Web-Analytics - Absolit
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<strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Performance-Marketing<br />
<strong>Web</strong>-Controlling<br />
<strong>Web</strong>-Mining<br />
Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />
Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />
Online-Marktforschung<br />
559<br />
566<br />
578<br />
585<br />
593<br />
601<br />
11<br />
Leitfaden<br />
Online Marketing
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
„Die Hälfte meiner Werbung ist zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur<br />
leider nicht, welche Hälfte“. Dieser Henry Ford zugeschriebene – eigentlich von<br />
John Wanamaker stammende – Ausspruch gilt nicht für Online-Marketing. Hier<br />
kann sehr genau gemessen werden, welches Werbemittel wie viele gute Kunden<br />
bringt. Das wird als Performance Marketing bezeichnet. Darüber hinaus können<br />
aber noch weit mehr Daten via Internet erhoben werden.<br />
Wolfgang Thomas erläutert, was genau Performance-Marketing ist und was<br />
dabei gemessen werden kann. Damit kann die Frage beantwortet werden,<br />
welche Kampagne wie wirksam war und wie sie weiter optimiert werden kann.<br />
Direktmarketingprofis haben Performance-Marketing als Erste für sich entdeckt.<br />
Eifersüchtig bewachte Kompetenzgrenzen zwischen Marketing und Vertrieb müssen<br />
neu abgesteckt werden.<br />
Thomas Brommund definiert <strong>Web</strong>-Controlling als Abbildung der Unternehmensziele<br />
auf den Teilbereich der Internetaktivitäten. Key-Performance-Indicators (KPI)<br />
liefern aussagekräftige Erfolgsfaktoren. Diese enden nicht mit den Standardmetriken<br />
PageViews, Visits und Visitors. Ergänzend sollten Bezahlsysteme, Bonitätssysteme,<br />
externe Datenbanken und Warenwirtschaftssysteme eingebunden werden.<br />
Martin Oesterer beleuchtet die Möglichkeiten des <strong>Web</strong>-Mining. Er erläutert, wie<br />
man Relevanz generieren, Produktaffinitäten bestimmen und Interessen ermitteln<br />
kann. Data-Mining wird seit Jahrzehnten im Direktmarketing genutzt. Nun setzt es<br />
sich auch im Online-Marketing durch. Hauptanwendungen sind die Personalisierung<br />
von Inhalten und die ereignisgesteuerte Interaktion mit Besuchern.<br />
Harald Eichsteller zeigt, welche Messwerte für die Bewertung von Onlineportalen<br />
geeignet sind. Marktposition, Kundenstamm, Kundenbeziehung und Nachhaltigkeit<br />
sind die wichtigsten Faktoren. Bei abnehmenden Responseraten sinkt der Returnon-Customer<br />
(ROC) überproportional. Hohen Einfluss hat die Churn-Rate, die<br />
besagt wie viele Premium-Kunden kündigen. Besteht erst einmal ein stabiler<br />
Kundenstamm, gibt es einen First-Mover-Advantage. Will ein Konkurrent diesen<br />
durch Nachbauen eines Portals aufholen, ist das schwer.<br />
Christian Bennefeld demonstriert, dass die präzise Messbarkeit auch eine ganz<br />
andere Seite des Internet enthüllen kann: Klickbetrug. Um solchen Dingen auf<br />
die Spur zu kommen, ist das Tracking des Besucherverhaltens durch ein <strong>Web</strong>-<br />
Controlling System ratsam. Inzwischen haben jedoch alle großen Anbieter eigene<br />
Vorkehrungen getroffen, um Manipulationen zu entlarven und diese Klicks<br />
rückzuvergüten.<br />
Axel Theobald behandelt die Möglichkeiten der Online-Marktforschung. Online-<br />
Befragungen vereinen geringe Kosten und hohe Geschwindigkeit. Innerhalb weniger<br />
Stunden können auch komplexeste Fragebögen entworfen werden. Interessant ist<br />
die Möglichkeit der zufälligen Anordnung von Fragen oder Antworten. Auch<br />
Online-Panels können sehr schnell Antworten liefern. Das ist ein Stamm von<br />
Befragungspersonen, die regelmäßig zu unterschiedlichen Themen befragt werden<br />
können.<br />
558
Performance-Marketing –<br />
Direktmarketing im Internet<br />
Wolfgang Thomas<br />
Marketingentscheider, die zum ersten Mal den Begriff Performance-Marketing<br />
hören, werden wahrscheinlich misstrauisch, da er zunächst wenig aussagekräftig<br />
und trennscharf daher kommt. Wer möchte schon Marketing-Maßnahmen oder<br />
Strategien verfolgen, die nicht „performen“, wie man neudeutsch sagt. Jede<br />
Kampagne, jedes Marketingkonzept wird schließlich auf ein bestimmtes Ziel, eine<br />
bestimmte Leistung hin entwickelt, sei es nun Markenbekanntheit oder -sympathie<br />
oder auch die Kaufbereitschaft in der Zielgruppe.<br />
Das Besondere am Performance-Marketing in Online-Medien ist die Orientierung<br />
an unmittelbar messbaren Zielgrößen wie zum Beispiel einem Besuch auf einer<br />
<strong>Web</strong>site, eine Registrierung als Nutzer oder gar den direkten Kauf. Die Fachgruppe<br />
Performance-Marketing im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW e.V.) hat<br />
den Begriff daher wie folgt definiert:<br />
„Performance-Marketing in den digitalen Medien ist ein Bestandteil des<br />
Mediamix und dient sowohl der Kundengewinnung als auch der Kundenbindung.<br />
Der Einsatz der verschiedenen Werbemedien verfolgt das Ziel, messbare<br />
Reaktionen und/oder Transaktionen mit dem Nutzer zu erzielen. Die Ansprache<br />
des Kunden beziehungsweise Interessenten erfolgt sehr gezielt, nach Möglichkeit<br />
individuell, um die größtmögliche Interaktion mit den Nutzern zu erreichen.<br />
Performance-Marketing versteht sich als integrierter Ansatz. Die Bestandteile<br />
sollen vernetzt zum Einsatz kommen, um so auf Handlungsweisen des Kunden<br />
beziehungsweise potenzieller Interessenten einwirken zu können.“<br />
Wen diese Beschreibung an gängige Direktmarketing-Definitionen erinnert, liegt<br />
völlig richtig: letztlich ist Performance-Marketing „nur“ die Ausprägung des<br />
Direktmarketing in interaktiven Medien. Einige Besonderheiten werden aber an<br />
den folgenden Merkmalen des Performance-Marketing deutlich:<br />
Performance-Marketing bedeutet Messbarkeit<br />
Die Reaktionen und Transaktionen der Zielgruppe sind eindeutig, zeitnah,<br />
vollständig und modular beobachtbar und messbar.<br />
• Eindeutigkeit bedeutet in diesem Kontext vor allem, dass die Zielgrößen<br />
direkt aufgezeichnet werden können. Es bedarf keiner Definition und Inter-<br />
559<br />
Zielgrößen sind<br />
unmittelbar<br />
messbar<br />
Größtmögliche<br />
Interaktion durch<br />
individuelle<br />
Ansprache
Anzeigentexte<br />
und Keywords<br />
können in<br />
Echtzeit während<br />
der Kampagne<br />
geändert werden<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
pretation von Hilfsgrößen wie zum Beispiel bei der psychografischen Größe<br />
der Kaufbereitschaft der Kauf, sondern die Anzahl der Besucher einer <strong>Web</strong>site<br />
oder der Käufer eines Produktes kann sehr unmittelbar beobachtet werden.<br />
• Zeitnah ist eine Messung, wenn zwischen der Kampagnenaktivität und der<br />
Messung der Reaktion durch die Zielgruppe eine Zeitspanne von wenigen<br />
Stunden oder Tagen liegt, während eine regelmäßige Messung beispiels-<br />
weise der Markenbekanntheit in Quartals-, Halbjahres- oder gar Jahres-<br />
Zyklen vorgenommen wird.<br />
• Vollständig ist eine Messung, wenn diese nicht auf der Reaktion einer<br />
Stichprobe oder ein Panel sondern auf der Grundgesamtheit aller Interaktionen<br />
mit der Zielgruppe beruht, was im Performance-Marketing üblicherweise<br />
der Fall ist.<br />
• Modular meint eine Betrachtung, in der die einzelnen Kampagnenelemente<br />
separat beurteilt und auch gesteuert werden können.<br />
Insbesondere der Aspekt der Modularität unterscheidet Performance-Marketing<br />
erheblich vom klassischen Marketing. Stellen wir uns einen Print- oder TV-Flight<br />
vor, so ist die Auswirkung einer einzigen Anzeige und eines einzelnen TV-Spots<br />
im Normalfall nicht bewertbar, die Wirkung der Kampagne entfaltet sich aus der<br />
Gesamtheit aller Kampagnenelemente. Hinzu kommt, dass durch die längeren<br />
Vorlaufzeiten bei Einbuchung und technischer Umsetzung von Werbung in<br />
klassischen Medien eine taktische Steuerung nicht so ohne weiteres möglich wäre,<br />
selbst wenn eine entsprechende Informationsgrundlage über die Responseleistung<br />
einer Anzeige, eines Spots oder einer Beilage vorliegt, wie dies im klassischen<br />
Direktmarketing angestrebt wird.<br />
Verglichen damit ist insbesondere das Suchmaschinen-Marketing unglaublich<br />
modular und kleinteilig. Kampagnen umfassen hier von einigen Hundert bis<br />
zu Hunderttausenden Begriffen und Suchwortkombinationen. Für jeden dieser<br />
Suchbegriffe lässt sich die Zahl der Kontakte und Reaktionen in Form von<br />
Klicks und späterer Käufe in der Folge dieses Shopbesuches aufzeichnen und<br />
auswerten. Die Erkenntnisse daraus können dann gleich in Optimierungsschritte<br />
der Kampagne umgesetzt werden, indem zum Beispiel ein Anzeigentext praktisch<br />
in Echtzeit geändert wird oder ein erfolgloses Keyword von jetzt auf gleich nicht<br />
