just de_tiles Ausgabe 4 Januar 2013 - DAZWISCHEN - Porcelaingres
just de_tiles Ausgabe 4 Januar 2013 - DAZWISCHEN - Porcelaingres
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S002 ››› Porträt<br />
S010 ››› Porträt porcelaingres<br />
S014 ››› Panorama – Design und Architektur<br />
S020 ››› Generation Reißbrett<br />
S024 ››› Architekturveranstaltungen<br />
S028 ››› PG-Baustelle<br />
S030 ››› new(s)<br />
Das Architekturmedium von porcelaingres<br />
dazwischen<br />
Themenheft über Fugen, Leerräume, Schnittstellen, Orte und Zeitspannen<br />
„dazwischen”, sowie <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung für das Gesamtgefüge <strong>de</strong>r Architektur
S002 ››› Porträt<br />
Jan Störmer, Störmer Murphy and Partners, Hamburg<br />
S010 ››› porcelaingres<br />
Ivano di Paolo, Castellarano/Vetschau<br />
S014 ››› Panorama<br />
Neues aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Keramik<br />
S020 ››› Architekten <strong>de</strong>r Generation Reißbrett<br />
Gus Wüstemann, Zürich/Barcelona<br />
S024 ››› Architekturveranstaltungen<br />
Berichte und Ankündigungen<br />
S028 ››› PG-Baustelle<br />
Neue Projekte von PG-Freun<strong>de</strong>n<br />
S030 ››› new(s)<br />
Produktneuigkeiten von porcelaingres<br />
Cover ››› Der nicht bebaute Raum<br />
Aufgabe eines Schwarzplans ist es, die bauliche Struktur und Körnung sichtbar zu<br />
machen. Durch Invertierung (heute aus grafi schen Grün<strong>de</strong>n in blau) verschiebt sich<br />
sein Fokus weg vom bebauten Raum hin zu <strong>de</strong>n dazwischenliegen<strong>de</strong>n, öffentlichen<br />
Zonen, die <strong>de</strong>r Stadt ihren Charakter verleihen.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
ein für porcelaingres sehr ereignisreiches Jahr geht zu En<strong>de</strong>.<br />
Wir befi n<strong>de</strong>n uns nach turbulenten Tagen nun „zwischen<br />
<strong>de</strong>n Jahren“, in einer Zeit, in <strong>de</strong>r wir zur Ruhe kommen<br />
können, um Bilanz zu ziehen.<br />
Grund genug für uns, das Thema „dazwischen“ etwas<br />
eingehen<strong>de</strong>r zu betrachten. Denn bei porcelaingres<br />
haben wir schon vor geraumer Zeit festgestellt, dass<br />
Zwischenräumen eine ganz beson<strong>de</strong>re Rolle zuteil wird.<br />
Die Fugen in einer gefliesten Fläche sind eigentlich<br />
„Nicht-Fläche“, es sind genau genommen Leerräume,<br />
aber trotz<strong>de</strong>m prägt das Fugenbild <strong>de</strong>n Gesamteindruck<br />
im gleichen Maße wie die Fliesenoberfläche<br />
selbst. Und dies trifft nicht nur auf Fliesen zu. Im Stadtbild<br />
gibt es oft Zwischenräume – die meistens nicht<br />
geplant, son<strong>de</strong>rn „übrig geblieben“ sind – die das Bild<br />
entschei<strong>de</strong>nd prägen. Und sind es in Lebensläufen nicht<br />
auch die ungeplanten Episo<strong>de</strong>n, die einer Person das<br />
gewisse Etwas verleihen? Der kurze Ausbruch aus <strong>de</strong>m<br />
geradlinigen Lebenslauf, das Unerwartete, sorgt zumin<strong>de</strong>st<br />
für mehr Gesprächsstoff als die zeitlich überragen<strong>de</strong><br />
Konstante.<br />
Da wir das Gespräch mit Architekten pflegen, haben<br />
wir viele dieser außergewöhnlichen Episo<strong>de</strong>n mitbekommen.<br />
Diese möchten wir Ihnen nicht vorenthalten.<br />
Wir wer<strong>de</strong>n Ihnen auf <strong>de</strong>n nächsten Seiten Menschen<br />
vorstellen, die zwischendurch als Flößer im kanadischen<br />
Nor<strong>de</strong>n tätig waren, die zwischen zwei sehr unterschiedlichen<br />
Welten leben o<strong>de</strong>r zwischen zwei Kulturen<br />
vermitteln. Wir sprachen über die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Musik,<br />
die uns zwischendurch fasziniert, erheitert o<strong>de</strong>r<br />
entspannt, und über die Gelassenheit, die nötig ist,<br />
wenn <strong>de</strong>r Weg steinig wird. Es sind inspirieren<strong>de</strong> Geschichten,<br />
<strong>de</strong>nn eines haben all diese Menschen gemeinsam:<br />
Die ungeplanten Zwischenstationen haben<br />
sie zu <strong>de</strong>n interessanten Persönlichkeiten wachsen lassen,<br />
die sie heute sind.<br />
Wir wünschen Ihnen einen erfolgreichen Start in das<br />
neue Jahr und viel Spaß beim Lesen!<br />
Miriam Borrelli,<br />
Leiterin Objektkeramik<br />
Wolfgang Bludau<br />
Geschäftsführer porcelaingres<br />
S001 ››› Editorial
Jan Störmer im Gespräch<br />
Zwischenstationen<br />
Text: Franziska Bettac | Fotos (Interview): Christina Dragoi<br />
Jan Störmer hat viele Talente. Der Architekt und Abenteurer fuhr zur See,<br />
musiziert mit Lei<strong>de</strong>nschaft, bereiste Europa und arbeitete zwischendurch<br />
als Holzfäller und Flößer in Kanada. Aus diesen Zwischenstationen speist<br />
sich seine gestalterische Kreativität. So spiegeln die Gebäu<strong>de</strong> von Jan<br />
Störmer die Geschichte Europas wi<strong>de</strong>r, wie er beschreibt. In insgesamt<br />
fünf unterschiedlichen Büropartnerschaften konnte <strong>de</strong>r Hamburger<br />
Architekt viele große, auch internationale Projekte verwirklichen. Er gewann<br />
zahlreiche Preise, wie in jüngerer Zeit <strong>de</strong>n Hamburger BDA-Preis<br />
für die Wölbern Bank o<strong>de</strong>r für das Kühne + Nagel Center in <strong>de</strong>r Hafen-<br />
City. Doch auf seinen berufl ichen Erfolgen ruhte er sich nicht aus, immer<br />
neue Projekte, Bürogründungen lockten ihn. Dazwischen gab und gibt<br />
es die Musik, große Reisen und bürgerschaftliches Engagement in Hamburg,<br />
<strong>de</strong>r Stadt, in <strong>de</strong>r Jan Störmer viel gebaut, aber auch in <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Debatte um Architektur viel bewirkt hat.<br />
Jan Störmer, <strong>de</strong>r im Sommer 2012 seinen 70. Geburtstag feierte, sprüht<br />
vor Energie und „Neugier<strong>de</strong>“: auf das Leben, auf weitere Abenteuer und<br />
selbstverständlich auf die Architektur.<br />
S003 ››› Jan Störmer
S004 ››› Porträt ›››<br />
Eine Frage, die uns in <strong>de</strong>r <strong>just</strong> <strong>de</strong>_<strong>tiles</strong> schon länger beschäftigt,<br />
ist, woher Architekten ihre Inspiration nehmen. Wie<br />
schaff en Sie es, sich immer wie<strong>de</strong>r neu zu erfi n<strong>de</strong>n?<br />
Die europäische Kultur und Geschichte ist <strong>de</strong>r Humus meines<br />
Denkens. In Asien wur<strong>de</strong>n die Tempel immer wie<strong>de</strong>r gleich<br />
aufgebaut, in Europa war ein ständiger Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r Epochen.<br />
Natürlich gab es auch viel Zerstörung, aber es wur<strong>de</strong> kontinuierlich<br />
neues Wissen gebil<strong>de</strong>t. Ohne dieses Wissen könnte<br />
ich nicht kreativ sein. Viele meiner Kollegen vergessen lei<strong>de</strong>r<br />
die Geschichte und entwerfen aus <strong>de</strong>m Moment heraus. Die<br />
Fähigkeit, diesen kulturellen Humus aufzusaugen und neu zu<br />
interpretieren, ist ein großes Geschenk – das ist für mich keine<br />
Garantie, aber die Basis guter Architektur.<br />
Jan Störmer in seinem Büro an <strong>de</strong>r Michaelisbrücke in Hamburg im Gespräch mit <strong>just</strong> <strong>de</strong>_<strong>tiles</strong><br />
Können Sie das an einem aktuellen Projekt erläutern?<br />
Ich arbeite gera<strong>de</strong> an einem Traumprojekt: ein Tagungshotel<br />
im alten Zisterzienserkloster Haydau bei Kassel, das wohl in<br />
drei Monaten eröffnet wird. Hier können wir von <strong>de</strong>r Möblierung<br />
bis zur Bettwäsche alles entwerfen und auswählen,<br />
das ist wirklich eine schöne Aufgabe. Die alten Stallungen<br />
wur<strong>de</strong>n zu einem Kongresszentrum umgebaut, wir schließen<br />
mit einem Hotelneubau das ursprüngliche Areal. Das Hotel,<br />
ein 160 Meter langer Riegel, ist die Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r<br />
Klostermauer aus <strong>de</strong>m 11. Jahrhun<strong>de</strong>rt, die von <strong>de</strong>n Dorf-<br />
bewohnern über die Jahrhun<strong>de</strong>rte abgetragen und für <strong>de</strong>n<br />
Bau ihrer Scheunen verwen<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>. Reste <strong>de</strong>r Mauer verlaufen<br />
durch das Foyer <strong>de</strong>s neuen Hotels, als Reminiszenz an
die Vergangenheit. Ebenso ist die Lochfassa<strong>de</strong> ein Zitat <strong>de</strong>r<br />
alten Speicher, die hier stan<strong>de</strong>n. Als beson<strong>de</strong>re, aber <strong>de</strong>n-<br />
noch puristisch-reduzierte Gestaltung, wie sie für ein Zister-<br />
zienserkloster angemessen ist, bekommt je<strong>de</strong>s Zimmer einen<br />
Spruch <strong>de</strong>s mittelalterlichen Mönchs Bernhard von Clairvaux<br />
zugeordnet. Dieses „Umgehen mit Geschichte“ meine ich,<br />
wenn ich vom europäischen Humus spreche.<br />
Arthur Schopenhauer sagte: „Architektur ist gefrorene Musik.“<br />
Was sagen Sie als Musiker dazu? Was als Architekt?<br />
Ich sehe mich nicht als Musiker. Ich spiele ein bisschen Klavier.<br />
Aber Musik ist für mich meditative Literatur, Musik ist für<br />
mich Kraftschöpfen. Ich kann kaum entwerfen, ohne mir<br />
eine bestimmte Musik anzuhören. Aber dieses Zitat fi n<strong>de</strong><br />
ich grausam! Architektur ist gebaute, erlebte Musik, das ja,<br />
aber doch nicht erstarrt! Solch aggressiven Begriffen wie<br />
„gefroren“ kann ich überhaupt nicht zustimmen. Architektur<br />
ist ein visueller Prozess. Durch die Menschen, die ein Gebäu-<br />
<strong>de</strong> nutzen, durch verän<strong>de</strong>rten Lichteinfall und auch durch<br />
<strong>de</strong>n Umbau <strong>de</strong>r Städte wird Architektur lebendig und än<strong>de</strong>rt<br />
immer wie<strong>de</strong>r ihre Be<strong>de</strong>utung. Auch ein Musikstück muss<br />
ja durch <strong>de</strong>n Musiker interpretiert wer<strong>de</strong>n, so ist es mit <strong>de</strong>r<br />
Architektur ebenfalls.<br />
Spielt England in Ihrem Leben eine beson<strong>de</strong>re Rolle?<br />
Durch meine große Liebe zu Peter Cook, Cedric Price und<br />
<strong>de</strong>r AA in London habe ich schon im Studium eine große<br />
Sympathie für England und auch <strong>de</strong>n anglophilen Humor<br />
entwickelt. Das „Grenzenlose“ von Archigram, die Offenheit<br />
über neue Welten nachzu<strong>de</strong>nken, das hat mich früh geprägt.<br />
Und das hat auch meine große Lust an <strong>de</strong>r Arbeit mit Will<br />
Alsop geprägt. Das Stärkste, was wir je zusammen gemacht<br />
haben, war unser 4. Preis für <strong>de</strong>n Wettbewerb <strong>de</strong>s Potsdamer<br />
Platzes 1991, <strong>de</strong>r damals einige Wellen schlug.<br />
Ich wollte nie „<strong>de</strong>utsche Architektur im Kämmerchen“ machen<br />
– aber ebenso wenig wollte ich nach Asien gehen o<strong>de</strong>r<br />
ein riesiges Büro haben. Am En<strong>de</strong> bleiben wir unserer Stadt<br />
verbun<strong>de</strong>n. Aktuell bin ich zwar nur auf Reisen, unterwegs<br />
zwischen München, Frankfurt und Kassel, aber ich i<strong>de</strong>ntifi zie-<br />
re mich in beson<strong>de</strong>rer Weise mit <strong>de</strong>r Stadt Hamburg.<br />
Hamburg, eine Stadt, die Sie als Architekt und Bürger geprägt<br />
haben. Warum ist die Stadt heute so erfolgreich, warum<br />
„boomt“ es, wie man so salopp sagt?<br />
Das lässt sich einfach begrün<strong>de</strong>n. Hamburg ist die Hafenstadt<br />
mit <strong>de</strong>n meisten Ree<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Welt. Das ist wirklich ein Superlativ,<br />
<strong>de</strong>r aber selten betont wird. Hamburg hatte im 18. Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />
<strong>de</strong>n Hafen stark ausgebaut – doch dann haben sich<br />
die Schiffe verän<strong>de</strong>rt. Vom Segler zum Kohlenmeiler, zum<br />
Eingangsportal zum Büro Störmer Murphy and Partners<br />
S005 ››› Jan Störmer
S006 ››› Porträt ›››<br />
„Architektonische Sehnsucht liegt außerhalb <strong>de</strong>ssen was ich erreichen kann“ – Jan Störmer für die Architekturbiennale 2010 in Venedig über seine Arbeit.
