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Lehrgang: Spezifische Lernförderung „Rechnen- Dyskalkulie“

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<strong>Lehrgang</strong>: <strong>Spezifische</strong> <strong>Lernförderung</strong><br />

<strong>„Rechnen</strong>- <strong>Dyskalkulie“</strong><br />

Mag. Dr. Brigitta Amann<br />

Schulpsychologie Bludenz<br />

Oktober 2008<br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

Entwicklungsorientierte Modelle des Rechenerwerbs ...................................... 3<br />

Numerische und arithmetische Kompetenzen von Kleinkindern....................................... 4<br />

Numerische und pränumerische Basisfertigkeiten........................................................... 11<br />

Rechnen............................................................................................................... 16<br />

Aufbau des Rechenwissens .............................................................................................. 23<br />

Kognitive Komponenten..................................................................................... 28<br />

Gedächtnis........................................................................................................................ 28<br />

Modelle der Zahlenverarbeitung........................................................................ 39<br />

Dehaene (1992, 1999) – Triple Code Modell .................................................................. 39<br />

Das McCloskey Modell.................................................................................................... 44<br />

Abstrakte Zahlenrepräsentationen im Gehirn .................................................................. 48<br />

Spezielle cerebrale Schaltkreise für die Zahlenverarbeitung ........................................... 51<br />

Schwierigkeiten im Rechenerwerb ....................................................................... 56<br />

Dyskalkulie....................................................................................................................... 56<br />

Symptomatik .................................................................................................................... 58<br />

Prävalenz .......................................................................................................................... 59<br />

Persistenz.......................................................................................................................... 59<br />

Alltagsrelevanz und langfristige Konsequenzen.............................................................. 60<br />

Geschlechtsunterschiede .................................................................................................. 60<br />

Ursachen........................................................................................................................... 63<br />

Kognitive Komponenten und Dyskalkulie....................................................................... 64<br />

Aufmerksamkeit............................................................................................................... 66<br />

Intelligenz......................................................................................................................... 66<br />

Räumliche Fähigkeiten..................................................................................................... 67<br />

Lesen, Leseschwierigkeiten (Dyslexie) und Rechenschwierigkeiten .............................. 71<br />

Rechenangst und Einstellungen ....................................................................................... 78<br />

Neuropsychologische Dyskalkulie-Modelle ..................................................... 81<br />

Rourke (1993) NLD und RS ............................................................................................ 81<br />

Geary: 3 Dyskalkulietypen............................................................................................... 82<br />

Theoretische Konzepte zum Rechnen Lernen ................................................. 84<br />

Prävention und Förderung ................................................................................. 88<br />

Von der Stufe des „zählenden Rechnens“ zur Abrufbarkeit der Basisfakten .................. 89<br />

Aufbau und Verinnerlichung Mathematischer Operationen nach Aebli.......................... 92<br />

Programme zur Rechenförderung..................................................................... 93<br />

Numeracy Recovery (Ann Dowker) ................................................................................ 93<br />

Das „Innsbrucker Programm“ zur Rechenförderung (Kaufmann et al. 2003)................. 94<br />

Das kognitiv-neuropsychologisch orientierte Interventionsprogramm von Pia Handl.... 95<br />

Mathematics Recovery (Wright, et al. 2000, 2002) ......................................................... 97<br />

Number Worlds ................................................................................................... 98<br />

Implizites und explizites Wissen.................................................................................... 100<br />

Repräsentationen in den verschiedenen „Welten“ ......................................................... 103<br />

Zur Methode................................................................................................................... 104<br />

Anhang: .......................................................................................................................... 105<br />

Literaturverzeichnis...........................................................................................108<br />

2


Kinder wachsen in eine Welt hinein, die voll ist von Zahlen. Sie lernen wie von selber Größen, Mengen<br />

und Anzahlen zu unterscheiden. „Wer hat das größere, oder wo ist mehr?“ solche Fragen beantworten<br />

schon Kleinkinder relativ mühelos. Sie beginnen zu zählen, erkennen einfache Zahlen, sie spielen<br />

mit Würfeln und Geld. Fernsehkanäle haben Zahlen, das Telefon hat Ziffern, Dominos und Würfel haben<br />

Muster – Zahlen haben viele Gesichter. Und es gibt einfache alltägliche Sachverhalte, die Kinder<br />

in die Welt der Zahlen und hineinführen. Es wird getauscht, gefeilscht, gehandelt – „Wer hat mehr? Ich<br />

tausche eins von mir gegen eins von dir. Deins ist größer – dafür ist meins schöner.“ Werte werden<br />

verglichen, einfache Operationen schon ausgeführt (+ 1 - 1 = 0).<br />

Schrittweise erobern Kinder das Gebiet der Mathematik. Doch wann beginnt dieser Prozess? Was ist<br />

die Grundlage dieses Wissens? Liegen dem Rechnen allgemeine kognitive Funktionen, wie logisches<br />

Denken, Gedächtnisfunktionen (Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis) und räumliches Vorstellungsvermögen,<br />

zugrunde? Oder kommen Kinder mit einer speziellen Rechenfähigkeit zur Welt?<br />

Was ist letztendlich der Grund, wenn Kinder das Rechnen eben nicht Erlernen?<br />

Diese und ähnliche Fragen beschäftigen die Wissenschaft schon lange und speziell in den letzten<br />

Jahren haben sich einige sehr interessante Erkenntnisse auf diesem Gebiet gewinnen lassen.<br />

Der folgende theoretische Teil der Arbeit beschäftigt sich im ersten Teil zunächst mit dem Erwerb der<br />

Rechenkompetenzen, versucht zu strukturieren und einen Überblick über die Zusammenhänge zu<br />

geben.<br />

Der zweite große Abschnitt beschäftigt sich mit den beeinträchtigten Rechenkompetenzen und<br />

schließlich folgt im dritten theoretischen Abschnitt eine Auseinandersetzung mit dem Unterricht von<br />

Mathematik.<br />

Entwicklungsorientierte Modelle des Rechenerwerbs<br />

Der Begriff „Numerosität“<br />

Die kennzeichnende Bedeutung aller numerischen Ausdrücke ist ihre Bezeichnung für die Größe einer<br />

Menge. Diese Bezeichnung für die Größe bzw. Anzahl einer Menge wird „Numerosität“ oder „Kardinalität“<br />

genannt. Butterworth (2005) verwendet den Begriff „Numerosität“ als kognitiven Gegenpol zum<br />

von Mathematikern geprägten Begriff „Kardinalität“. Der Mengenbegriff ist das Besondere an Zahlen.<br />

Numerosität ist ein abstrakter Begriff – er ist weder ein physikalisches Objekt noch eine spezifische<br />

Eigenschaft eines Objektes wie Farbe oder Form. Numerosität ist vielmehr eine Eigenschaft einer<br />

Menge, die jede Art von Elementen einbezieht: physikalische Objekte, Töne, Handlungen oder<br />

abstrakte Dinge, wie Wünsche.<br />

Das Wahrnehmen der Mengen hängt natürlich von der Beschaffenheit der Elemente ab. So können<br />

Würfelmuster wesentlich leichter erfasst werden als Punktemuster in zufälliger Anordnung.<br />

3


Das Wissen um die Numerosität beinhaltet einfache logische Schlussfolgerungen, wie: zwei Mengen<br />

sind gleich groß, wenn jedem Element der Menge A ein und genau ein Element der Menge B zugeordnet<br />

werden kann (eins-zu-eins Zuordnung), ohne dass eines überbleibt.<br />

Butterworth (2005) führt eine Übersicht an, was Kinder verstanden haben müssen, um das Konzept<br />

der Numerosität erfasst zu haben.<br />

1. Kinder haben die eins-zu-eins Zuordnung verstanden<br />

2. Kinder verstehen, dass eine Menge von Dingen eine Anzahl hat und diese Anzahl sich verändert,<br />

wenn man damit manipuliert: Sie wird größer, wenn man etwas dazugibt, kleiner, wenn<br />

man Elemente wegnimmt, … Mengen können die gleiche Größe – Numerosität haben, oder<br />

die größere (kleinere) Numerosität als eine andere.<br />

3. Kinder verstehen, dass Mengen nicht unbedingt sichtbare Dinge sein müssen. - Es können<br />

auch auditive, taktile oder abstrakte Elemente (Wünsche) sein.<br />

4. Kinder können kleine Mengen bis zu 4 Elementen simultan erfassen, ohne verbales Zählen<br />

(=Subitizing).<br />

(Butterworth, 1999)<br />

Es herrschen viele Grundsatzdiskussionen, ob Kinder die Bedeutung der Numerosität verstehen, weil<br />

sie eine angeborene spezifische Kapazität für Größen besitzen, oder ob es eine eher allgemeine Fähigkeit<br />

ist, mit Mengen und Größen umzugehen.<br />

Entscheidende Erkenntnisse kommen von Menschen mit Dyskalkulie, die ein selektives Defizit dieser<br />

Kapazität haben, was ihre Möglichkeiten Arithmetik zu lernen, massiv beeinträchtigt. Wenn es auch<br />

einigermaßen gesichert scheint, dass etwas wie ein Konzept der Numerosität notwendig ist, um erfolgreich<br />

Mathematik zu lernen, so ist er noch lange nicht so sicher, wie diese Konzepte erworben werden.<br />

Der folgende erste große Abschnitt meiner Arbeit soll sich nun mit der Entwicklung der numerischen<br />

und arithmetischen Fähigkeiten befassen.<br />

Numerische und arithmetische Kompetenzen von Kleinkindern<br />

( Gelmann, 1990. Geary 1996. Wynn 1992, 1998)<br />

Zahlreiche Philosophen und Psychologen haben sich schon über die Ursprünge des numerischen<br />

Wissens Gedanken gemacht.<br />

„Was macht den menschlichen Geist fähig, Mengen und Zahlen zu verstehen?“<br />

Die empiristische Sicht, wie wir unser mathematisches Wissen erwerben, ist, dass wir alles Wissen<br />

über numerische Beziehungen aus der Beobachtung erwerben.<br />

Die gegenteilige Sicht, der nativistische Ansatz, nimmt an, dass das Verständnis für Zahlen oder zumindest<br />

vieles vom Verständnis für Zahlen, angeboren ist.<br />

4


Piaget (1952) beschreibt notwendige Voraussetzungen, um bestimmte logische Prinzipien zu verstehen,<br />

weil Arithmetik ein Teil eines logischen Systems ist, welches sich stufenweise durch eigene Erfahrung<br />

entwickelt. Das oben beschriebene Konzept der Numerosität würde für Piaget auf basaleren<br />

Kapazitäten, wie Transitivität und Anzahlerhaltung aufbauen.<br />

Andere Autoren beschreiben mehrere allgemeine kognitive Fähigkeiten, wie das Arbeitsgedächtnis<br />

(Ashcraft, 1995), räumliches Denken (Rourke, 1993) und sprachliche Fähigkeiten (DeStefano, 2004),<br />

die notwendig sind, um Rechnen zu können.<br />

Gegensätzlich zu dem was Piaget und andere unter Entwicklung des Rechnens verstehen, gibt es<br />

Beobachtungen, die zeigen, dass schon sehr kleine Kinder auf numerische Eigenschaften reagieren,<br />

ohne abstraktes Denken, Sprache oder viele Möglichkeiten, Dinge in der Umwelt zu erforschen.<br />

Studien der letzten 20 Jahre haben eindeutig gezeigt, dass Säuglinge und Babies schon sensitiv auf<br />

Mengen reagieren.<br />

Um mit so kleinen Kindern arbeiten zu können, wird in diesen Studien die „Habituations-Methode“ angewandt.<br />

Kinder neigen dazu, Dinge, die sie interessieren, die neu oder unerwartet sind, länger anzusehen,<br />

als „gewöhnliche“ Dinge.<br />

In den Habituationsstudien wird den Kindern beispielsweise jeweils ein Bildschirm gezeigt, auf welchem<br />

2 Punkte zu sehen sind. Anschließend wird die dargebotene Anzahl der Punkte verändert. Es ist<br />

möglich, anhand der Blickreaktion der Kinder abzuleiten, ob diese für die Veränderung der Menge<br />

sensibel sind, weil sie den verändert wahrgenommenen Bildschirm länger ansehen.<br />

Die im folgendenen beschriebenen Studien beschäftigen sich mit der Fähigkeit, Anzahlen wahrzunehmen<br />

und diese zu unterscheiden.<br />

Die Versuche von Starkey & Cooper (1980) wurden mit 5 Monate alten Kindern durchgeführt. Diese<br />

wurden in der Versuchsanordnung zuerst an einen Bildschirm mit 2 (oder 3) Lichtpunkten gewöhnt.<br />

Nach der Habituierung wurde ihnen ein Bildschirm mit 3 (oder 2) Punkten gezeigt, worauf die Kinder<br />

deutlich längere Blickzeiten zeigten. Aufgrund dieser Versuche kann angenommen werden, dass Kinder<br />

mit 5 Monaten in der Lage sind, kleine Mengen von 2 und 3 Elementen zu unterscheiden. Ein<br />

zweites Experiment dieser Autoren zeigte, dass Kinder dieses Alters noch nicht in der Lage sind, zwischen<br />

4 und 6 Punkten zu unterschieden. Säuglinge reagieren also auf die Anzahl der Lichtpunkte<br />

und nicht auf das Verhältnis „ mehr – weniger“.<br />

Dieselben Ergebnisse konnten in einer separaten Untersuchung mit 1 bis 3 Tage alten Säuglingen<br />

erzielt werden (Antell & Keating, 1983).<br />

Eine weitere Studie (Starkey, Spelke & Gelman, 1990) gewöhnte 7 Monate alte Kinder an Bildschirme<br />

mit 2 – 3 Bildern von verschiedenen, variierenden Haushaltsgegenständen (Orange, Schlüsselbund,<br />

Banane, Schwamm, etc.). Die Abbildungen unterschieden sich in Größe und Farbe. Nach der Habituierung<br />

wurden den Kindern neue Bilder mit anderen Gegenständen in unterschiedlicher Anordnung in<br />

jeweils geänderter Anzahl (3 – 2) dargeboten. Kinder im Alter von 7 Monaten blickten signifikant länger<br />

auf die Bildschirme mit den neuen Abbildungen in geänderter Mengenanzahl.<br />

Das bedeutet, dass Kinder sensibel auf die Anzahl der Menge reagieren (unabhängig von Erscheinungsform).<br />

5


Eine Reihe von Experimenten von Loosbroeck & Smitsman (1990) beschäftigte sich mit Kindern im<br />

Alter von 5, 8 und 13 Monaten. Diesen Kindern sind Bildschirme mit 2, 3 oder 4 sich bewegenden Items<br />

gezeigt worden. Die Anzahlbestimmung der Items konnte nur durch das Beobachten der Bewegungen<br />

auf den Bildschirmen über eine kurze Zeitspanne erfolgen.<br />

Alle Kinder konnten kleine Anzahlen zwischen 2 und 3 Items und sogar zwischen 3 und 4 Items diskriminieren,<br />

die älteren zwei Gruppen sogar zwischen 4 und 5.<br />

Starkey (1990) gewöhnte 6 bis 9 Monate alte Kinder entweder an 2 oder 3 Fotos auf Bildschirmen, wie<br />

auch schon oben beschrieben. Nach der Habituierungsphase wurde den Kindern eine schwarze Platte<br />

auf dem Bildschirm gezeigt aus welcher entweder 2 oder 3 Trommelschläge ertönten. Es wurde festgestellt,<br />

dass die Kinder nur dann länger auf die schwarze Platte schauten, wenn dieselbe Anzahl von<br />

Trommelschlägen gespielt worden ist, wie zuvor Bilder gezeigt worden sind.<br />

Eine andere Versuchsanordnung dieser Autoren gewöhnte die Kinder an zwei Bildschirme, auf einem<br />

waren zwei auf dem anderen drei verschiedene Objekte zu sehen. Kurz nach dem Einblenden der<br />

Dias wurden aus dem Lautsprecher, der zwischen den beiden Bildschirmen stand, entweder zwei oder<br />

drei Töne gespielt. Die Kinder blickten je nach dem ob zwei oder drei Töne gespielt worden sind, entsprechend<br />

auf jenes Bild, auf dem dieselbe Anzahl von Objekten gesehen worden war.<br />

Wynn (1996) untersuchte die Fähigkeit von Kindern die Anzahl einer Serie von aufeinander folgenden<br />

Handlungen zu bestimmen.<br />

Handlungen unterscheiden sich in verschiedenen Aspekten von Objekten oder Tönen. Während Objekte<br />

längere Zeit kontinuierlich bestehen, und sich an speziellen Orten im Raum befinden, existieren<br />

Töne nur über bestimmte Zeitabschnitte. Also dienen in diesem Zusammenhang laut Wynn räumliche<br />

Informationen für das Erfassen von Objekten und zeitliche Informationen zur Teilung bestimmter Töne.<br />

Physikalische Handlungen hingegen unterscheiden sich von Objekten und Tönen. Sie existieren nicht<br />

kontinuierlich andauernd über einen Zeitabschnitt und können nur über zeitliche Information voneinander<br />

getrennt werden. Und es braucht räumliche Informationen, um sie wahrnehmen zu können. Die<br />

Wahrnehmung von Handlungen braucht die Integration von räumlicher Information über einen Zeitabschnitt.<br />

6


Abbildung: „Skizze der Apparate und Testsituation von Wynn (1996)“<br />

aus: Wynn: Numerical competence in infants (1998) S. 8<br />

Wynn arbeitete mit 6 Monate alten Kindern und gewöhnte die eine Hälfte an eine Versuchsanordnung<br />

in der eine Puppe 2 mal hüpfte, die andere Hälfte an 3 Sprünge. In der Testphase reagierten die Kinder<br />

mit Erstaunen auf eine Änderung der Anzahl von Sprüngen.<br />

Um sicher zu gehen, dass die Kinder nicht nur auf die Dauer der Handlung reagierten, wurde die Geschwindigkeit<br />

der Sprünge variiert, dass die Kinder teilweise mehr Sprünge innerhalb derselben Gesamtdauer<br />

der Handlungsfolge beobachten konnten.<br />

Die Ergebnisse zeigten, dass die Kinder sensibel auf die Anzahl der Sprünge reagierten, unabhängig<br />

vom Tempo der Sprünge oder der Dauer der Handlungen.<br />

Zusammenfassung<br />

Eine Zusammenfassung dieser Studien ergibt, dass schon sehr kleine Kinder in der Lage sind, in<br />

relativ abstrakter Form Anzahlen wahrzunehmen und diese zu unterscheiden.<br />

Kinder können sich Zahlen oder Mengen als Objekte oder visuelle Muster vorstellen, unabhängig von<br />

deren Größe, Farbe oder Anordnung.<br />

Sie können Anzahlen aus Items in sequentieller oder simultaner Darbietung bestimmen, egal ob visueller<br />

oder auditiver Stimulus.<br />

Und diese Kinder waren in der Lage Zuordnungen von verschiedenen Itemgruppen zu treffen, z.B.: sie<br />

konnten visuellen Stimuli auditive Stimuli zuordnen.<br />

Aus diesen Ergebnissen kann die Schlussfolgerung gezogen werden (Wynn 1998), dass Kinder über<br />

einen relativ abstrakten Mechanismus Anzahlen zu bestimmen und zu vergleichen verfügen.<br />

Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit den arithmetischen Fähigkeiten von Kindern.<br />

Diese Fähigkeiten verlangen mehr numerisches Wissen als bloßes unterscheiden können zwischen<br />

verschiedenen Anzahlen. Die Fähigkeit zwischen verschiedenen Zahlen unterscheiden zu können,<br />

beinhaltet kein schlussfolgerndes Denken über die Zahlen.<br />

Numerisches Schlussfolgern ist einerseits das Erkennen numerischer Relationen, wie: „ 5 ist größer<br />

als 3 oder 2 setzt sich zusammen aus 1 und 1“, andererseits die Fähigkeit mit diesen Repräsentationen<br />

mental zu operieren. .<br />

Es gibt einige empirische Beweise dafür, dass Kinder die Ergebnisse bestimmter arithmetischer Operationen<br />

mit kleinen Anzahlen von realen Objekten bestimmen können.<br />

Wynn (1998) startete ein Experiment, bei welchem Kindern im Alter von 5 Monaten eine 1 + 1 Handlung<br />

gezeigt worden ist.<br />

Dieser Versuchsgruppe (1 + 1) wurde zunächst eine kleine Bühne gezeigt, auf welcher ein Gegenstand<br />

platziert worden ist. Anschließend ging eine Trennwand hoch, um den Gegenstand zu verdecken.<br />

Danach wurde von der Seite ein zweiter Gegenstand auf die Bühne gebracht und ebenso hinter<br />

7


der kleinen Trennwand platziert. Die Kinder konnten diese Handlung gut mitverfolgen, das Resultat<br />

der Handlung aber zunächst nicht überprüfen.<br />

Dann wurde erst die Trennwand fallengelassen, sodass die Kinder das Resultat sehen konnten, welches<br />

entweder 2 Gegenstände (1 + 1 = 2 richtiges Ergebnis) oder 1 Gegenstand (1 + 1 = 1 unmögliches<br />

Ergebnis) war.<br />

Eine andere Versuchsgruppe sah Rechenhandlungen, die 2 - 1 entsprachen, mit jeweils richtiger oder<br />

unmöglicher Lösung (1 oder 2).<br />

Die Blickzeiten der Kinder wurden gemessen, als die Trennwand fallen gelassen worden ist.<br />

Tatsächlich blickten die Kinder deutlich länger auf die Bühne, wenn die Ergebnisse wider ihre Erwartung<br />

(unmöglich) waren.<br />

Um sicher zu gehen, dass die Kinder nicht nur irgendeine Änderung der der Ausgangsituation erwarteten,<br />

wurde der Versuch noch präzisiert, indem man den Kindern bei der Aufgabe 1 + 1 die Antworten<br />

2 und 3 zur Auswahl gab, wobei sie wieder konsequent auf die falsche Antwort mit längeren Blickzeiten<br />

reagiert haben.<br />

Experiment 1 + 1 = 2 oder 1<br />

Experiment 2 – 1 = 1 oder 2<br />

Abbildung: „Ablauf der Ereignisse in den Experimenten „1 + 1“ und „2 - 1“<br />

aus: Wynn: Numerical competence in infants (1998) S. 12<br />

8


Es kann also angenommen werden, dass Kinder schon im Alter von 5 Monaten in der Lage sind, exakte<br />

Resultate von einfachen arithmetischen Operationen zu berechnen.<br />

Subitizing - Mengenunterscheidung<br />

Butterworth (2005) stellt die Frage, ob es ein oberes Limit für das Konzept der Numerosität bei Kindern<br />

gibt. Butterworth meint, dass etwa bei 3 Elementen das Maximum der Möglichkeit von sehr kleinen<br />

Kindern Elemente zu erfassen erschöpft ist. Die Versuche von Starkey und Cooper (1980) zeigen<br />

zwar, dass Kinder 3 von 4 Elementen unterscheiden können, dennoch ist nicht gesichert, ob die 4 Elemente<br />

nicht einfach nur als „viele“ gespeichert haben. Es ist wahrscheinlich, dass das simultane<br />

Wahrnehmen kleiner Mengen, eine natürliche Grenze darstellt, bevor Zählen möglich ist. Bei Erwachsenen<br />

liegt die Grenze der simultanen Mengenerfassung (= Subitizing) bei 4 Einheiten. Butterworth<br />

(2005) vermutet, dass auch Babies schon eine ähnliche Fähigkeit im visuellen Verarbeitungssystem<br />

entwickelt haben. Auf Mengen, die größer sind als 4, reagieren Kinder nur sensibel, wenn das Verhältnis<br />

bei 2:1 liegt (z.B. 8:16), aber noch nicht bei einem Verhältnis von 3:2 (Xu & Spelke, 2000., Xu,<br />

Spelke & Goddard, 2005). Erwachsene und sogar auch Affen können größere Mengen im Verhältnis<br />

3:2 oder sogar 5:4 unterscheiden. Die Fähigkeiten von Kleinkindern große Mengen im Verhältnis 3:2<br />

zu unterscheiden, entwickelt sich im Alter zwischen 6 und 9 Monaten (Xu et al. 2005). Xu et al. (2005)<br />

schlussfolgern aus einer Reihe von Untersuchungen an kleinen Kindern, dass sich die Sensitivität für<br />

größere Mengen mit dem Alter entwickelt oder verfeinert und nicht grundsätzlich aus formaler Arithmetik<br />

oder verbalen Mechanismen stammt. Trotzdem kann die Erfahrung mit verbalem Zählen oder formaler<br />

Arithmetik diese Fähigkeit schärfen.<br />

Xu und Spelke (2000) nehmen zwei Mechanismen für die Repräsentation von Zahlen an:<br />

1. dass Kinder kleine Anzahlen (Kinder: 3 Elemente, Erwachsene 4 Elemente) einzeln wahrnehmen<br />

und durch Mechanismen wie „Objekt-basierende“ Aufmerksamkeit verarbeiten (Subitizing). Bei kleinen<br />

Anzahlen wird jedes Element einzeln und nicht als Menge mit einer bestimmten Größe gespeichert.<br />

2. Es besteht zunächst unabhängig davon ein Mechanismus für große Mengen, der darauf spezialisiert<br />

ist, ungefähre Repräsentationen abzubilden.<br />

Ähnliche Annahmen bezüglich zweier Repräsentationssysteme beschreiben sowohl Seron und Fayol<br />

(2004) als auch Griffin & Case (1997) unabhängig voneinander (siehe später). Diese zwei zunächst<br />

unabhängigen Repräsentationsmechanismen finden über die Sprache und das Zählwissen eine Brücke<br />

zueinander, bis sie später eine einzige, für den Menschen typische sprachabhängige Begrifflichkeit<br />

für Zahlen werden (Xu & Spelke, 2000). – Vergleiche: das Modell der mentalen Zahlenlinie von<br />

Griffin und Case (1997) - später in dieser Arbeit beschrieben.<br />

Xu et al. (2005) schreiben, dass diese beiden Kernrepräsentationssysteme zwei wesentliche Bausteine<br />

sind, mit welchen Kinder ihre Zahlrepräsentation bilden, die das verbale Zählen und die symbolische<br />

Arithmetik untermauern.<br />

Autoren wie Piazza, Mechelli, Butterworth und Price (2002) stellen die Annahme in Frage, ob es sich<br />

bei Zählen und Subitizing um zwei qualitativ völlig unterschiedliche Prozesse handelt, und versuchen<br />

9


anhand einer PET-Studie auf neuronaler Ebene festzustellen, ob diese beiden Prozesse unabhängige<br />

oder überlappende Funktionen zeigen.<br />

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Zählen und Subitizing ein gemeinsames Netzwerk<br />

zugrunde liegt, welches extrastriatale mitteloccipitale und intraparietale Gebiete umfasst.<br />

Der Unterschied zwischen Zählen und Subitizing liegt darin, dass Zählen zusätzlich erhöhte Aktivierung<br />

im occipitoparietalen Netzwerk hervorruft, während Subitizing diese Aktivierung nicht provoziert.<br />

Weiters stellt diese Forschergruppe um Piazza die Hypothese auf, dass die linksparietale Aktivierung,<br />

die sich beim leisen Zählen zeigt, den subvokalen Abruf der Zahlwortreihe abbildet. Diese Aktivierung<br />

ist bei Subitizing nicht zu finden. Die beiden Funktionen gemeinsame Aktivierung der rechtshemisphärischen<br />

Parietalhirnregion könnte für den Abruf der der Repräsentation der Größe verantwortlich sein<br />

(Piazza et al, 2002 zitieren Chochon et al. 1999)<br />

Überblick<br />

Folgende Auflistung bietet einen Überblick über angeborene basale Fähigkeiten im Umgang mit Mengen,<br />

beziehungsweise über die Entwicklung sehr früher kognitiver Konzepte. Diese Fähigkeiten bilden<br />

das Grundgerüst, für die sich später ausbildenden komplexeren Fähigkeiten des Vorschulalters, wie:<br />

Zahlen, Zählen, Rechnen und schließlich die schulisch erworbenen Fertigkeiten.<br />

Anzahlbestimmung (Präverbales Zählen) bis max. 4 Elemente: ab dem Alter von 6 Monaten entwickelt<br />

sich die Fähigkeit bis zu 4 Elemente (eher 3 Elemente) präverbal zu erfassen (Subitzing) oder<br />

ein kleine Anzahl von Aktionen aufzuzählen (Starkey, 1992., Sharon & Wynn, 1996, Feigenson et al.,<br />

2004).<br />

Mit dem Spracherwerb und dem Erlernen der Zahlwortreihe lernen die Kinder, dass die geordnete<br />

Folge von Zahlworten für das Abzählen, Vergleichen und einfache Arithmetik verwendet werden kann.<br />

Mengenunterschiede: Befunde verschiedener Autoren weisen darauf hin, dass das unterscheiden<br />

von Mengen von bis zu vier Elementen angeboren ist (Gelman, 1990).<br />

Größere Mengen, die geschätzt werden müssen, können zunächst (6 Monate) nur über das Verhältnis<br />

2:1 unterschieden werden (Xu & Spelke, 2000., Xu, Spelke und Goddard, 2005), ab ca. 10 Monate im<br />

Verhältnis 2:3 (Feigenson et al., 2004).<br />

Rangordnungen: Die Fähigkeit Größer-Kleiner Relationen herzustellen entwickelt sich bis zum 18.<br />

Lebensmonat (Cooper, 1984).<br />

Einfache Additionen und Subtraktionen (+-1, +-2): Wynn (1992) fand heraus, dass Kinder von 6<br />

Monaten die Fähigkeiten für einfache Additionen und Subtraktionen von +/- 1 haben.<br />

Später ab ca. 4a:<br />

Additionen und Subtraktionen bis 4 Elemente (+-4)<br />

10


Im Alter von 4 Jahren sind sie in der Lage mit bis zu 4 Objekten additiv und subtrahierend zu operieren<br />

(Geary, 1994; Starkey, 1992).<br />

Numerische und pränumerische Basisfertigkeiten<br />

Schon Piaget hat sich mit der Entwicklung des Rechnens auseinandergesetzt. Er hat bestimmte<br />

Schlüsselfunktionen und Entwicklungsstufen beschrieben, welche Kinder begreifen und sukzessive<br />

durchlaufen müssen, um Verständnis für mathematische Operationen entwickeln zu können. Jedes<br />

neue Wissen baut auf den Erfahrungen auf, die bisher gemacht worden sind. Kinder „assimilieren“<br />

neue Erfahrungen und setzen sie zu den bestehenden Schemata in Beziehung. Mentale Repräsentationen<br />

(Schemata) werden dadurch immer differenzierter und höher entwickelt. Piaget betont, dass<br />

Kinder ihre mentalen Konzepte reflektieren und diese auch von Zeit zu Zeit aktiv anpassen, wenn<br />

neue Erfahrungen dies erfordern (Akkomodation).<br />

Viele Autoren bauen auf Piagets Erkenntnissen auf, wie Aebli H. (1975) oder Case R. und Griffin S.,<br />

deren Grundgedanken später genauer beschrieben werden.<br />

Über die Fähigkeiten von Kleinkindern Anzahlen zu bestimmen, deren Veränderungen wahrzunehmen<br />

und einfache arithmetische Operationen zu verstehen, wurde oben berichtet. Fayol und Seron (2004),<br />

nehmen zwei numerische Repräsentationssysteme im Gehirn an: Eines, welches sich auf diskrete und<br />

exakte Repräsentationen bezieht, für kleine Anzahlen – und ein anderes, welches Schätzungen liefert,<br />

es dient der Repräsentation großer Zahlen (siehe auch Feigenson, Dehaene und Spelke, 2004).<br />

Die Autoren vermuten, dass diese Repräsentationsmechanismen auch dann aktiviert werden, wenn<br />

symbolische Arithmetik erworben und angewandt wird, sie wollen aber nicht behaupten, daß die präverbalen<br />

Repräsentationen nicht durch den Erwerb der symbolischen Codes modifiziert werden.<br />

Wobei der verbale Code laut Fayol & Seron (2004) vor dem arabischen Code erworben wird und infolgedessen,<br />

den Erwerb des späteren arabischen Codes fazilitiert. Dennoch wird der arabische Code<br />

sehr rasch unabhängig vom sprachlichen Code. Ungefähr in der 2. Schulstufe können Kinder eine<br />

direkte Beziehung zwischen dem arabischen Code und der analogen Repräsentation entwickeln. Die<br />

Größen können dann durch den arabischen Code ohne sprachliche Rekodierung abgerufen werden.<br />

Der Weg vom Wissen, dass Zahlworte etwas mit Mengen zu tun haben, bis zu einem kardinalen Verständnis<br />

ist ein langer. Der empiristische Ansatz geht davon aus, daß Kinder die Assoziation von<br />

Zahlwort und Menge beobachten. Gelmann & Gallistel (1978) nehmen angeborene Zählprinzipien an,<br />

die die Grundlage für die Zählaktivitäten liefern.<br />

11


Fayol (2002) betonen zwei große Hürden während des Erwerbs der Bedeutung der Zahlworte:<br />

1. Das Zahlwort an sich deutet nicht auf die kardinale Größe hin, es ist ein relativ abstrakter Code<br />

2. der kardinale Wert ist eine Frage der Kategorisierung<br />

Bei analogen Repräsentationen deutet die Veränderung der Größe, Länge, des Volumens auf die<br />

Veränderung der Menge hin. In der Zahlwortreihe bestimmt lediglich die Position der Reihenfolge die<br />

Zunahme der Menge. Diese Zuordnung von Reihenfolge und Sprache zu einer Menge (Kardinalität)<br />

muss exakt und automatisch erfolgen. Für Kinder zwischen 18 Monaten und 4 Jahren ist diese Zuordnung<br />

eine sehr große Herausforderung.<br />

Eine weitere Schlüsselfunktion ist das Erkennen der Gleichheit in numerischem Sinne. Die Kinder<br />

müssen in der Lage sein, bestimmte Mengen als gleich zu erkennen, obwohl sie sich in verschiedenen<br />

Dimensionen unterscheiden – bis auf eine: die Kardinalität. Die Fähigkeit der Kategorienbildung unterliegt<br />

einer Entwicklung, sodass bislang laut Seron & Fayol (2004) nicht ganz geklärt ist, ob die angeborenen<br />

Zählprinzipien (Gelmann & Gallistel, 1978) oder der entwicklungsbedingte Erwerb der Kardinalität<br />

im Vordergrund steht.<br />

Fayol und Seron (2004) beobachten, dass der Zeitraum zwischen dem Erwerb der ersten Zahlworte<br />

und deren Zuordnung zu einer bestimmten Menge bei Kleinkindern relativ viel Zeit in Anspruch nimmt.<br />

Sie vermuten, dass deshalb soviel Zeit verstreicht, weil die Kinder diese Zuordnung vorerst nicht direkt<br />

treffen, sondern diese über ein Bindeglied des numerischen Konzeptes stattfindet, welches Kinder<br />

über den Gebrauch ihrer Finger entwickeln. Sie zitieren Butterworth (1999), der beschreibt, dass Kinder<br />

aller Kulturen ihre Finger zum Zählen benutzen, bevor sie systematisch in der Schule Arithmetik<br />

gelehrt werden. Fayol et al. (2004) führen sowohl neuroanatomische wie neuropsychologische Befunde<br />

an, die belegen, dass Fingermotorik und arithmetisches Wissen enge funktionelle Zusammenhänge<br />

zeigen. Unabhängig von diesen Beweisen für ihre Annahme, geben einige Charakteristika der<br />

Repräsentation von Zahlen durch die Finger ihrerseits dieser Annahme großes Gewicht.<br />

Die Finger repräsentieren wie die Sprache ebenso Mengen in einer relativ abstrakten Form; drei Finger<br />

können drei Spielzeugautos genauso wie drei Elemente einer Anordnung darstellen. Finger sind<br />

eine ikonische Darstellungsform für Mengen, sie stellen eine „eins-zu-eins Relation“ her. Weiters vergrößern<br />

Fingermuster die Spanne der direkten Erkennung von Anzahlen, die ansonsten bei 3-4 Elementen<br />

liegt. Ein weiterer Vorteil der Fingerrepräsentation ist die Möglichkeit durch Bewegen der Finger<br />

additive oder subtraktive Handlungen darzustellen. Wenn die Kinder zählen können und Additionen<br />

durch „weiterzählen“ lösen, können die Finger als Ankerpunkt dienen, um die Spur nicht zu verlieren.<br />

Aus diesen Gründen ist es für die Autoren Seron und Fayol (2004) durchaus denkbar, daß den Fingern<br />

und Händen eine sehr wichtige Rolle zukommt, um ein Verständnis für ein Zahlkonzept zu entwickeln.<br />

Auch lässt sich an den Fingern sehr gut die Struktur der Fünf und der Zehn erkennen.<br />

12


Sharon Griffin und Robin Case (1997, 2001) gehen davon aus, dass Mathematik Lernen ein sich fortlaufend<br />

entwickelnder Prozess ist, dem Wissensstrukturen zugrunde liegen. Diese Wissensstrukturen<br />

nennen sie zentrale konzeptuelle Strukturen. Die zentralen konzeptuellen Strukturen sind sehr elementare<br />

Schemata, die sehr breit in der Anwendung sind und eine zentrale Rolle in der Weiterentwicklung<br />

der Rechenfertigkeit haben. Sie sind elementar, indem dass höhere Rechenfertigkeiten von den<br />

darunter liegenden Schemata abhängen, beziehungsweise sich erst entwickeln können, wenn die<br />

Kernschemata vorhanden sind. Fehlen diese, besteht eine deutliche Barriere weiterzulernen. Deshalb<br />

muss der Unterricht darauf achten, ob entsprechende Konzepte vorhanden sind, und diese gezielt<br />

unterrichten.<br />

� Welche Konzepte werden nun von Griffin und Case als zentral erachtet?<br />

Die Autoren beziehen sich auf Gelman (1987), der beschreibt, dass Kinder im Alter von 4 Jahren kleine<br />

Objektmengen abzählen können und verstehen, dass das zuletzt genannte Zahlwort, die Menge<br />

aller Objekte bezeichnet. Weiters zitieren Griffin und Case (1997) Starkey (1992), der zeigt, dass Kinder<br />

mit 4 Jahren gute Fähigkeiten besitzen über Mengen und Größenverhältnisse zu urteilen. Kinder<br />

können Antworten geben, welche Menge mehr oder weniger ist, und sie verstehen, welche Konsequenzen<br />

Operationen wie Additionen und Subtraktionen (es wird mehr oder weniger) haben.<br />

13


Abb.: Initial Counting Schema und Initial Quantity Schema (S. Griffin, Handbook: Kindergarten Level S.12)<br />

Obwohl die Kinder im Vorschulalter in der Lage sind, richtig abzuzählen und größenmäßige Vergleiche<br />

anzustellen, sind sie noch nicht soweit, beide Kompetenzen in einer gemeinsamen Struktur zu integrieren<br />

(Griffin & Case, 1997; Griffin, Case & Siegler, 1994). Wenn Kinder dieses Alters gefragt werden:<br />

„Welche Zahl ist größer, 5 oder 4?“ so sind sie noch nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten,<br />

obwohl sie korrekt bis 4 und 5 zählen können. Ebenso können sie Mengen von 4 und 5 klar unterscheiden.<br />

Es scheint laut Griffin und Case (1997), „als ob dieses Wissen in zwei verschiedenen Akten<br />

gespeichert sei, welche noch nicht verknüpft werden können“. (vergleiche auch: Seron und Fayol,<br />

2004., Xu, Spelke und Goddard, 2005)<br />

Diese Verknüpfung beider Konzepte findet im Alter zwischen 4 und 6 Jahren statt, mit dem Resultat,<br />

dass sich eine neue zentrale Struktur entwickelt. Dieses intuitive Wissen ist die Voraussetzung für arithmetischen<br />

Wissenserwerb in der frühen Grundschulzeit und wird somit als „Prototyp“ der zentralen<br />

konzeptuellen Struktur betrachtet.<br />

Etwa im Alter von 6 Jahren formen sich einige Konzepte rund um die mentale Zahlenlinie, die Ideen in<br />

Bezug auf das Zählen und Größenschätzen beinhalten (genauer siehe Kapitel: Number Worlds).<br />

Zwischen 6 und 8 Jahren entwickelt sich laut Griffin und Case (1997) dann aus dieser mentalen Zahlenlinie<br />

eine zweite Dimension, die benötigt wird um den dekadischen Aufbau des Zahlensystems zu<br />

verstehen. Die quantitativen Systeme werden genauer und besser verstanden, sodass die Beziehungen<br />

zwischen Zahlen hergestellt werden können, wie das Verhältnis zwischen Zehnern und Einern.<br />