mehr geschaltet wird. Damit kann die Effizienz der Kampagne optimiert werden,<br />
noch während sie läuft. Der Werbetreibende identifiziert also ex-post präzise, welche<br />
Kampagnenelemente gut funktioniert haben und ist unmittelbar in der Lage, aus<br />
diesen Erkenntnissen auch Reaktionen abzuleiten und umzusetzen.<br />
Schließlich ist die Vernetzung des Performance-Marketing mit dem übrigen<br />
Marketing-Mix essentiell für den Gesamterfolg. Natürlich wird die Reaktionsbereitschaft<br />
der Zielgruppe auf die Kampagnenelemente des interaktiven<br />
Direktmarketing entscheidend von Faktoren wie Bekanntheit oder Sympathie einer<br />
Marke beeinflusst. Es gibt zwar auch viele Performance-Marketing Kampagnen von<br />
Anbietern, die auf Markenkommunikation praktisch vollständig verzichten (müssen)<br />
und diese Kampagnen funktionieren in gewisser Weise auch. Unbekannte Anbieter<br />
weisen aber regelmäßig niedrigere Responseraten auf als bekannte Absender<br />
560
Wolfgang Thomas: Performance-Marketing – Direktmarketing im Internet<br />
einer Botschaft. Auch wird die Bereitschaft zum Kauf per Kreditkarte bei einem<br />
Markenanbieter eher höher sein als bei einem namenlosen Powerseller. Umgekehrt<br />
können Performance-Marketing-Kampagnen auch als Nebeneffekt für eine hohe<br />
Sichtbarkeit im Netz sorgen und damit die Bekanntheit einer Marke unterstützen.<br />
Wohlgemerkt: Klassische Werbung ist keine Voraussetzung für Performance-<br />
Marketing, aber wenn ohnehin solche Kampagnen existieren, sollten diese möglichst<br />
eng mit dem Performance-Marketing abgestimmt und auch zeitlich synchronisiert<br />
werden, um einen optimalen Gesamteffekt zu erzielen.<br />
Für klassische Werber ist die Kleinteiligkeit der Kampagnenplanung sowie die<br />
Geschwindigkeit und Eindeutigkeit der Responsedaten oft irritierend. Das Glauben<br />
an die Richtigkeit eines Konzeptes wird durch einen schnellen Realitätstest ersetzt.<br />
Positiv ist hierbei sicher, dass definitive Irrwege in der Kundenansprache schneller<br />
identifiziert werden. Henry Fords berühmte alte Klage, er wüsste nicht welche<br />
Hälfte für Werbung er zum Fenster rausgeschmissen hätte, verliert so ein Stück weit<br />
seine Gültigkeit. Vorsicht ist aber trotzdem angebracht vor vorschnellen Schlüssen.<br />
Natürlich kann man eine Online-Kampagne schon am zweiten Tag auswerten und<br />
optimieren. Hier sollte aber insbesondere auf ausreichende Fallzahlen unbedingt<br />
geachtet werden, sonst regiert der Zufall über der Stringenz der Erkenntnisse.<br />
Kennzahlen im Performance-Marketing<br />
Zahlen regieren das Performance-Marketing. Das Verständnis dieser Größen<br />
ist essentiell, um dieses Marketingkonzept zu verstehen und richtig umsetzen<br />
zu können. Gerade weil das Internet eine solche Fülle von Daten en passant<br />
zur Auswertung zur Verfügung stellt, ist deren richtiges Verständnis und die<br />
Konzentration auf die wesentlichen Kennziffern (neudeutsch auch gern als Key<br />
Performance Indicators oder KPI zusammengefasst) so wichtig. Immer noch<br />
begegnet man Kunden, die den aktuellen Traffic ihrer <strong>Web</strong>site zwar mit „über<br />
200.000“ recht genau beziffern können, aber leider nicht wissen, was diese Zahl<br />
aussagen sollte: Page Impressions, Visits, User oder gar Hits. Daher zunächst die<br />
wichtigsten Messgrößen und Kennzahlen im Überblick:<br />
Eine Page Impression ist der Aufruf einer Seite. Dabei reicht es aus, wenn sich<br />
der wesentliche Teil des Bildschirms ändert, während die Navigation und das<br />
Basislayout unverändert auf dem Schirm bleiben. Historisch entstand dieser Begriff<br />
in den späten 90er Jahren, als sich der Bildschirm vieler <strong>Web</strong>sites aus sogennanten<br />
Frames zusammensetzte und damit beim Aufruf einer neuen Seite mitunter drei bis<br />
vier neue HTML-Seiten gleichzeitig aufgerufen wurden. Da der technische Aufbau<br />
eines Internet-Angebotes aber nicht die Nutzungszahlen verfälschen sollte, einigte<br />
sich die Internet-Branche seinerzeit auf die Definition der Page Impressions. Da<br />
Frames heute kaum noch vorkommen, entspricht die Anzahl der Page Impressions<br />
mittlerweile wieder den HTML-Seitenabrufen.<br />
AdImpressions sind dementsprechend die beim Nutzer geladenen und angezeigten<br />
Werbeflächen bei der Nutzung einer werbefinanzierten <strong>Web</strong>site. Ruft ein User<br />
zum Beispiel eine Ergebnisseite bei einer Suchmaschine ab, erhält er neben seinen<br />
Suchergebnissen auch bis zu zehn Textanzeigen. Eine PageImpression entspricht in<br />
561<br />
Werbekonzepte<br />
können durch die<br />
Eindeutigkeit der<br />
Responsedaten<br />
sehr schnell<br />
überprüft<br />
werden<br />
Das Verständnis<br />
und die Konzentration<br />
auf die<br />
wesentlichen<br />
Kennzahlen ist<br />
wichtig, um das<br />
Konzept des<br />
Performance-<br />
Marketing zu<br />
verstehen
Was genau als<br />
Conversion<br />
gewertet<br />
wird, ist vom<br />
Werbetreibenden<br />
selbst definierbar<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
diesem Fall also 10 AdImpressions. Bei Bannerschaltungen sind auf einer Seite meist<br />
nur 2 bis 4 Anzeigen (manchmal auch nur eine oder überhaupt keine) zu sehen.<br />
Ein Click ist die vom Nutzer ausgeführte Interaktion mit einem Werbemittel.<br />
Weniger kompliziert: der Nutzer folgt dem in der Anzeige hinterlegten Hyperlink zur<br />
Seite des Werbetreibenden, um sich dort näher mit dessen Angebot zu beschäftigen.<br />
Auf einen Click folgt damit im Normalfall ein Visit, also ein Nutzungsvorgang<br />
einer beworbenen <strong>Web</strong>site. Für die Handelsszene entspricht ein Visit damit der<br />
Kundenfrequenz in einem Ladengeschäft. Wie im richtigen Leben kann ein Kunde<br />
einen Shop natürlich auch mehrfach aufsuchen, bevor er oder sie tatsächlich einen<br />
Kauf tätigt. Die Anzahl verschiedener Nutzer ohne diese Besuchsdopplungen<br />
bezeichnet man als Unique Visitor beziehungsweise Unique User.<br />
Als prozentuale Relation zwischen Clicks und AdImpressions wird die Click-<br />
Through-Rate (CTR, auch Klickrate) gebildet. Ein Wert von einem Prozent<br />
sagt also, dass jeder hundertste User, der mit der Werbebotschaft konfrontiert<br />
wurde, die Anzeige auch anklickt, um die Seite des Werbetreibenden zu besuchen.<br />
Die Höhe der Klickrate hängt maßgeblich vom Umfeld der Werbeschaltung und<br />
der Gestaltung des Werbemittels ab. Für Banner sind Klickraten zwischen 0,1 und<br />
2 Prozent üblich, bei Textanzeigen in Suchmaschinen liegt die Rate etwas höher<br />
bei 0,5 bis 5 Prozent, was aber auch logisch ist, da der Nutzer hier Angebote als<br />
Antwort auf eine von ihm geäußerte Abfrage erhält und nicht spontan mit Werbung<br />
konfrontiert wird.<br />
Im Cost-per-Click (CpC) wird das eingesetzte Werbebudget durch die Anzahl der<br />
erzielten Klicks geteilt. Dieser Cost-per-Click ist im Suchmaschinen-Marketing<br />
auch die Abrechnungs- und damit die Stellgröße für die Budgetierung, während<br />
bei einer Abrechnung auf Tausenderkontaktpreis der CpC eine resultierende<br />
Effizienzkennziffer ist.<br />
Ausgehend vom Besuch des Nutzers auf einer <strong>Web</strong>site – zum Beispiel einem Online-<br />
Shop – ist die nächste Stufe der Interaktion üblicherweise der Kauf. Die Relation<br />
zwischen Anzahl der Verkäufe und Visits wird als Conversion Rate bezeichnet,<br />
also die Umwandlungsrate zwischen Besuchern des Shops und denen, die auch<br />
zu Kunden wurden. Typische E-Commerce Umwandlungsraten liegen in einer<br />
Größenordnung von ein bis zwei Prozent bezogen auf alle Visits einer <strong>Web</strong>site.<br />
Bei kostenlosen Registrierungsprozessen und Gewinnspielen können andere Raten<br />
erreicht werden. Was genau aus Sicht des Werbetreibenden als Conversion gewertet<br />
wird, ist frei definierbar:<br />
562<br />
• ein Kauf,<br />
• eine Bestellung von Prospektmaterial,<br />
• der Wunsch nach Besuch eines Außendienstmitarbeiters,<br />
• die Vereinbarung einer Probefahrt für einen PKW oder<br />
• die Anmeldung für einen Newsletter.<br />
Abhängig von dieser Vielfalt in den Conversion-Zielen gibt es eine Vielzahl von<br />
Kennziffern, in denen das eingesetzte Werbebudget durch die Anzahl der erreichten<br />
Conversions geteilt wird, um die anteiligen Cost per Acquisition (CPA) zu ermitteln.<br />
Gängige Ausprägungen sind:
Wolfgang Thomas: Performance-Marketing – Direktmarketing im Internet<br />
• der Cost per Order (CPO) als Werbekosten pro Kauf,<br />
• der Cost per Lead (CPL) als Werbekosten pro generierter Adresse und<br />
• der Cost per Registration (CPR) als Kosten pro Registrierung.<br />
Die aus dem Direktmarketing bekannte Trichterdarstellung ist auch im Performance-<br />
Marketing durchaus üblich, um die Beziehungen zwischen den genannten<br />
Kennziffern zu verdeutlichen. In einigen <strong>Web</strong>controlling-Systemen wird auch die<br />
