianischer Bevölkerung im brasilianischen Amazonasgebiet beträgt<br />

heute ungefähr 300.000, die vorwiegend in 556 Reservaten leben und von der<br />

brasilianischen Indianerschutz-Behörde FUNAI betreut werden. Der Lebensraum<br />

der indigenen Bevölkerung ist weiterhin durch zahlreiche sog. Entwicklungsprojekte<br />

bedroht, und es bedarf besonderer Maßnahmen (siehe unten), um die negativen<br />

Konsequenzen einzudämmen.<br />

Waldvernichtung<br />

Bisher wurde die Zerstörung des Regenwaldes in Amazonien zu etwa 50% durch<br />

die Agrarkolonisation - vor allem auch die spontane Landnahme - verursacht, zu<br />

45% durch Rinderweidewirtschaft und Agrobusiness und zu 5% durch Industrie,<br />

Bergbau, einschließlich Gold- und Diamantensucher (garimpeiros), Energie- und<br />

Holzwirtschaft, Stauseen und Infrastrukturprojekte.<br />

Nach Studien des brasilianischen Weltraumforschungsinstituts, das die Waldvernichtung<br />

mit Satellitenbildern erfasst, betrug die gesamte entwaldete Fläche<br />

des Amazonasgebietes im Jahre 2000 etwa 588.000 km 2 (siehe Tab. 1) und ist bis<br />

August 2001 - nach einer Mitteilung von INPE vom 12.6.2002 - auf knapp über<br />

600.000 km 2 angewachsen. Das bedeutet einen Anteil von ca. 15 % an den ur-<br />

sprünglichen natürlichen Waldbeständen in Amazônia Legal, die auf 4,093 Millionen<br />

km 2 berechnet wurden (SKOLE/TUCKER 1993). Bis 1975 waren erst 0,6% dieser<br />

Waldfläche gerodet. Seither sorgten Entwicklungsstrategien der Regierung, verbunden<br />

mit erheblichen menschlichen Eingriffen in den Naturhaushalt, für ein<br />

schnelles Anwachsen der Regenwaldzerstörung (siehe Tabelle 1). Die Folge waren<br />

enorme Schäden im gesamten Ökosystem (FEARNSIDE 1993, 2000; MMA 2001).<br />

1978 waren 3,7% des natürlichen Waldbestandes vernichtet, 1988 betrug der<br />

Anteil schon 9,2%. Die regionalen Unterschiede in den Entwaldungsraten sind sehr


191


192<br />

groß (siehe Fig. 3). Während im Bundesstaat Amazonas bis heute nur 2,0% der Waldfläche<br />

vernichtet wurden, zeigen die stark unter Erschließungsdruck leidenden Bundesstaaten<br />

Rondônia und Mato Grosso Waldverluste von mehr als 27%. Pará weist mit<br />

über 200.000 km 2 die höchsten absoluten Waldverluste auf, dicht gefolgt von Mato<br />

Grosso (siehe Tab. 1). In den Staaten Tocantins (89 %) und Maranhão (72 %), die über<br />

relativ “ kleine” Regenwaldflächen und einen hohen Anteil an Feuchtsavannen (campos<br />

cerrados) verfügen, treten die höchsten Prozent-Werte an Waldverlusten auf.<br />

In den letzten 25 Jahren ist eine enorme Zunahme der absoluten Waldzerstörung<br />

in Pará, Maranhão, Mato Grosso und Rondônia festzustellen. Die durchschnittlichen<br />

jährlichen Waldverluste betrugen im brasilianischen Amazonasgebiet zwischen 1978<br />

und 1988 ungefähr 21.000 km 2 , während sie in der Zeit von 1988 bis 1998 auf 16.400<br />

km 2 sanken (INPE 2000). Vorläufige Auswertungen zeigen bedauerlicherweise einen<br />

Anstieg von August 1999 bis August 2000 auf 18.500 km 2 , mit einer räumlichen Konzentration<br />

vor allem in Mato Grosso (34 %) und Pará (30 %) (INPE 2002).<br />

Die Waldflächen, die durch anthropogene Einwirkungen betroffen sind, nehmen<br />

ein weitaus größeres Ausmaß ein, als in dem Monitoring-Programm für Entwaldung<br />

des INPE aufgezeigt wird. Verursacht wird dies durch Oberflächenbrände, die außer<br />

Kontrolle geraten und in Primärwälder vordringen. Sie können bis zu 80% der Bodenvegetation<br />

zerstören, sind aber über Satellitenbilder kaum zu erkennen. Diese<br />

Oberflächenbrände, die zur Austrocknung der Waldvegetation und damit zu einer<br />

größeren Brandanfälligkeit führen, betreffen vermutlich eine Fläche, die das Doppelte<br />

der offiziell genannten vernichteten Waldfläche umfasst. In Dürrejahren sind sogar<br />

noch größere Flächen betroffen (NEPSTAD/MOREIRA/ALENCAR 1999).<br />

Holzeinschlag<br />

Im Jahre 1997 erreichte die Holzproduktion im Amazonasgebiet 28 Millionen<br />

m³. Davon wurden 75% in Pará und Mato Grosso eingeschlagen. Der Anteil des<br />

Holzexports auf ausländische Märkte beträgt allerdings nur 14,4 % des Gesamtvolumens,<br />

während 56,1% des Amazonasholzes allein im Süden und Südosten Brasiliens<br />

Absatz finden. Der Anteil von Holz aus Amazonien an der Gesamtholzproduktion in<br />

Brasilien steigerte sich in nur zwei Jahrzehnten von 14 auf 85%. Durch die Zerstörung<br />

der Regenwälder in Südostasien ist das Amazonasgebiet nun für transnationale Unternehmen<br />

Schlüsselregion für die zukünftige Ausbeutung von Tropenholz. Die illegale<br />

Holzextraktion nimmt zu und es werden pro Jahr 10.000 bis 15.000 km 2 Wald gerodet,<br />

der in den Statistiken zur Waldvernichtung nicht auftaucht (NEPSTAD et al. 1999). Da<br />

sich der Holzeinschlag sehr unkontrolliert über weite Teile des Amazonasgebietes ausbreitet,<br />

muß eine Zonierung der Holzextraktion nach ökologischen Kriterien vorgenommen<br />

werden. Vor allem müssen spezielle Gebiete ausgewiesen werden, die voll-


193


194<br />

kommen geschützt und damit streng kontrolliert werden müssen (MMA 2001).<br />

Nach dem Scheitern früherer Regierungsinitiativen zur Eindämmung zerstörerischer<br />

Formen der Waldausbeutung wurde 1997 mit der Zertifizierung begonnen,<br />

die die Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards voraussetzt und nachhaltige<br />

Waldbewirtschaftung fördern soll. Unter den Zertifizierungsinitiativen zeichnet<br />

sich der Forest Stewardship Council (FSC) aus. Heute gibt es nur eine beschränkte<br />

Anzahl an Unternehmen in Brasilien, die dieses Zertifikat des FSC erhalten haben.<br />

Nur eines dieser Unternehmen - die Schweizer Firma Cia. Mil Madeiras im<br />

Staat Amazonas - produziert Holz in den natürlichen Waldbeständen Amazoniens.<br />

Die Nachfrage nach diesen Zertifikaten hängt von der Sensibilisierung der Holzverbraucher<br />

sowie den internationalen Handels- und Marktregulierungen ab.<br />

Bundesstaaten<br />

Pará<br />

Amazonas<br />

Amapá<br />

Roraima<br />

Maranhão<br />

Tocantins<br />

Mato Grosso<br />

Rondônia<br />

Acre<br />

Amazônia Legal<br />

Tabelle 1:<br />

Regenwaldzerstörung in der brasilianischen Planungsregion Amazônia Legal<br />

(in % der natürlichen Waldfläche der Bundesstaaten)<br />

Natürliche<br />

Regenwaldfläche*<br />

(in 1000 km²)<br />

1.183,6<br />

1.531,1<br />

137,4<br />

172,4<br />

145,8<br />

30,3<br />

527,6<br />

212,2<br />

152,4<br />

4.092,8<br />

Anteil an der<br />

Staatsfläche<br />

(in %)<br />

93,8<br />

97,2<br />

98,4<br />

76,4<br />

55,7<br />

10,9<br />

58,6<br />

89,1<br />

99,7<br />

81,3<br />

1975<br />

0,7<br />

0,05<br />

0,1<br />

?<br />

?<br />

?<br />

1,1<br />

0,3<br />

0,8<br />

Regenwaldzerstörung**<br />

in %<br />

1978 1988 1990 1995<br />

4,5 11,1 12,2 14,3<br />

0,1 1,3 1,4 1,7<br />

0,1 0,6 0,9 1,3<br />

0,1 1,6 2,2 3,0<br />

43,8 62,3 64,1 67,1<br />

10,6 71,2 75,5 82,9<br />

3,8 13,6 15,8 21,3<br />

2,0 14,1 15,8 21,7<br />

1,6 5,8 6,8 8,7<br />

* Werte nach: SKOLE/TUCKER 1993, Tabelle 2, S. 1906<br />

* * Werte nach: INPE 2000 (absolute Werte der Entwaldung: eigene %-Berechnung in Relation<br />

zur natürlichen Regenwaldfläche) – Werte: 1978 (Januar), 1988 (April), 1990 ff. (August)<br />

0,6<br />

3,7<br />

9,2<br />

10,1<br />

12,1<br />

2000<br />

(inkm²)<br />

2000<br />

16,9 200.118<br />

2,0 30.322<br />

1,4 1.963<br />

3,7 6.386<br />

71,5 104.256<br />

88,6 26.842<br />

27,3 143.930<br />

27,4 58.143<br />

10,3 15.767<br />

14,4 587.727


El Niño-Ereignisse und Waldbrände in den Regenwäldern Amazoniens<br />

El Niño-Ereignisse sind im Amazonasgebiet seit 2000 Jahren bekannt (MEGGERS<br />

1994), treten allerdings in den letzten zwei Jahrzehnten immer häufiger auf. Sie<br />

sind in Amazonien mit langen Trockenperioden verbunden, die ausgedehnte Flächen<br />

betreffen. Hinzu kommen geringere Niederschläge als Ergebnis der zunehmenden<br />

Regenwaldzerstörung im Amazonasgebiet (NOBRE et al. 1991). Verbunden<br />

mit selektivem Holzeinschlag führt dies zu einer erhöhten Brandgefahr der tropischen<br />

Regenwälder, die unter normalen Bedingungen kaum brandgefährdet sind.<br />

Während der extremen Trockenheit von Juli/August 1997 bis April/Mai 1998 verursachten<br />

ausbleibende Regenfälle in weit voneinander entfernten Regionen ein<br />

enormes Niederschlagsdefizit im Vergleich zu den Regenmengen in “ durchschnittlichen”<br />

Jahren (NEPSTAD/MOREIRA/ALENCAR 1999) (siehe Fig. 4).<br />

Die Konzentration der Waldbrände auf die südlichen und östlichen Teile von<br />

Amazônia Legal zeigt die Ausmaße der Waldzerstörung, die sich in einem riesigen<br />

Bogen von Rondônia über Nord-Mato Grosso und Südost-Pará nach Maranhão<br />

erstreckt (siehe Fig. 5) und nicht nur große Mengen an CO 2 -Emissionen (FEARNSIDE<br />

1997), sondern auch eine ausgedehnte Verarmung der amazonischen Regenwälder<br />

verursacht (NEPSTAD et al. 1999).<br />

Fallstudie Roraima<br />

In einigen Regionen Amazoniens, so z.B. im nördlichsten Bundesstaat Roraima,<br />

kam es zu riesigen Bränden. Nach einer außergewöhnlichen neunmonatigen Trokkenheit<br />

hatten Flächenbrände Anfang 1998 katastrophale Folgen. Brände, um<br />

Feuchtsavannengebiete für die Rinderweidewirtschaft nutzbar zu machen, als auch<br />

Brandrodungen von Waldkolonisten sprangen auf angrenzende, durch das El Niño-<br />

Phänomen ausgetrocknete Regenwälder über. Eine Feuerfront von 115 km Ausdehnung<br />

bedrohte Ende März 1998 selbst die dichten Waldgebiete nahe des Reservats<br />

der Yanomami-Indianer (KOHLHEPP 1998b). In Roraima wurde insgesamt eine<br />

Fläche von 33.000 km 2 durch die Brände zerstört, davon waren fast 10.000 km 2<br />

Regenwälder (siehe Fig. 6). Roraima wurde zum Notstandsgebiet erklärt. Nationale<br />

und internationale Hilfsorganisationen mussten sich um die dadurch entstandenen<br />

Probleme kümmern.<br />

Als Konsequenz aus dieser Katastrophe wurden Maßnahmen zur Verringerung<br />

des Brandrisikos und neue Organisationsstrukturen und Techniken zur Brandbekämpfung<br />

sowie Ausbildungsprogramme eingeführt.<br />

Die Verwundbarkeit der amazonischen Regenwälder im Hinblick auf die El Niño-<br />

Trockenperioden nimmt stark zu. Nach einer Brandrisiko-Karte von Amazonien<br />

waren in der zweiten Jahreshälfte 1998 intakte Regenwälder in der Größenord-<br />

195


196


197


198


nung von 400.000 km 2 (dies entspricht 11,5% der heutigen bewaldeten Fläche von<br />

Amazônia Legal) brandgefährdet. Davon werden 200.000 km 2 als Gebiete mit “<br />

hohem Risiko” eingeordnet, unter ihnen weite Teile der Munizipien São Félix do<br />

Xingu, Marabá, Altamira, Santarém in Pará oder Boa Vista in Roraima.<br />

Nimmt man Roraima als Beispiel der Entscheidungsfindung im Bereich Regionalplanung<br />

und für Projekte zur Regionalentwicklung, so kann eine Reihe von<br />

potentiellen Konflikten um Landfragen festgestellt werden. Der Hauptkonflikt besteht<br />

zwischen der Bundesregierung und der Führung des Bundesstaates in der<br />

Auseinandersetzung um öffentliches Land (terras devolutas). Roraima verlangt, wie<br />

andere Staaten in Amazonien auch, daß dieses Land in das Eigentum der Regionalregierung<br />

übergeht. Roraima war bis 1988 Bundes-Territorium. Die heutige Regierung<br />

des Bundesstaates Roraima ist nur für 48% der Staatsfläche offiziell rechtlich<br />

zuständig. Reservatsgebiete, in denen indigene Gruppen leben, umfassen 45% und<br />

stehen unter der Verwaltung der FUNAI (siehe Fig. 7). Konflikte zwischen Großgrundbesitzern<br />

und der Regierung von Roraima auf der einen und indigenen Gruppen<br />

auf der anderen Seite nehmen zu. Rinderweiden und bewässerte Reisfelder,<br />

die sich wie Enklaven innerhalb des für die indianischen Stammesgruppen ausgewiesenen<br />

Landes befinden, müssten nach Meinung der Indianer aus ihren Gebieten<br />

entfernt werden. Landnutzungskonflikte zwischen Großgrundbesitzern und in<br />

den Regenwäldern angesiedelten - zutreffender wäre “ ausgesetzten” - armen Siedlern<br />

behindern die Einführung von Projekten zur nachhaltigen Regionalentwicklung<br />

bzw. von umweltverträglichen Bewirtschaftungssystemen für Kleinbauern.<br />

Die Zahl der Landlosen ist auch deshalb stark angestiegen, weil garimpeiros ihre<br />

widerrechtlich besetzten und gewaltsam verteidigten Goldschürfgebiete im<br />

Yanomami-Land nach folgenschweren Auseinandersetzungen mit den Indianern<br />

und nachfolgender militärischer Intervention Anfang der 1990er verlassen mussten<br />

(KOHLHEPP 1998a) und nun einen neuen Lebensunterhalt suchen. Die staatliche<br />

Behörde für Agrarkolonisation INCRA reguliert lediglich frühere Landbesetzungen<br />

durch Landverteilung, allerdings eher nach politischen als nach sozialen Kriterien.<br />

Technische Hilfe und Beratung fehlen völlig. Die sozialen Konflikte und Spannungen<br />

haben in Roraima - wie auch in anderen Regionen Amazoniens (z.B. Pará) - ein<br />

gefährliches Maß erreicht.<br />

Indianergebiete: Rechtliche Situation und Herausforderungen<br />

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat die brasilianische Gesetzgebung nahezu<br />

erfolglos versucht, den Besitzansprüchen der indigenen Bevölkerung auf ihren<br />

Lebensraum Rechnung zu tragen. Die brasilianische Verfassung von 1988 belebte<br />

das Schutz- bzw. Legalisierungskonzept von Indianerreservaten neu. Alle Reservate<br />

199


200


sollten rechtlich und faktisch gesichert werden. Dieser Vorgang, der nach fünf Jahren<br />

abgeschlossen sein sollte, wurde erst durch das Pilotprogramm beschleunigt<br />

(KOHLHEPP 1998a, b). Die gravierendsten Probleme sind das Eindringen von Holzfirmen,<br />

das Ausbreiten der Rinderweidewirtschaft sowie illegale Siedlungsaktivitäten.<br />

Die Umsiedlung in die Reservate eingedrungener nicht-indigener Bevölkerung ist<br />

extrem kompliziert und kostspielig, so daß eine gesetzliche Regelung für Indianerschutzgebiete<br />

dringend als notwendige Handlungsgrundlage für die Zukunft angesehen<br />

werden muss. Dieser laufende Prozess umfasst Identifizierung, Grenzfestlegung,<br />

Demarkierung, rechtliche Sicherung und Registrierung der Reservate. Neue Planungskonzepte<br />

für eine nachhaltige Entwicklung berücksichtigen die traditionellen<br />

Lebensformen und lokal angepassten Formen zur Ressourcennutzung, wie sie von<br />

indigenen Gemeinschaften praktiziert werden (PASCA 1998; POSEY 2000).<br />

Die Gesamtfläche der Indianergebiete beträgt ca. 82 Millionen Hektar, d.h. 16,4%<br />

der Fläche von Amazônia Legal (siehe Fig. 8). Als die Einrichtung von Indianerschutzgebieten<br />

1994/1995 im Rahmen des PPG-7-Programms (Projekt PPTAL) aufgenommen<br />

wurde, waren nur etwa 50% der Reservate gesetzlich gesichert. In den<br />

letzten Jahren nahm die indigene Bevölkerung, die um 1500 in Brasilien auf ungefähr<br />

5 Millionen Menschen geschätzt wurde, in Amazonien von einem absoluten<br />

Minimum in den 1980er Jahren langsam bis auf etwa 300.000 heute zu. Schätzungsweise<br />

2.000 Indianer leben bis heute von der Außenwelt isoliert und damit<br />

ohne Kontakt mit der “ modernen” brasilianischen Gesellschaft.<br />

Laufende Demarkierungen der Reservate werden in vielen Fällen unter aktiver<br />

Beteiligung der indianischen Stammesgruppen durchgeführt. Dies hat zu einer<br />

besseren Eigenkontrolle über ihr Land und zu einer Stärkung indigener Organisationsstrukturen<br />

geführt. Technische Hilfestellung von Nichtregierungs-Organisationen<br />

(NRO) und Unterstützung durch die GTZ unter der Aufsicht von FUNAI<br />

helfen, den Demarkierungsprozess umzusetzen (KASBURG/GRAMKOW 1999) und den<br />

ständig bedrohten Lebensraum der indigenen Bevölkerung zu schützen.<br />

Eines der Beispiele für ein Indianerschutzgebiet, das schon vor einigen Jahrzehnten<br />

rechtlich gesichert und abgeschirmt wurde, ist der Parque Indígena do<br />

Xingu, ein Nationalpark in Mato Grosso (HARTMANN 1989). Er trägt zum Schutz der<br />

kulturellen Identität der dort lebenden indigenen Bevölkerung bei. Ihr Gebiet ist<br />

nicht nur ihr Lebensraum, in dem sie durch eine nachhaltige Nutzung zum Schutze<br />

der natürlichen Ressourcen beitragen, sondern auch eine Quelle für das traditionelle<br />

indigene Wissen. Wie Fig. 9 zeigt, sind die Pionierfronten in den letzten Jahren<br />

immer näher an den Xingu-Nationalpark herangerückt. Die Brandrodungsaktivitäten<br />

der Rinderzüchter zur Weidelandgewinnung im Osten und der Holzeinschlag<br />

mit einem dichten Netz von Erschließungsstraßen zwischen der Bundes-<br />

201


202


203


204<br />

straße Cuiabá-Santarém (BR-163) und der Parkgrenze im Westen lassen den Nationalpark<br />

bald wie eine Insel erscheinen, die ohnehin schon im Norden durch die<br />

BR-080 in Mitleidenschaft gezogen wurde.<br />

Das Entwicklungsprogramm<br />

“ Avança Brasil”<br />

Seit der Einführung des aus ökologischer und sozialer Sicht beispielhaften “<br />

Internationalen Pilotprogramms zum Schutz der tropischen Regenwälder Brasiliens“<br />

(PPG-7) Anfang der 90er Jahre haben sich die staatlichen Regionalplanungs-<br />

Aktivitäten im Amazonasgebiet aber auch in eine andere Richtung entwickelt. Einerseits<br />

gibt es aufgrund des Pilotprogramms und als Ziel der Regionalpolitik die<br />

Verpflichtung, eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen und den Lebensraum der<br />

lokalen Bevölkerung und die Umwelt zu schützen. Andererseits konzentrieren sich<br />

die Ziele der brasilianischen Regierung in den kommenden Jahren hauptsächlich<br />

auf die Verbesserung der Infrastruktur, ein forciertes regionales Wirtschaftswachstum<br />

und die Marktintegration.<br />

Die neue integrierte Entwicklungspolitik für Amazônia Legal hat die Konsolidierung<br />

der Situation in Amazonien zum Ziel und plant entscheidende Schritte zu<br />

einer nachhaltigen Ressourcennutzung unter Einbeziehung der Interessen der<br />

dort lebenden Bevölkerung durch Maßnahmen zur Dezentralisierung sowie Partizipation<br />

der zivilen Gesellschaft. Dies stellt einen grundlegenden Unterschied zum<br />

Programm „Brasilien in Aktion“ (1997 - 99) und seiner Ausweitung zu dem aktuellen<br />