Störmer Murphy and Partners<br />
S007 ››› Jan Störmer
S008 ››› Porträt ›››<br />
Stückgutfrachter bis zum heutigen Containerschiff. Dadurch<br />
wur<strong>de</strong>n immer neue Hafenbecken gebaut und es wur<strong>de</strong>n<br />
solch attraktive Flächen wie die HafenCity frei. Das ergab<br />
einen großen Impuls für die Stadtplanung, für Investoren und<br />
die gesamte Stadtstruktur.<br />
Wie bewerten Sie die HafenCity?<br />
Am Anfang stand die sehr gute I<strong>de</strong>e, Wohnen als Schwerpunkt<br />
<strong>de</strong>s neuen Quartiers zu etablieren. Danach wur<strong>de</strong>n<br />
aber große Fehler gemacht, insbeson<strong>de</strong>re die Entscheidung,<br />
das Überseequartier einem Großinvestor zu übergeben. Dieser<br />
Teil ist städtebaulich wie architektonisch sehr schwach.<br />
Nach Osten wird sich das nun bessern, in<strong>de</strong>m eine große<br />
Landzunge zu 80 Prozent mit Wohnen bebaut wird.<br />
Eine große städtebauliche Nachlässigkeit war es, die Verkehrsanbindung<br />
<strong>de</strong>r Philharmonie, die doch ein Weltknotenpunkt<br />
<strong>de</strong>r Musik wer<strong>de</strong>n soll, so zu missachten. In dieser Frage hat<br />
die Politik die Hamburger verlassen, das muss man schon<br />
<strong>de</strong>utlich sagen. Ich gehörte einer Gruppe an, die sich dafür<br />
stark gemacht hat, die U-Bahn oberirdisch zu verlegen – sehr<br />
attraktiv und auch sehr viel günstiger. Lei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n wir nicht<br />
gehört. Solche Fehler tun weh, insbeson<strong>de</strong>re wenn man sie<br />
als aktiver Planer miterlebt und feststellen muss, dass gute<br />
Argumente einfach ignoriert wer<strong>de</strong>n. Dass ein Haus wie die<br />
Elbphilharmonie keinen Vorplatz hat, ist doch ein Irrwitz!<br />
Kann das zurzeit oft gefor<strong>de</strong>rte Instrument <strong>de</strong>r Bürgerbeteiligung<br />
solche Prozesse verbessern?<br />
Bürgerbeteiligung ist etwas, was ich grundsätzlich richtig und<br />
wichtig fi n<strong>de</strong>. Und in Hamburg hätte man sich gewünscht,<br />
dass in dieser Frage verschie<strong>de</strong>ne Vorschläge offen diskutiert<br />
wor<strong>de</strong>n wären. An<strong>de</strong>rerseits erleben wir auch unglaubliche<br />
Behin<strong>de</strong>rungen durch Bürgerbeteiligung. Beispiel ist ein<br />
Urteil, das Umweltschützer erstritten haben, dass die Elbe<br />
nicht vertieft wer<strong>de</strong>n darf. Da hängen nun aber 100.000<br />
Arbeitsplätze dran, die gesamte Wirtschaft in Deutschland<br />
ist betroffen. Ich bin natürlich für Umweltschutz, aber die<br />
Verhältnismäßigkeit einer solchen Entscheidung richtig zu<br />
bewerten traue ich Bürgerinitiativen nicht zu. Bezogen auf<br />
das Lokale aber, bei Spielplätzen, Altenheimen und Schulen,<br />
gehört Bürgerbeteiligung unbedingt dazu. Da müssen wir als<br />
Planer „bluten“ und unsere klaren Vorstellungen revidieren,<br />
aber das müssen wir lernen.<br />
Sie haben aktuell in <strong>de</strong>r HafenCity <strong>de</strong>n Wettbewerb <strong>de</strong>s „Intelligent<br />
Quarters“ gewonnen. Was zeichnet dieses Projekt aus?<br />
Ich freue mich sehr, dass wir diesen Wettbewerb gewonnen<br />
haben, insbeson<strong>de</strong>re, weil wir in <strong>de</strong>r HafenCity ein Hamburger<br />
Thema zitieren können, das oft nicht wahrgenommen<br />
wird. Hamburg ist nicht, wie oft behauptet wird, eine reine<br />
Backsteinstadt, son<strong>de</strong>rn Hamburg ist auch eine „weiße<br />
Stadt“. Denken wir nur an die eleganten Villenviertel wie Har-<br />
vestehu<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r Eppendorf. Die drei Gebäu<strong>de</strong> mit Büro- und<br />
Wohnnutzung an einer wichtigen Stelle zwischen HafenCity<br />
Universität und Mag<strong>de</strong>burger Hafen sollen mit einer sehr<br />
hochwertigen weißen Porzellanfassa<strong>de</strong> beklei<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />
Das maritime Wissen, das Sie auszeichnet, haben Sie auch,<br />
weil Sie zwischenzeitlich selbst zur See gefahren sind?<br />
Ich bin eineinhalb Jahre auf einem Stückgutfrachter mit dabei<br />
gewesen. Ich wollte <strong>de</strong>m Wehrdienst entgehen. Und<br />
das Schöne an diesen alten Schiffen war, dass man bis zu<br />
zehn Tage zum Abla<strong>de</strong>n benötigte. Am Zielhafen konnte ich<br />
wirklich das Land sehen! Danach bin ich ein halbes Jahr mit<br />
einem alten Station-Wagon durch Amerika gereist und habe<br />
für Geld auf Marktplätzen gezeichnet. Später habe ich dann<br />
noch in Kanada als Holzfäller und Flößer gearbeitet – das war<br />
eine ziemlich aufregen<strong>de</strong> Zeit.<br />
Sind Sie auch als Architekt so risikofreudig?<br />
Einer meiner Ratschläge für Stu<strong>de</strong>nten ist immer: „Macht<br />
euch klar: für die Architektur wer<strong>de</strong>t ihr kämpfen müssen!“<br />
Architektur ist Kampf und Risikofreu<strong>de</strong>. Es gibt kein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s<br />
Bauwerk, bei <strong>de</strong>m sich <strong>de</strong>r Architekt nicht durchsetzen<br />
musste. Ein Gebäu<strong>de</strong> ist ein Unikat, kein Industrieprodukt,<br />
und da muss man eben auch Risiken eingehen. Ich hatte<br />
fünf Büros in meinem Leben und habe immer wie<strong>de</strong>r Neues<br />
angeschoben, meine Neugier<strong>de</strong> ist mir einfach geblieben –<br />
und Risiken muss man eingehen, ja!<br />
Trotz <strong>de</strong>r vielen Zwischenstationen, gibt es auch eine<br />
Konstante in Ihrer Arbeitsweise?<br />
Ich habe für eine Publikation für die Architekturbiennale in<br />
Venedig vor zwei Jahren einmal versucht, meine Sehnsucht<br />
nach Architektur, diese „Neugier<strong>de</strong>“, in ein Bild [s. S. 6/7] zu<br />
fassen. In dieser Zeichnung habe ich mir die Mühe gemacht,<br />
alle meine Projekte zu zeichnen, und sehe mich selbst ganz<br />
klein davor, vor einer unbebauten, schönen Landschaft. Dieses<br />
Bild sagt viel darüber aus, wie ich mich selbst sehe und<br />
mich und meine Arbeit beschreiben und einordnen wür<strong>de</strong>.<br />
Jan Störmer, geboren 1942 in<br />
Berlin. Nach „Abenteuerjahren“<br />
auf einem Stückgutfrachter und<br />
Reisen durch die USA und Kanada<br />
studierte er Architektur in Bremen,<br />
Delft und Hamburg. 1970 grün<strong>de</strong>te<br />
er sein erstes Architekturbüro,<br />
seit<strong>de</strong>m bestan<strong>de</strong>n wechseln<strong>de</strong><br />
Partnerschaft en, u. a. mit Will Alsop<br />
von 1990–2000. Sein heutiges Büro<br />
Störmer Murphy and Partners, führt<br />
er mit Martin Murphy und Holger<br />
Jaedicke in Hamburg. Das Büro in<br />
einem historischen Gebäu<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>r<br />
Fleetinsel hat 48 Mitarbeiter.