Ebenso ermöglicht die Fähigkeit, auf zwei Zahlenlinien zu fokussieren, das Vergleichen von Größen<br />

und Differenzen zu verstehen. Auch kann eine Zahlenlinie als Objekt dienen, auf welchem ein Operator<br />

(eine innere zweite Zahlenlinie) agiert, mit dessen Hilfe die Distanz zweier Punkte berechnet werden<br />

kann (Okamato, 1992 in Griffin und Case, 1997).<br />

In weiterer Folge können numerische Beziehungen zweier quantitativer Skalen formuliert und explizit<br />

dargestellt werden, genauso wie ein gutes Verständnis für Operationen auf konzeptueller Ebene erlangt<br />

wird.<br />

Folgende Basisfertigkeiten werden aus Voraussetzung für den ungestörten Erwerb mathematischer<br />

Kompetenzen betrachtet. Pränumerische und numerische Fertigkeiten bilden die Grundbausteine für<br />

den weiteren Wissensaufbau in Mathematik und erlauben schon im Vorschulalter eine gewisse Vorhersage<br />

von schulischen Rechenfertigkeiten.<br />

Überblick<br />

Im folgenden Abschnitt wird zuerst versucht, ein Überblick über die pränumerischen Fertigkeiten und<br />

numerische Basisinhalte zu erstellen, um die Schlagworte besser zuordenbar zu machen.<br />

14


Wichtige Schritte im Rechenerwerb<br />

Vergleiche (Komparative): größer- kleiner, dicker-dünner, mehr-weniger, länger-kürzer<br />

Seriation: Fähigkeit, Elemente/Gruppen nach zu- abnehmender Größe/Mächtigkeit zu ordnen<br />

Mengenvergleiche – Invarianz: Erkenntnis, dass das räumliche Verändern/ die räumliche Anordnung<br />

der Elemente keinen Einfluss auf die Anzahl der Elemente hat.<br />

1:1 Zuordnungen: Möglichkeit des Mengenvergleichs aufgrund der Zuordnung eines Elements der<br />

Menge A zu einem Element der Menge B.<br />

Klassifikationen - Kategorienbildung: Fähigkeit, Elemente nach bestimmten Merkmalen zu ordnen<br />

(alle Blumen; alle roten, runden Teile)<br />

Subitizing: simultanes perzeptives Erfassen kleiner Mengen (bei Erwachsenen 4 Elemente, bei Klein-<br />

kindern nur 3 Elemente (Starkey & Cooper, 1980))<br />

Zählfertigkeiten: Zahlwortreihe vorwärts, rückwärts, Vorgänger- Nachfolgezahl, weiter zählen, Zahlen<br />

ordnen und vergleichen<br />

Zählprinzipien: Eindeutigkeitsprinzip, Prinzip der stabilen Anordnung, Kardinalprinzip; Abstraktions-<br />

prinzip, Prinzip der Irrelevanz der Anordnung<br />

Arabisches Zahlwissen: arabische Zahlen (bei Schulanfängern bis 10) kennen, Zuordnen von Zah-<br />

len zu gesprochenen Zahlworten, Mengen und umgekehrt<br />

Rechenfertigkeiten (mit konkretem Material): z.B.: Würfelbilder erkennen und zusammenzählen,<br />

einfache Rechengeschichten lösen<br />

Zahlbegriff: Unter dem Wort Zahlbegriff werden verschiedene Kompetenzen subsumiert, wie Zählfer-<br />

tigkeiten, Transformationsfähigkeit (arabisch, verbal und bildlich), Zählprinzipien, Zahlgefühl und Integ-<br />

ration von Ordinal- und Kardinalsystem.<br />

.<br />

Krajewski (2003) konnte zeigen, dass bereits ein halbes Jahr vor der Einschulung die Mathematikleistungen<br />

der Kinder in der 1. und 2. Grundstufe durch ihre Leistungen im mengen- und vor allem im<br />

zahlenbezogenen Vorwissen vorhergesagt werden konnte. Die Aufgaben zum zahlenbezogenen<br />

Zählwissen waren Aufgaben bezogen auf Zählfertigkeiten (vorwärts/rückwärts/weiter zählen, Vorgänger,<br />

Nachfolger, Zahlen ordnen), arabisches Zahlwissen (Zahlen erkennen zwischen 1 und 19, Geldwerte<br />

erkennen), und Rechenfertigkeiten (einfache Textrechnungen mit Operationen im Zahlenraum<br />

10). Ca. 60% der rechenschwachen Schüler konnte richtig identifiziert werden.<br />

15


Gaupp, Zoelch & Schuhmann-Hengsteler (2004) gingen in ihrer Untersuchung davon aus, dass rechenschwache<br />

Kinder Defizite in den numerischen Basiskompetenzen zeigen und überprüften, ob<br />

diese, beziehungsweise welche dieser numerischen Basiskompetenzen, bis in die 3. und 4. Grundschulstufe<br />

gestört bleiben. Diese Forschungsgruppe stellte fest, daß der Vergleich von Zahlen im 2<br />

und 3-stelligen Bereich, das Lokalisieren von Zahlen auf einem unskalierten Zahlenstrahl, das Schätzen<br />

von Objektmengen, sowie das Zählen in Schritten bei rechenschwachen Kindern dieses Alters im<br />

Vergleich zu gleich alten Kindern deutlich schwerer fällt. Andere numerische Kompetenzen, wie einfaches<br />

Zählen, Lokalisieren von Zahlen auf einem skalierten Zahlenstrahl und Zahlen lesen, schreiben<br />

und vergleichen im einstelligen Zahlenraum fallen für beide Gruppen vergleichbar aus.<br />

Rechnen<br />

Die Entwicklung des Rechnens ist kein einheitlicher (not a single) Prozess, sondern umfasst die Entwicklung<br />

vieler, verschiedener Komponenten (z.B.: numerisches Wissen, Faktenwissen, prozedurales<br />

und konzeptuelles Wissen). Die Entwicklung all dieser Komponenten kann individuell unterschiedlich<br />

rasch vorangehen oder möglicherweise gestört sein, sodass sich dann aus dem Entwicklungsstand<br />

dieser unterschiedlichen Komponenten das Profil der Rechenfähigkeit ergibt. Zum Beispiel kann die<br />

Fähigkeit zum Addieren eines Kindes auf konzeptueller Ebene ausgereift sein (Verständnis der Additionsgleichung<br />

und Wissen um die Größen) oder rein auf prozeduralen Ebene gegeben sein (Fertigkeit,<br />

richtig zu addieren), neben der numerischen Fertigkeit des Zahlenvergleichs, welche wiederum ihr<br />

individuelles Niveau erreicht (z.B.: Verständnis für 2-stellige Zahlen).<br />

Aus diesem Grund ist es riskant zu sagen, ein Kind ist schlecht im Rechnen, weil es sich immer um<br />

Schwächen in einem oder mehreren Teilbereichen (Komponenten) des Rechnens handelt.<br />

Ein wichtiger Teilbereich bezieht sich auf das Zählen und Abzählen. Diese Fertigkeiten werden zunächst<br />

beschrieben, bevor andere Komponenten beschrieben werden.<br />

Zählfertigkeiten<br />

Die Zählfertigkeiten, ein Teil des zahlbezogenen Vorwissens, gelten neben dem mengenbezogenen<br />

Vorwissen als die bedeutsamste Prädiktorvariable (Krajewski, 2003) im Kindergartenalter zur Früherkennung<br />

einer Rechenschwäche. Wie bereits oben erwähnt, sind viele quantitative Grundlagen bereits<br />

angeboren oder entwickeln sich bereits im frühen Kindesalter. Dieses implizit quantitative Wissen wird<br />

16


nach und nach durch explizit quantitatives Wissen erweitert. Zählfertigkeiten bilden sozusagen den<br />

Übergang vom impliziten zum expliziten Wissen. Sie beeinflussen laut Gallistel & Gelman (1991) und<br />

Fuson (1988) die Entwicklung des kindlichen Zahlen- und Rechenverständnis, indem sie deren<br />

Grundgerüst darstellen und die Aufmerksamkeit der Kinder auf zahlrelevante Informationen lenken.<br />

Aufbauend auf dem präverbalen Zählmechanismus entwickelt sich das Wissen um die Zählprinzipien<br />

(Gelman & Gallistel, 1978). Das Wissen um die Zahlwortsequenz ist wiederum Voraussetzung für die<br />

Prinzipien des Zählens. Die Zählprinzipien steuern die Entwicklung des verbalen Zählens.<br />

Die ersten 3 Prinzipien legen fest, wie richtig gezählt wird („How-to-count“). Die letzteren zwei Prinzipien<br />

bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die ersten drei Prämissen angewendet werden dürfen<br />

(„What-to-count“).<br />

„How-to-count Prinzipien“<br />

o Eindeutigkeitsprinzip: Jedem Objekt der zu zählenden Menge wird ein und nur ein Zahlwort<br />

zugeordnet (1:1 Zuordnung).<br />

o Prinzip der stabilen Ordnung: Die beim Zählen benutzen Zahlwörter müssen in einer stabilen<br />

– stets gleichen- Reihenfolge/Ordnung vorliegen.<br />

o Kardinalitätsprinzip: Das letzte Zahlwort, das beim Zählen benutzt wird, gibt die Anzahl der Elemente<br />

der gezählten Menge an. Das Wissen um dieses Prinzip beinhaltet das Feststellen<br />

der Anzahl der Menge ohne den Zählprozess zu wiederholen, auch auf Nachfrage.<br />

„What-to-count Prinzipien“<br />

o Abstraktionsprinzip: Die ersten drei Zählprinzipien werden auf beliebige Zählsituationen angewandt<br />

(unterschiedliche physikalische Erscheinungen, mentale Repräsentationen, Aktionen,<br />

z.B.: Autos, Wünsche, Klatscher).<br />

o Prinzip der Irrelevanz der Anordnung: Die Anordnung der Objekte ist für den Zählakt irrelevant<br />

(unterschiedliche Anordnungen! Zählrichtung). Die Kinder verstehen, dass die Verschiebung<br />

der Elemente, die Zählrichtung u.ä. weniger wichtig ist, als die Tatsache, dass jedes Element<br />

gezählt worden ist.<br />

Volles Verständnis für das Zählen bedeutet auch, dass Kinder verstehen, dass der kardinale Wert<br />

einer Zahl alle Einheiten darunter mit einschließt. Z.B.: die Zahl „8“ repräsentiert 8 Elemente und<br />

alle kleineren Einheiten wie (1 und 7, oder 2 und 6) sind darin beinhaltet. Dieses Grundverständnis<br />

der Mengeninklusion (Piaget) ist ein Grundelement zum weiteren Verständnis von Addition<br />

und Subtraktion.<br />

Wynn (1992) und Fuson (1988) betonen, dass sich die konzeptuelle Kompetenz langsam, schrittweise<br />

entwickelt. Wichtig zur Überprüfung dieser sind unterschiedliche Kontexte und Aufgabenschwierigkei-<br />

17


ten. Sie betrachten die Begriffe: „Sequenz, Zählen und Kardinalität“ als zentral. Frühes Zahlenwissen<br />

wie „Subitizing“ (Wahrnehmungsmäßiges schnelles Bestimmen einer Menge) scheint laut (Wynn<br />

1992, 1995) eine große Bedeutung für die Zählentwicklung zu haben. Autoren wie Fuson (1988) Baroody<br />

(1991) und Resnick (1989) stimmen zu, betonen aber auch den soziokulturellen Einfluss für das<br />

Zählen Lernen.<br />

Häufig lassen sich bei Kindern mit Rechenschwäche schon bei Schuleintritt unreife Zählmechanismen<br />

oder –prinzipien beobachten. Beispielsweise beobachten Geary et al. (2001), dass viele dyskalkulische<br />

Kinder die Zahlenfolge rein phonologisch wiedergeben.<br />

Briars & Siegler (1984) beobachten ähnliches, indem Kinder zwar die Zahlwortabfolge beim Zählen<br />

richtig wiedergeben, aber noch glauben, dass die Reihenfolge der zu zählenden Objekte eine Rolle<br />

spielt.<br />

Koontz und Berch (1996) fanden heraus, daß dyskalkulische Kinder beim Erkennen von Punktemustern<br />

mit 3 Elementen länger brauchen als Kontrollkinder. Sie vermuten, dass die rechenschwachen<br />

Kinder die 3 Punkte abzählten, anstelle von simultanem Erfassen (Subitizing).<br />

Fuson (1988) beschreibt den Erwerb der Zahlwortreihe als einen Vorgang, der nicht immer linear verlaufen<br />

muss und verschiedene Fähigkeiten integriert:<br />

Erwerb der Zahlwortreihe (nach Fuson 1988)<br />

o Ganzheitssauffassung der Zahlwortreihe. Die Zahlwortreihe wird wie ein Lied oder Gedicht rezitiert.<br />

Einzelne Zahlwörter werden als Ganzheit aufgefasst (Z.B fünf-sechs-sieben). Elemente<br />

werden noch nicht abgezählt, die Zahlwörter haben noch keine kardinale Bedeutung<br />

o Unflexible Zahlwortreihe. Die Zahlwörter werden als einzelne Einheiten aufgefasst. Sie Zahlwortreihe<br />

wird immer von der eins aus rezitiert. Vorgänger und Nachfolgezahl können nicht<br />

spontan genannt werden. Es gelingt den Kindern Elemente abzuzählen unter Herstellung einer<br />

1 zu 1 Zuordnung und kleine Mengen herauszuzählen (z.B.:„Gib mir drei“).<br />

o Teilweise flexible Zahlwortreihe. Die Zahlwortreihe kann von jedem beliebigen Zahlwort aus<br />

aufgesagt werden. Es gelingt Vorgänger- und Nachfolgezahl zu nennen. Die Zahlwortreihe<br />

rückwärts gelingt zum Teil. Fuson merkt an, das die Entwicklung der Zahlwortreihe rückwärts<br />

erst 2 Jahre nach der Zahlwortreihe vorwärts beginnt.<br />

o Flexible Zahlwortreihe. Jedes Zahlwort wird als Einheit erkannt. Es kann von jeder Zahl aus<br />

beliebig viele Schritte weiter gezählt werden („Zähle von 14 drei Schritte vorwärts“).<br />

o Vollständig reversible Zahlwortreihe. Es kann von jeder Zahl aus vorwärts und rückwärts gezählt<br />

werden. Richtungswechsel, sowie Vorgänger und Nachfolger erfolgen schnell und ohne<br />

Mühe.<br />

18


Johansson (2005) überprüfte die Rolle der Zählkompetenzen in Bezug auf die arithmetischen Fertigkeiten.<br />

Seine Studienergebnisse zeigen, dass die Zählkompetenzen sehr gute Vorhersagewerte haben<br />

bezüglich der Richtigkeit von arithmetischen Operationen und der Lösungsstrategien haben. Johansson<br />

hat 4 bis 8 jährige Kinder gefragt, vorwärts und rückwärts zu zählen, und danach hat er ihnen<br />

einfache arithmetische Rechnungen gestellt und sie interviewt in Bezug auf die verwendeten Lösungsstrategien.<br />

Bei der zweiten Studie fragte er die Kinder nach der Lösung von „Doppelungen“<br />

(z.B.: 2 + 2 =?). Die Lösung von „Doppelungen“ scheint eine Verbindung zwischen Zählkompetenzen<br />

und richtig gelösten arithmetischen Rechnungen zu sein. Seine Ergebnisse lassen darauf schließen,<br />

dass Zählen eine erste Rechenstrategie darstellt. Die Kinder entdecken mit zunehmender Zählkompetenz<br />

Regelmäßigkeiten in der Zahlwortreihe, die dazu benutzt werden können, neue und bessere Rechenstrategien<br />

zu entwickeln.<br />

Neben dem Erwerb der Zahlwortreihe und den Zählkompetenzen erlernen Kinder während der Volksschulzeit<br />

die dekadische Struktur des arabischen Zahlensystems.<br />

Der Erwerb dieses Zehnersystems hängt in starkem Maße vom Unterricht und der sprachlichen Struktur<br />

der Zahlwortreihe ab. In vielen europäischen Sprachen, wie Englisch, Französich und Deutsch entsprechen<br />

die Zahlworte (z.B.: „dreizehn“) nicht der darunterliegenden Zehnerstruktur des arabischen<br />

Zahlensystems, anders als in den meisten asiatischen Ländern. In asiatischen Sprachen verläuft das<br />

Zählen ganz systematisch nach dem Zehnersystem (z.B.: zehneins, zehnzwei, zehndrei für 11, 12,<br />

13). Diese exakte Entsprechung zwischen Zahlwort und Struktur der zugrunde liegenden Menge,<br />

kombiniert mit effektiven Unterrichtspraktiken führt dazu, dass die meisten asiatischen Grundschulkinder<br />

das Zehnersystem zumindest rudimentär erfassen (Geary, 2000). Dieses Wissen reduziert die<br />

Anzahl der Zähl- und Transkodierfehler deutlich und hilft komplexe arithmtische Aufgaben besser zu<br />

lösen (Geary, 2000). Da in den meisten europäischen Sprachen diese Entsprechung eben fehlt, ist<br />

das Unterrichten des dekadischen Systems um vieles schwieriger. Viele europäische und amerikanische<br />

Kinder können deshalb das Zahlwort „dreizehn“ nur schwer schreiben und nicht mit dem Wert<br />

„13“ in Verbindung bringen. Sie verstehen „Dreizehn“ einfach als eine Menge mit dreizehn Objekten,<br />

können dieses Zahlwort aber nicht mit einer Menge von 10 Einern (= 1 Zehner) und 3 Einern verbinden<br />

(Geary, 1994). Häufige Zählfehler und Transkodierfehler sind in der ersten Grundschulzeit deshalb<br />

keine Seltenheit. Im Laufe der Grundschulzeit werden diese Fähigkeiten (Zählen, Zählkonzepte<br />

und Transkodieren) jedoch auch von europäischen und amerikanischen Kindern erlernt. Dennoch<br />

schreibt Geary (2000), ist es nicht wahrscheinlich, dass alle Kinder das Zehnersystem bis zum Ende<br />

der Grundschule voll verstanden haben.<br />

Zusammenfassung Zählen:<br />

Erste Schritte beim Zählen werden schon sehr früh gemacht. Kinder lernen quasi spielend die ersten<br />

Zahlworte, lernen Dinge mit Zahlworten zu benennen, Mengen abzuzählen, erwerben also Zählkompetenzen<br />

und –Prinzipien. Über die Zählfertigkeiten erweitert sich die Fertigkeit des Abzählens. Zäh-<br />

19


len, Sequenz und Kardinalität sind wichtige Erkenntnisse in diesem Bereich (Wynn, 1992, 1995, Baroody,<br />

1991, Fuson, 1988). Über die Rolle des Subitizing wird in diesem Zusammenhang diskutiert.<br />

Dieser gesamte Entwicklungprozess muss nicht immer linear verlaufen (Fuson, 1988, Wynn, 1992).<br />

Zählen gilt als wichtige Prädiktorvariable für den späteren Rechenerwerb (Krajewski, 2003) oder wird<br />

als ein Schritt im Prozess des Rechnen Lernens betrachtet (Johansson, 2005).<br />

Bei rechenschwachen Kindern werden schon sehr früh Rückstände in den Zählkompentenzen bzw. im<br />

Verständnis der Zählprinzipien beobachtet (Briars & Siegler, 1984, Geary et al., 2001). Auch finden<br />

sich Studien (Koontz und Berch, 1996), die Defizite im Subitizing feststellen, in dem Sinn, dass rechenschwache<br />

Kinder sehr kleine Mengen nur durch Abzählen erfassen können (ab 3 Elementen).<br />

Neben dem Erwerb des Zählens und Abzählens wird auch die Struktur des dekadischen Zahlenaufbaus<br />

erworben. Da in den meisten europäischen Sprachen das gesprochene Wort sich nicht mit der<br />

Zehnerstruktur („dreizehn, dreiundzwanzig“ statt „zehndrei, zwanzigdrei“) deckt, ist es laut Geary<br />

(2000, 1994) für die meisten europäischen Kinder schwierig, diese Struktur zu erfassen. Asiatische<br />

Kinder, deren Sprache sich eins zu eins mit der Struktur des Zahlenaufbaus deckt, erwerben deshalb<br />

dieses Verständnis vergleichsweise früher und sicherer.<br />

Komponenten des Rechnens<br />

Folgender Abschnitt versucht nun, diese verschiedenen Komponenten des Rechnens kurz zu skizzieren.<br />

Das Wissen über diese verschiedenen kognitiven Komponenten stammt aus unterschiedlichsten<br />

Studien mit cerebralgeschädigten Erwachsenen, mit rechenschwachen Kindern, gesunden Erwachsenen<br />

oder aus faktorenanalytischen Berechnungen dieser Ergebnisse.<br />

Temple (1991) konnte nachweisen, dass bei Kindern verschiedene Komponenten rechnerischer Fertigkeiten<br />

differenziert sind und spezifisch beeinträchtigt sein können. Sie stellte die unabhängigen<br />

Komponenten „Faktenwissen“ (z.B.: 4+6=10, 3*3=9) und „prozedurales Wissen“ (Ausführung der<br />

Rechenschritte komplexer Rechungen) fest. Temple (1991) konnte ebenso nachweisen, dass schon<br />

während der Erwerbsphase Faktenwissen unabhängig vom prozeduralen Wissen repräsentiert ist.<br />

Konzeptuelles Wissen hingegen ist abstraktes mathematisches Wissen und Denken, welches auf<br />

dem Verständnis um die mathematischen Vorgänge basiert (Hittmair-Delazer, Semenza, & Denes,<br />

1994).<br />

Anhand eines Fallbeispiels (Patient mit erworbener Rechenschwäche nach links parietalem Tumor)<br />

belegen Delazer & Benke (1997), dass arithmetische Fakten unabhängig vom konzeptuellen Wissen<br />

abrufbar sind. Beide Komponenten, Faktenwissen und konzeptuelles Wissen, funktionieren unabhängig<br />

von einander.<br />

20


Konzeptuelles Wissen beinhaltet das Verstehen von Verhältnissen und Beziehungen zwischen arithmetischen<br />

Operationen, genauso wie die Fähigkeit zur Ableitung von Rechenergebnissen aus bekannten<br />

Fakten, besonders wenn Standardprozeduren umständlicher wären. Die Ableitung von Ergebnissen<br />

meint das Anwenden von arithmetischen Prinzipien um exakte Ergebnisse zu erhalten, oder<br />

die Ableitung von Schätzergebnissen. Jedenfalls kann aus neuropsychologischen forschungsergebnissen<br />

abgelietet werden, dass arithmetische Fakten entweder direkt aus dem Langzeitgedächtnis<br />

abgeleitet werden oder mittels Ableitungsstrategien (auch Back-up Strategien) hergeleitet werden.<br />

Diese beiden Wege sind separat im Gehirn verankert (Delazer, et al., 2005). Ein weiterer Aspekt des<br />

konzeptuellen Wissens ist laut Dowker (1998) das Verständnis von Textaufgaben oder realen mathematischen<br />

Problemen und die Fähigkeit die richtige arithmetische Prozedur für die Fragestellung<br />

auszuwählen.<br />

Prozedurales Wissen umfasst laut Dowker (1998) beispielsweise das Erinnern und Anwenden erlernter<br />

Prozeduren, wobei die Beibehaltung der richtigen Abfolge der Rechenschritte ohne die Spur zu<br />

verlieren gemeint ist. Im Falle einer schriftlichen Operation spielt auch die Einhaltung der räumlichen<br />

Anordnung der Ziffern eine Rolle. Es kann nur in vertrauten Kontexten angewandt werden (Domahs &<br />

Delazer, 2005).<br />

Prozedurales Wissen und auch andere Komponenten variieren mit der Form der Präsentation (auditiv<br />

oder visuell, numerisch oder konkret).<br />

Nicht zuletzt ist auch die Transformation (Transkodieren) von einem Format in ein anderes (verbal,<br />

numerisch oder konkret) eine wichtige Subkomponente arithmetischer Fähigkeiten.<br />

Power & Dal Martello (1990, 1997) beschreiben einen Algorythmus, wie Kinder aus Zahlworten arabische<br />

Zahlen transkodieren. Ihre Erkenntnisse haben die Autoren aus Fehlerstudien gewonnen. Wenn<br />

also Kinder gebeten werden, eine Zahl wie „vierhundertfünfunddreißig“ aufzuschreiben, dann wandeln<br />

sie diese zunächst in eine semantische Repräsentation um. Der erste Verständnisprozess ist die Umwandlung<br />

in „c4 mal c100“ und „c3 mal c10“ und „c5“. Cn ist die semantische Repräsentation der jeweiligen<br />

Menge n (n=natürliche Zahl). Diese natürliche Zahl ist mit einem Multiplikanden c10 oder<br />

c100 einer Zehnerpotenz zu multiplizieren. Nun sind zwei Regeln erforderlich: 1. werden die Multiplikationen<br />

mit der Zehnerpotenz vorgenommen „c4 mal c100“ ist „4*100“ oder „400“ in der Reihenfolge<br />

der Dekade. Wenn diese Operation nicht korrekt durchgeführt wird, kann „vierhundert“ auch als „4100“<br />

transkodiert werden. 2. Die zweite Operation ist das „Überschreiben“. Bei dieser Operation werden die<br />

Nullen überschrieben und die Zahlen verkettet. Das heißt, dass bei diesem Beispiel „400“ und „30“<br />

und „5“ miteinander verkettet werden indem die Nullen überschrieben werden zu „435“. Es geschehen<br />

besonders oft Fehler beim Überschreiben, wenn eine Null eingefügt werden muss. Als Beispiel, wenn<br />

„hundertfünf“ geschrieben werden muss, wird sehr oft anstelle einer Null einzufügen „1005“ geschrieben.<br />

Die Kinder schreiben einfach alle Worte hintereinander anstelle eine Null einzufügen (Power &<br />

Dal Martello, 1990, 1997 in Kaufmann und Nuerk 2005).<br />

21


Das Zahlenwissen oder numerische Wissen (Number Knowledge) meint laut Dowker (1998) die Fähigkeit,<br />

Zahlen in verschiedenen Formen zu erkennen und diese der Größe nach ordnen zu können.<br />

Das Schätzen meint erstens das größenmäßige Abwägen über die Richtigkeit eines Rechenergebnisses<br />

(= vergleichendes Schätzen), und zweitens das quantitative Schätzen. Das quantitative Schätzen<br />

meint die Produktion von richtigen Zahlengrößen in Bezug auf realistische Objekte oder Ereignisse.<br />

Dehaene (1992) beschreibt in seinem Triple Code Modell die Unterscheidung zwischen verbalauditiver,<br />

arabisch-visueller und analoger Repräsentation (Schätzen) der Zahlenverarbeitung. Sowder<br />

(1992b) zitiert in Maracuso und Sokol (1998) beschreibt, dass das erfolgreiche vergleichende Schätzen<br />

ein gut entwickeltes Zahlgefühl erfordert. Das Zahlgefühl ist gut entwickeltes konzeptuelles Verständnis<br />

der Größe von Zahlen und die Beziehung dieser in arithmetischen Operationen.<br />

Dehaene und Cohen (1991) führen doppelte Dissoziationen zwischen dem exakten Rechnen von einfachen<br />

arithmetischen Rechnungen (z. B.: 2 + 2 =) und dem vergleichenden Schätzen (z. B.: 2 + 2 =<br />

9) an. Verschiedene Patienten mit erworbener Dyskalkulie konnten entweder die Aufgaben zum exakten<br />

Rechnen bewältigen, aber die zum Schätzen nicht, oder umgekehrt.<br />

Faktenwissen hingegen meint die Erinnerung arithmetischer Fakten (abrufbare Ergebnisse) aus verschiedenen<br />

Kategorien (vor allem Addition und Multiplikation, weniger Subtraktion und Division, denen<br />

primär andere Mechannismen zugrunde liegen (Dehaene und Cohen, 1997., Dehaene et al., 2003)).<br />

Sokol, McCloskey, Cohen and Aliminosa (1991) beschreiben eine Patientin nach linkshemisphärischem<br />

Insult, die zwar die Rechenprozeduren richtig durchführen konnte, aber die Multiplikationsfakten<br />

aus dem Gedächtnis nicht mehr richtig abrufen konnte. Sie nehmen an, dass es eine klare Trennung<br />

zwischen Faktenwissen und prozeduralem Wissen gibt. Genauso lässt sich auch zwischen Sprache<br />

und Faktenwissen, welche sehr viele Verbindungen zeigen, unterscheiden. Gespeicherte Fakten<br />

für Additionen und Subtraktionen waren bei Patient I.H. (Capelletti et al., 2001) noch beinahe vollständig<br />

abrufbar, obwohl nach einer neurologischen Erkrankung (semantische Demenz) seine Sprache<br />

schwer beeinträchtigt war.<br />

Aus neuropsychologischen Forschungen lässt sich belegen, dass die Fähigkeit Zahlen zu verstehen<br />

und zu rechnen dissoziierbar ist von der Sprache (Cohen, Dehaene, Cochon, Leherica, & Naccache,<br />

2000., Gelman & Butterworth, 2005), vom semantischen Gedächtnis für nicht numerische Information<br />

(Cappelletti et al., 2001) und vom Arbeitsgedächtnis (Butterworth, Cipolotti & Warrington, 1996).<br />

FACTBOX – Komponenten des Rechnens<br />

Zählfertigkeiten: Wissen um Zählsequenz und Zählprinzipien<br />

Zahlenverständnis: auch Zahlenwissen, numerisches Wissen, Zahlbegriff<br />

22


Verständnis für Zahlen in ihrer Reihenfolge, Größe und den Relationen. Inkludiert ordinales und kardi-<br />

nales Verständnis<br />

Transkodieren: Umwandeln der Zahlen von einem Format in ein anderes (verbal, schriftlich).<br />

Faktenwissen: Abruf gespeicherter arithmetischer Fakten aus dem Langzeitgedächtnis (automatisier-<br />

te Antworten)<br />

Prozedurales Wissen: „Knowing how to“ - Wissen um die sequentiell richtige Ausführung der Lö-<br />

sungsschritte einer Rechnung; kann nur bei vertrauten Aufgabenstellungen angewandt werden<br />

Konzeptuelles Wissen: „Knowing why“, Verständnis für arithmetische Operationen und Regeln; abs-<br />

traktes mathematisches Denken, welches flexibel auch bei neuen Aufgabenstellungen angewandt<br />

werden kann. „Arithmetical reasoning“<br />

Ableitungen: Vereinfachung einer Aufgabe durch „Abkürzungen“ oder Zerlegung einer Aufgabe in<br />

einfachere Teilaufgaben; beruht auf Wissen und Verständnis, z.B.: 9 + 8 = wird zerlegt in 9+1+7= und<br />

schließlich gerechnet 10+7=<br />

Zahlengefühl: „Number Sense“, Vorstellen des Sinns und der Größe von Zahlen<br />

Aufbau des Rechenwissens<br />

Steffe et al. (1992) und Wright et al. (2000, 2002) beschreiben einen Aufbau des Rechenwissens in<br />

Form eines Netzwerks, welches die Zählfertigkeiten, die Zahlenidentifikation, Mengenrepräsentationen,<br />

Wissen um das dekadische System und frühe arithmetische Strategien teilweise hierarchisch<br />

(horizontal) aufbauend gegliedert, teilweise parallel (vertikal) verlaufend darstellt (siehe später Seite<br />

x).<br />

Teil A Teil B Teil C<br />

Frühe arithmetische Strategien<br />

Dekadisches System<br />

Zahlwortreihe vorwärts<br />

(ZWRV) und Zahlwort danach<br />

Zahlwortreihe rückwärts<br />

(ZWRR) und Zahlwort bevor<br />

Zahlenidentifikation<br />

Andere Aspekte des frühen<br />

arithmetischen Lernens<br />

Abbildung: Übersicht: „Netzwerk des gestuften Aufbaus des Rechnen Lernens“ in Wright 2000 S. 10<br />

23


Die frühen arithmetischen Strategien, wie sie von Wright et al. (2000) beschrieben werden, zeigen<br />

einen stufenweisen Aufbau. Additionen beginnen beim reinen Zählen beider Addenden, entwickeln<br />

sich zum „Weiterzählen“ des 2. Addenden und verändern sich bis zur Verwendung von Ableitungsund<br />

Abrufstrategien.<br />

Auch das Verständnis für das dekadische System entwickelt sich stufenweise und ist abhängig von<br />

der Entwicklung der arithmetischen Strategien.<br />

Parallel dazu entwickeln sich auf einer zweiten Säule die Zählfertigkeiten, zuerst vorwärts Zählen und<br />

dann rückwärts, kontinuierlich aufbauend in der Größe der Zahlwortreihe. Logischerweise ist die Identifikation<br />

von Zahlen an diese Zählfertigkeit gebunden.<br />

Auf einer dritten Säule bewegt sich das Wissen um die Möglichkeiten der visuellen Abbildung von<br />

Mengen (z.B.: Punktmuster), die Fingerbilder und die Fähigkeit des raschen Kombinierens und Teilens<br />

von Zahlen.<br />

Grob vereinfacht zusammengefasst, findet sich großer Konsens darüber, dass die Mehrheit der Additionen<br />

mit einer der 5 Basisstrategien gelöst wird (Baroody, 1987; Carpenter & Moser, 1984; Siegler,<br />

1986; Siegler & Robinson, 1982; Siegler & Shrager, 1984; Svenson & Sjöberg, 1983; in Geary, Brown<br />

& Samaranayake, 1995):<br />

1. Visuelle oder auditive Strategien:<br />

• Fingerzählen<br />

Kinder benützen die Finger als Repräsentation der Items und zählen diese visuell oder taktil ab.<br />

• Finger- Fingermuster<br />

Die Kinder benützen die Finger als Repräsentation der Items, zählen diese aber nicht mehr ab.<br />

• Verbales Zählen<br />

Die Kinder zählen auditiv laut oder leise.<br />

2. Zerlegung einer Aufgabe in einfachere Aufgaben (Siegler,1987; in Geary, Brown / Samaranayake)<br />

oder Ableitungsstrategien<br />

z.B.: 9 + 8 = wird zerlegt in 9 + 1 + 7 = und schließlich gerechnet 10 + 7 = 17<br />

3. Abrufstrategien – „direkter Abruf“<br />

Die Antwort auf eine Additionsaufgabe wird direkt aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen (Siegler &<br />

Shrager, 1984 in Geary, Brown & Samaranayake 1991).<br />

In Bezug auf die Entwicklung der Fähigkeiten der Addition ist der Abruf von Fakten (z.B.: 3 * 3 = 9) die<br />

höchst entwickelte und am meisten bevorzugte Strategie, weil der Faktenabruf wenig Zeit benötigt und<br />

wenig Kapazität des Arbeitsgedächtnisses beansprucht.<br />

Aufgrund der noch feineren Gliederung, die sehr plausibel und gleichzeitig für die Praxis von großer<br />

Relevanz ist, möchte ich an dieser Stelle noch die Stufen der frühen arithmetischen Lernstrategien<br />

nach Wright, R., Martland, J., Stafford, A. & Stanger, G. (2002) anführen. Sowohl zur Diagnose, als<br />

auch zur Förderung ist auf genaue Kenntnis der Lernstrategien nicht zu verzichten.<br />

24


Stufen früher arithmetischer Lernstrategien (Wright et al. 2000, 2002)<br />

Stufe 0: „Entstehendes“ Zählen<br />

kann (sichtbare Items) noch nicht zählen. Das Kind weiß entweder die Zahlwortreihe nicht, oder hat<br />

Schwierigkeiten die Zahlworte mit den Items zu koordinieren.<br />

Stufe 1: Perzeptives Zählen<br />

kann wahrgenommene/sichtbare Items zählen, aber nicht mehr in verdeckter Form. Das Kind ist noch<br />

abhängig vom Sehen, Hören oder Fühlen der Items.<br />

Stufe 2: Figuratives Zählen = „Sum Prozedur“<br />

kann Items verdeckter Mengen zählen, aber die Zählaktivität beginnt immer von vorne.<br />

Wenn z.B. zwei verdeckte Mengen gegeben sind, und das Kind zuerst die Anzahl jeder Menge und<br />

dann die Anzahl aller Items zusammen nennen soll, beginnt das Kind wieder bei „eins“ zu zählen<br />

(counting from „one“) anstelle weiterzuzählen (counting-on).<br />

Stufe 3: Beginnende Zählsequenz = „Min Prozedur“<br />

Das Kind verwendet weiterzählen (counting-on) anstelle von der „eins“ zu zählen (counting from<br />

“one“), um eine Addition oder eine Ergänzungsaufgabe (z.B. 6 + x = 9) zu lösen.<br />

Das Kind kann die „counting down from“ Strategie für Subtraktionen verwenden (z.B. 17 – 3: als<br />

16,15,14- Antwort 14), aber die „counting down to“ Strategie noch nicht, um Ergänzungssubtraktionen<br />

zu lösen (z.B. 17 – x = 14 als 16,15,14 – Antwort 3).<br />

Stufe 4: Zählsequenz Zwischenstufe<br />

Das Kind zählt herunter (counting down to) um eine Ergänzungssubtraktion (fehlender Subtrahend) zu<br />

lösen (z.B.:17 –x = 14 als 16,15,14- Antwort 3).<br />

Das Kind wählt zwischen der effizienteren Strategie „count-down-from“ und „count-down-to“ aus.<br />

Stufe 5: Sichere Zählsequenz = „Direkter Faktenabruf“<br />

Das Kind verwendet eine Reihe von so genannten Ableitungsstrategien.<br />

Diese Stufe beinhaltet sowohl die Verwendung von „Zählstrategien“ als auch anderen „nicht zählen-<br />

den Strategien“ (Ableitungsstrategien).<br />

25


• Verwenden von gespeicherten arithmetischen Fakten bei Additionen und Subtraktionen: 7 + 3 =<br />

10 also 7 + 4 = 11 (+1); 9 – 4 = 5 weil 8 – 4 = 4 (+1)<br />

• Kompensation: 6 + 4 = 5 + 5;<br />

• Kommutativität: 9 + 2 = 2 + 9<br />

• Subtraktion als Umkehroperation der Addition: 4 + 4 = 8 also 8 – 4 = 4<br />

• Wissen über die Zehn in einer Zehnerzahl: 17 = 10 + 7;<br />

• Wissen über die Zehnerpotenz: 30 + 50 = 80 weil 3 + 5 = 8<br />

Butterworth (2005) unterscheidet zwischen „Counting from first“ und “Counting on from larger“. Der<br />

Unterschied zwischen diesen beiden Stufen besteht darin, dass das lernende Kind bei zweiterer Strategie<br />

den größeren Addenden voranstellt und nur den kleineren “weiterzählt“. Dieser Lernschritt bedeutet<br />

auch, dass das Kind verstanden hat, dass es egal ist, in welcher Reihenfolge die Addenden<br />

summiert werden (Kommutativität).<br />

Viele Autoren beschäftigen sich mit der Frage, wie dieser Übergang von den „zählenden Strategien“<br />

zum Faktenabruf stattfindet und in welcher Form diese Fakten dann gespeichert werden.<br />

Ein interessantes Phänomen in Bezug auf die Frage der Speicherung ist der „Problem-size effect“,<br />

der bedeutet, dass bei einstelligen Operationen die Antwort umso länger dauert, je größer das Ergebnis<br />

ist (Ashcraft et al., 1992). Der Faktor der „Problemgröße“ ist viel stärker als der der Häufigkeit der<br />

Aufgabe (Butterworth, Girelli, Zorzi, & Jonckheere, 2001). Weiters schreibt Butterworth (2005), dass<br />

Kinder, die noch zählende Strategien verwenden, in der Regel auch noch keinen Faktenabruf verwenden.<br />

Deshalb meint Butterworth (2005), es wäre sehr wahrscheinlich, dass Kinder während des Stadiums<br />

des „counting on from larger“ diese Gedächtniseinträge für die Fakten erwerben. Er nimmt an,<br />

dass die Gedächtniseinträge in dieser Form (größerer Addend plus kleinerer Addend) zunächst ausgerechnet<br />

und dann abgespeichert werden. Bestätigung finden diese Annahmen in einer Studie von<br />

Butterworth (2001), die zeigte, dass Erwachsene beim Faktenabruf sehr viel schneller sind, wenn die<br />

Additionen in oben genannter Form dargeboten werden (größerer Addend plus kleinerer Addend). Die<br />

Häufigkeit bestimmter Aufgaben im Arbeitsbuch war kein guter Prädiktor für die Lösungszeiten (Butterworth,<br />

2001).<br />

Zwei Argumente sprechen für die Tatsache, dass Fakten in Bezug auf die Problemgröße gespeichert<br />

werden: 1. der Problemgrößeneffekt und 2. das Faktum, dass die Häufigkeit der Aufgaben kein Prädiktor<br />

für die Lösungszeit ist.<br />

Ähnliche Ergebnisse zeigte auch die Studie von (Butterworth, Marchesini, & Girelli, 2003) mit 6 -10<br />