Megaprogramm „Avança Brasil“ (“ Vorwärts Brasilien”) dar. „Avança Brasil“ ist<br />

das neue Entwicklungsprogramm der brasilianischen Regierung für 2000-2003 mit<br />

Planungsperspektiven bis 2007 (MPBM 1999, BNDES 2000). Die enormen privaten<br />

wirtschaftlichen Interessen, die bei diesem Programm eine Rolle spielen, stellen ein<br />

ernstzunehmendes Konfliktpotential von großer regionaler Bedeutung dar.<br />

Um die infrastrukturelle Planung zu verbessern, hat die brasilianische Regierung<br />

eine umfangreiche Analyse der integrierten Entwicklungsregionen in Brasilien<br />

durchgeführt und dabei Hunderte von Projekten evaluiert, die ein Potential für<br />

eine schnellere zukünftige wirtschaftliche und soziale Entwicklung besitzen (MPBM<br />

1999). Eine Vielzahl dieser Infrastrukturprojekte bietet Investitionsmöglichkeiten<br />

für private Unternehmen mittels Privatisierungen, joint ventures oder anderen Formen<br />

der Partizipation. Die Projekte wurden in Gruppen bewertet, um mögliche<br />

Synergieeffekte zu identifizieren. Außerdem wurden sie im Gesamtkontext der neun<br />

größten Entwicklungsregionen, der sogenannten ‘Nationalen Integrations- und


Entwicklungsachsen“ (in Brasilien ENID genannt) analysiert. Diese “ Entwicklungsregionen”<br />

haben eine “ regionale Identität”, eine - aus der Sicht der Planer - “<br />

bestimmte wirtschaftliche Eignung” und sind Teil einer geostrategischen Langzeitvision<br />

zur nationalen Entwicklung. Die wichtigsten Projekte umfassen in Amazonien<br />

40 Milliarden US $ und ein gesamtes Investitionspotential von 180 Milliarden US$ in<br />

Brasilien im Zeitraum 2000 bis 2007.<br />

Die brasilianische Regierung plant durch das ‘Avança BrasilA-Programm speziell<br />

in der Amazonasregion außerordentlich umfangreiche Investitionen in Entwicklungsprojekte.<br />

Die Regierungsziele für die kommenden Jahre schließen eine<br />

Verdopplung der asphaltierten Straßen, den Bau von Wasserstraßen, Häfen, Eisenbahnlinien<br />

und Wasserkraftwerken ein.<br />

Für das Amazonasgebiet gibt es vier Gruppen von Projekten (MPBM 1999;<br />

KOHLHEPP 2001b):<br />

1. Internationale Integration der Nordregion<br />

2. Infrastruktur in der Madeira-Amazonas-Region<br />

3. Infrastrukturprojekte in Zentralbrasilien<br />

4. Wasserkraftwerke und Leitungsnetz zur Stromversorgung.<br />

1. Roraima und Amapá, die zwei nördlichsten Staaten, wurden durch befestigte<br />

Straßen mit den Nachbarländern verbunden. Dies verändert die Situation zu<br />

einem neuen geopolitischen Szenario. Manaus kann von Caracas aus mit Lastkraftwagen<br />

erreicht werden. Außer dem beträchtlichen Holzschmuggel nach<br />

Venezuela erhofft man sich natürlich ein Wachstum des regionalen Handels,<br />

denn die Freihandelszone Manaus ist ein wichtiger Produzent elektronischer<br />

Haushaltsgeräte. Eher schwierig erscheint das Ziel der Regierung, den<br />

Ökotourismus im Amazonasgebiet zu entwickeln. Dies erfordert sehr viel Erfahrung<br />

und einen speziell interessierten Kundenkreis.<br />

Die Asphaltstraße von Macapá (Amapá) nach Cayenne (Französisch-Guyana)<br />

soll ergänzt werden durch eine Verbindungsachse Boa Vista (Roraima) nach<br />

Georgetown (Guyana). Trotz militärischer Kontrolle in der nördlichen<br />

Grenzregion steht eine Ausweitung des Drogenhandels von der Amazonasregion<br />

als Zwischenstation zu den Häfen und Flughäfen an der Karibik-Küste<br />

und am Atlantik unmittelbar bevor. Die 700 km lange Fernleitung (230 kV) von<br />

Gurí (Venezuela) nach Boa Vista (Roraima/Brasilien), die als erstes großes grenzüberschreitendes<br />

Energieprojekt in Nordbrasilien im Jahre 2000 fertiggestellt<br />

wurde, wird die Energieversorgung von Boa Vista stark verbessern.<br />

2. Hauptziel der infrastrukturellen Planung dieser Gruppe von Projekten ist es, den<br />

vernetzten Transport von Agrarprodukten zu ermöglichen, indem Wasserstra-<br />

205


206<br />

ßen mit Straßen-Verkehrsachsen verbunden werden. Die Wasserstraße des Rio<br />

Madeira, die ganzjährig durch moderne Lastkähne befahrbar ist, wurde mit<br />

sehr geringem finanziellen Aufwand modernisiert und wird für den Sojatransport<br />

mittels Schleppkähnen von bis zu 6000 t Fracht flussabwärts nach Itacoatiara<br />

am Amazonas, östlich von Manaus, immer wichtiger. Von dort aus ist es möglich,<br />

Soja mit Hochseefrachtern (bis 80.000 GRT) auf den europäischen Markt zu<br />

exportieren. Im Vergleich zu den Häfen in Paranaguá und Santos, die über 2000<br />

Straßenkilometer entfernt im Süden und Südosten Brasiliens liegen, wird durch<br />

den direkten Abtransport nach Norden viel Zeit und Geld gespart.<br />

Zusammen mit der Erneuerung der BR-364 (Cuiabá - Porto Velho) und dem<br />

Ausbau der BR-163 (Cuiabá-Santarém) ist das steigende Transportaufkommen<br />

auf den Wasserwegen durch die schnell zunehmende Sojaproduktion und die<br />

Rinderweidewirtschaft von Mato Grosso nach Norden ausgerichtet. Heute wird<br />

die Sojaproduktion in dieser Region auf ungefähr 6,5 Millionen Tonnen geschätzt,<br />

die Produktion von Mais auf 1,4 Millionen Tonnen und der Rinderbestand<br />

auf 18 Millionen Stück.<br />

Der Boom der Agroindustrie läßt in Porto Velho, der Hauptstadt von Rondônia,<br />

ein neues Hafenzentrum entstehen, mit 1,6 Millionen Tonnen Umschlag und<br />

einem neuen Container-Terminal im Bau.<br />

Durch die Verbesserungen im Fernstraßen-System in Mato Grosso und Rondônia<br />

wird der Verkehr von Südbrasilien zur Freihandelszone in Manaus sukzessive<br />

von der herkömmlichen Route Brasília - Belém nach Porto Velho verlegt. Dies<br />

ermöglicht, daß Fracht aus Manaus – wie zum Beispiel Haushaltsgeräte - auf<br />

dem Rückweg nach Süden und Südosten transportiert wird.<br />

Die Hauptinteressen des Infrastrukturprojekts liegen in der Asphaltierung der 490<br />

km langen Strecke von Sena Madureira nach Cruzeiro do Sul auf der BR-364 in<br />

Acre – mit der Vorstellung, daß man in Zukunft den Pazifik auf dem Landweg<br />

erreichen könnte – und der Reaktivierung der zur Zeit unpassierbaren Strecke<br />

von Porto Velho nach Manaus (BR-319). Die höchst fragliche Wiedereröffnung<br />

der Straßenverbindung nach Manaus scheint mit Blick auf die Wasserstraße des<br />

Madeira unnötig zu sein. Die Verbesserung der Straßen im Gebiet des Rio Purús<br />

haben ebenfalls die Verbindung von Wasser- und Straßentransport zum Ziel.<br />

Erwähnenswert ist noch, dass es bis heute keine offiziellen Pläne zur<br />

Asphaltierung der Straße Cuiabá - Santarém (BR-163) im Rahmen des Programms<br />

„Avança Brasil“ gibt. Aber es erscheint zweifelhaft, ob auf Druck von wirtschaftlichen<br />

und regionalen Interessengruppen – v.a. Holzfirmen – dieses Ziel nicht<br />

doch zwischen der Grenze von Mato Grosso und Pará sowie Santarém angestrebt<br />

werden wird.


Während es einerseits als positives Signal gewertet werden kann, dass es keine<br />

neuen Straßen durch Regenwaldgebiete geben wird, ist andererseits durch das<br />

Projekt der Erdgasleitungen von den natürlichen Erdgasvorkommen am Rio<br />

Urucu nach Porto Velho (500 km) und von Coari nach Manaus (420 km), zur<br />

Versorgung der geplanten Wärmekraftwerke in Porto Velho (330 MW) und<br />

Manaus (540 MW), ein enormer Eingriff in den indigenen Lebensraum West-<br />

Amazoniens zu befürchten.<br />

3. Obwohl die Entwicklungsprojekte des “ Avança Brasil”-Programms in Zentralbrasilien<br />

außerhalb der Planungsregion Amazônia Legal realisiert werden, sind<br />

die direkten und indirekten Auswirkungen im südlichen Amazonien spürbar.<br />

Da die Ausbreitung der Agrarwirtschaft auf dem Planalto Central immer noch<br />

anhält, muß die Infrastruktur für den Transport zu den wichtigsten nationalen<br />

Märkten und Häfen verbessert werden. Ferronorte, ein Eisenbahnprojekt mit<br />

fast kontinentalen Dimensionen, soll dafür sorgen, daß Südwest- und<br />

Zentralamazonien mit dem schon in Richtung Küste existierenden Eisenbahnnetz<br />

verbunden werden. Ferronorte besitzt eine Konzession der brasilianischen<br />

Bundesregierung und ist ein privat finanziertes Projekt, dessen erster Streckenabschnitt<br />

von 410 km vom Rio Paraná nach Nordwesten Ende 1999 fertiggestellt<br />

wurde. Dies vervollständigt ein multimodales System, das für den Fernverkehr<br />

die Alternative zwischen Wasserweg und Eisenbahn bietet.<br />

4. Die Hauptprojekte im nördlichen Teil Zentralbrasiliens sind Wasserkraftwerke<br />

am Rio Tocantins und Stromleitungen, die 1999 fertiggestellt wurden und die<br />

die Wasserkraftwerke des Nordens - einschließlich des Ausbaus von Tucuruí<br />

und dem Einbau von Schleusen - mit denen des Mittelwestens durch ein 1.300<br />

km langes Überlandleitungsnetz mit 500 kV verbinden. Eine Reihe von mit Schleusen<br />

ausgestatteten Wasserkraftwerken am Rio Tocantins befindet sich im Bau<br />

bzw. sind geplant (KOHLHEPP 2002). Sie werden zusätzlich 5.000 MW Kapazität für<br />

die Regionalentwicklung des 1988 gegründeten Staates Tocantins bringen, der<br />

zu einem neuen “ El Dorado” für agroindustrielle Aktivitäten wurde. Die laufende<br />

Privatisierung des Elektrizitätssektors bietet die Möglichkeit, neue Kraftwerke<br />

mit Hilfe von privaten Investitionen und langfristigen Konzessionen zu bauen.<br />

Für die Wasserstraße Araguaia-Tocantins, mit einem Dutzend Häfen, sind im<br />

Budget von „Avança Brasil“ nur der Bau des Santa Isabel-Kanals und von Schleusen<br />

zur Umgehung der Stromschnellen berücksichtigt. Betont werden muß,<br />

daß die Bauarbeiten für die geplanten Wasserwege Araguaia-Tocantins und<br />

Teles Pires-Tapajós von der Umweltbehörde IBAMA wegen zu hohem Umweltrisiko,<br />

Unstimmigkeiten in den vom Verkehrsministerium herausgegebenen Studien<br />

und vielfältigen Fehlern bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (FEARNSIDE<br />

207


208<br />

2001) gestoppt werden mußten. Der offizielle Konflikt um diese Projekte wurde<br />

von umfangreichen Protesten der betroffenen indigenen Gruppen begleitet.<br />

Perspektiven und Zwänge:<br />

Amazoniens ungewisse Zukunft<br />

Angesichts der aktuellen regionalen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Maßnahmen,<br />

die von der Regierung im “ Avança Brasil”-Programm in Amazonien durchgeführt<br />

werden oder geplant sind, muß ein extrem scharfer Gegensatz zu dem auf Nachhaltigkeit<br />

ausgerichteten Pilotprogramm zur angepassten Nutzung der Ressourcen in Regenwaldgebieten<br />

zum Wohle der Bevölkerung Amazoniens festgestellt werden.<br />

Die Terminologie des Planungsministeriums in „Avança Brasil“ - wenn von „nationalen<br />

Entwicklungsachsen“ gesprochen wird und bei regionaler Entwicklung<br />

nur das Wirtschaftswachstum zählt -, erinnert an das Programm der Militärregierung<br />

zur Inwertsetzung der amazonischen Peripherie in den 1970er Jahren mit<br />

dem nationalen Integrationsprogramm (PIN).<br />

Mit Blick auf die Höhe der Investitionen, die zu zwei Dritteln öffentliche Mittel<br />

umfassen und die finanziellen Ressourcen des Pilotprogramms um ein Vielfaches<br />

übertreffen, ist es äußerst wichtig, die Umweltverträglichkeitsprüfung (in Brasilien<br />

EIA und Bericht über Umweltbelastungen RIMA) der geplanten und das Monitoring<br />

der laufenden Projekte unter Anlegung von strengen Maßstäben durchzuführen.<br />

Das „Avança Brasil“ -Programm ist der Versuch einer konservativen Modernisierung<br />

ohne jegliche umweltrelevante oder soziale Komponente (BECKER 2001).<br />

In Zeiten, in denen „bottom-up“ – Entwicklungen und Dezentralisierung in allen<br />

Bereichen eine Rolle spielen, mutet es seltsam an, wieder mit „top-down“ Strategien<br />

konfrontiert zu werden, die weder ökologisch angepasst sind, noch die Grundbedürfnisse<br />

der regionalen Bevölkerung berücksichtigen. Die Kluft zwischen der<br />

Planungsideologie des politisch sehr starken Planungsministeriums auf der einen<br />

und dem Umweltministerium auf der anderen Seite ist sehr groß.<br />

Der für die regionale Entwicklung im Amazonasgebiet zuständigen Bundesbehörde<br />

SUDAM war es nie erlaubt, Regionalplanung selbstbestimmt und partizipativ<br />

zu gestalten und die regionale Entwicklung dem entsprechenden endogenen<br />

Potenzial anzupassen. Im Gegenteil, während der Militärherrschaft wurden nationale<br />

Ziele bezüglich des Wirtschaftswachstums im Sinne einer zentrumsorientierten<br />

Inwertsetzung Amazoniens durchgesetzt. SUDAM wurde später immer mehr zum<br />

Instrument für lokale wirtschaftliche Interessengruppen. Seit den 1980er Jahren<br />

verlor SUDAM - wie andere Regionalentwicklungsbehörden - sehr stark an Bedeu-


tung. In den letzten Jahren kam SUDAM wegen Betrugs und Korruption, die von<br />

der Bundespolizei aufgedeckt wurden, in die Schlagzeilen. Selbst führende Politiker<br />

sind in diesen Skandal, bei dem es um einige Milliarden Reais geht, involviert. Im<br />

Mai 2001 wurde SUDAM vom Staatspräsidenten aufgelöst und durch eine neue<br />

Behörde namens ADA (Agência do Desenvolvimento da Amazônia) ersetzt, die<br />

hoffentlich nun streng überwacht wird, deren Leitziele und Handlungsspielraum<br />

aber noch nicht beurteilt werden können.<br />

Die G7-Staaten sind einerseits Geldgeber für ein innovatives Umweltschutzprogramm,<br />

das mit dem Schutz der tropischen Regenwälder verbunden ist, gleichzeitig<br />

fördern sie aber andererseits auch – zumindest die europäischen G7-Staaten<br />

und Japan – direkt und indirekt die Ausdehnung der Sojaproduktion an der nördlichen<br />

Pionierfront in Zentralbrasilien von den Feuchtsavannen in die Regenwaldgebiete.<br />

Dies wird in Brasilien durch öffentliche und private Mittel für Infrastruktur-<br />

und Agrarforschungsprojekte unterstützt. Da der europäische Markt nach<br />

der BSE-Krise zum Ersatz von Tiermehl mehr pflanzliches Tierfutter benötigt, das<br />

reich an Proteinen ist, wird der Export von bis jetzt gentechnisch noch nicht veränderter<br />

Soja aus Brasilien einen neuen Boom erleben.<br />

Sojafarmer sind unter dem Konkurrenzdruck der Nachbarländer Brasiliens und<br />

den Absatzmöglichkeiten auf dem Weltmarkt dabei, den mechanisierten Sojaanbau<br />

auf Gebiete auszudehnen, die von an neue Pionierfronten verdrängten Kleinbauern<br />

bewirtschaftet wurden. Aufgrund der massiven infrastrukturellen Maßnahmen,<br />

die zum Transport der Sojaernte und der Agrochemikalien notwendig sind,<br />

stellt die Sojaproduktion eine Gefahr für die Biodiversität der tropischen Regenwälder<br />

dar (FEARNSIDE 2001). Kosten und Nutzen der Sojaproduktion müssen<br />

systematisch analysiert werden, und das Risiko eines Preisverfalls aufgrund einer<br />

Überproduktion in Südamerika muß ebenfalls mit einbezogen werden.<br />

In dem Programm „Avança Brasil“ wird die Planungsregion Amazônia Legal in<br />

Subregionen unterteilt. Eine neue Makrozonierung hat sich entwickelt, die durch<br />

die bestehenden Entwicklungsachsen bestimmt wird. Offensichtlich ist, dass Rinderweidewirtschaft,<br />

Subsistenzwirtschaft und Holzeinschlag nicht auf einen 50 km breiten<br />

Streifen rechts und links der Straßen beschränkt bleiben werden, sondern dass<br />

dies weitreichende Auswirkungen - so z.B. weitere Entwaldung und ein Ansteigen<br />

des Brandrisikos – auf die Umwelt hat.<br />

Im südlichen und östlichen Teil Amazoniens dominieren Infrastrukturprojekte,<br />

Siedlungssysteme, Agrarproduktion und Rinderweidewirtschaft im Großgrundbesitz<br />

und lassen Konflikte mit Kleinbauern und Squattern (posseiros) entstehen. In<br />

den Subregionen Amazônia Meridional und Oriental geht Produktion vor Waldschutz,<br />

und soziale Maßnahmen wären dringend notwendig (siehe Fig. 10).<br />

209


210


Innerhalb einer neuen Raumordnung bleiben zwei Hauptregionen<br />

(BECKER 2001):<br />

1. Amazônia Central, das hauptsächlich den Staat Pará und den Osten des Staates<br />

Amazonas umfasst, von Transportachsen südlich des Amazonas durchzogen<br />

wird und verschiedene Indianerreservate und Schutzgebiete aufweist. Die Verwundbarkeit<br />

dieser Region ist sehr hoch, da sie durch das Vordringen der<br />

Agroindustrie vom südlichen und östlichen Amazonien und Infrastrukturprojekte<br />

im Rahmen von „Avança Brasil“ stark unter Druck gerät (siehe Fig. 10).<br />

Das Ziel für eine zukünftige Entwicklung muß die Vereinbarung von Nutzung<br />

und Erhaltung sein. Das Gebiet nördlich des Amazonas sollte größtenteils als<br />

Naturschutzgebiet ausgewiesen werden.<br />

2. Amazônia Ocidental, die große Region westlich der zentralen Achse Rio Branco-<br />

Porto Velho-Manaus-Boa Vista gelegen, weist bis jetzt eine sehr niedrige<br />

Entwaldungsrate auf und sollte deshalb für Schutzmaßnahmen vorgesehen werden.<br />

Große Indianerreservate, die Einrichtung des sogenannten zentralen ökologischen<br />

Korridors entlang des Rio Solimões und neue Schutzgebiete wie die “ Reservate<br />

für nachhaltige Entwicklung“ müssen gegen jegliche Entwicklungseuphorie<br />

geschützt werden. Dies könnte mit Hilfe des SIVAM-Programms - die satellitengestützte<br />

Radarüberwachung Amazoniens – durchgeführt werden, was auch der<br />

besseren Kontrolle des wachsenden Drogenhandels dienen würde. Keine Straße<br />

und kein Großprojekt sollte in dieser Region erlaubt werden (siehe Fig. 10).<br />

In Brasilien wird zunehmend befürchtet, daß aufgrund des Plan Colombia,<br />

der in Kolumbien dem Cocaanbau, der Kokainproduktion und den Drogenkartellen<br />

mit militärischer Unterstützung der USA den Kampf ansagt, ein verstärktes<br />

Einsickern der Drogenmafia in das westliche und nordwestliche brasilianische<br />

Amazonasgebiet erfolgen wird.<br />

Die traditionelle geopolitische Vorstellung von Amazonien als einem riesigen<br />

menschenleeren Raum, die sich in den Programmen zur Regionalentwicklung<br />

der letzten Jahrzehnte widerspiegelt, ist ein fundamentaler Irrtum. Heute konkurrieren<br />

das Konzept der Nachhaltigkeit als einzige akzeptable Alternative für eine<br />

zukünftige Entwicklung (ANDERSON 1990; GOODMAN/HALL 1990, CLÜSENER-GODT/SACHS<br />

1995; HALL 2000, u.a.) und das Konzept der „productive conservation“ (HALL 1997)<br />

mit dem meist zerstörerischen Entwicklungsansatz von Großprojekten und -<br />

programmen in Amazonien.<br />

Außerdem bedroht der Vorschlag der Vertreter der Großgrundbesitzer im brasilianischen<br />

Kongress, die Forstgesetzgebung (Código Florestal) aufzuheben, die verlangt,<br />

daß private Besitzer 80% ihres Landes in Amazonien waldbedeckt belassen müssen,<br />

massiv die Regenwälder Amazoniens. Im Gegensatz zur CONAMA (Conselho Nacional<br />

