Programmheft (pdf) - Basel Sinfonietta
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Werke<br />
Schlachtrösser für den Konzertgebrauch<br />
Richard Wagner und Der Ritt der Walküren<br />
Mit seinem Walkürenritt schuf Richard Wagner (1813–1883) eine der populärsten Kompositionen<br />
überhaupt. Jeder kennt das Stück, jeder kann zumindest die Anfangstakte<br />
dieser rauschhaften Musik mitsingen. Der charakteristische punktierte Rhythmus, die<br />
kontinuierlich aufsteigende Linie des Walküren-Motivs, die dichte Instrumentierung<br />
mit den sich aufschwingenden und hinabstürzenden Streicherfiguren graben sich tief<br />
und unauslöschlich in das musikalische Erinnerungszentrum des Hörers ein.<br />
Das Stück eröffnet als Vorspiel und Anfang der ersten Szene den dritten Aufzug der<br />
Walküre aus Wagners Tetralogie Der Ring des Nibelungen, jenem szenischen opus<br />
m agnum, in welchem Wagner germanische Sagenwelt, Göttermythos und Heldenepos<br />
zu einem Musikdrama von bisher nicht dagewesenen Ausmassen verband. Wenn sich<br />
der Vorhang hebt, haben sich die Walküren, die Töchter des Göttervaters Wotan, mitsamt<br />
ihren Rössern auf dem Gipfel des Walkürefelsens versammelt, um die mutigsten<br />
auf dem Schlachtfeld gefallenen Helden nach Walhall zu führen. In wildem Übermut<br />
grüssen sie sich mit dem berühmten Schlachtruf «Hojotoho!».<br />
1870 erlebte die Walküre ihre Münchner Uraufführung. Bereits wenige Monate später<br />
erreichten den Komponisten eindringliche Bittgesuche, er möge den Walkürenritt für<br />
konzertante Darbietungen freigeben. Mit grosser Vehemenz widersetzte sich Wagner<br />
diesem Ansinnen, wobei er freilich nicht verhindern konnte, dass das populäre Werk,<br />
von dessen Aufführungsmaterial bereits Raubkopien zirkulierten, doch seinen Weg<br />
auf das Podium fand. Erst sechs Jahre später, nach der Bayreuther Uraufführung der<br />
gesamten Tetralogie, gab Wagner die Komposition für den Konzertgebrauch frei.<br />
Walküren überall<br />
Heute ist der Walkürenritt geradezu omnipräsent, ob als Natelklingelton, als Werbejingle,<br />
als Cartoonmusik. Bereits im Dritten Reich wusste man sich den heroischen<br />
G estus des Werks zunutze zu machen. Als demagogische Propagandamusik erklang der<br />
Walkürenritt zu den Filmbildern der Wochenschau, welche die Bombardements der<br />
deutschen Luftwaffe zeigten. Als dystopischer Soundtrack zu Szenen verstörender<br />
G ewalt verwendete Francis Ford Coppola das Stück in seinem Antikriegsfilm Apocalypse<br />
now, und in Federico Fellinis 8½ schafft der auf Blaskapellen-Dimensionen<br />
z usammengedampfte Klassik-Hit eine ironische Distanz zum emsigen Pilgerzug einer<br />
stylischen Kurgesellschaft. Mythos, Alptraum, Parodie: Alles findet im Walkürenritt<br />
w irkungsmächtig und schier unwiderstehlich zusammen.