Zahnmedizin bis 2030 – Trends und Prognosen
Zahnmedizin bis 2030 – Trends und Prognosen
Zahnmedizin bis 2030 – Trends und Prognosen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
12<br />
BLZK<br />
BZB Juli/August 12 Politik<br />
Abbildungen: Benz<br />
<strong>Zahnmedizin</strong> <strong>bis</strong> <strong>2030</strong> <strong>–</strong><br />
<strong>Trends</strong> <strong>und</strong> <strong>Prognosen</strong><br />
Aktuelle Zahlen des IDZ, des WifOR <strong>und</strong> der KZBV<br />
Im Jahr 2009 erschien die aktuelle Prognose des<br />
Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) für die<br />
Zahnärztezahl <strong>und</strong> den Behandlungsbedarf <strong>bis</strong><br />
<strong>2030</strong> (IDZ-Information 1/09). Anfang dieses Jahres<br />
wurde die Studie des unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstituts<br />
WifOR <strong>und</strong> des IDZ zu den<br />
Wachstums- <strong>und</strong> Beschäftigungsperspektiven der<br />
M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heitswirtschaft <strong>bis</strong> <strong>2030</strong> veröffentlicht<br />
(Materialienreihe Band 33), <strong>und</strong> jetzt liegt<br />
das Jahrbuch 2011 der Kassenzahnärztlichen B<strong>und</strong>esvereinigung<br />
(KZBV) vor. Welches Bild zeichnen<br />
diese Daten für die Zukunft der <strong>Zahnmedizin</strong> in<br />
Deutschland?<br />
Die Veränderungen im Altersspektrum der Patienten,<br />
die sich in der Folge des demografischen Wandels<br />
ergeben werden, sind vielen bewusster als die<br />
Veränderungen des Behandlungsspektrums, die<br />
sich durch die zahnmedizinische Prophylaxe bereits<br />
ergeben haben. Heute werden in der vertragszahnärztlichen<br />
Versorgung 20 Prozent weniger<br />
Zähne entfernt als 1991 <strong>und</strong> es werden 37 Prozent<br />
weniger Füllungen gelegt. Auch die große Restauration<br />
<strong>–</strong> F3 <strong>und</strong> F4 <strong>–</strong> wird um 28 Prozent seltener.<br />
Sogar die <strong>bis</strong>lang boomende endodontische Behandlung<br />
zeigt mit den jüngsten Zahlen einen<br />
Trend, der nach unten weist (s. Abb. 1). Für die<br />
Abb. 1: Prozentuale Entwicklung verschiedener Leistungen von<br />
1991 <strong>bis</strong> 2010; grün: Wurzelfüllungen, schwarz: Extraktionen, blau:<br />
Füllungen F1 <strong>bis</strong> F4, rot: Füllungen F3 <strong>und</strong> F4 (Umzeichnung aus<br />
dem KZBV-Jahrbuch 2011)<br />
Abb. 2: Entwicklung der Umsatzvolumina des zahnerhaltenden<br />
(obere Kurve) <strong>und</strong> des zahnersetzenden Leistungsbereichs (untere<br />
Kurve) in Milliarden Euro. Enthalten sind auch die privat finanzierten<br />
Leistungen. Der blau dargestellte Korridor berücksichtigt ein<br />
jährliches Einkommenswachstum der Bevölkerung zwischen einem<br />
<strong>und</strong> drei Prozent (Umzeichnung aus der Materialienreihe des IDZ,<br />
Band 33).<br />
Zukunft der <strong>Zahnmedizin</strong> sieht das IDZ vier zentrale<br />
inhaltliche Entwicklungen:<br />
· Prävention wird immer wichtiger, wobei sich bereits<br />
heute klare Erfolge abzeichnen: Karies ist im<br />
deutlichen Rückgang begriffen.<br />
· Durch den Erhalt der Zähne werden die entzündlichen<br />
Erkrankungen des Zahnhalteapparats zunehmend<br />
zum Schwerpunkt der zahnmedizinischen<br />
Therapie.<br />
· Prothetische Leistungen bleiben relevant <strong>und</strong> nehmen<br />
zahlenmäßig nur leicht ab.<br />
· Die Betreuung der steigenden Zahl Pflegebedürftiger<br />
erfordert ganz neue Behandlungsstrategien:<br />
Mobil statt Praxis, Prävention statt Prothetik.<br />
Wachstums- <strong>und</strong> Beschäftigungsperspektiven<br />
Diese inhaltlichen Entwicklungen sind heute schon<br />
zu erkennen <strong>und</strong> werden in der Zukunft dazu führen,<br />
dass der Bereich, der sich mit dem Erhalt von<br />
