S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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<strong>der</strong> Leitung, dass die Akademie für jeden Vietnamesen einen Uniformwintermantel<br />
schnei<strong>der</strong>n lassen und eine Pelzmütze besorgen sollte. Wieso? Wer<br />
weist so etwas an? Der General Winter! Aber sie mussten doch ihre Ausrüstung<br />
mitbringen? Ja, aber da sie aus einem tropischen Land kommen, wo die Soldaten,<br />
wenn es doch mal kalt ist, einen Pullover unter ihre ungefütterten Uniformjacken<br />
ziehen, gehört eben kein Wintermantel zur Ausrüstung. Aber die<br />
haben doch in Naumburg schon einen Winter erlebt? Ja, in einem Gebäude,<br />
in dem sie sowohl unterrichtet, versorgt und untergebracht waren. Dort haben<br />
sie das Haus höchstens mal kurz verlassen, um den ihnen unbekannten<br />
Schnee zu fühlen. Unser Gelände ist aber viel zu weitläufig, als dass wir sie<br />
ohne Mantel und warme Mütze vom Internat zu den Lehrgebäuden und zum<br />
Speisesaal gehen lassen können. Und sie werden ja auch zu offiziellen Veranstaltungen<br />
<strong>der</strong> Stadt eingeladen. Sollen sie dort in ihrer dünnen Sommerjacke<br />
und mit Schirmmütze auftreten, während wir Winteruniform tragen?<br />
Also wurden die Rückwärtigen Dienste angewiesen, aus dem Fonds <strong>der</strong> Zivilverteidigung<br />
kakifarbenen Uniformstoff und entsprechende Pelzmützen zu<br />
besorgen. Die Schnei<strong>der</strong> hatten, ausgehend vom generellen Schnitt <strong>der</strong> vietnamesischen<br />
Uniform, eine solche für den europäischen Winter zu kreieren<br />
und jeden damit nach Maß einzukleiden. Das gelang, und alle waren zufrieden.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Zeit fand ich so immer mehr Mitstreiter, die, wenn es zum<br />
Wohle <strong>der</strong> Vietnamesen war, auch einmal ungewohnte Wege beschritten. Einer<br />
meiner wichtigsten Helfer wurde Oberstleutnant Werner Keller, dem die<br />
Planung des Kfz-Einsatzes oblag. Schon über die Oktoberfeierlichkeiten 1977<br />
stellte er uns einen Kleinbus, mit dem wir in Leipzig eine Stadtrundfahrt unternehmen<br />
und dann über Naumburg, wo wir übernachteten, nach Weimar<br />
fahren konnten. Dort haben wir alle wichtigen historischen Stätten <strong>der</strong> deutschen<br />
Klassik besichtigt. Hildegard durfte auch mitkommen. Mit Hilfe Werner<br />
Kellers konnten wir in den ersten Jahren viele solche Exkursionen unternehmen.<br />
Später wurde das von oben her eingeschränkt.<br />
Zum Philosophieunterricht<br />
Neben meiner Betreuerfunktion, genau genommen noch vor ihr, hatte ich bei<br />
den Vietnamesen als Lehrer <strong>der</strong> marxistisch-leninistischen Philosophie zu<br />
wirken. Das aber hieß, die Probleme zunächst im kleinen Kreis vortragen, bereits<br />
dabei auftauchende Fragen beantworten, den Stoff in Gesprächsform<br />
vertiefen, gewisse Leitsätze schriftlich geben, viel Arbeit an <strong>der</strong> Tafel, immanente<br />
Kontrollen und häufig individuelle Konsultationen. Diese Methode war<br />
goldrichtig. Trotzdem fiel den Genossen die Philosophie sehr schwer. Schwerer<br />
als den deutschen und den an<strong>der</strong>en ausländischen Offiziershörern. Diese<br />
hatten aber eben auch schon das Eine o<strong>der</strong> das An<strong>der</strong>e im Geschichts- o<strong>der</strong><br />
Religionsunterricht <strong>der</strong> Schule, während ihrer dreijährigen Ausbildung an Of-