„Hamburg als weiße Stadt“ – so soll das Ensemble „Intelligent Quarters“ <strong>de</strong>n Besucher ab 2015 begrüßen (oben).<br />
Fotos: Petra Steiner Animationen: Studio moka<br />
Mittler zwischen alt und neu: Das Tagungshotel Kloster Haydau vervollständigt als 160 Meter langer Riegel <strong>de</strong>n alten Klostergarten, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Baukörper<br />
symbolisch die ehemalige Klostermauer aus <strong>de</strong>m 11. Jahrhun<strong>de</strong>rt aufnimmt (Mitte).<br />
Das Bürogebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wölbern Bank am Sandtorkai öff net sich mit großzügiger Verglasung zum Wasser und erinnert in seiner Farbigkeit an die Backsteinbauten<br />
<strong>de</strong>r Speicherstadt (unten).<br />
Störmer Murphy and Partners<br />
S009 ››› Jan Störmer
Ivano di Paolo auf <strong>de</strong>r ausgestellten<br />
Vespa während unseres Gesprächs im<br />
Berliner Showroom von porcelaingres.<br />
Schnittstelle<br />
Interview: porcelaingres<br />
Ivano di Paolo, die rechte Hand <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Fiandre-Gruppe, ist die<br />
Kommunikationsschnittstelle zwischen Italien und Deutschland, <strong>de</strong>m<br />
Präsi<strong>de</strong>nten, <strong>de</strong>m Management und <strong>de</strong>n Mitarbeitern. Er hat die spannen<strong>de</strong><br />
Aufgabe, zwischen zwei Kulturen und zwei hierarchischen Ebenen<br />
zu vermitteln. In Italien zwar sesshaft, verbringt er fast die Hälfte seiner<br />
Zeit in Deutschland. Über die Herausfor<strong>de</strong>rungen, die seine Position mit<br />
sich bringt, erzählt er uns in einem Gespräch.<br />
S011 ››› Schnittstelle
S012 ››› porcelaingres ›››<br />
Lachend sitzt Ivano di Paolo auf <strong>de</strong>r Vespa unseres Ber-<br />
liner Showrooms, in <strong>de</strong>m wir uns zu einem Gespräch<br />
trafen. Der sympathische Italiener arbeitet eng mit Grazi-<br />
ano Verdi, <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Graniti-Fiandre-Gruppe,<br />
zusammen und gehört <strong>de</strong>m Unternehmen bereits seit<br />
<strong>de</strong>r Gründung von porcelaingres an.<br />
porcelaingres ist die erste große Unternehmung <strong>de</strong>r Gra-<br />
niti-Fiandre-Gruppe außerhalb Italiens. Anfangs konnte<br />
niemand vorhersehen, in welche Richtung sich das Geschäft<br />
entwickeln wür<strong>de</strong>: eine große Herausfor<strong>de</strong>rung<br />
für Graziano Verdi, <strong>de</strong>r sich jedoch aus Überzeugung<br />
und mit Herzblut für porcelaingres engagiert und somit<br />
einen beträchtlichen persönlichen Anteil am Erfolg <strong>de</strong>s<br />
Unternehmens hat.<br />
porcelaingres hat sich mit <strong>de</strong>utlich positiven Wachstums-<br />
und Ertragszahlen in <strong>de</strong>n letzten zehn Jahren<br />
zum stärksten Mitglied <strong>de</strong>r Unternehmensgruppe entwickelt,<br />
was nicht be<strong>de</strong>utet, dass sich das Unternehmen<br />
auf <strong>de</strong>n Erfolgen ausruht. Für die kommen<strong>de</strong>n Jahre hat<br />
sich Graziano Verdi hohe Ziele gesetzt: Bis 2016 soll sich<br />
<strong>de</strong>r Umsatz auf 100 Millionen Euro erhöhen. Er glaubt<br />
fest an das Unternehmen und wird auch in Zukunft in<br />
mo<strong>de</strong>rne Produktionsanlagen, Vertrieb, Marketing und<br />
vor allem in seine Mitarbeiter investieren. Voller Stolz<br />
blickt er auf die bereits getätigten Investitionen: die Solaranlage<br />
auf <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>r Werkhalle, die größte ihrer<br />
Art in Bran<strong>de</strong>nburg, <strong>de</strong>r Showroom in Berlin, <strong>de</strong>r regelmäßig<br />
zahlreiche Architekten und Designer anlockt,<br />
sowie die Ergänzung <strong>de</strong>r Produktpalette – Active Clean<br />
Air & Antibacterial Ceramic. Deren beson<strong>de</strong>re Oberfl<br />
ächen helfen dabei, gesundheitsschädliche Bakterien<br />
in <strong>de</strong>r Luft zu reduzieren und ein gesun<strong>de</strong>s Raumklima<br />
Die Kommunikationsschnittstelle<br />
zu unterstützen.<br />
Ivano di Paolos Unternehmensbereich bil<strong>de</strong>t die kommu-<br />
nikative Schnittstelle zwischen <strong>de</strong>m Präsi<strong>de</strong>nten, <strong>de</strong>m<br />
Management und <strong>de</strong>n Mitarbeitern. Als rechte Hand<br />
von Graziano Verdi koordiniert er die wichtigsten Be-<br />
reiche <strong>de</strong>s Unternehmens wie Vertrieb, Marketing, Forschung<br />
und Entwicklung, Produktion und Investitionen.<br />
Er kontrolliert die Umsetzung <strong>de</strong>r Neuerungen und <strong>de</strong>r<br />
Investitionen, überprüft Unternehmensergebnisse, organisiert<br />
Arbeitsabläufe und diskutiert mit Graziano Verdi<br />
über notwendige Än<strong>de</strong>rungen sowie Lösungsansätze<br />
für anstehen<strong>de</strong> Probleme. Zusammengefasst könnte<br />
seine Position als „Joker“ bezeichnet wer<strong>de</strong>n, erklärt<br />
er uns lachend. Er muss nämlich nicht nur die aktuellen<br />
Unternehmensdaten genau kennen, son<strong>de</strong>rn auch die<br />
gegenwärtige Situation exakt analysieren und für die<br />
Zukunft planen. Außer<strong>de</strong>m ist er für das porcelaingres-<br />
Management und die Mitarbeiter eine Anlaufstelle für<br />
dringen<strong>de</strong> Fragen und Entscheidungsfi ndungen.<br />
Ivano di Paolo steht in stetem und engem Kontakt mit<br />
<strong>de</strong>m italienischen Stammsitz und <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlassung in<br />
Deutschland. Kulturelle Unterschie<strong>de</strong> spielen dabei nur<br />
eine geringe Rolle. Graniti-Fiandre ist ein global aufgestelltes<br />
Unternehmen mit Fabriken in Italien, Deutschland<br />
und <strong>de</strong>n Vereinigten Staaten. Ihre Produkte wer<strong>de</strong>n<br />
weltweit verkauft und Englisch ist die wichtigste Sprache<br />
in <strong>de</strong>r Gruppe.<br />
Die Tragweite kultureller Unterschie<strong>de</strong><br />
Wenn es allerdings ums Verkaufen geht, müssen jedoch<br />
gewisse kulturelle Unterschie<strong>de</strong> beachtet wer<strong>de</strong>n. Ein<br />
Verkaufsmeeting mit asiatischen Kun<strong>de</strong>n muss an<strong>de</strong>rs<br />
angegangen wer<strong>de</strong>n als eines mit Europäern. Und <strong>de</strong>r<br />
Geschmack russischer Kun<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>t sich erheb-<br />
lich von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Amerikaner. Da Fiandre aber nunmehr<br />
seit über 30 Jahren auf <strong>de</strong>m Weltmarkt aktiv ist, kann<br />
porcelaingres in diesem Fall auf <strong>de</strong>n reichen Erfahrungsschatz<br />
<strong>de</strong>r Muttergesellschaft zurückgreifen.<br />
Dennoch ist es nicht immer einfach. In seiner Position<br />
muss Ivano di Paolo vor allem das „große Ganze“ im<br />
Auge behalten – Management und Mitarbeiter, Produktion<br />
und Vertrieb. Bei<strong>de</strong> Seiten <strong>de</strong>r gleichen Medaille zu<br />
jonglieren, ist eine Herausfor<strong>de</strong>rung, und Kommunikationsschwierigkeiten<br />
lassen sich nicht immer vermei<strong>de</strong>n.<br />
Damit umzugehen, will gelernt sein. Doch <strong>de</strong>r Italiener<br />
wirkt entspannt, <strong>de</strong>nn die enge Zusammenarbeit sowohl<br />
mit <strong>de</strong>m porcelaingres-Management als auch mit Graziano<br />
Verdi sorgt dafür, die richtigen Entscheidungen<br />
zu treffen und Kommunikationsprobleme zu vermei<strong>de</strong>n,<br />
bevor sie auftreten.<br />
Deutsche wer<strong>de</strong>n bekanntermaßen als fl eißig und pünkt-<br />
lich beschrieben, aber auch als Menschen mit wenig Sinn<br />
für Humor gesehen, die lieber unter sich bleiben. Ivano di<br />
Paolo musste dazulernen. Er stellte fest, dass seine Vorstellungen<br />
hinsichtlich Fleiß und Pünktlichkeit zutrafen.<br />
Aber auch, dass Deutsche gerne lachen – oft sogar über<br />
sich selbst – und dass sie zu<strong>de</strong>m großes organisatorisches<br />
Talent besitzen und gute Problemlöser sind. Doch<br />
die wichtigste Erfahrung war für ihn, zu lernen, dass,<br />
wer einmal dazugehört, immer Teil <strong>de</strong>r Familie bleibt –<br />
unabhängig davon, ob <strong>de</strong>rjenige immer da ist o<strong>de</strong>r nur<br />
wenige Tage im Monat.