211


212<br />

de Amazônia) und dem brasilianischen Umweltministerium versuchen die Fürsprecher<br />

der fazendeiros den vorgeschriebenen Waldanteil auf mindestens 50 %, möglichst<br />

aber auf 20 % zu senken, um das Amazonasgebiet für die Agrarwirtschaft zu “ öffnen”.<br />

Da die Entscheidung durch den Kongress schon mehrmals verschoben wurde und<br />

dadurch die Diskussionen immer noch andauern, hält der Kampf zwischen dem auf<br />

Regenwaldzerstörung basierenden traditionellen Modell der Regionalentwicklung und<br />

dem neuen Ziel der nachhaltigen Nutzung der Waldressourcen an.<br />

Da die Entwaldung einen entscheidenden Beitrag zum Treibhauseffekt liefert -<br />

die Zerstörung jeden Hektars Wald setzt beinahe 200 metrische Tonnen von CO – 2<br />

äquivalentem Kohlenstoff frei –, könnten in Zukunft Gelder, die an die Entwicklungsländer<br />

für die Absorption von Kohlenstoff durch Wälder gezahlt werden und<br />

die im Protokoll von Kyoto diskutiert werden, eine entscheidende Rolle zum Schutz<br />

der Regenwälder spielen (LAURANCE et al. 2001a, b; FEARNSIDE 1997, 2000). Das Thema<br />

Regenwälder als CO 2 -”Senken” wird bisher noch sehr kontrovers diskutiert.<br />

Nach drei Jahrzehnten der Regionalplanung in den amazonischen Regenwaldgebieten<br />

sollte diese Region nicht länger als Experimentierfeld für ökologisch<br />

und sozial unangepasste “ Entwicklungsmodelle” benutzt werden. Erfahrungen,<br />

die in den letzten 30 Jahren und seit dem Beginn des Pilotprogramms gemacht<br />

wurden, sollten primär von Politik und Planungsinstitutionen auf Bundes- und<br />

Bundesstaatsebene genutzt werden, um eine nachhaltige Entwicklung anzustreben<br />

und zukünftig auch garantieren zu können.<br />

Die Reform traditioneller Regionalplanung und Landnutzung in Form der Ansiedlungspolitik<br />

der Bundesbehörde für Kolonisation und Agrarreform (INCRA),<br />

die weiterhin Siedlern unter höchst prekären Umständen in Amazonien Land zuweist,<br />

muß dringend in Angriff genommen werden. Die Kolonisationsprojekte haben<br />

aus den Fehlern früherer Ansiedlung keine Konsequenzen gezogen und sind<br />

aus der Sicht nachhaltiger Entwicklung kontraproduktiv. Die Probleme der Landlosen<br />

in Brasilien können nicht mit einer unkoordinierten Niederlassung im<br />

Amazonasgebiet gelöst werden. Die Interessenkonflikte zwischen den sozialen Akteuren<br />

an der Pionierfront dürfen nicht zu Lasten des bereits geschrumpften Lebensraums<br />

der indigenen Bevölkerung gehen. Die Sicherung der heute mehr denn<br />

je notwendigen Reservate muss als Minimalziel aller Maßnahmen zur Regionalentwicklung<br />

gewährleistet werden.<br />

Heute steht Amazonien bezüglich der Regionalpolitik “ am Scheideweg” (HALL 2000).<br />

Es ist zu hoffen, daß politische Entscheidungen und regionale Selbstverantwortung<br />

trotz des starken Drucks der Wirtschafts-Lobbies ein nachhaltiges Ressourcen-Management<br />

fördern und immer mehr an Bedeutung bei der Verbesserung der Lebensverhältnisse<br />

der überlebensorientierten regionalen sozialen Gruppen gewinnen. Die Ver-


meidung einer schnellen ökologischen und sozio-ökonomischen Degradierung in<br />

Amazonien dient dem Wohl der indigenen und neobrasilianischen Regionalbevölkerung<br />

und dem Schutz der reichen Biodiversität amazonischer Ökosysteme.<br />

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Gerd Kohlhepp, Prof.Dr., M.A., geb. 1940, Studium der Geographie, Geologie, Ur- und Frühgeschichte<br />

und Volkswirtschaft. 1964 bis 1972 Assistent an der Universität Heidelberg, 1972 Habilitation,<br />

1972 bis 1978 Lehrstuhl für Kulturgeographie an der Univ.Frankfurt, seit 1978 für Wirtschafts- und<br />

Sozialgeographie an der Universität Tübingen.<br />

1993 bis 2001 Mitglied der International Advisory Group der Weltbank, der G7-Länder und Brasiliens<br />

im Pilotprogramm zur Erhaltung der tropischen Regenwälder Brasiliens.<br />

2001 Ausländisches Mitglied der Brasilianischen Akademie der Wissenschaften.<br />

Zahlreiche Publikationen.


Staden- bzw.<br />

Martius-Staden-Jahrbuch<br />

Jahrgänge 1 bis 47/48<br />

(1953 bis 2000)<br />

Beiträge nach Sachgebieten und Autoren geordnet<br />

Joachim Tiemann<br />

Resumo: O trabalho consiste numa hemeroteca, enunciando a ordem<br />

temática dos autores de todas as edições do anuário.<br />

Abstract: Tiemann submits a systematical checklist of the contents of the<br />

yearbook’s past editions, based on subject matters and authors.<br />

Vorbemerkung<br />

(São Paulo)<br />

Das Staden-Jahrbuch erscheint seit dem Jahre 1953 und ist zuletzt Anfang 2001<br />

als Band Nr. 47/48 ausgegeben worden. Ein Teil sind Doppelbände. Insgesamt liegen<br />

34 Bände mit rund 450 Beiträgen auf etwas über 7200 Seiten vor.<br />

Der Haupttitel der Reihe wurde gemäß einer Modifizierung des Institutsnamens<br />

mit dem Band 45/46 verändert in „Instituto Martius-Staden. Jahrbuch“ . Der Untertitel<br />

„Beiträge zur Brasilkunde“ wurde fallengelassen. Das Grundprogramm der Reihe<br />

ist geblieben – mit geringen Abweichungen.<br />

Es wurde von seinem ersten Herausgeber Egon Schaden, einst Ethnologe an<br />

der Staatsuniversität von São Paulo(USP), unter der Überschrift „Zum Geleit“ im<br />

Band 1(S.5.) wie folgt umschrieben:<br />

„Das Staden-Jahrbuch will einen Einblick in brasilianisches Wesen vermitteln<br />

und wendet sich an den deutschsprachigen Leser. Es berücksichtigt nur Themen,die<br />

Brasilien, das Land und seine Menschen, zum Gegenstand haben, eine Beschränkung,<br />

die den vielfältig dargebotenen Stoff sogleich als Einheit erscheinen läßt....“ .<br />

Wie weit die Reihe diesem Programm entspricht und dem, was Schaden weiterhin<br />

vor allem zur „Brasilkunde“ sagt, mag an anderer Stelle untersucht werden.<br />

Hier und jetzt ist festzustellen, dass es ihr inzwischen an Les- und Benutzbarkeit<br />

217


218<br />

mangelt. 34 Bände, über 7000 Seiten: Wenn man der Ansicht ist, dass die Jahrbücher<br />

insgesamt ein wichtiges Ergebnis deutsch-brasilianischer Gemeinsamkeit darstellen,<br />

muss man sie überblickbar zu machen versuchen. Ein Ansatz dazu findet<br />

sich in Band 41, Seite 218ff.. Es ist ein „Index sämtlicher Veröffentlichungen in Staden-<br />

Jahrbüchern, alphabetisch nach Verfasser und Titel geordnet.“ Hier läßt sich also<br />

im Überblick entnehmen, welche Autoren im Jahrbuch publiziert haben. Was aber<br />

fehlt, und mit dem Anwachsen der Reihe in immer stärkerem Maße, das ist ein<br />

thematisches Register.<br />

Dieses wird hier vorgelegt.<br />

Es ermöglicht eine Sachorientierung über die 34 Bände hinweg und damit für<br />

den wissenschaftlich orientierten Leser eine Anknüpfung an Themen. Es erspart<br />

das zeitraubende Suchen in 34 Inhaltsverzeichnissen und macht die Reihe auch im<br />

Ganzen wieder benutzbar.<br />

Dazu einige praktische Hinweise:<br />

1. Die Gliederungsprinzipien sind aus dem Material selber heraus entwickelt worden,<br />

folgen also keinen systematischen Gesichtspunkten.<br />

2. Bei manchen Beiträgen bleibt die Zuordnung zweifelhaft.<br />

3. Vereinzelt hat sich eine doppelte Zuordnung als angezeigt erwiesen.<br />

4. Die Ziffern vor dem Doppelpunkt am Ende der Zeilen bezeichnen die Bandnummer,<br />

die nach dem Doppelpunkt die Seitenzahl.<br />

5. Nach dem thematischen Verzeichnis folgt eine Auflistung der Bandnummern<br />

und des jeweiligen Erscheinungsjahres.


Gliederung<br />

1. Geschichte ................................................................................ 220<br />

1.1. Geschichte Brasiliens ................................................................... 220<br />

1.2. Deutsche in der Geschichte Brasiliens ........................................ 220<br />

1.3. Einwanderung – Auswanderung ................................................ 222<br />

1.4. Lokalgeschichte ........................................................................... 224<br />

2. Wirtschaft . ............................................................................... 225<br />

3. Kultur . ....................................................................................... 226<br />

3.1. Bildungswesen ............................................................................. 226<br />

3.2. Schulen, Clubs .............................................................................. 226<br />

3.3. Wissenschaft, Wissenschaftliche Zusammenarbeit ..................... 226<br />

3.4. Literatur, Kunst, Musik, Theater ................................................... 228<br />

3.5. Sprache, Presse............................................................................. 230<br />

3.6. Sport ............................................................................................. 230<br />

4. Anthropologie, Ethnologie . ................................................ 231<br />

4.1. Indianerforschung ....................................................................... 231<br />

4.2. Probleme der Rassenmischung .................................................... 232<br />

4.3. Religionen, Kirchen, Kulte............................................................ 232<br />

5. Entwicklungshilfe, Sozialarbeit . ...................................... 233<br />

6. Amazonasgebiet ....................................................................... 233<br />

7. Personen .................................................................................... 233<br />

7.1. Staden .......................................................................................... 233<br />

7.2. Martius .......................................................................................... 234<br />

7.3. Nachrufe, Würdigungen.............................................................. 235<br />

8. Staden-Institut ........................................................................ 236<br />

9. Verschiedenes . ........................................................................ 236<br />

219


220<br />

1.1. Geschichte Brasiliens<br />

1. Geschichte<br />

ANDRÄ, Helmut, Der Brief des Pero Vaz de Caminha über die<br />

Entdeckung Brasiliens 1500 .................................................................................... 4: 67<br />

ders. Der Patriarch der Unabhängigkeit Brasiliens und die Deutschen ............... 11/12: 155<br />

BEGRICH, Martin, Villegaignon und die Hugenotten in der Guanabarabucht .......... 5: 188<br />

BELTRÃO, Maria da Conceição, Der brasilianische Urmensch<br />

zwischen 3.000 und 300.000 Jahren .............................................................. 36 de: 222<br />

dies. Archäologie und Geschichte. Ein Binom für die<br />

Systematisierung der Universalwissenschaft ................................................ 36 de: 216<br />

BUDWEG, Heinz, Brasilien - 31.500 Jahre Kulturgeschichte.................................34/35: 191<br />

CRUZ COSTA, João, Der Positivismus in der Geschichte Brasiliens ............................ 3: 91<br />

ders. Tobias Barreto-ein Verkünder des „Germanismus“ in Brasilien ......................... 5: 127<br />

ders. Zum Wandel des brasilianischen Denkens zu Beginn des 20.Jahrh. ............... 7/8: 139<br />

ders. Zur Geistesgeschichte Brasiliens ............................................................................. 1: 9<br />

FOUQUET, Karl, Brasilien und Portugal 1822 und 1972 -<br />

Erinnerung und Ausblick ...................................................................................... 20: 11<br />

HENTSCHKE, Jens, Langfristige Auswirkungen der Großen Depression ............. 43/44: 15<br />

KLEMM, Peter, Die Holländer in Brasilien ............................................................... 43/44: 31<br />

KRAUEL, Wolfgang, Eine Episode aus der Zeit von Brasiliens<br />

Eintritt in die Weltwirtschaft ................................................................................... 5: 93<br />

NOVAIS, Fernando A.,Brasilien im Rahmen des alten Kolonialsystems ....................... 13: 9<br />

OBERACKER, Karl Heinrich,Das Werden der brasilian. Nation ................................... 3: 63<br />

ders. Presse-Nachrichten aus dem 17. Jahrhundert ................................................. 13: 145<br />

PESCHKE, Rudolf, Sklaverei und Sklavenbefreiung in Brasilien ................................. 2: 143<br />

PEUSER, Michael, Des Kaisers „Ochsenaugen“ modernisierten die Post ........... 36 de: 175<br />

RODRIGUES, José Albertino, Die wirtschaftliche und soziale<br />

Lage in Minas Gerais zur Kolonialzeit ...................................................................... 2: 6<br />

SPECK, Bruno W., Modelle der ethnisch-kulturellen<br />

Identitätsfindung in Brasilien .......................................................................... 47/48: 105<br />

1.2. Deutsche in der Geschichte Brasiliens<br />

de ALMEIDA BARBOSA, Waldemar, A figura humana do Barão de Eschwege ..... 25/26: 47<br />

de ANDRADE, Carlos Otávio, Hermann Kruse: Vorläufer<br />

der historischen Archäologie ........................................................................ 36 de: 249<br />

ANDRÄ,Helmut, Alexander von Humboldts Beziehungen zu Brasilien ....................... 7/8: 7<br />

ders. Georg Anton von Schaeffer ............................................................................... 41: 134


ders. Gedanken und Tatsachen zum Schaeffer-Bild ................................................ 39/40: 52<br />

ders. Eschwege und seine Zeit ................................................................................. 25/26: 33<br />

ders. Heliodor Eoban Hesse-der Mitbegründer von Rio de Janeiro(1565) .............. 13: 121<br />

ders. Karl Freiherr Drais von Sauerbronn, der Erfinder und<br />

Unternehmer in Brasilien(1822-1827) ............................................................ 36 de: 117<br />

ders. Neue Ergebnisse der Ulrich Schmidl-Forschung ............................................... 33: 91<br />

BECHER, Hans, Georg Heinrich Freiherr von Langsdorff-ein Pionier<br />

der Brasilienforschung im 2.Jahrzehnt des 19.Jahrhunderts .......................... 23/24: 27<br />

BECK, Hanno, Novidades na pesquisa nos manuscritos deixados<br />

por von Eschwege ............................................................................................. 25/26: 83<br />

BLUMENAU-NIESEL, Jutta, Vor 100 Jahren starb Dr.H.Blumenau ....................... 45/46: 11<br />

CARNEIRO, Davi, Deutsche Mitarbeit in Paraná, vornehmlich im 19.Jh. ............ 11/12: 169<br />

FAUSEL, Erich, Alexander von Humboldt .............................................................. 39/40: 18<br />

KLEMM, Peter, Die Kreativität des Gartenarchitekten Burle Marx ............................. 33: 17<br />

KOHLHEPP,Gerd, Die Bedeutung der deutsch-brasilianischen<br />

Bevölkerung zur Siedlungs-und Wirtschaftsentwicklung Südbrasiliens ......... 23/24: 77<br />

LANGE, Francisco Curt, Pater José Mauricio und Arno Philipp.<br />

Deutsch-brasilianischer Kulturaustausch zwischen<br />

Porto Alegre und Wien 1900 .......................................................................... 21/22: 113<br />

MÜLLER, Karl Otto, Wilhelm Ludwig von Eschwege (1777-1855)<br />

und die Gegenwart in Brasilien ...................................................................... 23/24: 189<br />

ders. Brasilianische Gedenktage zur Wiederkehr des 200. Jahres<br />

der Geburt von W.L.von Eschwege .................................................................. 25/26: 17<br />

NEUFELDT, Günther, Ein preußischer Prinz befährt den Amazonas<br />

(Prinz Adalbert, wie ihn keiner kennt) ................................................................. 29: 31<br />

NOGUEIRA GARCEZ, Lucas, No bicentenário de nascimento<br />

do Barão de Eschwege ...................................................................................... 25/26: 25<br />

OBERACKER, Karl Heinrich, Der Conde da Barca................................................. 39/40: 26<br />

ders. Kaiserin Leopoldine und Brasiliens Unabhängigkeit ................................... 36 de: 163<br />

ders. Neues zum Schaeffer-Bild ............................................................................... 27/28: 67<br />

PESCHKE, Rudolf, Die Revolution der Farrapen und ihre<br />

Einwirkung auf die deutsche Kolonisation ............................................................. 3: 79<br />

RABUSKE, Arthur S.J.,Balduino Rambo und sein persönliches Tagebuch ........... 37/39: 89<br />

dos SANTOS, Silvio Felício, Saudações aos presentes nas<br />

solenidades em Diamantina .............................................................................. 25/26: 11<br />

SCHADEN, Egon, Karl von den Steinens Beitrag zur Brasilkunde ............................. 4: 271<br />

SCHMITT, Heinz Günther, Von Eschwege zum Nationalen Stahlplan .................... 25/26: 53<br />

SCHULZE-BOYSEN, Hartmut, Zum 200.Geburtstag von Wilhelm<br />

Ludwig von Eschwege ...................................................................................... 25/26: 23<br />

TOUSSAINT, Friedrich J., Baron W.L. von Eschwege und seine<br />

Fábrica Patriótica ............................................................................................ 37/38: 159<br />

221


222<br />

TURK, Eleanor L.T., Deutsche 48er in Brasilien ...................................................... 45/46: 47<br />

dies.Private German Colonies in Australia and Brazil, 1840-1860 .......................... 47/48: 65<br />

WILLEKE, F.Venantius O.F.M.,Deutsche Kulturpioniere in Brasilien ......................... 19: 91<br />

1.3. Einwanderung, Auswanderung<br />

ALERT, Anja, Der Beginn der deutschen Auswanderung nach<br />

Südbrasilien und die Legende von den Mecklenburgern ............................... 47/48: 31<br />

ARNDT-SCHUG, Rosalind, Die Frau des Auswanderers – Wer<br />

hat an sie gedacht? ............................................................................................ 37/38: 30<br />

AULICH, Werner, Vom Pathos der Auswanderer ........................................................ 4: 203<br />

BIBE-LUYTEN, Sonia M., Der Beitrag der Kommunikationsmittel<br />

zur Akkulturation der Holländer in Paraná ....................................................... 19: 107<br />

BRESSLAU AUST, Carolina, Musiker, Maler, Dichter, Schriftsteller<br />

und Journalisten: Ein Bericht über die deutsche Emigration zwischen<br />

1933 und 1946 nach Brasilien ............................................................................... 41: 54<br />

BRUCK LACERDA, Ilka, Der Japaner in Cotia als<br />

Gestalter der Landschaft ....................................................................................... 4: 197<br />

CAPPMAIER, Josef, Bericht über die Entwicklung der<br />

Donauschwaben-siedlung Entre Rios bei Guarapuava PR ............................. 27/28: 51<br />

CORRÊA LEITE CARDOSO, Ruth, Der Landwirt und die freien<br />

Berufs-angehörigen unter den Japanern Brasiliens ......................................... 9/10: 19<br />

DELHAES-GUENTHER, von, Dietrich, Die europäische Kolonisation<br />

in Rio Grande do Sul während des 19.Jahrhunderts ...................................... 21/22: 35<br />

ders. Entwicklungshindernisse und Erfolgsursachen der frühen ital.<br />

Kolonisten in Südbrasilien .............................................................................. 23/24: 117<br />

FÉLIX, José Luis F., Alemães no Oeste de São Paulo ........................................... 45/46: 129<br />

FICKER, Carlos,Deutsche Kolonisten im Paraguay-Krieg ........................................... 14: 83<br />

ders. São Bento, das Wagnis einer Koloniegründung ................................................. 15: 63<br />

FISCHER, Ulrich, Vornamen bei den deutschstämmigen<br />

Kolonisten im Staat Espírito Santo .................................................................... 14: 161<br />

FOUQUET, Karl, Aus Dr.Blumenaus Lehrjahren ........................................................... 17: 7<br />

ders. Der von der Heydt´sche Erlaß vom Jahre 1859 ................................................. 14: 71<br />

ders. Gerhard Friesen, Brief des Pfarrers Johann G. Ehlers<br />

an den Freiherrn von Gagern ............................................................................. 29: 153<br />

ders. Ernst Heinrich Langsdorffs Briefe zur deutschen<br />

Auswanderung nach Brasilien .......................................................................... 34/35: 31<br />

ders. Friedrich von Gagerns Brasilienbriefe aus dem Jahre 1844 ............................... 33: 63<br />

ders. H.C.E. von Gagern und Prinz Adalberts von<br />

Preußen Brasilienexpedition ........................................................................... 36 de: 187<br />

ders. Hanseatische Brasilienberichte 1827 .............................................................. 30/31: 51


ders. Hanseatische Brasilienberichte 2.Teil ................................................................ 32: 159<br />

ders. Unbekannte deutschsprachige Briefe und Berichte<br />

aus Brasilien 1853 – 54 .................................................................................... 37/38: 108<br />

GASSEN KOTHE, Mercedes G., Der Industrialisierungsprozeß<br />

und Einwanderung in Brasilien von 1890 bis 1930 ............................................... 41: 19<br />

dies.Isolationismus und Akkulturation der Deutschen in Brasilien ..................... 43/44: 101<br />

GEISSLER, Klaus, Deutsche im Amazonasgebiet ....................................................... 29: 39<br />

HINNER, Rudolf Robert, Die österreichische Siedlung<br />

Dreizehnlinden in Santa Catarina ...................................................................... 14: 121<br />

HUNSCHE, Carlos H., Das erste Kirchenbuch von<br />

Dois Irmãos in Rio Grande do Sul (1827 – 1850) ........................................... 34/35: 103<br />

ders. Der große Dreimaster “ Olbers” mit 800 Passagieren für Bras. ..................... 30/31: 27<br />

ders. Leutenant Carl August Siegener – Pionier und erster<br />

Märtyrer der brasilianischen Raketenwaffe (1827) ....................................... 36 de: 157<br />

ders. Sieben Unglücksschiffe am Anfang der deutschen<br />

Einwanderung in Brasilien .................................................................................. 33: 117<br />

