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GESCHICHTE<br />
44<br />
Jänner - März 2005 · 1/05<br />
S T A D LLI NI NG GE R E R P OP SOT S T<br />
Adalbert Stifter (1805 - 1868)<br />
v. Konsulent Hans Hager<br />
Heute beschäftige ich mich mit<br />
dem Dichter Adalbert Stifter,<br />
aber nicht etwa deshalb, weil<br />
es bei seinem 200. Geburtstag<br />
alle Medien tun, sondern weil<br />
ich in einer Zeitung einen Artikel<br />
gefunden habe, der „so“ nicht<br />
stimmt. Stifter selbst bezeichnete<br />
sich einmal einen aus „Goethes<br />
Verwandtschaft“.<br />
Thomas Mann schrieb von ihm:<br />
„Stifter ist einer der merkwürdigsten,<br />
hintergründigsten,<br />
heimlich kühnsten und wunderlich<br />
packendsten Erzähler der<br />
Weltliteratur.<br />
Ein Dichter, ein Meister der Kleinmalerei,<br />
dessen Wahlspruch in<br />
die moderne Sprache der Jetztzeit<br />
übersetzt „small is beautiful“<br />
lauten würde.<br />
Gewiss, man würde Adalbert<br />
Stifter, lebte er heute, wohl dem<br />
grünen Lager zuordnen. Er hat<br />
vor anderthalb Jahrhunderten<br />
das vorweggenommen, was<br />
jetzt als die großen Fragen der<br />
Zeit betrachtet werden und er<br />
hat Ruhm und Ehre, aber auch<br />
beißenden Spott damit eingeheimst.<br />
Stifter hat die Landschaft<br />
geschildert und den Menschen in<br />
ihr, er hat den Wald, die Fluren,<br />
die Blumen, die Tiere besungen,<br />
er hat die Liebe und Menschlichkeit<br />
in Worte und Sätze gegossen<br />
und er hat zudem das Österreichertum,<br />
das österreichische<br />
Wesen, die österreichische Kultur<br />
zu Papier gebracht. Er ist<br />
seiner Zeit weit, sehr weit voraus<br />
gewesen. Er war der große<br />
Zeichner mit dem Stift und der<br />
Sprache, er war der große Schilderer,<br />
er hat die Natur gemalt,<br />
nicht nur mit dem Pinsel – und<br />
er ist doch, auch dies ein tiefer<br />
aktueller Bezug, ein Widerspruch<br />
in sich selbst gewesen.<br />
Zu Recht ist dieser Adalbert Stif-<br />
ter in den Olymp der Weltliteratur<br />
erhoben worden – als einer,<br />
der die Prosadichtung deutscher<br />
Sprache in seiner Zeit zur Vollendung<br />
führte. In der kleinen Ortschaft<br />
Oberplan am 23. Oktober<br />
1805 im Böhmerwald ist er zur<br />
Welt gekommen, als der „Stifter<br />
Bertl“, der Sohn eines Leinenwebers<br />
und Textilhändlers. Schon<br />
in frühesten Jahren keimte die<br />
Liebe zur Natur. Als Bub trug<br />
er außer Ruten, Gesträuche und<br />
Blüten, die ihn faszinierten, auch<br />
noch andere Dinge nach Hause,<br />
die ihn fast noch mehr freuten,<br />
weil sie nicht so schnell Farbe<br />
und Bestand verloren wie die<br />
Pflanzen, nämlich allerlei Steine<br />
und Erddinge. Auf Feldern, auf<br />
Rainen, auf Heiden und Hutweiden,<br />
ja sogar auf Wiesen, auf<br />
denen doch nur das hohe Gras<br />
steht, liegen die verschiedensten<br />
dieser Dinge herum. Da er viel<br />
im Freien herumstreifen durfte,<br />
konnte es nicht fehlen, dass<br />
er bald die Plätze entdeckte, auf<br />
denen all diese Dinge zu finden<br />
waren und dass er die, welche<br />
er fand, mit nach Hause nahm.<br />
Er nahm sie nicht nur mit, er<br />
zeichnete sie auch, malte, skizzierte<br />
– sein Großvater meinte,<br />
ein solches Talent sollte eigent