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensstile ist ein Ver-<br />
gleich zwischen Italien und Deutschland schwierig. Doch<br />
seine Arbeit gab Ivano di Paolo die Chance, mit <strong>de</strong>m kriti-<br />
schen Blick eines Außenstehen<strong>de</strong>n auf Italien zu schauen<br />
– auf das Gute wie das weniger Gute.<br />
Bereits nach zwei Jahren bei <strong>de</strong>r Fiandre-Gruppe übernahm<br />
Ivano di Paolo 2008 seine Position bei porcelaingres.<br />
Er bekam dadurch die Gelegenheit, tiefer in<br />
die Unternehmensstruktur einzutauchen. Dieser Schritt<br />
war für ihn sowohl eine berufl iche als auch eine große<br />
persönliche Herausfor<strong>de</strong>rung. Je nach Arbeitsaufwand<br />
verbringt <strong>de</strong>r Italiener zwei o<strong>de</strong>r mehr Tage pro Woche<br />
im bran<strong>de</strong>nburgischen Vetschau. Er kannte Deutschland<br />
vorher nicht wirklich, gesteht er, nur die grundlegen<strong>de</strong>n<br />
Fakten über Land und Leute waren ihm geläufi g: Wirtschaft,<br />
Politik, Kultur. Als er anfi ng, für porcelaingres zu<br />
arbeiten, nahm er <strong>de</strong>shalb Sprachunterricht, um sich die<br />
wichtigsten Grundkenntnisse <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Sprache anzueignen.<br />
Es reichte ihm vorerst, war er doch dadurch<br />
schon einmal in <strong>de</strong>r Lage, abends zumin<strong>de</strong>st ein Bier zu<br />
bestellen – o<strong>de</strong>r auch zwei, wie er uns schelmisch erzählt.<br />
Jedoch bedauert er, bisher nicht mehr Zeit gefun<strong>de</strong>n zu<br />
haben, seinen bereits begonnenen Sprachunterricht fortzusetzen.<br />
Das Engagement <strong>de</strong>r Fiandre-Gruppe und ihres Präsi<strong>de</strong>nten<br />
für das Unternehmen porcelaingres ist über die<br />
Jahre stetig gewachsen, und damit auch die Arbeit <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeiter. Ivano di Paolo hofft jedoch, seine Studien in<br />
naher Zukunft fortsetzen zu können. Bis dahin ist er auf<br />
die Hilfe seiner Kollegen aus Vetschau angewiesen – und<br />
diese lieben es, ihn mit in <strong>de</strong>utscher Sprache verfassten<br />
E-Mails zu for<strong>de</strong>rn.<br />
„In between“ als Bereicherung<br />
Trotz diverser Hür<strong>de</strong>n ist seine Position zwischen <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Welten für ihn und das Unternehmen <strong>de</strong>fi nitiv<br />
eine Bereicherung. Sie eröffnet einen besseren Einblick in<br />
die Struktur <strong>de</strong>r globalen Wirtschaft, in unterschiedliche<br />
Lebensstile, und erweitert beständig <strong>de</strong>n eigenen Horizont.<br />
Man lernt je<strong>de</strong>n Tag dazu – nicht nur die Sprache!<br />
Und gleichzeitig wächst man mit <strong>de</strong>n zu überwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
Hin<strong>de</strong>rnissen, die entlang <strong>de</strong>s Weges auf einen warten.<br />
Und das Doppelleben bietet natürlich auch die Gelegenheit,<br />
<strong>de</strong>m Alltag zu entfl iehen. In diesem Punkt geht es<br />
Ivano di Paolo wie uns allen: Er weiß Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in seiner täglichen Routine zu schätzen. Auch wenn die<br />
langen Arbeitszeiten und vor allem das viele Hin- und Her<br />
reisen Stress verursachen – „Ich kann mir nicht vorstellen,<br />
etwas an<strong>de</strong>res zu tun!“, stellt er überzeugt fest. „In<br />
between“ zu sein bleibt eine Herausfor<strong>de</strong>rung, an <strong>de</strong>r er<br />
persönlich je<strong>de</strong>n Tag ein bisschen mehr wächst.<br />
Ivano di Paolo zusammen mit (von links) Marco Zatti (Human Resources Manager bei <strong>de</strong>r Fiandre Gruppe) und Graziano Verdi (Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Fiandre Gruppe).<br />
porcelaingres<br />
S013 ››› Schnittstelle
S014 ››› Panorama ›››<br />
Panorama – Neues aus <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r Keramik<br />
Die einzigartigen Oberfl ächenstrukturen<br />
<strong>de</strong>s Blumenkohls wer<strong>de</strong>n<br />
hier negativ wie<strong>de</strong>rgegeben und<br />
dienen als Schüssel.<br />
Fahad Alkandari aus Kuwait mit<br />
einem Beispiel <strong>de</strong>r orientalischen<br />
Keramikkunst seines Lan<strong>de</strong>s.<br />
University of Central Lancashire mischertraxler<br />
Reversed Volumes<br />
Ursprünglich entwickelten die österreichischen Designer<br />
Katharina Mischer und Thomas Traxler die „Reversed<br />
Volumes“ für einen Pop-up-Shop namens FoodMarketo,<br />
<strong>de</strong>r während <strong>de</strong>r Milan Design Week 2010 bestand.<br />
Die jungen Gestalter, bekannt als mischer‘traxler studio,<br />
verwen<strong>de</strong>n für ihre „umgedrehten“ Schüsseln ein spezielles<br />
Keramikpulver, das ohne Brennen aushärtet. Diesen<br />
Werkstoff streichen sie auf verschie<strong>de</strong>ne Obst- und Gemü-<br />
sesorten, die <strong>de</strong>m Behältnis ihr eigenes Aussehen geben.<br />
Denn genau wie je<strong>de</strong>r Blumenkohl o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r Apfel seine<br />
individuelle Form besitzt, bekommt auch ihr Endprodukt<br />
durch das feine Pulver seine einzigartige Ausgestaltung<br />
als Negativvolumen.<br />
www.mischertraxler.com<br />
Fahad Alkandari<br />
Aufgewachsen ist Fahad Alkandari im Wüstenstaat Kuwait.<br />
Bereits als Kind interessierte er sich für die Traditionen seines<br />
Heimatlan<strong>de</strong>s, in <strong>de</strong>m ihm speziell <strong>de</strong>r Verfall <strong>de</strong>r Keramikkunst<br />
auffi el. Mit <strong>de</strong>r Zeit zog die Lei<strong>de</strong>nschaft für<br />
die Ornamentik <strong>de</strong>n jungen Kuwaiter ins Ausland, wo er<br />
im British Museum in London endlich seinen Wissensdurst<br />
stillen konnte. Fortan studierte er im englischen Preston<br />
an <strong>de</strong>r University of Central Lancashire (UCLan) und be-<br />
schäftigte sich mit unterschiedlichen Techniken <strong>de</strong>r Kera-<br />
mikverarbeitung, um <strong>de</strong>n traditionell islamischen Werkstoff<br />
in die heutige Zeit zu übertragen. Seit<strong>de</strong>m experimentiert<br />
Alkandari mit verschie<strong>de</strong>nen Metho<strong>de</strong>n wie 3D-Mo<strong>de</strong>lling,<br />
Lasern und CNC-Fräsen. Er verspricht sich davon, kommen<strong>de</strong><br />
Generationen seiner Landsleute zu inspirieren und mit<br />
ihnen eine vergessene Kultur neu aufl eben zu lassen.<br />
www.uclan.ac.uk
„Sakaida Kakiemon – Th e Successor<br />
of Kakiemon“, ein Film von <strong>de</strong>r<br />
nie<strong>de</strong>rländischen Regisseurin<br />
Suzanne Raes<br />
Just Ceramics<br />
Th e Successor<br />
Der knapp zweiminütige Trailer stellt <strong>de</strong>n nie<strong>de</strong>rländischen Film „The Successor of Kakie-<br />
mon“ von Suzanne Raes vor. In <strong>de</strong>m dokumentiert sie die Sakaida-Kakiemon-Porzellan<br />
Dynastie, die mittlerweile in <strong>de</strong>r 14. Generation fortbesteht. Das aus Japan stammen<strong>de</strong><br />
Porzellan ist bekannt für seine fi ligrane und fast schon transluzente Qualität <strong>de</strong>r Keramik.<br />
Meister, die <strong>de</strong>s anspruchsvollen Handwerks mächtig sind, wer<strong>de</strong>n noch heute in Japan<br />
als „leben<strong>de</strong>, nationale Schätze“ verehrt, was die große Be<strong>de</strong>utung und die hohe Qualität<br />
<strong>de</strong>s Werkstoffs ver<strong>de</strong>utlicht. Motive wie Blüten und Vögel in <strong>de</strong>n unterschiedlichsten Varia-<br />
tionen und in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Farben wie Blau, Türkis, Gelb, Grün und Eisenrot prägen<br />
<strong>de</strong>n Kakiemon-Stil bis heute. Abgeleitet wird <strong>de</strong>r Name Kakiemon von <strong>de</strong>r japansischen<br />
Kaki-Frucht, die übersetzt die Frucht <strong>de</strong>s göttlichen Feuers heißt und auf das verwen<strong>de</strong>te<br />
Eisenrot anspielt. Eingearbeitet in die bezaubernd fi ligrane Muster, die wie zarte Aquarelle<br />
wirken, stellt diese Handwerkskunst ein Kulturgut Japans dar, das heute in <strong>de</strong>r Hand Hiroshis<br />
liegt, <strong>de</strong>r sich selbst wenig Talent attestiert.<br />
www.idfa.nl<br />
Die alljährliche Internationale Messe für Angewandte Kunst und Design (EUNIQUE) wird<br />
in Zukunft von einer Son<strong>de</strong>rausstellung begleitet. Der Bun<strong>de</strong>sverband Kunsthandwerk<br />
kooperiert für die erste Ausstellung mit <strong>de</strong>r Direktorin <strong>de</strong>s Keramikmuseums Wester-<br />
wald, Monika Gass, die gemeinsam die Ausstellung „Just Ceramics“ veranstalten. Hier<br />
wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r „Kannenbäckerstadt“ Höhr-Grenzhausen noch bis zum 27. <strong>Januar</strong> <strong>2013</strong><br />
verschie<strong>de</strong>ne Keramikkunstwerke von 20 Künstlern gezeigt, die <strong>de</strong>n Besuchern einen<br />
Einblick in die zeitgenössische Keramikkunst ermöglichen sollen. Die Veranstalter erhoffen<br />
sich, durch die Ausstellung möglichst viele Kunstinteressierte anzulocken und so manchem<br />
Kunstsammler zu neuen Errungenschaften verhelfen zu können. Und auch in <strong>de</strong>n<br />
kommen<strong>de</strong>n Jahren soll es Son<strong>de</strong>rveranstaltungen geben, die sich jeweils einem eigens<br />
ausgewählten Thema widmen.<br />
www.bun<strong>de</strong>sverband-kunsthandwerk.<strong>de</strong><br />
„Just Ceramics“<br />
bis 27. <strong>Januar</strong> <strong>2013</strong><br />
Keramikmuseum Westerwald –<br />
Deutsche Sammlung<br />
für Historische und<br />
Zeitgenössische Keramik<br />
56203 Höhr-Grenzhausen<br />
www.keramikmuseum.<strong>de</strong><br />
S015 ››› Panorama – News
S016 ››› Panorama ›››<br />
Panorama – Porträt<br />
Künstler: Inva<strong>de</strong>r<br />
Genre: Schnittstelle zwischen Street Art und Game Art<br />
Dem ein o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren mögen sie vielleicht schon auf-<br />
gefallen sein: die kleinen, bunten Aliens, die seit einigen<br />
Jahren unsere Städte bevölkern. Sie kleben auf Wän<strong>de</strong>n,<br />
Mauern, Brücken – auf beinahe allen Flächen, die die<br />
Stadt zu bieten hat. Die pixelig anmuten<strong>de</strong>n Geschöpfe<br />
hinterlassen vor allem bei <strong>de</strong>njenigen ein Schmunzeln,<br />
die <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r 1980er-Jahre mit exzessivem Vi<strong>de</strong>ospielen<br />
verbrachten, <strong>de</strong>nn sie sind eine Hommage an<br />
<strong>de</strong>n japanischen Arca<strong>de</strong>-Klassiker „Space Invasion“. Das<br />
Vi<strong>de</strong>ospiel hat zusammen mit Pac-Man die Welt <strong>de</strong>s Gaming<br />
entschei<strong>de</strong>nd geprägt.<br />
Die geringe Aufl ösung <strong>de</strong>r Alienfi guren ließ <strong>de</strong>n Spieler<br />
die einzelnen Pixel als Quadrate wahrnehmen. Mittler-<br />
1<br />
weile hat sich <strong>de</strong>r Pixel in eine Keramikfl iese transformiert<br />
– die virtuelle Invasion schwappte in die Wirklichkeit.<br />
Es begann in Paris Mitte <strong>de</strong>r 1990er-Jahre, mit nur einem<br />
Alien – <strong>de</strong>m Scout. Ab 1998, begann dann die ernsthafte<br />
Invasion. Von Paris aus verbreiteten sich die Aliens in<br />
31 weiteren französischen Städten, danach in ganz Euro-<br />
pa. Inzwischen fi n<strong>de</strong>t man sie weltweit: von São Paulo bis<br />