Jahre alten Kindern bei Multiplikationen. Größerer Multiplikand mal kleinerer Multiplikator (Größer *<br />

Kleiner) wurden wesentlich schneller gelöst als kleinerer mal größerer, auch wenn in der Schule klei-<br />

26


nerer mal größerer zuerst gelernt wird. Z.B.: 2 * 6 wird vor 6 * 2 unterrichtet, weil die 2er Reihe vor der<br />

6er Reihe unterrichtet wird. Auch in Italien wird in dieser Reihe vorgegangen. Wenn die Kinder wie bei<br />

Butterworth et al. 2003 überprüft werden, wird deutlich, dass Kinder zunächst die Form des Abrufs<br />

bevorzugen, die der Form des Unterrichts entspricht. Später beginnen sie aber, die ihre Speicherung<br />

im „Größer * Kleiner“ Format zu organisieren. Die Ergebnisse von Butterworth (2003) belegen erneut,<br />

dass arithmetische Fakten numerisch organisiert gespeichert werden. „Arithmetische Fakten sind<br />

mehr als auswendig gelernte Fakten.“ (Butterworth, 2005)<br />

Die Sicherheit mit der die Kinder die Fakten aus dem Langzeitgedächtnis abrufen können, beeinflusst<br />

die Auswahl der Additionsstrategien der Kinder. Bezogen auf das Strategie-Choice-Modell (Geary et<br />

al. 1995) bestimmen die assoziative Stärke zum Ergebnis und das Vertrauen in die Richtigkeit des<br />

Ergebnisses den Zugriff auf den zur Verfügung gestellten Fakt.<br />

Macaruso and Sokol (1998) zitieren Geary et al. (1987), indem sie die Beobachtungen beschreiben,<br />

dass „normal“ entwickelte Kinder zwischen 2. und 4. bis 6. Schulstufe vom Zählen zum direkten Faktenabruf<br />

wechseln. Rechenschwache Kinder verbleiben hingegen bei der Strategie des Zählens. Rechenschwache<br />

Kinder der 2. Schulstufe zählen wesentlich langsamer, produzieren mehr Fehler und<br />

wenden Zählen häufiger an als „normal“ entwickelte Zweitklässler. Geary (1990) zeigt in einer Folgestudie,<br />

dass rechenschwache Zweitklässler, wenn sie Fakten aus dem Gedächtnis abrufen, mehr Fehler<br />

produzieren und weniger systematische Lösungszeiten zeigen als die „normal“ entwickelte Kontrollgruppe.<br />

Geary (2004) schreibt, dass rechenschwache Erst- und Zweitklässler über unreifes Zählwissen<br />

verfügen, was heißt, dass diese Kinder Zählfehler am Beginn der Sequenz schwerer identifizieren<br />

und das „Order irrelavance Prinzip“ noch nicht verstanden haben. Der Shift von zählenden Strategien<br />

zu Abrufstrategien findet nicht zwischen erster und zweiter Klasse statt.<br />

Auch Ann Dowker bestätigt (1998) eindeutige Zusammenhänge zwischen dem Rechenniveau (Additionen<br />

und Subtraktionen) und der Verwendung von Ableitungsstrategien. Je besser das Rechnen, umso<br />

mehr Ableitungsprinzipien werden gewusst und verwendet. Ebenso korreliert das Schätzwissen<br />

sehr hoch mit der Verwendung von Ableitungsstrategien.<br />

Zusammenfassung<br />

Es besteht große Übereinstimmung darüber, dass der Aufbau des Rechenwissens in einem (nur teilweise)<br />

hierarchisch gegliederten Netzwerk dargestellt werden kann. Manche Fertigkeiten, wie z.B.:<br />

Zahlindentifikation, Zahlenaufbau oder visuelle Einträge, entwickeln sich parallel zu den Entwicklungsstufen<br />

des arithmetischen Wissens.<br />

27


Die Basisstrategien (Baroody, 1987; Carpenter & Moser, 1984; Siegler, 1986; Siegler & Robinson,<br />

1982; Siegler & Shrager, 1984; Svenson & Sjöberg, 1983; in Geary, Brown & Samaranayake, 1995)<br />

für Additionen werden vielfach in ähnlicher Art und Weise beschrieben. Sie lauten wie folgt:<br />

Visuelle und auditive Strategien (Fingerzählen, Finger- Fingermuster, Verbales Zählen), Zerlegung<br />

einer Aufgabe in einfachere Aufgaben oder Ableitungsstrategien und Abrufstrategien.<br />

Aus den „zählenden Strategien“ entwickeln sich allmählich Einträge im Langzeitgedächtnis, aus welchen<br />

dann die Fakten abgerufen werden können. Butterworth (2005) meint, dass während des Stadiums<br />

des „counting on from larger“ (weiterzählen vom größeren Addenden an) diese Fakten erworben<br />

und auch in dieser Form (größerer Addend plus kleinerer Addend) abgespeichert werden. Genauso<br />

lässt sich auch aus Studienergebnissen von Butterworth et al. (2003) darauf schließen, dass auch<br />

Multiplikationsfakten in diesem Format (größerer Multiplikand mal kleinerer Multiplikator) im Langzeitgedächtnis<br />

gespeichert sind.<br />

Das Strategie-Choice Modell von Geary et al. (1995) besagt, dass zwischen verschiedenen zur Verfügung<br />

stehenden Strategien nach der Assoziationsstärke zu einer bestimmten Strategie ausgewählt<br />

wird. Zusätzlich gibt das Konfidenzkriterium, ein interner Standard, durch welchen ein Kind abwägt, ab<br />

wann es der Richtigkeit des Ergebnisses traut, Informationen zur Entscheidung, welche Strategie gewählt<br />

wird. So kann ein Rechenergebnis aus dem Gedächtnis abgerufen werden, oder eine andere<br />

Strategie bevorzugt werden. Die Verwendung von Zählprozeduren führt automatisch zu deren Auslöschung,<br />

weil der Faktenabruf zur dominaten Lösungsprozdur wird (Geary et al., 1995).<br />

Kognitive Komponenten<br />

Gedächtnis<br />

Mentale Arithmetik ist eine Aufgabe, die einerseits klar definiert ist durch Regeln, Fakten und Prinzipien,<br />

auf der anderen Seite ist Arithmetik eine sehr komplexe Aufgabe, die sehr hohe Anforderungen<br />

an das Arbeitsgedächtnis stellt. Die aktuelle Forschung befasst sich damit, wie Arithmetik (4 – 2, oder<br />

2 x 6) in Bezug auf Operation, Aufgabe und Individuum repräsentiert und verarbeitet wird.<br />

Sowohl das Langzeit als auch das Kurzzeit- bzw. Arbeitsgedächtnis scheinen wesentlich an Rechenprozessen<br />

beteiligt. Um die Studien nachvollziehen zu können, möchte ich zunächst eine kurze Einführung<br />

in die Gedächtnismodelle geben. Zuerst die grobe Einteilung der Gedächtnissysteme und danach<br />

das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch (1974) und Baddeley 2002 .<br />

Das Lehrbuch für Psychologie Zimbardo (1988) beschreibt grob vereinfacht drei Gedächtnissysteme:<br />

28


� das sensorische Gedächtnis, welches flüchtige Impressionen sensorischer Reize (Bilder, Töne,<br />

Gerüche, Strukturen) für 1 bis 2 Sekunden aufbewahrt<br />

� das Kurzzeitgedächtnis, welches Erinnerungen an Informationen für höchstens 20 Sekunden<br />

aufbewahrt. Diese Informationen sind begrenzt auf circa 7 Items, wenn den Informationen<br />

nicht besondere Aufmerksamkeit zukommt, oder sie durch ständige Wiederholung in Erinnerung<br />

behalten werden. Das Kurzzeitgedächtnis wird auch Arbeitsgedächtnis genannt.<br />

„Das Arbeitsgedächtnis umfasst alle Strukturen und Prozesse, die in Aufgaben der vorübergehenden<br />

Speicherung und Verarbeitung von Informationen dienen.“<br />

� Das Langzeitgedächtnis, welches Informationen für den Abruf zu einem späteren Zeitpunkt<br />

aufbewahrt. Diese Informationen machen unser Weltwissen aus.<br />

Die Komponente des Kurzzeitgedächtnisses haben vor allem Baddeley und Hitch (1974) und Baddeley<br />

(1986, 2000a) sehr genau untersucht und funktionell untergliedert. Ihre Erkenntnisse haben bis<br />

heute die Forschung gerade in Bezug auf Arithmetik stark beeinflusst.<br />

Eine kurze Einführung in das Kurzzeitgedächtnismodell von Baddeley<br />

Baddeley & Hitch (1974) haben sich mit dem funktionellen Aufbau des Kurzzeitgedächtnisses befasst<br />

und im Wesentlichen drei Komponenten beschrieben:<br />

1. Zentralexekutive „Central Executive“<br />

2. Artikulatorische (phonologische) Schleife „Articulatory Loop“<br />

3. Visuell-räumlicher Notizblock „Visuo-spatial Sketchpad“<br />

Jeder dieser Komponenten sind bestimmte Funktionen zugeordnet, wobei die Zentralexekutive die<br />

übergeordnete Komponente darstellt und die anderen beiden Systeme als eine Art „Zwischenregister“<br />

zu verstehen sind.<br />

Abbildung: Baddeley 2002, S. 86<br />

Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley und Hitch (1974).<br />

29


In Bezug auf das oben genannte Modell des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley (Baddeley 1986,<br />

Baddeley und Hitch 1974) gelten folgende Annahmen:<br />

Zentralexekutive (Central Executive)<br />

Diese agiert als Aufmerksamkeitssystem mit begrenzter Kapazität. Die Zentralexekutive initiiert und<br />

kontrolliert mentale Prozesse. Und sie ist verantwortlich für das Planen und Strukturieren der Aktivitäten.<br />

Folgende Subprozesse können genannt werden (Baddeley 2002):<br />

1. Die Zentralexekutive hat die Eigenschaft Aufmerksamkeit zu fokussieren.<br />

Alle komplexeren Aufgaben hängen von der Kapazität der Zentralexekutive ab, weil sie den Fokus der<br />

Aufmerksamkeit steuert.<br />

2. Eine weitere Eigenschaft der Zentralexekutive ist das Teilen der Aufmerksamkeit (Baddeley,<br />

1996). Anhand von Experimenten, speziell an Alzheimer Patienten, konnte die Funktion der Zentralexekutive<br />

Aufmerksamkeit zwischen den Subsystemen (Visuell-räumlicher Notizblock und phonologischer<br />

Schleife) aufzuteilen, Bestätigung finden.<br />

3. Ein drittes Merkmal der Zentralexekutive ist die Fähigkeit, Aufmerksamkeit umzuschalten und<br />

zu kontrollieren. Diese Funktion wird in der Regel dem Frontalhirn zugeordnet (Shallice, 1988). Es<br />

wird vermutet, dass die Phonologische Schleife am Prozess der Kontrolle über die Aufmerksamkeit<br />

beteiligt ist. Diese Frage ist noch nicht endgültig geklärt (Baddeley, 2002).<br />

Der Abruf von Information aus dem Langzeitgedächtnis wird ebenso der Zentralexekutive zugeordnet<br />

(Gathercole und Pickering, 2001, 2000).<br />

Überprüfung: Drei relativ bekannte Methoden die Zentralexekutive zu überprüfen sind: „Hörgedächtnis<br />

von Sätzen („listening recall“), Zählgedächtnis („counting recall“) und Zahlenspanne rückwärts („backwards<br />

digit recall“)“. Beim Hörgedächtnis werden Sätze vorgesprochen, welche der Proband als richtig<br />

oder falsch beurteilen soll. Dann soll das letzte Wort des Satzes memoriert und wiederholt werden.<br />

Die Anzahl der vorgesprochenen Sätze steigt natürlich bis zur Fehlergrenze an. Beim Zählgedächtnis<br />

werden Punktemuster, die zu zählen sind, vorgegeben, die dann anschließend per Punktezahl wiederholt<br />

werden sollen. Die Anzahl der Punktemuster steigt wieder an. Zahlenspanne rückwärts misst<br />

die Anzahl der richtig rückwärts wiederholten Zahlenreihen.<br />

Gathercole und Pickering (2001, 2000b) beschreiben, dass Kinder, die in der Schule deutliche Lernschwierigkeiten<br />

haben, messbare Defizite im Arbeitsgedächtnis allgemein und im speziellen in der<br />

Zentralexekutive (backwards digit recall) zeigen.<br />

Artikulatorische Schleife (Articulatory Loop) oder phonologische Schleife<br />

Die artikulatorische Schleife besteht aus:<br />

Phonologischem Speicher, welcher sprachbasierte Informationen für circa 2 Sekunden speichert, und<br />

Artikulatorischen Kontrollprozessen; welche auf der inneren Sprache basieren.<br />

Die artikulatorische Schleife stellt verbales Material und den sprachlichen (phonologischen) Kode bereit<br />

und erhält diese Information aufrecht. Die Informationen im phonologischen Speicher sind raschem<br />

Zerfall ausgesetzt, wenn sie nicht in einem „subvokalen Wiederholungsprozess“ (rehearsal<br />

process) aufrechterhalten werden. Entwicklungsmäßig ist der phonologische Speicher schon mit 3<br />

30


Jahren entwickelt, der subvokale Wiederholungsprozess tritt nicht vor dem 7. Jahr in Erscheinung<br />

(Gathercole und Pickering, 2000).<br />

Hasselhorn und Schumann-Hengsteler (2002) messen der phonologischen Schleife auch eine besondere<br />

Bedeutung beim Erwerb neuer Wörter zu. Sie glauben, dass die kurzzeitige Repräsentation neuer<br />

phonologischer Strukturen im Kurzzeitgedächtnis Voraussetzung für den Aufbau stabiler Repräsentationen<br />

im Langzeitgedächtnis sind.<br />

Baddeley, Gathercole und Papagano (1998) stützen eben diese Annahme, dass die phonologische<br />

Schleife ein System ist, welches den Spracherwerb unterstützt. Sie nehmen direkte Verbindungen<br />

zwischen der Funktion der phonologischen Schleife und dem Erlernen von Worten an. Sie glauben,<br />

dass die primäre Funktion dieser Schleife die Verarbeitung von neuem sprachlichem Input ist. Diese<br />

Aussagen stützen auch Gathercole und Pickering (2001). Kinder mit gravierenden Schwierigkeiten in<br />

der phonologischen Schleife sind beeinträchtigt neue Worte in der Mutter- als auch einer Fremdsprache<br />

zu erwerben. Aus einem phonologischen Defizit könne sich ein Defizit des Spracherwerbs, eine<br />

Sprachentwicklungsstörung entwickeln (Baddeley, Gathercole und Papagano, 1998).<br />

Überprüfung: Eine klassische Methode die phonologische Schleife zu überprüfen ist das Nachsprechen<br />

von Zahlenreihen oder Nonsens-Wortreihen in ansteigender Anzahl bzw. Silben-Anzahl.<br />

.<br />

Kinder mit spezifischer Beeinträchtigung der Sprache, zeigen gerade beim Wiederholen von Nonsens-<br />

Worten große Defizite. Gathercole und Baddeley (1990) messen einen Entwicklungsrückstand im<br />

Nonsens-Worte Nachsprechen von 4 Jahren bei 8 jährigen SchülerInnen mit Sprachentwicklungsverzögerung.<br />

Visuell-räumlicher „Notizblock“ oder Speicher (Visuo-spatial Sketch Pad)<br />

Der visuell-räumliche Speicher speichert und verarbeitet räumliche und visuelle Informationen. „Es gibt<br />

gute Beweise für eine Trennung von räumlichen und verbalen Prozessen aus Studien zum normalen<br />

Gedächtnis und aus der neuropsychologischen Forschung.“ (Baddeley, 1986) Er nimmt an, dass die<br />

Verarbeitung, Speicherung und Schaffung von visuell-räumlichen Vorstellungen in einem System, das<br />

visuell-räumlicher Notizblock genannt wird, stattfindet. Baddeley schreibt, dass das visuelle Gedächtnis<br />

bis jetzt nur teilweise erforscht ist. Einige Subregionen sind bereits erforscht, aber noch nicht genau<br />

wie diese zusammenarbeiten. Fest steht, dass ein temporärer Speicher für visuelle Informationen,<br />

wie es der visuell-räumliche Notizblock ist, räumliche und visuelle Informationen festhält und diese<br />

manipuliert. Dieses System spielt auch eine wichtige Rolle beim räumlichen Orientieren und bei der<br />

Lösung von visuell-räumlichen Problemen (Baddeley 2002).<br />

Es scheint eine Schnittstelle zu sein zwischen visueller und räumlicher Information, die entweder<br />

durch die Sinne oder das Langzeitgedächtnis zugänglich ist. Eine Reihe verschiedener Informationen,<br />

motorischer, taktiler oder haptischer Natur, werden mit der visuellen Information verbunden.<br />

Überprüfung:<br />

Eine Methode zur Überprüfung der räumlichen Notizblocks ist eine so genannte „corsi-block-tapping“<br />

Aufgabe, oder auch dynamische Matrizen genannt. Der Versuchsleiter berührt dabei in einer bestimm-<br />

31


ten Reihenfolge eine Würfelanordnung, welche vom Probanden zu wiederholen ist. Die Schwierigkeit<br />

wird durch die Komplexität der Muster erhöht.<br />

Der visuelle Notizblock wird durch die Wiederholung einer vorgezeigten Würfelmatrix („pattern span“<br />

oder „static mazes“) gemessen. Das Muster von schwarzen und weißen Zellen wird in der Schwierigkeit<br />

erhöht, bis der Proband die Muster nicht mehr wiederholen kann (Baddeley, 2000, Gathercole und<br />

Pickering, 2001).<br />

Die Neuropsychologische Forschung bestätigt durch funktionale Bildgebung die Annahme, dass der<br />

visuell-räumliche Notizblock ein Multikomponentensystem ist. Der Occipitallappen zeigt Aktivierung bei<br />

visuellen Mustern, parietale Regionen repräsentieren räumliche Aspekte und frontale Regionen scheinen<br />

verantwortlich für die Koordination und Kontrollfunktion (Smith & Jonides, 1996 in Baddeley,<br />

2002).<br />

Der episodische Puffer<br />

Eine weitere Aufgabe der Zentralexekutive ist das Formen einer Schnittstelle zwischen den einzelnen<br />

Subsystemen und dem Langzeitgedächtnis (Baddeley, 1996, 2002). Lange wurde dieser Funktion<br />

keine Beachtung geschenkt. Offensichtlich wird diese Tatsache in der Beobachtung, dass die Kurzzeitgedächtnisspanne<br />

für unverbundene Worte etwa 5 Items beträgt, die Gedächtnisspanne bei Sätzen<br />

aber etwa 16 Worte umfasst. Ebenso reagiert das Gedächtnis sensibel bei unverbundenen Worten,<br />

wenn diese semantisch ähnlich sind. Auch die Vorstellbarkeit oder die Häufigkeit spielt beim Gedächtnis<br />

eine Rolle. Die Vorstellbarkeit oder Häufigkeit von Worten stehen natürlich in Verbindung mit<br />

dem Langzeitgedächtnis (Baddeley, 2002).<br />

Das Wiederholen von Prosa zeigt ebenso, dass das Kurzzeitgedächtnis mehr als ca. 5 Worte speichern<br />

kann. Laut Baddeley (2002) spiegelt das Speichern von Prosa den Chunking-Prozess. Beim<br />

Chunking ist der Abruf deutlich gesteigert durch das Ansammeln und Verbinden von Items zu größeren<br />

Einheiten, z.B.: Worte zu Phrasen, wodurch wesentlich ökonomischer gespeichert werden kann<br />

(siehe Miller, 1956; Miller & Selfridge, 1950).<br />

Das dreigeteilte Modell von Baddeley & Hitch (1974) ist nicht in der Lage für Chunking oder die oben<br />

genannten Beispiele eine Erklärung zu bieten.<br />

Eine weitere Frage, die durch das dreigeteilte Modell von Baddeley und Hitch (1974) unbeantwortet<br />

bleibt, ist, wie die beiden Subsysteme „phonologische Schleife“ und „visuell-räumlicher Notizblock“<br />

zusammenspielen. Selbst wenn diese Gedächtnisspeicher unabhängig sind, bleibt ungeklärt, wie die<br />

Informationen verbunden werden. Weiters zeigen sich deutliche Einflüsse des Langzeitgedächtnisses<br />

(LZG) auf das Arbeitsgedächtnis. Quasisensorisches Wissen aus dem LZG, wie die Vorstellung von<br />

bestimmten Szenen (Markt, Klang einer Telefonkonversation) beeinflusst die Gedächtniskapazität.<br />

Baddeley (2002) hat auf Grund all dieser unbeantworteten Fragen sein Arbeitsgedächtnismodell weiterentwickelt<br />

und eine vierte Komponente in sein Modell aufgenommen. Diese Komponente nennt sich<br />

episodischer Puffer (Baddeley, 2000a, 2001, 2002). Von diesem episodischen Puffer wird angenommen,<br />

dass er für ein Gedächtnissystem steht, welches multimodale Codes verwendet. Der episodische<br />

Puffer wird in dem Sinn verstanden, das verbundene Episoden oder Szenen in einem Puffer<br />

gehalten werden, welcher mit begrenzter Kapazität eine Schnittstelle zwischen verschieden codieren-<br />

32


den Systemen darstellt. Einige dieser Funktionen wurden im Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley<br />

und Hitch (1974) definitiv der Zentralexekutive zugeordnet.<br />

„Die Zentralexekutive wird jetzt neu definiert als reines Aufmerksamkeitssystem, dessen Funktion außerhalb<br />

der Erinnerungsfunktion liegt (Baddeley & Logie, 1999), wohingegen der episodische Puffer<br />

rein mnestischen Charakter hat.“ (Baddeley, 2002).<br />

Abbildung: Baddeley., A. (2002) S.93<br />

Das aktuelle Modell des Arbeitsgedächtnisses, ergänzt durch Verbindungen zum Langzeitgedächtnisses (LZG)<br />

durch beide Subsysteme (visuell-räumlicher Notizblock und phonologische Schleife) und dem neu hinzugefügten<br />

Subsystem, dem episodischen Buffer (Baddeley, 2000a).<br />

Folgende zwei Funktionen werden nun dem episodischen Puffer zugeordnet:<br />

1. Er wird als Verbindung zwischen den zwei untergeordneten Systemen und verbalen und visuellen<br />

LZG gesehen. Die Verbindung funktioniert in alle Richtungen, die untergeordneten Systeme<br />

„füttern“ das LZG. Das LZG wiederum unterstützt durch implizites Wissen aus sprachlichem<br />

und räumlichem Wissen die Bildung von Mustern, die den Abruf erleichtern.<br />

2. Der episodische Puffer verknüpft Informationen aus dem LZG mit den untergeordneten Systemen.<br />

Zwischen den untergeordneten Systemen: „ Visuell-räumlicher Notizblock, Episodischer Puffer und<br />

Phonologischer Speicher“ sind keine Pfeile eingezeichnet, um darzustellen, dass die Verbindung zwischen<br />

diesen von der Zentralexekutive abhängt. Diese Annahme wird laut Baddeley (2002) noch weiter<br />

überprüft, eventuell sind diese Untersysteme doch direkt miteinander verbunden.<br />

Überprüfung:<br />

33


Baddeley hat mit seinen Kollegen eine Überprüfung gefunden, die sich „Constrained Sentence Span“<br />

(Satzspanne) nennt. Das Ziel war, ein Messinstrument zu finden, welches die Gedächtnisspanne in<br />

ihrer Leistung durch das Nutzen von verbaler, semantischer und visuell-räumlicher Information beeinflusst.<br />

Die oben genannten Autoren haben Sätze gebildet, die aus einem eingeschränkten Wortschatz<br />

mit einfacher Satzstruktur jeweils in der Länge variieren. Durch das Nachsprechen dieser Sätze wird<br />

die Gedächtnisspanne ermittelt.<br />

Neuropsychologisch wird diese episodische Pufferfunktion durch fMRI - Studien dem Frontallappen<br />

zugeordnet (Prabhakaran et al., 2000).<br />

Die Rolle der Gedächtnisleistungen in der Arithmetik<br />

Zentralexekutive<br />

Artikulatorische Schleife<br />

Phonologische Repräsentation<br />

Aufzählung des artikulatorischen<br />

Codes<br />

z.B.: KZG Spanne<br />

Zählen<br />

*Behalten der Zwischenergebnisse<br />

Initiiert & leitet Verarbeitung<br />

Abruf aus dem LZG<br />

Berechnung & Durchführung der Prozeduren<br />

Übertrag/ Ausborgen<br />

Behalten der Zwischenergebnisse<br />

*Überwacht das Beibehalten der Spur<br />

Visuell-räumlicher<br />

Notizblock (Speicher)<br />

Visuelle & räumliche<br />

Repräsentation<br />

Aufrechterhaltung und<br />

Manipulation der visuellen und<br />

räumlichen Codes<br />

z.B.: räumliche Rotation<br />

*Visuelle Charakteristik des<br />

Problems<br />

Information über die Position<br />

Abbildung: Ashcraft, 1995, S.17.: Adaptation von Baddeley´s Modell (1986) des Arbeitsgedächtnisses in Bezug<br />

auf Mathematisches Denken<br />

* Sternchen bedeuten Annahmen von Ashcraft<br />

Rechnen beinhaltet direkten Zugriff auf das arithmetische Wissen zu den verschiedenen Operationen<br />

(Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division). Einfache einstellige Rechnungen, wie z.B.: „9 + 4,<br />

oder 5 * 3“, werden durch direkten Zugriff auf gespeicherte Fakten oder eine Kombination aus Fakten<br />

und einer gespeicherten Rechenprozedur zur Lösung führen. Mehrstellige Operationen, wie „43 + 68,<br />

oder 34* 15“, benötigen den Abruf von Fakten plus die Prozeduren für mehrstellige Operationen, die<br />

34


den Übertrag oder das Borgen, berücksichtigen. Rechenprozesse sind fehleranfälliger und langsamer,<br />

wenn die Zahlen größer sind (= „problem-size effect) und wenn die Rechnungen mit Übertrag zu lösen<br />

sind.<br />

Die Beteiligung des Arbeitsgedächtnisses am Rechnen hilft diese Effekte zu erklären. Zu diesem<br />

Zweck und zum besseren Verständnis von Rechenvorgängen werden nun die einzelnen Komponenten<br />

des Arbeitsgedächtnisses ihrer Beteiligung an den Rechenprozessen im Folgenden genau beschrieben.<br />

Zentralexekutive und Rechnen<br />

Die Zentralexekutive ist, wie oben bereits beschrieben, verantwortlich für das Planen und Sequenzieren<br />

von Aktivitäten. Diese teilt auch die Aufmerksamkeitsressourcen den einzelnen Prozesses und<br />

Subsystemen des Gedächtnisses zu.<br />

Bei einer Additionsaufgaben wie z. B.: 36 + 54, würde die Zentralexekutive verantwortlich sein für das<br />

Halten der Spur im Sinne der Prozedur, welche Teile der Addition bereits durchgeführt worden ist und<br />

welche noch nicht.<br />

Weiters ist die Zentralexekutive zuständig für den Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis<br />

(Gathercole und Pickering, 2001), wie dem Abruf über das Wissen um bestimmte Rechenprozeduren<br />

und dem Faktenwissen (3x3=9). Die Aufmerksamkeitsanforderungen des Faktenabrufs für die<br />

speziellen Aufgaben scheint den Verbrauch an Ressourcen der Zentralexekutive direkt zu beeinflussen<br />

(DeStefano & LeFevre; 2004).<br />

Weniger gut verfügbare Informationen, welche weniger stark assoziiert sind, (schwierigere Aufgaben)<br />

nehmen vermutlich mehr Kapazität der Zentralexekutive ein (Lemaire, Abdi, Fayol, 1996). Dieser<br />

Sachverhalt ist von Bedeutung, da die Zentralexekutive, wie die anderen Gedächtniskomponenten,<br />

nur begrenzte Kapazität hat.<br />

Zahlreiche Studien (Bull, Johnston & Roy, 1999., Bull und Scerif, 2001., Adams und Holmes, 2004.)<br />

bringen die rechnerischen Fertigkeiten ganz klar in Zusammenhang mit den Funktionen der Zentralexekutive.<br />

Sie messen hohe Korrelationen zwischen den rechnerischen Fertigkeiten und verschiedenen<br />

Messwerten zentralexekutiver Funktionen.<br />

Phonologische Schleife und Rechnen<br />

Von der artikulatorischen Schleife, spezialisiert auf sprachliche Inhalte, wird angenommen, daß sie in<br />

Zählprozesse, wie Abzählen und das Aufzählen der Zahlwortreihe, involviert ist. Aufgaben, die durch<br />

Zählprozesse gelöst werden, verbrauchen Ressourcen aus der artikulatorischen Schleife. Dazu gehört<br />

das Halten der Spur beim Abzählen, welche Items schon gezählt sind und welche nicht, und das Halten<br />

der Spur in der Zahlwortsequenz.<br />

Die phonologische Schleife, die auf sprachliche Information spezialisiert ist, speichert in der Arithmetik<br />

die Operanden und die Zwischenergebnisse (DeStefano und LeFevre, 2004).<br />

35


Hasselhorn und Schumann-Hengsteler (2002) meinen, dass die phonologische Schleife beim mentalen<br />

Addieren und Subtrahieren dann besonders genutzt wird, wenn die Aufgaben über den reinen Abruf<br />

von einfachen Fakten hinausgehen.<br />

In so genannten „dual-task“ Aufgaben, bei welchen Kinder neben dem Lösen von Additionen noch ein<br />

Wort vor sich hin sprechen mussten, zeigt sich ein deutlicher Leistungsabfall (Adams und Hitch,<br />

1998), im Gegensatz zu anderen Zusatzaufgaben. 7 und 11 jährige Kinder zeigten in der Studie von<br />

Adams und Hitch (1998) diesen deutlichen Leistungsabfall bei verbalen Zusatzaufgaben, was darauf<br />

hinweist, dass die phonologische Schleife beim Rechnen von Additionen sowohl bei 7 als auch bei 11<br />

jährigen Schülern involviert ist.<br />

Visuell-räumlicher Notizblock und Rechnen<br />

In Bezug auf Rechnen nimmt Ashcraft (1995) nach dem Modell von Baddeley (1974, 1986) an, dass<br />

der visuell-räumliche „Notizblock“ bei allen Aufgaben, bei welchen Ziffern in Reihen- und Zeilenpositionen<br />

bearbeitet werden müssen, eine Rolle spielt.<br />

Der visuell-räumliche Notizblock kann in der Arithmetik auch dazu dienen, das Problem und seine Lösung<br />

visuell zu repräsentieren (DeStefano und LeFevre, 2004).<br />

McKenzie, Bull & Gray (2003) untersuchten die kognitiven Prozesse beim Rechnen in verschiedenen<br />

Altersstufen. Sie fanden, dass im Gegensatz zu Erwachsenen, die beim Kopfrechnen mehr auf phonologische<br />

als auf visuelle Codes (z.B. Logie, Gilhooly & Wynn, 1994) zurückgreifen, Kinder andere Strategien<br />

zum Rechnen verwenden. Abhängig vom Alter unterscheiden sich die Rechenstrategien beim<br />

Kopfrechnen. Da die Angaben, wie Kinder Rechnen noch relativ unverlässlich sind, haben oben genannte<br />

Autoren bei Kindern die Methode der konkurrierenden Störung (concurrent disruption), oder<br />

auch „dual-task“ Methode. Kinder im Alter von 6 bis 7 und 8 bis 9 Jahren wurden mit einfachen arithmetischen<br />

Aufgaben unter verschiedenen konkurrierenden Bedingungen getestet. Die jüngeren Kinder<br />

(6 bis 7 Jahre) wurden signifikant durch visuell-räumliche Zusatzaufgaben im Rechnen gestört,<br />

während die älteren Kinder sowohl Störungen durch visuell-räumliche Zusatzaufgaben als auch durch<br />

sprachliche Zusatzaufgaben zeigten.<br />

Die Autoren folgern, dass jüngere Kinder den visuell-räumlichen Notizblock als mentalen Notizblock<br />

für das Halten und Manipulieren eines Bildes der notwendigen Information verwenden, weil der subvokale<br />

Rehearsalprozess noch nicht so weit entwickelt ist, dass verbale Strategien funktionieren.<br />

Ab einem Alter von 9 Jahren, wenn Kinder die Rehearsal-Strategie spontan anwenden, verlassen sich<br />

die Kinder zunehmend mehr auf verbale Strategien, welche von der phonologischen Schleife unterstützt<br />

werden. Ab diesem Alter verwenden die Kinder sowohl visuell-räumliche als auch verbale Strategien<br />

zum Kopfrechnen (McKenzie et al. 2003).<br />

Weitere Zusammenhangsstudien:<br />

36


Grube und Barth (2004) untersuchten Zusammenhänge zwischen den Gedächtnisspannen (GS) vorwärts<br />

(Zahlen Nachsprechen vorwärts) und rückwärts (Zahlen Nachsprechen rückwärts), sowie den<br />

Leistungen im Basisrechnen (Faktenabruf von Additionen und Subtraktionen) und etwas weiter gefassten<br />

arithmetischen Rechenleistungen (DEMAT 3 Vorform). Sie finden durch die Untersuchungsergebnisse<br />

die Bestätigung, dass sowohl die phonologische Schleife (Zahlen Nachsprechen vorwärts)<br />

und die Zentralexekutive (Zahlen Nachsprechen rückwärts) des Arbeitsgedächtnisses, als auch die<br />

Basisfertigkeiten in Addition und Subtraktion bedeutsamen Einfluss auf die Rechenleistungen haben.<br />

Ein interessantes Detail dieser Studie ist die bedeutsame Korrelation von GS rückwärts und dem Basisrechnen<br />

im Gegensatz zur Korrelation der GS vorwärts, die nicht bedeutsam ist. Die Autoren gehen<br />

davon aus, dass die Leistungsfähigkeit der Zentralexekutive wesentlich entscheidender für das Basisrechnen<br />

ist, als die der phonologischen Schleife, weil der Abruf von arithmetischen Fakten in engem<br />

Zusammenhang zur Leistungsfähigkeit der Zentralexekutive gesehen wird.<br />

Die Zahlenspanne (vorwärts und rückwärts) aus dem HAWIK zeigte in der Untersuchung von Dowker<br />

(1998) eine enge Beziehung zum Schätzen, mit sonst aber keiner Komponente ihrer Rechenmesswerte<br />

(Arithmetik rechnen, Fakten ableiten).<br />

Gathercole & Pickering (2001) untersuchten unterschiedliche Gedächtniskomponenten und deren Zusammenhang<br />

zu schulischen Leistungen bei 7 bis 8 jährigen Schülern. Die beiden Autorinnen bemerkten<br />

bei Schülern mit speziellem Förderbedarf spezifische Defizite in den Leistungen der Zentralexekutive<br />

(Zahlen Nachsprechen rückwärts). Das Zahlen Nachsprechen rückwärts erlaubt eine genaue<br />

Vorhersage der Kinder mit speziellem Förderbedarf ein Jahr zuvor. Alle anderen Gedächtniskomponenten,<br />

die sich auf die phonologische Schleife und das visuell-räumliche Gedächtnis bezogen,<br />

zeigten nicht so starke Effekte.<br />

Holmes und Adams (2004) untersuchten den Einfluss des Arbeitsgedächtnisses auf Mathematik bei<br />

einschulenden Kindern (5 Jahre) systematisch. Sie fanden signifikante Zusammenhänge zwischen<br />

den einzelnen Komponenten des Arbeitsgedächtnisses (Phonologische Schleife, Zentralexekutive und<br />

Visuell-räumlicher Notizblock) und der rechnerischen Leistung von Kindern. Die höchsten Korrelationen<br />

fanden sich zwischen den Leistungen der Zentralexekutive und Mathematik. Die verschiedenen<br />

Messwerte des Arbeitsgedächtnisses erklärten insgesamt 32% der Varianz in der Rechenleistung.<br />

Den größten Anteil daran hatten die Werte der zentralexekutiven Funktionen, gefolgt von visuellräumlichen<br />

und dann erst phonologischen Funktionen. Die Autoren diskutieren, dass der Einfluss der<br />

phonologischen Schleife auf das Rechnen wahrscheinlich erst, wenn die Kinder älter sind, zum Tragen<br />

kommt.<br />

Sie nehmen an, dass die Messung der Zentralexekutiven Funktionen zur Vorhersage der schulischen<br />

Leistungen in Mathematik einen wertvollen Beitrag leisten können.<br />

Zur Vorhersage einer Rechenschwäche konnten Gedächtnisfähigkeiten laut Krajewski (2003) allerdings<br />

nur einen unspezifischen Beitrag leisten. Sie hat die Gedächtnisleistungen mittels Zahlenspanne,<br />

Nachklopfen und Anzahlerfassung (Punktemuster) operationalisiert.<br />

37


Kritik: Studien, wie die von Holmes und Adams (2004), Gathercole und Pickering (2001) belegen,<br />

dass die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses, die in diesem Alter mit Rechnen stark zusammenhängen<br />

vor allem in den Zentralexekutiven Funktionen und visuell-räumlichen Funktionen zu finden<br />

sind. Krajewski hatte keine dieser Gedächtnisfunktionen überprüft, weshalb die geringen Zusammenhänge<br />

nicht verwunderlich sind.<br />

Zusammenfassung<br />

Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1986, 2000a) und Baddeley und Hitch (1974) hat bis<br />

heute einen wertvollen Beitrag zum funktionellen Verständnis des Arbeitsgedächtnisses beigetragen.<br />

Die Komponenten:„Visuell-räumlicher Notizblock, Episodisches Gedächtnis und Phonologische Schleife“,<br />

die funktionell von der Zentralexekutive abhängen, steuern unterschiedliche Teilfunktionen des<br />

Arbeitsgedächtnisses. Diese drei Subkomponenten stehen über die Zentralexekutive miteinander in<br />

Verbindung und haben direkte Verbindungen zum Langzeitgedächtnis.<br />

In Bezug auf das Rechnen leistet jede dieser Subkomponenten des Arbeitsgedächtnisses einen spezifischen<br />

Beitrag. Den größten Zusammenhang oder Einfluss auf die arithmetischen Rechenleistungen<br />

scheinen die zentralexekutiven Funktionen zu haben. Die Zentralexekutive initiert und leitet die Verarbeitung<br />

der Zahlen und Rechenprozduren. Sie hilft beim Abruf der Fakten aus dem Langzeitgedächtnis<br />

und zeigt sich mitverantwortlich für das Behalten der Zwischenergebnisse (Ashcraft, 1995). Grube<br />

et al. (2004) finden sehr starke Zusammenhänge zwischen Funktionen der Zentralexekutive und dem<br />

Basisrechnen, mehr als Funktionen der phonologischen Schleife.<br />

Die artikularische Schleife hilft bei der Aufzählung aller artikulatorischen Codes, z.B.: „Zählen“ und<br />

spielt laut Ashcraft auch eine Rolle beim Behalten der Zwischenergebnisse, speichert die Operanden<br />

und liefert beim Abzählen die Zahlwortreihe und behält beim Zählen die Spur (Ashcraft, 1995). Jedenfalls<br />

zeigen sogenannte „dual-task“ Aufgaben bei Kindern (7 und 11 Jahre), dass sowohl beim Addieren<br />

als auch Subtrahieren die phonologische Schleife massiv involviert ist (Adams und Hitch, 1998).<br />

Der visuell-räumliche Notizblock zeigt seine Beteiligung bei allen Aufgaben, bei denen Ziffern in Reihen-<br />

und Zeilenpositionen bearbeitet werden müssen. Vor allem jüngere Kinder zeigen massive Störeffekte,<br />

wenn sie zu den arithmetischen Aufgaben noch visuell-räumliche Zusatzaufgaben bearbeiten<br />

sollen. Mc Kenzie et al. (2003) vermuten, dass Kinder in diesem Alter eventuell den visuell-räumlichen<br />

Notizblock als mentalen Notizblock verwenden, um Aufgaben in Form eines Bildes zu speichern und<br />

als solches bearbeiten.<br />

38


Modelle der Zahlenverarbeitung<br />

Dehaene (1992, 1999) – Triple Code Modell<br />

Stanislav Dehaene hat ein Modell für die Kodierung und Verarbeitung von Zahlen aufgestellt, welches<br />

auf Funktionseinheiten basiert, die jeweils spezifischen Regionen des Gehirns zugeordnet sind.<br />