englische Bezeichnung „Funnel“ hierfür verwandt. Die folgende Abbildung fasst<br />
somit die erläuterten Begriffe zusammen:<br />
Abb. 1: Beziehungen zwischen den Kennziffern<br />
Performance-basierte Abrechnungsmodelle<br />
Ein häufiges Missverständnis im Performance-Marketing betrifft die sogenante<br />
Performance-basierte Abrechnung mit den Medien. Hierbei werden die Werbeträger<br />
(im Online-Bereich also <strong>Web</strong>sites, Suchmaschinen oder Affiliates) nur für die<br />
tatsächlich erbrachten Responseerfolge bezahlt und nicht für die werbliche Präsenz<br />
an sich.<br />
Klassische Medien wie Print oder TV extrapolieren aus ihrer Verbreitung in der<br />
Vergangenheit die Reichweite eines Werbeträgers in die Zukunft und legen Preise<br />
hierfür fest. Um diese Preise vergleichbar zu machen, ist der Tausenderkontaktpreis<br />
(TKP, in englisch CPM) hilfreich. Bei Bannerschaltungen wird der TKP zum<br />
Preismodell, das heißt es wird pro tausend angezeigte Banner ein bestimmter Preis<br />
erhoben und am Kampagnenende abgerechnet.<br />
Performance-orientierte Preismodelle gehen noch einen Schritt weiter: der<br />
Werbeträger erhält nur dann Geld für die erbrachte Werbeleistung, wenn<br />
tatsächlich der gewünschte Erfolg in Form eines Klicks, eines Leads oder gar<br />
eines Kaufs eingetreten ist. Werbeleistung, die nicht zum gewünschten Erfolg<br />
führt, wird demnach auch nicht bezahlt. Damit wälzt der Werbetreibende einen<br />
erheblichen Teil seines wirtschaftlichen Risikos ab auf die Medien, die Planung<br />
563<br />
Werbeträger<br />
werden nur für<br />
Responseerfolge<br />
bezahlt, nicht<br />
allein für die<br />
werbliche<br />
Präsenz
Bei einer<br />
leistungs-<br />
basierten<br />
Abrechnung<br />
entscheidet der<br />
Betreiber der<br />
<strong>Web</strong>site welche<br />
Werbung wann,<br />
wo und wie oft<br />
läuft<br />
Testkampagnen<br />
im Kleinen<br />
können nicht<br />
unbedingt<br />
hochgerechnet<br />
werden<br />
Je stärker ein<br />
Bedarf beim<br />
potenziellen<br />
Kunden geweckt<br />
werden muss,<br />
desto niedriger<br />
die Conversion<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
einer Kampagne wird bedeutend einfacher. Im Suchmaschinen-Marketing hat sich<br />
die Abrechnung auf Kosten pro Klick (CpC) fest etabliert, im Affiliate-Marketing<br />
dominiert die Abrechnung pro Kaufabschluss. Dagegen sind <strong>Web</strong>sites mit begehrten,<br />
knappen und hochwertigen Zielgruppen oder Features nicht darauf angewiesen,<br />
ihre Werbeflächen leistungsbasiert zu verkaufen. Eine weitere Konsequenz der<br />
leistungsbasierten Abrechnung ist auch, dass die Medien ein Mitspracherecht bei<br />
der Platzierung und Gestaltung der Werbung beanspruchen. Dies äußert sich zum<br />
Beispiel in den redaktionellen Richtlinien für die Gestaltung von Textanzeigen<br />
in Suchmaschinen. Auch verliert der Werbetreibende in diesem Modell seinen<br />
Anspruch auf eine Präsenz in einem von ihm gebuchten Umfang oder an einer von<br />
ihm ausgesuchten Platzierung. Bei Performance-orientierter Abrechnung legt der<br />
Betreiber der <strong>Web</strong>site fest, welche Werbung wann, wo und wie oft läuft. Aus seiner<br />
Sicht unwirtschaftliche Kampagnen werden entweder überhaupt nicht angenommen<br />
oder nach einer kurzen Testperiode wieder abgesetzt.<br />
So verlockend die leistungsbasierte Abrechnung der Medialeistung auch sein mag:<br />
sie ist in vielen Umfeldern schlicht nicht durchsetzbar. Die gute Nachricht ist, dass es<br />
im Performance-Marketing nicht notwendig ist, dass die Werbung erfolgsorientiert<br />
abgerechnet wird. Natürlich macht dies für die Planung und Optimierung vieles<br />
einfacher. Es gibt aber auch sehr viele Platzierungen, die auf Basis von Fixkosten<br />
pro Belegungszeitraum oder eben über Tausenderkontaktpreise abgerechnet<br />
werden und trotzdem sehr wirtschaftlich sind. Entscheidend für die Nutzung<br />
als Performance-Marketing Instrument ist daher nicht die Abrechnungsmethode<br />
sondern der Planungs- und Optimierungsansatz. Solange der Erfolg einer Kampagne<br />
primär oder ausschließlich auf Basis der unmittelbar erzielten Resultate beurteilt<br />
und gesteuert wird, können alle Geschäftsmodelle zum Einsatz kommen.<br />
Steigende Grenzkosten bei Skalierung<br />
Economies of scale sind im Wirtschaftsleben ein natürliches Phänomen. Intuitiv<br />
erwartet daher jeder Entscheider, dass sich die Ergebnisse einer noch bescheidenen<br />
Testkampagne zumindest linear hochrechnen und damit skalieren lassen. In der<br />
Praxis des Performance-Marketing ist dies leider oft ein Trugschluss. Viele <strong>Web</strong>site-<br />
Betreiber schwärmen zum Beispiel von der unglaublich guten Umwandlungsrate<br />
bevor sie überhaupt die <strong>Web</strong>site aktiv bewerben, beobachten aber dann oft ein<br />
Sinken der Kaufrelation, sobald das Angebot aktiv vermarktet wird. Dies ist relativ<br />
leicht erklärbar mit der Struktur der Seitennutzer: eine wenig beworbene <strong>Web</strong>site<br />
erfährt überwiegend eine Nutzung durch Bestandskunden oder Neukunden, die<br />
durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Angebot aufmerksam wurden. Diese<br />
User kommen also schon mit dem mehr oder minder fest gefassten Entschluss auf<br />
die <strong>Web</strong>site, sich mit dem Angebot näher zu beschäftigen und gegebenenfalls auch<br />
zu kaufen. Ähnlich ist die Lage bei Nutzern, die über Suchmaschinen-Werbung<br />
(SEM) auf die Seite kommen.<br />
Je früher der Nutzer noch im Kaufentscheidungsprozess ist, je stärker ein Bedarf<br />
erst noch geweckt werden muss, umso niedriger wird die Conversion sein. Der<br />
Haken dabei: die Kosten pro Bestellung oder Neukunde mögen bei einer sehr<br />
564
Wolfgang Thomas: Performance-Marketing – Direktmarketing im Internet<br />
kleinen Kampagne zwar sensationell günstig sein, aber die absolute Dimension des<br />
Geschäfts ist noch sehr bescheiden. Möchte der Werbetreibende dann aber „den<br />
Hahn aufdrehen“, stehen der Skalierung diverse Hindernisse im Weg: die Anzahl<br />
der Suchanfragen in einer Suchmaschine ist letztlich begrenzt.<br />
Wohlgemerkt: bei über 35 Millionen deutschen Online Nutzern besteht mittlerweile<br />
eine mehr als ausreichende Reichweite, um deutlich steigende Investitionen auch<br />
in Performance-Marketing-Kampagnen zu rechtfertigen. Die Erfahrung zeigt aber,<br />
dass die CPOs im Zuge der Skalierung tendenziell eher steigen als fallen, aller<br />
Konditionenvorteile im Einkauf größerer Kampagnen zum Trotz. Solange die Kosten<br />
für die Neukundengewinnung aber mit den traditionellen Wegen konkurrenzfähig<br />
sind, lohnt auch eine Skalierung bei steigenden Grenzkosten.<br />
Organisatorische Herausforderungen<br />
Unternehmen mit ausgeprägter Direktmarketing-Erfahrung werden sich mit dem<br />
Einstieg ins Performance-Marketing leicht tun. Hier liegen schon Leistungs-<br />
Benchmarks und Erfahrungen zu Umwandlungsraten aus den Offline-Kampagnen<br />
vor. Ein wichtiger Aspekt ist die Bereitschaft zum ständigen Lernen und<br />
Optimieren einer Kampagne. Für die kontinuierliche und zeitnahe Verbesserung<br />
von Platzierungen und Werbemittel ist es zum Beispiel notwendig, die mit der<br />
Steuerung der Kampagne betrauten Geschäftseinheiten mit den erforderlichen<br />
Kompetenzen und Entscheidungsspielräumen auszustatten.<br />
Der klassische Konflikt zwischen Marketing und Vertrieb wird im Performance-<br />
Marketing insoweit entschärft, als dass Vertriebsziele in das Zentrum der<br />
Kommunikation rücken. Daran schließt sich aber die Frage an, ob solche<br />
Maßnahmen aus dem Vertriebs- oder Werbebudget bestritten werden sollten und<br />
welcher Bereich „den Hut aufhat“. Letztlich profitieren aber beide Bereiche von<br />
einer engen Verzahnung ihrer Aktivitäten.<br />
Insgesamt bietet Performance-Marketing vielfältige Ansätze für neue und effiziente<br />
Wege zur Erschließung neuer Kunden. Als innovatives Marketingkonzept bricht es<br />
mit verschiedenen Paradigmen der klassischen Werbung, erfahrene Direktmarketer<br />
werden sich aber nach Gewöhnung an die neuen Begriffe schnell heimisch fühlen<br />
und die enorm schnellen Reaktionszeiten und Reportingzyklen zu schätzen wissen.<br />
Mit einer im Performance-Marketing erfahrenen Agentur, die idealerweise alle<br />
relevanten Spielarten integriert planen und umsetzen kann, wird die Erschließung<br />
des Internet als Sales und Pre-Sales-Kanal zu einer schnell umsetzbaren und auch<br />
langfristig erfolgreichen Marketinginnovation.<br />
565<br />
Die Bereitschaft<br />
zum ständigen<br />
Lernen und<br />
Optimieren ist<br />
Voraussetzung<br />
für eine erfolgreiche<br />
Kampagne
Abbildung der<br />
Unternehmensziele<br />
auf den<br />
Teilbereich<br />
der Internetaktivitäten<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
Thomas Brommund, Axel Amthor<br />