Zähnen beschäftigt, in der Progno serechnung <strong>bis</strong><br />
<strong>2030</strong> das größte Wachstum zeigt (s. Abb. 2). Besonders<br />
deutlich nimmt dabei der Anteil der von den<br />
Patienten selbst finanzierten <strong>–</strong> insbesondere auch<br />
präventiven <strong>–</strong> Leistungen zu. Lag der Anteil dieses<br />
sogenannten zweiten Ges<strong>und</strong>heitsmarktes 2010
noch bei 29,6 Prozent der Praxisumsätze, so steigt<br />
er <strong>bis</strong> <strong>2030</strong> auf 39,8 Prozent. Mit anderen Worten:<br />
Der von den Pa tienten privat finanzierte Praxisumsatz<br />
wird von 6,73 Milliarden Euro auf 10,76 Milliarden<br />
Euro steigen.<br />
Hieraus ergibt sich dann auch eine weitere gesellschaftlich<br />
relevante Auswirkung der <strong>Zahnmedizin</strong>,<br />
nämlich die eines „Jobmotors“. Im Jahr 2010<br />
waren 409 560 Erwerbstätige in der M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heitswirtschaft<br />
(Praxen, zahntechnische Labore,<br />
Handel mit M<strong>und</strong>pflegeprodukten) tätig. Dies entspricht<br />
immerhin fast der Hälfte der in Deutschland<br />
in der Automobilindustrie Beschäftigten. Im<br />
Jahr <strong>2030</strong> werden weitere 76 080 Stellen in der<br />
M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heitswirtschaft entstehen, <strong>und</strong> zwar<br />
überwiegend in den zahnärztlichen Praxen. Der<br />
Beschäftigungszuwachs beträgt damit 18,6 Prozent,<br />
während die Gesamtwirtschaft <strong>bis</strong> <strong>2030</strong> tendenziell<br />
Stellen eher abbaut.<br />
Wird sich die Zahnarztdichte ändern?<br />
Die Einwohnerzahl pro Vertragszahnarzt hat sich<br />
in Deutschland langsam, aber stetig verringert:<br />
von 1439 Patienten im Jahr 1991 auf 1206 Patienten<br />
im Jahr 2010. Die IDZ-Studie aus dem Jahr<br />
2009 versucht nun, den zukünftigen Trend zu beschreiben.<br />
Wenn durchschnittlich nicht mehr als<br />
1700 Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen im Jahr approbiert<br />
werden, bleibt die Zahnarztdichte bei gleichzeitig<br />
sinkender Bevölkerungszahl konstant. Diese<br />
„Grenzlinie“ wurde 2005 <strong>und</strong> 2006 zwar tatsächlich<br />
unterschritten, die Approbationszahl stieg jedoch<br />
in den Folgejahren wieder deutlich (s. Abb. 3).<br />
Die Zahnarztdichte ist jedoch für die Zukunft allein<br />
nicht aussagekräftig, weil der Behandlungs-<br />
Abb. 3: Anzahl der jährlichen Approbationen (grün) <strong>und</strong> Studienplätze<br />
(blau). Die Studienplätze sind jeweils für einen Zeitpunkt angegeben,<br />
der sechs Jahre vorher liegt <strong>und</strong> damit der durchschnittlichen<br />
Studiendauer entspricht (Umzeichnung aus dem KZBV-Jahrbuch<br />
2011).<br />
Politik BZB Juli/August 12 13<br />
Abb. 4: Prozentualer Anteil angestellter Zahnärztinnen <strong>und</strong> Zahnärzte<br />
an der Gesamtzahl der vertragszahnärztlich tätigen Zahnärzte.<br />
Seit dem 1. Januar 2007 erlaubt das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz<br />
die Anstellung im erweiterten Umfang (Zahlen aus dem<br />
KZVB-Jahrbuch).<br />
aufwand wachsen wird <strong>–</strong> weniger Zahntechnik im<br />
Labor, mehr Prophylaxe <strong>und</strong> Parodontologie in<br />
der Praxis. Weiterhin bleibt die geringere Leistungsintensität<br />
angestellter Zahnärzte zu berücksichtigen<br />
<strong>–</strong> die IDZ-Schätzung geht von 30 Behandlungsst<strong>und</strong>en<br />
pro Woche aus, während der selbstständige<br />
Zahnarzt 37 St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Zahnärztin<br />
33 St<strong>und</strong>en behandelt. Wenn die Zahl angestellter<br />
Zahnärzte jährlich um 0,5 Prozent zunähme,<br />
wäre eine Deckung des Behandlungsbedarfs nur<br />
möglich, wenn die Approbationszahlen dauerhaft<br />