Der Begriff Modul stammt aus der Kognitionspychologie und bedeutet eine umschriebene Funktionseinheit,<br />

die eigenständig bestimmte Aufgaben des Denkens automatisiert und mit hoher Geschwindigkeit<br />

ausführt.<br />

Dehaene (1992,1999) beschreibt im „Triple Code Model“ drei Module von denen er annimmt, dass sie<br />

für unterschiedliche Bereiche der Zahlenverarbeitung zuständig sind:<br />

1. Auditiv-sprachliche Repräsentation<br />

2. Visuell-arabische Repräsentation<br />

3. Analoge Repräsentation von Größen (Schätzen)<br />

Diese drei Module werden als autonome Funktionseinheiten betrachtet, die jeweils an spezifischen<br />

Regionen des Gehirns lokalisiert sind. Zahlen scheinen mental in drei verschiedenen Codes repräsentiert<br />

zu sein (verbal, arabisch und als Größe). Jede Verarbeitungsprozedur ist an ein spezifisches Einund<br />

Ausgabesystem gebunden. Über Transkodierungsprozesse sind die drei Module miteinander verbunden.<br />

39


Abbildung: „Triple-Code-Model“ nach Dehaene (1992) aus von Aster (2001) Handbuch Zareki S.8<br />

In der auditiv-sprachlichen Repräsentation werden gesprochene, gehörte, „ausgeschriebene“ oder<br />

gelesene Zahlwörter („dreizehn“) transformiert oder verarbeitet. Das Modul bezieht sich auf Zahlenverarbeitung<br />

(Input) und Produktion (Output).<br />

Phonologische Wortformen ohne numerische Bedeutung sowie arithmetische Fakten sind hier enthalten.<br />

Ebenso sind hier Zählprozesse und –prozeduren verankert.<br />

Die visuell-arabische Repräsentation ist für das Lesen und Schreiben von Zahlen in Ziffern-Form<br />

(13) verantwortlich. Sie verfügt über eine stellenwertspezifische Syntax, die von der sprachgebundenen<br />

Form differiert.<br />

40


Die analoge Repräsentation von Größen ist für das Erfassen von Mengen in ihrer Mächtigkeit, sowie<br />

für Überschlagsrechnen (Schätzen) und die Beurteilung von numerischen Beziehungen zuständig.<br />

Laut Dehaene (1992) kann jeder Mensch eine Zahl auf einer inneren Vergleichsgröße einordnen<br />

(mentale Abbildung eines Zahlenstrahls) und so Schätzungen und Überschlagsrechnungen durchführen<br />

und numerische Beziehungen von Zahlen feststellen.<br />

Abbildung: Dehaene 1997, S.221. „ Schematische anatomische und funktionale Darstellung des Triple-Code Modells<br />

(adaptiert von Dehaene und Cohen, 1995)<br />

Visuell-arabischer Code: lokalisiert um linken und rechten inferioren ventralen occipito-temporalen<br />

Gebiet, in welchem Zahlen als Kette von Ziffern repräsentiert sind.<br />

Diese Repräsentation unterstützt mehrstellige Operationen und Gleichheitsentscheidungen (z.B.: 12<br />

ist eine gerade Zahl, weil 2 am Schluss steht.).<br />

Analoger- oder Mengencode: dem rechten und linken Parietalhirn zugeordnet, in welchem Zahlen in<br />

einer Zahlenlinie angeordnet sind. Diese Repräsentation unterstützt semantisches Wissen über: Numerische<br />

Größen, inklusive Nähe (z.B. 8 ist in der Nähe von 9) und größer/kleiner Relationen (Z.B.: 8<br />

ist kleiner als 9).<br />

Verbaler Code: wird den linkshemisphärischen perisylvischen Gebieten zugeordnet, in welchen Zahlen<br />

als eine Reihe von Worten gespeichert sind. Diese Repräsentationsform ist der primäre Code für<br />

den Zugang zum verbalen Gedächtnis für auswendig gelernte arithmetische Fakten (4 + 6 = 10, 3 * 3<br />

= 9).<br />

Dehaene (1997) beschreibt zwei grundlegende Wege durch welche einfache einstellige arithmetische<br />

Aufgaben gelöst werden.<br />

41


1. Der direkte Weg funktioniert so, dass die Operanden (4 * 8) in verbale Repräsentationen (vier<br />

Mal acht) übersetzt werden. Dieser verbale Code versucht dann einen verbalen Eintrag für<br />

diesen auswendig gelernten Fakt im verbalen Gedächtnis (vier Mal acht ist 32) zu finden. Die<br />

kritischen Punkte für diesen verbalen Weg sind: visuelle Identifikation, visuell-verbale<br />

Transkodierung, und verbaler Faktenabruf. Dieser Weg läuft völlig ohne die Bedeutung der<br />

Zahlen zu beachten ab. Dieser direkte Weg wird laut Dehaene et al. (1997) für einfache arithmetische<br />

Aufgaben, wie einstellige Multiplikationen und einstellige Additionen verwendet.<br />

2. Beim zweiten Weg, dem indirekten semantischen Weg, werden die Operanden als quantitative<br />

Repräsentationen kodiert. Semantisch bedeutungsvolle Operationen werden dann auf dieser<br />

internen Größe durchgeführt und anschließend in Zahlworte übersetzt. Zum Beispiel die<br />

Rechnung: „15-2“ wird auf der Zahlenrepräsentationslinie bei der 15 begonnen und davon<br />

zwei abgezogen, sodass dann 14 und schließlich 13 erreicht wird. Dieses Ergebnis wird anschließend<br />

verbal bezeichnet. Dehaene et Cohen (1997) nehmen an, dass dieser Weg dann<br />

eingeschlagen wird, wenn kein Fakt zur Verfügung steht, wie es oft bei Subtraktionen der Fall<br />

ist.<br />

Genaue Untersuchungen haben gezeigt, dass die Größenrepräsentation auch dann aktiviert wird,<br />

wenn diese für die Rechnung gar nicht gebraucht wird (u.a. Dehaene und Akhavein, 1995; Dehaene<br />

et al., 1993). Das bedeutet, dass obwohl jedes anatomische Gebiet seine genaue Funktion<br />

hat, trotzdem bei normalen Rechnungen doch zumeist schnelle mehrschichtige Interaktionen zwischen<br />

den anatomischen Kreisläufen statt stattfinden (Dehaene et al. 1997).<br />

Dehaene (1999) versuchte die wichtigsten, an der Zahlenverarbeitung beteiligten, zerebralen Areale<br />

graphisch darzustellen, die er später durch bildgebende Verfahren teilweise belegen konnte (Dehaene,<br />

Spelke, Pinel, Stanescu und Tsivkin. 1999).<br />

Beide Hemisphären können mit arabischen Zahlen umgehen, aber nur die linke hat Zugang zur linguistischen<br />

Repräsentation der Ziffern und zum verbalen Gedächtnis für einfache arithmetische Fakten.<br />

Beim Schätzen und exakten Berechnen sind laut Untersuchungen von Dehaene (Dehaene et al.<br />

1999) jeweils unterschiedliche Areale beteiligt, womit die Annahme der „Analogen Repräsentation von<br />

Größen“ und die „auditiv-sprachliche Repräsentation“ Bestätigung gefunden hat.<br />

42


Beteiligte Hirnareale beim Schätzen und exakten Rechnen (Dehaene et al., 1999; aus von Aster,<br />

2001a, S.428)<br />

V.Aster (2002) untersuchte Aktivitätsmuster bei Kindern und fand bei Schulkindern dieselben Aktivierungsmuster<br />

für das exakte Rechnen wie bei Erwachsenen. Das Schätzen allerdings fand er bei den<br />

Kindern, anders als bei Erwachsenen, in denselben sprachregulierenden Hirnarealen Aktivierung wie<br />

das exakte Rechnen. Der Autor (v.Aster 2002) vermutet, dass das neuronale Netzwerk für die mentale<br />

Zahlenlinie, welche das Schätzrechnen ermöglicht, bei Kindern der 3.-5. Schulstufe erst ausgebildet<br />

werden muss.<br />

Zusammenfassung<br />

Das Triple-Code-Modell gehört wohl zu den bekanntesten Modellen der Zahlenverarbeitung. Es geht<br />

von der Annahme aus, dass 3 verschiedene Module im Wesentlichen an der Zahlenverarbeitung beteiligt<br />

sind. Diese drei Funktionseinheiten beziehen sich auf das Schätzrechnen (analoge Mengenrepräsentationen)<br />

die arabische Zahlendarstellung oder -verarbeitung und die verbale Repräsentation<br />

und Verarbeitung für Zahlen. Jedes Modul erfüllt speziell zugeordnete Funktionen, die aber auch miteinander<br />

verknüpft sind und gleichzeitig arbeiten. Dehaene hat durch zahlreiche Untersuchungen<br />

nach den neuroanatomischen Grundlagen dieser Funktionseinheiten geforscht und cerebrale Lokalisationen<br />

für diese unterschiedlichen Funktionsmechanismen gefunden.<br />

Stroop-Aufgaben<br />

Andere Autoren beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit das arabische Format die analoge Repräsentation<br />

(mentale Zahlenlinie) aktiviert und Zahlen deshalb ganzheitlich verarbeitet werden. Für diese<br />

Frage wurde von Dehaene, Bossini und Giraux (1993) von der „Stroop-Aufgabe“ Gebrauch gemacht.<br />

Für diese Aufgabe werden den Versuchspersonen zwei Zahlen gezeigt, von denen sie die numerisch<br />

größere identifizieren sollen. Gleichzeitig variiert die physikalische Größe der dargebotenen Zahlen,<br />

43


sodass sie entweder mit der Mächtigkeit der Zahl übereinstimmt oder sich widerspricht. Die Autoren<br />

beobachteten einen Kongruenzeffekt, was bedeutet, dass die irrelevante Dimension (z.B. physikalische<br />

Größe) automatisch mitverarbeitet wird. Deshalb schlussfolgerten die Autoren, dass der Zugriff<br />

auf die numerische Information bei arabischer Zahleninformation (und umgekehrt) beim Erwachsenen<br />

automatisch erfolgt.<br />

Girelli, Lucangelli and Butterworth (2000) verwendeten diese Stroop-Aufgaben, um die entwicklungsbedingten<br />

Veränderungen in der automatischen und intentionalen Verarbeitung von arabischen Zahlen<br />

zu untersuchen. Sie stellten diese Aufgaben zum Mächtigkeitsvergleich von Zahlenpaaren in unterschiedlicher<br />

physikalischer Größe Kindern und Jugendlichen unterschiedlichen Alters und stellten<br />

fest, dass der Größen-Kongruenzeffekt zwischen numerischer und physikalischer Größe nur bei älteren<br />

Kindern und Erwachsenen zu messen ist. Kinder von 6 Jahren rufen noch nicht automatisch die<br />

analoge Zahlenrepräsentanz ab, wenn sie mit arabischen Zahlen konfrontiert werden. Wiederum liegt<br />

der Schluss nahe, dass die Zahlenverarbeitung sich stufenweise mit Zunahme der numerischen Kompetenzen<br />

entwickelt. Fayol & Seron (2004) nehmen an, dass sich die präzise Beziehung zwischen<br />

dem arabischen Code und der analogen Repräsentation rasch im Alter zwischen 6 bis 9-10 Jahren<br />

entwickelt.<br />

Kritik:<br />

Da sich, wie oben erwähnt, eine präzise Beziehung zwischen numerischem Code und der inneren<br />

Repräsentanz entwickelt, stellt sich mir die Frage, inwiefern es gerechtfertigt erscheint von zwei unabhängigen<br />

Modulen (Funktionseinheiten) zu sprechen.<br />

Das McCloskey Modell<br />

Dieses Modell ist im eigentlichen Sinne kein „neuropsychologisches Modell“, da es auf die entsprechenden<br />

Lokalisationen im Gehirn weniger eingeht. Es ist aber auf funktionaler Ebene den bisher genannten<br />

Modellen sehr ähnlich, so dass es Sinn macht das Modell von McCloskey an dieser Stelle<br />

anzuführen.<br />

Das Modell von McCloskey, Caramazza & Basili (1985; in McCloskey, 1991) über numerisch/rechnerische<br />

Prozesse unterscheidet grundsätzlich zwischen 3 funktionell unabhängigen Mechanismen,<br />

nämlich dem Verständnis von Zahlen (arabisch, verbal), der Produktion von Zahlen (arabisch,<br />

verbal) und der Durchführung von einfachen Rechnungen, welche durch eine interne semantische<br />

Repräsentation miteinander verbunden sind .<br />

44


Abbildung: McCloskey, 1992, S.113.: Das McCloskey Modell<br />

Schematische Darstellung der Hauptverarbeitungskomponenten nach McCloskey, Caramazza & Basili (1985):<br />

Modell der numerischen Verarbeitung und des Rechnens<br />

Das numerische Verständnis von Zahlen wandelt numerische Inputs in internale, semantische Repräsentationen<br />

(Größenvorstellungen) für die weitere Verwendung in darauf folgenden kognitiven Prozessen,<br />

wie das Durchführen von Berechnungen, um.<br />

Numerische Produktionsmechanismen übersetzen dann die interne semantische Repräsentation von<br />

Zahlen in die entsprechende Form des Outputs (arabisch oder verbal). Die semantische internale<br />

Repräsentation bildet sozusagen den Flaschenhals für jede numerische Operation.<br />

Beim McCloskey Modell finden die Berechnungen unabhängig vom Ein- und Ausgabemodus statt.<br />

45


Semantische Repräsentationen<br />

Von den internen semantischen Repräsentationen wird angenommen, dass sie in abstrakter Form die<br />

Größe einer Zahl angeben und den Bezug zur 10 oder 10er Potenz.<br />

Bei den Additionen wird zusätzlich zur Unterscheidung zwischen Verständnis- und Produktionsmechanismen<br />

noch zwischen einer Komponente zur Verarbeitung von arabischen Zahlen (Zahlen in Ziffernform<br />

z.B. 362) und einer Komponente zur Verarbeitung von verbalen Zahlen (Zahlworten, wie z.B.<br />

dreihundertzweiundsechzig) differenziert.<br />

Arabische und verbale Mechanismen<br />

Innerhalb der arabischen und verbalen Zahlververständnis- und Zahlproduktionsmechanismen unterscheidet<br />

das McCloskey Modell zwischen lexikalischen und syntaktischen Verarbeitungsmechanismen.<br />

Die lexikalische Verarbeitung beinhaltet Verständnis und Produktion der einzelnen Elemente einer<br />

Zahl in ihrer Wortbedeutung (z.B. die Zahl 3 oder das Wort „drei“).<br />

Die syntaktische Verarbeitung beinhaltet die Verarbeitung der Beziehung zwischen den Elementen<br />

(z.B. Anordnung der Worte) um die Zahl als Ganzes zu Vergleichen oder zu Produzieren.<br />

Die Übersetzung der verbalen Zahl „Sechshundert vierzig“ in eine semantische Repräsentation (Größenvorstellung)<br />

benötigt die lexikalische Verarbeitung der Worte „sechs, hundert, vierzig“ genauso wie<br />

die syntaktische Verarbeitung, dass sechs gefolgt von zwei Nullen sechs mal hundert in der semantischen<br />

Repräsentation bedeutet.<br />

Schlussendlich unterscheidet McCloskey innerhalb der lexikalischen Verarbeitung für verbales Verstehen<br />

und Produzieren zwischen einem phonologischen Verarbeitungsmechanismus für gesprochene<br />

Zahlen und einem graphematischen Verarbeitungsmechanismus für geschriebene Zahlen.<br />

Z.B. das gesprochen produzierte Wort „sechs“ benötigt den Abruf der phonologischen Repräsentation<br />

(sex) eines phonologischen Abruflexikons, wohingegen das geschrieben produzierte Wort sechs die<br />

graphemische Repräsentation „s e c h s“ aus einem graphemischen Lexikon abruft.<br />

Rechenmechanismen<br />

Um Rechnungen durchführen zu können, benötigt es zusätzlich zum Zahlenverständnis und zur Zahlenproduktion<br />

arithmetik-spezifische kognitive Prozesse.<br />

Im speziellen sind dies beim Modell von McCloskey<br />

1. eine Komponente zum Verständnis der Operationszeichen ( + )<br />

2. Verständnis der Signalworte für Operationen (plus)<br />

3. den Abruf arithmetischer Fakten<br />

4. und das Wissen um die Durchführung der Rechenprozeduren<br />

Angenommen das Problem lautet beispielsweise:<br />

62 * 58 =<br />

In Bezug auf das oben genannte Modell würde die Verarbeitung des Operationszeichens „* “ zu einer<br />

Aktivierung der Multiplikationsprozedur führen. Diese Prozedur, die einen genau geordneten Plan für<br />

46


die Lösung einer Multiplikation zur Verfügung stellt, wird als erstes die rechten Ziffern fokussieren (in<br />

diesem Beispiel 2 und 8).<br />

Jetzt wird der Zahlenverständnisprozess aktiviert, um die Ziffern in eine abstrakte interne Repräsentation<br />

umzuwandeln. Diese Repräsentation gemeinsam mit der Repräsentation der Operation wird dann<br />

als Input für den Faktenabrufprozess genommen, welcher dann gegebenenfalls eine abstrakte interne<br />

Repräsentation des Produkts retourniert. Die Multiplikationsprozedur wird dann die Einerziffer abrufen,<br />

um diese dann in arabischer Form in die rechte Kolumne zu schreiben. Hierfür ist eine Übersetzung<br />

der internen Repräsentation in die arabische Ziffer notwenig, die dann niedergeschrieben wird.<br />

Die Multiplikationsprozedur wird auf diese Weise fortgesetzt bis alle Teilprodukte berechnet sind. An<br />

dieser Stelle wird die Additionsprozedur abgerufen, um die Teilprodukte zusammenzuzählen, zu<br />

schreiben und zu kontrollieren.<br />

Zusammenfassung<br />

Das McCloskey Modell beschreibt Prozesse der numerischen Kognition beim Rechnen. Der numerische<br />

Input gleich welcher Modalität wird zunächst in einen abstrakten semantischen Code übersetzt.<br />

Dieser abstrakte Code (oder auch abstrakte, interne semantische Repräsentation genannt) wird durch<br />

Signalworte und semantische Informationen weiterverarbeitet. Rechenprozesse und numerische Prozesse<br />

wie Größenvergleiche werden mit dem semantischen Code durchgeführt. Wenn die Berechnung<br />

fertig ist, wird der abstrakte Code in den passenden Output-Code übersetzt.<br />

Eine wichtige Aussage des McCloskey Modells ist, dass die verschiedenen Prozesse des Rechnens<br />

(Enkodieren, Berechnen und Transkodieren in den Output-Modus) unabhängig voneinander stattfinden,<br />

das heißt zum Beispiel, dass die Eingabemodalität keine Rolle für die Berechnung und die Ausgabemodalität<br />

spielt.<br />

Kritische Betrachtungen<br />

Autoren wie Giaquinto (1995) bemängeln am Modell von McCloskey das Fehlen einer Komponente,<br />

die man als „Konzeptuelles Wissen“ bezeichnet. Dieses konzeptuelle Wissen unterscheidet sich vom<br />

Faktenwissen und prozeduralen Wissen grundsätzlich dadurch, dass Verständnis der arithmetischen<br />

Operationen und Regeln gefordert wird. Das „Wissen Warum“ steht beim konzeptuellen Wissen im<br />

Vordergrund, welches im Modell von McCloskey keine Erwähnung findet.<br />

DeStefano und LeFevre (2004) nehmen an, dass verschiedene Codes bevorzugt verwendet werden,<br />

um unterschiedliche arithmetische Operationen zu lösen. Aus diesem Grund ist das McCloskey Modell<br />

möglicherweise nicht ausreichend, um alle arithmetischen Prozesse abzudecken. Sie führen ein Beispiel<br />

von Lee und Klang (2002) an, um zu zeigen, dass unterschiedliche Prozeduren unterschiedliche<br />

Repräsentationssysteme bevorzugen. Lee und Kang ließen die koreanischen Probanden Multiplikations-<br />

und Subtraktionsaufgaben ausrechnen. Zusätzlich wurden phonologisch- und visuell-räumlichladende<br />

Aufgaben gestellt. Die Multiplikationsaufgaben wurden nur von der phonologischen Zusatzaufgabe<br />

gestört, die Subtraktionsaufgaben nur von der visuell-räumlichen. DeStefano und Lefevre<br />

(2004) schreiben, dass die mentalen Codes, die für die Arithmetik verwendet werden, von der Präsentationsform<br />

der Rechnung und von unterschiedlichen Gedächtnisfunktionen abhängen.<br />

47


Oben genannte Autoren gehen davon aus, dass die internen Codes nicht nur von der Aufgabenstellung<br />

abhängen, sondern auch oder viel mehr vom Format der Präsentation. Die Verarbeitungsprozesse<br />

des Encodierens und Berechnens interagieren miteinander. So gibt es deutliche Unterschiede zwischen<br />

verbaler und schriftlicher Präsentation in den Verarbeitungsmechanismen, auch die Darbietungszeit<br />

beeinflusst diese. Kurze Darbietungen und komplexe Aufgaben beanspruchen jedenfalls<br />

phonologische Ressourcen und die vertikale Darbietung (im Gegensatz zur horizontalen Darbietung)<br />

provoziert eher visuell-räumliche Arbeitsgedächtnisressourcen.<br />

Berichte von Dehaene (2004), der verschiedenste neuropsychologische Dissoziationen zusammenfasst<br />

(siehe später) zeigen deutlich, wie spezifisch verschiedene Teilfunktionen des Rechenprozesses<br />

verankert sind und wie viele Teilprozesse aber auch bei funktionierenden Rechenprozessen zusammenspielen.<br />

Insofern scheint mir das Modell von McCloskey relativ zu simpel, wenn es „Rechenmechanismen“<br />

so plakativ unabhängig von der Modalität (verbal, numerisch, analog) beschreibt.<br />

Abstrakte Zahlenrepräsentationen im Gehirn<br />

Obwohl höhere Mathematik zweifelsohne eine spezifisch menschliche Fähigkeit ist, so gilt doch die<br />

Annahme, dass die Grundlage des Rechnens so etwas wie ein „Zahlensinn“ oder „Zahlgefühl“ bildet.<br />

Dieser Zahlensinn, der das Verständnis für Mengen und deren Beziehungen darstellt, ist etwas sehr<br />

grundlegendes, universales, der sogar schon bei kleinen Kindern und Tieren ausgebildet ist.<br />

Der Zahlensinn ist eine Grundfertigkeit, welche unabhängig von der Sprache funktioniert. Es besteht<br />

die Hypothese, dass Menschen und Tiere in gewisser Weise eine sehr basale gemeinsame Grundlage<br />

für Arithmetik haben, auf der die spezifisch menschlichen mathematischen Leistungen dann aufbauen<br />

(Dehaene, 2003; Dehaene-Lambertz und Cohen, 1998).<br />

Ohne jetzt die numerischen oder arithmetischen Fähigkeiten von Tieren im Detail zu beschreiben,<br />

möchte ich zwei wesentliche Parallelen in Bezug auf die Zahlenrepräsentation anführen:<br />

1. Der numerische Distanzeffekt (numerical distance effect)<br />

Der Distanzeffekt, der bei Menschen und Tieren gefunden wird (Dehaene et al., 1998; Spelke et Dehaene,<br />

1999), bezieht sich auf die Feststellung, dass die Fähigkeit zwischen zwei Anzahlen (Mengen)<br />

zu unterscheiden umso besser ist, je größer der Abstand zwischen den zwei Zahlen (Mengen). Das<br />

heißt zum Beispiel, dass es leichter ist, zwischen 6 und 12 Elementen zu unterscheiden, als zwischen<br />

6 und 8.<br />

48


Der Distanzeffekt besteht bei realen Größen und Mengen, beim Menschen auch bei Zahlen. Diese<br />

Tatsache legt nahe, dass das menschliche Gehirn arabische Zahlen automatisch vom symbolischen<br />

Code in eine analoge Mengenrepräsentation übersetzt (Dehaene et al., 1998, Dehaene, 1999).<br />

2. Der Größeneffekt (number size effect)<br />

Der Größeneffekt bezieht sich auf die Tatsache, dass bei gleicher numerischer Distanz, die Unterscheidung<br />

zwischen zwei Anzahlen schwieriger wird, je größer die Zahlen. Das heißt zum Beispiel bei<br />

einer Distanz von zwei, ist es schwerer 10 von 12 zu unterscheiden, als 3 von 5.<br />

Bei bestimmten Aufgaben verwenden also auch Menschen dieselben Repräsentationsmechanismen<br />

wie Tiere. Diese Repräsentationsmechanismen sind geprägt von Unschärfe, von Schätzungen, die<br />

ungenauer werden, je größer die Zahlen.<br />

Affen können Zahlen nur in annähernder Weise speichern und verarbeiten. Aus diesem Grund wird<br />

angenommen, dass dieser „Schätzkode“ der natürliche Kode ist, Zahlen im Gehirn ohne Kenntnis der<br />

Sprache zu kodieren (Dehaene et al., 1999).<br />

Annahmen in Bezug auf die mentale Zahlenlinie<br />

Genau mit dieser Frage, wie gewisse kontinuierliche Reize, Empfindungen im Gedächtnis repräsentiert<br />

werden, haben sich schon Gründungsväter der experimentellen Psychologie beschäftigt. Ernst<br />

Weber beschrieb schon 1831 seine Erkenntnisse, die wir heute das Weber´sche Gesetz nennen, wie<br />

folgt: „Über einen großen dynamischen Spielraum, geltend für viele Parameter, steigt die Schwelle der<br />

Diskrimination zwischen zwei Stimuli linear mit der Stimulusintensität.“ oder: „Die Steigerung eines<br />

Stimulus, um eine gerade noch merkbare Änderung hervorzurufen, ist konstant.“ Später (1860) zeigte<br />

Gustav Fechner, dass das Weber´sche Gesetz die Begründung sein könnte, dass externe Stimuli in<br />

einer logarithmischen internalen Repräsentation skaliert werden.<br />

Später diskutierte Stevens, ob eine Potenzfunktion dieser internalen Skala nicht besser entspricht als<br />

eine logarithmische Funktion. Shepard (1975) führte eine multidimensionale Skaliermethode ein, um<br />

das internale Kontinuum auf geometrische Art abzubilden.<br />

Weber und Fechner konzentrierten sich in ihren Studien hauptsächlich auf perzeptive Kontinua, wie<br />

Lautstärke, Stevens und Shephard zeigten, dass abstraktere Parameter, wie der Zahlensinn, auch<br />

dem Weber´schen Gesetz folgen.<br />

49


Abb: Feigenson et. al. (2004) S. 309. Zwei Modelle der mentalen Zahlenlinie<br />

a) ein lineares Modell<br />

b) ein logarithmisches Modell<br />

Darstellung der mentalen Aktivierung als Funktion der Anzahl (Größe).<br />

Zwei konkurrierende Modelle der Zahlenlinie, die dasselbe Verhalten abbilden.<br />

Die oben abgebildeten Darstellungsmöglichkeiten werden noch immer heftig diskutiert, obwohl sie<br />

beide in der Lage sind, dasselbe Verhalten abzubilden. In beiden Modellen werden größere Mengen<br />

(Anzahlen) so dargestellt, dass sie sich mit Zunahme der Größe mehr und mehr mit den benachbarten<br />

Größen überschneiden. Diese Variabilität steigert die Wahrscheinlichkeit eine Zahl mit der benachbarten<br />

Zahl zu verwechseln (Feigenson et al., 2004).<br />

Dehaene (2003) schreibt, dass er und Changeux (1993) ein einfaches neuronales Netzwerk für die<br />

Abbildung der Größen vermuten, welches Zahlen logarithmisch kodiert, um eine Explosion des Speicherplatzes<br />

für eine interne Repräsentation zu verhindern.<br />

Diese Annahmen bestätigen sich an Versuchen mit Affen (Nieder und Miller, 2002), die zwei kleine<br />

Mengen zwischen 1 und 5 Elemente unterscheiden sollten. Die Ergebnisse der Mengendiskrimination<br />

sprechen klar für eine logarithmische Funktion und unterstützen somit das Weber- Fechner´sche Gesetz.<br />

Da Affen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Lage sind, die Zahlen 1 bis 5 exakt zu kodieren<br />

(z.B.: sprachlich) und dadurch einen linearen Code bilden, müssen sie die Größen in einer<br />

„Schätzskala“ kodieren. Diese Skala, die Zahlen nur ungefähr abbildet, ist für Dehaene (Dehaene,<br />

2003; Dehaene et al.1999) der natürliche Weg, Zahlen ohne Sprache zu repräsentieren.<br />

Der SNARC – Effekt<br />

Der SNARC – Effekt (Spatial Numerical Association of Response Code) reflektiert das Phänomen,<br />

dass kleine Zahlen eher mit der linken Hand in Verbindung gebracht werden im Gegensatz zu größeren<br />

Zahlen, die eher mit der rechten Hand in Verbindung stehen (Dehaene et al., 1993). Das klassische<br />

Untersuchungsdesign lässt Probanden zuerst mit der rechten dann mit der linken Hand und (umgekehrt)<br />

Zahlenpaare auf Größe, u.ä. unterscheiden. Es zeigt sich, dass bei kleineren Zahlen die linke,<br />

bei größeren die rechte Hand schneller reagiert.<br />

50


Diese Tatsache führt zu der Annahme, dass die mentale Zahlenlinie in einer links-rechts Orientierung<br />

abgebildet ist.<br />

Dieser Effekt ist mit Sicherheit kulturabhängig, da die Schreibrichtung, in westlichen Kulturen linksrechts,<br />

in arabischen Ländern rechts-links, die Repräsentationsrichtung beeinflusst (Dehaene et al.<br />

1993). Auch zeigen neuere Untersuchungen, dass der SNARC – Effekt bei anderen ordinalen Informationen,<br />

wie Monatsnahmen oder Buchstaben, vorhanden ist (Gevers et al., 2004).<br />

Spezielle cerebrale Schaltkreise für die Zahlenverarbeitung<br />

Viele Untersuchungsergebnisse stützen die Annahme, dass die inferioren parietalen Cortexgebiete<br />

einen wesentlichen Beitrag zur biologisch determinierten numerischen Repräsentation leisten (Spelke<br />

und Dehaene, 1999; Dehaene, 2003; Dehaene et al. 1998, Dehaene et al., 2004).<br />

Hirnschädigungen genau dieser Gebiete in der linken Gehirnhälfte führen zu sehr selektiven Ausfällen<br />

des Verständnisses und der Verarbeitung von Zahlen. Umgekehrt können auch gravierende Schädigungen<br />

in der Sprachverarbeitung bei Läsionen dieser Areale auftreten bei völlig intakter Zahlenverarbeitung.<br />

Das heißt, dass neben der Dissoziation dieser beiden Fähigkeiten bemerkenswert scharf<br />

umschriebene Schädigungen auftreten können.<br />

Forschungsergebnisse aus verschiedensten Teilen der Welt mit verschieden Kulturen, Unterrichtsmethoden<br />

und Rechenarten zeigen mit hoher Übereinstimmung, dass die inferiore Parietalhirnregion immer<br />

entscheidend für das Rechnen ist. Andere Autoren beschreiben diese inferiore Parietalhirnregion<br />

genauer als intraparietalen Sulcus der Parietalhirnregion (Dehaene et al., 2003; Dehaene et al., 2004).<br />

Lernen, Kultur und Unterricht scheinen diese Lokalisation nicht zu beeinflussen (Spelke und Dehaene,<br />

1999).<br />

Die inferiore Parietalhirnregion scheint sehr speziell für die Zahlenverarbeitung verantwortlich zu sein,<br />

da einige Kinder mit schwerer Rechenstörung trotz guter Begabung, normaler sprachlicher Entwicklung<br />

und speziellem Unterricht nicht in der Lage waren, so etwas wie ein Konzept für Zahlen zu entwickeln.<br />

Wenige genaue Daten zur Gehirnforschung liegen bei Kindern mit Rechenstörung vor, doch<br />

zumindest bei einer vorliegenden Studien konnte dieses Defizit mit einer frühen Gehirnschädigung der<br />

linken inferioren Parietalhirnregion gebracht werden (Levy, Reis & Grafman,1999).<br />

Studien, die die Durchblutung des Gehirns während spezieller Aktivitäten darstellen, geben ebenso<br />

Auskunft über Lokalisation der Zahlenverarbeitung im Gehirn.<br />

Roland und Fridberg (1985) stellten fest, dass Personen während wiederholter Subtraktion beidseitige<br />

Aktivierung des inferioren parietalen und präfrontalen Cortex zeigten. FMRI-Studien von 1995 konnten<br />

diese Ergebnisse bestätigen. Positronen Emissions Tomografie - Studien zeigten bei Aufgaben zum<br />

Zahlenvergleich und bei Multiplikationen, dass die Aktivierung genau auf die intraparietale Region eingeschränkt<br />

werden konnte (Dehaene & Cohen, 1997; Dehaene et al. 1998).<br />

51


Mehrere Studien belegen diese inferiore parietale Aktivität für Aufgaben zur Distanzunterscheidung<br />

zweier Zahlen und bei Multiplikationsaufgaben, die Notation (arabisch oder geschriebene Worte) oder<br />

Darbietungsform (auditive oder visuelle Darbietung) spielt dabei aber keine Rolle.<br />

Dehaene et al. (1998) folgern, dass der Distanzeffekt und Größeneffekt beide auf dieses inferiore parietale<br />

Gebiet zurückgeführt werden können.<br />

Weiters beschreiben diese Autoren, dass obwohl die Aktivierung immer beidseits ist, der linke inferiore<br />

parietale Lappen bei Multiplikationen stärker aktiviert wird, der rechte hingegen während des Zahlenvergleichs.<br />

Subtraktionen hingegen rufen beidseitige Aktivitätssteigerungen hervor. Studien an cerebralgeschädigten<br />

Patienten können dies bestätigen.<br />

Trotz dieser Spezialisierung ist es wichtig, dass ein biparietales Netzwerk allen Aufgaben zugrunde<br />

liegt. „Dieses Netzwerk ist die Grundlage des Zahlengefühls.“ (Dehaene et al., 1998).<br />

An cerebralgeschädigten Patienten lässt sich sehen, dass Algebra-Wissen (a + b = c, also c – b = a)<br />

bei beeinträchtigtem Zahlenwissen noch intakt sein kann (Hittmair-Delazer, 1995; Dehaene, 1992),<br />

was wieder annehmen lässt, dass dieses Wissen separat verarbeitet wird. Auch lässt sich ein Beispiel<br />

von einem Patienten mit Schädigung der Basalganglien und intaktem inferioren Parietalhirn anführen,<br />

der keine Malreihen mehr aufsagen konnte, aber Zahlen vergleichen, einfache Additionen und Subtraktionen,<br />

neben Bisektionsaufgaben lösen konnte (Dehaene & Cohen, 1997).<br />

„Der intraparietale Cortex ist nur ein Teil von vielen cerebralen Codes für Zahlen, aber er ist der entscheidendste<br />

Teil – die Repräsentation der kardinalen Bedeutung, auf der die gesamte Arithmetik<br />

aufbaut.“ (Dehaene et al 1998).<br />

Übersicht: Schematische Darstellung der Zahlenverarbeitung im Gehirn<br />

52


Abbildung: Dehaene, 2003, S. 494: „Dreidimensionale Repräsentation der beteiligten parietalen Regionen.“<br />

Die Färbungen zeigen die parietale Aktivierung in mindestens 40% der Studien in einer Gruppe.<br />

Abkürzungen: HIPS: bilaterales horizontales Segment des intraparietalen Sulcus<br />

AG: Gyrus Angularis<br />

PSPL: Bilateraler posteriorer superiorer Parietallappen<br />

1. Der intraparietale Sulcus und der „Zahlensinn“<br />

Bei sehr einfachen Rechenaufgaben, wie Zahlenvergleich, spielt ein bilaterales horizontales Segment<br />

des intraparietalen Sulcus eine entscheidende Rolle (Dehaene et al., 2004). Diese Aktivierung zeigt<br />

sich sehr selektiv bei semantischen Distanzaufgaben zwischen Zahlen, nicht aber bei deren Notation.<br />

Diese Region ist amodal und nicht spezialisiert auf für eine spezielle Form der Notation (Eger et al.,<br />

2003, Naccache et al., 2001).<br />

Die Aktivierung dieses intraparietalen Sulcus zeigt sich besonders stark rechts bei Schätzaufgaben<br />

(Dehaene et al, 2004).<br />

Bei Rechenaufgaben wie 3 * 7 oder 7 - 4 zeigen neue Methoden zur Darstellung der neurologischen<br />

Aktivierung, dass neben parietaler auch präfrontale und zinguläre Gebiete aktiviert sind.<br />

Die intraparietale Aktivierung findet immer statt, die präzentralen und inferioren frontalen Aktivitäten<br />

sind oft mitaktiviert. Speziell Zeitdruck beeinflusst die Aktivitäten des inferioren frontalen Gyrus. Von<br />

den präfrontalen Regionen wird angenommen, dass sie die fortlaufenden Operationen im Arbeitsgedächtnis<br />

koordinieren (Dehaene et al, 2004).<br />

2. Posteriore dorsale Parietalhirnaktivierung (oder posteriorer superiorer Parietallobulus)<br />

53


Wenn Zählaktivitäten verlangt sind, welche zu räumlichen Bewegungen in Beziehung stehen, stehen<br />

posteriore dorsale parietale Aktivitäten im Vordergrund. Dieses bilaterale System unterstützt die Orientierung<br />

der Aufmerksamkeit auf die mentale Zahlenlinie, genauso wie es eine zentrale Rolle in einer<br />

Vielzahl visuell-räumlicher Aufgaben spielt (Dehaene, 2003). Dehaene (2003) nimmt an, dass dieses<br />

System neben der Aufmerksamkeit, die sich auf räumliche Orientierung bezieht, auch Aufmerksamkeit<br />

auf andere mentale Dimensionen, die analog zur räumlichen sind (Zeit, Zahlen) lenkt.<br />

Genaue Analysen von FMRI Studien zeigen, dass diese oben genannte Aktivierung des Aufmerksamkeitssystems<br />

beim Subitizing (Wahrnehmen kleiner Einheiten als Ganzes) nicht benötigt wird.<br />

Subitizing und Schätzen aktivieren direkt das System für das Schätzrechnen, ohne das serielle Zählen<br />

zu beanspruchen (Dehaene et al, 2004).<br />

3. Gyrus Angularis<br />

Es ist zwischen der intraparietalen Aktivierung für Zahlenverarbeitung und der Aktivität des linken Gyrus<br />

Angularis zu unterscheiden, welche besonders bei Multiplikationen benötigt wird. Die Funktion des<br />

Gyrus Angularis wird mehr mit linguistischer als mit numerischer Verarbeitung in Verbindung gebracht.<br />

Diese Gehirnregion wird beim Zahlen Benennen oder Phoneme Erkennen aktiviert (Simon et al.,<br />

2002). Vereinfacht könnte man sagen, dass der linksseitige Gyrus Angularis bei arithmetischen Operationen,<br />

die sprachliches Faktenwissen erfordern, aktiv wird und andere Aufgaben, die eher die mentale<br />

Zahlenlinie beanspruchen, im intraparietalen Sulcus Aktivierung zeigen (Dehaene et al., 1995,<br />

Dehaene, 1992).<br />

Dehaene et al. (2004), S. 220: „Schematisches Diagramm der Informationsverarbeitungsprozesse, die bei arithmetischen<br />

Aufgaben mit arabischen Zahlen beteiligt sind.“ Dieses Diagramm zeigt eine Zusammenfassung Dehaene<br />

et al.´s (2004) von ähnlichen Diagrammen.<br />

Obwohl immer noch nicht alles zufrieden stellend geklärt ist, zeigen Diagramme dieser Art verschiedene neuropsychologische<br />

Dissoziationen, die an Erwachsenen Patienten mit cerebralen Läsionen beobachtet werden.<br />

54


„Läsion 1: zeigt eine Alexie; hat die Unfähigkeit Zahlen zu lesen und multiplizieren zur Folge, aber nicht Zahlen<br />

Vergleichen oder Subtrahieren<br />

Läsion 2: zeigt eine phonologische Dyslexie; hat die Unfähigkeit Zahlen zu lesen zur Folge, aber nicht Multiplizieren,<br />

Subtrahieren oder Vergleichen<br />

Läsionen 3 und 4: zeigen die häufig zu beobachtenden Doppeldissoziationen zwischen Multiplikation und Subtraktion<br />

bei Patienten, die Zahlen lesen können. Gleichzeitig können assoziierte Defizite im Vergleich und nichtsymbolischen<br />

Zahlenverarbeitung vorhanden sein.<br />

Läsion 5: könnte folgendes Bild erklären: Patienten können arithmetische Probleme mündlich nicht lösen, dafür<br />

aber schriftlich.<br />

Abkürzungen:<br />

Left AG: linker Gyrus Angularis; FuG: Gyrus fusiformis; HIPS: horizontales Segment des intraparietalen Sulcus;<br />