Der entscheidende Schritt in Richtung einer funktionierenden Erfolgsmessung<br />
liegt zunächst nicht in der Implementierung eines technischen Mess-Systems,<br />
sondern beginnt immer mit Abbildung der Unternehmensziele auf den Teilbereich<br />
der Internetaktivitäten.<br />
Der <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Regelkreis<br />
Während die initiale Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools ein in sich abgeschlossenes<br />
Projekt darstellt, bedeutet <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> einen kontinuierlichen<br />
Regelkreis zu durchlaufen, der wie folgt beschrieben werden kann:<br />
1. Planung<br />
Es gilt Marketingziele zu definieren, Key-Performance-Indicators (KPIs) zu<br />
identifizieren und diese messbar zu machen.<br />
2. Erfolgsmessung<br />
Dies bedeutet die Überwachung des laufenden Betriebes, um bei relevanten<br />
Abweichungen von den Zielvorgaben rechtzeitig handeln zu können.<br />
3. Analyse<br />
Es gilt die <strong>Web</strong>-Statistik-Daten<br />
auszuwerten und hinsichtlich der<br />
gesetzten Ziele und Geschäftsausrichtung<br />
zu interpretieren.<br />
4. Optimierung<br />
Es gilt nun die aus der Analyse<br />
abgeleiteten Handlungsempfehlungen<br />
umzusetzen und die Reaktion<br />
auf die Veränderungen erneut zu<br />
messen und zu analysieren.<br />
566<br />
Abb.1: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Regelkreis
Abb.2: Von der Metrik und Dimension zur <strong>Web</strong>-Scorecard<br />
Was zeichnet <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte aus?<br />
Sie sind interdisziplinär, zumeist technisch anspruchsvoll und in der Regel strategisch<br />
ausgerichtet und müssen schnell auf neue Anforderungen angepasst werden.<br />
Interdisziplinär<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte sind grundsätzlich interdisziplinär, häufig sogar unternehmensübergreifend.<br />
Sie umspannen ein sehr weites Feld an erforderlichem Knowhow,<br />
um erfolgreich durchgeführt werden zu können:<br />
• Umfassendes Marketingwissen.<br />
• Spezielles Wissen im Online-Marketing, dessen Instrumente<br />
und Abrechnungsmodelle, wie zum Beispiel Suchmaschinen-<br />
optimierung (SEO), Suchmaschinenmarketing (SEM),<br />
Affiliate-Marketing, E-Mail-Marketing und cross-mediale Kampagnen.<br />
• Kenntnisse des Geschäftsmodells und der Strategie des Unternehmens.<br />
• Kenntnisse der Prozesse im Unternehmen.<br />
• Kenntnisse der IT-, <strong>Web</strong>- und weiteren Infrastruktur in Breite und Tiefe.<br />
• Kenntnisse im Controlling und Reporting.<br />
Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
• und gegebenenfalls Kenntnisse im Bereich Data-Warehousing<br />
und Business-Intelligence.<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte erfordern die zielgerichtete Zusammenarbeit unterschiedlicher<br />
Abteilungen innerhalb eines Unternehmens. Marketing, Vertrieb und<br />
Technik müssen eine gemeinsame Sprache finden, um die Anforderungen an eine<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Lösung zu definieren. Es gilt gemeinsam die Anforderungsseite aus<br />
Marketing und Vertrieb mit der Entwicklungsseite der IT und externen Dienstleister<br />
zusammenzuführen. Hierbei wird die Komplexität der Projektabwicklung vielfach<br />
unterschätzt.<br />
567
Bezahlsysteme,<br />
Bonitätssysteme,<br />
externe<br />
Datenbanken<br />
und Warenwirtschaftssysteme<br />
einbinden<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />
Technisch anspruchsvoll<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte sind technisch anspruchsvoll. Es geht letztendlich um<br />
die Verarbeitung von Massendaten in nahezu Echtzeit. Es gilt zu verstehen wie<br />
aktive Elemente in die Seite zu integrieren sind, Transaktionsabläufe abgebildet<br />
werden, Bezahlsysteme, Bonitätssysteme, externe Datenbanken und Warenwirtschaftssysteme<br />
eingebunden werden, interne und externe Marketing Maßnahmen<br />
gemessen werden. Zusätzliche Werkzeuge wie zum Beispiel Bid-Management<br />
Tools oder Behavioral Targeting-Lösungen gilt es ebenso einzubinden wie die<br />
Daten von externen Online-Marketing beziehungsweise Performance- Marketing-<br />
Dienstleistern.<br />
Übernehmen externe Dienstleister Bereiche des Online-Marketings, gilt es diese<br />
Erfolgsmetriken in die eigenen Tools einzubinden, um letztendlich eine ganzheitliche<br />
Sicht auf die Online-Marketing-Maßnahmen zu erhalten.<br />
Strategisch<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekte sollen die Zahlen für die strategische Weiterentwicklung der<br />
<strong>Web</strong>site und des Unternehmens liefern, dafür müssen die erhobenen Kenndaten und<br />
Zahlen auch einen starken Bezug zum Geschäftsmodell haben. Des Weiteren sollen<br />
die Tools die Grundlage für ein erfolgreiches Online-Marketing liefern. Diese Daten<br />
sollen nahezu in Echtzeit, valide und zuverlässig erhoben werden und anschließend<br />
detailliert und aggregiert bereitgestellt werden.<br />
Change Management is King!<br />
Die Anforderungen an das <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> System sind permanenten Änderungen<br />
und Anpassungen unterworfen:<br />
568<br />
• Änderung der <strong>Web</strong>sitestruktur<br />
• Änderung der Transaktionsabläufe in der Site<br />
• Änderung oder Erweiterung des Geschäftsmodells<br />
• Marketingmaßnahmen als „Mini Projekte“<br />
• Neue Werbepartner, neue Werbeformen, neue Werbemittel,<br />
neue Verrechnungsmodelle<br />
• Technologische Weiterentwicklung der <strong>Web</strong>site<br />
• An- und Einbindung neuer Tools und Technologien<br />
Es gilt diese Änderungen in der Projektplanung und in der Tool-Auswahl zu<br />
berücksichtigen.
Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
Kriterien für die Auswahl von <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools<br />
Dimensionen und Metriken stellen die Basis für die geschäftsrelevanten<br />
Informationen über eine <strong>Web</strong>site bereit. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich zwei<br />
wichtige Konsequenzen.<br />
Die genaue Planung der Metriken und Dimensionen legt den Grundstein für <strong>Web</strong>-<br />
<strong>Analytics</strong>. Eine gute Basis für die Bestimmung der verwendeten Dimensionen<br />
bilden die Fragen, die das <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-System beantworten soll. Die Antworten<br />
auf diese Fragen werden im Reporting für die Entscheider zusammengefasst.<br />
Nach der Auswahl der erforderlichen Dimensionen, erfolgt die Wahl des <strong>Web</strong>-<br />
Anayltics-Tools, welche die gewünschten Informationen bereitstellen können.<br />
Da sich die verfügbaren Tools in diesem Punkt teilweise erheblich unterscheiden,<br />
kommt der Genauigkeit des Pflichtenheftes eine besonders große Bedeutung zu.<br />
Die folgenden Abschnitte zeigen einige Kriterien auf, mit deren Hilfe die Eignung<br />
der Tools für die eigene <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Aufgabenstellung geprüft werden kann.<br />
Zusammenhang Metrik, Dimension und Instanz<br />
Das Aufsetzen eigener Statistiken im <strong>Web</strong>-Controlling-Umfeld endet nicht mit den<br />
Standardmetriken „PageViews“, „Visits“ und „Visitors“. Die meisten Programme<br />
in diesem Umfeld bieten Auswertungen dieser Metriken nach Dimensionen wie<br />
Seitennamen, <strong>Web</strong>seitenbereichen oder Navigationshierarchien an.<br />
Bei der Definition eigener Metriken werden aber immer wieder Fehler gemacht und<br />
es kommt nicht selten vor, dass Metriken, Dimensionen und Instanzen verwechselt<br />
und fröhlich durcheinandergewürfelt werden.<br />
So stellt die Zählung von erfolgreichen Registrierungen eine eigene Metrik dar.<br />
Simpel, ist dies doch einfach ein Zähler, den man nach Zeitverlauf darstellen kann:<br />
gestern einhundert, heute achtzig Registrierungen.<br />
Der erste und häufigste Fehler in diesem Zusammenhang ist, dass in einer eher<br />
„schlichten“ Implementierung einfach die Seitenabrufe der Quittungsseite „Vielen<br />
Dank ...“ gezählt werden. Wir beobachten aber auf solchen Seiten immerhin rund<br />
15 bis 20 Prozent Wiederherstellungen, reloads, zum Beispiel über Taste F5 oder<br />
Ähnlichem, was die Ergebnisse stark verfälscht. Auch handelt es sich hier nicht um<br />
die Metrik „Anzahl Registrierungen“ sondern um die Metrik „Page-Views“ – und<br />
das ist ein Unterschied.<br />
Möchte man die echten Registrierungen zählen, braucht man schon eine engere<br />
Verzahnung mit dem Backend. Gleiches gilt für Bestellungen und Leads oder<br />
Ähnliches. Interessant wird es dann, wenn man Fragen stellt wie: „Wieviel Käufe im<br />
letzten Monat wurden von welcher Altersgruppe getätigt?“. Dann benötigt man eine<br />
Dimension „Altersgruppe“, nach der die Metrik „Bestellungen“ heruntergebrochen<br />
werden kann. Eine Instanz dieser Dimension „Altersgruppe“ wäre dann zum<br />