Toronto, von Melbourne bis Mombasa – und zwar an so<br />
ungewöhnlichen Orten wie <strong>de</strong>m Hollywood-Schriftzug<br />
o<strong>de</strong>r sogar an Jaques Chiracs Revers. Es ist eines <strong>de</strong>r<br />
umfangreichsten Street-Art-Projekte <strong>de</strong>r letzten Jahre<br />
und gleichzeitig das Vorzeigeprojekt <strong>de</strong>r Game Art, einer<br />
Kunstrichtung, die sich <strong>de</strong>r virtuellen Welt <strong>de</strong>r Computerspiele<br />
als Inspirationsquelle bedient. Ein anonymer<br />
französischer Künstler – er nennt sich Inva<strong>de</strong>r – zeichnet<br />
für die Planung <strong>de</strong>r Invasion verantwortlich, <strong>de</strong>nn die<br />
Auswahl <strong>de</strong>r Orte erfolgt nicht zufällig. Die Aliens bevor-<br />
Fotos: wikipedia.org_Edward Betts, JSquish / fotolia.org
zugen Stadträume mit hoher Fluktuation – die genaue<br />
Platzierung wird strategisch festgelegt. In Montpellier<br />
beispielsweise ergeben die Orte, wenn sie auf einem<br />
Stadtplan markiert wer<strong>de</strong>n, das Bild eines Aliens. Die In-<br />
vasion folgt stets <strong>de</strong>m gleichen Muster. Vor <strong>de</strong>m Vorstoß<br />
auf ein neues Ziel wer<strong>de</strong>n die Aliens im Atelier vorbereitet.<br />
Der Künstler verbringt danach etwa eine Woche in<br />
<strong>de</strong>r jeweiligen Stadt, um die Mosaikbil<strong>de</strong>r nachts anzubringen.<br />
Seine bevorzugten Positionen fi n<strong>de</strong>t er in drei<br />
bis vier Meter Höhe, an Gebäu<strong>de</strong>ecken o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
gut sichtbaren Flächen. Der Inva<strong>de</strong>r dokumentiert die<br />
genauen Positionen <strong>de</strong>r Aliens akkurat auf Karten und<br />
Bil<strong>de</strong>rn. Mittlerweile sind die Pläne <strong>de</strong>r überfallenen Städte<br />
käufl ich zu erwerben, die Invasion lässt sich so Schritt<br />
für Schritt nachverfolgen.<br />
Doch nicht nur im öffentlichen Raum sind die Aliens<br />
anzutreffen – sie haben auch <strong>de</strong>n Weg in die großen<br />
Museen und Galerien gefun<strong>de</strong>n. Von <strong>de</strong>r Biennale für<br />
zeitgenössische Kunst in Lyon 2001 über das Borusan<br />
Zentrum für Kultur und Kunst in Istanbul bis zur Galerie<br />
Subliminal Projects in Los Angeles – die bunten, sympathischen<br />
Aliens bringen Leben in die Kunstszene.<br />
Die Grün<strong>de</strong> für die Invasion erklärte <strong>de</strong>r Künstler in einem<br />
Interview für <strong>de</strong>n preisgekrönten Film „Bomb It, the<br />
Global Graffi ti Documentary“: Es eine Reaktion auf die<br />
immer stärkere Präsenz von Werbebil<strong>de</strong>rn im öffentlichen<br />
Raum, die Rückeroberung unseres Lebensraums.<br />
www.space-inva<strong>de</strong>rs.com<br />
Die in Paris begonnene Invasion <strong>de</strong>r lustigen Mosaik-<br />
Aliens verbreitete sich von da aus über die ganze Welt.<br />
S017 ››› Panorama – Porträt
S018 ››› Panorama ›››<br />
Panorama – Glossar: Der Umgang mit Fugen<br />
Eine Fuge ist in erster Linie <strong>de</strong>r Abstand zwischen zwei<br />
Bauteilen. Gleichzeitig trennen und verbin<strong>de</strong>n Fugen Fliesen,<br />
Schin<strong>de</strong>ln und Platten und sind dadurch nicht nur ein<br />
notwendiges, son<strong>de</strong>rn auch ein wichtiges gestalterisches<br />
Element <strong>de</strong>r Architektur. Der Umgang mit <strong>de</strong>r Fuge steht<br />
in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>r Architektur sinnbildlich für <strong>de</strong>n Geist<br />
einer Epoche: Die Lücke zwischen einzelnen Bauteilen wird<br />
betont o<strong>de</strong>r geschickt verschleiert. Sie kontrastiert die übrigen<br />
Baumaterialien o<strong>de</strong>r ordnet sich unter. Unser Glossar<br />
verschafft Ihnen zu einem Überblick über <strong>de</strong>n Umgang mit<br />
<strong>de</strong>m „Dazwischen“ in <strong>de</strong>r Architektur.<br />
iStockphoto –AndreasGuskos<br />
wikipedia.org<br />
Klassik<br />
Mit <strong>de</strong>r Tempelarchitektur <strong>de</strong>r griechischen Antike entstehen ein standardisiertes Form-<br />
vokabular und allgemeine Bauteilbezeichnungen, die bis in die heutige Zeit Verwendung<br />
fi n<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>s antike Bauwerk ist konsequent in einzelne Teile geglie<strong>de</strong>rt und basiert auf<br />
einem normierten System: Unterbau, Säule, Kapitell, Architrav, Fries, Gesims. Dieses additive<br />
Verfahren, in <strong>de</strong>m ein Bauteil stets auf <strong>de</strong>m vorhergehen<strong>de</strong>n aufbaut, zeugt von <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />
<strong>de</strong>r Fuge in <strong>de</strong>r klassischen Architektur. Sie <strong>de</strong>fi niert nicht nur eine exakte Grenze,<br />
sie wird durch ihre limitieren<strong>de</strong>n Eigenschaften zur Hüterin <strong>de</strong>s klassischen Harmonie- und<br />
Proportionsverständnisses. I<strong>de</strong>ale, <strong>de</strong>ren Ursprung <strong>de</strong>r Mensch selbst ist.<br />
Doch nicht nur durch die Ordnung an sich symbolisiert dieses humanistische Architekturverständnis,<br />
auch die einzelnen Bauteile setzen sich konstruktionsbedingt wie<strong>de</strong>rum aus<br />
mehreren Segmenten zusammen, die gemeinsam eine Einheit bil<strong>de</strong>n. Die Fuge zwischen<br />
ihnen symbolisiert dadurch auch die gemeinschaftliche Leistung <strong>de</strong>r Erbauer.<br />
Barock<br />
Ein wesentliches Charakteristikum aller Barockkunst, ob Malerei, Musik, Theater o<strong>de</strong>r<br />
Architektur, bil<strong>de</strong>t ihr Hang zum Überschwellen<strong>de</strong>n, zur unmittelbaren Wirkung auf <strong>de</strong>n<br />
Betrachter. In <strong>de</strong>r Architektur <strong>de</strong>s Barocks geraten die Baumassen in Bewegung, ver-<br />
schmelzen zu einer Gesamtkomposition und verwischen dabei die Grenzen zwischen <strong>de</strong>n<br />
einzelnen Bauteilen – Trennung ist durch Kontinuität ersetzt wor<strong>de</strong>n. Doch auch <strong>de</strong>r Barock<br />
entwickelt ein spezielles Verhältnis zur Fuge, zum Wesen <strong>de</strong>s Dazwischen, a<strong>de</strong>lt es zur<br />
„Kunst <strong>de</strong>r Fuge“. Denn das ursprünglich musikalische Motiv <strong>de</strong>r Fuge, das sich aus <strong>de</strong>m<br />
lateinischen Begriff „fuga“, zu Deutsch Flucht, ableitet, bil<strong>de</strong>t ein bestimmen<strong>de</strong>s Motiv <strong>de</strong>s<br />
Barock. Dabei wird ein festgelegtes künstlerisches Thema in Form und Ausdruck variiert<br />
und durch wechselseitige Überlagerung verän<strong>de</strong>rt. Doch trotz <strong>de</strong>r Vielstimmigkeit <strong>de</strong>r<br />
Komposition bleibt das zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong> Thema stets erkennbar. So bil<strong>de</strong>n künstlerische<br />
Freiheit und Kreativität das Dazwischen <strong>de</strong>s Barock.<br />
fotolia © an<strong>de</strong>rssehen
<strong>de</strong>.aca<strong>de</strong>mic.ru<br />
wikipedia.org<br />
Klassische Mo<strong>de</strong>rne<br />
Mit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts und <strong>de</strong>m Siegeszug mo<strong>de</strong>rner Architektur en<strong>de</strong>t<br />
das Nebeneinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stile, das die Architektur <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts dominierte. Von <strong>de</strong>r<br />
Kunst ausgehend, entwickelt sich eine neue Formensprache, die auf Reduktion, Einfachheit<br />
und Abstraktion setzt. Die Bauwerke beginnen sich von ihrem Umfeld zu emanzipieren und<br />
entwickeln sich von städtischen Ensembles zunehmend zu eigenständigen Architekturen.<br />
Dadurch gewinnt auch <strong>de</strong>r Raum zwischen <strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>n an Be<strong>de</strong>utung: Die I<strong>de</strong>ale <strong>de</strong>r<br />
„aufgelockerten Stadt“ <strong>de</strong>fi nieren <strong>de</strong>n Raum <strong>de</strong>s Dazwischen – die grüne Fuge – als Raum<br />
<strong>de</strong>r Möglichkeit und <strong>de</strong>r Kommunikation.<br />
In <strong>de</strong>r Architektur selbst wer<strong>de</strong>n die Fugen zunehmend <strong>de</strong>m Auge <strong>de</strong>s Betrachters entzogen.<br />
Weiße Putzoberfl ächen und raumhohe Fenster bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n programmatischen Gegen-<br />
entwurf zu <strong>de</strong>n verspielten Fassa<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Historismus. Ihre glatte, pure Form dul<strong>de</strong>t keine<br />
Unterbrechungen, keine Nähte und Spalten. Die Dehnfuge, die es <strong>de</strong>m Material erlaubt zu<br />
arbeiten, sich zu weiten und zusammenzuziehen, erscheint als notwendiges Übel, doch<br />
ohne sie lässt sich die Vision <strong>de</strong>s Neuen Bauens nicht verwirklichen.<br />
Postmo<strong>de</strong>rne<br />
Durch die Verneinung ihrer eigenen Geschichtlichkeit und <strong>de</strong>r Zerstörung gewachsener<br />
städtischer Strukturen verlor die Mo<strong>de</strong>rne in <strong>de</strong>r zweiten Hälfte <strong>de</strong>s vergangenen<br />
Jahrhun<strong>de</strong>rts zunehmend an gesellschaftlichem Rückhalt. In <strong>de</strong>r Folge dieser rasch<br />
anschwellen<strong>de</strong>n Kritik an <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>rne entwickelte sich die Postmo<strong>de</strong>rne Architektur.<br />
Sie stand für die Rückbesinnung auf die eigenen Traditionen, die Verbindung von Alt<br />
und Neu und die Versöhnung <strong>de</strong>s Menschen mit seinem gebauten Umfeld.<br />
Die Collage stellt das bekannteste Mittel dieser Architektur dar. Sie vereint architektonische<br />
Zitate zu einem neuen Ganzen, das sich vor allem durch seine Heterogenität<br />
auszeichnet. Die Fuge bil<strong>de</strong>t in diesem Gestaltungskonzept einen essenziellen Bestandteil,<br />
<strong>de</strong>nn sie trennt die einzelnen autonomen Elemente <strong>de</strong>r Bauwerke, ohne dabei eine<br />
Wertung vorzunehmen. Dadurch ermöglicht erst sie das freie Nebeneinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Stile<br />
und <strong>de</strong>n heiter erscheinen<strong>de</strong>n Pluralismus. So ist die Fuge zwar einerseits kalkulierter<br />
Bruch mit <strong>de</strong>r funktionalistischen Eintönigkeit und trennen<strong>de</strong>s Element, doch auf <strong>de</strong>r<br />
an<strong>de</strong>ren Seite auch <strong>de</strong>r Kitt, <strong>de</strong>r die einzelnen Teile zu einem Ensemble verbin<strong>de</strong>t.<br />
S019 ››› Panorama – Glossar
S020 ››› Generation Reißbrett ›››<br />
Zwischen zwei Welten<br />
Text: Christina Dragoi | Fotos: SilkeSteinrathsPhotography | Gus Wüstemann<br />
Der Schweizer Architekt Gus Wüstemann ist mit Büros in Zürich und Barcelona<br />
in zwei Kulturen zu Hause. Die Synthese daraus bewirkt sowohl auf<br />
professioneller als auch auf persönlicher Ebene eine Reduktion auf das<br />
Wesentliche sowie die Befreiung von starren Strukturen. Der mehrfach<br />
ausgezeichnete Gewinner <strong>de</strong>s AIT Awards 2012 plädiert für programmfreie<br />
Raumkonzepte und fi n<strong>de</strong>t damit vor allem international großen<br />
Anklang. Wie er seine Motivation aus seiner Neugier und aus <strong>de</strong>r Bereitschaft,<br />
angstfrei Entscheidungen zu treffen sowie viel harte Arbeit zu<br />
leisten, schöpft, erklärt er uns in einem Gespräch.
