6 BLICK AUF DIE WAHL 7 Passau jubelt neuem Hoffnungsträger zu Super, Dupper! So bescheiden s<strong>in</strong>d wenige Wahlsieger Am Morgen danach überraschten die Mitarbeiter im „Bürgerbüro Dupper“ ihren Chef mit e<strong>in</strong>em Weißwurstfrühstück. Auf dem Computerbildschirm hatten sie ihm e<strong>in</strong>e Fotogalerie <strong>der</strong> euphorischen Wahlparty vorbereitet: Menschen, die ihn küssen und knuddeln, bejubeln und beschenken. Dupper, <strong>der</strong> neue Super- Wie sich Ex-OB Zankl die Presse kaufte Bayerns teuerstes Selbstgespräch Albert Zankl führt e<strong>in</strong> Selbstgespräch und lässt es dann für 3.100 Euro als angebliches Interview mit <strong>der</strong> „Redaktion“ im Passauer WWochenblatt (PaWo) abdrucken. Für weitere 3.100 Euro veröffentlicht er von verschiedenen Redaktionen abgelehnte Leserbriefe. Der Coup wurde e<strong>in</strong> Re<strong>in</strong>fall. Das Selbstgespräch geriet zum Stadgespräch und Zankl verlor noch mehr an Sympathie. Bürgerblick sprach mit Mitwirkenden <strong>der</strong> PaWo-Polit-Affäre und bat sie um Stellungnahmen. Alexan<strong>der</strong> Wösner von star im Rathaus, schaute sich die Bil<strong>der</strong> an. Dann sagte er ganz ruhig: „An so e<strong>in</strong>em Abend hat man viele Freunde“. Hier spricht e<strong>in</strong> <strong>Sie</strong>ger, <strong>der</strong> sich nicht gleich <strong>in</strong> Eitelkeit und Stolz verrennt. E<strong>in</strong> Lokalblatt ließ Dupper als Superman über Passau fliegen. E<strong>in</strong> falsches Bild.Denn Dupper gehört nicht zu den Hel- “Prost Oberbürgermeister!” : Dupper-Party im Rathaus. <strong>der</strong> Werbeagentur gibt den „Schwarzen Peter“ weiter: „Ich habe nur e<strong>in</strong>en Auftrag abgewickelt“.Als Auftraggeber nennt er die „CSU Passau“. Wösner lieferte die zwei umstrittenen Zeitungsseiten (<strong>in</strong>klusive e<strong>in</strong>es Inserats <strong>der</strong> Zanklfreunde MdB Dr. Max Stadler und Dr. Anton Jungwirth) komplett gestaltet bei <strong>der</strong> PaWo ab. Der Verantwortliche <strong>der</strong> Anzeigenabteilung bekam wegen des Beitrags „Bauchschmerzen“ und setzte wenigstens das Wörtchen Anzeige darüber. Ohne Werbeh<strong>in</strong>weis wäre es dem Kunden noch lieber gewesen. den, die abheben. Nach viere<strong>in</strong>halb Jahren Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landespolitik kennt er die Höhen und Tiefen des Geschäfts. Die rund 400 Menschen im Großen Rathaussaal wogen dem Wahlsieger entgegen wie e<strong>in</strong>e freundliche Welle. <strong>Sie</strong> reichten ihm Rosen und e<strong>in</strong>en roten Rathausschlüssel. Mit sensationellen 61,4 Prozent <strong>der</strong> Stimmen wurde <strong>der</strong> 47-jährige Familienvater (fünf K<strong>in</strong><strong>der</strong>) bei <strong>der</strong> Stichwahl zum neuen Oberbürgermeister <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> Passau gewählt. Nach dem großartigen Ergebnis schmückt er sich mit ke<strong>in</strong>em Wort selbst. Er sagt: „Ich kann es mir nur so erklären, dass die Wähler<strong>in</strong>nen und Wähler von Urban Mangold und Erika Träger für mich gestimmt haben.