Beispiel „30-39“.<br />
Die Vorgehensweise bei der Erstellung von Metriken und Dimensionen ist also<br />
zunächst, die Fragen aus dem Reporting korrekt zu formulieren und danach zu<br />
569<br />
Dimensionen und<br />
Metriken<br />
<strong>Web</strong>-Controlling<br />
endet nicht mit<br />
den Standardmetriken<br />
PageViews, Visits<br />
und Visitors<br />
15 bis 20<br />
Prozent Wiederherstellungen<br />
verfälschen die<br />
Ergebnisse
Bewertung<br />
der Reporting-<br />
Funktionen eines<br />
Tools<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />
ermitteln, welche Metriken in welchen Dimensionen dargestellt werden müssen. Erst<br />
dann kann daraus die notwendige technische Implementierung abgeleitet werden.<br />
Zuordnung von Dimensionen zu Metriken<br />
Im Idealfall können Metriken und Dimensionen frei zugeordnet werden, das ist aber<br />
nicht bei allen <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools der Fall. Manche Tools erfassen zum Beispiel<br />
die Besuchereigenschaften wie Alter oder Geschlecht et cetera nur in einer Auswahl<br />
der verfügbaren Metriken, zum Beispiel nur Traffic-Metriken, obwohl auch eine<br />
Auflösung dieser Dimensionen nach Erfolgsmetriken wie „Newsletteranmeldung“<br />
wichtige Informationen liefern kann.<br />
Korrelation von Dimensionen<br />
Dimensionen stellen Eigenschaften von bestimmten Ereignissen dar. Manchmal<br />
reicht eine Eigenschaft alleine aber nicht aus, um die gewünschten Informationen<br />
zu gewinnen. Für eine Metrik „Newsletteranmeldung“ können zum Beispiel<br />
die Dimensionen „Geschlecht“ und „PLZ-Bereich“ definiert werden. Einzeln<br />
geben diese Dimensionen aber noch keine Antwort auf die Frage, wie viele<br />
Newsletteranmeldungen von weiblichen Besuchern aus Hamburg im letzten Monat<br />
erfolgt sind. Für eine solche Fragestellung muss eine Korrelation zwischen den<br />
Dimensionen „Geschlecht“ und „PLZ-Bereich“ hergestellt werden. Dabei sind nur<br />
Korrelationen möglich zwischen Dimensionen, die in der gleichen Metrik gemessen<br />
werden.<br />
Derzeitig bieten nur hochwertige <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools die Möglichkeit Dimensionen<br />
zu korrelieren, dabei ist jedoch oft nur die Korrelation von zwei Dimensionen<br />
möglich. Die Frage, wie viele Newsletteranmeldungen von weiblichen Besuchern<br />
im Alter von 18 bis 30 Jahren aus Hamburg im letzten Monat erfolgt sind, wird<br />
allerdings nur bei der Korrelation von drei Dimensionen, nämlich Geschlecht, PLZ-<br />
Bereich und Alter, beantwortet.<br />
Als weiteres Unterscheidungsmerkmal der <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools sollte die Flexibilität<br />
bei den Korrelationen betrachtet werden. In vielen Fällen sind die Korrelationen<br />
vorgegeben und können vom Kunden nicht geändert werden. Da die Wahl der<br />
Dimensionen und Korrelationen aber entscheidenden Einfluss auf sinnvolles<br />
Reporting hat, kann auf die benutzerdefinierte Wahl der Korrelationen in vielen<br />
Fällen nicht verzichtet werden.<br />
Reporting<br />
Über das Reporting gilt es die verantwortlichen Entscheider und Mitarbeiter<br />
regelmäßig über die aktuelle Zielerreichung zu informieren und auf eventuelle<br />
Schwachstellen aufmerksam zu machen. Die Ausführung des Reportings hat einen<br />
erheblichen Einfluss auf die Akzeptanz bei den Anwendern und damit auf den<br />
Gesamterfolg des <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projektes.<br />
570
Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
Folgende Aspekte helfen bei der Bewertung der Reporting-Funktionen eines<br />
Tools:<br />
• Können Dashboards zur Darstellung der Kennzahlen individuell,<br />
zum Beispiel bezogen auf die Rolle oder Funktion, eingerichtet werden?<br />
• Können Dashboards und Reports automatisch per E-Mail<br />
zeitgesteuert verschickt werden, zum Beispiel als PDF?<br />
• Können für den Zugriff auf die Reporting-Daten Gruppen-<br />
und Benutzerrechte angelegt werden?<br />
Die Reporte sollten zusätzlich dokumentierbar sein, um „Ausreißer“ in den<br />
Kennzahlen zu erläutern.<br />
Key-Performance-Indicators (KPI)<br />
Mit den KPI werden die zahlreichen Kennzahlen, die auf Basis von Dimensionen<br />
und Metriken erhoben werden, zu aussagekräftigen Erfolgsfaktoren für das Onlinegeschäft<br />
verdichtet.<br />
Folgende Aspekte helfen bei der Bewertung der KPI-Funktionen eines Tools:<br />
• Können eigene KPIs definiert werden?<br />
• Können für die KPIs Zielvorgaben (Sollwerte) angegeben werden?<br />
Performance-Marketing<br />
Die <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Daten bilden die Entscheidungsgrundlage für die Optimierungsmaßnahmen<br />
von Schwachstellen beziehungsweise von ungenutzten Potenzialen im<br />
Onlinebereich. Mit integrierten Lösungen können die Aufgaben des Performance-<br />
Marketings deutlich effizienter erledigt werden als mit verteilten Systemen.<br />
Folgende Aspekte helfen bei der Bewertung, beispielhaft für die Einbindung von<br />
SEM-Maßnahmen, eines Tools:<br />
• Kann die Performance der Suchmaschinenmarketing-<br />
Maßnahme gemessen werden?<br />
• Welche Suchmaschinen können verwaltet werden?<br />
Die Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems<br />
Für die Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems wird in der Regel ein interdisziplinäres<br />
Projekt-Team gebildet: Management beziehungsweise Geschäftsleitung,<br />
Marketing und IT beziehungsweise Technik arbeiten dabei oft mit<br />
externen Dienstleistern und Beratern zusammen. Das Ziel der Projektleitung ist<br />
es dabei, die Kenntnisse und Anforderungen aus allen Bereichen gewinnbringend<br />
571<br />
Key-Performance-<br />
Indicators (KPI)<br />
liefern aussagekräftigeErfolgsfaktoren<br />
Einbindung von<br />
SEM-Maßnahmen
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />
Projekt steht<br />
und fällt mit<br />
der Konzeption<br />
der Online-<br />
Aktivitäten<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />
in das Projekt einzubringen. Der Ansatz, ein <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekt ausschließlich<br />
durch Marketing oder IT durchführen zu lassen, führt der Erfahrung nach nicht zu<br />
optimalen Ergebnissen:<br />
572<br />
• Die IT-Verantwortlichen neigen dazu, sich eher am technisch<br />
Machbaren zu orientieren, was zu eher technologischen, aber<br />
für den Geschäftserfolg nicht relevanten Kennzahlen führt.<br />
• Das Marketing setzt im Projekt zwar meistens relevante Kennzahlen<br />
um, kommt aber in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern<br />
oft zu strukturellen Insellösungen, die nicht oder nur schwer<br />
in die (informations-) technische Infrastruktur zu integrieren sind.<br />
Idealerweise führt die Geschäftsleitung das Projekt mit Mitgliedern aus allen<br />
beteiligten Funktionen in einer klassischen Matrix-Organisation. Der Fokus<br />
der Projektleitung liegt dabei vor allem auf der Rentabilität der <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />
Einführung gemessen im Return on Investment (ROI), auf der durchgängigen<br />
technischen Implementierung und der Konzentration auf die wesentlichen Key-<br />
Performance-Indicators, die tatsächlich die strategischen Ziele des Unternehmens<br />
abbilden.<br />
Planung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems<br />
Die Planung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems ist für jedes Unternehmen verschieden.<br />
Dennoch lässt sich ein genereller Leitfaden erstellen, der die wichtigsten Schritte<br />
umfasst.<br />
Best Practice<br />
Der Erfolg von <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Projekten steht und fällt mit der Konzeption der<br />
Onlineaktivitäten. Sofern die Internetkonzepte schon einen relevanten Bezug zur<br />
Geschäftsstrategie haben, sind sie in der Regel in sich tragfähig und beinhalten die<br />
wesentlichen KPIs.<br />
Mit der Konzentration auf die relevanten Kennzahlen, die individuell auf das<br />
eigene Unternehmen und die eigene Strategie zugeschnitten sind, reduziert sich<br />
die Auswahl der möglichen Tools beziehungsweise Hersteller automatisch. Werden<br />
hingegen – aufgrund mangelnder Vorbereitung – nur allgemeine Kennzahlen ohne<br />
Bezug zur spezifischen Aufgabenstellung des Unternehmens vom <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />
System eingefordert, so können zahllose Tools diese Anforderungen erfüllen. Das<br />
gesamte Projekt zur Einführung wird so deutlich aufgebläht und sowohl zeitlich<br />
wie auch finanziell belastet.<br />
Die Aufgabenstellung sollte daher im Vorfeld soweit definiert werden, dass nur circa<br />
drei Anbieter als mögliche Lösungspartner in Frage kommen. Diese Kandidaten<br />
werden dann auf die Erfüllung der Vorgaben hin geprüft und bewertet, um mit einem<br />
angemessenen Aufwand zu Entscheidungsvorlagen zu kommen.
Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
Projektdauer und Projektaufwände<br />
Die Dauer für die Einführung eines <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systems hängt natürlich stark von<br />
den Anforderungen ab. In der Regel muss man mit circa drei bis sechs Monaten für<br />
komplexe <strong>Web</strong>sites rechnen. Aufgrund der Vielzahl der beteiligten Projektmitglieder<br />
Exemplarischer Projektplan<br />
1. Erstellung eines Anforderungskataloges mit folgenden Aspekten:<br />
• Key-Performance-Indicators (KPI) zur Abbildung<br />
der relevanten Ergebnisse aus den Online-Aktivitäten.<br />
• <strong>Web</strong> Scorecards zur Zusammenfassung der KPI<br />
und zum Abgleich mit den Sollwerten.<br />
• Aufschlüsselung interner und externer Marketingmaßnahmen.<br />
• Anforderungen an das Reporting mit erforderlichen Formaten, Möglichkeiten<br />
der Benutzerverwaltung, Verteilung der Reports und Automatisierungsoptionen.<br />
• Integration der Daten (Import, Export), Schnittstellen zu anderen „Datenwelten“<br />
wie Data-Warehouse oder Warenwirtschaftssystem.<br />
• Informationen aus anderen Informationssystemen wie zum Beispiel<br />
die Retourenrate aus dem Warenwirtschaftssystem.<br />
2. Erarbeitung des Optimierungspotenzials und monetäre Bewertung<br />
– notwendig für die ROI-Berechnung.<br />
3. Erarbeitung eines Request-for-Information (RFIs) für die Auswahl der <strong>Web</strong><br />
<strong>Analytics</strong>-Tools beziehungsweise deren Hersteller. Die in dem RFI aufgeführten<br />
Kriterien sollen eine individuelle Bewertung zulassen und nach den Anforderungen<br />
des Unternehmens gewichtet sein.<br />
4. Auswahl eines geeigneten Tools. Idealerweise soll sich die gewählte Lösung<br />
innerhalb von maximal 24 Monaten rentieren.<br />
5. Erstellung eines technischen Umsetzungskonzeptes<br />
mit entsprechendem Projektplan.<br />
6. Integration in die <strong>Web</strong>seite und erste Validierung der gemessenen Zahlen.<br />
In dieser Phase hilft die Plausibilitätsprüfung umfangreicher Kennzahlen dabei,<br />
eventuell Schwachstellen aufzuspüren.<br />
7. Aufsetzen der Benutzerverwaltung, Erstellung und Konfiguration der Reports.<br />
8. Aufstellen der ETLs für die Datenflüsse in andere Informationssysteme<br />
(ETL – Extraction-Transformation-Load).<br />
9. Detaillierte Validierung der Zahlen. In dieser Phase erfolgt die Feinabstimmung<br />
des Systems, hier werden gegebenenfalls Korrekturen in der technischen<br />
Implementierung vorgenommen. Auch Anforderungen, die sich erst im Laufe des<br />
Projektes ergeben haben, werden in dieser Phase umgesetzt.<br />
10. Projektabnahme und Inbetriebnahme. An dieser Stelle setzt der regelmäßige<br />
Prozess aus planen, messen, analysieren und optimieren ein, der den Erfolg<br />
des Projektes sicherstellt.<br />
573<br />
Benutzerverwaltung,<br />
Verteilung der<br />
Reports und<br />
Automatisierungsoptionen
Unterschiedliche<br />
in die <strong>Web</strong>seite<br />
zu integrierenden<br />
HTML-Elemente<br />
wie Tracking Pixel<br />
und Landmark<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />
Tipp<br />
Eine mit definiertem Rücktrittsrecht verbundene Verpflichtung, die Anforderungen<br />
auch tatsächlich einzuhalten, hilft beim Aussortieren derjenigen Anbieter, die in<br />
der ersten Runde grundsätzlich alle Anforderungen erfüllen, dies später aber<br />
nicht in der gewünschten Form leisten können.<br />
Die Auswahl weniger, individueller und wichtiger KPIs reduziert auch den<br />
Aufwand für die technische Implementierung in die <strong>Web</strong>site, die einen großen<br />
Teil des gesamten Projektumfangs ausmacht. Es empfiehlt sich nicht mehr als<br />
5 KPIs pro Rolle zu definieren.<br />
Muss hingegen das verwendete Tool aufgrund ungenauer Vorarbeiten während<br />
der Implementierung gewechselt werden, kommt der erforderliche Aufwand fast<br />
einem neuen Projekt gleich.<br />
aus verschiedenen Funktionen und der engen Verknüpfung mit der geschäftlichen<br />
Strategie sind kürzere Projektlaufzeiten selten zu erreichen.<br />
Es ist relativ schwer, allgemeine Aussagen über Aufwände für <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-<br />
Projekte zu treffen, da Anforderungen und technische Implikationen je nach <strong>Web</strong>site,<br />
Programmhersteller und Projektorganisation sehr weit gefächert sein können.<br />
Generell können jedoch für die Kalkulation der Aufwände folgende Regeln herangezogen<br />
werden:<br />
574<br />
• Die in die <strong>Web</strong>seite zu integrierenden HTML-Elemente – Tracking<br />
Pixel, Landmark – sind von Hersteller zu Hersteller sehr unterschiedlich<br />
aufgebaut und erfordern sehr unterschiedliche Backend-Integrationen<br />
bei komplexen Dimensionen und Metriken. Generell sind diese<br />
HTML-Elemente zwischen den Herstellern naturgemäß völlig<br />
inkompatibel – ein Austausch des Anbieters führt zumindest<br />
zu einer völligen technischen Neuintegration des neuen Anbieters.<br />
Dies hat auch Auswirkung auf eventuell Evaluierungen von Tools.<br />
• Die Projektphasen Planung/Konzeption und Validierung sollten<br />
zusammen mit mindestens dreißig Prozent des Gesamtaufwandes<br />
kalkuliert werden.<br />
• Auch wenn die technische Integration irrtümlich oft als trivial<br />
betrachtet wird, sollte man ein sorgfältiges Integrationskonzept erstellen<br />
und darauf achten, dass alle KPIs und deren Abbildung in Form von<br />
spezifischen Tracking-Elementen in den Seiten sauber dokumentiert<br />
werden. Ansonsten ist eine spätere Pflege und Wartung nicht<br />
durchführbar. Die Aufwände hierfür sind zu kalkulieren<br />
und einzuplanen.
Budget und Wirtschaftlichkeit<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Systeme zielen auf den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen ab,<br />
insofern ist die Betrachtung des Returns on Investments (ROI), also die Rentabilität<br />
oder Wirtschaftlichkeit, ein zentraler Aspekt.<br />
Auf der Ausgabenseite sind zu berücksichtigen:<br />
• Aufwand für Marketingkampagnen<br />
• Aufwand für <strong>Web</strong>siteoptimierungen<br />
• Aufwand für Analyse und Bewertung<br />
• Aufwand für das <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tool<br />
Demgegenüber stehen Kostenreduzierungen beziehungsweise Ergebnisverbesserungen<br />
durch:<br />
• Einsparpotential bei Marketingmaßnahmen<br />
(Streuverluste, Makrokonversion)<br />
• Verbesserung der Mikrokonversion<br />
• Steigerung der Effizienz<br />
• Steigerung von Umsatz und Leads<br />
Bezogen auf einen Betrachtungszeitraum von zwölf bis vierundzwanzig Monaten<br />
sollte die Einführung einer <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Lösung rentabel werden, dementsprechend<br />
muss das benötigte Budget bereitgestellt werden – siehe auch Ziffern<br />
1 – 3 und 9 des Projektplanes.<br />
Auswahl eines geeigneten <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Tools<br />
Eine optimale „Short List“ der Anbieter führt maximal drei verschiedene Tools<br />
auf, die einem weitergehenden Vergleich unterzogen werden. Die Erfahrung hat<br />
gezeigt, dass eine längere Liste von Anbietern, die zur Angebotsabfrage aufgefordert<br />
werden, nicht zu einer besseren Entscheidungsgrundlage führt. Vielmehr ist es<br />
entscheidend, so exakte Angaben wie möglich über die einzelnen Kriterien wie<br />
beispielsweise KPIs, Dimensionen und Metriken zu machen, die in das Reporting<br />
einfließen sollen.<br />
Um eine entsprechende Vorauswahl an geeigneten <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>-Anbietern treffen<br />
zu können, sei auf den Einkaufsführer von Ideal Observer verwiesen. Anhand der<br />
dort aufgeführten Kriterien kann eine „long list“ erstellt werden. Diese „long list“<br />
sollte im nächsten Schritt anhand von Primärkriterien auf eine überschaubare Anzahl<br />
von Herstellern – wir empfehlen maximal drei – eingegrenzt werden:<br />
• Wirtschaftliche Position des Anbieters.<br />
• Zugrunde liegendes Lizenzmodell.<br />
Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
• Referenzen, aktive und passive, mit Präferenz auf Lösungen,<br />
die ähnliche Geschäftsmodelle als Grundlage haben wie die zu<br />
messende <strong>Web</strong>site.<br />
575<br />
Maximal drei<br />
verschiedene<br />
Tools einem<br />
weitergehenden<br />
Vergleich<br />
unterziehen
Die Probefahrt<br />
ist der sicherste<br />
Weg, spätere<br />
Enttäuschungen<br />
zu vermeiden<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong><br />
• Reife beziehungsweise Marktreife des Produktes.<br />
• Beratungs- und Servicekompetenz des Anbieters.<br />
In dem noch recht jungen Markt „<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>“ tendieren die Hersteller oftmals<br />
zu einer aggressiven Vertriebsstrategie, was mitunter zu einem tatsächlichen<br />
„overselling“ führen kann. Um hier unliebsame Überraschungen zu vermeiden,<br />
sollten die Ausschreibungsunterlagen, auch Request for Informations (RFIs), die<br />
Anforderungen so exakt wie möglich beschreiben und hinsichtlich des Erfordernisses<br />
auch gewichten. Andernfalls tritt ein, was wir in Projekten als das „100-Prozent-<br />
Syndrom“ bezeichnen: Alle zur Angebotsabgabe aufgeforderten Anbieter erfüllen<br />
alle Anforderungen zu hundert Prozent. Dieser Effekt ist zu erwarten, wenn allzu<br />
banale Kennzahlen in allzu allgemeiner Form abgefordert werden.<br />
Tipp<br />
Vermeiden Sie die Herstellerdatenblätter eines favorisierten Herstellers abzuschreiben<br />
und diese als Tabelle an die diversen Anbieter zu versenden. Sie<br />
erhalten in der Regel alle Fragebögen mit 100 Prozent Erfüllungsgrad zurück.<br />
Formulieren Sie Ihre Anforderungen bezogen auf Ihr Geschäftsmodell und<br />
beschreiben Sie, was Sie vom Tool erwarten. Konzentrieren Sie sich auf wesentliche<br />
Aspekte ihres Geschäftes und der dafür relevanten Kennzahlen.<br />
Fragen Sie dezidiert nach, wie Ihre KPIs dargestellt werden können und ob hierfür<br />
zusätzliche Module oder Komponenten erforderlich sind. Für die Lieferung von<br />
Echtzeitdaten sind sogenannte „Service-Level-Agreements“ hilfreich, um sicher<br />
zu stellen, auch bei höherem Traffic auf der Site noch zeitnahe Auswertungen<br />
vornehmen zu können.<br />
Evaluierung von Tools<br />
Ein probates Mittel zur Bewertung der Leistungsfähigkeit von Softwareprogrammen<br />
ist die Evaluierung. Hierbei wird für einen begrenzten Zeitraum, in einem<br />
begrenzten aber repräsentativen Szenario, eine Reihe von Tools zur Bewertung<br />
der Leistungsfähigkeit „Probe gefahren“.<br />
<strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> befasst sich mit der Messung von Erfolgskriterien auf <strong>Web</strong>sites.<br />
Dazu gehören insbesondere solche KPIs, die den wirtschaftlichen Erfolg von<br />
<strong>Web</strong>sites, Portalen oder Shops abbilden. Diese KPIs sind in der Regel nicht trivial<br />
und erfordern entsprechenden Aufwand in der technischen Integration der Tracking-<br />
Tools. Insofern laufen Unternehmen bei der Evaluierung solcher Tools in zwei<br />
mögliche Problemfelder:<br />
576<br />
• Entweder, die Evaluierung vermeidet den größeren technischen<br />
Aufwand und wird anhand primitiver Kennzahlen durchgeführt<br />
– dann ist das Ergebnis nicht repräsentativ und führt wiederum<br />
zum „100-Prozent-Syndrom“.