JAKOWATZ, Kurt, Die Gründung Londrinas nach den<br />

Aufzeichnungen eines Pioniers ............................................................................. 41: 25<br />

KLEINGUENTHER, Wilhelm, Ein Pfarrer berichtet 1866 aus Porto Alegre ................ 17: 63<br />

KLIEWER, Fritz, Die Mennoniten in Brasilien .............................................................. 5: 233<br />

KOHLHEPP, Gerd, Die Anfänge der Industrialisierung<br />

in den alten deutschen Koloniezentren Santa Catarinas .................................... 17: 23<br />

ders. Die brasilianische Auswanderung nach Ost-Paraguay....................................... 32: 21<br />

ders. Die Musterreiter in Rio Grande do Sul ............................................................ 30/31: 7<br />

ders. Raumwirksame Tätigkeit ethnosozialer Gruppen am Beispiel<br />

donauschwäbischer Siedlungen .................................................................... 37/38: 188<br />

MAACK, Reinhard, Die Veränderung der Naturlandschaft in<br />

Nordparaná durch die Besiedlung und ihre Folgen ........................................... 7/8: 21<br />

MEYEN, F. Erlebnisse in Rio im Jahre 1830 ................................................................ 32: 205<br />

NEUFELDT, Günther, Vom versunkenen Deutschtum- Das<br />

Schicksal der Santo Amaro-Deutschen in Brasilien ........................................ 27:28: 61<br />

OBERACKER, Karl Heinrich, Brauchtum und Aberglaube<br />

bei Kolonisten pommerischer Abstammung in Brasilien ................................. 9/10: 59<br />

ders. Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Einwanderung ........ 39/40: 87<br />

ders. Die sozialgeschichtliche Bedeutung der deutschen Einwanderung................... 2: 175<br />

ders. Die wirtschaftliche Lage der deutschstämmigen<br />

Kolonisten Espírito Santos im Jahre 1940 ....................................................... 11/12: 97<br />

ders. Eine dritte deutsche Legion fuer Brasilien? .................................................... 30/31: 43<br />

RICHTER, Klaus, Die Auswandererlisten 1850 – 1934 im<br />

Staatsarchiv Hamburg, ihre Erschließung und ihre Aussagekraft<br />

für die Auswanderung nach Brasilien .............................................................. 47/48: 21<br />

223


224<br />

SAAKE, P.Guilherme S.V.D., Eine Reise durch die deutschen<br />

Kolonien in Rio Grande do Sul ............................................................................ 4: 237<br />

ders. Vierzig Jahre Japanerkolonie Registro ............................................................... 3: 109<br />

SAIDEL, Rochelle S. und PLONSKI,Guilherme Ary,<br />

Von derBlauen Donau in die traurigen Tropen .............................................. 43/44: 113<br />

van SANTEN, Cornelius M.P., Die holländischen<br />

Bauernsiedlungen in Brasilien ................................................................................... 14: 103<br />

SCHADEN, Egon, Der Deutschbrasilianer – ein Problem .......................................... 2: 181<br />

SIEGESMUND, Lothar, Land- und Forstwirtschaft in deutschen Siedlungen .......... 7/8: 59<br />

WEIMER, Günther, Die deutschen Einwanderer<br />

und ihre Siedlungsform .................................................................................... 39/40: 95<br />

WOSSIDLO, Arnd, Die Berichte und Briefe von Blumenau-Siedlern ................... 47/48: 77<br />

ZIMMERMANN, H.P.,Betrachtungen über die deutsche<br />

Volksgruppe in Brasilien .................................................................................. 11/12: 227<br />

1.4. Lokalgeschichte<br />

de AZEVEDO, Aroldo, Keimzellen brasilianischer Städte ............................................. 6: 15<br />

ders. São Paulo, Stadt des dynamischen Wachstums ................................................... 3: 31<br />

BASTIAN, Erna, Elendsviertel in São Paulo .................................................................. 6: 71<br />

von BUGGENHAGEN, Erich Arnold, Die Dürre im Nordosten ................................... 3: 19<br />

DIÉGUES JUNIOR, Manuel, Zur Geschichte der sozialen<br />

Struktur des Nordostens ...................................................................................... 5: 223<br />

KLEMM, Peter, Ein Schiffsfriedhof vor Brasiliens Küste ......................................... 34/35: 171<br />

ders. Pantanal - Eines der letzten Paradiese ..........................................................30/31: 123<br />

KOCH-WESER, Geert (DIETZIUS, Wolfg.), Rolândia,<br />

seine Entstehung und seine Entwicklung (Interview) .................................... 34/35: 245<br />

KOHLHEPP,Gerd, Kolonisationsansätze im spanisch-portugiesischen<br />

Grenzland Guayra im 16. und 17. Jahrhundert ............................................... 21/22: 51<br />

MUSSOLINI, Gioconda, Die Lebensweise der<br />

brasilianischen Küstenbevölkerung ....................................................................... 2: 13<br />

NEUFELDT, Günther, Die moderne Entwicklung São Paulos ....................................... 1: 64<br />

NIXDORF, Oswald, Die Marschniederung im Staat Mato Grosso .................................. 6: 7<br />

SCHNEIDER, Adolfo B.,Etwas mehr als Feuerw<br />

ehr (Zur Geschichte Joinvilles) ............................................................................ 32: 95<br />

SCHORER PETRONE, Maria Theresa, Der Anbau von<br />

Zuckerrohr in São Paulo zwischen 1765 und 1851 .............................................. 15: 89<br />

SPEER, Margarete, Der Kaffeebohnenkäfer im Staate São Paulo ................................. 2: 53<br />

WIEDERSPAHN, Henrique Oscar, Non ducor, duco ...................................................... 2: 9<br />

ZEMELLA, Mafalda P., Die Versorgung der Kapitanie<br />

Minas Gerais im 18. Jahrhundert ........................................................................... 1: 87


2. Wirtschaft<br />

BELL, Heribert, Das Sozialwerk der Cia.Melhoramentos .......................................... 14: 127<br />

GRENZ, Margrit, Die brasilianische Industrie-Planung ............................................. 20: 115<br />

HEINIG, Herbert A., Wie liest man eine brasilianische Bilanz ..................................... 16: 55<br />

ders. Zwang zur Konzentration in der brasilianischen Wirtschaft .............................. 15: 99<br />

KAHLE, Günter, Die Handels- und wirtschaftspolitischen<br />

Verbindungen Österreich-Ungarns mit Brasilien ................................................. 33: 29<br />

KELLENBENZ, Hermann, Rheinischer Export nach Rio de Janeiro ........................... 20: 37<br />

LIPKAU, Ernst-Günther, Das brasilianische Bankwesen ............................................. 18: 63<br />

ders. Der Aufbau der brasil.Automobilindustrie ...................................................... 7/8: 119<br />

ders. Der Weg der brasilianischen Industrie................................................................. 6: 25<br />

ders. Deutsche Auslandsbanken in Brasilien ............................................................... 17: 73<br />

ders. Deutsche Investitionen in Brasilien ..................................................................... 16: 45<br />

ders. Die wirtschaftliche Entwicklung des brasil. Nordostens .................................... 13: 23<br />

ders. Die wirtschaftliche Präsenz Deutschlands in<br />

Brasilien vor dem Ersten Weltkrieg .................................................................. 45/46: 97<br />

ders. Vergilbte Papiere der IHK ............................................................................... 43/44: 45<br />

ders. Wie Brasilien mit der Inflation lebt ................................................................... 21/22: 9<br />

MURTFELD, Martin, Deutsche Kapitalhilfe in Brasilien ............................................. 17: 101<br />

NOGUEIRA GARCEZ, Lucas, Überblick über die<br />

Entwicklung auf dem Sektor der Elektrischen Kraft in Brasilien ......................... 20: 21<br />

PINTO de SOUZA, Roberto, Die gegenwärtige Krise<br />

in der brasilianischen Wirtschaft .......................................................................... 5: 119<br />

ders. Zur gegenwärtigen Lage der brasilianischen Wirtschaft ..................................... 6: 65<br />

van RANDENBORGH, Eckart, Entwicklung des brasil. Kapitalmarktes ................... 15: 105<br />

RICHERS, Raimar, Vom Wesen der brasilianischen Zahlungsbilanz ........................... 5: 107<br />

RODRIGUES NOBREGA, Luis Philippe,<br />

Die Entwicklung der brasil. Häfen .................................................................. 23/24: 167<br />

ROSS, Werner, Der Beitrag der deutschen Unternehmen<br />

zur Jahrtausendwende in Brasilien ................................................................ 45/46: 151<br />

SCHNITZLEIN, Hans, Deutsch-brasilianischer Handelsaustausch............................... 3: 43<br />

ders. Deutsche Beteiligungen an brasil. Unternehmungen ......................................... 4: 191<br />

SPEER, Margarete, Von der Gummigewinnung in Brasilien .......................................... 5: 61<br />

TOUSSAINT, Friedrich J., Die Frühzeit der brasilianischen<br />

Eisenerzeugung und die Eisenhütte von Sorocaba ......................................... 30/31: 81<br />

WOLFF, Hans Joachim, Geldstabilität und wirtschaftliche<br />

Entwicklung in Brasilien ........................................................................................ 19: 21<br />

225


226<br />

3.1. Bildungswesen<br />

3. Kultur<br />

BRESSLAU-AUST, Carolina, Der Beitrag deutscher Wissenschaftler<br />

zum Aufbau der Philosophischen Fakultät der USP ...................................... 11/12: 197<br />

LEGE, Klaus-Wilhelm, Der europäische Einfluß auf die bras.Stenographie ........ 36 de: 332<br />

LENHARD, Rudolf, Das brasilianische Schulwesen im Wandel ............................ 23/24: 105<br />

ders. Die Ausbildung des Facharbeiter-Nachwuchses in Brasilien ............................... 6: 52<br />

ders. Gymnasiasten in einer paulistaner Stadt und ihre Berufswünsche ................... 20: 79<br />

MACIEL de BARROS, R.S., Der Universitätsgedanke in Brasilien .............................. 13: 75<br />

RICHERS, Raimar, Ein Weg zur Selbstfinanzierung im<br />

brasilianischen Hochschulwesen ....................................................................... 14: 141<br />

3.2. Schulen, Clubs<br />

BELL, Heribert und Renate, Eindrücke aus dem Deutschunterricht in Brasil. ..... 9/10: 153<br />

BUDWEG, Ferdinand M.G., 1916-1976<br />

Deutsche Schule in Santo Amaro – Colégio Humboldt ................................ 23/24: 197<br />

COHNITZ, Gunther, Die Gesellschaft “ Germania“<br />

in Rio de Janeiro in der 1.Hälfte des 19.Jahrhunderts .................................. 11/12: 231<br />

KAKUSCHKY, Gerhard, 125 Jahre Colégio Cruzeiro –<br />

125 Jahre deutsch-brasilianischer Begegnung .............................................. 36 de: 326<br />

NAUMANN, Hans Günther, IVOTI und IFPLA ....................................................... 43/44: 91<br />

WERNER, Harry, Der Beginn der Deutschen Schulen in Südamerika ..................... 29: 139<br />

ders. Der Weg brasilianisch-deutscher Schulen zum<br />

Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz .................................................. 30/31: 101<br />

ders. Ein Überblick über die Auslandsschulbeziehungen<br />

der BRD zu Brasilien in der Zeit von 1945 bis 1985 .......................................... 34/35: 49<br />

ders. Zur Geschichte der Vergabe deutscher<br />

Abschlüsse an Schulen in Brasilien ....................................................................... 32: 59<br />

3.3. Wissenschaft, wissenschaftliche Zusammenarbeit<br />

BECHER, Hans, Bericht über das “ 1.Simpósio do Trópico Úmido“ in Belém ..... 36 de: 267<br />

BÜCHERL, Wolfgang, Butantan, ein vorbildliches Forschungsinstitut ......................... 2: 33<br />

ders. Giftige Spinnen und Skorpione Brasiliens............................................................. 4: 41<br />

ders. Von der Tarantel gestochen ............................................................................. 9/10: 27<br />

BUGGENHAGEN, Arnold von, Die “ Revista de Antropologia“<br />

jetzt offizielles Organ der USP ............................................................................ 29: 171<br />

ders. Germanisten-Kolloquium in São Paulo(Oktober 1963) .................................... 13: 149


CAMARGO MENDES, Josué, Geschichte der geologischen<br />

Forschung in Brasilien .......................................................................................... 15: 31<br />

CAMPOS, Pedro Moacyr, Zur Entwicklung des<br />

Universitätsgedankens in Brasilien ....................................................................... 4: 119<br />

CARDOSO, Fernando Henrique, Das Hautfarbevorurteil in Brasilien .................... 11/12: 9<br />

COLLET, Guy Christian, und LOIBL, E., Süßwasser-Sambaquís<br />

im Staat São Paulo ......................................................................................... 36 de: 237<br />

DUARTE, Wanderbilt D. de Barros, O Naturalista do Primeiro Império ........... 42 port.: 53<br />

FLUSSER, Vilém, Brasilianische Philosophie ............................................................. 18: 131<br />

FORACCHI, Marialice M., Der Student in der brasil.Gesellschaft ............................ 14: 149<br />

GARCIA, Caio del Rio, Sambaquís – Muschelberge .................................................... 18: 33<br />

GOMES MACHADO, Lourival, Aristel Gomes Bordini Fagundes:<br />

Der Kampf zur Ausrottung der Malaria in Brasilien ........................................ 27/28: 13<br />

ders. Die Schistosomose in Brasilien ........................................................................ 27/28: 7<br />

HENSOLDT, Ernst Enoch, Ein Jahrzehnt Feldforschung (1951.1960) ...................... 9/10: 11<br />

KOHLHEPP, Gerd, Die Deutsch-Brasilian. Wiss. Zusammenarbeit...................... 43/44: 131<br />

PROENÇA,Carolyn Elinore Barnes P., Espécies da Região dos<br />

Cerrados Descritos ou Propostos por C.F.<br />

von Martius: uma Perspectiva Atual.......................................................... 42 port.: 101<br />

RAMBO, Balduino, S.J.,Die Väter der Botanik in Rio Grande do Sul .......................... 4: 31<br />

ders. Friedrich Sellow in den Namen brasilianischer Pflanzen ..................................... 5: 79<br />

RODRIGUES, José Honório, Capistrano de<br />

Abreu-ein Freund Deutschlands ........................................................................... 6: 147<br />

ROSENTHAL, Erwin Theodor, Germanistik na der Universität São Paulo .............. 29: 169<br />

ders. Magister- und Doktorandenseminare an der Universität São Paulo ................. 20: 57<br />

SCHRÖDER, Rudolf, Einige tropische Nutzpflanzen Brasiliens<br />

in ihrer Abhängigkeit vom Klima ............................................................................ 4: 19<br />

ders. Einige tropische Nutzpflanzen Brasiliens in ihrer<br />

Abhängigkeit vom Klima – 2.Teil ........................................................................... 5: 249<br />

ders. Einige tropische Nutzpflanzen in ihrer Abhängigkeit vom Klima ...................... 7/8: 33<br />

ders. Temperatur und Niederschlag in Brasilien .............................................................. 3: 7<br />

SICK, Helmut, Der Tanz der Manakins oder Tangarás.................................................. 15: 7<br />

ders. Neue Vogelarten aus Brasilien und die Lösung<br />

des Rätsels der Blauen Araras .......................................................................... 30/31: 95<br />

ders. Vogelwanderungen in Brasilien .................................................................... 36 de: 257<br />

ders. Von der Arbeit der “ Fundação Brasil Central“ .................................................... 5: 71<br />

ders. Von der Bedrohung der brasil. Natur, besonders der Vogelwelt ........................ 17: 35<br />

ders. Von der Tierwelt Zentralbrasiliens ........................................................................ 4: 47<br />

STUBBE, Hannes, Sigmund Freud in Brasilien ........................................................ 45/46: 77<br />

WILLEKE,F.Venantius, O.F.M., Frei Vicente do Salvador –<br />

Vater der Brasilianischen Geschichtsschreibung (1564 – 1964) ..................... 11/12: 107<br />

227


228<br />

3.4. Literatur, Kunst, Musik, Theater<br />

ACKERMANN, Fritz, Antônio Gonçalves Dias ............................................................. 13: 53<br />

ders. Vicente de Carvalho ............................................................................................... 1: 39<br />

AUST, Benno A., Brecht-Frisch-Kipphardt-Weiß und andere<br />

deutschsprachige Autoren auf dem Spielplan der bras.Theater ........................ 16: 91<br />

ders. Goethe-Brecht-Dürrenmatt und andere deutschsprachige<br />

Autoren auf dem Spielplan der bras.Theater ................................................ 11/12: 213<br />

ders.Goethe-Brecht-Frisch und andere deutschsprachige<br />

Autoren auf dem Spielplan der bras.Theater .................................................... 14: 191<br />

ders.Schiller-Brecht-Kaiser und andere deutschsprachige<br />

Autoren auf dem Spielplan der bras.Theater .................................................. 9/10: 143<br />

BARLAEUS, Caspar, Rerum per octennium in Brasilia ......................................... 45/46: 163<br />

BORGES Pereira, João Batista, Der Neger und die bras.Volksmusik .......................... 16: 23<br />

BRINK-FRIEDERICI, Christl M.K., Betrachtungen zur<br />

deutsch-brasilianischen Lyrik ......................................................................... 34/35: 111<br />

dies. Die Frau als Schriftstellerin in der deutschbrasilianischen Literatur ............... 33: 107<br />

CAMARGO, Maria Nazaré C.Pacheco Amaral, Dilthey<br />

und die Kritik der historischen Vernunft ............................................................... 41:13<br />

CAMPOS, Augusto de, Die Avantgarde der Volksmusik ............................................ 18: 101<br />

CÂNDIDO, Antônio, Die Literatur als Ausdruck der<br />

Kultur im zeitgenössischen Brasilien ........................................................................ 1: 9<br />

ders. Soziologische Betrachtungen über die moderne Lieratur Brasiliens .................... 3:99<br />

CASTELLO, José Alderaldo, Deutungen des Werkes von Mach.Assis .................... 9/10: 35<br />

ders. (Castello), Iracema und die Indianerromantik José de Alencars ..................... 15: 115<br />

ders. Tendenzen des modernen brasilianischen Romans............................................ 2: 133<br />

ders. Vieira und Gregório de Matos .......................................................................11/12: 119<br />

CERQUEIRA FALCO de, Edgar, Kirchliche Architektur in Brasilien ........................ 14: 185<br />

DAUS, Ronald, Einige Bemerkungen über das Verhältnis des brasilian.<br />

Regionalismus zum Modernismus ...................................................................... 17: 109<br />

DUTRA de MORAES, Geraldo, Die Barockmusik in Minas Gerais<br />

und der Einfluß des deutschen Stils .................................................................. 23/24: 7<br />

FLASCHE, Hans, Antônio Vieira heute ........................................................................ 19: 69<br />

FLEISCHER, Marion, „...und am Himmel fehlt der große Bär“ .<br />

Deutschsprachige Literatur in Brasilien ......................................................... 37/38: 101<br />

dies.Deutschbrasilianische Lyrik nach 1939 ............................................................... 15: 151<br />

GOMES MACHADO,Lourival, Das Barock von Minas Gerais<br />

und das Werk des Aleijadinho ................................................................................ 2: 83<br />

HARTMANN, Thekla, Franz Keller-Leuzinger, ein deutscher<br />

Ingenieur und Maler in Brasilien .......................................................................... 14: 15<br />

HOELTJE, Georg, Die Propheten von Congonhas do Campo .................................... 2: 101


ders. Eine Indianerzeichnung ......................................................................................... 1: 50<br />

HORCH, Rosemarie E., Totengespräche:Christoph Kolumbus<br />

und Johann Staden in der Unterwelt .............................................................. 39/40: 11<br />

HUITFELD SIEVERS, Ica Jeanette, Kunstbibliotheken können<br />

auch der Entspannung dienen ....................................................................... 39/40: 151<br />

KNEESE de MELLO, Eduardo, Vierhundert Jahre bras.Architektur ......................... 18: 89<br />

KUX, Hedwig, Über Adelbert von Chamissos Beschreibung<br />

der Insel Santa Catarina in der „Reise um die Welt“ (1836) ............................ 27/28: 41<br />

LOIMEIER, Manfred, Wir haben ein Recht auf eigene Dichtung ........................... 43/44: 61<br />

ders. Schwerpunkte in der deutschsprachigen Literatur....................................... 43/44: 69<br />

ders. Theo Kleine und die Deutsch-Brasilianische Literatur .................................. 43/44: 71<br />

MEYER-CLASON, Curt, João Guimarães Rosa und<br />

die deutsche Sprache ............................................................................................ 18: 75<br />

OBERMEIER, Franz, Die Rezeption von Hans Stadens<br />

„Wahrhaftige Historia“ und ihrer Ikonographie ............................................. 47/48: 133<br />

OTT, Carlos, Bahia als Kunststadt .................................................................................. 5:137<br />

RIBEIRO TAVARES, Zulmira, Cinema Novo – Film heute ......................................... 18: 113<br />

ROSENFELD, Anatol H., Augusto dos Anjos .........................................................11/12: 133<br />

ders. Brasilianisches Theater heute .............................................................................. 16: 77<br />

ders. Das Romanwerk Lima Barretos ........................................................................... 6: 133<br />

ders. Der Einfluß Hollywoods in Brasilien ................................................................ 7/8: 175<br />

ders. Der Nordosten als Thema des Theaters ............................................................. 15:137<br />

ders. Entfesseltes Theater ........................................................................................... 20: 103<br />

ders. Graciliano Ramos als Dichter der Dürre ......................................................... 9/10: 51<br />

ders. Jorge Andrade: Die Dämonen der Vergangenheit .............................................. 19: 33<br />

ders. Mário de Andrade ............................................................................................... 5: 147<br />

ders. Zwei brasilianische Theaterdichter:<br />

Nelson Rodrigues und Ariano Suassuna ............................................................. 13: 65<br />