bei der Grenzkapazität des Ausbildungssystems<br />
von 2100 pro Jahr lägen. Diese Annahme wird aktuell<br />
weit übertroffen: In den letzten vier Jahren<br />
stieg der Anteil angestellter Zahnärzte jeweils um<br />
1,6 Prozent (s. Abb. 4).<br />
Damit lässt sich klar formulieren, dass die <strong>Zahnmedizin</strong><br />
im Jahr <strong>2030</strong> sicher nicht mehr Behandlungskapazität<br />
anbieten wird als heute, vielleicht<br />
sogar weniger. Ein großes <strong>und</strong> <strong>bis</strong>lang ungelöstes<br />
Problem bleibt die zunehmende Ungleichverteilung<br />
zwischen Stadt <strong>und</strong> Land. Hier lässt sich nur<br />
der Appell an die Beteiligten <strong>–</strong> Dentaldepots, Kreditinstitute,<br />
Universitäten, Standespolitiker <strong>–</strong> richten,<br />
den jungen Kolleginnen <strong>und</strong> Kollegen die Vorzüge<br />
einer „Landpraxis“ nahezubringen.<br />
Ausblick<br />
Die künftige Approbationsordnung gibt der Universität<br />
die Möglichkeit, den Entwicklungen der<br />
Praxis zeitnäher zu folgen. Schwerpunkte müssen<br />
dort gelegt werden, wo der Behandlungsbedarf zunimmt.<br />
Konkret bedeutet dies: weniger „Bohren“<br />
BLZK
14<br />
BLZK<br />
BZB Juli/August 12 Politik<br />
<strong>und</strong> mehr Prophylaxe <strong>und</strong> Parodontologie. Ebenso<br />
wichtig ist die Vermittlung von Gr<strong>und</strong>zügen der<br />
Versorgung Pflegebedürftiger. Heute schon kommen<br />
auf jeden Vertragszahnarzt 39 Patienten mit<br />
Pflegestufe <strong>und</strong> diese Zahl könnte <strong>bis</strong> <strong>2030</strong> auf 57<br />
steigen.<br />
Je wichtiger die privat durch den Patienten finanzierten<br />
Leistungen für die Praxis werden, umso<br />
mehr gilt es, die ethischen Gr<strong>und</strong>lagen zu beachten,<br />
die den Arztberuf ausmachen. Die zukünfti-<br />
Abbildungen: BMG<br />
Seit 1. Juli 2012 schreibt der Gesetzgeber ein neues Rechnungsformular<br />
für die GOZ vor. Dieses Formular wurde<br />
in seiner endgültigen Fassung am 21. Juni 2012 vom<br />
B<strong>und</strong>esministerium für Ges<strong>und</strong>heit (BMG) zur Verfügung<br />
gestellt. Das <strong>bis</strong>herige Rechnungsformular der Anlage<br />
2 GOZ ist nicht mehr gültig.<br />
Das BMG hat die privaten Krankenversicherungen (PKV)<br />
<strong>und</strong> die Beihilfestellen gebeten, in den ersten Monaten<br />
nach Inkrafttreten des neuen Rechnungsformulars auch<br />
Rechnungen zu akzeptieren, die diesem nicht entsprechen.<br />
Sowohl die PKV als auch die Beihilfestellen haben<br />
entsprechende Bereitschaft signalisiert. Da es sich<br />
gen Schwerpunkte in der Prävention <strong>und</strong> Zahn -<br />
erhaltung bieten vielleicht aber auch weniger Potenzial<br />
für eine allzu vordergründige Ästhetikorientierung.<br />
Die steigende Zahl angestellter Zahnärzte mag<br />
man kritisch sehen, doch scheint sie dem Lebensgefühl<br />
vieler jüngerer Kollegen zu entsprechen.<br />
Hier gilt es zu gestalten <strong>und</strong> nicht zu blockieren.<br />
Seit 1. Juli: Neues GOZ-Rechnungsformular!<br />
Prof. Dr. Christoph Benz<br />
Präsident der BLZK<br />
jedoch nur um eine Bitte des BMG handelt, bedeutet<br />
dies keine Garantie für den Zahnarzt, der die Rechnung<br />
erstellt.<br />
Rechnungsempfänger <strong>und</strong> Zahlungspflichtiger ist der<br />
Patient. Eine nicht den Anforderungen des § 10 GOZ<br />
entsprechende Rechnung ist nicht zur Zahlung fällig.<br />
Daher empfiehlt die Bayerische Landeszahnärztekammer,<br />
so schnell wie möglich das neue Formular<br />
zu verwenden, das auch auf der BLZK-Website unter<br />
www.blzk.de/goz eingestellt ist.<br />
Susanne Ottmann-Kolbe<br />
Leiterin Fachbereich GOZ<br />
Ab 1. Juli zu verwenden: Das neue GOZ-Rechnungsformular, das auch unter www.blzk.de/goz heruntergeladen werden kann.