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Book of Abstracts. - Sound und Performance

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30<br />

Eliane Beaufils<br />

Samstag, 06.10.2012, 13.30-15.00<br />

S 124 (GW I)<br />

Wenn die Stimme zum <strong>So<strong>und</strong></strong> wird:<br />

Eine neue Ästhetik des Widerstands?<br />

Bereits Schwabs Figuren wurden als ‚Melodien’ wahrgenommen.<br />

Das lag an der Rekurrenz bestimmter Wortwurzeln inmitten<br />

der hypertrophen Satz- <strong>und</strong> Wortbildungen. In postdramatischen<br />

Inszenierungen der letzten Jahre artet die Stimme<br />

dagegen trotz der äußerst klaren Textgestaltung zum <strong>So<strong>und</strong></strong><br />

aus. In ihren Inszenierungen des Kalten Kinds <strong>und</strong> des Prozesses<br />

wenden Perceval bzw. Kriegenburg Verfahren der Anonymisierung<br />

<strong>und</strong> der Kollektivierung von Stimme an. Indem diese<br />

fast ihren Klang einbüßt (Barthes), erzeugt sie zunächst eine<br />

Ästhetik der Absenz; die Performativität der neuen Präsenz ist<br />

umso beeindruckender. Die Stimme hinterlässt dennoch einen<br />

unterschiedlichen Abdruck bei Perceval <strong>und</strong> Kriegenburg.<br />

Percevals Schauspieler sprechen im möglichst selben Rhythmus,<br />

werden dadurch von Technomusik unterstützt, <strong>und</strong> entwickeln<br />

eine eigenwillige abgehackte <strong>So<strong>und</strong></strong>maschine. Sie erzeugen<br />

eine paradoxe Atmosphäre, in die man sich nicht einfühlen<br />

kann; einen „phonischen Raum“ (LePors) trotz Anwesenheit der<br />

Darsteller; eine Fremdheit, die ebenso lange andauert wie die<br />

von der technisierten Stimme veräußerlichte Medialisierung.<br />

Kriegenburgs Figuren verschwinden nicht im Nebel des Technoso<strong>und</strong>s,<br />

sondern des Kollektivs, das mitunter griechische Züge<br />

annimmt. Das ständige Kippen zwischen Stimme <strong>und</strong> <strong>So<strong>und</strong></strong><br />

verdeutlicht die Macht des dominanten Textes <strong>und</strong> Diskurses,<br />

die wiederum durch die Verso<strong>und</strong>lichung relativiert werden.<br />

So überträgt sich in der Niederlage Ks. der Sieg der Stimme.<br />

Dem Wunsch nach einem erotischen Theater wird kaum in der<br />

verkümmerten, im Strudel der Aufführungsmaschine schwer<br />

wahrnehmbaren einzelnen Stimme Genüge getan. Sie behauptet<br />

sich allein in ihrem erfolglosen unüberzeugten Widerstand.<br />

Dadurch übt sich der Rezipient in widerständigem Hören, das<br />

bei Perceval nicht unbedingt eine Gabe ist.<br />

Eliane Beaufils studierte Germanistik, Philosophie, Politik, <strong>und</strong><br />

Theaterwissenschaft. Unterricht an verschiedenen Hochschulen<br />

<strong>und</strong> Gymnasien. Promotion zur Gewalt auf deutschen zeitgenössischen<br />

Bühnen an der Universität Paris IV-Sorbonne unter<br />

der Leitung von Jean-Marie Valentin (Violences sur les scènes<br />

allemandes). Maître de conférences in Theaterwissenschaft/<br />

Ästhetik an der Universität Paris 8. Derzeitige Forschungsbereiche:<br />

Grausamkeit, Ästhetik des Ereignisses, der Katastrophe<br />

<strong>und</strong> poetische Momente auf der Bühne.<br />

Jeanne Bindernagel<br />

Samstag, 06.10.2012, 13.30-15.00<br />

S 122 (GW I)<br />

Zum Nachhall der hysterischen Geste.<br />

Zum Verhältnis von Bild, Klang <strong>und</strong><br />

Körper in den Theaterarbeiten René<br />

Polleschs <strong>und</strong> Alain Platels<br />

Über den Topos der Hysterie eröffnet sich ein prekäres Verhältnis<br />

gegenseitiger Konstituierung von Blick <strong>und</strong> Körper. An ihrem<br />

geschichtlichen Diskurs lässt sich der paradoxe Abschottungs<strong>und</strong><br />

Dokumentationsprozess in französischen Kliniken des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts zeigen, der mit medialem Aufgebot den hysterischen<br />

Zustand festzuhalten versuchte <strong>und</strong> gleichzeitig von der<br />

ungeheuren Faszination zeugt, die von den gestischen Leibern<br />

der Hysterikerinnen ausging. Das Blicken <strong>und</strong> Gesehenwerden<br />

verfugt sich in gegenseitiger Bedürftigkeit am (schauspielenden)<br />

Leib der Hysterika, der das mediale Spektakel an sich<br />

selbst ertragen muss, es in den Gesten der eigenen Widerständigkeit<br />

aber auch in Gang hält. Die Idee der theatralen Geste<br />

<strong>und</strong> ihres Körpers (von der Moderne bis in die Gegenwart) wird<br />

in diesem Prozess provoziert, ins Bild gesetzt, aber auch in der<br />

Folge versprachlicht <strong>und</strong> somit der Intention der Verschiebung<br />

von der Sphäre des ‚pathos’ in die des ‚logos’ unterworfen.<br />

Die performative Verfasstheit der Hysterie, wie sie sich schon in<br />

der Konzeptionierung Freuds <strong>und</strong> später bei Deleuze oder Bronfen<br />

findet, soll in dem geplanten Beitrag ins Zentrum gerückt<br />

<strong>und</strong> anhand künstlerischer Arbeiten des Gegenwartstheaters<br />

mögliche Freiräume im Verhältnis von hysterischem Posieren<br />

<strong>und</strong> Positioniert-Werden untersucht werden. In seiner Präsenz<br />

wird der Körper hier gerade über seine Klanglichkeit als ‚Resonanzkörper’<br />

(z.B. in Alain Platels Tanztheaterproduktion vsprs<br />

oder im Sprech-Theater René Polleschs) den logischen Narrativen<br />

entzogen <strong>und</strong> auf die Relevanz sinnloser, abjekter, störender<br />

(Klang-)Körperäußerungen inner- <strong>und</strong> außerhalb einer<br />

Theorie der Geste untersucht.<br />

Jeanne Bindernagel hat Theater-, Sprach- <strong>und</strong> Erziehungswissenschaft<br />

in Leipzig <strong>und</strong> Paris studiert. Sie ist Mitarbeiterin am<br />

Institut für Theaterwissenschaft der Universität Leipzig <strong>und</strong><br />

promoviert seit 2011 als Stipendiatin der Studienstiftung des<br />

deutschen Volkes. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt derzeit auf<br />

der Erarbeitung eines kulturwissenschaftlichen Hysteriebegriffs<br />

für theatral-filmische Praktiken in der deutschen Nachkriegsgesellschaft,<br />

der sich als Beitrag einer Historiografie der Künste<br />

sowie der Ästhetikgeschichte der Psychoanalyse <strong>und</strong> deren Bedingungen<br />

von Gedächtnis, Trauma <strong>und</strong> Gender versteht.

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