ROSENTHAL, Erwin Theodor, Alemães em Três Romances Brasileiros ............... 47/48: 89<br />

ders. Faust – Bild und Verständnis in Brasilien ........................................................ 36 de: 68<br />

ROSSETTI BATISTA, Marta, Anita Malfatti .............................................................37/38: 170<br />

SACRAMENTO, Enock, Die zeitgenössische brasilianische Kunst ........................ 36 de: 24<br />

SCHAEFFER, Enrico, Bilder brasilianischer<br />

Vögel in einem deutschen Jagdschlößchen ....................................................... 14: 175<br />

ders.Brasilianische Fels- und Höhlenmalerei ............................................................... 20: 69<br />

ders.Deutsch-brasilian. Wechselbeziehungen in der modernen Malerei .............. 11/12: 22<br />

ders.Die Ausbeute der Brasilien-Expedition von Johann Moritz<br />

von Nassau und ihr Niederschlag für Kunst und Wissenschaft ...................... 23/24: 61<br />

ders.Die moderne brasilianische Bildhauerei ............................................................ 17: 129<br />

ders.Die moderne brasilianische Malerei ................................................................... 16: 105<br />

SEKEFF, Maria de Lourdes, José Maurício:Punkt und Kontrapunkt ..................... 36 de: 91<br />

229


230<br />

dies.Koellreutter- ein bedeutender Musikpädagoge ..............................................37/38: 181<br />

da SILVA FILHO, Carlos Alberto, Vegetation und<br />

Landschaftsarchitektur in Brasilien ................................................................ 39/40: 141<br />

VILLELA Alves de Souza, Ruth, Deutsche Autoren<br />

unter den brasil. Kinderbüchern ........................................................................ 33: 101<br />

WIEDERSPAHN, Henrique Oscar, Simplicius simplicissimus –<br />

Tyll Eulenspiegel und Pedro Malasarte .............................................................. 29: 165<br />

YAMAGUCHI, Tieko, Die Romane dês Mário Palmério ............................................. 17: 121<br />

ders. Jorge Amado und die Kakaogebiete ................................................................. 15: 127<br />

3.5. Sprache, Presse<br />

von BARANOW, Ulf, Zur Literatur über das Deutsche<br />

als Einwanderer-sprache in Brasilien ................................................................. 20: 127<br />

BENDER, Jan E.,Linguistische Interferenzerscheinungen<br />

in einem deutschen Mitteilungsblatt in Brasilien ............................................... 32: 139<br />

BUCHMANN, Erwin, Die deutschsprachige Presse in Brasilien ................................. 4: 219<br />

von BUGGENHAGEN, Erich Arnold, Das Rind in der Landessprache ...................... 5: 163<br />

ders. Die Verwendung von Tierbildern in einigen<br />

Redensarten der Landessprache .......................................................................... 4: 171<br />

FIGGE, Horst H., Ausrufe und Empfindungswörter<br />

des Brasilianischen ...........................................................................................30/31: 109<br />

ders.Tupí – Das westafrikanische „Latein des Landes“ .............................................. 29: 117<br />

ders. Westermanns Wörterbuch der Ewe-Sprache –<br />

eine Fundgrube für die brasilianische Sprachwissenschaft .......................... 23/24: 153<br />

FOUQUET, Karl, Periodika im Dienst des deutsch-brasilianischen<br />

Kultur- und Wirtschaftsaustausches .................................................................... 2: 195<br />

derselbe - dasselbe ...................................................................................................... 17: 139<br />

KASTEL, Jörg, Palavras de saudação ...................................................................... 25/26: 15<br />

OBERACKER, Karl Heinrich, Neuschöpfungen<br />

in der deutschen Sprache in Bras. ....................................................................... 5: 175<br />

ROSENTHAL, Erwin Theodor, Sprachdeformation<br />

als Gestaltungsmittel schwebender Wirklichkeit ................................................. 16: 63<br />

ders. Übersetzungen bezeichnen den Kulturaustausch ......................................... 34/35: 81<br />

SOMMER, Friedrich, Von Sprachlehrern am<br />

kaiserlichen Hof von Petrópolis ............................................................................ 41: 96<br />

3.6. Sport<br />

ROSENFELD, Anatol H.,Das Fußballspiel in Brasilien ............................................... 4: 149<br />

WIESER, Lothar, Zu den Anfängen des deutschen Turnens in Bras. ................... 36 de: 105


4.1. Indianerforschung<br />

4. Anthropologie, Ethnologie<br />

ANDRÄ, Helmut, Kalvinist und Rothaut ................................................................. 9/10: 103<br />

AYTAI, Desidério, Deutsche DIN Industrienormen und die Karajá-Indianer ............. 33: 21<br />

BAER, Gerhard, Zur Besiedlung des Xingu-Quellgebiets .......................................... 13: 105<br />

BECHER, Hans, Volkstümliche Beobachtungen amDemimi und Aracá ........................ 6: 93<br />

BUDWEG, Heinz, Die Klage des Titomové ............................................................ 36 de: 307<br />

ders. Titomové – Portrait einer Freundschaft ....................................................... 36 de: 277<br />

CALDAS TIBIRIÇÁ, Luiz, Betrachtungen über die Herkunft<br />

des amerikanischen Menschen ....................................................................... 37/38: 147<br />

DRUMOND, Carlos, Das Tupí – die erste Nationalsprache Brasiliens ................... 11/12: 19<br />

FIGGE, Horst H.,Tupí – Das westafrikanische “ Latein des Landes“ ......................... 29: 117<br />

HARTMANN, Günther, Karl von den Steinen und seine<br />

beiden Xingú-Expeditionen ............................................................................ 36 de: 197<br />

HARTMANN, Thekla, Ethnobotanische Beobachtungen unter den Bororó ................ 14: 7<br />

HARTMANN, Thekla, Völkerkundliche Sammlungen und ihre Geschichten ....... 39/40: 114<br />

KLEMM, Peter, Orlando Villas Boas über die Indios am Xingú ............................. 30/31: 117<br />

KNOBLOCH, Franz, Landwirtschaft der Indianer am Rio Negro .......................... 23/24: 41<br />

PEREIRA de QUEIROZ, Maria Isaura, Die<br />

Gesellschaftsorganisation der Timbira ................................................................. 3: 141<br />

dies. Indianische Messiasbewegungen in Brasilien ................................................. 11/12: 31<br />

PETRONE, Pasquale, Die Indianerdörfer und der Caipira-Gürtel um S.Paulo ......... 16: 33<br />

SAAKE, P.Guilherme S.V.D., Der giftige Maniok<br />

im Haushalte brasilianischer Indianer ................................................................. 1: 124<br />

ders. Don German Garrido und Dr.Koch-Grünberg .............................................. 9/10: 137<br />

ders. Erste Kontakte der Canoeiro Nordwest- Mato Grossos<br />

mit der Kultur der Weißen .................................................................................... 15: 31<br />

ders. Kari, der Kulturheros, feiert mit den Baniwa.<br />

Indianern das erste Dabukuri-Fest .................................................................... 7/8: 193<br />

ders. Napäuma, die Tochter des Weißen ...................................................................... 14: 31<br />

SCHADEN, Egon, Das Schicksal der Indianer ............................................................. 5: 259<br />

ders. Der Paradiesmythos im Leben der Guaraní-Indianer ........................................ 3: 151<br />

ders. Indianerforschung in Brasilien gestern und heute ............................................. 1: 137<br />

ders. Indianerzeichnungen ...................................................................................... 9/10: 129<br />

ders. Kulturwandel und Messianismus bei den Indianern Brasiliens ............................ 19: 9<br />

SCHADEN, Egon, Der deutsche Beitrag zur brasilian.Ethnologie ................................ 29: 9<br />

SCHADEN, Francisco S.G., Xokléng und Kaingáng in Südbrasilien ........................... 5: 265<br />

SCHEUER, Herta L.,Die Tätowierungssprache<br />

unter den Indianern Brasiliens ........................................................................39/40: 126<br />

231


232<br />

SCHMID, Albert, Indianer und Kolonisten ................................................................. 5: 247<br />

SCHMITT, Heinz Günther, Die Ureinwohner Amerikas<br />

und ihre Rückzugsgebiete in Zentralbrasilien ...................................................... 29: 19<br />

SCHULTZ, Harald, Die Totenmatte der Umutina .................................................... 7/8: 187<br />

ders.Fischfang bei den Umutina-Indianern ................................................................ 4: 255<br />

STÄHLE, Vera-Dagny, Dorforganisation und<br />

Kulturwandel bei den Bororós .............................................................................. 14: 17<br />

STUBBE, Hannes, Probleme der Ethnoästhetik brasilianischer Indianer ............. 47/48: 121<br />

ders. Tod, Trauer und Verwitwung in der brasilianischen Folklore .......................34/ 35: 11<br />

ders. Wie brasilianische Indianer Krankheiten erklären ........................................ 27/28: 19<br />

VIERTLER, Renate Brigitte, Die Kamyurá-Indianer im Quellgebiet des Xingú .......... 17: 45<br />

WILLEKE, F.Venantius O.F.M., Das alte Indianerdorf Juazeiro in Bahia ................. 7/8: 203<br />

ZERRIES, Otto, Dualorganisatoren und Weltbild<br />

bei brasilianischen Indianern ........................................................................... 11/12: 61<br />

4.2. Probleme der Rassenmischung<br />

BASTIDE, Roger, Die kulturelle Anpassung des brasil.Negers .................................... 1: 100<br />

CARDOSO, Fernando Henrique, Das Hautfarbevorurteil in Bras. .......................... 11/12: 9<br />

FERNANDES, Florestan, Das Vorurteil gegen die Farbigen<br />

in Brasilien und seine gesetzliche Bekämpfung .................................................... 1: 105<br />

von MARTIUS, Carl F.Ph., Die politische und soziale Stellung<br />

des farbigen Menschen in Brasilien ............................................................... 36 de: 150<br />

ROSENFELD, Anatol H., Die Situation der Farbigen in Brasilien ............................... 2: 155<br />

4.3. Religionen, Kirchen, Kulte<br />

BRACKMANN; Richard Willy, Afro-fetischistische Feste in Bras. ........................... 11/12: 45<br />

ders. Der Umbanda - Kult in Brasilien....................................................................... 7/8: 157<br />

ders. Quimbanda-Kulte ............................................................................................. 9/10: 89<br />

FIGGE, Horst H., Geisterbesessenheit – Psychologisch gesehen .......................... 30/31: 109<br />

ders. Schriftverkehr mit Geistern. Eine Untersuchung von Umbanda-Zetteln .......... 20: 91<br />

KOCH-WESER, Maritta, Die Yoruba-Religion in Brasilien .....................................34/35: 133<br />

PEREIRA de Queiroz, Maria Isaura, Der Sankt- Gonçalo-Tanz .................................. 6: 113<br />

dies. Die Büßer .......................................................................................................... 9/10: 65<br />

dies. Die Fanatiker des „Contestado“ .......................................................................... 5: 203<br />

dies. Messiasbewegungen in Brasilien .......................................................................... 4: 133<br />

ROSENFELD, Anatol H., Macumba ............................................................................. 3: 125<br />

SAAKE, P. Guilherme S.V.D., Aus der Überlieferung der Baniva ................................... 6: 83<br />

ders. „Promessa“ ......................................................................................................... 16: 115<br />

STULZER, Aurelius O.F.M., Drei Jahrhunderte<br />

franziskanischen Lebens in Brasilien .................................................................... 6: 123<br />

XIDICH, Oswaldo X., Religiöse Volkserzählungen in ihrer sozialen Bedeutung ..... 9/10: 77


5. Entwicklungshilfe, Sozialarbeit<br />

CRAEMER, Ute, Die Arbeit in der Favela „Monte Azul“ ....................................... 36 de: 315<br />

BRESSANE, Oscar, 1817 –1987. Eine Reise (nach Spix und Martius) .................. 42 de.: 101<br />

ders. 1817 – 1987. Uma Viagem (segundo Spix-Martius) .................................... 42 port.:77<br />

6. Amazonasgebiet<br />

EBNER, Carl Borromaeus, C.P.P.S., Aricari-Souzel - Eine<br />

Missionssiedlung am Xingú ................................................................................... 19: 77<br />

ders. Altamira - Eine Stadt an der Transamazônica ................................................ 21/22: 87<br />

ders. Das Marienbild NS.de Nazaré am Amazonas ...................................................... 4: 145<br />

ders. Die Sairé-Prozession im Amazonasgebiet ........................................................... 5: 217<br />

FIGUEIREDO, Napoleão, Die Besiedlung Amazoniens<br />

vor der Landnahme durch die Portugiesen ......................................................... 15: 19<br />

ders. Die Pflanzen und die Gottheiten Amazoniens ...............................................34/35: 125<br />

GEISSLER, Klaus, Deutsche im Amazonasgebiet ........................................................ 29: 39<br />

GRABERT, Helmut, Bevor der Amazonas zum Atlantik floß ........................................... 32: 9<br />

HINNER, Rudolf Robert, Über das Wirken sudetendeutscher<br />

Missionare im Amazonasgebiet des 17.u.18. Jahrhunderts ........................... 11/12: 181<br />

HUECK, Kurt, Waldbauliches am Amazonas ................................................................ 5: 37<br />

KOHLHEPP, Gerd, Probleme der Erschließung, Besiedlung<br />

und Wirtschaftlichen Entwicklung Amazoniens .................................................. 29: 73<br />

NEUFELDT, Günther,Die gegenwärtige und zukünftige<br />

Entwicklung des Amazonasgebietes ...................................................................... 23/24: 131<br />

OBERACKER,Karl Heinrich, Deutschsprachige Kolonisten<br />

im Amazonastal zur Zeit Pombals ................................................................................ 14: 47<br />

SIOLI, Harald, Die „Fruchtbarkeit „ der Urwaldböden<br />

des Brasilianischen Amazonasgebietes .................................................................. 5: 23<br />

ders. Die Limnologie des brasil. Amazonasgebietes .................................................... 29: 63<br />

WILHELMY, Herbert, Amazonien als Lebens- und Wirtschaftsraum ........................... 18: 9<br />

7.1. Staden<br />

7. Personen<br />

FOUQUET, Karl, Hans Staden und sein Werk ................................................................. 5: 7<br />

HORCH, Rosemarie E., Totengespräche: Christoph Kolumbus<br />

und Johann Staden in der Unterwelt .............................................................. 39/40: 11<br />

233


234<br />

OBERMEIER, Franz, Die Rezeption von Hans Stadens<br />

„Wahrhaftige Historia“ und ihrer Ikonographie ............................................. 47/48: 133<br />

TOSCANO del BANNER, Andreas, Frühe Darstellungen<br />

Amerikas- Hans Stadens „Wahrhaftige Historia“ ............................................. 37/38: 50<br />

7.2. Martius<br />

CALDAS, Esther C. Bertoletti, Das Bewahren der Erinnerung an Martius .......... 42 de: 161<br />

dies. A Preservação da Memória de Martius ...................................................... 42 port.:147<br />

DIAS, Wilde D. da Fonseca, Das Kreuz in der Kirche von Santarém ................. 42 de.: 113<br />

ders. O Crucifixo de von Martius ........................................................................ 42 port.:117<br />

DUARTE Wanderbilt D. de Barros, O Naturalista do Primeiro Império ............ 42 port.: 53<br />

EMMERICH, Margarete, Martius e a Botânica ................................................... 42 port.: 91<br />

FAUSER, Hildegard Werle, Die Feiern zum 200.Geburtstag<br />

von C.F.Ph. von Martius in Brasilien ............................................................... 42 de.: 13<br />

dies. Zum 120. Todestag von Carl Friedrich Ph. von Martius ............................... 36 de: 147<br />

GUIMARÃES, Elsie F.G., Martius und die brasilianische Botanik ......................... 42 de.: 69<br />

dies. Martius e a Botânica Brasileira ..................................................................... 42 port.:69<br />

HORCH, Rosemarie E. Sechs unveröffentlichte<br />

Briefe von C.F.Ph.von Martius ...................................................................... 42 de.: 141<br />

KIEFER, Anna Maria K.,C.F.Ph.von Martius und die Musik .................................. 42 de.: 89<br />

dies. Martius e a Música ..................................................................................... 42 port.:135<br />

LANGE, Berta L. De Morretes, C.F.Ph. von Martius ............................................. 42 de.: 23<br />

LISBOA, Karen Macknow, „Reise in Brasilien“ -Bilder<br />

der Natur und Skizzen einer Zivilisation ........................................................ 42 de.: 47<br />

dies. Viagem pelo Brasil ....................................................................................... 42 port.: 29<br />

von MARTIUS, C.F.Ph., Wie die Geschichte<br />

Brasiliens geschrieben werden soll .............................................................. 42 de.: 179<br />

ders. Die politische und soziale Stellung des farbigen Menschen in Brasilien ..... 36 de: 150<br />

ders. „Liebe gute Geschwister“ - ein aufgefundener<br />

Brief von Dr. Carl F.Ph. von Martius ............................................................... 39/40: 108<br />

von Martius, Hans, C.F.Ph. von Martius: ein Beitrag zum Charakterbild ...................... 16: 7<br />

OBERACKER, Karl Heinrich, Martius und die bras.Geschichtsschreibung ............... 32: 71<br />

PAULA, Júlio de, Spix und Martius – Die dritte Reise ........................................... 42 de.: 19<br />

PROENÇA, Carolyn Elinore Barnes P., Espécies da Região dos Cerrados<br />

Descritos ou Propostos por C.F. von Martius: uma Perspectiva Atual .... 42 port.: 101<br />

RIBEIRO, Berta G.R.,C.F.Ph. von Martius, der Ethnologe .................................... 42 de.: 77<br />

dies. C.F.Ph. von Martius, o Etnólogo ................................................................ 42 port. : 59<br />

ROSENTHAL, Erwin Theodor, Der Brasilienroman von Martius –<br />

eine Entdeckung ....................................................................................................... 37/38: 74<br />

ders. Brasilienbezüge im Tagebuch von Martius .................................................. 42 de.: 131


SCARABÔTOLO, Hélio A. Sc., Die Reise in Brasilien von C.F.Ph..<br />

von Martius (1794 – 1869) – Reisebeobachtungen ......................................... 42 de.: 33<br />

ders. Viagem pelo Brasil de C.F.Ph. von Martius (1794 – 1869) –<br />

Roteiro e Observações ....................................................................................... 42 port.: 15<br />

WEHLING, Arno, Martius´ Konzept der Geschichte ......................................... 42 de.: 119<br />

ders. A Concepção Histórica de von Martius .................................................. 42 port.: 121<br />

7.3. Nachrufe, Würdigungen<br />

ANDRÄ, Helmut, Egon Schaden zum Gedächtnis(1913-1991) ............................... 37/38: 11<br />

von BUGGENHAGEN,Arnold, Anatol H.Rosenfeld – Nachruf ............................... 21/22: 77<br />

ders. Helmut Andrä als Geschichtsschreiber ............................................................ 29: 145<br />

DAGHLIAN, Carlos, Joaquim Nabuco, der Vorkämpfer<br />

für die Befreiung der Sklaven ............................................................................... 17: 55<br />

FAUSER, Hildegard, Werle-, Alexander Linz - Maler,<br />

Schriftsteller und Philosoph ................................................................................... 36 de: 50<br />

dies. Der Dichter Karl Fouquet ............................................................................... 36 de: 15<br />

FRIESEN, Gerhard K., Brief und Tagebuchfragment von Fritz Müller ................... 43/44: 53<br />

ders. Fritz Müllers Fabeln (ed.) ................................................................................ 45/46: 57<br />

ders. Fritz Müller in seinen Zeitverhältnissen .......................................................... 47/48: 43<br />

HARTMANN, Thekla, Franz Keller-Leuzinger, ein deutscher<br />

Ingenieur und Maler in Brasilien .......................................................................... 16: 15<br />

HORCH, Rosemarie E., Friedrich Sommer (1873-1957) ............................................. 41: 94<br />

KLEMM, Peter, Otto Hahn – 100 Jahre ..................................................................30/31: 113<br />

ders. Prof.Dr.Wolfgang Bücherl in memoriam ........................................................... 33: 143<br />

LANGE, Francisco Curt, Erdmann Neuparth- ein deutscher Musiker in Bras. ....... 15: 163<br />

MILANEZ, Adaulto Ivo, Frederico Carlos Hoehne ................................................43/44: 129<br />

OBERACKER, Karl Heinrich, Georg Wilhelm Freyreiss ............................................ 32: 151<br />

ders. Johann Heinrich Böhm, der Gründer der ersten brasilianischen Armee ........... 4: 10<br />

ders. Karl von Koseritz und die deutschen Einwanderer<br />

in Brasilien – zum 100. Todestag ...................................................................... 37/38:130<br />

ders. Karl von Koseritz – ein Deutscher als brasilianischer Politiker ......................... 7/8: 65<br />

ders. Wilhelm zu Schaumburg-Lippe – Der “ Conde de Lippe”............................. 34/35: 91<br />

REINARTZ, Karl Dieter, Ritter von Spix – Mediziner,<br />

Soziologe, Brasilienforscher ........................................................................... 42 de.: 29<br />

SUDHAUS, Fritz, Der Journalist und Historiker Dr.Carlos H.Oberacker ............. 37/38: 15<br />

TIEFENBACHER, Ludwig, Rückblick auf das Leben<br />

des großen Brasilienforschers Johann Baptist Ritter von Spix<br />

anläßlich seines 170. Todestages am 13.Mai 1996 ............................................. 45/46: 29<br />

TIMMERS, Olavo OFM, Teófilo Otoni – Politiker und Organisator, 1807-1869 ......... 18: 39<br />

VIO, Olavo, Betrachtungen zum Leben und Werk von Leo Putz ............................... 41: 36<br />

235


236<br />

WEHRS, Carlos, Friedrich Hagedorn ...................................................................... 43/44: 75<br />

ders. Musiker Neukomm, A. Maersch, de Simoni ................................................... 43/44: 81<br />