Das Neue<br />
Es hat auch seine guten Seiten, nicht zu wissen, wie es<br />
weitergeht. So versperrt keine bereits getroffene Ent-<br />
scheidung die Sicht auf neue Möglichkeiten.<br />
Gus Wüstemann, <strong>de</strong>r charismatische Zürcher, absolvierte<br />
sein Diplom an <strong>de</strong>r ETH 1995. Das waren noch an<strong>de</strong>re<br />
Zeiten: Gezeichnet wur<strong>de</strong> von Hand, es verlangte viel<br />
Übung und ein gutes Auge, um in einer einzigen Perspektive<br />
das Wesen <strong>de</strong>s Entwurfs zu vermitteln. Ein gutes<br />
Diplom abzugeben war in <strong>de</strong>r Tat so viel Arbeit, dass Gus<br />
Wüstemann vorerst gar keine weiteren Pläne hatte – er<br />
freute sich, es geschafft zu haben. Danach stan<strong>de</strong>n ein<br />
paar Jahre Arbeit in diversen Büros an – gefolgt vom<br />
Schritt in die Selbstständigkeit. Und zwar ohne wirklich<br />
Ahnung davon zu haben, was auf ihn zukam, gesteht er<br />
lachend. Für ein paar Jahre hatte er in Zürich ein Büro mit<br />
zwei Partnern und etwa fünf bis zehn Mitarbeitern, bis<br />
ihm dann 2005 das erste kleine Projekt in Barcelona in<br />
Aussicht gestellt wur<strong>de</strong>. So eine Gelegenheit lässt man<br />
sich natürlich nicht entgehen, selbst wenn es eine riesige<br />
Herausfor<strong>de</strong>rung be<strong>de</strong>utet.<br />
Ohne die Lan<strong>de</strong>ssprache zu kennen, wagte Gus Wüstemann<br />
<strong>de</strong>n Sprung. Die Anpassung an die frem<strong>de</strong> Arbeitswelt<br />
– die einige Unterschie<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>r bislang gewohnten<br />
aufwies – raubte viel Kraft. Es bereitete mehr<br />
Arbeit und mehr schlafl ose Nächte als erwartet. „Eine<br />
Katastrophe!“, fasst <strong>de</strong>r Architekt, heute darüber la-<br />
chend, zusammen. Während in <strong>de</strong>r Schweiz das Niveau<br />
<strong>de</strong>r Präzision fast unübertroffen ist und je<strong>de</strong> noch so<br />
kleine Entscheidung schriftlich festgehalten wird, gibt es<br />
in Spanien oft nach <strong>de</strong>m Rohbau kaum noch Planunterla-<br />
gen. Die Details wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r Baustelle mit <strong>de</strong>m Hand-<br />
werker besprochen und „zum besseren Verständnis“ in<br />
Bevor es ausgestellt wur<strong>de</strong>, hatte das Diplommo<strong>de</strong>ll einen festen Platz im Zürcher Büro Gus Wüstemanns. Das Büro in Barcelona wartet dafür mit an<strong>de</strong>ren Highlights auf.<br />
Foto: Gus Wüstemann Zeichnung: Cyrill Weber<br />
S021 ››› 4a Architekten
S022 ››› Generation Reißbrett ›››<br />
die Luft gemalt. Das Risiko, alles dreimal machen zu müs-<br />
sen, ist natürlich hoch, doch das scheint nieman<strong>de</strong>n zu<br />
stören – und das, obwohl die Katalanen nicht gera<strong>de</strong> für<br />
ihre Gelassenheit berühmt sind. Kurz darauf realisierte er<br />
dort ein Stu<strong>de</strong>ntenhotel, das Melon District. Es war ein<br />
Low-Budget-Projekt, in <strong>de</strong>m ein für Barcelona neues und<br />
innovatives Konzept umgesetzt wur<strong>de</strong>, zu <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Auftraggeber<br />
allerdings erst überre<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n musste. Die<br />
Bezeichnung Quartier ist für das Hotel eher angemessen,<br />
<strong>de</strong>nn das gemeinschaftliche Leben, das im Haus herrscht,<br />
hebt sich von an<strong>de</strong>ren Hotels <strong>de</strong>utlich ab.<br />
Danach folgten weitere Aufträge und damit vor acht<br />
Jahren auch die Entscheidung, mit <strong>de</strong>r Familie nach Barcelona<br />
zu ziehen. Die Lebensqualität, die diese Stadt bietet,<br />
ist – obwohl alle seit Jahren von <strong>de</strong>r Krise sprechen<br />
– immer noch hervorragend. Die Bereitschaft, auch mit<br />
weniger Geld glücklich zu sein, scheint im Sü<strong>de</strong>n höher<br />
zu sein.<br />
Mittlerweile hat sich <strong>de</strong>r Rhythmus <strong>de</strong>s Lebens zwischen<br />
<strong>de</strong>n zwei Büros gut eingepen<strong>de</strong>lt. Der Architekt verbringt<br />
zwei bis drei Tage pro Woche in Zürich, <strong>de</strong>n Rest mit <strong>de</strong>r<br />
Familie in Barcelona. Auf die Frage, wo <strong>de</strong>nn sein „Zuhause“<br />
sei, reagiert er nach<strong>de</strong>nklich. Denn eigentlich sind<br />
es tatsächlich bei<strong>de</strong> Städte.<br />
Das Gefühl, mittlerweile in zwei Kulturen heimisch zu<br />
sein, wirkt sich auch auf seine Entwürfe aus. Die mediter-<br />
rane Offenheit und Gelassenheit fi n<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Schweizer<br />
Präzision und Reduziertheit eine ausdrucksstarke Gestalt.<br />
Gus Wüstemann befreit <strong>de</strong>n Raum vom Programm und<br />
<strong>de</strong>fi niert ihn somit neu. Keine hierarchischen Strukturen,<br />
Als stille Zeugen vergangener Zeiten wur<strong>de</strong>n die Wän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Wohnung so belassen, wie sie beim Entfernen <strong>de</strong>r darüberliegen<strong>de</strong>n Schichten vorgefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n.