“ „Super-Dupper“ steht nicht nur für Sympathie, son<strong>der</strong>n auch für e<strong>in</strong>e neue politische Tugend: <strong>der</strong> Demut. Stefan Brandl, Chef <strong>der</strong> Redaktion, fühlt sich nicht zuständig. „Das ist ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong>s Blatt, son<strong>der</strong>n gängige Werbepraxis“, erklärt er. Zwar gab es schon früher bezahlte Portraits von Schmöller (SPD) und Plenk (CSU). Aber als Interview <strong>der</strong> „Redaktion“ wurde so etwas noch nie verkauft. Manche Leserbrief- Schreiber fühlen sich <strong>in</strong> dieser schmutzige Werbekampagne benutzt - an<strong>der</strong>e nutzten die kostenlose Plattform: Der städtische Manager Joseph Gevatter schrieb angeblich <strong>in</strong> Absprache mit den Mitarbeitern - auch das war falsch. H<strong>in</strong>tergründe zur Abwahl Zankls Das plötzliche Ende e<strong>in</strong>es politischen Panzerfahrers Die schöne Dreiflüssestadt Passau wird gefühlt seit 1000 Jahren von CSU und Kirche regiert. Wenn <strong>der</strong> Fremde erfährt, dass hier auch schon e<strong>in</strong> Oberbürgermeister <strong>der</strong> Sozialdemokraten zwölf Jahre lang im Amt war, runzelt er ungläubig die Stirn. Aber vielleicht wurde Willi Schmöller, <strong>der</strong> von 1990 bis 2002 die <strong>Stadt</strong> regierte, nicht ganz grundlos als „roter Bürgermeister“ vergessen: Er trat mittlerweile aus <strong>der</strong> SPD aus und verbündete sich mit se<strong>in</strong>em CSU-Nachfolger. Jetzt kam e<strong>in</strong> neuer roter Paukenschlag. Nach dem drastischen Stimmenverlust ist Albert Zankl still geworden. Passau ist seit dem 16. März nicht mehr schwarz. Aber genau genommen wählten die Passauer nicht Rot, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Alternative, e<strong>in</strong>en neuen Hoffnungsträger. Das neue <strong>Stadt</strong>oberhaupt soll <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> 2000 Jahre alten Domstadt besser gerecht werden. Das kostbare Erbe soll nicht länger mit Füßen getreten werden. Der Aufschrei über den Turmbau zu Passau und das hässliche Drumherum waren so laut,dass sie bis nach München drangen: Geht die Donauperle als Kulisse für den Kommerz kaputt? Es wie<strong>der</strong>holte sich das ungeschriebene Gesetz <strong>der</strong> Passauer Stichwahlen. Der Herausfor<strong>der</strong>er ist immer <strong>der</strong> <strong>Sie</strong>ger. Willi Schmöller (SPD) stürzte 1990 mit 51,16 Prozent den OB Hans Hösl (CSU). Albert Zankl drängte 2002 mit 53,3 Prozent Schmöller aus dem Amt. Allerd<strong>in</strong>gs gab es zwischen Schmöller und Zankl nach sechs Jahren Amtszeit e<strong>in</strong>en gravierenden Unterschied: Der volksnahe Schmöller wurde mit 66 Prozent wie<strong>der</strong>gewählt, <strong>der</strong> hemdsärmelige Herrscher Zankl mit 37,7 Prozent sofort wie<strong>der</strong> verbannt. <strong>Was</strong> ist passiert <strong>in</strong> Passau, dass e<strong>in</strong> CSU-Mann, bodenständiger Unternehmer und stark wie e<strong>in</strong> Stier, so schnell abserviert wurde? Mit 53 Jahren hätte er gut und gerne noch zwei Amtsperioden vor sich gehabt. Zankl trat mit <strong>der</strong> Neuen Mitte e<strong>in</strong> problematisches Erbe an. Der CSU-Kandidat wurde vor sechs Jahren gewählt, weil er Durchsetzungskraft und gesunde Lösungen versprach: Man wolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuen Mitte ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong> „Großkaufhaus mit angeschlossenerBusbahnhofhaltestelle“, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en „Kultur- und Freizeitmagneten“. Er wolle Sorge dafür tragen, dass das Angebot im Kaufhaus e<strong>in</strong>e Ergänzung zur vorhandenen Geschäftswelt br<strong>in</strong>gt. Die großartigen Töne von dieser „Jahrhun<strong>der</strong>tchance“ kl<strong>in</strong>gen vielen Passauern noch <strong>in</strong> den Ohren. Doch wenn sie heute ihre Augen öffnen, s<strong>in</strong>d sie aufgebracht o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest enttäuscht. Das e<strong>in</strong>zige Vergnügen <strong>der</strong> Neuen Mitte ist das C<strong>in</strong>eplex-K<strong>in</strong>o im Untergrund. Alles darüber ist Verschandlung verglichen mit dem italienischem Barock <strong>der</strong> Altstadt. E<strong>in</strong> Medienerbe baute sich e<strong>in</strong>en grünen Büroturm als Denkmal und nebenan klotzt e<strong>in</strong> Hamburger Milliardär mit se<strong>in</strong>em gigantischen ECE-Center. Zankl hatte zugepackt, aber se<strong>in</strong>e Versprechen nicht e<strong>in</strong>gelöst. Die alte Geschäftswelt hat das Nachsehen, weil ECE ke<strong>in</strong>e wirkliche Ergänzung ist,son<strong>der</strong>n alle Kundenwünsche, von <strong>der</strong> Wurstsemmel bis zur <strong>Was</strong>chmasch<strong>in</strong>e, bedient. Pendler und Busfahrer haben Nachteile, weil <strong>der</strong> neue Busbahnhof ans Kaufhaus und nicht an den Hauptbahnhof „angeschlossen“ wurde. „Jedem Menschen recht getan, ist e<strong>in</strong>e Kunst, die ke<strong>in</strong>er kann“, schrieb <strong>der</strong> unter Beschuss geratene Albert Zankl <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em letzten Brief vor <strong>der</strong> Stichwahl an alle Haushalte. Das erste Mal übte er wenigstens ansatzweise Selbstkritik. Die Passauer s<strong>in</strong>d eigentlich e<strong>in</strong> geduldiges Volk. Niemand hat von Zankl erwar- tet, dass er es allen recht machen soll. Es hätte genügt, wenn er weniger den Herren im fe<strong>in</strong>en Zwirn als se<strong>in</strong>en Bürgern gedient hätte. „So lasch, wie <strong>in</strong> Passau mit ECE verhandelt wurde, ist beispiellos“, sagt nicht nur <strong>der</strong> ödp- Fraktionschef Urban Mangold. Der Oppositionspolitiker, dem Zankl schon mal „zu wenig Hirnw<strong>in</strong>dungen“ besche<strong>in</strong>igte, heimste <strong>in</strong> manchen Bezirken mit se<strong>in</strong>er Partei mehr als 20 Prozent <strong>der</strong> Stimmen e<strong>in</strong>. Der OB hat sich für se<strong>in</strong>e vielen verbalen Entgleisungen gegenüber <strong>der</strong> Opposition nie geschämt, geschweige denn entschuldigt. Das haben nun die Wähler getan. Vielleicht stolperte Zankl auch über die Stimmen <strong>der</strong> ECE-Gegner. Immerh<strong>in</strong> hatten knapp 50 Prozent <strong>der</strong> Wähler beim Bürgerentscheid 2004 für e<strong>in</strong>e „maßvolle Neue Mitte“ gestimmt. Zankls Wortschatz kennt ke<strong>in</strong> „maßvoll“. Als er 2006 den Spaten schwang und ECE als das „größte Bauvorhaben seit dem Dombau“ ausrief, musste vermutlich nicht nur <strong>der</strong> Bischof schlucken. Es war Zankl, <strong>der</strong> Selbstherrliche, den die Passauer satt hatten. Er fuhr se<strong>in</strong>e Politik wie e<strong>in</strong> Panzerfahrer und blieb stur <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Spur. Wer mit Alternativen kam, wurde ausgelacht o<strong>der</strong> ignoriert. „Ja, ich habe verstanden!