WYSK KOCH, Eva, Dr.Erich Fausel und die „Allgemeine Lehrerzeitung“ .................. 18: 47<br />

8. Staden - Institut<br />

ANGABEN über das Staden-Institut und<br />

Vereinigungen ähnlicher Zielsetzung .................................................................... 1: 157<br />

FOUQUET, Karl, Brasilien und Deutschland – Einige Bemerkungen<br />

im Hinblick auf das STADEN-Institut ............................................................. 11/12: 143<br />

HORCH, Rosemarie E.,Kostbarkeiten der Bibliothek<br />

des Martius-Staden-Instituts .......................................................................... 45/46: 143<br />

LIMMER, H., Rede zur Einweihung vom Staden-Institut Morumbí ......................... 43/44: 9<br />

SPEER, Irmgard, Deutschsprachige Hauskalender<br />

in Brasilien im Archiv des Staden – Instituts ...................................................... 19: 115<br />

9. Verschiedenes<br />

BABNIGG-JENKNER, Herta, Ein Hospital im brasilianischen Urwald ....................... 15: 81<br />

BRACKMANN, Richard Willy, Wandern und Bergsteigen in Brasilien ........................ 13: 85<br />

BRADE, Alexandre Curt, Betrachtungen über den Ursprung<br />

und die pflanzengeographischen Beziehungen des hohen Itati aia ................... 7/8: 43<br />

CAMARGO, José Francisco de, Wirtschaftliche Aspekte der Landflucht..................... 6: 41<br />

DENKER, Cornelia, Gold in Brasilien ...................................................................... 27/28: 29<br />

dies. Gold in Brasilien II ................................................................................................ 29: 91<br />

DETTMERING, Wilhelm, O ferro no sistema de nosso mundo ............................. 25/26: 61<br />

DEVEZA, Guilherme, Die Einkommensteuer in Brasilien ............................................. 4, 81<br />

HUECK, Kurt, Die natürliche Pflanzendecke Brasiliens als<br />

Grundlage der Land- und Forstwirtschaft ............................................................... 4: 9<br />

LANZ, Rudolf, Gedanken über Lateinamerika ............................................................. 19: 45<br />

LEINZ, Viktor, Einige wenig bekannte Bodenschätze Brasiliens.................................... 2: 49<br />

ders. Neues über Bodenschätze in Brasilien ................................................................ 19: 61<br />

MEYER, Otto Ernst, Die Anfänge der Verkehrsfliegerei in Brasilien ...................... 11/12: 191<br />

MOREIRA LEITE, Dante, Gibt es einen bras.Volkscharakter? .................................. 7/8: 147<br />

PAULUS, Klaus, Standort- und raumpolitische Auswirkungen<br />

der Kernenergieverwendung für Brasilien ....................................................... 11/12: 93<br />

PESCHKE, Rudolf, Brasilien im Rahmen Lateinamerikas ............................................. 4: 57<br />

WIEDERSPAHN, Henrique Oscar, Brasilianische Familiennamen ............................. 4: 177


Staden - Jahrbuch<br />

Band Erscheinungsjahr Seitenzahl<br />

1 1953 160<br />

2 1954 216<br />

3 1955 190<br />

4 1956 326<br />

5 1957 305<br />

6 1958 192<br />

7/8 1959/60 225<br />

9/10 1961/62 203<br />

11/12 1963/64 261<br />

13 1965 190<br />

14 1966 230<br />

15 1967 214<br />

16 1968 159<br />

17 1969 187<br />

18 1970 179<br />

19 1971 143<br />

20 1972 187<br />

21/22 1973/74 203<br />

23/24 1975/76 251<br />

25/26 1977/78 93<br />

27/28 1979/80 197<br />

29 1981 176<br />

30/31 1982/83 192<br />

32 1984 264<br />

33 1985 184<br />

34/35 1986/87 305<br />

36 - Deutsch 1988 413<br />

36 - Portug. 1988 413<br />

37/38 1989/90 292<br />

39/40 1991/92 196<br />

41 1993 237<br />

42 - Deutsch 1994 172<br />

42- Portug. 1994 172<br />

43/44 1995/96 164<br />

45/46 1997/98 174<br />

47/48 1999/2000 163<br />

Joachim Tiemann, geboren 1930 in Oldenburg. Studium der Fächer Deutsch, Latein, Geschichte<br />

in Tübingen und Innsbruck. Gymnasiallehrer in Saulgau, Oldenburg, Rolândia-Paraná, Schulleiter in<br />

Hong Kong, Hildesheim , São Paulo. Heute in der Leitung von Archiv und Bibliothek des Instituts<br />

Martius-Staden in São Paulo tätig.<br />

237


238<br />

Das Martius-Staden-Institut<br />

im Jahre 2002:<br />

neue Herausforderungen im<br />

Namen einer grossen Tradition<br />

Dirk Brinkmann<br />

(São Paulo)<br />

Die Jahre 2001 und 2002 setzten wichtige Zeichen für das Martius-Staden Institut.<br />

Während einerseits die sich bereits im Gang befindlichen Arbeiten und Projekte<br />

im Archiv und in den Bibliotheken fortgesetzt wurden, gelangte man andererseits<br />

zu einer klaren Definition der mittel- und langfristigen Ziele im kulturellen Sektor.<br />

Beides wird in den nächsten Jahren die Positionierung des Instituts in wichtigen<br />

Arbeitsvorhaben erheblich erleichtern.<br />

Im 86. Jahr seines Bestehens fußen die Aktivitäten des Martius-Staden Instituts<br />

auf vier Grundpfeilern. Diese sind:<br />

1. Der Bereich “ Bibliotheken und Archive”.<br />

2. Der enge Kontakt zu den deutsch-brasilianischen Begegnungsschulen in São<br />

Paulo und die damit verbundene Koordination kultureller Initiativen, die aus<br />

diesen Schulgemeinden hervorgehen.<br />

3. Ein breites und variiertes Veranstaltungsprogramm, welches sowohl zur Vermittlung<br />

eines zeitgemäßen Deutschlandbildes, als auch zur Völkerverständigung<br />

allgemein beiträgt, indem es die plurikulturellen Grundzüge beider Bezugsländer<br />

– Brasiliens wie Deutschlands - widerspiegelt.<br />

4. Der bikulturelle Austausch mit Partnerorganisationen in Deutschland, die einen<br />

dem Fokus des Martius-Staden Instituts entsprechenden Aktionsradius haben.<br />

Diese vier Bereiche stehen gleichberechtigt nebeneinander und ergänzen sich<br />

in der Mission des Instituts. Betrachten wir einen jeden zunächst im einzelnen, um<br />

zu einem besseren Verständnis des Gesamtprojekts zu gelangen.


Bibliotheken und Archive<br />

Die Bibliothek zählt heute einen Bestand von ungefähr 35.000 Volumen, die<br />

sich in die Gebiete Kunstgeschichte, Deutsche Literatur, Deutsche Geschichte,<br />

Philosophie, Geschichte der deutschen Einwanderung nach Brasilien und Deutsch-<br />

Brasilianische Beziehungen aufgliedert. Die beiden letzten stellen den eigentlichen<br />

Nukleus der Sammlung dar. Neuanschaffungen werden in erster Linie für diesen<br />

Kernbereich getätigt. Darüber hinaus vermehrt sich der Bestand jedoch kontinuierlich<br />

durch Schenkungen privater Sammler, so dass eine stetige Erweiterung der<br />

Installationen und Geräte – Regale, Computer, etc. – für die tägliche Arbeit der<br />

Bibliothekare unerlässlich ist.<br />

Das große Ziel für alle Abteilungen der Bibliothek ist eine komplette Katalogisierung<br />

des Bestands. Sämtliche für die Konsulenten relevanten Daten werden in<br />

digitaler Form gespeichert. Die hierdurch entstehende Datenbank wird, wahrscheinlich<br />

ab 2004, über das Internet abzurufen sein. Das Institut hofft, auf diese<br />

Weise den Anforderungen einer modernen Bibliothek gerecht zu werden, denn<br />

allen Beteiligten ist klar, dass die Bibliothek nur dann einen über São Paulo hinausgehenden<br />

Bekanntheitsgrad erreichen kann, wenn es gelingt, den Anfragen der<br />

Konsulenten über und durch moderne Medien entgegenzukommen.<br />

Als Zielpublikum gelten nicht nur Personen, die aufgrund ihrer Abstammung<br />

ein besonderes Interesse an deutschen Immigranten oder deutscher Kultur in Brasilien<br />

haben. Auch Universitäten und andere Kulturinstitute kommen als Abnehmer<br />

in Frage, kann die Bibliothek doch auf einen qualitativ auf allerhöchstem Niveau<br />

liegenden Bestand verweisen, der für Historiker, Ethnologen, Soziologen oder<br />

Anthropologen eine wahre Fundgrube darstellt.<br />

Neben seiner stattlichen Büchersammlung verweist das Institut auf eine ebenso<br />

ansehnliche Sammlung von Zeitungen und Zeitschriften in deutscher und portugiesischer<br />

Sprache. Neben deutschen Publikationen, wie den Zeitschriften “ Tópicos”<br />

(herausgegeben von der DBG), “ Humboldt” (Goethe-Institut/Inter Nationes), “<br />

Kulturaustausch“ (IfA), “ Paideuma” (Frobenius Institut), “ Beiträge zur regionalen<br />

Geographie” (Institut für Länderkunde) oder “ Bildung und Wissenschaft” (Internationale<br />

Frauenuniversität), werden regelmäßig brasilianische Zeitschriften, unter<br />

diesen “ Estudos Avançados” (USP), “ Revista de Letras” (UNESP), “ Letras”<br />

(UFPR), “ Revista do Museu de Arqueologia e Etnologia” (USP), “ Revista da<br />

Sociedade Brasileira de Pesquisa Histórica” (SBPH) oder “ Brasil-Alemanha”<br />

(Câmara de Comércio e Industria Brasil-Alemanha) bezogen, welche aktuelle wie<br />

historische Themen behandeln, die einen engen Bezug zu den in den Bibliotheken<br />

repräsentierten Themenkreisen haben.<br />

239


240<br />

Ähnlich wie in den Bibliotheken wird auch im Archiv eine vollständige<br />

Informatisierung des Personen- und Sachkatalogs erstrebt. Beide Bereiche zählen<br />

momentan etwa 100.000 Einträge, die bislang auf Karteikarten erfolgten. Schon<br />

in recht naher Zukunft wird man hier auf eine über das Internet abrufbare Datenbank<br />

verweisen können (selbstverständlich nicht ohne vorausgehende Konsultation<br />

und Autorisierung).<br />

Sowohl bei der Anschaffung neuer Literatur wie der Aufarbeitung wichtiger<br />

Bibliographien werden beachtliche Anstrengungen unternommen, um dem Ruf<br />

einer modernen, benutzerfreundlichen Bibliothek zu entsprechen. Die Restaurierung<br />

alter, teilweise ausgesprochen wertvoller Bücher (einige in ihren Originalausgaben<br />

aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert) ist ein weiteres Projekt, welches in<br />

absehbarer Zeit in Angriff genommen wird.<br />

Abgeschlossen ist hingegen bereits das Projekt der Mikroverfilmung alter<br />

Zeitungsbestände. Die technische Abwicklung unterlag dem Arquivo do Estado<br />

de São Paulo. Das zu Beginn des Jahres 2001 angelaufene Projekt wurde zu jeweils<br />

50% vom Deutschen Auswärtigen Amt und der Fundação Visconde de Porto<br />

Seguro finanziert. Dem Institut bleiben durch die Verfilmung etwa 550.000 Seiten<br />

aus in Brasilien erschienenen deutschsprachigen Zeitungen erhalten, deren<br />

Erscheinungsdatum bis auf 1880 zurückreicht – ein in seiner Vollständigkeit einmaliger<br />

Bestand, welcher als wahrer Kulturschatz eingestuft werden darf. Weder in<br />

Brasilien noch im übrigen Lateinamerika dürfte es ein größeres oder besser erhaltenes<br />

Archiv deutschsprachiger Zeitungen geben. Das Martius-Staden Institut und<br />

seine Sponsoren leisten durch die Mikroverfilmung einen beeindruckenden Beitrag<br />

zum Kulturerhalt, insofern sie ungemein wichtige Quellen der Geschichte deutscher<br />

Immigranten in Brasilien für zukünftige Generationen “ verewigen”.<br />

Zusammenfassend lässt sich für die Bereiche “ Bibliotheken und Archive” feststellen,<br />

dass sich das Institut auf dem richtigen Weg befindet. Die Kontinuität der<br />

Arbeiten sowie die hier nur kurz angerissenen mittel- und langfristigen Projekte<br />

werden dem Institut innerhalb der nächsten Jahre zu einem neuen Profil verhelfen,<br />

welches im Einklang mit den Erfordernissen einer modernen Mediengesellschaft<br />

stehen wird.<br />

Deutsch-brasilianische Begegnungsschulen<br />

Eine wichtige Komponente für die Kulturpolitik des Instituts sind die Schulgemeinden<br />

der im Großraum São Paulo/Campinas vertretenen deutsch-brasilianischen<br />

Begegnungsschulen. Zu diesen zählen die vier Einheiten des Colégios


Visconde de Porto Seguro, das Colégio Humboldt, die Schweizer und die Waldorf-<br />

Schule. Aus naheliegenden Gründen befindet sich an diesen Orten ein grosser Teil<br />

des für die Kulturveranstaltungen anvisierten Zielpublikums.<br />

Es ist nicht das Ziel, in die alltäglichen Aktivitäten der Schulen einzugreifen.<br />

Schulinterne Initiativen, die aus einem kreativen Kunst- oder Musikunterricht hervorgehen,<br />

sollen und werden auch weiterhin den Schulen selbst vorbehalten sein.<br />

Das Martius-Staden Institut greift hingegen dort ein, wo es darum geht, Kulturinterventionen<br />

grösseren Ausmasses einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und<br />

zugänglich zu machen.<br />

Konkret geht es um die Koordination solcher Aktivitäten, in welchen Schüler<br />

ihre Fertigkeiten im künstlerisch-literarisch-wissenschaftlichen Bereich auf<br />

Ausstellungen, Seminaren oder ähnlichen Anlässen darbieten. Es besteht hier<br />

ein enger Kontakt zu den Partnern, mit denen das Institut im kulturellen Sektor<br />

zusammenarbeitet (siehe hierzu auch den nächsten Punkt, “ Kulturprogramm”).<br />

Bei dem für das zweite Semester 2002 geplanten Projekt “ Revendo São Paulo”<br />

beispielsweise handelt es sich um eine Serie von Fotoausstellungen, bei denen<br />

das Institut auf das bedeutende Fotoarchiv des Instituto Moreira Salles zurückgreifen<br />

kann. Parallel dazu erlernen Schüler in speziell konzipierten Fotografiekursen<br />

die Techniken des Fotografierens und zeigen die Resultate ihrer Arbeit<br />

auf den Ausstellungen, die den Schulgemeinden unter Mithilfe des Instituto<br />

Moreira Salles präsentiert werden.<br />

Das Martius-Staden-Institut fördert auf diese Weise nicht nur didaktische Projekte<br />

größerer Tragweite, sondern auch junge Talente, die ohne diese Hilfestellung<br />

ihre künstlerische Begabung wahrscheinlich nicht angemessen zur Geltung bringen<br />

könnten. Ein wünschenswerter “ Nebeneffekt” wird sich dadurch ergeben,<br />

dass den Eltern der Schulgemeinden die Bedeutung kultureller Werte in der Ausbildung<br />

ihrer Kinder vor Augen gehalten wird. Dieser Umstand wiederum wird<br />

langfristig das Interesse an einer persönlichen Teilnahme an kulturellen Aktivitäten<br />

beträchtlich erhöhen.<br />

Kulturprogramm<br />

Die Wiederbelebung eines ehemals blühenden und intensiven Kulturprogramms<br />

wurde vom Trägerverein des Martius-Staden Instituts, der Fundação Visconde de<br />

Porto Seguro, als Priorität der Kulturpolitik der nächsten Jahre ausgegeben.<br />

Bei einer ersten Bestandsaufnahme wurde klar, dass das Institut seine kulturellen<br />

Veranstaltungen seit Mitte der 80er Jahre erheblich zurückgeschraubt hatte.<br />

241


242<br />

Aufgrund dieser relativen Untätigkeit wird der Name des Instituts heutzutage von<br />

einem breiten Publikum nicht mehr mit dem eines renommierten Kulturveranstalters<br />

assoziiert. Die Namen “ Martius” und “ Staden” sind ohnehin nur einer kleinen<br />

Minderheit geläufig, und bei “ deutschem Kulturinstitut” fällt den meisten Befragten<br />

– wenn überhaupt – nur das Goethe-Institut ein.<br />

Genau so klar wurde es der neuen Direktion alsbald, dass eine “ Marke”<br />

Martius-Staden sich nur durch eine konsequente und kontinuierliche Politik<br />

etablieren ließe, die sich in ihrem Marketing auf marktstrategische Prinzipien<br />

stützen würde. Dass dieses Unterfangen kein kurzfristig zu erreichendes Ziel<br />

sein würde, war selbstredender Konsens unter den an der Formulierung dieser<br />

neuen Politik Beteiligten.<br />

Bezüglich der Positionierung wurde zunächst eine klare Segmentierung und<br />

Definition des Zielpublikums vorgenommen. Dabei stellten sich recht schnell und<br />

eindeutig die für die Kulturverantaltungen des Instituts wesentlichen Segmente<br />

heraus: Die “ deutsche” Gemeinde São Paulos; die bereits erwähnten Schulgemeinden<br />

an den Begegnungsschulen; deutsche Firmen bzw. Firmen mit deutscher<br />

Kapitalbeteiligung; Universitäten (besonders solche mit einer speziell künstlerisch-musikalischen<br />

Ausrichtung); andere, nicht unbedingt deutsch-brasilianische<br />

Schulen, die im unmittelbaren Einzugsbereich der Veranstaltungsorte liegen;<br />

sowie allgemein die Bewohner derjenigen Stadtteile, die einen leichten Zugang<br />

zu den Veranstaltungsorten haben (in einer Riesenstadt wie São Paulo ein<br />

stets zu beachtender Faktor).<br />

Einem solch buntscheckigen, heterogenen Zielpublikum kann selbstverständlich<br />

keine deutsche Kultur “ von anno dazumal” präsentiert werden. Vielmehr<br />

müssen die Akzente auf zeitgemäße Kultur gesetzt werden, und hierbei sollte<br />

besonders der Gedanke des kulturellen Austausches im Vordergrund stehen.<br />

Oberstes Kriterium für die Zusammenstellung eines Veranstaltungskalenders sollte<br />

daher nicht, oder zumindest nicht in erster Linie, die Frage sein, ob der jeweilige<br />

Künstler, Musiker, Redner oder Wissenschaftler irgendetwas spezifisch “ Deutsches”<br />

anzubieten hat.<br />

Entscheidend für das Konzept des Veranstaltungskalenders ist der Gedanke<br />

oder, besser ausgedrückt, das Faktum der Plurikulturalität, wie es sich heute im<br />

Gefolge eindeutiger Globalisierungstendenzen weltweit äussert. Wenn schon<br />

die deutsche Gesellschaft einen Großteil ihrer einstmals homogenen Struktur<br />

verloren hat, war “ Homogenität” in einem Land wie Brasilien oder gar einer<br />

Stadt wie São Paulo nie ein Faktor. Genau so wie es müßig ist, darüber zu diskutieren,<br />

welche ethnische Gruppe nun das Gesicht São Paulos am stärksten geprägt<br />

hat (im Schmelztiegel der “ Dazugewanderten” sind im Grunde alle “ Mi-


noritäten”), würde es dem Institut schlecht zu Gesicht stehen, bei einer jeden<br />

Veranstaltung auf ein möglichst “ deutsches” Profil zu setzen.<br />

Um Missverständnisse zu vermeiden: Selbstverständlich ist ein deutsches Element<br />

jederzeit willkommen. Wenn, wie im November 2001, das Landesjugendjazzorchester<br />

Hessen soeben auf Gastspieltournee in Brasilien ist, reihen sich ein oder<br />

zwei Konzerte in São Paulo natürlich glänzend in den Veranstaltungskalender des<br />

Instituts ein. Dasselbe gilt für das hochrenommierte Kölner Klaviertrio, im April<br />

2002 zu Gast. Dennoch ist der Grundzug der Kulturpolitik: Ein breitgefächertes,<br />

vielseitiges Programm, in dem sich Konzerte, Ausstellungen, Theater, Vorträge<br />

und Symposien die Hand geben und das möglichst breite Segmente des Zielpublikums<br />

anspricht.<br />

Im Institut weiss man, dass die Messlatte in einer Stadt wie São Paulo ausgesprochen<br />

hoch liegt, sprich, dass man unweigerlich mit anderen Veranstaltern zu konkurrieren<br />

hat, die unter Umständen schon sehr viel länger “ im Geschäft” sind.<br />

Deshalb liegt es nah, unter der Vielzahl der Kulturzentren, Bibliotheken und Archive,<br />

Museen und Universitäten diejenigen auszusuchen, die Interesse an gemeinsamen<br />

Projekten haben. Die Liste der potentiellen Partner allein in São Paulo ist lang.<br />

Das Arquivo do Estado de São Paulo, das Memorial do Imigrante, das Instituto<br />

Moreira Salles, das Museu Lasar Segall, das Itaú Cultural, das Centro Universitário<br />

(USP), das Instituto de Estudos Avançados (USP) oder der Pátio do Colégio – eine<br />

jede dieser traditionellen und namhaften Institutionen zeigte auf Anfrage immenses<br />

Interesse an einer Zusammenarbeit.<br />

Konkrete Resultate ließen dann auch nicht lang auf sich warten. Schon im August<br />

2001 gelang es dem Institut, einen mit dem Centro Universitário der Universidade de<br />

São Paulo gemeinsam geplanten Konzertzyklus (mit dem klanghaften Namen “ Cantos<br />

do Som”) zu präsentieren. Derselbe darf als richtungweisend für zukünftige Projekte<br />

betrachtet werden. In monatlicher Sequenz gibt es Auftritte gestandener Grössen<br />

der örtlichen Szene, seien dies Solisten oder Ensembles klassischer, populär-brasilianischer<br />