Das kreuzförmige räumliche Implantat stand bei <strong>de</strong>r Namensgebung Pate.<br />
Fotos: Bruno Helbling<br />
keine einschränken<strong>de</strong>n Raumteilungen stören die Entfal-<br />
tung <strong>de</strong>r skulptural anmuten<strong>de</strong>n Räume. Die Faszination<br />
dieser Räume liegt in <strong>de</strong>r unkomplizierten Auswahl einfacher<br />
Materialien begrün<strong>de</strong>t, die aber, in <strong>de</strong>n richtigen<br />
Kontext gesetzt, <strong>de</strong>n Räumen ihren Charakter geben.<br />
Gut zu beobachten ist die Umsetzung dieses konzeptionellen<br />
Grundsatzes an seiner eigenen Wohnung. Im<br />
Herzen <strong>de</strong>s Barrio Gótico, <strong>de</strong>m Altstadtkern Barcelonas,<br />
baute er die aus <strong>de</strong>m 19. Jahrhun<strong>de</strong>rt stammen<strong>de</strong> Wohnung<br />
um. Er befreite die Räume von allen überfl üssigen,<br />
raumteilen<strong>de</strong>n Elementen und legte die tragen<strong>de</strong>n Wän-<br />
<strong>de</strong> frei. Dem groben Charme vergangener Zeiten setzte<br />
er ein räumliches „Implantat“ in Form eines strahlend<br />
weißen, makellosen Kreuzes entgegen, in <strong>de</strong>m Küche<br />
und Bad untergebracht sind. Es gab <strong>de</strong>r Wohnung ihren<br />
Namen, „Crusch alba“, das weiße Kreuz.<br />
Sein Plädoyer für programmfreie Raumkonzepte bleibt<br />
nicht ungehört. Die Resonanz im Ausland, zum Beispiel<br />
in New York o<strong>de</strong>r in Japan, ist viel stärker als daheim, was<br />
sich nicht zuletzt an seinen zunehmend internationalen<br />
Bauherren zeigt. Dies könnte zwar in Spanien durch die<br />
Krise bedingt sein, <strong>de</strong>nnoch ist sich Gus Wüstemann seiner<br />
außergewöhnlichen Situation bewusst – und dankbar<br />
für die Vorteile, die sich daraus für ihn ergeben.<br />
Selbst wenn die Vorlaufphase arbeitsintensiv und nervenaufreibend<br />
war, ist das Leben zwischen zwei Welten<br />
eine Bereicherung. Ob es für immer Barcelona und Zürich<br />
sein wer<strong>de</strong>n, steht in <strong>de</strong>n Sternen. Doch dass die Suche<br />
nach Neuem Gus Wüstemann nicht an einem einzigen<br />
Ort sesshaft wer<strong>de</strong>n lässt, das kann man schon erahnen.<br />
Und da sich auch seine Architektur mit je<strong>de</strong>r neuen Erfahrung<br />
weiterentwickelt, dürfen wir auf die Zukunft<br />
gespannt sein.<br />
Gus Wüstemann<br />
Fotos: Gus Wüstemann<br />
S023 ››› Gus Wüstemann
S024 ››› Veranstaltungen ›››<br />
Rückblick: Vernissage „Nothing Was Put in Place to Stop the Growth“<br />
Unser Showroom in Berlin, in <strong>de</strong>n Sarotti-Höfen am Mehringdamm,<br />
ist ein Ort <strong>de</strong>r Kommunikation für Architekten, Innenarchitekten,<br />
Designer und Künstler. In regelmäßigen Abstän<strong>de</strong>n<br />
zeigen wir Ausstellungen, die uns und unsere Gäste aus<br />
<strong>de</strong>m Alltag entführen, inspirieren und zu Gesprächen anregen.<br />
Veranstaltung: Vernissage <strong>de</strong>r Ausstellung „Nothing Was<br />
Put in Place to Stop the Growth“, 07. Dezember 2012<br />
Künstlerin: Jill Tegan Doherty, www.jilltegandoherty.com<br />
Ort: Showroom porcelaingres, Mehringdamm 55, Berlin<br />
Eindrücke von <strong>de</strong>r Vernissage. Im<br />
Bild links unten, die Künstlerin Jill<br />
Tegan Doherty (links).<br />
porcelaingres
Foto: Ornella Orlandi<br />
Ankündigung: Finissage<br />
Veranstaltung: Finissage<br />
„Nothing Was Put in Place<br />
to Stop the Growth“<br />
Künstlerin: Jill Tegan Doherty<br />
Ort: Showroom porcelaingres,<br />
Mehringdamm 55, Berlin-<br />
Kreuzberg<br />
Datum: 08. Februar <strong>2013</strong><br />
Uhrzeit: 18.00–22.00 Uhr<br />
Anmeldung: per E-Mail an<br />
kglaess@porcelaingres.com<br />
o<strong>de</strong>r Fax Nr. 035 433 597 170<br />
www.jilltegandoherty.com<br />
Ganz in <strong>de</strong>r surrealistischen Tradition verankert, begibt sich<br />
Jill Tegan Doherty mit ihrer Ausstellung „Nothing Was Put in<br />
Place to Stop the Growth“ auf die Reise ins Unterbewusstsein.<br />
Sie inszeniert die Bil<strong>de</strong>r, die fl üchtig am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r menschli-<br />
chen Einbildung auftauchen, um das Thema <strong>de</strong>s inneren, psy-<br />
chologischen Wachstums zu ergrün<strong>de</strong>n. Darunter versteht sie<br />
das exponentielle, unkontrollierte Wachstum <strong>de</strong>r Gedanken,<br />
<strong>de</strong>r Gefühle und <strong>de</strong>s Schmerzes. Sie begibt sich tief in eine<br />
frem<strong>de</strong> Welt, in <strong>de</strong>r Darstellung und Fantasie verschmelzen,<br />
um mit aufreiben<strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn aufzutauchen, die von einer<br />
zerbrechlichen, zarten Schönheit geprägt sind. Zwölf Malereien<br />
und zahlreiche Zeichnungen unterschiedlicher Serien<br />
wer<strong>de</strong>n zur Bühne <strong>de</strong>s Unterbewussten, die menschlichen<br />
Mischwesen eine Plattform bietet, ihre Rolle auf dieser Seite<br />
<strong>de</strong>s Vorhangs auszuleben. Der musikalische Rahmen wur<strong>de</strong><br />
eigens für die Ausstellung von <strong>de</strong>n irischen Musikern Brian<br />
Flynn und Tom McCarthy (Baby Forest) komponiert. Dohertys<br />
Arbeiten bringen körperliche Instabilität zum Ausdruck. Auf<br />
fast spielerische Art und Weise wird diese durch metaphorische<br />
Tier- und Vogelköpfe, die mit menschlichen Gestalten<br />
verschmelzen, in Szene gesetzt.<br />
Die am Chelsea College of Art and Design in London ausgebil<strong>de</strong>te<br />
Künstlerin zog im November 2011 nach Deutschland,<br />
wo sie sich nun in Berlin langsam einen Namen macht.<br />
„Nothing Was Put in Place to Stop the Growth“ ist ihre zweite<br />
Einzelausstellung in <strong>de</strong>r Hauptstadt.<br />
S025 ››› Veranstaltungen
S026 ››› Veranstaltungen ›››<br />
Ankündigung Generation Reißbrett: Die Ü40-Architekten<br />
Eine wesentliche Rolle im Erfolg eines Unternehmens spielt <strong>de</strong>r<br />
Dialog mit <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n. porcelaingres geht noch einen Schritt<br />
weiter und pfl egt <strong>de</strong>n regelmäßigen Austausch mit Architekten.<br />
An dieser Stelle berichten wir über gemeinsame Veranstaltungen<br />
und künft ige Termine.<br />
Stu<strong>de</strong>ntischer Anspruch und architektonische Wirklichkeit<br />
klaffen oft weit auseinan<strong>de</strong>r – ja, eigentlich muss es so sein.<br />
Denn wann, außer zu Studienzeiten, hat <strong>de</strong>r angehen<strong>de</strong><br />
Architekt o<strong>de</strong>r Innenarchitekt <strong>de</strong>nn noch die Möglichkeit,<br />
seine Visionen, seine Ansprüche und seine Thesen so frei<br />
und – trotz aller professoralen Ermahnungen – uneingeschränkt<br />
zu realisieren wie im Diplommo<strong>de</strong>ll?<br />
2010 erkundigte sich das Team <strong>de</strong>r Architekturzeitschrift<br />
AIT bei zahlreichen renommierten Architekten und Innenarchitekten<br />
nach ihren Diplom arbeiten. Manche versicherten<br />
glaubhaft, das Mo<strong>de</strong>ll schon vor Jahren zerstört zu haben,<br />
an<strong>de</strong>re machten obskure Sturmfl uten und Feuersbrünste für<br />
<strong>de</strong>n tragischen Verlust <strong>de</strong>s tatsächlich hoch ambitionierten<br />
Werkes verantwortlich. Doch viele gaben ihre Zusage, das<br />
zumeist schon leicht lädierte Mo<strong>de</strong>ll zu Ausstellungszwecken<br />
zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise erhielt die<br />
AIT die Gelegenheit, in einer spannen<strong>de</strong>n Ausstellung zu<br />
zeigen, wie beispielsweise bei Max Dudler alles begann und<br />
was Dietz Joppien Architekten in ihrer Lehrzeit erdachten.<br />
In <strong>de</strong>n 20 o<strong>de</strong>r 30 Jahren, die zwischen <strong>de</strong>m Diplommo<strong>de</strong>ll<br />
Links: Helge Bofi nger als junger<br />
Absolvent,<br />
unten: Kaspar Kreamer damals<br />
als Stu<strong>de</strong>nt.
Die 4a Architekten in <strong>de</strong>n 90er Jahren – bereits damals waren Schwimmbä<strong>de</strong>r ein beliebtes Th ema.<br />
Grazyna Marszalek während ihrer Diplompräsentation 1989<br />
und <strong>de</strong>n aktuellen Bauten <strong>de</strong>r heute 40- bis 65-Jährigen<br />
liegen, zeigt sich das Ankommen in <strong>de</strong>r Realität <strong>de</strong>r wirtschaftlichen<br />
und bautechnischen Zwänge, das Kapitulieren<br />
vor <strong>de</strong>m vorgeblichen Mainstream o<strong>de</strong>r das Sich-treu-Bleiben<br />
über je<strong>de</strong> Mo<strong>de</strong>strömung hinweg. Kaum einmal wird<br />
so viel Herzblut und auch so viel Mühe in <strong>de</strong>n Mo<strong>de</strong>llbau<br />
gesteckt, wie in das stu<strong>de</strong>ntische Diplom, das Abschlussund<br />
Kulminationspunkt <strong>de</strong>r Studienzeit ist – und das danach<br />
bestenfalls auf <strong>de</strong>m elterlichen Speicher verstaubt<br />
und je<strong>de</strong>s Jahr aufs Neue zu einem Anruf <strong>de</strong>r Mutter führt,<br />
ob man das sperrige Ding <strong>de</strong>nn nun endlich entsorgen<br />
dürfe.<br />
Nach<strong>de</strong>m die Ausstellung in <strong>de</strong>n vier ArchitekturSalons, die<br />
die AIT in Hamburg, München, Köln und Stuttgart betreibt,<br />
zu sehen war, ist sie auf ihrer nächsten Station ab <strong>de</strong>m<br />
19. Februar <strong>2013</strong> in unserem Showroom in Berlin für einige<br />
Wochen zu Gast. Einige Diplomarbeiten, die in <strong>de</strong>r<br />
Ausstellung zu sehen sind, kennen Sie bereits aus <strong>de</strong>r Rubrik<br />
„Generation Reißbrett“. Wir la<strong>de</strong>n Sie herzlich ein, die<br />
restlichen anzuschauen und wür<strong>de</strong>n uns freuen, Sie zur<br />
Vernissage begrüßen zu dürfen!<br />
Veranstaltung: Vernissage <strong>de</strong>r AIT-Ausstellung „Generation<br />
Reißbrett: Die Ü40 Architekten – was sie wer<strong>de</strong>n wollten<br />