• Oder das Unternehmen wird versuchen, mit den zu evaluierenden<br />
Tools alle KPIs zu implementieren und damit das Projekt gleich n-mal<br />
durchführen – damit wird der wirtschaftliche Rahmen (ROI)<br />
des Projektes gefährdet.<br />
Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass insbesondere solche Projekte zu unbefriedigenden<br />
Gesamtergebnissen geführt haben, bei denen eine zu große Zahl von Herstellern mit<br />
trivialen Anforderungen in eine Evaluierung genommen wurde. Projektlaufzeiten<br />
von mehr als einem Jahr, mit anschließend banalen Statistiken, waren (leider) die<br />
Folge – abgesehen von einer nicht mehr nachvollziehbaren Wirtschaftlichkeit<br />
eines solchen Projektablaufes. Es muss im Gegenteil davon ausgegangen werden,<br />
dass die Gesamtaufwände für die Durchführung der Evaluierung nicht durch eine<br />
bessere, weil wirtschaftlichere, Entscheidung oder die Auswahl eines vermeintlich<br />
günstigeren Anbieters amortisiert werden können.<br />
Literatur<br />
Thomas Brommund, Axel Amthor: <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – <strong>Web</strong> Controlling<br />
Axel Amthor, Thomas Brommund: Projektleitfaden <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong> – Erfolg ist messbar!<br />
– Bezug über www.contentmetrics.de, 2006.<br />
577
Relevanz<br />
generieren,<br />
Produktaffinitäten<br />
bestimmen,<br />
Interessen<br />
ermitteln<br />
<strong>Web</strong>-<br />
Mining<br />
Martin Oesterer, Karsten Winkler<br />
Unternehmen mit analytischen Geschäftsstrategien können ihren Wettbewerbern<br />
immer einen Schritt voraus sein. Das postulierte Thomas H. Davenport in seinem<br />
Artikel „Aus Daten Geld machen“, der im Harvard Businessmanager 4/2006<br />
publiziert wurde. Dieser Beitrag greift Davenports Postulat auf und zeigt, wie<br />
Geschäftsstrategien mit Bezug zum Internet durch den Einsatz von <strong>Web</strong>-Mining<br />
erfolgreicher verwirklicht werden.<br />
Die Daten quälen, bis sie gestehen?<br />
Nachdem nun auch ältere Semester im <strong>Web</strong> Fahrkarten buchen, Überweisungen<br />
tätigen oder Renteninformationen anfordern, steht fest: Das Internet hat<br />
sich in vielen Geschäftsbereichen zu einem unverzichtbaren Informations-<br />
und Vertriebskanal entwickelt. Aktuell ist einerseits eine Renaissance von<br />
innovativen, rein Internet-basierten Geschäftsmodellen zu beobachten, die etwa<br />
durch Information, Gemeinschaftsgefühl oder Unterhaltung ihren Kunden echte<br />
Mehrwerte bieten. Andererseits investieren bereits zu Zeiten der Dampfmaschine,<br />
des Telegramms oder der Lochkarte gegründete Unternehmen verstärkt in ihre<br />
Internetpräsenzen, um diesen Vertriebskanal optimal in die Geschäftsprozesse<br />
und Kommunikationsstrategien einzubetten. So vielfältig kommerzielle und<br />
administrative <strong>Web</strong>sites und ihre Betreiber auch sind, eines haben sie gemeinsam:<br />
Die Investition in das Internet dient der Verwirklichung eigener Ziele, wie zum<br />
Beispiel Reputation und Sichtbarkeit zu erhöhen, Gewinne zu erzielen, Kunden zu<br />
gewinnen oder Kommunikationskosten zu senken.<br />
Die Verwirklichung dieser Ziele erfordert eine konsequente Umsetzung<br />
geeigneter Maßnahmen: Die Relevanz der <strong>Web</strong>inhalte ist zu optimieren, es<br />
sollten nur produktaffine Zielgruppen angesprochen werden, Benutzeroberflächen<br />
sind möglichst intuitiv zu gestalten und Bestandskunden sollten aktiv auf für<br />
sie interessante Angebote hingewiesen werden. Wie aber können Betreiber von<br />
<strong>Web</strong>sites im virtuellen Raum Relevanz generieren, Produktaffinitäten bestimmen,<br />
die Gebrauchstauglichkeit erhöhen beziehungsweise Interessen ermitteln? Die<br />
sprichwörtliche Tante Emma setzte ihr Gedächtnis und ihre Intelligenz ein, um<br />
sich diesen Herausforderungen des Geschäftslebens im Krämerladen zu stellen. Sie<br />
kannte Generationen von Stammkunden, deren Freud und Leid, ihre persönliche<br />
Interessen, Kaufhistorie und deren finanziellen Spielraum. Laufkundschaft wurde<br />
von Tante Emma aufgrund jahrelanger Erfahrung und kaufmännischen Gespürs<br />
578
estmöglich beraten. Wie ist aber das Gedächtnis und die Intelligenz von Tante<br />
Emma auf den Vertriebskanal Internet mit Millionen potenzieller Kunden und einer<br />
für Menschen oft nicht mehr überschaubaren Produktvielfalt zu übertragen?<br />
Ein institutionalisiertes Gedächtnis im Form von Datenbanken wird, oft in<br />
Kombination mit intelligenten Verfahren der Datenauswertung wie etwa Data-<br />
Mining, seit Jahrzehnten im Direktmarketing von erfolgreichen Unternehmen<br />
genutzt, um trotz einer Vielzahl von Mitarbeitern, Kontaktpunkten und Produkten<br />
eine vertrauensvolle, profitable und langfristige Beziehung zu Kunden aufzubauen.<br />
Erklärtes Ziel von Investitionen in das Kundenbeziehungsmanagement ist die<br />
Abkehr von der rein transaktionsorientierten Belieferung eines Massenmarktes<br />
mit standardisierten Produkten hin zur individuellen Ansprache des Kunden<br />
zur Etablierung einer langfristigen Geschäftsbeziehung. Im Gegensatz zum<br />
Einkauf über traditionelle Vertriebswege (zum Beispiel Filiale, Telefon oder<br />
Versicherungsvertreter) ist der Besuch einer <strong>Web</strong>site weitgehend frei von direkten<br />
Kontakten von Mensch zu Mensch. Aber: Der virtuelle Raum weist höchst<br />
interessante Besonderheiten auf, zum Beispiel die mögliche Personalisierung<br />
von Inhalten oder auch die denkbare direkte, ereignisgesteuerte Interaktion mit<br />
Besuchern.<br />
Zur Bestimmung dieser zielgruppengesteuerten Inhalte bieten sich nun, analog zum<br />
Data-Mining auf „klassischen“ Datenbeständen, Methoden des <strong>Web</strong>-Mining an.<br />
Pragmatisch betrachtet ist <strong>Web</strong>-Mining ein zielorientierter Prozess der Selektion,<br />
Aufbereitung, Exploration und Modellierung Internet-basierter Daten, um<br />
unbekannte Zusammenhänge zum Vorteil des eigenen Unternehmens zu entdecken.<br />
Anders als im konventionellen Data-Mining sind in <strong>Web</strong>-Mining-Projekten meist<br />
sehr große Mengen von Online-Protokolldaten zu erfassen, mit teilweise speziellen<br />
Verfahren aufzubereiten und anzureichern sowie oft mit spezifischen Methoden<br />
zu analysieren und zu interpretieren. Das grundsätzliche, sehr prozessorientierte<br />
Vorgehen im <strong>Web</strong>-Mining ist aber ebenso identisch mit einem klassischen Data-<br />
Mining-Projekt wie die Mehrzahl eingesetzter Methoden.<br />
Einsatzgebiete für <strong>Web</strong>-Mining<br />
Martin Oesterer, Karsten Winkler: <strong>Web</strong>-Mining<br />
Bei einem produktiven Einsatz im Unternehmen ist <strong>Web</strong>-Mining kein Selbstzweck,<br />
sondern leistet einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele.<br />
Die oft genutzte Klassifikation von <strong>Web</strong>-Mining-Einsatzgebieten in die Analyse<br />
von Inhalten (<strong>Web</strong>-Content-Mining), die Gewinnung von Einsichten in das<br />
Besucherverhalten (<strong>Web</strong>-Usage-Mining) und die Identifizierung <strong>Web</strong>site-übergreifender<br />
Verweisstrukturen (<strong>Web</strong>-Structure-Mining) zielt eher auf eine Abgrenzung<br />
gegenüber klassischen Data-Mining-Fragestellungen. Wird <strong>Web</strong>-Mining hingegen<br />
aus Anwendersicht betrachtet und umfasst damit auch die Methodenvielfalt des<br />
Data-Mining, so bietet sich eine vereinfachte Unterscheidung von explorativen<br />
und prädiktiven Einsatzgebieten an.<br />
Explorative Verfahren des <strong>Web</strong>-Mining, wie etwa Clustering-Algorithmen, die<br />
Pfadanalyse, die Entdeckung von Assoziationsregeln oder die Analyse sozialer<br />
Netzwerke, werden eingesetzt, um in der verfügbaren Datenbasis interessante und<br />
579<br />
Data-Mining<br />
wird seit<br />
Jahrzehnten im<br />
Direktmarketing<br />
genutzt<br />
Personalisierung<br />
von Inhalten<br />
und ereignisgesteuerte<br />
Interaktion mit<br />
Besuchern<br />
<strong>Web</strong>-Content-<br />
Mining, <strong>Web</strong>-<br />
Usage-Mining<br />
und <strong>Web</strong>-<br />
Structure-Mining
Next-Best-Offer-<br />
Systeme zur<br />
Empfehlung<br />
von relevanten<br />
Produkten<br />
Zahlung auf<br />
Rechnung<br />
verweigern,<br />
falls die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />
über<br />
achtzig Prozent<br />
liegt<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
wirtschaftlich verwertbare Muster zu identifizieren, zu interpretieren und deren<br />
Veränderung im Zeitablauf zu verfolgen. Primäres Ziel ist die Gewinnung von<br />
neuen, nützlichen und nachvollziehbaren Einsichten in das Verhalten von Besuchern<br />
und Kunden, um zum Beispiel das kundenzentrierte Data-Warehouse mit neuen<br />
Erkenntnissen anzureichern.<br />
Die aus der Marktforschung bekannte Segmentierung von Besuchern mittels<br />
Clustering-Algorithmen dient beispielsweise deren Unterteilung in Gruppen mit<br />
einem homogenen Klickverhalten, Kaufverhalten oder Kommunikationsverhalten.<br />
Außerdem unterscheiden sich Profile eines Segments in ihrer Charakteristik<br />
möglichst stark von denen anderer Segmente. Deshalb lassen sich Segmente mit<br />
sprechenden Bezeichnungen wie „junge Wintersportinteressenten aus Großstädten“<br />