Musik oder des kontemporären Jazz. Durch die Auftritte des Kölner Klaviertrios<br />

und des Landesjugendjazzorchesters unter der Leitung Wolfgang Diefenbachs<br />

erhielt das Ganze noch den erwünschten deutschen Beigeschmack.<br />

Abgesehen von den drei bereits erwähnten Partnerschaften mit dem Arquivo<br />

do Estado, dem Instituto Moreira Salles und dem Centro Universitário, gibt es<br />

mehrere Projekte, welche momentan in der Planungsphase sind. Der Kürze dieser<br />

Darstellung folgend, sei hier nur auf die Zusammenarbeit mit dem Instituto de<br />

Estudos Avançados und dem Memorial do Imigrante verwiesen. Während im<br />

ersten Falle eine konstante, dauerhafte Partnerschaft für Gastvorträge und Seminare<br />

deutscher Wissenschaftler vorgesehen ist, gibt es im Falle des Memorial do<br />

243


244<br />

Imigrante konkrete Pläne für die Digitalisierung und elektronische Speicherung<br />

sämtlicher seit Ende des 19. Jahrhunderts in den Einwanderungslisten des Museums<br />

registrierter Daten zu deutschstämmigen Einwanderern, 375.000 an der Zahl<br />

(die Realisierung des Projekts würde beide Institutionen, das Martius-Staden Institut<br />

und das Memorial do Imigrante, zu wahrhaften “ Centros de Memória”, also<br />

Zentralarchiven, machen, in welchen die kompletten Daten der nach São Paulo<br />

eingewanderten Immigranten deutscher Sprache zu finden wären).<br />

Um solch ambitionierte Projekte in der erwünschten Größenordnung zu verwirklichen,<br />

braucht man natürlich mehr als nur gute Kontakte und kooperationsbereite<br />

Partner. Die Finanzierung kann von der Fundação Visconde de Porto Seguro<br />

nicht allein geleistet werden. Letztere griff ohnehin bei der Mikroverfilmung des<br />

Zeitungsarchivs (vgl. Teil 1) und der Konzertreihe “ Cantos do Som” schon äußerst<br />

großzügig in die Tasche.<br />

Ohne potente Sponsoren aus der Wirtschaft oder dementsprechende Ressourcen<br />

aus der deutschen Bundeskasse wird es, daran besteht wohl kein Zweifel, bei<br />

vielen Projekten nicht gehen. Das Institut versucht daher, sich bei den deutschen<br />

Großfirmen in São Paulo und andernorts die nötigen Mittel zu verschaffen. Wichtige<br />

Hilfestellung leistet hier die brasilianische Gesetzgebung, die für Kulturprojekte<br />

mit hohem öffentlichen Nutzen die Möglichkeit steuerlicher Abschreibung vorsieht.<br />

Trotz dieser sehr günstigen Voraussetzungen, die den Firmen im Grunde ein<br />

kostenloses Marketing ermöglichen, ist die Zahl derer, die als Sponsoren aktiv sind,<br />

äußerst gering. Zuverlässige Schätzungen gehen davon aus, dass unter dem Strich<br />

bestenfalls 1% der Betriebe, die die gesetzlich garantierten Vergünstigungen in Anspruch<br />

nehmen könnten, tatsächlich als Kultursponsoren aktiv sind. Leider handelt<br />

es sich bei der Mehrzahl der Projekte um ausgesprochene Großveranstaltungen<br />

mit rein kommerzieller Ausrichtung.<br />

Für das Martius-Staden Institut tut sich hier ein offensichtliches Problem auf.<br />

Das Institut hat, wie bereits weiter oben erwähnt, nicht den Namen oder die “<br />

Marke”, um investitionsfreudigen Sponsoren die erwünschte Visibilität in den Medien<br />

zu garantieren. Ohne “ Marke” wird es nur schwerlich Sponsoren für seine<br />

Projekte anziehen. Ohne diese aus der Privatwirtschaft kommenden Zuschüsse<br />

sind allerdings auch die Projekte nicht zu realisieren. Und ohne diese Projekte, hier<br />

schließt sich der Kreis, wird das Institut nicht die nötige Visibilität erzielen, sprich,<br />

nicht in der Lage sein, seine “ Marke” fest zu verankern.<br />

Es wird nicht leicht sein, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Andererseits darf<br />

sich das Institut durch die hier skizzierten Probleme nicht entmutigen lassen. Man<br />

muss auf die Karten “ Konstanz”, “ Kontinuität” und “ Kohärenz” setzen, den Kontakt<br />

zu anderen Kulturzentren vertiefen, mit diesen gemeinsame Projekte ange-


hen, eine klar konzipierte und langfristig ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit leisten.<br />

Wenn diese Faktoren zusammenspielen, bestehen reale Aussichten, dass<br />

das Institut schon mittelfristig – also in etwa zwei bis drei Jahren – den Status eines<br />

angesehenen Kulturveranstalters zurückerobern wird. An dieser Schnittstelle setzt<br />

auch der vierte große Bereich an, der in den nächsten Jahren den Aktionradius<br />

des Instituts wesentlich mitbestimmen wird und dessen Grundzüge im Folgenden<br />

kurz dargestellt werden.<br />

4. Bikultureller Austausch mit deutschen Partnern<br />

Unter der Fülle potentieller Partner in Deutschland ragen diejenigen Institutionen<br />

heraus, deren Aktivitäten der Mission des Martius-Staden Instituts entsprechen.<br />

Also Kulturzentren, die sich der Literatur und den Wissenschaften verschrieben<br />

haben, die über eine für das Institut themenrelevante Bibliothek verfügen oder<br />

die durch ihre Programme und Veranstaltungen allgemein zu einem regen kulturellen<br />

Austausch zwischen Deutschland und Brasilien beitragen.<br />

Zunächst soll hier das ICBRA, das Instituto Cultural Brasileiro na Alemanha,<br />

genannt werden, das sich durch sein gleichermaßen intensives wie hochwertiges<br />

Kulturprogramm auszeichnet und zur ersten Anlaufstelle brasilianischer Künstler<br />

in Deutschland geworden ist. Sodann ist ein engerer Kontakt zum Institut für Auslandsbeziehungen,<br />

IfA, erwünscht, dessen durch ihre Qualität beeindruckende<br />

Wanderausstellungen als Markenzeichen deutscher Kulturarbeit im Ausland gelten<br />

dürfen. Mit dem Ibero-Amerikanischen Institut Preußischer Kulturbesitz, IAI,<br />

erstrebt das Martius-Staden Institut schon deshalb eine intensive Kooperation, weil<br />

das IAI in seinen immensen Bibliotheksbeständen vieles beherbergt, was mit der<br />

Arbeit des Martius-Staden Instituts in engem Zusammenhang steht.<br />

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Die Deutsch-Brasilianische Gesellschaft mit<br />

ihrer hervorragenden Zeitschrift “ Tópicos”, das Ethnologische Museum, das Lateinamerika<br />

Institut der Freien Universität Berlin mit seinem Lehrstuhl für brasilianische<br />

Literatur, zahlreiche andere deutsche Universitäten, an denen südamerikabezügliche<br />

Forschungen und Projekte gefördert werden – die Zahl potentieller Partner, mit denen<br />

in den nächsten Jahren eine regelmäßige Zusammenarbeit erfolgen soll, ist groß.<br />

Das Institut verfügt über das für ein Land wie Brasilien unerlässliche know how<br />

und die gleichermaßen erforderlichen Kontakte “ vor Ort”, ohne die ein intensiver<br />

kultureller Austausch nicht möglich ist. Wenn deutsche Schriftsteller, Künstler, Wissenschaftler,<br />

Archive, oder auch Universitäten eine Brücke nach Brasilien suchen,<br />

sind sie beim Martius-Staden Institut an der richtigen Adresse. Allein über die en-<br />

245


246<br />

gen Beziehungen zu den deutsch-brasilianischen Begegnungsschulen eröffnet das<br />

Institut diesen Personen oder Institutionen den Zugang zu einem Zielpublikum,<br />

wie es andere nicht erreichen.<br />

Desgleichen wird das Institut durch die fortschreitende Modernisierung sowie<br />

zukünftige Arbeitsvorhaben den Bereichen Bibliothek und Archiv ein Profil geben,<br />

das stärker denn je modernen Forschungszwecken entspricht. Deutsche wie brasilianische<br />

Forscher werden über elektronische Medien direkten Zugang zu einem<br />

immensen Reservoir an Daten zum Thema “ Deutsche Immigration” haben und<br />

wichtige Erkenntnisse für ihre Studien gewinnen.<br />

Auch das Jahrbuch befindet sich in gewisser Weise in einer Phase des Umbruchs.<br />

Es wird einerseits seine “ raison d’être” als wissenschaftliche Publikation<br />

bewahren, darüber hinaus aber in seinen Beiträgen ein nicht nur in der akademischen<br />

Gemeinde wachsendes Interesse an einer Gesamtschau Brasiliens reflektieren.<br />

Durch den Miteinbezug komplementärer Themen aus den Bereichen Gesellschaft,<br />

Wirtschaft, Politik und Kultur werden in Zukunft auch vermeintliche “ Laien”<br />

das Jahrbuch lesen, die sich für landeskundliche Themen allgemein interessieren.<br />

5. Schlussbetrachtungen<br />

“ Kultur” ist, daran besteht kein Zweifel, in den letzten 10 bis 15 Jahren weltweit zu<br />

einem blühenden Geschäft geworden. Diese Aussage trifft wohl oder übel auch auf<br />

gemeinnützige Vereine und Institutionen zu. Der einstmals beschauliche Alltag traditioneller<br />

Institute unterliegt mittlerweile denselben Gesetzen, die auch für den Rest unserer<br />

zusehends schnelllebigeren Gesellschaft gelten. Wo einstmals stolze Traditionen und der<br />

aufrichtige, nie nachlassende Eifer einiger weniger Pioniere einen zwar kleinen, dabei<br />

jedoch stets respektablen Kulturbetrieb garantierten, müssen sich dieselben Organisationen<br />

heute zwangsläufig ein neues, modernes “ Image” zurechtschneidern.<br />

Das Martius-Staden Institut sieht sich mit einem kontinuierlich sinkenden Interesse<br />

an althergebrachter deutscher Kultur konfrontiert. Die Bereitschaft jüngerer<br />

Generationen, das “ teuto-brasilianische” Familienerbe fortzusetzen und deutschen<br />

Werten und deutscher Sprache unveränderten Tribut zu zollen, wird zusehends<br />

geringer. Den meisten jungen Leuten fehlt ganz einfach der enge emotionale Bezug<br />

zur Heimat ihrer Eltern oder Grosseltern, der bei früheren Generationen noch<br />

so etwas wie Bewusstsein für historisch Gewachsenes auslöste.<br />

Darüber nun den Kopf hängen zu lassen und die unaufhörliche Erosion der “<br />

guten alten Zeit” zu beweinen, wäre sicherlich nicht im Sinne des Instituts. Vielmehr<br />

sollte man diese Zeit des Umbruchs als willkommenen Anlass sehen, eine


schon seit längerem überfällige Neuformulierung der Ziele und der dazu erforderlichen<br />

Politik vorzunehmen. Die vier in den vorangegangenen Kapiteln dargestellten<br />

Kernbereiche bilden den Sockel für ein modernes, dem bikulturellen Austausch<br />

offenstehendes Zentrum. Bei allem Respekt für Geschichte und Tradition sollte doch<br />

nicht vergessen werden, welche profunden Transformationen die Gesellschaften<br />

beider Länder in den letzten Jahrzehnten durchlaufen haben.<br />

Sei es als Partner für bikulturelle Projekte größerer Tragweite, sei es als Forschungseinrichtung<br />

für Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen oder als Promotor<br />

hochkarätiger Veranstaltungen – das Martius-Staden-Institut verbindet Altes mit<br />

Neuem und versucht, der brasilianischen Öffentlichkeit ein möglichst zeitgemäßes<br />

Bild eines modernen Deutschlands zu bieten. In diesem Unterfangen wird man<br />

gerade in einem Land wie Brasilien, das Immigranten aus den unterschiedlichsten<br />

Ländern stets bereitwillig seine Türen öffnete, auf ein unverändert großes Interesse<br />

stoßen. Das Martius-Staden-Institut setzt darauf, dass ihm möglichst viele Partner in<br />

beiden Ländern in dieser noblen Mission zur Seite stehen.<br />

247


248<br />

O Instituto Martius-Staden<br />

no ano 2002: novos desafios em<br />

nome de uma grande tradição<br />

Dirk Brinkmann<br />

(São Paulo)<br />

Os anos de 2001 e 2002 constituíram importantes pontos de referência para o<br />

Instituto Martius-Staden. Enquanto, de um lado, foi dado prosseguimento aos trabalhos<br />

e projetos em andamento no arquivo e nas bibliotecas, de outro chegou-se<br />

a uma clara definição das metas de médio e longo prazos para o setor cultural.<br />

Estes fatos facilitarão consideravelmente o posicionamento do Instituto frente a<br />

importantes projetos nos próximos anos.<br />

Em seu 86 o ano de funcionamento, as atividades do Instituto Martius-Staden<br />

apoiam-se sobre quatro colunas. São elas:<br />

1. a área “Bibliotecas e arquivos”;<br />

2. o estreito contato com as escolas biculturais alemão-brasileiras em São Paulo<br />

e a inerente coordenação das iniciativas culturais originadas nessas<br />

comunidades escolares;<br />

3. um amplo e variado programa de eventos, que contribui tanto para a transmissão<br />

de um quadro atualizado da Alemanha quanto para o entendimento geral<br />

entre os povos, por meio da projeção dos traços pluriculturais de ambos os<br />

países de referência – Brasil e Alemanha;<br />

4. o intercâmbio bicultural, em parceria com organizações alemãs de campo de<br />

atuação correlato ao foco do Instituto Martius-Staden.<br />

Estas quatro áreas situam-se em igual nível de destaque e complementam-se<br />

mutuamente na missão do Instituto. Examinemos, a seguir, cada uma em detalhe,<br />

para assim chegar a uma melhor compreensão do projeto global.<br />

Bibliotecas e arquivos<br />

A Biblioteca conta hoje com um acervo de aproximadamente 35 mil volumes,<br />

distribuído pelos setores de História da Arte, Literatura Alemã, Filosofia, História da


Imigração Alemã no Brasil e Relações Brasil-Alemanha. Os dois últimos representam<br />

o verdadeiro cerne da coleção. As novas aquisições são feitas, em primeira<br />

linha, visando esta temática central. Além disso, o acervo cresce continuamente<br />

por conta de doações de colecionadores particulares, exigindo a permanente<br />

expansão de instalações e equipamentos – prateleiras, computadores etc. – para o<br />

trabalho diário dos bibliotecários.<br />

A grande meta para todas as seções da Biblioteca é a completa catalogação do<br />

acervo. Todos os dados relevantes para os consulentes são armazenados digitalmente.<br />

O banco de dados resultante poderá, provavelmente a partir de 2004, ser<br />

consultado por meio da Internet. Dessa forma, o Instituto espera corresponder aos<br />

requisitos exigidos de uma biblioteca moderna, pois é evidente para todos os envolvidos<br />

que a Biblioteca somente poderá tornar-se conhecida além da região de<br />

São Paulo se puder atender os consulentes com e por meio de mídias modernas.<br />

Vêem-se como público-alvo não apenas pessoas que tenham, por conta de sua<br />

descendência, interesse especial em imigrantes alemães ou na cultura alemã no<br />

Brasil. Como clientes, também deverão interessar universidades e entidades culturais,<br />

dado o elevadíssimo nível qualitativo da Biblioteca, representando um verdadeiro<br />

tesouro para historiadores, etnólogos, sociólogos e antropólogos.<br />

Complementando a sua imponente coleção bibliográfica, o Instituto oferece<br />

uma igualmente considerável coleção de jornais e revistas, tanto em língua alemã<br />

como portuguesa. Ao lado de publicações alemãs, como as revistas “Tópicos” (editada<br />

pela DBG), “Humboldt” (Goethe-Institut/Inter Nationes), “Kulturaustausch“(IfA),<br />

“Paideuma” (Frobenius Institut), “Beiträge zur regionalen Geographie” (Institut für<br />

Länderkunde) ou “Bildung und Wissenschaft” (Internationale Frauenuniversität),<br />

são sistematicamente assinadas revistas brasileiras, entre elas “Estudos Avançados”<br />

(USP), “Revista de Letras” (UNESP), “Letras” (UFPR), “Revista do Museu de Arqueologia<br />

e Etnologia” (USP), “Revista da Sociedade Brasileira de Pesquisa Histórica” (SBPH)<br />

ou “Brasil-Alemanha” (Câmara de Comércio e Indústria Brasil-Alemanha), que tratam<br />

de temas atuais e históricos intimamente relacionados aos assuntos representados<br />

nas bibliotecas.<br />

De forma análoga às bibliotecas, também no arquivo procura-se alcançar a meta<br />

da completa informatização do catálogo de pessoas e assuntos. Ambas as áreas contam<br />

atualmente com cerca de 100 mil anotações, até aqui lançadas em fichas<br />

catalográficas. Já em futuro próximo pretende-se oferecer um banco de dados acessível<br />

via Internet (evidentemente, não sem prévia consulta e autorização).<br />

Tanto na aquisição de literatura nova como na atualização das bibliografias<br />

importantes há grande empenho em corresponder ao padrão de uma biblioteca<br />

moderna, voltada ao usuário. A reencadernação de livros antigos, vários deles de<br />

249


250<br />

elevado valor (alguns em suas edições originais dos séculos 17, 18 e 19), é outro<br />

projeto a ser iniciado a médio prazo.<br />

Já concluído, por outro lado, está o projeto de microfilmagem do acervo de<br />

jornais antigos. A realização técnica esteve a cargo do Arquivo do Estado de São<br />

Paulo. O projeto, iniciado no começo de 2001, foi financiado pelo Ministério das<br />

Relações Exteriores da Alemanha e pela Fundação Visconde de Porto Seguro,<br />

cabendo 50% a cada um dos patrocinadores. Por meio da filmagem, o Instituto<br />

conserva cerca de 550 mil páginas de jornais editados no Brasil em língua alemã,<br />

com datas de publicação retrocedendo até 1880 – um acervo único em sua integridade,<br />

podendo ser classificado como verdadeiro tesouro cultural. Certamente<br />

não haverá, no Brasil ou em toda América Latina, arquivo maior ou mais bem<br />

conservado de jornais em língua alemã. Com sua microfilmagem, o Instituto Martius-<br />

Staden e seus patrocinadores prestam expressiva colaboração à conservação cultural,<br />

“eternizando” fontes de extraordinária importância da história da imigração<br />

alemã no Brasil para as gerações futuras.<br />

Resumindo, pode-se constatar que, na área “Bibliotecas e arquivos”, o Instituto<br />

encontra-se no caminho certo. A continuidade dos trabalhos, assim como os projetos<br />

a médio e longo prazos aqui apenas esboçados, darão ao Instituto, ao longo<br />

dos próximos anos, um novo perfil, em consonância com os requisitos impostos<br />

pelas mídias de uma sociedade moderna.<br />

Escolas biculturais alemão-brasileiras<br />

Um importante componente para a política cultural do Instituto é representado<br />

pelas comunidades escolares das escolas biculturais alemão-brasileiras presentes<br />

na macrorregião São Paulo/Campinas. Entre estas, incluem-se as quatro unidades<br />

do Colégio Visconde de Porto Seguro, o Colégio Humboldt, as Escolas Suíça e<br />

Waldorf. Obviamente, é nesses locais que se encontra grande parte do públicoalvo<br />

contemplado na realização de eventos culturais.<br />

O objetivo não se constitui em intromissão nas atividades cotidianas das escolas.<br />

Iniciativas internas, provenientes de um ensino criativo de artes ou música,<br />

devem ser e continuarão sendo reservadas às próprias escolas. O Instituto Martius-<br />

Staden poderá interceder, porém, quando se tratar de divulgar e prover acesso a<br />

manifestações culturais de maior vulto, para um público mais amplo.<br />

Concretamente, trata-se da coordenação de atividades em que alunos apresentem<br />

suas habilidades no campo artístico-literário-científico por meio de exposições,<br />

seminários ou ocasiões afins. Existe aqui um estreito contato com parceiros


com os quais o Instituto colabora no setor cultural (com relação a isto, vide também<br />

o próximo item, “Programa Cultural”). Por exemplo, no projeto “Revendo São<br />

Paulo”, previsto para o segundo semestre de 2002, trata-se de uma série de exposições<br />

de fotografias, para as quais o Instituto poderá recorrer ao importante arquivo<br />

fotográfico do Instituto Moreira Salles. Em paralelo, os alunos aprendem técnicas<br />

fotográficas em cursos de fotografia especialmente concebidos e mostram os resultados<br />

do seu trabalho em exposições, apresentadas às comunidades escolares<br />

com auxílio do Instituto Moreira Salles.<br />

Dessa forma, o Instituto Martius-Staden incentiva não apenas projetos didáticos<br />

de maior envergadura, como também jovens talento que, sem esse apoio,<br />

provavelmente não poderiam desenvolver sua vocação artística adequadamente.<br />

Um desejável “efeito colateral” decorrerá pela demonstração, aos pais das comunidades<br />

escolares, do significado de valores culturais na educação de seus filhos.<br />

Este fato, por sua vez, elevará substancialmente, a longo prazo, o interesse por uma<br />

participação pessoal em atividades culturais.<br />

Programa cultural<br />

A revitalização de um outrora vicejante e intensivo programa cultural foi colocada<br />

pelo mantenedor do Instituto Martius-Staden, a Fundação Visconde de Porto<br />

Seguro, como prioridade para a política cultural dos próximos anos.<br />

Já um primeiro levantamento deixou claro que o Instituto havia reduzido significativamente<br />

seus eventos culturais desde meados dos anos 80. Por conta dessa<br />

relativa inatividade, hoje em dia o nome do Instituto não é mais associado, por<br />

grande parte do público, com o de um renomado promotor cultural. Aliás, os nomes<br />