IFG: inferiorer Gyrus frontalis“<br />

Die oben gezeigte Abbildung zeigt eine Zusammenfassung mit einer schematischen Darstellung aller<br />

genannten Verarbeitungssysteme. Anhand von Beispielen von cerebralen Läsionen wird gezeigt, welche<br />

funktionalen Ausfälle Läsionen verschiedener Gehirnregionen zur Folge haben. Umgekehrt wird<br />

durch Darstellungen dieser Art auch klar, welche Funktionszusammenhänge beim Rechnen bestehen.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Einfachheit halber möchte noch einmal die Aussage Dehaenes wiederholen, die da lautet: „Der<br />

intraparietale Cortex ist nur ein Teil von vielen cerebralen Codes für Zahlen, aber er ist der entscheidendste<br />

Teil – die Repräsentation der kardinalen Bedeutung, auf der die gesamte Arithmetik aufbaut.“<br />

(Dehaene et al. 1998).<br />

Dazu kommt noch ein für die linguistischen Anteile der Zahlenverarbeitung notwendige Funktionskreis<br />

im linken Gyrus Angularis. Dieser ist für sprachliche Informationen (Zahlen lesen), wie auch den Faktenabruf<br />

verantwortlich. Ev. Sprachliches Kurzzeitgedächtnis (Kaufmann und Nuerk 2005).<br />

Die bilaterale posteriore dorsale Parietalhirnaktivierung zeigt sich für die Aufmerksamkeitsfokussierung<br />

auf numerisch räumliche Informationen. Zählen in Kombination mit Bewegung, spezifisch räumliche<br />

Informationen, Aufmerksamkeitsfokussierung auf den Zahlenstrahl und ähnliche Funktionen werden<br />

dieser Region zugeordnet (Dehaene, 2003).<br />

Mit Sicherheit sind noch viele andere Funktionskreise bei diversen Operationen und numerischen Fähigkeiten<br />

involviert, die weder alle genannt noch in übersichtlicher Form dargestellt werden können.<br />

Um die Übersichtlichkeit zu wahren, möchte ich mich auf diese 3 oben beschriebenen Funktionskreise<br />

beschränken.<br />

55


Schwierigkeiten im Rechenerwerb<br />

Für die Tatsache, dass Kinder Schwierigkeiten im Erwerb des Rechnens haben, sozusagen eine Störung<br />

der numerischen Entwicklung, wird im englischsprachigen Raum der Begriff „Developmental<br />

Dyscalculia“ verwendet.<br />

Das UK Department for Education and Skills (DfES) definiert diese Entwicklungsstörung folgendermaßen:<br />

„Es ist ein Zustand, der die Fähigkeit arithmetische Fertigkeiten zu erlernen betrifft. Dyskalkulische<br />

Lerner können Schwierigkeiten im Verständnis einfacher mathematischer Konzepte haben, einen<br />

Mangel an intuitivem Verständnis für Zahlen zeigen, und haben Probleme, Zahlenfakten und Prozeduren<br />

zu lernen.<br />

Auch wenn sie eine richtige Antwort geben oder eine Methode korrekt anwenden, so werden sie es<br />

mechanisch und ohne Verständnis tun.“ (DfES, 2001)<br />

Diese Definition betont das intuitive Verständnis für Zahlen, welches die Idee des Mengenverständnisses<br />

beinhaltet. Die anderen Probleme, die dyskalkulische Kinder zeigen, sind Folgeerscheinungen<br />

dieses mangelnden Verständnisses.<br />

Im deutschsprachigen Raum ist die Definition nach ICD 10 die unter Psychologen und Medizinern am<br />

häufigsten verwendete Definition.<br />

Dyskalkulie<br />

Nach dem ICD 10 liegt eine Rechenstörung (F81.2) dann vor, wenn diese umschriebene Entwick-<br />

lungsstörung der schulischen Fertigkeit <strong>„Rechnen</strong>“ nicht durch eine allgemeine Intelligenzminde-<br />

rung oder unangemessene Beschulung erklärbar ist. Entwicklungsstörung meint, dass diese „krank-<br />

heitswertige Störung“ in früher Kindheit begonnen hat und stetigen Verlauf zeigt.<br />

Betroffen sind vorwiegend die einfachen Rechenoperationen: „Addition, Subtraktion, Multiplikation und<br />

Division“, weniger die höheren mathematischen Fähigkeiten.<br />

Kennzeichnend ist die entgegen der sonstigen Intelligenzleistung deutlich niederere Rechenleistung.<br />

Generell beobachtet man bei umschriebenen Entwicklungsstörungen als sekundäre Problematik häufig<br />

Verhaltens- und emotionale Störungen (Aufmerksamkeitsstörungen, Aggressionen, sozialer Rückzug,<br />

Angst/ Depressionen).<br />

Das ICD 10 (International Classification of Diseases) ist ein Klassifikationsschema, welches die Zuordnung<br />

von verschiedenen Symptomen zu bestimmten Krankheitsbildern erlaubt und somit bestimmte<br />

„krankheitswertige“ Diagnosen aufgrund festgelegter Kriterien möglich macht.<br />

56


Andere Autoren, vor allem im pädagogischen Umfeld, verwenden zur Bezeichnung von hartnäckigen<br />

und tief greifenden Schwierigkeiten im Rechenerwerb den Begriff „Rechenschwäche“. Sie gehen<br />

beim Begriff „Rechenschwäche“ schlicht (in Analogie zur Lese-Rechtschreibschwäche) von sehr<br />

schwachen rechnerischen Leistungen unabhängig von der Begabung aus. Diese Autoren unterscheiden<br />

den Begriff „Rechenschwäche“ vom Begriff „<strong>Dyskalkulie“</strong>, welcher klassischerweise über die Begabungsdiskrepanz<br />

definiert wird.<br />

Landerl et al. (2004) fassen zusammen, dass …“dyskalkulische Kinder allgemeine Defizite in der Zahlenverarbeitung<br />

haben. Dazu gehören unter anderen:<br />

o die Verarbeitung von verbalen und semantischen numerischen Informationen,<br />

o Punkte Zählen,<br />

o das Aufzählen von Zahlwortreihen,<br />

o und das Schreiben von Zahlen.“<br />

Landerl et al. (2004) beschreiben Dyskalkulie als ein Defizit des Konzepts der Numerosität. „Dyscalculia<br />

as a deficit in the concept of numerosity and its processing“. Sie betonen Forschungsergebnisse,<br />

insbesonders neuropsychologische Forschungsergebnisse, die auf ein „Number Module“ hin deuten,<br />

welches sich mit numerischen Repräsentationen befasst (Butterworth, 1999).<br />

Das Muster von Defiziten ist einerseits zu breit und andererseits zu spezifisch um durch allgemeine<br />

Begriffe wie mangelnde räumliche, verbale oder Gedächtnis-Leistungen erklärbar zu sein. „Dyskalkulie<br />

kann am besten als Defizit der Repräsentation und Verarbeitung von spezifisch numerischer Information<br />

definiert werden.“ (Landerl et al.2004).<br />

An dieser Stelle sei kurz der Begriff „Akalkulie“ erwähnt, der die erworbene Rechenstörung, beispielsweise<br />

durch eine cerebrale Läsion, meint.<br />

In der Neuropsychologie ist laut Heubrock und Petermann (2000) der Begriff „<strong>Dyskalkulie“</strong> für die entwicklungsbezogene<br />

Rechenstörung üblich. Im anglo-amerikanischen Raum werden die Begriffe „arithmetic<br />

disabilities“ oder „ mathematical disabilities“ angewandt. Rouke (1989) verwendet den Begriff<br />

„Nonverbal Disabilities“ (siehe später). Manche Autoren betonen der Entwicklungs-Aspekt mit der<br />

Verwendung des Begriffs „developmental dyscalculia“.<br />

In der folgenden Arbeit wird der Begriff Dyskalkulie und Rechenschwäche synonym verwendet. Es<br />

handelt sich dabei immer um tiefgreifende und hartnäckige Schwierigkeiten im Rechenerwerb. Zwischen<br />

Rechenschwäche und Rechenstörung findet sich ein Unterschied in der Ausprägung der<br />

57


Schwierigkeiten, der aber auf die Qualität der Schwierigkeiten keine Auswirkungen zeigt. Um die Entwicklung<br />

des mathematischen Verständisses, dessen Defizite, die Ursachen, neurologische Korrelate<br />

und mögliche Interventionen zu erforschen, spielt die Begabungsdiskrepanz und der Schweregrad der<br />

Störung eine untergeordnete Rolle.<br />

Symptomatik<br />

Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Arithmetik keine einfache Einheit darstellt, sondern aus verschiedenen<br />

Komponenten besteht: Wissen um arithmetische Fakten, prozedurales Wissen, konzeptuelles<br />

Wissen - wie die Verwendung arithmetischer Prinzipien (z.B.: Kommutativität oder Vertauschung),<br />

Schätzen, Anwendung arithmetischen Wissens in Textaufgaben oder praktischen Situationen.<br />

Infolge dessen liegt bei der „Rechenschwäche“ zumeist auch keine singuläre Störung oder<br />

Schwäche der Fähigkeit „Arithmetik zu rechnen“ vor. Vielmehr handelt es sich bei der Rechenschwäche<br />

um eine Störung einer oder mehrerer dieser Komponenten (A. Dowker, 2004).<br />

Es herrscht große Übereinstimmung darüber, dass ein zentrales Merkmal der Rechenschwäche die<br />

Schwierigkeit des Lernens und Abrufens von arithmetischen Fakten ist (Geary, 1993; Geary, 2004;<br />

Dowker, 2004). Weitere Merkmale betreffen die Probleme bei der Durchführung der Rechenprozeduren<br />

durch „unreife“ Problemlösestrategien, mit langen Lösungszeiten und oder hohen Fehlerzahlen<br />

zur Folge. Weitere typische Schwierigkeiten betreffen ganz allgemein das Lösen von Textaufgaben,<br />

das Verständnis der dekadischen Struktur und die Ausführung von mehrstufigen Operationen (Dowker,<br />

2004).<br />

Diese Komponenten können sogar unabhängig voneinander gestört sein, mangelhafte Faktenabruf<br />

und die prozeduralen Schwierigkeiten werden von Temple (1991) als dissoziierbar beschrieben.<br />

Das Erscheinungsbild der Rechenschwierigkeiten kann sich auch mit dem Alter der Kinder verändern.<br />

Rechenschwache Kinder zeigen in der 1. Schulstufe signifikante Schwierigkeiten des Zählprinzips<br />

„Order Irrelevance“, Schwierigkeiten im Fakten-Abruf, und gehäuft Fehler in der Zählprozedur. Die<br />

Fehler in der Zählprozedur waren in der 1. Schulstufe allerdings häufiger als in der 2. Schulstufe (Geary,<br />

Hamson und Hoard, 2000). Während normal entwickelnde Kinder zwischen 1. und 2. Schuljahr<br />

vom zählenden Rechnen mit Hilfe der Finger zu verbalen Zählstrategien und Faktenabruf wechseln,<br />

findet bei rechenschwachen Kindern dieser Wechsel nicht statt. Sie verbleiben beim Rechnen mit den<br />

Fingern (Geary, 2004). Während der gesamten Volksschulzeit scheint sich die Fähigkeit Fakten aus<br />

dem Langzeitgedächtnis abrufen zu können für die meisten Kinder nicht substanziell zu verbessern<br />

(Geary, 2004).<br />

58


Prävalenz<br />

Die Angaben zur Prävalenz schwanken in einem Bereich zwischen 3 und 8% (Badian 1998; Esser und<br />

Schmidt. 1994; Lewis et al. 1994; Hein et al. 2000; Shalev et al., 2001; Geary, 2004).<br />

Die Angaben zur Prävalenz schwanken nicht zuletzt dadurch, dass unterschiedliche Kriterien oder<br />

Messinstrumente zur Operationalisierung der Rechenschwäche herangezogen werden.<br />

Lewis, Hitch and Walker (1994) verwenden beispielsweise ein Diskrepanzkriterium, welches zumindest<br />

einen Intelligenzquotienten von 90 oder mehr verlangt (Raven-Test) und auf der anderen Seite<br />

muss der Rechentest unter einem Score von 85 Standardwerten liegen (Young`s Group Mathematics<br />

Test). Sie kommen auf insgesamt 3.6 Prozent der Kinder mit schweren Rechenschwierigkeiten bei<br />

normaler Begabung, davon haben 2,3 Prozent Schwierigkeiten auch im Lesen und Schreiben.<br />

Gross-Tsur, Manor & Shalev (1996) zogen als Kriterium für die Dyskalkulie das Ausmaß der Beeinträchtigung<br />

heran. Sie operationalisierten dies durch den Gesamtskalenwert einer umfangreichen individualisierten<br />

Testbatterie, der zumindest dem Mittelwert oder weniger für 2 Jahre jüngere Kinder entsprechen<br />

musste. Sie klassifizierten 6,2 Prozent der Kinder als rechenschwach und erhoben nachträglich<br />

die Begabung durch den WISC-R. Die Begabungswerte zeigten eine Streuung zwischen 80 und<br />

129, der Durchschnittswert lag bei 98,2.<br />

Laut Schwenk und Schneider (2003) tritt bei 20 bis 60% der Kinder Dyskalkulie gemeinsam mit Legasthenie<br />

auf. Lewis, Hitch & Walker (1994) liegen mit ihren Annahmen bei 40 %, dass Dyslektiker<br />

auch Rechenstörungen haben.<br />

Gross-Tsur, Manor und Shalev (1996) fanden bei 17 Prozent der Kinder mit Dyskalkulie gleichzeitig<br />

auch eine Dyslexie und 26% der Kinder hatten zusätzlich auch Symptome eines Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndroms<br />

(ADHS).<br />

Geary (1993) gibt bei 43% der rechenschwachen Kinder auch schlechte Leseleistungen an. Umgekehrt<br />

zeigen laut Geary (1993) 56% der leseschwachen Kinder schlechte Leistungen in Rechnen.<br />

Persistenz<br />

Rechenstörungen zeigen wie viele frühe Lernschwierigkeiten eine deutliche Tendenz zur Chronifizierung<br />

(Esser und Schmidt, 1993; v. Aster, 1996. Klicpera und Gasteiger-Klicpera, 1995).<br />

Shalev, Manor, Auerbach und Gross-Tsur (1998) stellten bei einer follow-up-Studie fest, dass bei 47%<br />

der Kinder nach 3 Jahren immer noch eine Störung im Rechnen fortbesteht.<br />

59


Eine 6 Jahres Studie von Aster et al. (1997) bestätigt diese Ergebnisse, weil sich nur 4 von 10 rechenschwachen<br />

Kindern in den mathematischen Leistungen verbessern konnten.<br />

Alltagsrelevanz und langfristige Konsequenzen<br />

Kinder mit umschriebenen Entwicklungsstörungen liegen mit ihren schulischen Leistungen deutlich<br />

hinter den Erwartungen ihrer intellektuellen Begabung. Vielfach wird eine Ausbildung nicht erfolgreich<br />

abgeschlossen (vgl. Maughan, 1995), ein akademischer Beruf kommt seltener in Frage. Empirische<br />

Daten belegen eine Tendenz, eher handwerkliche Berufe zu ergreifen, in der Hoffnung den Teilleistungsschwächen<br />

durch die Berufswahl zu entgehen (vgl. Esser et al. 2002).<br />

Rechenstörungen beeinträchtigen die Lebensqualität, da sie den alltäglichen Umgang mit Zahlen beim<br />

Kochen, Bezahlen und Schätzen von Einkaufsgut, Erledigen von Bankgeschäften, Schätzen von Entfernungen<br />

und Zeiten usw. betreffen.<br />

Der Einfluss auf das Lohnniveau ist bei Rechenstörungen größer als bei Störungen im schriftsprachlichen<br />

Bereich (Paglin und Rufolo. 1990). Paglin und Rufolo beschreiben eine lineare Beziehung zwischen<br />

den Löhnen und Berufen, die einen College-Abschluss erfordern. Je mehr Mathematikbezug<br />

die Berufe hatten, umso höher waren die Gehälter.<br />

Geschlechtsunterschiede<br />

In der Vergangenheit waren die Burschen in ihrer Rechenleistung den Mädchen konsequent überlegen<br />

(Cockcroft, 1982). Dies mag laut Butterworth (2005) auch damit zu tun haben, dass die Einstellungen<br />

zu den Rechleistungen lange Zeit unterschiedlich waren. Es galt für Mädchen beinahe als unschick,<br />

gute Rechenleistungen zu zeigen, oder es war zumindest gleichgültig, wenn Mädchen schlechter<br />

in Rechnen waren. Heute haben die Mädchen Burschen in den rechnerischen Leistungen beinahe<br />

eingeholt.<br />

Profil schreibt in Zuge der „Pisa-Debatte“: „Insgesamt weisen Burschen in der Mehrheit der Länder<br />

bessere Mathematikfähigkeiten auf als Mädchen. In Österreich, den USA und den Niederlanden gibt<br />

es keine größeren Unterschiede. Bloß in Island können Mädchen besser rechnen als Burschen.“<br />

Spelke (2005) sammelt die häufigsten Vorurteile und Annahmen in Bezug auf Mathematik und Geschlechtsunterschiede,<br />

die da lauten: „Burschen haben eine größere natürliche Begabung für Mathematik<br />

und Wissenschaft.“ „Burschen zeigen von Beginn an ein größeres Interesse an mechanischen<br />

Systemen und Objekten.“ „Burschen zeigen räumliche und numerische Fähigkeiten, die ihnen bessere<br />

Voraussetzungen für mathematische Leistungen mitgeben.“ und „Burschen zeigen eine breitere Variabilität<br />

in ihrer mathematischen Begabung.“ Spelke schreibt, dass die Forschungsergebnisse der kog-<br />

60


nitiven Entwicklung bei kleinen Kindern, Vorschülern und Schülern aller Alterstufen klare Beweise gegen<br />

diese Annahmen liefern. Mathematisches und wissenschaftliches Denken entwickelt sich aus biologischen<br />

Kapazitäten, die für Mädchen wie für Burschen gleich sind. Aus diesen Kapazitäten entwickeln<br />

Frauen und Männer dasselbe Talent für Mathematik und Wissenschaft.<br />

Diverse Autoren messen immer wieder Vorteile des einen oder anderen Geschlechts, die sich aber im<br />

Laufe der Entwicklung wieder verschieben bzw. umdrehen, so dass insgesamt kein Konsens über einen<br />

Vorsprung für ein Geschlecht gefunden werden kann.<br />

Die TIMSS Studie 2003 zeigte in England keine Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Mathematik in<br />

der 4. Schulstufe. In anderen Staaten, wie USA, Niederlande, Schottland und Italien waren Burschen<br />

besser als Mädchen. In Singapur, Moldavien und auf den Philippinen waren die Mädchen besser als<br />

die Burschen. In der 8. Schulstufe zeigte sich in der TIMSS Studie 2003 dasselbe Bild wie in der 4.<br />

Schulstufe. Es zeigte sich kein allgemeiner Unterschied zwischen den Geschlechtern. Es gab lediglich<br />

Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, die sich in Summe aber wieder ausglichen.<br />

Weiters beschreibt eine Studie von Zulauf, Schweiter und v.Aster (2003) einen Vorsprung der Mädchen<br />

in Bezug auf mathematische Fähigkeiten im frühen Vorschulalter, der sich im Laufe der Vorschulzeit<br />

zu Gunsten der Burschen, erklärt durch spezifisches Interesse an matherelevanten spielerischen<br />

Tätigkeiten, verändert.<br />

Die Studie von Krajewski (2003) zeigte einen Vorsprung der Jungen im zahlenbezogenen Vorwissen<br />

im Kindergarten und auch bessere Rechenleistungen im ersten Schuljahr bei Jungen. Der Leistungsunterschied<br />

lies sich aber Ende des zweiten Schuljahres nicht mehr nachweisen. Mädchen zogen zu<br />

diesem Zeitpunkt mit den Jungen gleich und zeigten vor allem bessere Lese- und noch deutlich bessere<br />

Rechtschreibleistungen Ende der 2. Klasse.<br />

In Bezug auf Rechenstörungen beschreiben einige Autoren diese Störung als nicht geschlechtsspezifisch<br />

(Gross-Tsur et al., 1996, Lewis et al., 1994).<br />

Einige Autoren vertreten die Auffassung, dass Mädchen und Frauen über ungünstigere Selbstkonzepte<br />

in Bezug auf Mathematik verfügen und häufiger unter spezifische Mathematikängsten leiden (Ashcraft<br />

& Kirk, 2001; Ashcraft 2002). Angst führt zu einer geringeren Kapazität des Arbeitsgedächtnisses<br />

und folglich zu geringen Rechenleistungen (Ashcraft et al. 1998).<br />

Ashcraft et al. (1998) finden vor allem bei den hoch Mathematik-ängstlichen Personen überproportional<br />

viele Frauen. Sie vermuten, dass Frauen mehr beeinflusst werden von negativen Einstellungen<br />

rundherum und dass sie auch eher bereit sind, diese zuzugeben.<br />

Krajewski konnte jedoch keine Zusammenhänge zwischen den tatsächlichen Leistungsunterschieden<br />

der Geschlechter und der Selbsteinschätzung (Selbstkonzept) feststellen.<br />

61


Fennema (1989) wiederum beschreibt, dass Burschen bessere Rechner sind, besonders bei schwierigen<br />

Aufgaben. Sie beschreibt zwar auch, dass es unterschiedliche Ergebnisse gibt, aber wenn ein<br />

Geschlecht besser abschneidet, dann in der Regel die Burschen. Sie beschreibt, dass Burschen mehr<br />

Vertrauen in sich haben, Mathematik zu lernen, dass Burschen Mathematik für nützlicher erachten<br />

und dass sie Erfolge mehr auf sich selbst bezogen attribuieren. Fennema stellt auch fest, dass die<br />

Kommunikation zwischen Burschen und Mädchen mit den Lehrern anders verläuft. Man beachte die<br />

Ergebnisse sind gut 15 Jahre her, möglicherweise hat sich dies in der Zwischenzeit schon sehr verändert.<br />

Burschen interagieren mehr mit den Lehrpersonen als Mädchen, Lehrer initiieren mehr Kontakte<br />

zu Burschen als zu Mädchen. Burschen werden häufiger diszipliniert und auch gelobt. Lehrpersonen<br />

helfen Burschen, wenn diese um Hilfe bitten, schneller als Mädchen. Burschen werden auch häufiger<br />

für die Qualität ihrer Arbeit getadelt als Mädchen.<br />

Fennema fasst zusammen, dass Geschlechtsunterschiede in der Mathematikleistung bestehen, zu<br />

dem, dass affektive Variabeln, die wichtig für das Lernen sind unterschiedlich sind und Lehrpersonen<br />

unterschiedlich mit Schülern und Schülerinnen interagieren. Auf jeden Fall kommt bei Fennema (1989)<br />

eine bessere Leistung für Burschen dabei heraus.<br />

Ann Dowker (2004) zitiert eine Studie zu Geschlechtsunterschieden in Mathematik, die den Hauptunterschied<br />

zwischen beiden Geschlechtern im Faktenabruf sieht. Eine Studie von Royer et al. (1999)<br />

belegt, dass sowohl Burschen als auch erwachsene Männer mathematische Fakten schneller abrufen.<br />

Ann Dowker vermutet aber, dass hinter dem Faktenabruf aber auch konzeptuelles Verständnis steckt,<br />

welches den Fakten Bedeutung gibt. Oder dass eine Abneigung gegenüber dem Gegenstand Mathematik<br />

weniger Üben zur Folge hat und schließlich den Faktenabruf negativ beeinträchtigen kann. Es<br />

gibt noch keinen Nachweis, dass wirklich das Speichern von Fakten tatsächlich bei Frauen schlechter<br />

ausgebildet ist oder dass basales Rechnen wirklich schwächer wäre.<br />

Studien von Geary et al. (2000) und Casey et al. (1995) gehen von deutlichen Geschlechtsvorteilen in<br />

Mathematik für Burschen aus. Casey nimmt an, dass die räumlichen Fähigkeiten für einen Gutteil dieses<br />

Geschlechtsvorteils verantwortlich sind. Die Studie von Geary et al. (2000) führt den Vorteil im<br />

Rechnen, gemessen durch verbale Rechenaufgaben, ebenfalls auf bessere räumlichen Fähigkeiten<br />

und bessere rechnerische Flüssigkeit zurück.<br />

Zusammenfassung:<br />

Neuere Studien in Bezug auf die Rechenleistungen ergeben kaum Unterschiede zwischen den Geschlechtern.<br />

Ältere Studien hingegen sehr deutliche Differenzen zwischen den Geschlechtern, die allermeistens<br />

zu Gunsten der Burschen ausfielen. Butterworth (2005) führt diese Unterschiede auf verschiedene<br />

Einstellungen zurück, die noch vor 20 Jahren viel deutlicher ausgeprägt waren als heute.<br />

Spelke (2005) schreibt, dass biologisch keinerlei Unterschiede zwischen den neurologischen Voraussetzungen<br />

zum Rechnen lernen vorhanden sind, sodass keine biologische Begründung für einen Geschlechtsunterschied<br />

vorliege.<br />

62


Dennoch gibt es Autoren, die von einem Geschlechtsvorteil für Burschen ausgehen, Geary (2000) und<br />

Casey et al (1995) nennen Vorteile in den räumlichen Fähigkeiten als Ursache für die besseren rechnerischen<br />

Fähigkeiten.<br />

Ursachen<br />

Es herrscht große Einigkeit darüber, dass eine genetische Disposition für umschriebene Entwicklungsstörungen<br />

besteht. Gross-Tsur, Shalev, Manor und Amir (1995) fanden bei 42% der rechenschwachen<br />

Kinder bei Angehörigen ersten Grades Lernstörungen. Geschwister können bis zu 60 %<br />

(Warnke und Roth. 2002) ebenfalls betroffen sein, Eltern zu gut einem Drittel. Geary (2004) zitiert<br />

Shalev et al. (2001), die sich mit familiären Mustern der Lernstörung in Rechnen befasst. Shalev e<br />

al.´s (2001) Ergebnisse zeigen, dass Familienmitglieder ersten Grades (Eltern und Geschwister) 10<br />

mal das größere Risiko aufweisen, wieder eine Rechenstörung zu entwickeln, als die Normpopulation.<br />

Jacobs und Petermann (2003) verdeutlichen, dass die Rechenstörung multikausal verursacht ist.<br />

Neben genetischen Faktoren begünstigen laut oben genannten Autoren auch neuropsychologische<br />

Störungen, Hirnreifestörungen, psychosoziale, sowie didaktische Faktoren eine Dyskalkulie.<br />

Dowker (2004) beschreibt überlappende Faktoren wie individuelle Charakteristiken aus unüblichen<br />

Mustern der Hirnentwicklung, unangemessene oder unpassende Beschulung und einen Mangel an<br />

Erfahrung mit mathematischen Inhalten im vorschulischen Alter.<br />

Ungünstige Einflüsse im Bereich Eltern-Kind oder Lehrer-Kind Interaktion treten dann meist hinzu.<br />

Geary (Geary, 2004; Geary et al. 2000) nimmt an, dass die Schwierigkeiten vieler rechenschwacher<br />

Kinder Fakten aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen, auf kognitive Defizite zurückzuführen sind und<br />

nicht auf mangelnde Übung, geringe Motivation, ein niederes Konfidenzkriterium oder niedere Begabung.<br />

Landerl et al. (2004), Dehaene et al. (2003) sprechen von einer zugrunde liegenden angeborenen Störung<br />

im Verstehen numerischer Konzepte, im speziellen des Zahlbegriffs, ein Inhalt, welcher unabhängig<br />

von anderen Fähigkeiten ist. Sie gehen vom Existieren eines „Zahlenverarbeitungsmoduls“<br />

aus, welches sich im Parietallappen befindet (Butterworth, 1999). Die Ursache für eine Dyskalkulie ist<br />

laut oben genannten Autoren am ehesten in einer Störung dieses Moduls anzunehmen.<br />

Dehaene et al. (2003), die bei vielen dieser Kinder ein Kerndefizit des numerischen Wissens aufgrund<br />

einer Schädigung im Parietalhirn vermuten, verweisen auf zahlreiche medizinische Befunde, die als<br />

Gerstmann Syndrom beschreiben werden. Auch Einzelfallstudien beschrieben von Levy et al. (1999)<br />

und Isaacs et al. (2001) zeigen in bildgebenden Verfahren Auffälligkeiten bei Erwachsenen Dyskalkulikern<br />

im linken inferioren Parietallappen (intraparietaler Sulcus).<br />

63


Viele andere Studien befassen sich mit „zugrunde liegenden“ Defiziten, wie Leseschwächen, Gedächtnisschwächen,<br />

räumliche Schwierigkeiten und Aufmerksamkeitsschwächen. Folgende Beschreibungen<br />

sollen einen kurzen Überblick über neuere Forschungsergebnisse zeigen, wenngleich auch<br />

sehr deutlich zu erkennen ist, dass die Ergebnisse zum Teil widersprüchlich oder uneinheitlich sind.<br />

Generell zeigt sich ein Tenor, dass verschiedene kognitive Fähigkeiten gleichzeitig mit der Fähigkeit<br />

zu Rechnen beeinträchtigt sein können, ein kausaler Zusammenhang aber nicht nachgewiesen werden<br />

kann. Aus diesem Grund ist vom Begriff Ursachen Abstand zu nehmen.<br />

Kognitive Komponenten und Dyskalkulie<br />

Arbeitsgedächtnis und Dyskalkulie<br />

Rechenschwache Kinder zeigen laut Hitch (1978), Geary, Brown & Samaranayake (1991), Geary<br />

(1992), Ashcraft (1995) und Gathercole & Pickering (2001) deutlich verringerte Leistungen des Arbeitsgedächtnisses.<br />

Bull und Johnston (1997) stellten bei rechenschwachen Kindern neben spezifischen Defiziten im<br />

räumlichen Arbeitsgedächtnis auch generelle Defizite in der Verarbeitungsgeschwindigkeit dar. Dies<br />

führt dazu, dass rechenschwache Kinder die Basisfakten (2+2=4, 3*4=12) schlechter automatisieren,<br />

deshalb länger auf unreifere Zählstrategien zurückgreifen müssen und dadurch gleichzeitig das Arbeitsgedächtnis<br />

vermehrt belasten.<br />

Zahlreiche neuere Studien (Landerl, Bevan & Butterworth 2004, Siegel & Ryan, 1989) beleuchten die<br />

Defizite der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses genauer und stellen Unterschiede in der Gedächtnisleistung<br />

für numerische und nicht numerische (sprachliche) Inhalte fest. Siegel und Ryan (1989) und<br />

McLean & Hitch (1999) fanden schlechtere Ergebnisse bei Aufgaben zur Zahlenspanne (Zahlen<br />

Nachsprechen), aber nicht bei nicht-numerischen Gedächtnisinhalten (z.B.: Pseudowörter Nachsprechen).<br />

Diese Autoren schlossen aus diesen Ergebnissen, daß dyskalkulische Kinder nicht generell<br />

über einen geringeren phonologischen Gedächtnisspeicher verfügen, sondern ein spezifisches Defizit<br />

im Arbeitsgedächtnis für numerische Inhalte zeigen.<br />

Eine andere Studie von Geary, Hoard and Hamson (1999) untersuchte bei Dyskalkulikern und Kontrollkindern<br />

Zahlen Nachsprechen vorwärts und rückwärts. Ihre Ergebnisse sprechen für gleiche Leistungen<br />

beim Zahlen Nachsprechen vorwärts (Funktion der phonologischen Schleife), aber schlechteren<br />

Leistungen von Dyskalkulie-Kindern beim Zahlen Nachsprechen rückwärts, welche der Zentralexekutive<br />

zugeordnet werden.<br />

64


Neuropsychologische Studien (Thioux, Seron & Pesenti, 1999) zeigen, daß das semantische Gedächtnissystem<br />

für numerische und nicht numerische Inhalte in verschiedenen Gehirnregionen lokalisiert<br />

ist. Funktionale und anatomische Dissoziationen machen es sehr unwahrscheinlich, dass dasselbe<br />

semantische Defizit Rechen- und Leseschwächen zugrunde liegt (Landerl et al. 2004).<br />

Die Ergebnisse der Untersuchung von Landerl, Bevan und Butterworth (2004) zeigten, dass die Dyslexie-Kinder<br />

(mit und ohne Dyskalkulie) bei Aufgaben zum Zahlen Nachsprechen vorwärts und rückwärts<br />

schlechtere Leistungen zeigen im Vergleich zu Kontroll- und reinen Dyskalkulie-Kindern. Die<br />

Dyskalkulie-Kinder waren in den Aufgaben zum Zahlen Nachsprechen (vorwärts oder rückwärts) vergleichbar<br />

mit den Kontrollkindern.<br />

Zusammenfassung:<br />

Oben genannte Studienergebnisse zeigen ein sehr uneinheitliches Muster von Defiziten. Das Muster<br />

reicht von spezifischen Beeinträchtigungen der Zentralexekutive (Zahlen Nachsprechen rückwärts) bei<br />

Geary et al. (1999) über spezifische Defizite der phonologischen Schleife speziell für Zahlen (Siegel et<br />

al. 1989., McLean, 1999) (beim Zahlen Nachsprechen vorwärts) und schließlich zu keinen messbaren<br />

Defiziten beider Gedächtnisfunktionen (Landerl, Bevan, Butterworth, 2004).<br />

Dennoch scheinen Defizite im Arbeitsgedächtnis mit Schwierigkeiten im Rechnen einher zu gehen.<br />

Dass alle Komponenten des Arbeitsgedächtnisses in unterschiedlichem Ausmaß bei Rechenprozessen<br />

involviert sind, ist unbestritten. Deshalb scheint es nur zu plausibel, dass Störungen in den einzelnen<br />

Komponenten sich negativ aufs Rechnen auswirken (vgl. Geary, 1993). Beispielsweise sind Beeinträchtigungen<br />

der Zentralexekutive mit deutlich schulischen Schwierigkeiten in Rechnen verknüpft<br />

(Gathercole und Pickering, 2001., Bull & Scerif, 2001., Bull, Johnston & Roy, 1999., Holmes & Adams,<br />

2004).<br />

Die Entscheidung für die Aussagekraft der Ergebnisse liegt in der Genauigkeit der Untersuchung. Es<br />

ist von großer Wichtigkeit, ob zur Rechenfähigkeit auch die Lesefähigkeit mit erhoben worden ist, um<br />

zwischen Kinder mit zusätzlichen Schwierigkeiten im Lesen oder spezifischen Schwierigkeiten im<br />

Rechnen zu unterscheiden. Dazu kommt die möglichst genaue Beschreibung der Rechenart, des Vorgabemodus<br />

und des Alters der Kinder (Adams & Hitch, 1998). Je nach Alter, Vorgabemodus und Aufgabe<br />

ändern sich die Rechenstrategien, sodass unterschiedliche Komponenten des Kurzzeitgedächtnisses<br />

größere Wichtigkeit erhalten. Deshalb ist es durchaus möglich, dass sich vordergründig widersprechende<br />

Aussagen im Detail bewahrheiten.<br />

Und unabhängig von der Wichtigkeit des Kurzzeitgedächtnisses für das Rechnen lassen sich keine<br />

ursächlichen Schlüsse aus den beeinträchtigten Leistungen des Kurzzeitgedächtnisses auf das Rechnen<br />

ziehen Landerl et al. (2004). Adams und Hitch (1998) stellen die These auf, dass die beeinträchtigten<br />

Leistungen des Arbeitsgedächtnisses viel eher symptomatischen als ursächlichen Charakter<br />

haben.<br />

65


Langzeitgedächtnis und Rechenschwierigkeiten<br />

Geary (1993) belegt unter anderem die Schwierigkeit der Repräsentation und des Abrufs arithmetischer<br />

Fakten aus dem Langzeitgedächtnis.<br />

Geary et al. (1991, 1993) vermuten eine Parallelität zwischen der Schwierigkeit, Fakten im Langzeitgedächtnis<br />

abzuspeichern und bestimmten phonologischen Defiziten bei Leseschwierigkeiten. Auch<br />

arithmetische Fakten werden in einem spezifischen semantischen Netzwerk gespeichert; die geringe<br />

Effizienz beim semantischen Faktenabruf sieht Geary (1993) als gemeinsames Defizit von Lese-<br />

Rechtschreibschwäche und Rechenschwäche.<br />

Im Gegensatz dazu gibt es laut Landerl et al. (2004) wenige Studien, die belegen, dass leserechtschreibschwache<br />

Kinder mit Defiziten im semantischen Lexikon für sprachliche Inhalte ebenso<br />

Schwierigkeiten in der Speicherung von Zahlenfakten haben.<br />

Whalen und seine Mitarbeiter (Wahlen, McCloskey, Lindenmann & Bouton, 2002) haben von zwei<br />

hirngeschädigten Patienten berichtet, die nicht mehr in der Lage waren, die phonologische Repräsentation<br />

für arithmetische Problemstellungen zu finden. Dennoch konnten sie die richtigen Antworten auf<br />

die Aufgaben finden. Diese Ergebnisse schließen zwar nicht aus, daß arithmetische Fakten in phonologischer<br />

Form gespeichert sind, aber sie zeigen, daß die phonologische Form nicht die einzige Speicherung<br />

sein kann (Fayol & Seron, 2004).<br />

Aufmerksamkeit<br />

Viele Autoren sehen einen Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit und Lernstörungen. Defizite in<br />

der Inhibition können die Leistungen des Arbeitsgedächtnissen negativ beeinflussen.<br />

Schwenk und Schneider (2003) belegen in ihrer Studie den Zusammenhang von spezifischen Defiziten<br />

im rechnerischen Bereich und Aufmerksamkeitsproblemen.<br />

Badian (1983) beschreibt sogar bei 42 % der Kinder mit Dyskalkulie Aufmerksamkeitsdefizite.<br />

Faraone et al. (1993) fanden bei ADHS Kindern gehäuft zusätzlich eine Dyskalkulie.<br />

Intelligenz<br />

Die intellektuelle Begabung wird sehr oft in direkten Zusammenhang mit <strong>„Rechnen</strong> können“ gebracht.<br />

Es gilt bei Laien die weit verbreitete Meinung: „Wer gut rechnen kann, ist intelligent und umgekehrt“.<br />

66


Kognitive Determinanten wie Begabung werden als geeignete Prädiktoren für alle Schulleistungen<br />

betrachtet. Stern (1997a) weißt darauf hin, dass substantielle Zusammenhänge zwischen intellektueller<br />

Begabung und mathematischen Fähigkeiten bestehen, die sich schon in der Vorschulzeit beobachten<br />

lassen. Zielinski (1998) beschreibt mittelhohe Korrelationen (.50 bis .70) von allgemeiner Intelligenz<br />

und Schulleistungen und folglich gilt die Begabung als guter Prädiktor für Schulleistungen.<br />

Die Begabung (operationalisiert durch die Subtests: Klassifikationen, Ähnlichkeiten und Matrizen des<br />

CFT 1) verliert als Prädiktor aber deutlich an Gewicht, wenn die spezifischen Vorkenntnisse (mengenund<br />

zahlenspezifischer Art) herausgerechnet werden (Krajewski 2003). Der direkte Einfluss von Begabung<br />

auf die Rechenfertigkeiten der 1. Klasse liegt dann nur mehr zwischen .26 und .30. Dennoch<br />

spielt die Begabung laut Krajewski beim Aufbau des mengenspezifischen Vorwissens eine entscheidende<br />

Rolle und beeinflusst somit indirekt wieder die Rechenleistung.<br />

Dowker (1998) misst in ihrer Studie über die Unterschiede der normalen Rechenentwicklung klare Zusammenhänge<br />

zwischen Rechenkönnen und Begabung. Rechnen und das Verwenden von Ableitungsstrategien<br />

zeigen enge Zusammenhänge sowohl zum Verbalen- als auch zum Handlungsteil<br />

des HAWIK, mehr noch zum Verbalteil.<br />

Zusammenfassung<br />

Rechnen und Begabung zeigen den oben genannten Studien nach deutliche Zusammenhänge. Unklar<br />

ist, ob Begabungswerte als Prädiktoren für den Rechenerwerb herangezogen werden können.<br />

Krajewski (2003) verneint diese Funktion, mengen- und zahlenspezifische Merkmale zeigen bessere<br />

Vorhersagewerte, Zielinski (1999) gibt an, dass Begabungsmessungen gute Pradiktoren für schulische<br />

Leistungen sind. Interessant sind die Ergebnisse von Dowker (1998), die enge Zusammenhänge<br />

zwischen dem HAWIK und besonders zwischen dem Verbalteil und dem Rechnen Können und dem<br />