und was sie wur<strong>de</strong>n“<br />
Ort: porcelaingres Showroom, Mehringdamm 55, Berlin-<br />
Kreuzberg<br />
Datum: 19. Februar <strong>2013</strong><br />
Uhrzeit: 19.00–23.00 Uhr<br />
Anmeldung: per E-Mail an kglaess@porcelaingres.com o<strong>de</strong>r<br />
per Fax Nr. 035 433 597 170<br />
S027 ››› Veranstaltungen
S028 ››› PG-Baustelle ›››<br />
PG-Baustelle: Rathauserweiterung in Kolkwitz<br />
Ein gut funktionieren<strong>de</strong>r Verwaltungsapparat braucht<br />
Platz – das wissen auch die Mitarbeiter <strong>de</strong>s Kolkwitzer<br />
Rathauses. In ihrem alten historischen Rathaus war die<br />
gegebene Raumsituation nicht i<strong>de</strong>al. Die Verwaltungsräume<br />
waren nämlich in einem ursprünglich als Wohnhaus<br />
genutzten Gebäu<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Jahre 1904 untergebracht.<br />
Nach<strong>de</strong>m an <strong>de</strong>n Schulen, Kin<strong>de</strong>rgärten und Sportstätten<br />
<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> sämtliche nötigen Sanierungs-, Umbau-<br />
und Erweiterungsarbeiten abgeschlossen wor<strong>de</strong>n<br />
waren, wagte sich Bürgermeister Fritz Handrow an die<br />
Erweiterungsaufgabe <strong>de</strong>s Rathauses. Mit zusätzlichen<br />
350 Quadratmetern Fläche wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>r<br />
Raum geschaffen, <strong>de</strong>r allein schon für die Ablage <strong>de</strong>s<br />
Bau- und Katasteramtes benötigt wird. Der Architekt<br />
Klaas Fiedler, selbst in Kolkwitz sesshaft, hat mit seinem<br />
Büro Berger & Fiedler aus Cottbus das Bestandsgebäu<strong>de</strong><br />
umfangreich saniert und <strong>de</strong>n Erweiterungsbau<br />
konzipiert. Der rechtwinklig zum historischen Rathaus<br />
angeordnete Neubau schafft einen <strong>de</strong>r Funktion angemessenen<br />
Vorplatz und führt die Besucher auf <strong>de</strong>n<br />
neuen Eingang zu. Dieser befin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r großzügig<br />
verglasten Fuge, die bei<strong>de</strong> Gebäu<strong>de</strong>teile verbin<strong>de</strong>t und<br />
jetzt auch die barrierefreie Erschließung <strong>de</strong>s Rathauses<br />
ermöglicht. Außer <strong>de</strong>n zusätzlichen, dringend benötigten<br />
Büros ist im Neubau ein multifunktionaler Gemein<strong>de</strong>saal<br />
untergebracht.<br />
Projekt: Rathaussanierung<br />
(Altbau) sowie Ergänzungsbau<br />
mit Foyer, Gemein<strong>de</strong>saal<br />
und Büros<br />
Architekt: Berger & Fiedler,<br />
Cottbus<br />
Bauherr: Gemein<strong>de</strong><br />
Kolkwitz<br />
Ort: Kolkwitz<br />
Fertigstellung: 2012<br />
Fliese: New Sandstein<br />
Ar<strong>de</strong>sia grigia<br />
porcelaingres
PG-Baustelle: Forum Mittelrhein, Koblenz<br />
Projekt: Forum Mittelrhein, Koblenz<br />
Bauausführung: Ed. Züblin AG<br />
Bauherr/Auslober: ECE, STRABAG Real Estate<br />
und die RREEF Investment GmbH<br />
Ort: Zentralplatz, 56068 Koblenz<br />
Fertigstellung: 26. September 2012<br />
Fliese: Rusty Silver<br />
In Koblenz eröffnete En<strong>de</strong> September ein neues Einkaufs-<br />
zentrum seine Pforten. Es entstand mitten in <strong>de</strong>r Innen-<br />
stadt auf <strong>de</strong>m früher bebauten, aber lange brachliegen<strong>de</strong>n<br />
Zentral platz. Entwickelt wur<strong>de</strong> das Center von <strong>de</strong>r ECE und<br />
<strong>de</strong>r STRABAG Real Estate. Das Einzelhan<strong>de</strong>lsangebot im<br />
Forum Mittelrhein ergänzt auf rund 20.000 Quadratme-<br />
tern die bereits vorhan<strong>de</strong>nen Angebote in Qualität und<br />
Vielfalt und stärkt somit nachhaltig die Anziehungskraft<br />
<strong>de</strong>r Stadt als Einkaufsmetropole <strong>de</strong>r Region. Das städte-<br />
bauliche Ensemble, bestehend aus <strong>de</strong>m neuen Kulturge-<br />
bäu<strong>de</strong> Forum Confl uentes sowie <strong>de</strong>m Shopping-Center<br />
Forum Mittelrhein verbin<strong>de</strong>t eine ca. 6.000 Quadratmeter<br />
große Piazza mit einem ebenerdigen Wasserspiel.<br />
Das Center ist seit Eröffnung im September 2012 vollständig<br />
vermietet. Die durchschnittliche Tagesfrequenz im Forum<br />
Mittelrhein beträgt zirka 19.000 Besucher, die sich an<br />
<strong>de</strong>n Adventswochenen<strong>de</strong>n sogar auf bis zu 35.000 Besucher<br />
täglich steigert. Ankermieter sind Saturn, New Yorker,<br />
Sport 2000, H & M und Yeans Halle. Um das Wohlbefi n<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>n zu steigern, wur<strong>de</strong> im ersten Obergeschoss<br />
hinter <strong>de</strong>r Glasfassa<strong>de</strong> ein „Food Court“ eingerichtet. Er<br />
bietet mit zehn unterschiedlichen Gastronomien und ei-<br />
nem freien Blick auf <strong>de</strong>n Zentralplatz eine gute Gelegenheit<br />
für eine kurze Pause. Neben Naturstein entschie<strong>de</strong>n sich<br />
die Planer für die Rusty-Silver-Reihe von porcelaingres, die<br />
für eine ruhige, angenehme Atmosphäre sorgt.<br />
porcelaingres<br />
S029 ››› PG-Baustelle
S030 ››› new(s) ›››<br />
Und dazwischen ist eine Fuge<br />
Einer guten Planung geht eine genaue Wahrnehmung<br />
voraus – eine Analyse nicht nur <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Formen<br />
und Farben, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r nicht vorhan<strong>de</strong>nen.<br />
Erst dieses ganzheitliche Wahrnehmen <strong>de</strong>r Umgebung<br />
ermöglicht eine vorausschauen<strong>de</strong> Planung. Das<br />
Para<strong>de</strong>beispiel für das Nicht-Vorhan<strong>de</strong>ne ist die Fuge,<br />
ein an je<strong>de</strong>m Bauwerk aus bautechnischen Grün<strong>de</strong>n<br />
benötigtes Element.<br />
Wissen Sie, was eine Fuge ist? Was für eine Frage – natürlich<br />
wissen Sie das – o<strong>de</strong>r vielleicht doch nicht? „Die Fuge<br />
(von lateinisch fuga = Flucht) ist ein musikalisches Kompositionsprinzip,<br />
das durch eine beson<strong>de</strong>re Anordnung von<br />
Auch in <strong>de</strong>r Natur tauchen Fugen als stark prägen<strong>de</strong> Strukturen auf.<br />
Imitationen gekennzeichnet ist. Eine Fuge kann ein einzelnes,<br />
nach diesem Prinzip komponiertes Stück sein, Fugen<br />
und fugenartige Strukturen wer<strong>de</strong>n aber auch innerhalb<br />
von Werken an<strong>de</strong>rer Formen verwen<strong>de</strong>t, z. B. in Kantaten,<br />
Messen, Konzerten o<strong>de</strong>r Ouvertüren.“<br />
Und was hat das jetzt mit Architektur zu tun?<br />
„Architektur ist gefrorene Musik“ (Schopenhauer) – man<br />
baut hoch, man baut tief, es gibt Zwischenräume, Tempowechsel,<br />
Stilbrüche, Harmonien und Disharmo nien<br />
und wenn alles zusammenkommt, entsteht am En<strong>de</strong> ein<br />
perfektes Kunstwerk.<br />
Und ein nicht gera<strong>de</strong> unwichtiger Teil ist auch hier die<br />
Fuge, <strong>de</strong>r leere Raum zwischen <strong>de</strong>n Elementen.
Anhand <strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r Rubin'schen Vase wird <strong>de</strong>utlich, wie unsere selektive Wahrnehmung funktioniert: Der Grund und das Motiv sind umkehrbar.<br />
„Eine Fuge ist im Bauwesen ein gewollter o<strong>de</strong>r toleranz-<br />
bedingter Spalt o<strong>de</strong>r Zwischenraum zwischen zwei Bau-<br />
teilen o<strong>de</strong>r Materialien. Je nach Lage <strong>de</strong>r Fuge kann sie<br />
neben ihrem bautechnischen Zweck auch <strong>de</strong>r Gestaltung<br />
dienen. Als Fugenbild bezeichnet man Anordnung und<br />
Aussehen <strong>de</strong>r Fugen auf einer bestimmten Oberfl äche,<br />
wie Mauerwerk o<strong>de</strong>r Fliesenbö<strong>de</strong>n. Das Fugenbild wird<br />
beeinfl usst von <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>r verwen<strong>de</strong>ten Steine bzw.<br />
Fliesen, <strong>de</strong>m verwen<strong>de</strong>ten Fugenmaterial, <strong>de</strong>r Fugenfar-<br />
be und <strong>de</strong>r Ausführung <strong>de</strong>r Fuge.“(Wikipedia)<br />
Die starke Geometrie <strong>de</strong>r Fugenführung dominiert das Gesamtbild.<br />
Die Kunst bereichert die Architektur, die Architektur<br />
beeinfl usst die Kunst – dieser Grundi<strong>de</strong>e folgen wir bei<br />
porcelaingres auch in <strong>de</strong>r Entwicklung von Gesamtkonzepten<br />
für Architekten und Designer und <strong>de</strong>nken dabei<br />
über die reine Fliese hinaus.<br />
Also haben wir uns auf die Suche nach einem zuverlässigen<br />
Partner begeben, um unser Konzept „<strong>de</strong>_<strong>tiles</strong>“<br />
um einen wichtigen Bereich ergänzen zu können, und<br />
wer<strong>de</strong>n im nächsten Jahr verstärkt an unserer I<strong>de</strong>e für<br />
die Fuge arbeiten.<br />
S031 ››› new(s)
S032 ››› Vorschau ›››<br />
Vorschau<br />
Fake<br />
In <strong>de</strong>r nächsten <strong>Ausgabe</strong> von <strong>just</strong> <strong>de</strong>_<strong>tiles</strong> geht es um das Imitat, die<br />
(Not-)Lüge, das „So-tun-als-ob“; wann ist „Fake“ erlaubt, wann verwerfl<br />
ich? Sind auf Fassa<strong>de</strong>n aufgemalte Fenster akzeptabel? Wo liegt<br />
die Grenze?<br />
Sie möchten <strong>just</strong> <strong>de</strong>_<strong>tiles</strong> kostenlos abonnieren? O<strong>de</strong>r Sie haben<br />
Rückmeldungen zur aktuellen <strong>Ausgabe</strong>? Wir freuen uns über Ihre<br />
E-Mail mit Adresse und Büroname an: <strong>just</strong>@ait-online.<strong>de</strong>.<br />
© grafxart - Fotolia.com
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
porcelaingres GmbH<br />
Vetschau<br />
Tel. +49 (0)35433 / 597-106<br />
Fax +49 (0)35433 / 597-170<br />
www.porcelaingres.com<br />
Verlag:<br />
GKT – Gesellschaft für Knowhow-Transfer<br />
in Architektur und Bauwesen mbH<br />
Leinfel<strong>de</strong>n-Echterdingen<br />
Redaktion:<br />
Wolfgang Bludau (porcelaingres)<br />
Miriam Borrelli (porcelaingres)<br />
Dr. Dietmar Danner (GKT)<br />
S033 ››› Impressum