“Martius” e “Staden” são familiares a apenas uma pequena minoria e, quando<br />

indagados sobre “instituto cultural alemão”, a maioria dos questionados apenas<br />

lembrará – se tanto – o Instituto Goethe.<br />

Logo tornou-se igualmente claro à nova diretoria que uma “marca” Martius-<br />

Staden somente poderia ser estabelecida por meio de uma política conseqüente e<br />

continuada, com o seu marketing orientado por princípios de estratégia de mercado.<br />

Que esta empreitada não constituiria meta alcançável a curto prazo, já era de<br />

consenso evidente entre os formuladores desta nova política.<br />

Com relação ao posicionamento, procedeu-se de imediato a uma clara<br />

segmentação e definição do público-alvo. Com isso, evidenciaram-se rápida e inequivocamente<br />

os segmentos essenciais para os eventos culturais do Instituto: a<br />

comunidade “alemã” de São Paulo; as já citadas comunidades escolares das esco-<br />

251


252<br />

las biculturais alemão-brasileiras; empresas alemãs ou com participação de capital<br />

alemão; universidades (especialmente aquelas de acentuada orientação artísticomusical);<br />

outras escolas, não necessariamente alemão-brasileiras, localizadas em<br />

áreas de alcance imediato dos locais de realização dos eventos; bem como, genericamente,<br />

os moradores de bairros com fácil acesso aos locais das apresentações<br />

(fator a ser sempre levado em conta numa gigantesca cidade como São Paulo).<br />

A um público-alvo heterogêneo e de tão colorida variedade, evidentemente<br />

não se poderá apresentar uma cultura alemã “daqueles tempos”. Pelo contrário,<br />

será necessário destacar a cultura contemporânea, e nisso deverá ser colocada em<br />

primeiro plano a idéia do intercâmbio cultural. O critério supremo na montagem de<br />

uma agenda de eventos, portanto, não deverá ser, ou pelo menos não em primeira<br />

linha, a questão de o artista, músico, conferencista ou cientista ter algo de especificamente<br />

“alemão” a oferecer.<br />

Decisiva para a concepção da agenda de eventos é a idéia, ou melhor, o fato da<br />

pluriculturalidade, hoje mundialmente presente na seqüência de inequívocas tendências<br />

globalizantes. Se, de certa forma, a sociedade alemã veio a perder grande<br />

parte de sua outrora homogênea estrutura, a “homogeneidade” jamais foi fator de<br />

relevância em um país como o Brasil e, muito menos ainda, em uma cidade como<br />

São Paulo. Da mesma forma como é inútil a discussão sobre qual grupo étnico teria<br />

marcado mais profundamente a “cara” de São Paulo (no caldeirão dos imigrantes,<br />

todos acabam sendo, no fundo, minoria), não seria condizente ao Instituto projetar,<br />

a cada evento, um perfil preponderantemente “alemão”.<br />

Para evitar mal-entendidos: é claro que um componente alemão é sempre bemvindo.<br />

Quando, como em novembro de 2001, a Orquestra Jovem de Jazz do Estado<br />

de Hessen se encontrava em turnê pelo Brasil, naturalmente um ou dois concertos<br />

em São Paulo se encaixavam maravilhosamente bem na agenda de eventos<br />

do Instituto. O mesmo vale para o Kölner Klaviertrio, que se apresentou em abril de<br />

2002. Mesmo assim, o traçado básico da política cultural será: um programa amplo<br />

e variado, em que concertos, exposições, teatro, conferências e simpósios se alternem<br />

e que atraia os mais amplos segmentos do público-alvo.<br />

No Instituto, bem sabemos que em uma cidade como São Paulo os parâmetros<br />

de qualidade são bastante elevados, ou seja, necessariamente teremos de competir<br />

com outros promotores, possivelmente de “quilometragem” bem maior. Portanto,<br />

será natural escolher, dentre a multiplicidade de centros culturais, bibliotecas e<br />

arquivos, museus e universidades, aqueles que demonstrarem interesse por projetos<br />

em comum. Apenas em São Paulo, a lista dos parceiros em potencial já é extensa.<br />

O Arquivo do Estado de São Paulo, o Memorial do Imigrante, o Instituto Moreira<br />

Salles, o Museu Lasar Segall, o Itaú Cultural, o Centro Universitário (USP), o Institu-


to de Estudos Avançados (USP) e o Pátio do Colégio – cada uma destas tradicionais<br />

e renomadas instituições demonstrou, quando indagada, enorme interesse<br />

por um trabalho em conjunto.<br />

A partir daí, resultados concretos também não tardaram a aparecer. Já em<br />

agosto de 2001, o Instituto conseguiu apresentar um ciclo de concertos (sob a<br />

sonora denominação de “Cantos do Som”), promovido em parceria com o Centro<br />

Universitário da Universidade de São Paulo, que poderá ser visto como modelo<br />

para projetos futuros. Com cadência mensal, são apresentados artistas locais consagrados,<br />

quer solistas, quer conjuntos de música clássica, popular brasileira ou<br />

jazz contemporâneo. E, por meio das apresentações do Kölner Klaviertrio e da<br />

Orquestra Jovem de Jazz de Hessen sob a regência de Wolfgang Diefenbach, ainda<br />

foi possível conferir o almejado tempero alemão à empreitada.<br />

Além das três parcerias citadas, com o Arquivo do Estado, o Instituto Moreira Salles<br />

e o Centro Universitário, há vários projetos atualmente em estágio de planejamento.<br />

Mantendo a brevidade desta apresentação, referimo-nos aqui apenas às colaborações<br />

com o Instituto de Estudos Avançados e o Memorial do Imigrante. Enquanto, no<br />

primeiro caso, se prevê uma parceria constante, duradoura, para a realização de conferências<br />

e seminários de cientistas alemães visitantes, há, em relação ao Memorial do<br />

Imigrante, planos concretos para digitalização e arquivamento eletrônico da totalidade<br />

dos dados registrados, desde fins do século 19, nas listas de imigração do Museu,<br />

relativos aos imigrantes de origem germânica, totalizando 375 mil (a realização deste<br />

projeto faria de ambas as entidades, Instituto Martius-Staden e Memorial do Imigrante,<br />

verdadeiros “Centros de Memória”, nos quais seriam encontrados os dados completos<br />

dos imigrantes de língua alemã chegados a São Paulo).<br />

Para realizar projetos tão ambiciosos e na dimensão almejada, é evidente que<br />

são necessários mais do que apenas bons contatos e parceiros dispostos à cooperação.<br />

O financiamento não poderá provir exclusivamente da Fundação Visconde<br />

de Porto Seguro, que, de toda forma, já tem realizado desembolsos extremamente<br />

generosos quando da microfilmagem do arquivo de jornais (vide parte 1) e<br />

do ciclo de concertos “Cantos do Som”.<br />

Sem poderosos patrocinadores empresariais ou recursos equivalentes da esfera<br />

pública alemã, não há dúvida de que muitos dos projetos serão inviáveis. Por<br />

isso, o Instituto procura obter os meios necessários junto às grandes empresas<br />

alemãs em São Paulo e outros locais. Nesse aspecto, um auxílio importante é oferecido<br />

pela legislação brasileira, que prevê isenções tributárias para projetos culturais<br />

de notória utilidade pública. Apesar dessa premissa altamente favorável, que, no<br />

fundo, representa um marketing gratuito para as empresas, o número das que<br />

atuam ativamente como patrocinadores é extremamente reduzido. Estimativas<br />

253


254<br />

confiáveis indicam que, feitas as contas, no máximo 1% das empresas que poderiam<br />

se valer das vantagens fiscais efetivamente atuam como patrocinadores culturais.<br />

Infelizmente, a maioria dos projetos contemplados consiste em megaeventos de<br />

orientação puramente comercial.<br />

Abre-se aqui claramente um dilema para o Instituto Martius-Staden. Como já foi<br />

dito, o Instituto não tem o nome ou a “marca” para assegurar a patrocinadores com<br />

disponibilidade de investimento a visibilidade na mídia por eles almejada. Sem “marca”,<br />

dificilmente atrairá patrocinadores para seus projetos. Mas, sem os subsídios provenientes<br />

da economia privada, os projetos não serão realizáveis. E, sem esses projetos,<br />

completando-se aqui o círculo, o Instituto não conseguirá alcançar a necessária visibilidade,<br />

ou seja, não terá condições de ancorar firmemente a sua “marca”.<br />

Não será fácil quebrar este ciclo. Mas tampouco o Instituto poderá deixar<br />

desmotivar-se pelos problemas aqui apontados. Há de se apostar nas cartas “constância”,<br />

“continuidade” e “coerência”, aprofundar os contatos com outras entidades<br />

culturais, com elas desenvolver projetos em comum, realizar um trabalho junto<br />

ao público de concepção clara e orientado ao longo prazo. Havendo sinergia<br />

entre esses fatores, existe a real chance de que o Instituto possa, já a médio prazo –<br />

ou seja, em dois a três anos –, reconquistar o status de renomado promotor cultural.<br />

Nesta interface, articula-se também a quarta grande área, que ao longo dos<br />

próximos anos terá decisiva participação na definição do campo de atuação do<br />

Instituto e cujos traços básicos são brevemente esboçados a seguir.<br />

Intercâmbio bicultural com parceiros alemães<br />

Dentre o grande número de parceiros em potencial na Alemanha, destacam-se<br />

aquelas entidades cujas atividades correspondam à missão do Instituto Martius-<br />

Staden. Portanto, centros culturais dedicados à literatura e às ciências, que disponham<br />

de uma biblioteca de temática relevante para o Instituto, ou que contribuam<br />

de maneira geral, por meio de seus programas e atividades, com um transitado<br />

intercâmbio cultural entre Brasil e Alemanha.<br />

Logo de início, deve-se citar aqui o ICBRA, Instituto Cultural Brasileiro na Alemanha,<br />

que se distingue por seu programa cultural tanto intensivo como de alta<br />

qualidade e que se tornou o primeiro “porto” a ser procurado por artistas brasileiros<br />

na Alemanha. A seguir, seria desejável um estreitamento do contato com o IfA<br />

(Institut für Auslandsbeziehungen – Instituto de Relações Exteriores), cujas exposições<br />

itinerantes, impressionantes por sua qualidade, representam um marco do<br />

trabalho cultural alemão no exterior. Com o Ibero-Amerikanisches Institut


Preussischer Kulturbesitz (Instituto Ibero-Americano do Acervo Cultural Prussiano),<br />

IAI, o Instituto Martius-Staden aspira a uma intensiva cooperação, até porque muito<br />

do que o IAI abriga em seus imensos acervos bibliográficos tem estreita correlação<br />

com o trabalho do nosso Instituto.<br />

A lista poderia se alongar indefinidamente. A Deutsch-Brasilianische Gesellschaft<br />

(Sociedade Alemão-Brasileira) com sua excelente revista “Tópicos”, o Ethnologisches<br />

Museum, o Lateinamerika Institut da Freie Universität Berlin, com sua cátedra de<br />

literatura brasileira, numerosas outras universidades alemãs que sustentam pesquisas<br />

e projetos relacionados à América do Sul – é grande o número de parceiros com<br />

os quais deverá ser desenvolvida uma colaboração regular nos próximos anos.<br />

O Instituto dispõe do know how indispensável para um país como o Brasil e dos<br />

igualmente necessários contatos “locais”, sem os quais um intenso intercâmbio<br />

cultural não é possível. Quando escritores, artistas, cientistas, arquivos ou universidades<br />

alemães procuram uma ponte para o Brasil, encontram no Instituto Martius-<br />

Staden o endereço certo. Por conta apenas de seu estreito relacionamento com as<br />

escolas biculturais alemão-brasileiras, o Instituto já pode abrir acessos, para essas<br />

pessoas e entidades, a um público-alvo não alcançado por outras instituições.<br />

Da mesma forma, o Instituto, por meio da progressiva modernização e dos<br />

projetos vindouros na área de bibliotecas e arquivos, deverá apresentar um perfil<br />

que, mais do que nunca, corresponderá às finalidades da pesquisa moderna. Pesquisadores,<br />

alemães como brasileiros, terão, por meio da mídia eletrônica, acesso<br />

direto a um imenso reservatório de dados relacionados ao assunto “imigração<br />

alemã” e poderão alcançar importantes conclusões para os seus estudos.<br />

Também o anuário encontra-se, de certa forma, em uma fase de transmutação.<br />

De um lado, conservará a sua raison d’être como publicação científica. Além disso,<br />

deverá refletir em suas contribuições um crescente interesse, não restrito ao meio<br />

acadêmico, por uma visão abrangente do Brasil. Pela inclusão de temas complementares<br />

das áreas social, econômica, política e cultural, o anuário virá a ser lido<br />

também por supostos “leigos” interessados em conhecimentos gerais sobre o país.<br />

Considerações finais<br />

Nos últimos 10 a 15 anos, “cultura” tornou-se, não há dúvida quanto a isso, um<br />

mundialmente florescente negócio. Esta afirmação também se verifica, bem ou<br />

mal, com relação a associações e instituições de utilidade pública. O outrora tranqüilo<br />

dia-a-dia de entidades tradicionais hoje também se sujeita às mesmas leis que<br />

regem o resto de nossa célere sociedade. Onde antes altivas tradições e o sincero<br />

255


256<br />

e incessante fervor de uns poucos pioneiros asseguravam uma modesta, porém<br />

sempre respeitável, atividade cultural, hoje as mesmas organizações vêem-se<br />

compelidas a adotar uma nova e moderna “imagem”.<br />

O Instituto Martius-Staden vê-se confrontado com um interesse continuamente<br />

decrescente pela tradicional cultural alemã. A disposição das gerações mais<br />

novas a dar continuidade à herança familiar “teuto-brasileira” e prestar homenagem<br />

aos valores alemães e à língua alemã diminui a olhos vistos. À maioria dos<br />

jovens simplesmente falta o estreito relacionamento afetivo com a pátria de seus<br />

pais ou avós, que em gerações anteriores ainda despertava algo como uma consciência<br />

de valores históricos.<br />

Mas deixar-se agora desanimar por isso e lamentar a inexorável erosão dos<br />

“bons velhos tempos” certamente não corresponderia ao espírito do Instituto. Muito<br />

antes disso, deve-se encarar estes tempos de transição como bem-vinda oportunidade<br />

para promover uma já há algum tempo indicada reformulação dos objetivos<br />

e da política necessária para atingi-los. As quatro áreas centrais apresentadas<br />

nos itens precedentes constituem a plataforma para um centro moderno, aberto<br />

ao intercâmbio bicultural. Com todo respeito por história e tradição, não poderão<br />

ser esquecidas as profundas transformações pelas quais as sociedades de ambos os<br />

países passaram ao longo das últimas décadas.<br />

Seja como parceiro de projetos biculturais de maior envergadura, seja como<br />

entidade de pesquisa para cientistas de diversas áreas ou como promotor de eventos<br />

de alto padrão, o Instituto Martius-Staden interliga o antigo com o novo e<br />

procura apresentar ao público brasileiro um quadro essencialmente atual de uma<br />

Alemanha moderna. Nessa empreitada, devemos encontrar, justamente em um<br />

país como o Brasil, que sempre abriu suas portas de boa vontade a imigrantes dos<br />

mais variados países, um grande e constante interesse. O Instituto Martius-Staden<br />

tem plena confiança de ser ladeado, nessa nobre missão, por grande número de<br />

parceiros de ambos os países.


Eventos culturais do Instituto<br />

Martius-Staden 2001/2002<br />

2001<br />

30 de julho: Lançamento da parceria cultural com o Centro Universitário da USP<br />

na r. Maria Antônia; início do ciclo “Cantos do Som”, com a apresentação<br />

do cantor/compositor Luiz Tatit<br />

21 de agosto: Primeiro concerto do ciclo no auditório da Unidade III do Colégio<br />

Visconde de Porto Seguro (CVPS) – quinteto de clarinetas Sujeito a Guincho<br />

31 de agosto: Apresentação da Paixão Segundo São João, oratório de Bach<br />

executado pela Orquestra do Colégio Visconde de Porto Seguro e solistas<br />

convidados, no Mosteiro de São Bento<br />

10 de setembro: Entrega do Prêmio Martius-Staden de 2001 ao sr. Hermann<br />

Wever, Diretor-presidente do Grupo Siemens no Brasil – solenidade no<br />

auditório/foyer da UIII do CVPS<br />

25 de setembro: Segundo concerto do ciclo “Cantos do Som” no auditório da<br />

UIII – Orquestra da USP<br />

16 de outubro: terceiro concerto do ciclo no auditório da UIII – Ná Ozzetti e<br />

José Miguel Wisnik<br />

25 de outubro – 7 de novembro: Exposição de artes visuais no foyer da UIII –<br />

Ilse Petry-Ambrosius<br />

4 e 5 de novembro: Duas apresentações do Landesjugendjazzorchester Hessen,<br />

no Club Transatlântico e Sesc Paulista; Instituto como promotor dos<br />

concertos<br />

19 de novembro: Quarto concerto do ciclo “Cantos do Som” no auditório da<br />

UIII – duo de flautas com piano (Maria José Carrasqueira, Antonio Carlos<br />

Carrasqueira e Brooks de Wetter-Smith)<br />

23 e 25 de novembro: Coral do CVPS com orquestra e solistas convidados em<br />

duas apresentações do oratório Messias (Haendel), na Igreja da Paz e Igreja<br />

São Luís Gonzaga<br />

257


258<br />

2002<br />

27 de fevereiro: Continuação do ciclo “Cantos do Som” no auditório da UIII –<br />

José Miguel Wisnik, Ná Ozzetti, Luiz Tatit e Dante Ozzetti<br />

20 de março: “Cantos do Som” no auditório da UIII – André Mehmari e Mônica<br />

Salmaso<br />

22 e 24 de março: Coral do CVPS em duas apresentações de música sacra com<br />

piano. Movimentos corais de Mozart (Requiem), Schubert (Missa em Sol),<br />

Vivaldi (Gloria) e Haendel (Messias). Igreja Na. Sra. da Consolação e<br />

Igreja da Paz<br />

Abril e maio: Exposição “Lasar Segall – Imagens do Brasil”, composta por 35 gravuras<br />

e xilogravuras de Segall, realizadas entre 1924 e 1930, retratando a realidade<br />

social, tipos humanos e paisagens do Brasil. Foyers do CVPS em São Paulo<br />

(UIII, 15-24 de abril) e Valinhos (UII, 29 de abril – 7 de maio)<br />

23 e 24 de abril: Masterclass do Kölner Klaviertrio para músicos e aula-extra de<br />

música de câmara para alunos do Currículo Alemão do CVPS<br />

25 de abril: Concerto com o Kölner Klaviertrio no ciclo “Cantos do Som”, auditório<br />

da UIII<br />

13 e 17 de maio: Coral do CVPS em duas apresentações de música sacra com<br />

piano. Igreja Na. Sra. do Rosário de Fátima e Igreja St. Bonifatius<br />

20 de maio: “Cantos do Som”, Péricles Cavalcanti e banda, show de MPB<br />

17 de junho: Solenidade da entrega do Prêmio Martius-Staden de 2002 a Sra.<br />

Ursula Dormien, editora e proprietária do jornal alemão Brasil-Post. Auditório<br />

e foyer da UIII do CVPS<br />

18 de junho: “Cantos do Som”, Carlinhos Vergueiro, MPB<br />

Dirk Brinkmann, 43. Studium der Anglistik und Geschichte an der universität Essen. Seit 1989 in<br />

Brasilien, wo er als Lehrer am Colégio Humboldt und dem Colégio Visconde de Porto Seguro die<br />

Fächer Englisch, Geschichte, Deutsch als Fremdsprache und Spanisch unterrichtete. Seit 2001 Leiter<br />

des Martius-Staden-Instituts.


Bilder aus dem Institutsleben:<br />

• Bibliotheken und Archiv<br />

• Veranstaltungen<br />

Aspectos do dia-a-dia no Instituto:<br />

• Bibliotecas e Arquivo<br />

• Eventos culturais<br />

259


Fundação Visconde de Porto Seguro<br />

Mantenedora / Institutsträger<br />

Presidente Alfried K. Plöger 1.Vorsitzender<br />

Vice-Presidente Heiner J. G. L. Dauch Stellv. Vorsitzender<br />

1o Secretário Manfred Michael Schmidt 1. Schriftführer<br />

2o Secretário Harald J. Dencker 2. Schriftführer<br />

1o Tesoureiro Eduardo J. J. de Macedo 1. Schatzmeister<br />

2o Tesoureiro Arnold Steinkopff 2. Schatzmeister<br />

Diretor Vogal Christian W. Buelau Beirat<br />

Jahrbuch / Anuário 2002<br />

Editor Hernâni Donato Herausgeber<br />

Editores Executivos Renata Kutschat<br />

Joachim Tiemann<br />

Redaktion<br />

Conselho Editorial Dr. Carlos Wehrs<br />

Dr. Rolf Nagel<br />

Jorge Globig<br />

Eckard Kupfer<br />

Ernst Guenther Lipkau<br />

Redaktionsbeirat<br />

Coordenação Gráfica Ivahy Barcellos Koordination / Grafik<br />

Tradução e Revisão Renata S. G. Kutschat<br />

Joachim Tiemann<br />

Francelino de Oliveira<br />

Übersetzung und Revision<br />

Projeto Gráfico Alessandra Carignani Grafische Gestaltung<br />

ISSN – 1677-051X<br />

Instituto Martius-Staden<br />

Diretor<br />

Coordenação<br />

Dirk Brinkmann<br />

Arquivo/Biblioteca Joachim Tiemann<br />

Administração, Arquivo e Biblioteca<br />

Rua 7 de Abril, 59 • 2 o , 3 o , 4 o e 8 o andares • 01043-900 • São Paulo-SP<br />

Fone: (011) 3151.6300 • Fax: (011) 3255.8391 • E-mail: ims.arq@uol.com.br


Edição e Produção<br />

Nova Bandeira Produções Editoriais<br />

R. Venâncio Ayres, 931 • 05424-030 • São Paulo - SP<br />

Fone/Fax: (011) 3873.1956 • 3873.9944<br />

e-mail: novabandeira@uol.com.br

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