Verwenden von Ableitungen beschreibt.<br />

Räumliche Fähigkeiten<br />

Räumliche Defizite, die sich in mangelndem Vorstellungsvermögen oder mangelnden visuellkonstruktiven<br />

Fähigkeiten zeigen, finden im Zusammenhang mit Schwierigkeiten im Rechnen vor allem<br />

in deutschsprachiger Literatur für Pädagogen großen Niederschlag.<br />

Barth (2003) beschreibt als wesentliche kognitive Basiskomponente des mathematischen Lernens<br />

visuell-räumliche (konstruktive) Verarbeitungsprozesse neben dem Sprachverständnis und sprachbezogenen<br />

Verarbeitungsprozessen (Barth führt an: Gaddes, 1991, Lorenz, 2003; Kaufmann, 2003).<br />

Heubrock und Petermann (2003) beschreiben in ihrem Lehrbuch der Klinischen Kinderneuropsychologie<br />

die räumlich-konstruktive Dyskalkulie als charakteristischste Dyskalkulie. Diese Form der Entwicklungsdyskalkulie<br />

ist laut obiger Autoren der Folge einer räumlich-konstruktiven Störung. Das spezifische<br />

Defizit liegt in der Einschätzung räumlicher Verhältnisse zwischen einzelnen Elementen, wie<br />

67


z.B. die Winkel der Uhrzeiger. Laut obiger Autoren ist es auch möglich, dass ein Bezugssystem zum<br />

Erfassen verschiedener Größenordnungen und Mengen auch in Bezug zum Zahlensystem (Zehner,<br />

Einer) fehlt. Auch die häufig erwähnten Schwierigkeiten beim Erfassen von präpositionalen Beziehungen<br />

(z.B.: vor, über, unter, nach, hinter, neben) in Textaufgaben können im Defizit der mentalen Analyse<br />

dieser räumlichen Beziehungen begründet sein.<br />

Wissenschaftliche Studien dazu finden sich in den aktuellen Veröffentlichungen allerdings relativ selten.<br />

Geary, Hamson und Hoard (2000) untersuchen diese räumlichen Fähigkeiten bei Kindern anhand<br />

des Labyrinth-Tests aus dem HAWIK-III. Sie finden keine Gruppendifferenzen zwischen folgenden 4<br />

Gruppen: „Kinder mit allgemeinen Lernschwierigkeiten, mit Leseschwierigkeiten, mit Rechenschwierigkeiten<br />

und mit kombinierten Schwierigkeiten im Lesen und Rechnen“. Allerdings zeigen sich diese<br />

geringen Gruppendifferenzen erst dann, wenn die „Begabung“ (Mosaiktest und Wortschatztest aus<br />

dem HAWIK III) herausgerechnet ist.<br />

Kritik:<br />

Es ist in Frage zu stellen, ob Begabung durch zwei Subtests aus dem HAWIK III ausreichend differenziert<br />

erhoben worden ist, so dass von „Begabung“ gesprochen werden kann. Der Untertest „Mosaiktest“<br />

erfasst räumlich-konstruktive Fähigkeiten und der Wortschatztest die Fähigkeit der semantischen<br />

Speicherung für Worte. Der Einfluss dieser beider Komponenten oder zumindest der räumlichkonstruktiven<br />

Komponente aufs Rechnen könnte gerade auch als Beweis dienen, dass ein großer Zusammenhang<br />

zwischen Rechnen und diesen oder einer dieser Komponenten (räumlich-konstruktive<br />

Fähigkeiten) besteht.<br />

Geary (1993), der rechenschwache Kinder 3 Defizitgruppen zuordnet, bringt eine von den drei Gruppen<br />

in Zusammenhang mit der Fähigkeit, die numerische Information räumlich zu repräsentieren. Ein<br />

visuell-räumliches Defizit soll sowohl die spaltenweise Ausrichtung komplexer Rechnungen erschweren,<br />

als auch das Verständnis für das Stellenwertsystem. Geary bemängelt das Fehlen von entsprechenden<br />

Studien, die die visuell-räumlichen Fähigkeiten von Kindern mit Rechenschwäche systematisch<br />

erheben. Er schreibt, dass die visuell-räumlichen Systeme viele mathematische Kompetenzen<br />

unterstützen, wie z.B.: Gebiete der Geometrie oder komplexe Textaufgaben (Dehaene et al. 1999;<br />

Geary, 1996; Geary, 2004) und Defizite in diesem Bereich deshalb spezifische Lernprobleme verursachen<br />

können.<br />

Gathercole und Pickering (2000) haben versucht, bei 6 und 7 jährigen Kindern verschiedene Komponenten<br />

des Arbeitsgedächtnisses, unter anderem das visuell-räumliche Gedächtnis, zu erheben. Sie<br />

verwendeten zur Erhebung des visuell-räumlichen Gedächtnisses statische und dynamische Matrizen<br />

sowie statische und dynamische Labyrinthe.<br />

Die Ergebnisse der einzelnen Untertests korrelierten nicht sehr hoch untereinander und zeigten generell<br />

hohe Zusammenhänge mit den Messwerten der Zentralexekutive. Da die Ergebnisse ihrer Studie<br />

deshalb in Bezug auf visuell-räumliches Gedächtnis wenig aussagekräftig sind, kommen die Autorin-<br />

68


nen zum Schluss, dass der „visuell-räumliche Notizblock“ im Alter von 6 bis 7 Jahren noch nicht voll<br />

entwickelt sein könnte oder dass der visuell-räumliche Notizblock in diesem Alter von der Zentralexekutive<br />

abhängig ist.<br />

Baddeley (2002) beschreibt einige Studien, die sich mit Menschen mit Williams Syndrom beschäftigen.<br />

Er fasst zusammen, dass diese Krankheit zu einer genetisch vererbten Lernschwierigkeit führt,<br />

gekennzeichnet durch relativ gute sprachliche Fähigkeiten und ein gutes sprachliches Kurzzeitgedächtnis,<br />

bei stark beeinträchtigten räumlichen Fähigkeiten, messbar an der „Corsi-Tapping-Spanne“.<br />

Diese räumlichen Schwierigkeiten zeigen sich auch an verbal-räumlichen Aufgaben. Sätze mit räumlichen<br />

Begriffen wie: „ober, unter, innerhalb, außerhalb“ konnten von den Williams Syndrom Patienten<br />

wesentlich schlechter verifiziert werden als Sätze mit nicht räumlichen Inhalten, wie Negationen oder<br />

Passivformen.<br />

Abbildung: Baddeley, (2002) S.88; Verarbeitung von räumlichen syntaktischen Formulierungen von Williams Syndrom<br />

Kindern (WS), Kindern mit minimaler cerebraler Dysfunktion (MLD) und normal entwickelten Kindern (TD)<br />

Erklärung: Williams Syndrom Patienten (WS) zeigen deutlich beeinträchtigte räumliche Arbeitsgedächtnisleistungen<br />

im Vergleich zu normal entwickelten Kindern und Kindern mit MLD.<br />

Bahr (1997) zitiert Robert Case, der eine Verbindung zwischen numerischem und räumlichem Wissen<br />

sieht. Er sagt, dass Mathematiker oft beschreiben, dass ihre Ideen und Einfälle stark räumlich repräsentiert<br />

sind. Erwachsene mit cerebralen Läsionen, welche das räumliche Verständnis beeinträchtigen,<br />

haben laut Case oft auch Schwierigkeiten mit Zahlen. Kinder, die beim Lesen keine Schwierigkeiten<br />

haben, aber beim Rechnen, zeigen laut Case oft geringere räumliche Fähigkeiten.<br />

Eine Untersuchung von McKenzie, Bull & Gray (2003) zeigt deutlich, dass Kinder im Alter zwischen 6<br />

und 7 Jahren beim arithmetischen Rechnen stark den visuell-räumlichen Notizblock benutzen, um<br />

bildhafte Einträge im Gedächtnis zu halten und zu manipulieren. Ältere Kinder (8 bis 9 Jahre) verwen-<br />

69


den zunehmend zum visuell-räumlichen Notizblock auch verbale Strategien (z.B.: rehearsal Strategien)<br />

zum arithmetischen Rechnen.<br />

Oben genannte Autoren folgern aus diesen Annahmen, dass rechenschwache Kinder davon profitieren<br />

könnten, wenn man ihre visuell-räumlichen Gedächtnisfähigkeiten überprüft, um in der Förderung<br />

gezielt darauf reagieren zu können. Sie meinen, dass das Lehren von alternativen Rechenstrategien<br />

eine Möglichkeit sein könnte, den Kindern zu helfen. Weiters können Unterrichtsmaterialien mit visuellem<br />

und phonologischem Inhalt von Bedeutung sein. Die Visualisierung der arithmetischen Informationen<br />

kann eine große Hilfe sein, die Lösung zu finden. Besonders Mädchen scheinen von dieser Visualisierungsmethode<br />

zu profitieren, während Jungen sie ohnehin eher spontan anwenden (Lewis,<br />

1989).<br />

Aufgrund des SNARC – Effekts (Dehaene et al., 1993) lässt sich ableiten, dass die mentale Zahlenlinie<br />

in einer links-rechts Anordnung abgebildet ist. Eine Studie von Berch et al. (1999) zeigte, dass der<br />

SNARC – Effekt beim Vergleichen von Zahlenpaaren sich circa in der 3. Schulstufe entwickelt. Da der<br />

Vergleich von Zahlenpaaren relativ komplex ist, ist es gut möglich, dass SNARC auch schon bei jüngeren<br />

Kindern sichtbar wird.<br />

Eine Autorengruppe um Bachot (2005) beschäftigte sich mit der Frage des Zusammenhangs von visuell-räumlichen<br />

und numerischen Schwierigkeiten. Es gilt als wahrscheinlich, dass visuell-räumliche<br />

Systeme, wie beispielsweise das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis bei der numerischen Verarbeitung<br />

unterstützen. Und es ist auch möglich, dass visuell-räumliche und numerische Fähigkeiten einen<br />

noch basaleren Ursprung haben (Bachot et al., 2005). Um diese Hypothese zu prüfen, untersuchte die<br />

oben genannte Forschergruppe den SNARC – Effekt bei Kindern zwischen 7 und 12 Jahren mit visuell-räumlichen<br />

Defiziten anhand einer Zahlenvergleichsaufgabe (größer oder kleiner als 5). Die Untersuchungskinder<br />

zeigten alle normale verbale Begabungswerte (WISC-R und III) und Defizite im visuell-räumlichen<br />

Bereich (Mosaiktest und andere Verfahren) und eine Dyskalkulie. Es wurde die Frage<br />

gestellt, welchen Einfluss die visuell-räumlichen Schwierigkeiten auf die Entwicklung der mentalen<br />

Zahlenlinie haben.<br />

Entsprechend den Annahmen zeigte sich der SNARC – Effekt nur bei der Kontrollgruppe. Ebenso<br />

zeigten nur die Kinder der Kontrollgruppe einen zuverlässigen Distanzeffekt bis zu einer Distanz 3. Es<br />

liegt also die Vermutung nahe, dass Kinder mit normaler verbaler Begabung, aber visuell-räumlichen<br />

Schwierigkeiten, Probleme haben, eine interne mentale Repräsentation der Zahlenlinie aufzubauen.<br />

Die Autoren vermuten, dass auch das visuell-räumliche Gedächtnis in diesem Zusammenhang eine<br />

Rolle spielt, da die Kinder tatsächlich auch bei der visuell-räumlichen Gedächtnisaufgabe schlechter<br />

abgeschnitten haben. Welche Rolle das visuell-räumliche Gedächtnis (Notizblock) nun bei den visuellräumlichen<br />

Defiziten und den abnormalen Repräsentationen der mentalen Zahlenlinie spielt, ist noch<br />

nicht geklärt.<br />

Jedenfalls sind die Ergebnisse dieser Studie ein interessanter Hinweis darauf, dass rechenschwache<br />

Kinder mit visuell-räumlichen Defiziten Probleme haben, die Zahlen in einer entsprechenden mentalen<br />

Repräsentation (Zahlenlinie) zu speichern.<br />

70


Die Ergebnisse decken sich auch mit den Annahmen von Landerl et al. (2004), dass das zentrale<br />

Merkmal einer Rechenschwäche ein Defizit im Konzept der Numerosität und deren Verarbeitung liegt.<br />

Zusammenfassung:<br />

Die in der deutschen Literatur für Pädagogen häufig angeführten räumlichen Defizite in Zusammenhang<br />

mit Rechenschwäche finden sich wenige wissenschaftliche Belege. Geary (1993) beschreibt<br />

einen Dyskalkulie-Typ, den er auf räumliche Defizite zurückführt. Kinder dieses Dyskalkulie-Typs zeigen<br />

deutliche Schwierigkeiten, die numerischen Informationen räumlich abzuspeichern (z.B.: die spaltenweise<br />

Ausrichtung der Informationen, Stellenwertsystem).<br />

Gathercole und Pickering (2000) konnten keine Belege für räumliche Gedächtnisdefizite bei rechenschwachen<br />

Kindern finden, nachdem sie die Begabung (operationalisiert durch den HAWIK Subtests:<br />

Mosaiktest und Wortschatz) herausgerechnet haben. Die Autorinnen vermuten, dass im Alter von 6<br />

bis 7 Jahren der visuell-räumliche Notizblock noch nicht voll ausgebildet sei und deshalb für das<br />

Rechnen noch nicht so eine große Rolle spielt.<br />

McKencie et al. (2003) zeigen, dass Kinder in diesem Alter vermehrt die Ressourcen des visuellräumlichen<br />

Notizblocks nutzen, um zu rechnen. Mit zunehmendem Alter zwischen 8 und 9 Jahren,<br />

nehmen dann verbale rehearsal - Strategien zu.<br />

Bahr (1997) und Robin Case sehen wiederum deutliche Zusammenhänge zwischen Rechenfähigkeiten<br />

und räumlichen Fähigkeiten im positiven wie im negativen Sinne. Gute Rechner verwenden vermehrt<br />

räumliche Denkstrategien und rechenschwache Kinder fallen durch ihre schwachen räumlichen<br />

Leistungen auf.<br />

Trotz der Uneinheitlichkeit der vorliegenden Studien gehen Bachot et al. (2005) von der Annahme<br />

aus, dass es Zusammenhänge zwischen visuell-räumlichen und numerischen Problemen gibt und<br />

fanden Bestätigung für diese Zusammenhänge bei Kindern im Alter von 7 bis 12 Jahren.<br />

Es zeigte sich kein SNARC – Effekt bei Kindern mit visuell-räumlichen Schwierigkeiten und Dyskalkulie<br />

im Gegensatz zur Kontrollgruppe bei gleicher verbaler Begabung. Die Autoren sehen die Annahme<br />

bestätigt, dass bei den Kindern mit visuell-räumlichen Defiziten die mentale Zahlenlinie nicht normal<br />

entwickelt wird.<br />

Lesen, Leseschwierigkeiten (Dyslexie) und Rechenschwierigkeiten<br />

Die Angaben über die Häufigkeiten von Leseschwierigkeiten bzw. Dyslexien schwanken zwischen 4<br />

und 15% (Klicpera und Gasteiger Klicpera, 1993). Die Auftretenswahrscheinlichkeiten sind also annähernd<br />

gleich hoch wie für Rechenschwierigkeiten.<br />

71


Wie im Kapitel Prävalenz erwähnt, zeigen etwa 40% der Kinder mit Dyslexie auch Schwierigkeiten mit<br />

dem Rechnen (Lewis, Hitch & Walker, 1994). Andere Angaben (Schwenk und Schneider, 2003;<br />

Gross-Tsur, Manor und Shalev, 1996; Geary, 1993) schwanken in einen Bereich zwischen 20 und<br />

60% der Komorbidität von Dyslexie und Dyskalkulie.<br />

In diesem Sinne ist es notwendig, die wichtigsten Eckpfeiler des Lese/Rechtschreiberwerbs zu erläutern,<br />

um die Zusammenhänge der Symptomatik beider Störungsbilder verstehen zu können.<br />

Das nächste Unterkapitel ist ein kurzer Ausflug in den Bereich Schriftspracherwerb, insbesonders<br />

phonologische Bewusstheit.<br />

Schriftspracherwerb<br />

Schwierigkeiten im Lese-Rechtschreiberwerb lassen sich auf Defizite in der sprachgebunden Informa-<br />

tionsverarbeitung (visuell und phonologisch) zurückführen.<br />

Schwächen in der visuellen Informationsverarbeitung treten vor allem dann auf, wenn die zu verarbei-<br />

tenden Informationen einen Bezug zur Schriftsprache (z.B.: Buchstabenketten unterscheiden) haben<br />

(Warnke, 1992).<br />

Besondere Bedeutung zur Vorhersage vom Lesen- und Schreibenlernen haben mehrere spezifische<br />

Fertigkeiten, die unter dem Sammelbegriff „phonologische Informationsverarbeitung“ zusammenge-<br />

fasst werden (Schneider 1997). Genauer ist darunter die Nutzung von Informationen aus der Laut-<br />

struktur von gesprochener und geschriebener Sprache gemeint.<br />

Phonologische Informationsverarbeitung bedeutet beim Lesen den indirekten Zugang vom schriftli-<br />

chen Symbol (Buchstabe, Bild) zur entsprechenden lautlichen Information (lautliche Rekodierung).<br />

Aus der lautlichen Struktur, welche zu einem Wort zusammengefügt wird (Lautsynthese), wird dann<br />

vom semantischen Langzeitgedächtnis die entsprechende Bedeutung abgerufen.<br />

Leseanfänger verwenden im deutschsprachigen Raum normalerweise die Technik der Lautsynthese,<br />

aber auch geübte Leser benötigen diese Strategie, um beispielsweise ein unbekanntes Wort zu erle-<br />

sen.<br />

Im vorschulischen Bereich kann diese Fähigkeit durch das Vorsprechen von Lauten, welche dann vom<br />

Kind zu einem Wort zusammengefügt werden sollen, erfasst werden. (Quellen). Neben der phonologi-<br />

schen Synthesefähigkeit fließt in diese Leistung auch die Merkfähigkeit für die einzelnen Laute mit ein.<br />

Die phonologische Rekodierfähigkeit kann sehr gut über Leistungen beim Lesen von Pseudowörtern<br />

erfasst werden, weil in diesem Fall das Erlesen der Wörter nur durch exaktes Zuordnen von Lauten zu<br />

Buchstaben möglich ist.<br />

72


Laut Wimmer (1993a) besteht für deutschsprachige Kinder mit Leseschwierigkeiten das Problem nicht<br />

so sehr durch mangelhaften Zugriff zum Phonem (Schwierigkeiten in der Graphem-Phonem Zuord-<br />

nung), sondern viel mehr durch die Beeinträchtigung der Schnelligkeit dieses Prozesses.<br />

Wagner und Torgesen (1987) sehen in der Geschwindigkeit zum Benennen von Farben, Objekten und<br />

Buchstaben ebenfalls ein Indiz für die phonologische Rekodierfähigkeit. In diesen Aufgaben wird der<br />

schnelle Zugriff bzw. der schnelle Abruf des jeweiligen Sprechwortes verlangt. Neben der phonologi-<br />

schen Komponente kommt bei diesen Aufgaben auch eine visuelle und eine artikulatorische Kompo-<br />

nente hinzu. Der visuelle Stimulus muss zuerst wahrgenommen werden, dann wird die entsprechende<br />

Wortform im phonologischen Lexikon aktiviert, um schlussendlich richtig artikuliert zu werden. Zahlrei-<br />

che Studien belegen Zusammenhänge zwischen der Fähigkeit zum schnellen Benennen, als Maß für<br />

das phonologische Rekodieren, und dem späteren Schriftspracherwerb. Denckla und Rudel (1974)<br />

haben als erste Aufgaben zum schnellen Benennen verwendet, bei welchen Kinder Farben, Buchsta-<br />

ben, Zahlen, Objekte (jeweils 5 Items in verschiedener Anordnung) so schnell wie möglich benennen<br />

sollten. Leseschwache Kinder erwiesen sich als deutlich langsamer im Vergleich zu durchschnittlichen<br />

Lesern. Das Grundmuster dieses Tests wurde von vielen Folgestudien übernommen, die ähnliche Er-<br />

gebnisse hervorbrachten.<br />

Beim Erlernen des Schreibens sollte die Fähigkeit vorhanden sein, das gesprochene Wort durch pho-<br />

nologische Informationsverarbeitung in Phoneme zu segmentieren (Lautanalyse). Diese Phoneme<br />

werden dann beim lauttreuen Schreiben in der richtigen Reihenfolge in die entsprechenden Grapheme<br />

übertragen.<br />

Die phonologische Bewusstheit meint also die Einsicht der Kinder in die Lautstruktur der gesproche-<br />

nen Sprache, um beispielsweise Silben, Reime oder gar einzelne Laute (Phoneme) in Wörtern her-<br />

auszuhören.<br />

Um Einblick in diese Dinge zu erhalten, müssen Kinder ihre Aufmerksamkeit von der Bedeutung der<br />

Mitteilung wegnehmen, um auf die formale Struktur der Sprache achten zu können.<br />

Die analysierbaren lautlichen Einheiten bleiben bei Kindern ohne Schriftspracherfahrung (Kinder vor<br />

Schuleintritt) auf Silben, Reime und betonte oder prominente phonologische Merkmale eines Wortes<br />

beschränkt, was auch phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn genannt wird (siehe Janson,<br />

Mannhaupt, Marx, und Skowronek 1998) . Mit Schuleintritt verbessern und verfeinern sich diese Fer-<br />

tigkeiten bis zur exakten Analyse eines jeden Lautes eines Wortes (phonologische Bewusstheit im<br />

engeren Sinne).<br />

Aufgaben zum rhythmischen Gliedern in Silben (Silben klatschen) und Vergleichen von Reimen sind<br />

Teile zahlreicher Testverfahren zur Früherkennung von Lese-Rechtschreibschwierigkeiten (z.B.: Biele-<br />

felder Screening BISC, Breuer Weuffen, HASE-Test).<br />

Lesen und Schreiben erfordert neben dem Analysieren und Rekodieren auch das kurzfristige Bereit-<br />

halten der Information (Laute, Buchstaben und größere Einheiten) durch das Kurzzeitgedächtnis<br />

(Baddeley & Gathercole, 1992). Die Informationen müssen so lange zur Verfügung stehen, bis der<br />

Lese- oder Schreibvorgang eines Wortes abgeschlossen ist. Dieses Bereithalten gelingt natürlich nur<br />

73


dann, wenn die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses (Gedächtnisspanne) für sprachliche Informatio-<br />

nen nicht überschritten wird.<br />

Die Gedächtnisspanne kann mit Aufgaben zum Nachsprechen von Wörtern, Buchstaben unterschied-<br />

licher Anzahl, oder aber mit dem Nachsprechen von Pseudowörtern unterschiedlicher Länge erhoben<br />

werden (z. B. Mottier-Test, Pseudowörter-Nachsprechen aus dem BISC, Zahlen Nachsprechen aus<br />

dem HAWIK III).<br />

Schneider & Näslund (1992, 1993) belegen den signifikanten Zusammenhang zwischen der im Vor-<br />

schulalter erhobenen Gedächtnisspanne und den schulischen Lese-Rechtschreibleistungen.<br />

PET (Psycholinguistischer Entwicklungstest, Angermeier, 1968), HASE-Test (Schöler, H., Westraver-<br />

lag, 2002)<br />

Mottier Test – aus dem Züricher Lesetest und Artikel<br />

Auswirkungen von Dyslexien/Leseschwierigkeiten auf das Rechnen<br />

Menschen mit Dyslexie (Leseschwierigkeiten) zeigen mit großer Häufigkeit in Bezug auf Rechnen<br />

Schwierigkeiten im Abruf von Zahlenfakten, wie zum Beispiel die Fakten der Malreihen.<br />

Miles (1993) stellte fest, dass 96% einer Stichprobe von 80 DyslektikerInnen im Alter von 9 bis 12 Jahren,<br />

die 6er, 7er und 8er Malreihen nicht ohne zu stottern aufsagen konnten.<br />

Kay und Yeo (2003) beschäftigen sich mit den Mathematik-Schwierigkeiten von Kindern mit Dyslexie.<br />

Sie betonen, dass Kinder mit Dyslexie oft Schwierigkeiten mit dem Langzeitgedächtnis für Fakten (z.B.<br />

Malreihen), neben Arbeitsgedächtnisproblemen, seriellen Schwierigkeiten und sprachlichen Schwierigkeiten,<br />

einschließlich der mathematischen Sprache, haben.<br />

Dyslexie-Kinder scheinen „langsam zu denken“ wenn sie mathematische Probleme lösen, weil sie die<br />

Fakten nicht direkt abrufen können.<br />

In einer weiteren Studie beschreibt Yeo (2001), dass viele dyslektische Kinder eigentlich nur mit den<br />

Aspekten der Mathematik Schwierigkeiten haben, die das verbale Gedächtnis involvieren. Ein kleiner<br />

Teil der dyslektischen Kinder zeigt aber fundamentalere Schwierigkeiten mit dem Zahlensinn. Diese<br />

Kinder vergleichen Zahlen nur als Begriffe für Mengen, die gezählt werden und verstehen sie nicht auf<br />

abstrakterer Ebene oder begreifen die Beziehungen zwischen den Zahlen nicht. Yeo vermutet, dass<br />

sie Aufmerksamkeit der Kinder so vom Zählvorgang beansprucht ist, dass für andere Aspekte der<br />

Zahlen keine Kapazitäten mehr frei sind.<br />

Die Gedächtnisspanne für Zahlen (Zahlennachsprechen vorwärts und rückwärts aus dem WISC) wurde<br />

in einer Untersuchung von Landerl et al. (2004) in vier Gruppen (Kinder mit Lese-<br />

Rechtschreibschwäche LRS, Kinder mit Rechenschwäche RS, Kinder mit beiden Schwächen<br />

74


LRS+RS und Kontrollkindern) erhoben. Es zeigte sich ein Trend zu niedereren Leistungen in den<br />

Aufgaben zur Gedächtnisspanne in den Gruppen von LRS und LRS+RS Kindern.<br />

Die RS Kinder und Kontrollkinder lagen annähernd gleich auf, so dass laut diesen Untersuchungsergebnissen<br />

nicht von einem Defizit der Gedächtnisspanne für Zahlen bei rechenschwachen Kindern<br />

ausgegangen werden kann.<br />

Dyslexie und Dyskalkulie<br />

Die Untersuchung von Landerl at al. 2004 belegte, dass Kinder mit Dyskalkulie ohne Lese-<br />

Rechtschreibprobleme in den Bereichen der phonologischen Informationsverarbeitung und des phonologischen<br />

Arbeitsgedächtnisses keine Defizite zeigen. Ebenso bleiben verbale und nonverbale Begabung<br />

sowie die psychomotorischen Fertigkeiten unbeeinflusst.<br />

Kinder mit Dyskalkulie und Lese-Rechtschreibschwäche gemeinsam weisen im Allgemeinen<br />

die Defizitmuster beider Entwicklungsstörungen auf.<br />

Das bedeutet laut Landerl. et al. (2004): Sowohl für rechenschwache als auch lese-rechtschreibrechenschwache<br />

Kinder gelten folgende Befunde in Bezug aufs Rechnen:<br />

� Generelle Defizite in der Zahlenverarbeitung:<br />

o Zugriff auf verbale und semantische numerische Information<br />

o Punkte zählen, tendenziell Subitizing<br />

o Zahlenfolgen rezitieren<br />

o Zahlen ordnen<br />

o Zahlen schreiben<br />

Die Studie von Geary, Hamson & Hoard (2000) zeigt folgende Ergebnisse an kognitiven Defiziten bei<br />

Kindern mit Rechenschwäche, Leseschwäche und kombinierten Schwächen in Lesen und Rechnen:<br />

1. Rechenschwache Kinder zeigen in der 1. Schulstufe signifikante Schwierigkeiten des Zählprinzips<br />

„Order Irrelevance“, Schwierigkeiten im Fakten-Abruf, und gehäuft Fehler in der Zählprozedur.<br />

Die Fehler in der Zählprozedur waren in der 1. Schulstufe allerdings häufiger als in<br />

der 2. Schulstufe.<br />

2. Kinder mit Leseschwierigkeiten zeigen keine auffälligen Schwierigkeiten mit Zahlen, Zählen<br />

und basalen arithmetische Kompetenzen. Es gibt Vermutungen, dass der Faktenabruf erschwert<br />

wird durch mangelnde Hemmung irrelevanter Assoziationen. Das hervorstechendste<br />

Merkmal der leseschwachen Gruppe ist das langsame Tempo des Benennens von bekannten<br />

Worten (bei Verarbeitung im Kurzzeitgedächtnis).<br />

3. Die „Doppel-Defizit Gruppe“ (Rechnen und Lesen) zeigt laut Geary et al. (2000) ein breites<br />

Bild von Defiziten beim numerischen Wissen, Zählen und arithmetischen Defiziten. Ebenso<br />

75


sind Defizite im Zahlen nachsprechen und in der raschen Aktivierung von bekannten Worten,<br />

wenn diese im Kurzzeitgedächtnis verarbeitet werden beobachtbar.<br />

Shalev, Manor & Gross-Tsur (1997) schreiben, dass Kinder mit Mathematik- und Leseschwierigkeiten<br />

sind tiefergehender beeinträchtigt als Kinder mit spezifischen Schwierigkeiten in Mathematik. Es betrifft<br />

Subtraktionen, Divisionen und verbale Begabungswerte. Die Werte des HAWIK Handlungsteils<br />

sind auch durchgehend niederer, werden aber statistisch nicht signifikant. Bemerkenswert ist jedenfalls,<br />

dass das Muster der numerischen Beeinträchtigung für beide Gruppen dasselbe ist. Die Autoren<br />

dieser Studie sehen keinen Grund einen Unterschied zwischen diesen Gruppen in Bezug auf numerische<br />

Verarbeitung zu machen, obwohl die „Doppel-Defizit“ Kinder tendenziell schwerer beeinträchtigt<br />

sind als nur spezifisch rechenschwache Kinder.<br />

Zusammenfassung<br />

Zusammenfassend möchte ich den Satz von Landerl et al. wiederholen: „Kinder mit Dyskalkulie und<br />

Lese-Rechtschreibschwäche gemeinsam weisen im Allgemeinen die Defizitmuster beider Entwicklungsstörungen<br />

auf.“ Kinder mit isolierter Rechenschwäche und Kinder der „Doppel-Defizit“-Gruppe<br />

zeigen die gleichen Bilder der Rechenschwäche, es macht also keinen Sinn zwischen diesen beiden<br />

Gruppen in Bezug auf die Rechenschwäche einen Unterschied zu machen (Shalev et al. 1997). Kinder<br />

der Doppel-Defizit Gruppe sind in der tendenziell schwerer betroffen (Shalev et al. 1997).<br />

Weitere Störungen, die mit Rechenschwäche in Zusammenhang gebracht werden<br />

(nach Slomka, 1998, S. 154. Heubrock und Petermann, 2000, S.236; v.Aster 2001, Jacobs und Petermann,<br />

2003)<br />

Oben genannte Autoren nehmen an, dass die gesunde Entwicklung vieler Wahrnehmungsbereiche<br />

die Voraussetzung für die Entwicklung kognitiver Basisfertigkeiten im numerischen und pränumerischen<br />

Bereich ist. Sie zeigen Stützfunktion und Störungen in diesen Bereichen können die<br />

Rechenfähigkeit negativ beeinflussen.<br />

• Visuelle Wahrnehmungsstörungen (visuell-räumlich, Figur-Hintergrund)<br />

• Visuomotorische Störungen<br />

• Visuell-sequenzielle Störungen<br />

• Störungen der sprachlichen Verarbeitung (auditives Gedächtnis, verbal-sequentielle Verarbeitung)<br />

• Störungen der Reihenfolgeanalyse (Serialität)<br />

• Störungen des Sprachverständnisses (präpositionale Begriffe)<br />

• Störungen des abstrakten Denkens<br />

76


Ursächliche Zusammenhänge sind jedoch sehr schwer zu belegen, da keine dieser Störungen bei<br />

Rechenschwierigkeiten vorliegen muss. Lediglich die gehäufte Beobachtung dieser zusätzlichen Störungen<br />

wird beschrieben.<br />

Letztendlich konnte zu keiner dieser Störungen ein kausaler Zusammenhang zur Dyskalkulie nachgewiesen<br />

werden.<br />

Dowker (2004) formuliert die Zusammenhänge zwischen räumlichen oder verbalen Schwierigkeiten<br />

und Rechnen folgendermaßen: „ …obwohl diese Schwierigkeiten als Warnsignale dienen sollten, dass<br />

diese Kinder Rechenschwierigkeiten zeigen können, dürfen sie nicht als definitive Prädiktoren weder<br />

für das Auftreten noch für den Typ der Rechenschwäche genommen werden.“<br />

El-Naggar (1996) beschreibt in ihrem Buch über Kinder mit Rechenschwierigkeiten charakteristische<br />

Probleme dieser Kinder. Aber: Nicht alle Kinder zeigen alle diese Probleme; oder nicht alle Kinder mit<br />

diesen Problemen haben auch Rechenschwierigkeiten.<br />

Typisch für Kinder mit Rechenschwäche werden bei El-Naggar folgende Schwierigkeiten aufgelistet:<br />

Beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis, Schwierigkeiten mit dem Langzeitgedächtnis, Orientierungsschwierigkeiten,<br />

Visuo-perzeptive Schwierigkeiten, sequentielle Schwierigkeiten, räumliche Schwierigkeiten,<br />

Schwierigkeiten mit der mathematischen Sprache, Mangel an Problemlösestrategien, motorisch-perzeptive<br />

Schwierigkeiten<br />

Zusammenfassung<br />

Die Reihe der zusätzlich beobachteten Störungen ist lang. Sie reicht über räumliche, verbale, visuoperzeptive,<br />

sequentielle, verbal-räumliche, und motorisch-perzeptive Defizite noch hinaus.<br />

Diese zusätzlichen Schwierigkeiten erschweren der Erwerb des Rechnens können aber weder verallgemeinert<br />

noch in ursächlichen Zusammenhang mit dem Rechnen gebracht werden (Dowker, 2004).<br />

Vor allem die deutschsprachigen Autoren führen in den Förderprogrammen und -möglichkeiten immer<br />

auch ein spezielles Training dieser Wahrnehmungsbereiche an. Eine konsequente Forschung in Bezug<br />

auf den Erfolg der Wahrnehmungsförderung auf das Rechnen ist aber bis heute ausgeblieben<br />

oder negativ ausgefallen (Quellen: Suchodoletz, 2003).<br />

77


Rechenangst und Einstellungen<br />

Salopp gesprochen gilt die Annahme, dass Personen mit schlechten Rechenleistungen Angst vor<br />

Rechnen haben und umgekehrt, dass Personen mit hoher Angst vor Mathematik auch schlechtere<br />

Leistungen in Rechnen zeigen. Die Feststellung, dass die Rechenangst die Leistung des Arbeitsgedächtnisses<br />

negativ beeinflusst, erklärt einerseits schlechtere Rechenleistungen.<br />

Und es trifft auch der nahe liegende Sachverhalt zu, dass Personen mit Rechenangst Mathematik<br />

vermeiden, das heißt, sich weniger mit Mathematik befassen, in Amerika weniger Mathematik-Kurse<br />

belegen, schlechtere Noten erhalten und letztendlich deshalb auch tatsächlich schlechtere Mathematikkompetenzen<br />

zeigen (Ashcraft et al., 1998; Dowker 2000).<br />

Allgemein lässt sich festhalten, dass je komplexer, oder schwieriger die arithmetischen Aufgaben, umso<br />

deutlicher wird der Leistungsabfall in Zusammenhang mit Rechenangst.<br />

Beispielsweise wird die Leistung bei zweistelligen Additionen (24+37), bei denen Überträge auch noch<br />

im Gedächtnis gehalten werden müssen, bei hoch ängstlichen Personen im Vergleich zu wenig ängstlichen<br />

Personen schlechter (Faust, 1994). Ein Leistungsabfall lässt sich auch sehr deutlich anhand<br />

von längeren Lösungszeiten messen (Faust, Ashcraft & Fleck, 1996).<br />

Personen mit höheren Werten in Rechenangst zeigen in der Studie von Ashcraft und Kirk (2001) deutlich<br />

niederere Arbeitsspeicherkapazitäten als Personen mit niederem Angstniveau. Die Autoren betonen,<br />

dass der reduzierte Arbeitsspeicher ein „online“ Effekt ist, welcher den Informationsprozess für<br />

arithmetische Aufgaben reduziert, weil bei hoher Angstreaktion weniger Arbeitsspeicherkapazität „übrig“<br />

bleibt. Das Arbeitsgedächtnis für nicht numerische Inhalte (Buchstaben) bleibt bei mathematikängstlichen<br />

Personen hingegen unbeeinflusst.<br />

Oben genannte Autoren nennen den „Funktionsort“ für diesen „online“ Effekt die Zentralexekutive des<br />

Arbeitsgedächtnisses. Die Zentralexekutive kontrolliert die Durchführung der Rechenprozedur und ist<br />

der Ort, wo auch negative Gedanken und Sorgen registriert werden.<br />

Ashcraft, Kirk und Hopko (1998) nehmen an, dass Rechenangst die effiziente Arbeit des Arbeitsgedächtnisses<br />

stört und folglich auch mathematische Prozesse, die vom Arbeitsgedächtnis abhängen. In<br />

Bezug auf die Annahmen von Geary (1991), der eine Verschiebung der Rechenstrategien im Laufe<br />

des Rechnen Lernens beschreibt, vermutet die Autorengruppe um Ashcraft (1998) folgendes: „Kinder,<br />

die ihre Arbeitsspeicherkapazitäten zwischen Rechenangst und Problemlösung teilen müssen, überladen<br />

ihre Speicherkapazitäten dermaßen, dass komplexere Arithmetik nicht erfolgreich erlernt bzw.<br />

bewältigt werden kann.“<br />

Eine Autorengruppe um Hopko (Hopko et al. 2002) untersuchte den Einfluss genereller Angst und<br />

spezifischer Rechenangst auf mathematische Leistungen. Sie stellte fest, dass nur die Rechenangst<br />

78


negativen Einfluss auf die Rechenleistungen (Fehlerraten) hatte, insbesonders auf schwierige Aufgaben<br />

und Aufgaben, die viele Arbeitsgedächtnisressourcen benötigen.<br />

Zusammengefasst beeinflusst die Rechenangst die aktuell („online“) ablaufenden, aufgabenbezogenen<br />

Aktivitäten des Arbeitsgedächtnisses, reduziert die Leistungen und beeinflusst die Genauigkeit.<br />

Einstellungen<br />

Ashcraft, Kirk und Hopko (1998) schreiben in ihrem Artikel zu den kognitiven Konsequenzen der Rechenangst<br />

bezüglich der Einstellungen, dass die Einstellung zu Mathematik und die Rechenangst, wie<br />

zu erwarten, sehr hoch korrelieren. Bei Jugendlichen korreliert die positive Einstellung zu Mathematik<br />

mit geringer Angst vor Rechnen mit – 0.75 und die Selbsteinschätzung in Rechnen korreliert mit –<br />

0.71 mit Rechenangst. Fennema (1989), zitiert bei oben genannten Autoren, beschreibt in ihrem Model<br />

zum „autonomen Lernverhalten“ sehr einleuchtend eine Synthese von Rechenangst und Einstellung.<br />

Fennema nimmt drei Faktoren als Vorläufermerkmale für das Lernverhalten in Mathematik an:<br />

„Einstellung zu Mathematik – „internal belief systems", Mathematikangst und externe Ressourcen (wie<br />

Eltern, Lehrer, Mitschüler)“. Wenn die internen und externen Ressourcen negativ sind und die Rechenangst<br />

hoch, dann wird das „autonome Lernverhalten“ sehr reduziert. Mit autonomem Lernverhalten<br />

sind Verhaltensweisen gemeint, die unterstützend für den Lernerfolg wirken, wie: „Selbstständigkeit,<br />

Aufmerksamkeit im Unterricht, Erledigung der Hausaufgaben oder Belegen von Mathematik-<br />

Kursen“. Mit Lernerfolg meint Fennema (2002) das Lösen von unbekannten neuen Aufgaben. Ist das<br />

autonome Lernverhalten negativ beeinflusst durch oben genannte Faktoren, so resultieren geringere<br />

Mathematik-Kompetenzen auch in Tests und in den Abschlüssen.<br />

Es lässt sich auch diesem Modell entnehmen, dass soziokulturelle und emotionale Faktoren, neben<br />

den erlebten Defiziten in der Rechenkompetenz zur Entwicklung von Rechenangst beitragen (Ashcraft,<br />

1998).<br />

An dieser Stelle möchte ich das Modell zum „autonomen Lernverhalten“ von Fennema (2003) kurz<br />

skizzieren:<br />

79


Abbildung: Fennema (in Baroody and Dowker, 2003), S.213: Das Modell des autonomen Lernverhaltens<br />

