S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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Man konnte mit uns aber auch so manches erproben. Da war das wissenschaftlich-produktive<br />
Studium, kurz WPS. So richtig wussten wir zunächst<br />
nicht, was das eigentlich ist, aber wir haben es fleißig praktiziert. Mein Praktikum<br />
im Panzerregiment-4 in Gotha konnte damit wahrlich nicht gemeint<br />
sein, eher schon das Soziologie-Praktikum. Wir waren wohl die ersten Hörer,<br />
die sich mit <strong>der</strong> Soziologie befassten – und das hat uns tiefere Einblicke für<br />
die zukünftige Arbeit und ihre Wertung gegeben und nützt uns auch noch<br />
heute bei <strong>der</strong> Beurteilung so mancher hoch gelobten und fast nicht zu bezweifelnden<br />
Befragung. Aber unsere Diplomarbeiten, die Lebensbil<strong>der</strong>, mit<br />
denen wir als Belegarbeiten bereits im 2. Studienjahr betraut wurden, waren<br />
wohl Musterbeispiele für WPS.<br />
Und wir lernten weitere Neuerungen kennen, die Prüfungen nach dem A-b-c-<br />
Antwortsystem und die Erarbeitung von Algorithmen zu allen möglichen<br />
Handlungsabläufen zum Beispiel. Wir haben sehr viel Nützliches, aber auch<br />
Unnützes gelernt. Aber das ist wohl bei jedem Studium so, nur dass zivile<br />
Studenten sich in <strong>der</strong> Regel aussuchen können, was sie für Vorlesungen etc.<br />
besuchen. Das konnten wir nicht.<br />
Die folgenden Jahre in <strong>der</strong> Truppe haben uns tatsächlich gezeigt, dass wir an<br />
<strong>der</strong> Akademie ein gutes Rüstzeug erhalten hatten. Wir haben hier wirklich eine<br />
Menge gelernt. Für mich war das Wichtigste die dialektische Denkweise,<br />
das Streitgespräch, die sachliche Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Meinung an<strong>der</strong>er<br />
und sogar mit <strong>der</strong> Lehrmeinung. Die Streitkultur, was heute völlig aus den<br />
politischen Umgangsformen verschwunden zu sein scheint, wurde groß geschrieben.<br />
Und uns wurde eben Wissen vermittelt und die Fähigkeit zu selbstständiger<br />
wissenschaftlicher Arbeit. Dabei lernten wir auch, Wichtiges von<br />
Unwichtigem zu trennen und unnötigen Ballast fallen zu lassen. So manchmal<br />
stöhnten wir über die Masse des uns Dargebotenen und von uns Gefor<strong>der</strong>ten,<br />
vor allem über das, was weit über das Grundwissen des Offiziers und<br />
Gesellschaftswissenschaftlers hinausging. Aber das hatte man meist schon<br />
nach den Überprüfungen in einen Gehirnwinkel verbannt, <strong>der</strong> nie wie<strong>der</strong> gebraucht<br />
wurde.<br />
Da es in <strong>der</strong> Natur des Menschen liegt, dass man Negatives, Unangenehmes<br />
schnell vergisst, was an sich eine gute Seite <strong>der</strong> Natur ist, sei mir gestattet,<br />
auch einige Gedanken auf das zu verwenden, was sich bei den meisten <strong>der</strong><br />
Hörer eingeprägt hat und dem Ansehen <strong>der</strong> Militärakademie abträglich war.<br />
Auch wenn wir heute darüber schmunzeln, so manches in geselliger Runde<br />
als Gag erzählen, es machte uns das Leben, und vor allem das Studieren, oft<br />
unnötig schwer und war aus heutiger Sicht völlig unnötig. Aber das haben wir<br />
schon damals so eingeschätzt, doch nicht än<strong>der</strong>n können.