“, quittierte er den ersten Wahl- Denkzettel <strong>der</strong> Bürger.Aber das waren nur leere Worte se<strong>in</strong>er Werbeagentur. Typisch dagegen war dieser Ton zur Stichwahl: „Steh auf! Geh h<strong>in</strong>! Mach mit!“ Befehle an die Wähler statt Balsam für die Wunden <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong>. Beispiel <strong>Stadt</strong>bahn. Als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Universität Bürger und Spitzenpolitiker aller Parteien e<strong>in</strong>en Hörsaal füllten, um über die Vision e<strong>in</strong>es neuen Verkehrskonzepts zu diskutieren,blieben Zankl und se<strong>in</strong>e Fraktion als E<strong>in</strong>zige fern. <strong>Stadt</strong>bahn-Gegner Zankl verspottet sie als „Geisterbahnfahrer“ und verschwendet Energie darauf, die Gleise herausreißen zu lassen. Der „Zupacker“ sah ke<strong>in</strong>e Visionen, son<strong>der</strong>n die Zuschüsse für e<strong>in</strong>en neuen Radweg. Zum Schluss stellten sich Zankls Betonpolitik immer mehr Bürger<strong>in</strong>itiativen entgegen. Die vom Tanktourismus geplagten Innstädter verlangen Verkehrsberuhigungen und organisierten Luftmessungen und Verkehrszählungen auf eigene Faust; im Westen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>te e<strong>in</strong> Brü<strong>der</strong>paar mit großer Anhängerschar,dass e<strong>in</strong> grüner Donauhang von e<strong>in</strong>er neuen Verb<strong>in</strong>dungsstraße zerschnitten wird. <strong>Sie</strong> kippten alle <strong>Stadt</strong>ratsbeschlüsse. Dupper, <strong>der</strong> unter Schmöller zweiter Bürgermeister war, brauchte <strong>in</strong> diesem Wahlkampf ke<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Programm. Es genügte se<strong>in</strong> Slogan für Sympathie. Etwas, was die Passauer vom Rathaus nicht mehr kannten.Das rote Dupper-D wurde zum Symbol se<strong>in</strong>er „I mog di“-Kampagne. Unterstützung kam auch von außen. Die drittstärkste Kraft, die ödp, warb bei <strong>der</strong> Stichwahl „für den Wechsel“; genauso die Grünen, die für e<strong>in</strong> „besseres Klima im Rathaus“ kämpften. Nach <strong>der</strong> ersten Wahlnie<strong>der</strong>lage versuchte Zankl se<strong>in</strong>en letzten großen Coup. Er kaufte sich den <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen größten Miesmacher, die Presse. Er <strong>in</strong>terviewte sich selbst, wählte Leserbriefe aus, die echte Redakteure <strong>in</strong> den Papierkorb geworfen hatten, und veröffentlichte se<strong>in</strong> journalistisches Werk auf zwei Seiten im Wochenblatt. Der Spaß kostete ihn 6.200 Euro aus <strong>der</strong> Wahlkampfkasse und das fatale Medienecho ihm weitere Stimmen. Wie sagte e<strong>in</strong> hochrangiger Kirchenmann an e<strong>in</strong>em Abend vor <strong>der</strong> Abwahl: „Wenn e<strong>in</strong>er sich zwei Zeitungsseiten kauft, nur um an <strong>der</strong> Macht zu bleiben, zu was allem wäre <strong>der</strong> noch bereit?“ Es soll Passauer geben, die niemals e<strong>in</strong>em Sozi das Kreuz geben würden. Bei <strong>der</strong> Stichwahl haben es manche offenbar doch getan. Weil nicht das Parteibuch, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wechsel zum Wohle <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> zählte. Photos: Hubert Denk
8 ANZEIGEN April 2008