Aus einem Bedingungsgeflecht von externen/sozialen Einflüssen, internen „Belief Systems“ und dem<br />

autonomen Lernverhalten ergibt sich nach dem Modell von Fennema das Niveau der mathematischen<br />

Fähigkeiten bei schwierigen Aufgaben, sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht.<br />

Das Modell zum autonomen Lernverhalten wurde ursprünglich geschaffen, um Geschlechtsunterschiede<br />

im Lernen von Mathematik zu erklären. Die externalen und sozialen Faktoren beeinflussen die<br />

Entwicklung des autonomen Lernverhaltens direkt und indirekt durch die Ausbildung von internalen<br />

Glaubenssätzen. Die externalen Faktoren sind neben Schule, Klassenzimmer und Eltern vor allem die<br />

Lehrpersonen. Die affektiven Variablen der internalen Glaubenssätze beziehen sich auf das Vertrauen<br />

in das eigene Können, die wahrgenommene Nützlichkeit von Mathematik und die Attributionen zu Mathematik.<br />

Alle guten Rechner beschreiben sich selbst als sehr unabhängige, selbstständige Lerner. Das autonome<br />

Lernverhalten meint in Bezug auf das Problemlösen, dass selbstständig über das Problem – die<br />

Rechnung nachgedacht wird, indem der „Lerner“ sich aktiv dafür entscheidet nachzudenken, persistiert<br />

und schließlich zur Lösung kommt. Autoren wie Grieb und Easly (1984) glauben, dass selbstständiges<br />

Lernen notwendig ist, das konzeptuelle Netzwerk für Mathematik zu entwickeln, welches<br />

Voraussetzung ist, höhere Mathematik zu betreiben.<br />

Dieser Fragebogen wurde mit 10 Mädchen und 10 Buben im Alter von 6 Jahren und 10 Mädchen und<br />

10 Buben im Alter von Jahren durchgeführt.<br />

Folgende Hypothesen wurden in der Studien verfolgt: Rechenangst nimmt mit zunehmendem Alter zu<br />

und Mädchen zeigen mehr Rechenangst als Buben. Kinder, die im Rechentest gut abschneiden, stufen<br />

sich selbst hoch in der Skala Selbsteinschätzung ein, haben positive Einstellungen zu Mathematik<br />

und stufen sich nieder ein in: Unglücklich sein mit schlechten Rechenleistungen und Rechenangst.<br />

80


Die TIMSS-Studie (2003) beschreibt bei Kindern der 4.Schulstufe in Bezug auf Einstellungen zu Mathematik,<br />

dass der beste Prädiktor für Selbstzutrauen in Mathematik die Freude an Mathematik ist. Die<br />

Freude an Mathematik wiederum hängt vom Selbstzutrauen in Mathematik ab. Diese beiden Faktoren<br />

hängen laut TIMSS auch von Unterrichtsstil ab, je mehr im Unterricht gerechnet und vorgetragen wird,<br />

umso mehr Selbstzutrauen und Freude am Rechnen entstehen. Auch beeinflusst die Wahrnehmung<br />

des Schulklimas die Freude und das Selbstzutrauen positiv. Ebenso haben der Einsatz eines Lerncomputers,<br />

sowie gute Ressourcen zuhause positiven Einfluss auf diese beiden Variablen. Burschen<br />

geben mehr Selbstzutrauen und Freude mit Mathematik an. Ein interessantes Detail, für welches keine<br />

schlüssige Erklärung vorliegt, ist die Tatsache, dass Kinder deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache<br />

Englisch war, mehr Freude an Mathematik bekundeten. In der 8. Schulstufe kommt zu<br />

den beiden Variblen Selbstzutrauen und Freude der Motivationsfaktor positiv beeinflussend hinzu.<br />

Zusammenfassung<br />

Autoren wie Ashcraft (1998) beschreiben, dass die Einstellung zum Rechnen und die tatsächliche<br />

Leistung in Mathematik zusammenhängen. Jugendliche, die sich selbst gut in Rechnen einschätzen<br />

mögen Rechnen bzw. zeigen wenig Angst vor Rechnen. Eine positive Einstellung zu Rechnen geht<br />

mit geringer Rechenangst einher.<br />

Fennema (1989, 2003) erklärt in ihrem Modell zum „autonomen Lernverhalten“ wie aus internen und<br />

externen Ressourcen Glaubenssätze zustande kommen, die das autonome Lernverhalten direkt beeinflussen.<br />

So können aus einer Summe von Faktoren negative Einstellungen zu Rechnen, negative<br />

Selbsteinschätzungen, Rechenangst etc. entstehen, sodass das autonome Lernverhalten schlussendlich<br />

den kognitiven Output in Mathematik massiv negativ beeinflusst.<br />

Studien von Dowker und Thomas (2002) zeigen, dass Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren, die sich<br />

selbst als gut in Rechnen einschätzen, Mathe mögen und tatsächlich gut in Rechnen sind. Rechenangst/sorge<br />

und Unglücklich sein mit schlechten Rechenleistungen hängen zusammen und sind in<br />

diesem Alter noch nicht mit der tatsächlichen Rechenleistung oder mit der Selbsteinschätzung, dem<br />

Alter oder dem Geschlecht verbunden.<br />

Neuropsychologische Dyskalkulie-Modelle<br />

Rourke (1993) NLD und RS<br />

Die von Rourke und seinen Mitarbeiten (1993) in den 70iger und 80iger Jahren in Kanada durchgeführten<br />

Untersuchungen führten zur Definition von zwei unterschiedlichen Syndromen mit Rechenstörungen:<br />

81


Subtyp I – Nonverbal Learning Disability Syndrom (NLD)<br />

Subtyp II – Reading and Spelling (RS)<br />

Beim NLD bestehen neben den Schwierigkeiten beim Rechnen auch Probleme bei der Durchführung<br />

visuell-räumlicher und taktil-kinästhetischer Aufgaben. Weiters sind internalisierende psychische Störungen<br />

(Ängste Depressionen…) für diese Gruppe typisch.<br />

Den Schwächen im nonverbalen Bereich stehen Stärken im sprachlichen und schriftsprachlichen Bereich<br />

gegenüber.<br />

Der Typ RS zeigt ein genau umgekehrtes Muster von Stärken und Schwächen. Den Schwächen im<br />

sprachlichen Bereich stehen Stärken im non-verbalen visuell-räumlichen, kinästhetischen Bereich gegenüber.<br />

Rourke (1993) ordnet die beiden Syndromgruppen jeweils hemisphärenspezifischen Reifungsdefiziten<br />

zu. Der Subtyp RS entspricht einem linkshemisphärischen Reifungsdefizit, der Subtyp NLD einem<br />

rechtshemisphärischen.<br />

Gross-Tsur et al (1995) beschreiben ein dem NLD ähnliches Symptommuster unter der Bezeichnung<br />

„Developmental Right Hemisphere Syndrome“.<br />

Kritik:<br />

Das Problem solcher syndromatischen Konzepte besteht in der mangelnden Spezifität. Weder Defizite<br />

der rechts- noch linkshemisphärischen Basisfunktionen vermögen die Teilleistungsschwächen im<br />

Rechnen ausreichend zu erklären. Sprachliche und/oder non-verbale Defizite erlauben keineswegs<br />

die Vorhersage einer schulischen Rechenschwäche. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass<br />

längst nicht alle Kinder mit NLD eine Rechenschwäche entwickeln und umgekehrt Kinder mit Rechenschwäche<br />

oft keinerlei Auffälligkeiten im Bereich nonverbaler oder sprachlicher Verarbeitungsleistungen<br />

haben (v.Aster, 1994).<br />

Weil keine Kausalzusammenhänge dieser Basalfunktionen zu Rechenschwierigkeiten bestehen, sind<br />

Fördermaßnahmen, die auf diesen Annahmen beruhen, in Frage zu stellen (v.Aster, 2001). Eine unterstützende<br />

Wirkung neben spezifischer Förderung im Bereich Rechnen, ist allerdings bzw. bestenfalls<br />

anzunehmen.<br />

Geary (1993) stellt ein weiteres Modell für Rechenstörungen auf, welches sowohl kognitive Funktionseinheiten<br />

beschreibt, aber auch lokalisationsspezifische Zuordnungen trifft.<br />

Geary: 3 Dyskalkulietypen<br />

Neuropsychologisch belegt kann man laut Geary (1993, 2004) Rechenstörungen in drei Dyskalkulievarianten<br />

unterteilen:<br />

1. Typ I - Störung des semantischen Gedächtnisses<br />

2. Typ II - Störung der prozeduralen Operation und die<br />

3. Typ III - Raumanalytische Störung<br />

82


Der Typ I kann nur wenige arithmetische Fakten aus dem Langzeitgedächtnis abrufen, er macht verhältnismäßig<br />

viele Fehler oder seine Abrufzeiten für die Lösung sind extrem lange oder unterschiedlich.<br />

Geary (1993) weißt darauf hin, dass bei diesen Kindern besonders häufig auch Leseschwierigkeiten<br />

komorbid auftreten.<br />

Lokalisation: linkshemisphärisch, möglicherweise posteriore Regionen für eine spezielle Form der Abrufschwierigkeit<br />

und präfrontale Regionen, mögliche subcorticale Involvierung - Basalganglien<br />

Kinder des Typs II verwenden oft unreife (nicht altersgemäße) Rechenstrategien. Es kommt häufig zu<br />

prozeduralen Fehlern. Eine Reifungsverzögerung der zugrunde liegenden mathematischen Konzepte<br />

ist für diesen Typus verantwortlich.<br />

Lokalisation: unklar, linkshemisphärische Dysfunktion und auch präfrontal (besonders für das Sequenzieren<br />

verantwortlich)<br />

Zum Typ III gehören Schwierigkeiten, die sich aus der räumlichen Anordnung der Zahlen in Spalten<br />

ergeben. Es kann zu Verschiebungen der Ziffernspalten beim Untereinanderschreiben von Zahlen<br />

oder zu Zahlendrehern kommen. Ebenso sind Falschbewertungen des Ziffernwertes innerhalb einer<br />

mehrstelligen Zahl ein typischer Fehler dieses Subtyps (Verständnis des dekadischen Systems).<br />

Lokalisation: rechtshemisphärisch posterior und parietale Regionen links<br />

Kritik:<br />

Für korrektes Rechnen ist ein Zusammenspiel aus Funktionen beider Hemisphären notwendig. Da<br />

auch nicht von einem dualen Mechanismus <strong>„Rechnen</strong> Können“ oder „nicht Können“ ausgegangen<br />

werden kann, sondern von diversen Komponenten die bei Rechenschwierigkeiten in unterschiedlichem<br />

Ausmaß beeinträchtigt sind, ist es besonders schwer, für verschiedene Erscheinungsformen der<br />

Dyskalkulie eng umschriebene Regionen in Verbindung mit einer Hemisphäre zu nennen. Zwischen<br />

den Arbeiten Geary´s 1993 und 2004 besteht besonders der Unterschied, dass die Lokalisationen der<br />

unterschiedlichen Funktionsausfälle differenzierter beschrieben werden und dass Geary selbst von<br />

einer primären links - oder rechts - Zuordnung Abstand nimmt.<br />

Shalev et al. (1995) weisen darauf hin, das beide Hemisphären für die Durchführung von Rechenoperationen<br />

notwendig sind. Ausgeprägtere Rechenstörungen jedoch bei linkshemisphärischen Läsionen<br />

sichtbar werden.<br />

Neuropsychologische Studien an Patienten mit cerebralen Läsionen, lassen den Schluss zu, dass<br />

Zahlenwissen dissoziierbar ist vom semantischen Gedächtnis (Cappelletti, Butterworth & Kopelman,<br />

2001). Weiters geht aus neuropsychologischen Studien hervor, dass nicht-numerische und numeri-<br />

83


sche Informationen an verschiedenen Orten des Gehirnes lokalisiert sind (Thioux, Seron & Pesenti,<br />

1999).<br />

Heubrock und Petermann (2003) führen das Konzept von Rourke (1993), Casey & Rourke (1991) der<br />

Non Verbal Learning Disabilities (NLD) genauer aus. Sie beschreiben die räumliche-analytische<br />

Dyskalkulie als eine von vier Subtypen der NLD. Dieser Typ der Dyskalkulie wird von Heubrock und<br />

Petermann (2003) als charakteristische Rechenschwäche bezeichnet.<br />

Theoretische Konzepte zum Rechnen Lernen<br />

Drill Theorie<br />

Diese Theorie beruht auf assoziativen Lernkonzepten, weshalb die Instruktionen sich darauf konzentrieren,<br />

dass die Rechenfertigkeiten erlernt und behalten werden. Die grundlegenden Annahmen dieser<br />

Theorie beruhen auf folgenden Prämissen:<br />

1. Kinder lernen, indem sie Fertigkeiten und Wissen der Erwachsenen übernehmen,<br />

2. gelernt wird durch Assoziationen und Verknüpfungen von Lerninhalten,<br />

3. Verständnis ist nicht unbedingt notwendig, um solche Verknüpfungen zu bilden, und<br />

4. Der effizienteste Weg, diese Verknüpfung von Lerninhalten zu schaffen, ist Drill und direkte Instruktion.<br />

Die Zahlenfakten, wie 5 + 5 = 10, oder die Prozedur des Übertrags oder Ausborgens wird laut Drill-<br />

Theorie am schnellsten durch genau dosierte Instruktion und Übung erreicht. Selbst erfundene Strategien<br />

wie in diesem Beispiel Zählen oder schlussfolgernd-vergleichende Strategien werden eher als<br />

Hindernis betrachtet (siehe Baroody, 2003).<br />

Theorie der Bedeutung<br />

Die Unzufriedenheit mit dem traditionellen Mathematik-Unterricht und der dahinter stehenden Theorie<br />

(Drill Theorie) führte dazu, dass etwa um 1935 schon das gegenteilige Modell der Bedeutung („Meaning<br />

Theorie“ von Browell) entstand. Browell´s Ansicht war, dass der Unterricht auf das Erzielen von<br />

Verständnis und bedeutungsvollem Einprägen von Fertigkeiten fokussieren sollte. Drei Hauptfaktoren<br />

unterstützen das Lernen von Arithmetik mit Verständnis.<br />

1. Komplexität des arithmetischen Lernens<br />

Entsprechend dieser Theorie verwenden Kinder zunächst sehr einfache Strategien für das Rechnen,<br />

wie Zählen oder logischen Denken. Diese Methoden bereiten die Basis für reifes Verständnis, welches<br />

das Wissen um die Basiskombinationen, das Wissen um arithmetische Prinzipien und das Verständnis<br />

der mehrstelligen Operationen (siehe Baroody, 2003). Browell (1935) schreibt, dass Kinder zu Beginn<br />

zählende Strategien brauchen, weil sie die einzigen Strategien sind, die sie in Zusammenhang mit<br />

Operationen von Zahlen verstehen. Sobald Kinder bereit sind, sollten sie zu „fortgeschrittenere Strategien“<br />

ermuntert werden. Das kann z.B. das Zerlegen einer Aufgabe in einfachere Teilaufgaben (7 +<br />

84


5 = 5 + 5 + 2 = 12) sein. Schlussendlich gelangen die Kinder dann zu reifem, bedeutungsvollem Wissen,<br />

welches sie gut begriffen haben durch häufige Verifikation. Kinder beherrschen Rechnen erst<br />

dann vollständig, wenn sie verschiedene Reifestadien mit den entsprechenden Strategien durchlaufen<br />

haben.<br />

2. Unterrichtstempo<br />

Im herkömmlichen Unterricht nach der Drill-Theorie werden den Kindern bestimmte Inhalte erklärt oder<br />

gezeigt, zum Beispiel bestimmte Fakten, dann werden sie ein paar mal wiederholt. Danach wird<br />

von den Kindern erwartet, dass sie diese Informationen rasch, wenn nicht sofort im Gedächtnis behalten.<br />

Die „Theorie der Bedeutung“ gesteht den Kindern eine gewisse Zeit zu, ein Grundverständnis für bestimmte<br />

arithmetische Sachverhalte zu entwickeln. Rechenerwerb ist ein langsam fortschreitender<br />

Prozess, der die Kinder bestimmte Regelmäßigkeiten entdecken lässt, bevor sie diese auswendig<br />

wissen.<br />

3. Betonung auf Beziehungen<br />

Im Gegensatz zur Drill Theorie, die von gewissen Interferenzeffekten ausgeht, wenn ähnliche Aufgaben,<br />

wie „6 + 5 = und 7 + 4 =“ zur gleichen Zeit gelernt werden, unterstützt die „Theorie der Bedeutung“<br />

genau das Ausnützen bzw. Bewusst Machen dieser Ähnlichkeiten und Beziehungen. Die Lehrpersonen<br />

sollen den Kindern helfen diese Beziehungen, wie „3 + 2 = 5 und 5 - 2 = 3“ zu entdecken,<br />

damit die Basisfakten als systematisches Wissen gespeichert werden.<br />

Inzidentelles Lernen<br />

Diese Theorie ist als Analogie zu Piaget´s konstruktivistischer Theorie zu verstehen und ist eingebettet<br />

in John Dewey´s frühe „progressiv-education movement“ (vgl. Baroody, 2003). Sie ist auch als Reaktion<br />

auf die Drill-Theorie entstanden. Kinder sollen frei sein, ihre Welt zu entdecken, Regelmäßigkeiten<br />

zu erkennen und ihre eigenen Erfahrungen durch Konstrukte zu strukturieren. Die eigene Neugier wird<br />

als Motor für inzidentelles Lernen betrachtet.<br />

Brownell (1935) kritisiert die Theorie des inzidentellen Lernens heftig als unpraktikabel.<br />

Sie sei erstens langsam und zeitintensiv. Weiters wären die arithmetischen Fertigkeiten, die durch<br />

diese Umstände erworben werden, unvollständig, oberflächlich und mechanisch. Weiters wären die<br />

Lehrpersonen überfordert, diese Situationen effektiv zu unterstützen. Brownell befürwortet direkte Instruktionen.<br />

Das Modell des Cognitive Apprenticeship<br />

Carsten Schulte (2003) beschreibt dieses Modell zum Lehren und Lernen (Collins, A. et al. 1989) mit<br />

folgenden Prämissen:<br />

• „Lernen ist ein aktiver und individueller Aneignungs- und Konstruktionsprozess; ausgehend<br />

vom Vorwissen, der Motivation und dem Engagement des Lernenden.“<br />

• „Konzepte werden effektiver erlernt und verstanden, wenn sie zusammen mit ihrer Anwendung<br />

gelehrt werden.“ Schulte sieht darin gleichzeitig Nutzen und Grenze des Konzepts. „Die<br />

Anwendung bettet das Konzept in den (praktischen) Kontext ein.“ Dadurch wird „träges Wissen“<br />

vermieden.<br />

85


• „Anspruchvollere Aufgaben sind lernwirksamer als einfache Übungsaufgaben nach dem Drill<br />

& Practise-Schema.“<br />

Hiermit gibt das Modell des Cognitive Apprenticeship ein klares Statement ab gegen das Drill Modell<br />

zu Gunsten eines kognitiven Erfassens und Erarbeitens des Lerninhaltes. Praxis und Theorie<br />

brauchen eine enge Verknüpfung.<br />

Aus diesen z.T. schon frühen Ansätzen theoretischer Überlegungen zur Mathematik-Didaktik haben<br />

sich laut Baroody (2003) vier Zugänge entwickelt, Mathematik zu unterrichten. Es herrschen große<br />

Meinungsunterschiede darüber, welche die beste Methode sei, Baroody (2003) nennt dies überspitzt<br />

„math wars“. Eine Entscheidung darüber soll noch offen bleiben, dennoch ist diese Einteilung Baroodys<br />

(Baroody, with Coslick, 1998 in Baroody 2003) sehr brauchbar, um Unterrichtsmethoden auf einer<br />

Metaebene zuordnen und vergleichen zu können.<br />

1. „Skills Approach“ - Mathematische Fertigkeiten im Vordergrund<br />

Dieser Ansatz, der das Speichern von mathematischen Fertigkeiten durch einfaches auswendig Lernen<br />

in den Vordergrund stellt, ist vergleichbar mir Brownell´s (1935) Drill Theorie. Dieser Zugang basiert<br />

auf der Annahme, dass mathematisches Wissen eine Sammlung von nützlichen Informationen<br />

über Fakten, Regeln Formeln und Prozeduren darstellt. Das Ziel des Mathematik-Unterrichts ist den<br />

Kindern zu zeigen, wie sie Mathematik ausführen müssen („how to do“). Der prozedurale Aspekt wird<br />

betont, z.B.: wie mehrstellige Additionen durchzuführen sind). Der beste Weg dies zu erreichen, ist<br />

Frontalunterricht mit direkter Erklärung und viel Übung. Weil die Erklärung und Übung hauptsächlich<br />

sehr abstrakt und symbolisch ist, bleibt Mathematik für viele Kinder wenig gehaltvoll.<br />

Die verwendeten Methoden sind: Erklärungen und Vorzeigen des Lehrers; Schulbücher mit größtenteils<br />

symbolischen Darstellungen; Kinder arbeiten alleine, still und schriftlich; kein bis wenig Gebrauch<br />

von handelnden Materialien.<br />

2. Konzeptueller Ansatz<br />

Hier konzentriert sich der Arbeit auf bedeutungsvolles Einprägen von Fertigkeiten, in Analogie zu<br />

Brownell´s (1935) „meaning theorie“. Mathematik wird als Netzwerk von Fertigkeiten und Konzepten<br />

betrachtet. Es wird den Kindern zugetraut, dass sie verstehen können, was sie tun. Es werden Regeln,<br />

Fakten, Formeln und Prozeduren auf bedeutungsvolle Weise gelehrt und gelernt, was bedeutet,<br />

dass sowohl konzeptuelles als auch prozedurales Wissen gelehrt wird.<br />

Unterrichtsbücher beinhalten oft Abbildungen von konkreten Beispielen, die Rechenvorgänge darstellen,<br />

welche die Kinder dann in der Praxis nachahmen und ausprobieren sollen. Die Kinder sollen bewusst<br />

bestimmte Rechenwege selber suchen, wobei auch mehrere Wege richtig sein können. Gemeinsam<br />

mit der Lehrperson werden dann die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lösungswege<br />

diskutiert.<br />

3. Problemlösungsansatz<br />

Dieser Ansatz legt den Schwerpunkt auf die Entwicklung des mathematischen Denkens, vergleichbar<br />

mit Brownell´s (1935) „inzidentellem Lernen“.<br />

86


Diese Theorie geht davon aus, dass Mathematik eine Art zu denken ist, ein Frageprozess, der nach<br />

Lösungen für bestimmte Fragestellungen sucht. Die Kinder besitzen auf der einen Seite noch unfertiges<br />

Wissen in Bezug auf Mathematik und müssen ihr Denken noch weiterentwickeln, auf der anderen<br />

Seite werden die Kinder als sehr neugierige Wesen betrachtet, die ihr eigenes Verständnis noch aktiv<br />

konstruieren müssen.<br />

Das Ziel des Mathematikunterrichts ist die Mathematik Lernenden in mathematisches Fragen eintauchen<br />

zu lassen, um höheres oder reiferes Wissen zu entwickeln. Die Lehrerinnen führen und leiten die<br />

SchülerInnen als erfahrene Partner durch diesen Prozess, ohne sie durch zeitliche Vorgaben einzugrenzen.<br />

Es werden kaum Lehrbücher verwendet. Die SchülerInnen werden ermuntert, ihre eigenen Konstrukte<br />

zu entwickeln und erst später diese aufzuschreiben.<br />

4. Nachforschender Ansatz („Investigative Approach“)<br />

Der „Nachforschende Ansatz“ fokussiert auf das bedeutungsvolle Erinnern von Fertigkeiten und der<br />

Beachtung der Entwicklung des mathematischen Denkens. Es ist also eine Kombination aus Brownell´s<br />

(1935) Bedeutungs- und inzidenteller Theorie. Wie im konzeptuellen Ansatz wird Mathematik als<br />

Netzwerk von Fertigkeiten und Konzepten betrachtet (Baroody, 2003). Und wie beim problemlösenden<br />

Ansatz ist Mathematik eine Art nachzuforschen und Wissenskonstruktion. Den Kindern wird zugetraut,<br />

selbst durch aktives Entdecken Verständnis für mathematische Inhalte zu erwerben, aber sie werden<br />

dabei begleitet, geführt und unterstützt. Neben dem Schaffen von Lernsituationen helfen die Lehrpersonen<br />

den SchülerInnen, die wichtigsten Fakten, Prozeduren, Regeln und Formeln mit gutem Verständnis<br />

zu lernen.<br />

Die Lehrperson spielt die Rolle eines Mentors, der sie führt und eine soziale Atmosphäre schafft, die<br />

offen ist für Fragen, Nachdenken und Reflexion.<br />

Als Methoden werden verschiedenste Techniken angewandt, die den SchülerInnen helfen Dinge zu<br />

entdecken, Vermutungen zu äußern und darüber zu sprechen. Projekte, Alltagsprobleme, wissenschaftliche<br />

Experimente, Mathematikspiele und ähnliches fordern Kinder auf, Mathematik anzuwenden<br />

und zu benützen. Gruppenarbeit ist eine wertvolle Methode Austausch und Diskussionen anzuregen.<br />

Neue Technologien zu verwenden ist ein zentrales Anliegen vieler Aufgaben.<br />

Die Markus-Studie (2000) zur Qualität des Mathematik-Unterrichts berichtet jenseits der Mathematik-Didaktik<br />

über 3 Hauptmerkmale leistungsstarker Klassen. Diese Hauptmerkmale liegen allesamt im<br />

Wirkungsbereich der Lehrpersonen.<br />

1. Die Klassenführung ist überdurchschnittlich effizient. Das heißt, es besteht große Klarheit<br />

über die Regeln, die in der Klasse herrschen, die Lehrkraft ist jederzeit über das Geschehen<br />

in der Klasse im Bilde; Störungen sind selten und es herrscht ein konzentriertes Arbeitsklima.<br />

Die effiziente Klassenführung wird als notwendige aber nicht hinreichende Vorrausetzung<br />

für den Unterrichtserfolg beschrieben.<br />

2. Dazu kommt eine hohe Unterrichtsqualität, was für den Mathematik-Unterricht bedeutet:<br />

Der Lehrer/ die Lehrerin erklärt verständlich, begeistert, betont die Notwendigkeit zur An-<br />

87


strengung, erwartet hohe Leistungen und nimmt sich Zeit für die Sorgen und Fragen der<br />

SchülerInnen.<br />

3. Anspruchvolle Formen des Unterrichts kommen bei leistungsstarken Klassen etwas häufiger<br />

vor. Das bedeutet, dass nicht vorrangig auf das Üben von Fertigkeiten und Routinen<br />

Wert gelegt wird, sondern dass auch Aufgaben eingesetzt werden, die eine Anwendung<br />

des Gelernten auf neue Inhalte erfordern.<br />

Laut Markus-Studie liegt gerade im Bereich des anspruchvollen Übens ein vielversprechender<br />

Ansatz für die Verbesserung des Unterrichtserfolgs. Eine Mischung aus intelligentem, verständnisvollem<br />

Üben und das herkömmliche Festigen und Sichern von Fertigkeiten scheint<br />

den Unterrichtserfolg zu optimieren.<br />

Peter May (2000) beschreibt in seiner Studie zu den Bedingungen für den Lernerfolg im Förderunterricht,<br />

dass weder die Zahl der Förderstunden, noch der Ort der Förderung, noch die Sozialform, noch<br />

die genaue Funktion der Förderlehrerin entscheidend für den Lernerfolg sind. Vielmehr ist die Intensität<br />

des Lernens in dieser Unterrichtszeit für den Lernerfolg entscheidend.<br />

Als entscheidende Merkmale für den Lernerfolg bestätigten sich: die effektive Nutzung der Lernzeit,<br />

affektive Unterstützung, günstige Lernatmosphäre in der Klasse und konzentrierte Arbeitshaltung. Eine<br />

Schlüsselrolle zur Steuerung des Unterrichtsgeschehens kommt der Lehrperson zu. „Lehrer, die im<br />

Klassenunterricht der Grundschule direktiver unterrichten, eine höhere Aufmerksamkeit für die Abläufe<br />

in der Klasse zeigen und ihre Zuwendung an die Schüler gezielt auf die förderbedürftigen Kinder ausrichten,<br />

erzielen im allgemeinen bessere Lernergebisse.“ (May, 2000, S. 10)<br />

Schlussbemerkung<br />

Neben der unterschiedlichen Unterrichtsdidaktik hat die Lehrperson direkt großen Einfluss auf den<br />

Unterrichtserfolg. Es ist also schlussendlich ein Konglomerat aus Inhalt, Didaktik, Methodik, effizienter<br />

Nutzung der Lernzeiten, motivationaler Faktoren wie: „affektive Unterstützung, Arbeitshaltung, Konzentration,<br />

Leistungsbereitschaft der Kinder“, Zuwendung zu den lernschwachen Kindern und vielem<br />

mehr, was letztendlich den Erfolg des Unterrichts ausmacht. Insofern ist es schwierig zwei Klassen<br />

bezüglich ihres Lernerfolgs zu vergleichen, und daraus Rückschlüsse auf die Ursachen zu ziehen, weil<br />

eben ein ganzes Paket an Variablen für diesen Lernerfolg verantwortlich ist.<br />

Prävention und Förderung<br />

88


Von der Stufe des „zählenden Rechnens“ zur Abrufbarkeit der Basisfak-<br />

ten<br />

Zentrales Merkmal für Kinder mit Rechenschwäche ist der mangelnde Zugriff auf arithmetische Fakten<br />

und der entwicklungsmäßige Rückstand in Bezug auf rechnerische Fertigkeiten (Geary et al. 1992,<br />

Geary et al. 2000, Geary, 2004). Das bedeutet, dass wir bei vielen Kindern der Grundschule lange<br />

über die 1. Schulstufe hinaus Zählstrategien, wie „counting on“ oder gar „counting all“ beobachten<br />

können (H.D. Gerster, 1999. Gray, 1991).<br />

Laut H:D. Gerster springen viele dieser Rechenschwachen Kinder nicht über die Hürde des „Zählenden<br />

Rechnens“, vernetzen die Fakten im Langzeitgedächtnis nicht und können Beziehungen zwischen<br />

Zahlensätzen nicht benutzen. Sie können Ableitungsstrategien nur schwer erkennen, weil ihnen Beziehungen<br />

zwischen einzelnen Aufgaben nicht klar werden (3+4=7 also 3+14=17 also 4+14=18 usw.).<br />

Die Aufmerksamkeit des Kindes ist sehr auf die Zählprozedur gerichtet, so dass der Zusammenhang<br />

zwischen Aufgabe und Ergebnis auf der Strecke bleibt (H.D. Gerster, 1999). Da unser Kurzzeitgedächtnis<br />

nur eingeschränkte Ressourcen zur Verfügung hat (7 +/- 2 Informationen) vervielfacht sich<br />

die Fehlerwahrscheinlichkeit bei mehrstelligen Multiplikationen und Additionen, wenn die Basisfakten<br />

nicht im Langzeitgedächtnis abgespeichert sind.<br />

Gerster (2000) nennt als Ursachen für das Stehen bleiben beim „Zählenden Rechnen“ Defizite in der<br />

gliedernden Mengenauffassung und fehlende Strategien zu Vernetzung. Er betont die Wichtigkeit der<br />

Bedeutung der Informationen bei der Speicherung im Gedächtnis. Die Analyse und Strukturierung von<br />

Rechenaufgaben steht bei der Vernetzung von neuer mit bereits vertrauter Information im Vordergrund.<br />

Deshalb müssen Beziehungen zwischen Rechenaufgaben auch bewusst gelehrt, besprochen und<br />

transparent gemacht werden, um den Kindern die Zusammenhänge aufzuzeigen.<br />

Methoden:<br />

o Diskussionen (Beschreiben, Erklären, Entscheiden, Abwägen, Schätzen)<br />

z.B.: Wie viele wirst du haben, wenn du x dazugeben hast?<br />

Wie hast du das gerechnet?<br />

Wie viele fehlen dir noch auf 10?<br />

Wer hat mehr?<br />

Viele etablierte Trainingsprogramme legen Wert auf die Diskussion der Rechenvorgänge, der<br />

Prozesse und die unterschiedlichen Möglichkeiten eine Aufgabe zu lösen. Gerade Unterrichtsansätze,<br />

die Wert auf entdeckendes Lernen (Nachforschender Ansatz, Problemlösender Ansatz),<br />

oder Lernen von Konzepten legen, können auf den Austausch unter den Kindern als Lernmedium<br />

nicht verzichten.<br />

o Visualisierungen (zum Aufbau innerer Bilder):<br />

� Sicherer Aufbau von strukturierten Mengenbildern (Fingerbilder, Würfelbilder, Zehnerraster,<br />

Zahlenlinie; Hundertertafel etc,)<br />

89


Würfelbilder<br />

Visualisierungsmöglichkeiten der Zahl 13 (Strukturierte 10 in 2x5 plus 3 Einer)<br />

Visualisierung einer Zerlegung der Zahl 7<br />

Beispiel für die Visualisierung einer Additionsaufgabe<br />

Autoren wie Lorenz (2003), Gerster (1999), Grissemann und Weber (2000), Buchner, Wright et al.<br />

(2000), Gaidoschik (2001) u.v.a. legen Wert auf Visualisierung der Zahlen, des Zahlenstrahls, um<br />

den Aufbau der Zahlen mit seiner Zehnerstruktur den Kinder klar zu machen und dabei zu helfen<br />

dies zu verinnerlichen. Einige der gebräuchlichsten Visualisierungen werden oben abgebildet, die<br />

alle demselben Ziel (der Verinnerlichung einer Zahlenvorstellung) dienen, aber unterschiedliche<br />

Aspekte der Zahlendarstellung betonen. Die Autoren sind sich einig, dass sorgfältig ausgewählt<br />

90


werden muss, welche Darstellungsform eingeführt und vertraut gemacht wird. Der Hintergedanke<br />

dieser bildlichen Darstellungsformen ist der, dass Kinder diese Bilder im Gedächtnis speichern<br />

und abrufen, um mental mit diesen Vorstellungen zu operieren. Zu viele Darstellungsformen verwirren<br />

rechenschwache Kinder eher. Dennoch braucht es die Vertrautheit mit mehreren unterschiedlichen<br />

Darstellungsformen, um die Einsicht zu gewinnen, wo auf einer Metaebene die Gemeinsamkeiten<br />

des Zahlenaufbaus liegen. Griffin (2000) nennt diese Einsicht die zentrale innere<br />

Struktur, die die mentale Zahlenlinie bildet.<br />

o Leerer Zahlenstrahl (siehe Wright et al. 2000 und J.H. Lorenz, 2003)<br />

Beispiele zur Anwendung des Zahlenstrahls<br />

Dieser zunächst leere Zahlenstrahl dient dazu, dass Kinder ihren Rechenweg zeichnerisch darstellen.<br />

Diese Darstellung des Rechenweges und der Zahlbeziehungen dient als Grundlage zur<br />

Diskussion wie eine Aufgabe gelöst werden kann. Der Schüler kann seine Strategie begründen,<br />

neue Wege können aufgezeigt und plausibel gemacht werden.<br />

Mittels dieser Methode wird auch das Abschätzen eines Rechenergebnisses leichter möglich.<br />

Diese Methode verlangt natürlich eine gewisse Zeit bis die Schüler damit vertraut sind, sie zeigt<br />

tiefer liegende Schwierigkeiten mit dem Zahlenaufbau und dem grundsätzlichen Verständnis von<br />

Größen und Operationen deutlich und macht klar auf welchem Niveau sich das Kind befindet.<br />

Beispiele:<br />

o Strukturierte Rechenfolgen<br />

91


z.B.: 2+3=5 3+2=5<br />

1+4=5 4+1=5<br />

0+5=5 5+0=5<br />

Autoren wie H.D. Gerster (1999) betonen die Wichtigkeit auch oder gerade rechenschwachen Kindern<br />

Einsicht in die Strukturen des Rechnens zu geben. Eine hilfreiche Methode dafür ist die Strukturierung<br />

von Rechenblöcken, wie sie im üblichen Unterricht zu Übungszwecken häufig eingesetzt werden.<br />

Gerster argumentiert, dass Kinder großen Nutzen ziehen, wenn diese Übungsblöcke Ableitungen und<br />

Zusammenhänge nahe legen und den Kinder bewusst gezeigt wird, dass bestimmte Zusammenhänge<br />

das Rechnen erleichtern. Gerade schwache Rechner (Gerster, 1999) nützen diese Vorteile nicht spontan<br />

und brauchen Hilfe, diese zu entdecken und zu nützen.<br />

Aufbau und Verinnerlichung Mathematischer Operationen nach Aebli<br />

Nach Äbli ist die Operation das logisch-strukturelle Konzept einer Handlung. Durch die Synthese von<br />

Operationen im numerischen Bereich können jeweils neue Operationen aufgebaut werden.<br />

1. Am Anfang steht die effektive Durchführung einer Handlung, in welcher das logischstrukturelle<br />

„Skelett“ (Konzept/Schema) enthalten ist. Zunächst wird die Handlung anhand<br />

konkreten Materials durchgeführt, später mit manipulierbaren Gegenstandssymbolen.<br />

Auch auf dieser Stufe gibt es Verinnerlichungsansätze, wenn Teilschritte vorausgedacht, oder<br />

Operationsschritte zurückgedacht werden. (Ein Kind isst Smarties: 5-1-1=3)<br />

Beim Einführen der Grundoperationen kann die Handlung mit Material vollzogen werden, das<br />

Strukturierungshilfen bietet (Fünfer-, Zehner- Hunderterstruktur – Zehnerstreifen, etc.).<br />

♣♣♣♣♣ = ♣♣♣<br />

2. Darauf folgt die bildliche Darstellung der Operation. Die Darstellung beruht zumeist auf einer<br />

zeichnerischen Abbildung der Mengengestalten und einer Andeutung der Operation durch<br />

graphische Zeichen. Der Verinnerlichungsprozess bezieht sich nun auf die Vorstellung der<br />

zwei- auf die dreidimensionale Ebene und darauf, dass die Operationsabläufe vorgestellt werden<br />

müssen. Es kann aber auch bedeuten, dass mental vorgestellte Operationen gezeichnet<br />

werden.<br />

ΟΟΟΟΟ = ΟΟΟ<br />

3. Nun folgt die zeichenmäßige Darstellung der Operation in Form einer Zifferngleichung. Die<br />

ziffernmäßige Darstellung erfordert vom Kind die geistige Umsetzung der symbolischen Darstellung<br />

in einen anschaulichen Bedeutungskontext.<br />

Allmählich werden die Zeichen zu Bedeutungsträgern, indem auf die anschauliche Repräsentation<br />

langsam verzichtet wird. Dennoch muss lange Zeit von einer Ebene (konkret) zur<br />

nächsten (bildlich) und übernächsten (symbolisch) auf und ab gewechselt werden, bis den<br />

92


Kindern dieser Zusammenhang leichtläufig von der Hand geht. Die Operation muss so lange<br />

in verschiedensten Handlungsumhüllungen angeboten und durchgearbeitet werden, bis sie<br />

losgelöst von Material und Lage durchgeführt werden kann.<br />

5-2=3<br />

4. Der letzte Schritt macht die Operation beweglich und übertragbar. Es handelt sich um eine<br />

letzte operative Entschlackung.<br />

Die Übung zur Automatisierung kann beginnen, um das Kurzzeitgedächtnis während komplexerer<br />

Rechenoperationen zu entlasten.<br />

Rein mechanisch-assoziative Automatisierungsprozesse ohne strukturelle Einsichten sind<br />

möglich, gleichen aber sinnleeren Gedächtnisleistungen.<br />

Programme zur Rechenförderung<br />

Numeracy Recovery (Ann Dowker)<br />

Das „Numeracy Recovery“ – Programm von Ann Dowker wurde im Rahmen eines Projekts zur Förderung<br />

von rechenschwachen Kindern im Herbst 1998 in 6 Schulen in der Nähe von Oxford gestartet.<br />

Kinder, die von ihren Lehrpersonen als rechenschwach eingestuft worden sind, wurden während eines<br />

Schuljahres für circa 30 Wochen (1/2 Stunde / Woche) einzeln gefördert. Die Evaluation dieser Studien<br />

brachte signifikante Leistungszuwächse in Mathematik (WISC Subtest Mathematic und BAS Basic<br />

Number Skills) zutage.<br />

Das Förderprogramm umfasst folgende Schwerpunkte:<br />

1. Zähl-Prinzipien und – Prozeduren<br />

Als ein wichtiges Zählprinzip wird das Order-Irrelevanz-Prinzip verständlich gemacht. Kinder üben anhand<br />

von kleinen Mengen (4 Elemente) abzuzählen, die Anzahl zu bestimmen und zu sehen, dass die<br />

