S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS
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1945 wurde die Richtigkeit dieser Gedanken vollauf bestätigt. Alle Schichten<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung schlossen sich ihr an. Auch <strong>der</strong> Kaiser und die Beamten <strong>der</strong><br />
Nguyen-Dynastie. Und alle Leute des alten Regimes, soweit sie Fähigkeiten<br />
und einen festen Willen besaßen, wurden willkommen geheißen. Ho Chi<br />
Minh erklärte damals: „Die Regierung hat nicht die Absicht, auf Grund alter<br />
Straftaten neue Anklagen zu erheben.“ Auf dem historischen Ba Dinh Platz<br />
im Herzen Hanois, wo er am 2. September 1945 die Demokratische Republik<br />
Vietnam ausrief, verkündete er die für den Aufbau des neuen Staates zentrale<br />
Losung: Solidarität, Solidarität, große Solidarität! Erfolg, Erfolg, großer Erfolg! Wenige<br />
Jahre später, auf dem II. Parteitag, unterstrich Ho Chi Minh noch einmal seine<br />
Position zur unbedingten Solidarität aller Klassen und Schichten des vietnamesischen<br />
Volkes. Seinen Kritikern, die den Klassencharakter <strong>der</strong> Partei<br />
beson<strong>der</strong>s betont wissen wollten, rief er zu: „Gerade weil unsere Partei die<br />
Partei <strong>der</strong> Arbeiterklasse und des arbeitenden Volkes ist, ist sie selbstverständlich<br />
auch die Partei des ganzen Volkes.“ Mit dieser Auffassung ermunterte<br />
Onkel Ho Mitstreiter, die keine Arbeiter waren, son<strong>der</strong>n aus verschiedensten<br />
Gesellschaftsschichten stammten, alle ihre Kräfte für die Sache <strong>der</strong> Revolution<br />
einzusetzen.<br />
Aus den Geschichtsbüchern konnte ich entnehmen, dass die Vietnamesen<br />
immer dann vorangekommen waren, wenn sie an dieser von Ho vorgegebenen<br />
Linie festgehalten, wenn sie Toleranz und Geduld geübt sowie Vorurteile<br />
und Misstrauen gegenüber früheren Anhängern des alten Regimes konsequent<br />
abgebaut hatten. Sobald sie aber das Prinzip <strong>der</strong> Solidarität aufgaben<br />
und sich an starren Klassenschranken orientierten, wie es beson<strong>der</strong>s in den<br />
späten 50er und in den 60er Jahren <strong>der</strong> Fall war, büßten sie viel Vertrauen ein.<br />
Da verloren sie wertvolle menschliche Ressourcen, vor allem Fachleute. Die<br />
nach dem Sieg von 1975 eingeführten strikten sozialen Regelungen spalteten<br />
gar die Gesellschaft und veranlassten viele Patrioten, die sich eigentlich für<br />
den Wie<strong>der</strong>aufbau engagieren wollten, zur Flucht in das Ausland.<br />
Vo Van Kiet, ein alter Mitstreiter Ho Chi Minhs und später auch Ministerpräsident<br />
Vietnams, schrieb darüber: Für diese Fehlentwicklungen „war ich zum<br />
Teil selbst mit verantwortlich. Ich habe es selbst erlebt, wie Intellektuelle und<br />
Geschäftsleute sich den Kopf zerbrachen, ob sie gehen o<strong>der</strong> bleiben sollten<br />
und dann schließlich das Risiko <strong>der</strong> Flucht eingingen. So haben wir, im Rückblick<br />
betrachtet, viele gute Möglichkeiten für den Wie<strong>der</strong>aufbau nicht genutzt.<br />
Die Folge waren die schweren Jahre einer langwierigen Inflation.“ Die Verantwortung<br />
für all das sucht Vo Van Kiet bei <strong>der</strong> Staatsführung. „Diese muss<br />
die fähigen Leute ansprechen und ihr Herz überzeugen. Gute Leute an sich<br />
ziehen ist eine wichtige Fähigkeit <strong>der</strong> Regierung.“ Zum 60. Jahrestag <strong>der</strong> Augustrevolution<br />
von 1945 erinnerte Vo Van Kiet darum nochmals an die gro-