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S. Schönherr (Beitrag): Konversion der Streitkräfte - DSS

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nünftiger Leute bei den Rückwärtigen Diensten kein Problem. Indem wir im<br />

Februar 1978 ihr wichtigstes Fest mit vorbereiteten und es für sie zu einem<br />

großen Erlebnis werden ließen, bezeugten wir ihrer Kultur Achtung. Das aber<br />

ist und bleibt <strong>der</strong> Kern wirklicher Solidarität. Kulturelles Selbstverständnis<br />

stärken ist bedeuten<strong>der</strong> als materielle Hilfeleistung. Indem wir zum Gelingen<br />

des Tet-Festes beitrugen, för<strong>der</strong>ten wir auch die Entwicklung einer wirklich<br />

belastbaren Gemeinschaft, in <strong>der</strong> sich alle wohl und heimisch fühlten.<br />

Auf den Internatszimmern <strong>der</strong> Vietnamesen habe ich in all den Jahren stets<br />

eine entspannte, ja geradezu gelöste Atmosphäre gespürt. Immer, wenn ich zu<br />

ihnen kam, musste ich mich gleich setzen, mit ihnen Tee trinken, von meinen<br />

Kin<strong>der</strong>n erzählen, mit ihnen lachen. Niemals brauchte ich einen Streit schlichten.<br />

Wenn es je einen solchen gegeben haben sollte, hat man mich diesen<br />

nicht spüren lassen. Das wäre mit ihrem Verständnis von Höflichkeit und <strong>der</strong><br />

Achtung vor dem Älteren auch nicht zu vereinbaren gewesen. Es ist doch so:<br />

Alle meine Schützlinge waren in Großfamilien aufgewachsen, in denen konfuzianische<br />

Orientierungen maßgeblich waren. Da dort mehrere Generationen<br />

auf engstem Raum lebten, war gegenseitige Rücksichtnahme die erste und<br />

wichtigste Pflicht. Der Jüngere muss in solch einer Familie den Älteren stets<br />

Achtung bezeugen und unbedingten Gehorsam leisten. Je<strong>der</strong> hat seinen bestimmten<br />

Platz in <strong>der</strong> sozialen Rangordnung und muss nicht nur seine Rechte,<br />

son<strong>der</strong>n vor allem auch jene Rechte kennen, die er dem Älteren, Ranghöheren<br />

ganz selbstverständlich einzuräumen hat. In diesem konfuzianischen<br />

Geist waren alle diese Studenten in ihren Familien, in <strong>der</strong> Schule und in <strong>der</strong><br />

Armee erzogen worden. Den stellten sie nicht in Frage.<br />

Ganz offensichtlich lebte Oberleutnant Duong, <strong>der</strong> Gruppenälteste, diese<br />

Moral. Betrat ich den Studienraum, sagte er, er rief es nicht: „Genossen Offiziere“,<br />

worauf alle aufstanden und Haltung einnahmen. Dann meldete Duong<br />

mit leiser Stimme die Bereitschaft <strong>der</strong> Gruppe zum Unterricht. Ich dankte,<br />

ließ die Gruppe setzen und reichte Duong die Hand zum Gruß. Er umfasste<br />

diese mit beiden Händen und verbeugte sich dabei ganz tief. Das tat er auch,<br />

wenn er mich irgendwo im Gelände <strong>der</strong> Akademie traf. Gingen wir einige<br />

Schritte gemeinsam, legte er wie selbstverständlich seine Rechte in meine linke<br />

Hand, so dass wir Händchen haltend durch das Objekt liefen. Natürlich ließ<br />

ich mir dann immer schnell etwas einfallen, um diese für mich peinliche Situation<br />

zu beenden. Für Duong aber war klar: Ich war <strong>der</strong> um 20 Jahre Ältere,<br />

sein Lehrer. Da musste er einfach so handeln, wie er handelte. Für die meisten<br />

Taktiklehrer war Duong ein rotes Tuch. Ein Offizier, <strong>der</strong> kein lautes,<br />

weithin hallendes Kommando geben kann, sich wie ein Oberkellner verbeugt<br />

und seinen Unterstellten Befehle im Flüsterton erteilt. Unmöglich! Dementsprechend<br />

schrieb einer in Duongs erste Beurteilung: „Oberleutnant D. ver-

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