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Anwaltsblatt 2011/0708 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

314<br />

<strong>2011</strong>, 314<br />

Das Europäische Mahnverfahren<br />

Ein Praxisbericht<br />

Von Mag. Martina Arneitz, Wien. Kontakt: martina.arneitz@justiz.gv.at<br />

Die Europäische Mahnverordnung (VO [EG] 2006/1896) ist am 12. 12. 2008 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen<br />

Union mit Ausnahme Dänemarks in Kraft getreten. Seit 1. 7. 2009 ist das Bezirksgericht für Handelssachen<br />

Wien das allein zuständige Gericht zur Durchführung des Europäischen Mahnverfahrens für ganz Österreich.<br />

Zum bevorstehenden „Zweijahresjubiläum“ wurde ich als Vorsteherin des Bezirksgerichtes für Handelssachen<br />

Wien eingeladen, im <strong>Anwaltsblatt</strong> die bisherigen Erfahrungen aus der Sicht der an unserem Gericht damit befassten<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schildern.<br />

I. Zahlen und Daten<br />

Das Europäische Mahnverfahren hat sich, was die Anzahl<br />

der Verfahren in Österreich betrifft, äußerst erfolgreich<br />

entwickelt.<br />

Zum Vergleich: Am Amtsgericht Berlin Wedding –<br />

dem allein zuständigen Gericht für das Europäische<br />

Mahnverfahren für die Bundesrepublik Deutschland –<br />

langten im Jahr 2010 insgesamt 3079 Anträge ein, während<br />

im selben Zeitraum das Bezirksgericht für Handelssachen<br />

Wien 2171 Anträge auf Erlassung eines Europäischen<br />

Zahlungsbefehls bearbeitet hat. Im Jahr<br />

<strong>2011</strong> haben wir, was die Anfallszahlen betrifft, die Bundesrepublik<br />

Deutschland überholt. Bis 1. 5. <strong>2011</strong> wurden<br />

am Amtsgericht Berlin Wedding 727 Anträge auf<br />

Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls eingebracht,<br />

an unserem Gericht langten heuer bereits 886<br />

Anträge ein.<br />

Die Mehrzahl der Anträge auf Erlassung eines Europäischen<br />

Zahlungsbefehls – in etwa 75% – betrifft einen<br />

grenzüberschreitenden Sachverhalt Deutschland-<br />

Österreich. Der Großteil der weiteren Verfahren betrifft<br />

Anträge in und aus den unmittelbaren Nachbarländern<br />

Italien, Slowenien, Slowakei und Tschechien.<br />

Nur vereinzelt sind die Antragsteller oder Antragsgegner<br />

aus anderen Mitgliedstaaten wie etwa Frankreich,<br />

Spanien, Bulgarien oder Rumänien.<br />

Anträge auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls<br />

wurden aber auch schon gegen Antragsgegner<br />

in Kroatien und der Schweiz eingebracht. Diese Anträge<br />

mussten mangels Anwendbarkeit der EU-Mahnverordnung<br />

zurückgewiesen werden.<br />

Die Einspruchsquote beträgt 5%.<br />

Ist das Bezirksgericht für Handelssachen Wien –<br />

nach dem Einspruch – in Österreich für den Antragsgegner<br />

sachlich und örtlich nicht zuständig, wird das<br />

weitere Verfahren vor dem vom Antragsteller namhaft<br />

gemachten österreichischen Gericht durchgeführt.<br />

Vereinzelte Anträge auf Überweisung an ein deutsches<br />

Gericht wurden – mangels Rechtsgrundlage dazu<br />

– abgewiesen.<br />

Das Europäische Mahnverfahren<br />

Autorin: Mag. Martina Arneitz, Wien<br />

II. Zuständigkeit<br />

Auf Grund von – möglicherweise falsch verstandenen –<br />

Medienberichten herrscht bei einigen interessierten Antragstellern<br />

die Meinung vor, das Europäische Mahnverfahren<br />

sei dazu da, dass jeder Österreicher jeden Bürger<br />

der Europäischen Union in Österreich verklagen kann.<br />

Übersehen wird dabei, dass, um eine internationale<br />

Zuständigkeit Österreichs – auch zur Erlassung eines<br />

Europäischen Zahlungsbefehls – zu begründen, ein Gerichtsstand<br />

nach der EuGVVO vorhanden sein muss.<br />

Nach Art 6 Abs 2 der EU-Mahnverordnung kann<br />

gegen einen Verbraucher nur in jenem Mitgliedstaat,<br />

in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ein Europäischer<br />

Zahlungsbefehl erlassen werden. Damit kann<br />

in jenen Sonderfällen, in denen ein ausländischer Verbraucher<br />

in Österreich verklagt werden kann, das<br />

EU-Mahnverfahren nicht angewendet werden. Die<br />

EU-Mahnverordnung geht hier dem Art 15 der<br />

EuGVVO vor.<br />

Nach meiner Erfahrung müssen viele Anträge deshalb<br />

zurückgewiesen werden, weil Verbraucher mit<br />

Wohnsitz im europäischen Ausland in Österreich geklagt<br />

werden.<br />

Ein weiterer häufig auftretender Zurückweisungsgrund<br />

liegt vor, wenn im Europäischen Mahnverfahren<br />

außervertragliche Ansprüche geltend gemacht werden,<br />

was nach dem sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung<br />

nur im Ausnahmefall möglich ist.<br />

Gegen eine Zurückweisung des Antrages mittels<br />

Formblatt D ist kein Rechtsmittel zulässig, es kann jedoch<br />

ein neuer Antrag eingebracht werden, der trotz<br />

„Radlgeschäftsverteilung“ an unserem Gericht aber<br />

mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keinen Erfolg haben<br />

wird.<br />

III. Formularverfahren<br />

Das Europäische Mahnverfahren ist ein reines Formularverfahren.<br />

Die verwendeten Formulare sind Teil des Verordnungstextes.<br />

Bei der Gestaltung des Antragsformulars,<br />

Österreichisches <strong>Anwaltsblatt</strong> <strong>2011</strong>/07-08

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