Anzahl der Items nicht von der Zählrichtung, Anordnung etc. abhängt. Wiederholtes Addieren und<br />

Subtrahieren um 1 wird mittels kleinen Plättchen geübt. Übungen zum Zahlwort davor und danach<br />

werden verbal gestellt: „Welche Zahl kommt vor 9?“, „Welche Zahl kommt nach 14?“.<br />

2. Transkodieren – geschriebene Symbole für Zahlen<br />

Beim Transkodieren üben die Kinder Zahlen zu lesen und zu schreiben. Kinder, die beim Transkodieren<br />

von zweistelligen Zahlen Probleme haben, werden angeleitet, Objekte in Zehnergruppen zu ordnen<br />

und dann diese in 10 er Schritten zu erfassen: „10, 20, 30,...“ und aufzuschreiben. Auch andere<br />

veröffentlichte Übungen fanden in diesem Unterpunkt Verwendung (genannt: Burges, 1995).<br />

3. Verständnis vom Stellenwert in Operationen und Arithmetik<br />

Dieser Punkt beinhaltet die Fähigkeit, Zehner und Einer zu addieren (20 + 3), Zehner zu Zehner zu<br />

addieren (20 + 30) und mit gemischten Zahlen (23 +34) zu operieren. Auch gehört das Verglichen von<br />

Zahlen dazu: „13 und 16“ (gleicher Zehner), „23 und 43“ (gleiche Einer) oder „27 und 31“ (gemischte<br />

Zehner und Einer).<br />

93


4. Verstehen und Lösen von Textaufgaben<br />

Kinder werden Additionen und Subtraktionen in Textaufgaben gezeigt, welche dann besprochen werden:<br />

„Mit welchen Zahlen muss gerechnet werden?“, „Was muss man mit den Zahlen tun?“, „Was<br />

glaubst du, muss man addieren oder subtrahieren?“, „Kommt am Schluss mehr oder weniger heraus?“,<br />

…<br />

Kinder werden ermutigt, Plättchen zur Berechnung zu benutzen oder die Rechnung zu notieren.<br />

5. Übersetzung zwischen konkretem, verbalem und numerischem Format<br />

Eine Rechnung wird auf verschiedene Arten dargestellt, um zu zeigen, dass immer das gleiche Ergebnis<br />

herauskommt.<br />

Dann werden die Kinder ermutigt, Textaufgaben sowohl schriftlich als auch konkret abzubilden, genauso<br />

wie schriftliche Aufgaben konkret darzustellen und umgekehrt (Katie hat fünf Apfel. Sie isst<br />

zwei, deshalb hat sie jetzt noch drei. - Schreibe diese Rechnung auf.)<br />

6. Anwendung von Ableitungsstrategien<br />

Den Kindern wird anhand von Paaren mit arithmetischen Gleichungen gezeigt und erklärt, wie diese<br />

zusammenhängen, bzw. was für Ableitungsstrategien angewandt werden können (16 + 4 = 20, 20 – 4<br />

= 16). Wenn die Kinder noch mehr Erklärung brauchen, werden die Aufgaben mit sehr einfachen Zahlen<br />

im einstelligen Bereich, konkret mit Objekten darstellt oder auf der Zahlenlinie gezeichnet. Die Kinder<br />

sollen dann selbst andere Beispiele durchführen. Auch bei diesem Unterpunkt wurden bereits veröffentliche<br />

Übungen (genannt: Burges, 1995) zusätzlich angewandt.<br />

7. Schätzen<br />

Den Kindern wird eine Reihe von Rechnungen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades gezeigt, die<br />

Tom und Mary ausgerechnet haben. Die Kinder sollen auf einer 5-teiligen-Skala beurteilen, ob die<br />

Antworten von Tom und Mary zwischen „sehr gut“ bis „sehr dumm“ liegen. Die Kinder sollen begründen,<br />

warum sie glauben, dass die Antwort richtig bzw. falsch war.<br />

8. Einprägen von arithmetischen Fakten<br />

Einfache Additions- und Subtraktionsakten werden immer wieder während der Stunden und über die<br />

Stunden hinweg wiederholt. Zahlreiche Spiele finden auch zum Erlernen dieser Fakten Verwendung<br />

(Preston, 1998, Scarry, 1998).<br />

Vor der Förderung wurden alle ausgewählten Kinder auf diesen 8 Unterpunkten eingeschätzt, damit<br />

eine gezielte individuelle Förderung durchgeführt werden konnte. Ebenso wurde eine Einschätzung<br />

mittels Standard-Rechentest durchgeführt. Nach der Förderung wurde anhand der oben genannten<br />

Standard - Verfahren (BAS, WISC Subtest Arithmetic) der Stand im Rechnen erneut erhoben. Wie<br />

bereits erwähnt, konnten die Kinder ihr Rechenkönnen signifikant verbessern.<br />

Alle Lehrpersonen haben sich sehr begeistert über die Förderung geäußert. Die Möglichkeit zur Einzelförderung<br />

wurde sehr begrüßt, die Lehrpersonen fanden, dass die Kinder diese Art der Förderung<br />

sehr genossen haben und schöne Lernerfolge zu beobachten waren.<br />

Das „Innsbrucker Programm“ zur Rechenförderung (Kaufmann et al.<br />

2003)<br />

94


Eine sehr interessante Studie (Kaufmann, Delazer, Pohl, Semenza & Dowker, 2003) zur Rechenförderung<br />

im Kindergartenalter, welche im Raum Innsbruck durchgeführt worden ist, zeigte, dass durch<br />

spezifische Förderung numerischer Inhalte, wie konzeptuelles Wissen, sehr gute Lernzuwächse im<br />

Rechenwissen erzielt werden.<br />

Die Studie verglich eine Untersuchungsgruppe, die Rechenförderung durch ein spezifisch numerisches<br />

Programm erhielt, mit einer Kontrollgruppe, die eher allgemeine Rechenförderung erhielt. Das<br />

spezifisch numerische Programm versuchte durch nachforschendes (selbstentdeckendes) Lernen<br />

(vgl. Baroody, 2003) numerische Konzepte zu vermitteln, wohingegen das Programm der Kontrollgruppe<br />

auch auf prozedurale Fertigkeiten fokussierte.<br />

Die Untersuchungsgruppe wurde während eines Zeitraums von ca. 6 Monaten im letzten Kindergartenjahr<br />

ca. eine Viertelstunde/Tag durch die Kindergärtnerinnen gefördert.<br />

Monatlich wurden diese Kindergärtnerinnen von den Psychologinnen der Forschergruppe betreut bzw.<br />

supervidiert, um eine optimale Umsetzung der Förderung zu gewährleisten. Die Untersuchungsgruppe<br />

zeigte vor allem beim Zählen und beim Kopfrechnen signifikante Lernzuwächse, obwohl Kopfrechnen<br />

nicht explizit trainiert worden ist.<br />

Die Autoren vermuten, dass durch das Vermitteln der konzeptuellen Inhalte ein flexibler Umgang mit<br />

rechnerischen Inhalten erzielt werden kann, der dann bei verschiedenen Rechenkontexten angewandt<br />

wird.<br />

Im Folgenden sind die Inhalte des erfolgreichen Rechenprogramms aufgelistet:<br />

• Zählen und Zählsequenzen<br />

• Zählprinzipien<br />

• Arithmetische Symbole (Arabische Zahlen und Operationszeichen)<br />

• Mengenvergleiche<br />

• Schätzen<br />

• Textaufgaben<br />

• Schlussfolgern<br />

Ein wichtiges Prinzip des Förderprogramms ist, dass die Kinder die Rechenaufgaben gemeinsam erarbeiten,<br />

mitunter mit Hilfe von Zählobjekten oder der Finger, dann miteinander besprechen, diskutieren<br />

und Zusammenhänge selbstständig entdecken.<br />

Die Autorinnen führen die signifikante Überlegenheit der Untersuchungsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe<br />

darauf zurück, dass durch die spezielle Unterrichtsmethode des selbst Entdeckens und<br />

Erforschens eine gute Verbindung von prozeduralem und konzeptuellem Wissen erworben worden ist.<br />

Dieses tiefe Verständnis von numerischen Beziehungen führt zu großer Flexibilität in der Anwendung.<br />

Das kognitiv-neuropsychologisch orientierte Interventionsprogramm von<br />

Pia Handl<br />

Pia Handl (2000) hat im Rahmen ihrer Diplomarbeit ein kognitiv-neuropsychologisch orientiertes Trainingsprogramm<br />

zur Förderung rechenschwacher Kinder entwickelt und dieses auch evaluiert.<br />

95


Eine Versuchsgruppe von insgesamt 6 rechenschwachen Kindern der 3. Schulstufe wurde während<br />

eines Semesters intensiv im Einzelsetting mit einem „maßgeschneiderten Trainingsprogramm“ gefördert.<br />

Jedes Kind erhielt im Schnitt 40 Fördereinheiten zu je 25 Minuten. Bei der Kontrollgruppe handelte<br />

es sich um 18 Kinder der regulären Volksschule, 3. Schulstufe, in derselben Gegend.<br />

Der Aufbau des Programms lautet folgendermaßen:<br />

• Zählen-Zählprinzipien<br />

• Operationszeichen<br />

• Automatisierungstraining – Partnerzahlen<br />

• Etablierung und Automatisierung der Additionsfakten<br />

Platzhalterrechnungen, Zahlenzerlegungen<br />

• Etablierung und Automatisierung der Subtraktionsfakten<br />

Umkehraufgaben<br />

• Aufbau und Etablierung der räumlichen Orientierungs- und Vorstellungsfähigkeit im dekadischen<br />

Positionssystem<br />

Transkodieren, Zählsequenzen (Zweier- und Dreierschritt), Zehnerüberschreitung und –<br />

unterschreitung, komplexe mehrteilige Aufgaben<br />

• Etablierung und Automatisierung der Multiplikationsfakten<br />

• Prozedurales Wissen für Divisionsfakten<br />

Umkehraufgaben<br />

Das Förderprogramm orientiert sich im wesentlich aus den oben beschriebenen Modulen, die hierarchisch<br />

aufeinander aufbauen. Jedes Kind konnte seinem Tempo und seinem Lernzuwachs entsprechend<br />

lange bei einem Modul verbleiben, bis es zum nächsten, teilweise überschneidend fortschritt.<br />

Das konzeptuelle Wissen wurde immer parallel gefördert. Die Module wurden immer nach dem Schema<br />

vergleichbar mit den Stufen von Hans Aebli (1975, 1985) auch in: Milz, I. (1997), Buchner C.<br />

(1999), Grissemann, H., Weber, A. (2000) erarbeitet: Von der anschauungsgebundenen, handelnden<br />

Ebene zur bildlichen Darstellungsform, über die Darstellung in Ziffern und Operationszeichen zur Automatisierungsstufe.<br />

Die Autorin nennt als Schwerpunkte des Programms den neuropsychologischen Hintergrund, der sich<br />

vor allem auf die Förderung des numerischen und pränumerischen Basiswissens bezieht. Es werden<br />

Teilfunktionsstörungen mitberücksichtigt und Wahrnehmungsstörungen im Rahmen des Unterrichts<br />

durch die Klassenlehrerin mitgefördert. Neben der Sicherung des Basiswissens wird immer wieder<br />

Automatisierungstraining zur Sicherung der Fakten durchgeführt. Das gesamte Training orientiert sich<br />

immer am Stand des Kindes, der Ausgangspunkt und Leitfaden für die spezifische Förderung darstellt.<br />

Anschauungsmittel werden konsequent aber sorgfällig ausgewählt einsetzt, so verwendet Pia Handl:<br />

„Köpfe, Lego/Dulpo-Steine, die Hundertertafel, Cuisenaire-Stäbe, etc.“ um nur einige zu nennen.<br />

96


Das Ergebnis der Evaluationsstudie zeigt deutliche Lernzuwächse bei den Trainingskindern, sie konnten<br />

sich in vielen Bereichen deutlich steigern und in manchen Teilbereichen sogar das numerischrechnerische<br />

Wissensniveau (Lesen und Schreiben von Operationszeichen, Rückwärtszählen, Zählen<br />

in Zweierschritten, schriftliches Addieren) der Kontrollkinder erreichen.<br />

Mathematics Recovery (Wright, et al. 2000, 2002)<br />

Das “Mathematics Recovery Program” ist in Australien von Wright et al. (2000, 2002) entstanden. Dieses<br />

Förderprogramm wird in England, Australien und Amerika angewandt. Die vorliegende Studie bezieht<br />

sich auf ein Projekt zwischen 1992 und 1997 in Australien, wo eigens instruierte Lehrpersonen<br />

zusätzlich in den Klassen mit rechenschwachen Schülern (6 und 7 Jahre) intensive individuelle Förderung<br />

durchgeführt haben. Das Förderprogramm wurde 30 Minuten/ Tag über einen Zeitraum von 12<br />

bis 14 Wochen durchgeführt.<br />

Das theoretische Grundgerüst sind die „Stufen der frühen arithmetischen Lernstrategien“, welche bereits<br />

weiter oben ausführlicher beschrieben worden sind. Das arithmetische Lernen wird in 5 Stufen<br />

gegliedert: vom beginnenden Zählen, zum perzeptiven Zählen, zum figurativem Zählen und Addieren,<br />

zur „Counting-on“ Strategie, zum sicheren Addieren.<br />

Beim Förderprojekt sind die Kinder vor und nach der Förderung diagnostisch eingeschätzt worden.<br />

Auf der Grundlage dieser Eingangsdiagnostik wurde dann bei der Förderung individuell aufgebaut.<br />

Um ein Beispiel zu nennen: Ein Kind, welches auf der Stufe eines beginnenden Rechners eingestuft<br />

worden ist, fokussiert zunächst auf folgende Lernziele:<br />

1. die Zahlwortsequenz bis 20<br />

2. die Ziffern von 1 bis 10<br />

3. Zählen sichtbarer Items<br />

4. Räumliche Muster (Darstellungsformen von Zahlen in Dominomuster, oder Punktehaufen)<br />

5. Fingermuster (Erkennen und Bilden von Mustern bis 5)<br />

6. Zeitliche Muster (Abzählen von Bewegungs-, und Geräuschsequenzen)<br />

Das gestufte Programm definiert für ein Kind der nächsten Stufe ganz andere Lernziele im hierarchischen<br />

Aufbau der verschiedenen Säulen:<br />

I. Arithmetische Strategien, dekadisches System<br />

II. Zählen vorwärts, rückwärts, Ziffern (Transkodieren),<br />

III. andere Aspekte - Visualisierungen (Fingermuster, Zerlegungen und Ergänzung von Zahlen<br />

im Zehnerraster, Hundertertafel).<br />

Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Kinder signifikante Verbesserungen in den fokussierten<br />

Lehrzielen erreichen konnten, sie konnten in manchen Gebieten sogar auf altersentsprechendes<br />

Niveau aufschließen.<br />

Die Lehrpersonen äußerten sich äußerst positiv über das Projekt, sie hatten den Eindruck durch die<br />

genaue Diagnostik über den Stand der Kinder in Rechnen besser bescheid zu wissen. Weiters konnten<br />

sie die Techniken und Ideen des Programms gut umsetzen und gaben an, das erworbene Wissen<br />

der Einzelförderung auch in Zukunft im Klassenunterricht sinnvoll einsetzen zu können.<br />

97


Kritik:<br />

Die verwendeten Verfahren zur Erhebung des Lernerfolgs gingen Hand in Hand mit der Förderung<br />

und messen natürlich den vorhandenen Trainingseffekt. Dass der gemessene Lernerfolg sich auf<br />

Rechnen allgemein auswirkt und überträgt ist zwar anzunehmen aber nicht eindeutig überprüft worden.<br />

Number Worlds<br />

(Sharon Griffin, 2001, Clark University)<br />

Im folgenden Abschnitt wird das Mathematik Programm „Number Worlds“ von Sharon Griffin (Clark<br />

University N.H.) und dessen wichtigste theoretische Grundlagen kurz skizziert. Dieses Programm,<br />

welches für den Mathematik Unterricht auf verschiedenen Schulstufen (Kindergarten, 1.Schulstufe, 2.<br />

Schulstufe) konzipiert ist, scheint sich sowohl durch das theoretische Grundgerüst als auch durch den<br />

konkreten Aufbau grundlegend von den (wenigen) bisher bekannten Förderprogrammen zu unterscheiden.<br />

Sharon Griffin und ihr Kollege Robin Case bezeichnen sich selbst als „Neo-Piagetaner“ die auf Piaget´s<br />

Theorien aufbauen und diese weiterentwickelt haben.<br />

In Bezug auf das theoretische Konzept ordnet Sharon Griffin ihr Programm dem entwicklungsorientierten<br />

Ansatz zu. Es basiert auf sorgfältiger Forschung, welche mathematischen Konstrukte Kinder entwickeln,<br />

wenn sie in einem Umfeld aufwachsen, welches „gut genug“ (good enough) ist, dieses<br />

Wachstum zu ermöglichen. In kleinen Schritten unterliegt die Entwicklung einem natürlichen Fortschritt.<br />

Sie beschreiben, dass Kinder ihr quantitatives Wissen und Zählwissen, die beiden ersten Konstrukte,<br />

ständig weiter entwickeln und ihr Wissen mehr und mehr integrieren, so dass schlussendlich ein einziges<br />

komplexes Netzwerk entsteht.<br />

Sie nennen dieses Netzwerk „zentrale konzeptuelle Struktur“ wegen der zentralen Rolle, die dieses im<br />

mathematischen Denken der Kinder einnimmt.<br />

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die einzelnen Wissenselemente dieses Netzwerks,<br />

wie es etwa im Alter von einschulenden Kindern besteht.<br />

98


“Mental Counting Line” (Die mentale Zählstruktur) oder „Zentrale konzeptuelle Struktur“<br />

S. Griffin in „Teacher’s Guide“3. Version. 2001 S. 20<br />

Die obersten zwei Reihen nennen sich Zahlwortreihe und Reihe der Zählobjekte (in ordinalem Sinne).<br />

Die Zahlworte sind nun als einzelne Worte gespeichert, die in jeder Richtung sofort abgerufen<br />

werden können.<br />

Die zweitunterste Reihe „quantities“ (Quantitäten) genannt, meint ein Schema für ein<br />

Mengenverständnis in kardinalem Sinne.<br />

Die mittlere Reihe zeigt ein „neues Element“: die Darstellung der Zahlen in Form von Fingerbildern.<br />

Griffin betont die Wichtigkeit der Fingerrepräsentationen für Kinder beim Addieren und Subtrahieren<br />

Lernen. Die Finger sind deshalb so praktisch, weil sie „immer zur Hand sind“ und weil sie für beide<br />

Aspekte (ordinal und kardinal) der Zahlenrepräsentation verwendet werden können. Einerseits dienen<br />

sie für das Zählen (indem man einen Finger nach dem anderen hochhält) und andererseits für die<br />

Darstellung einer Menge (indem man die Finger simultan in einem Standardmuster hochhält).<br />

Wenn Kinder im Schulalter ihre mathematischen Strukturen zu einer einzigen und universellen Struktur<br />

weiter entwickeln, verstehen sie, dass Additionen und Subtraktionen ohne eine konkrete Darstellung<br />

gelöst werden können, einfach durch das vorwärts- oder rückwärts Zählen der Zahlwortreihe.<br />

Weiters lernen sie, dass „eins mehr“ (oder „eins weniger“) eine automatische Vergrößerung (Verkleinerung)<br />

der Menge um eins mit sich bringt, ohne dass sie eine Abbildung für diese Operation brauchen.<br />

Sie entdecken, dass formale Mathematik im Kopf stattfinden kann, unter eigener Kontrolle.<br />

Wenn sie diesen Schritt von der Abhängigkeit von äußeren, beobachtbaren Vorgängen zur abstrakteren<br />

inneren Ebene geschafft haben, beginnen Kinder ihre Zählfertigkeiten in verschiedensten Kontexten<br />

anzuwenden. Auch der Vergleich zweier Objekte in verschiedensten Dimensionen wird möglich<br />

(Höhe, Länge, Gewicht, Lautstärke), was durch die Klammern am Rand der Abbildung dargestellt ist.<br />

99


Schließlich lernen die Kinder die geschriebenen Ziffern und Zahlen, wie in der untersten Reihe dargestellt.<br />

Geschriebene Zahlen stehen als Symbole für Zahlworte sowohl in ordinaler Verwendung als<br />

„Zähler“ als auch gleichzeitig als kardinale Mengenbezeichnung, was dazu führt, dass die Elemente zu<br />

einer neuen kognitiven Struktur zusammengeführt werden.<br />

Implizites und explizites Wissen<br />

(aus S.Griffin 2001)<br />

Auch wenn Kinder am selben Mathematikunterricht teilnehmen, so profitieren trotzdem längst nicht<br />

alle im selben Maße davon. Obwohl sie oft sogar noch beim ersten Hinsehen das Material und die<br />

Aufgabe gleich gut verstanden haben, so kann das eine Kind „hinter“ das Material sehen und dieses<br />

auf neue Situationen anpassen und verwenden und das andere nicht. Einige Kinder scheinen einen<br />

besseren Zahlensinn, ein besseres intuitives Wissen zu haben als andere, obwohl sie dasselbe explizite<br />

Wissen zeigen.<br />

Schlagworte<br />

Implizites Wissen: Zahlensinn, Gefühl für die Zahlen, intuitives Wissen<br />

Explizites Wissen: Wissen um den Lösungsweg, in Worten erklärbarer Rechenvorgang<br />

J. Sowder (zitiert in Griffin 2001, S.22) zeigt, dass der Zahlensinn von Kindern nicht angeboren sein<br />

muss, er kann auch gefördert und entwickelt werden, wenn entsprechende Maßnahmen im Unterricht<br />

gesetzt werden.<br />

Sie beschreibt, dass Kinder mit gutem Zahlensinn über eine große Bandbreite von Möglichkeiten verfügen<br />

wie sie quantitative Situationen repräsentieren und sie bewegen sich innerhalb dieser mit Leichtigkeit<br />

auf und ab.<br />

Sie wählen diejenige Repräsentationsform aus, die das aktuelle Problem am besten darstellt, um es<br />

zu verstehen und damit zu arbeiten.<br />

Diese Fähigkeiten können im Unterricht durch die Verwendung von verschiedenen Repräsentationsformen<br />

für arithmetische Aufgaben gefördert werden.<br />

Ein weiteres Merkmal für Kinder mit gutem Zahlensinn ist das gute Gefühl für die Größe der Zahlen<br />

und die Veränderung dieser Größe durch die Operation. So können sie, obwohl sie vor simplen Rechenfehlern<br />

genauso wenig gefeit sind wie andere Schüler, zumindest beurteilen, ob das Ergebnis<br />

wahrscheinlich ist oder nicht (Schätzen).<br />

Das „Number Worlds“ Programm von Sharon Griffin beinhaltet ein vielfältiges Angebot an gängigen<br />

Repräsentationen für Zahlen und deren Gebrauch für arithmetische Aufgaben.<br />

Die Repräsentationsformen sind sowohl, wie in vielen anderen Förderprogrammen, konkrete Materialen<br />

als auch Zahlendarstellungen in linearer Form entlang einer Zahlenlinie, an der sich die Kinder<br />

entlang bewegen können.<br />

100


So erfahren Kinder den linearen dekadischen Zahlenaufbau und bilden laut Griffin ein intuitives Wissen<br />

über Zahlen und deren Nachbarn ähnlich wie über die eigene Nachbarschaft zuhause.<br />

Laut Griffin sind Brettspiele der beste umweltbedingte Prädiktor für Erfolg in Mathematik. Deshalb<br />

verwendet sie viele Brettspiele im Unterricht damit alle Kinder, unabhängig von ihrer Lernumwelt, von<br />

diesen Spielen profitieren können.<br />

Ein sehr beliebtes Spiel aus „Number Worlds“ ist zum Beispiel das Spiel „Drachensuche“. Bei diesem<br />

Spiel legen die Kinder durch würfeln einen Weg zurück, der zur Drachenhöhle führt. Auf dem Weg<br />

sind immer wieder markierte Felder, auf welchen die Kinder eine bestimmte Anzahl von Wasserkübeln<br />

aufsammeln können (Kärtchen geben die Anzahl an). Haben die Kinder 10 Kübel auf ihrem Weg bis<br />

zur Drachenhöhle aufgesammelt, können sie in der Drachenhöhle das Feuer des Drachen löschen.<br />

Wenn nicht, werden sie vom Drachen gefangen und bleiben so lange Gefangene bis das nächste Kind<br />

mit 10 Wasserkübeln das Feuer löscht und die Gefangenen befreit. Die Rechengleichungen für die<br />

Wasserkübel werden auf Arbeitsblättern notiert und in der Gruppe diskutiert.<br />

Bei jedem Spiel ist genau festgehalten, welche Lernziele angestrebt werden, welche Fragen die Diskussion<br />

anregen können und welches Vokabular für die Rechenoperationen in diesem Kontext normalerweise<br />

gebraucht wird.<br />

Die genaue Übersetzung dieser Spielanleitung (Aktivitätskarte: Bilderland Nr.8) finden sie im Anhang.<br />

„Der Zahlensinn kann unterrichtet werden.“<br />

Eine Serie von Studien belegt, dass Kinder aus unterprivilegierten Schichten, welche weniger gute<br />

Voraussetzungen zum Rechnen Lernen mitbringen, durch die Arbeit mit „Number Worlds“ im Kindergartenalter<br />

ihren Rückstand im numerischen Wissen dauerhaft gut aufholen konnten. Die Studie von<br />

Griffin, Case & Siegler (1994) belegt durchschnittliche bis gut durchschnittliche Leistungen dieser Kinder<br />

in der 1. Klasse in einer Follow-up Studie. Sowohl die schriftlichen Rechentests als auch die Einschätzung<br />

des Zahlenwissens durch die Lehrer waren besser. Weitere sehr positive Evaluationsstudien<br />

werden am Ende dieses Kapitels genauer beschrieben.<br />

„Wie der Zahlensinn unterrichtet werden kann.“<br />

Drei Unterrichtsprinzipien sind die Schlüsselpunkte zum Zahlensinn:<br />

1. Es wird eine Vielzahl von Aktivitäten angeboten, um Querverbindungen und Zusammenhänge<br />

klar zu machen.<br />

2. Die Konzepte werden in der Gruppe ausprobiert und diskutiert.<br />

3. Eine angemessene Abfolge der konzeptuellen Inhalte wird sichergestellt.<br />

101


Griffin formuliert folgende Unterrichtsziele, die sich am Entwicklungsprozess der Kinder orientieren.<br />

1. Probleme lösen<br />

Die meisten Aktivitäten, die das Programm beinhaltet, bieten den Kindern die Möglichkeit, eine Reihe<br />

von visuell-räumlichen Abbildungen des Zahlensystems kennen zu lernen. Die Reihenfolge, in welchen<br />

die Kinder mit den verschiedenen Darstellungsformen vertraut gemacht werden, hängt vom<br />

Komplexitätsgrad der Abbildungen ab.<br />

Diese Aktivitäten werden in einen spielerischen Kontext verpackt, der es notwendig, macht sich mit<br />

dem Zahlensystem auseinander zu setzen, um das Spielziel erfolgreich zu erreichen. Der spielerische<br />

Charakter motiviert die Kinder stark aktiv an den Problemlöseprozesses teilzunehmen.<br />

2. Kommunikation<br />

Kommunikation ist ein sehr lebendiges Element dieses Programms. Die meisten Spiele werden gemeinschaftlich<br />

in kleinen Gruppen durchgeführt. Um die Spiele durchführen zu können, ist es oft notwendig,<br />

über die Vorgänge zu sprechen. Und die Kinder beobachten einander genau, weil sie wissen<br />

wollen, wer gewinnt und stellen Fehler sehr schnell klar. Zudem wird zwischendurch und am Ende<br />

eines Spieles gemeinsam reflektiert, Gewinner werden ermittelt, verschiedene Lösungswege verglichen,<br />

diskutiert und auf Effektivität überprüft, ohne vorschnelle Bewertung über richtig oder falsch.<br />

Bei jedem Spiel finden sich für die Lehrperson wichtige Hinweise, welche neuen mathematischen Begriffe<br />

hinter sich hinter den Aktivitäten verbergen (z.B.: größere Zahlen sind „weiter weg, höher oben,<br />

weiter rundum“). Wichtige Fragen werden beispielhaft angeführt, um nutzvolle Diskussionen anzuregen,<br />

z.B.: Wo bist du jetzt? Wo wirst du nach deinem Spielzug sein? Wer ist näher am Ziel? Wie viele<br />

brauchst du noch? Wie bist du darauf gekommen?).<br />

3. Schlussfolgernd Denken<br />

Das schlussfolgernde Denken ist selbstverständlich Teil des problemlösenden Ansatzes und der<br />

Kommunikationsstrukturen, dass es kaum notwendig scheint, dieses Unterrichtziel noch einmal anzuführen.<br />

Dennoch das Number Worlds Programm legt großen Wert darauf, dass das implizite Wissen<br />

mit dem expliziten Wissen gut verknüpft wird. Durch die Aktivitäten sollen die Kinder eine innere Repräsentation<br />

entwickeln, eine Art räumliche Struktur, die der impliziten Repräsentation entspricht. Diese<br />

räumliche Repräsentation soll den Kindern helfen sich in der Vorstellung vorwärts und rückwärts zu<br />

bewegen, um sich auf expliziter Ebene, die stark sprachlich strukturiert ist, besser auszudrücken.<br />

Weiters wird bei Number Worlds großer Wert auf die Vorhersage von Ergebnissen und Erklärungen<br />

gelegt, besonders bei Aufgaben die kurz darauf selbst gelöst werden, um die eigenen Aussagen dann<br />

zu überprüfen.<br />

4. Gerechtigkeit (passend für alle)<br />

Die meisten Spiele können auf verschiedenen Niveaus gespielt werden. D.h. es gibt höhere Anforderungen<br />

für weiter entwickelte Kinder und einfachere Anforderungen für die weniger starken Kinder,<br />

sodass alle Kinder vom selben Spiel auf ihrem Niveau profitieren können.<br />

Es ist beabsichtigt allen Kindern die Möglichkeit des Fortschritts auf vielen Ebenen in passendem Niveau<br />

zu geben.<br />

102


Repräsentationen in den verschiedenen „Welten“<br />

„Repräsentation der Zahlen in verschiedenen Welten“ aus S. Griffin Abb.5 S.26 (2001)<br />

• Objektland (Object Land): Konkrete Darbietung, zeichnerische Darbietung, Punktebilder<br />

• Bilderland (Picture Land): Darstellung in Standard-Würfelbildern<br />

Punkte auf dem Würfelbild gelten als Symbole für andere Objekte<br />

• Linienland (Line Land): Zahlen entlang einer Linie (wie eine Leiter oder Rutsche)<br />

Sprachliche Ausdrücke für Distanzen werden verwendet, Zahlen können einen bestimmten<br />

Platz und eine Anzahl von Bewegungen bedeuten<br />

• Himmelland (Sky Land): Graphische Darstellung als vertikale Skala,<br />

größere Zahlen sind höher oben; auch kontinuierliche Größen können mit Skalen gemessen<br />

werden.<br />

• Eventuell: Kreisland (Circle Land): Graphische Darstellung in runder Form (Kreisdiagramm)<br />

Das Number Worlds Programm versucht einerseits explizites Wissen zu fördern und andererseits die<br />

notwenigen Voraussetzungen dazu aufzubauen. Weiters konzentriert es sich auf handelnde Aktivitäten<br />

für die Kinder, durch welche sie mathematische Konzepte erfahren können. Die wissenschaftliche<br />

103


Orientierung ermöglicht eine breite Basis für ein Grundgerüst an Basisvoraussetzungen und ermöglicht<br />

auf diesem Fundament einen fein abgestuften Aufbau des Wissens.<br />

Die Einführung in verschiedene „Welten“ von Repräsentationsformen ermöglicht die Erkenntnis:<br />

1. von einer visuellen Darstellungsform zur anderen wechseln zu können und<br />

2. von implizitem Wissen zu explizitem (schriftlichen) Wissen überblenden zu können.<br />

Der sprachliche Kontext ändert sich von Welt zu Welt, zwischen welchen wiederum flexibel bewegt<br />

werden kann.<br />

„Dieser flexible Umgang von visueller und sprachlicher Repräsentation und implizitem und explizitem<br />

Wissen maximiert die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder einen guten Zahlensinn entwickeln“ (Griffin<br />

2001, S.21).<br />

Zur Methode<br />

Der tägliche Mathematik-Unterricht beginnt mit einer Aufwärmphase zwischen 5 und 10 Minuten. Das<br />

kann z.B. eine kurze Übung zum Zählen sein (z.B.: „Catch the Teacher“). Allermeistens werden sie mit<br />

der ganzen Klasse im Kreis sitzend durchgeführt. Dann kommt ein Arbeitsblock der zwischen 20 und<br />

40 Minuten, je nach Alter, dauert. Es gibt Aktivitäten, die mit der ganzen Klasse gemeinsam durchgeführt<br />

werden können und Aktivitäten für die kleine Gruppe zu je 4 Kindern. In der Kleingruppe arbeiten<br />

die Kinder miteinander, wenn eine zweite Lehrperson vorhanden ist, ist es sehr angenehm, um die<br />

Kleingruppen intensiver betreuen zu können. Die Gruppen spielen bzw. führen unterschiedliche Aktivitäten<br />

durch. Dies geht leichter, je besser die Kinder mit den Spielen vertraut sind.<br />

Nach der Gruppenarbeit gibt es eine Schlussphase, die den Kindern die Möglichkeit gibt, ihre Handlungen<br />

zu reflektieren und diskutieren. Die Schlussphase wird immer in der Großgruppe gemacht.<br />

Nach Großgruppenaktivitäten beschreiben freiwillige Kinder, was sie getan haben und was sie gelernt<br />

haben. Nach der Kleingruppenarbeit beschreibt ein Reporter jeder Gruppe diese Dinge. In dieser<br />

Phase, sowie während der ganzen Arbeit, führt die Lehrperson durch gezieltes und vorsichtiges Fragen<br />

auf die Kernpunkte der Inhalte hin, um das Verständnis zu verbreitern.<br />

Es gibt einige Spielmaterialien, wie Steckbretter, Spielbretter, Häuserreihen mit Hausnummern von 1-<br />

100, Würfel, Spielfiguren, usw. die sorgfältig verwahrt werden und immer wieder benützt werden können.<br />

Die ständige Wiederholung der Spiele unterstützt die Möglichkeit das Wissen zu erwerben. Viele<br />

Spiele und Aktivitäten haben Variationen und Steigerungsstufen, sodass die Kinder ihre Konzepte und<br />

Fertigkeiten auch ständig verbessern und erweitern können.<br />

104


Anhang:<br />

105


8 Drachensuche 1: Triff den Drachen BILDERLAND<br />

Lernziele<br />

� Kleine Mengen zu einstelligen Zahlen dazugeben<br />

Materialien<br />

� Drachensuche-Spielbrett<br />

� Spielfiguren, eine für jedes Kind<br />

� Drehscheibe (oder Punktwürfel)<br />

� Drachensuche-Additionskarten von +1 bis +4<br />

� Bilderland Arbeitsblatt 1 (Spielstandformular für mehrere Spieler) für die Herausforderung<br />

� Lernkettenglieder<br />

Vorbereitung<br />

� Vergewissern Sie sich, dass der Kartenstapel nur Additionskarten von +1 bis<br />

+4 enthält. Die Subtraktionskarten und die höheren Additionskarten werden in<br />

einer späteren Spielversion benötigt.<br />

Aktivität<br />

Erzählen Sie den Kindern eine Geschichte über einen feuerspeienden Drachen, der das Dorf, in dem<br />

die Kinder leben, in Angst und Schrecken versetzt. Erklären Sie, dass die Kinder die Helden sind, die<br />

ausgewählt wurden, um den Drachen zu suchen und sein Feuer zu löschen.<br />

Erklären Sie die Spielregeln.<br />

� Die Kinder bewegen abwechselnd die Drehscheibe (oder den Würfel) und bewegen ihre Spielfigur<br />

entsprechend viele Felder weiter auf dem Spielbrett.<br />

� Die Sternfelder sind Brunnen, wo die Kinder Eimer voll Wasser schöpfen können.<br />

� Wenn ein Kind auf einem Brunnen landet, nimmt es eine Drachensuchkarte vom verdeckten Stapel<br />

(vor Spielbeginn mischen!).<br />

� Die Zahl auf der Karte sagt, wie viele Wassereimer das Kind beim Brunnen schöpfen kann und wie<br />

viele Lernkettenglieder – also Wassereimer – es wegnehmen kann.<br />

� Die Kinder zählen ihre Wassereimer zusammen, sobald sie sie „geschöpft“ haben.<br />

Damit das Feuer des Drachens gelöscht werden kann, braucht ein Held mindestens 10 Wassereimer.<br />

� Wenn ein Held mit weniger als 10 Wassereimern ins Drachengebiet eindringt, wird er zum Gefangenen<br />

des Drachen und kann nur von seinen Mitspielern gerettet werden.<br />

106


� Das erste Kind, das die Höhle des Drachen mit mindestens 10 Wassereimern erreicht, löscht das<br />

Feuer des Drachens, befreit die Gefangenen und gewinnt das Spiel.<br />

Dialog<br />

Ermutigen Sie die Kinder, sich auf die Zahlen und Mengen zu konzentrieren, wenn sie die Wassereimer<br />

zusammenzählen. Sie könnten fragen<br />

� Wie viele Eimer hast du gehabt, bevor du diese Karte abgehoben hast?<br />

� Wie viele Eimer glaubst du, dass du insgesamt haben wirst, nachdem du diese Eimer dazugegeben<br />

hast?<br />

� Wie viele Eimer brauchst du noch, um das Feuer des Drachens zu löschen?<br />

Herausforderung<br />

Schreiben Sie formal mit, wie viele Eimer jedes Kind sammelt, und zwar auf Packpapier oder auf dem<br />

Spielstandformular für mehrere Spieler. Legen Sie für jeden Spieler eine Spalte an, und beginnen Sie<br />

jeweils mit dem ersten Spieldurchgang jedes Kindes. Wenn das Kind während seinem ersten Durchgang<br />

auf einem Brunnen landet, schreiben Sie 0 + X (Anzahl der gesammelten Eimer) = X. Wenn das<br />

Kind nicht auf einem Brunnen landet, schreiben Sie 0 + 0 = 0. Bitten Sie die Kinder im Verlauf des<br />

Spiels, vorherzusagen, wie viele Eimer Wasser sie haben werden, indem sie die Additionsgleichung<br />

lösen. Lassen Sie sie ihre Lernkettenglieder zählen, um ihre Antwort zu überprüfen.<br />

Zusätzliche Herausforderung<br />

Wenn die Kinder mit dem Spiel soweit vertraut sind, spielen Sie das Spiel ohne Lernkettenglieder, und<br />

übergeben Sie die Verantwortung des Protokollierens an die Kinder selber oder an einen speziell ernannten<br />

Protokollführer. Lassen Sie die Kinder die Eimerkarten sammeln und behalten, sodass überprüft<br />

werden kann, ob alle Summanden richtig aufgeschrieben und keine ausgelassen wurden. Fragen<br />

Sie die Kinder in Abständen, wie viele Wassereimer sie gerade haben, wie viele sie noch brauchen,<br />

um das Feuer des Drachens zu löschen und wie sie das herausgefunden haben. Achten Sie darauf,<br />

ob es Kinder gibt, die ihre Zahlenkarten in gut addierbare Gruppen ordnen, zum Beispiel Einser mit<br />

Einsern und Zweier mit Zweiern, oder Gruppen von fünf zusammen.<br />

Wenn die Kinder schon mit höheren Additionsgleichungen zurechtkommen, beenden Sie das Spiel:<br />

Alle von den Gefangenen des Drachens gesammelten Wassereimer werden zurückgegeben. Erklären<br />

Sie, dass Sie das Feuer des Drachens für längere Zeit löschen möchten, und dass alle Spieler ihre<br />

Wassereimer zusammenlegen sollen um damit die Höhle des Drachen zu überfluten. Lassen Sie die<br />

Kinder ihre Eimer in 10er-Gruppen zusammenlegen, damit sie feststellen können, wie viele Eimer sie<br />

insgesamt haben, um die Drachenhöhle zu überfluten. Lassen Sie die Kinder die Ketten in Zehnerschritten<br />

zählen und dann die restlichen Kettenglieder dazuzählen, oder, wenn die Gesamtsumme der<br />

Eimer jedes Kindes schriftlich festgehalten wurde, können Sie diese Aufzeichnungen verwenden um<br />

die Endsumme zu berechnen.<br />

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