charakterisieren. Die Ergebnisse explorativer Analysen werden beispielsweise für<br />
die Definition zielgruppenspezifischer Inhalte, ein Behavioural Targeting bei der<br />
Auslieferung von Werbebotschaften oder im Rahmen von produktorientierten<br />
Newsletter-Kampagnen verwendet. So genannte Next-Best-Offer-Systeme zur<br />
Empfehlung von relevanten Produkten oder Inhalten basieren ebenfalls häufig<br />
auf explorativen Verfahren, um das Verhalten ähnlicher Kundengruppen oder<br />
Verbundkaufeffekte auszunutzen.<br />
Prädiktive Verfahren des <strong>Web</strong>-Mining fokussieren auf die Erstellung möglichst<br />
zuverlässiger Vorhersagen, zum Beispiel durch Anwendung von Regressionsverfahren,<br />
Entscheidungsbäumen oder neuronalen Netzen. Im Online-Marketing<br />
gibt es eine Vielzahl interessanter Eigenschaften von Besuchern und Kunden, deren<br />
möglichst gute Vorhersage wirtschaftliche Vorteile verspricht. Die Modellierung<br />
von Kanalpräferenzen vor einer Kundenansprache, die Vorhersage der Bonität neuer<br />
Kunden oder auch die Ermittlung von Produktaffinitäten dienen der Senkung von<br />
Kommunikationskosten, ermöglichen die Reduktion des Zahlungsausfallrisikos<br />
und erhöhen den Umsatz durch relevante Cross-Selling-Angebote. Darüber hinaus<br />
lassen sich durch den Einsatz von Text-Mining-Methoden auch eingehende E-Mails<br />
hinsichtlich ihres Inhalts klassifizieren und können anschließend automatisiert<br />
an die richtige Abteilung weitergeleitet werden. Im Gegensatz zu explorativen<br />
Einsatzgebieten ist die Nachvollziehbarkeit meist eine im Vergleich zur angestrebten<br />
hohen Vorhersagequalität untergeordnete Eigenschaft von prädiktiven Modellen.<br />
Die Vorhersagemodellierung nutzt vergangenheitsbezogene Daten mit bekannter<br />
Ausprägung der Zielvariable und potenziell erklärende Variablen, um ein Modell<br />
zu trainieren, zu optimieren und auf Allgemeingültigkeit zu testen. Je nach<br />
Anforderung an die Aktualität eines Modells umfasst die für Training und Test<br />
relevante Zeitspanne ein Jahr, zwei Monate oder nur die letzten zehn Minuten. Nach<br />
der Modellierung wird das beste Vorhersagemodell exportiert und auf neue, aber<br />
strukturgleiche Datensätze angewendet, um zum Beispiel die Eintrittswahrscheinlichkeit<br />
der relevanten Ausprägung einer kategoriellen Zielvariable zu ermitteln.<br />
Die Anwendung von Vorhersagemodellen wird auch als Scoring bezeichnet. Nach<br />
einem Scoring der Bonität neu angemeldeter Kunden kann das Shopsystem zum<br />
Beispiel eine Zahlung auf Rechnung verweigern, falls die Ausfallwahrscheinlichkeit<br />
über achtzig Prozent liegt.<br />
580
Vorgehen im <strong>Web</strong>-Mining<br />
Martin Oesterer, Karsten Winkler: <strong>Web</strong>-Mining<br />
Die Frage nach dem Aufbau analytischer Kenntnisse im Unternehmen einerseits oder<br />
dem Zukauf analytischer Beratung andererseits ist unter Beachtung der strategischen<br />
Relevanz des <strong>Web</strong>-Mining sowie der aktuellen Personalsituation und der Zeitplanung<br />
zu entscheiden. Ob der Einsatz von <strong>Web</strong>-Mining als einmaliges Projekt geplant ist<br />
oder Training und Anwendung von Vorhersagemodellen in Geschäftsprozesse<br />
einzubetten sind: Zunächst ist ein wirtschaftlich relevantes Ziel aus dem Online-<br />
Marketing zu formulieren und entsprechende Erfolgskriterien festzulegen.<br />
Ein Beispiel ist die „Steigerung der Click-Through-Rate interner Verweise auf<br />
Aktionsartikeln von zwei auf fünf Prozent zur Erhöhung des Umsatzes“. Ein im<br />
Idealfall durch das Management unterstütztes Team, das sowohl fachliche als auch<br />
methodische Kompetenz vereint, formuliert anschließend Anforderungen an die<br />
Datenbasis, übersetzt das Marketing-Ziel in eine <strong>Web</strong>-Mining-Fragestellung und<br />
plant die Einbettung der Ergebnisse in operative Systeme, wie zum Beispiel die<br />
Auslieferung nutzerspezifischer Artikelempfehlungen.<br />
Nach der Festlegung von Ziel, Erfolgskriterien, Budget und Zeitplanung ist die<br />
Datenbasis zur Anwendung von <strong>Web</strong>-Mining-Methoden zu definieren, aus den<br />
Quelldatensystemen zu extrahieren und in einer Tabelle zusammenzuführen. Im<br />
Ergebnis entsteht eine so genannte analytische Basistabelle, die je Untersuchungsobjekt<br />
(etwa Sitzung eines Besuchers oder Kunde) potenziell relevante Informationen<br />
und gegebenenfalls eine oder mehrere Zielvariablen enthält. Beispiele für<br />
Variablengruppen sind demographische Informationen, Reaktionen auf Online-<br />
Marketing-Kampagnen, besuchte Seiten und Inhaltsbereiche sowie angesehene<br />
und gekaufte Produkte.<br />
Der typische <strong>Web</strong>-Mining-Prozess besteht aus folgenden Schritten: Stichprobenziehung,<br />
Exploration der Daten, Modifizierung der Daten, Modellierung der<br />
Fragestellung und Auswertung der Ergebnisse. Der Anwender im analytischen<br />
Online-Marketing modelliert die jeweilige Fragestellung in einem graphischen<br />
Prozessflussdiagramm, wie es in Abb. 1 dargestellt ist. In diesem Diagramm<br />
repräsentieren Pfeile den Fluss von Daten und Metadaten, während graphische<br />
Symbole die jeweils auszuführenden, parametrisierten Prozess-Schritte (zum<br />
Beispiel ein Regressionsverfahren) repräsentieren.<br />
Die Anwendung des besten Modells im Rahmen eines Scoring in Stapelverarbeitung<br />
oder Echtzeit wird einerseits durch den Export der Scorewerte in<br />
beliebige Datenbanken ermöglicht. Somit können beispielsweise für Kunden<br />
Produktaffinitäten oder die Zugehörigkeit zu Kundensegmenten direkt in<br />
der Datenbank des Shopsystems gespeichert werden. Struktur, Syntax und<br />
Semantik der bei Anwendung eines Modells zu verarbeitenden Daten müssen<br />
den Trainingsdaten entsprechen. Andererseits lassen sich Vorhersagemodelle und<br />
Ergebnisse einiger explorativer Verfahren auch als ausführbare Programme (zum<br />
Beispiel als Base SAS Code, in C oder Java) sowie in der Syntax der Predictive<br />
Modeling Markup Language zur direkten Anwendung in Datenbewirtschaftungsprozessen<br />
oder operativen Systemen exportieren. Ein letzter, wichtiger Aspekt<br />
der Modellanwendung ist die Überwachung der Modellgüte operativ genutzter<br />
Segmente oder Vorhersagemodelle, um deren „Lebenszeit“ nicht zu überschreiten.<br />
581<br />
Demographische<br />
Informationen,<br />
Reaktionen<br />
auf Online-<br />
Marketing-<br />
Kampagnen,<br />
besuchte Seiten<br />
und Inhaltsbereiche<br />
sowie<br />
angesehene<br />
und gekaufte<br />
Produkte
Statischer<br />
Zählpixel oder<br />
JavaScriptbasierter<br />
Page-<br />
Tags sind besser<br />
als Logfiles<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Es ist beispielsweise wenig zielführend, Kunden für den Rest ihres Lebens als<br />
„junge Wintersportinteressenten aus Großstädten“ zu klassifizieren, ausgelistete<br />
Artikel zu empfehlen oder die Bonität von Kunden anhand eines fünf Jahre alten<br />
Modells zu evaluieren.<br />
Abb. 1: <strong>Web</strong>-Mining-Prozessflussdiagramm im SAS Enterprise Miner<br />
Daten, Daten und nochmals Daten<br />
Qualitativ hochwertige Online-Protokolldaten bilden zweifellos die Basis für<br />
Aktivitäten im <strong>Web</strong>-Mining. Grundlage für deren Erfassung können einerseits<br />
Logdateien der <strong>Web</strong>server sein, in denen die ausgelieferten Dateien mit Zeitstempel,<br />
IP-Adresse des anfordernden Rechners und weiteren Informationen aufgezeichnet<br />
werden. Diese rein Server-seitige Datenerfassung ist aber mehr ein Notbehelf<br />
als eine vollständige und fehlerfreie Protokollierung, da insbesondere die auf<br />
unterschiedlichen Ebenen eingesetzten Zwischenspeicher und Proxy-Server sowie<br />
die oft bei Internet-Zugangsdienstleistern beobachtete dynamische Zuweisung<br />
verschiedener IP-Adressen innerhalb einer Sitzung die Daten stark verfälschen.<br />
Diese Nachteile führten zur Entwicklung von Client-seitigen Protokollierungsverfahren,<br />
die mittels statischer Zählpixel oder JavaScript-basierter Page-Tags<br />
Informationen über Browser und betrachtete <strong>Web</strong>seiten an einen Protokollserver<br />
übermitteln. Allerdings werden die Vorteile der Client-seitigen Verfahren meist<br />
mit einem großen Wartungsaufwand zur zeitnahen, konsistenten Aktualisierung<br />
der Page-Tag-Parameter, einer Ladezeiterhöhung durch die Abhängigkeit von<br />
Protokollservern und einer aus Datenschutzgründen kritischen Kommunikation<br />
mit Third-Party-Servern erkauft.<br />
In der Lösung SAS for Customer Experience <strong>Analytics</strong> wird mit der speedtrap<br />
Dynamic Data Collection ein innovatives Client-seitiges Verfahren zur<br />
Echtzeit-Protokollierung von Ereignissen im Browser der Besucher eingesetzt,<br />
582
Martin Oesterer, Karsten Winkler: <strong>Web</strong>-Mining<br />
das die Nachteile der beiden skizzierten Verfahren umgeht. Kern des First-<br />
Party-Verfahrens ist die einmalige Einbettung desselben parameterlosen Skripts<br />
in sämtliche ausgelieferte <strong>Web</strong>seiten. Nach dem Laden einer Seite übermittelt<br />
dieses Skript verschlüsselt und asynchron, zur Vermeidung von Wartezeiten, die<br />
relevanten Ereignisse an den Protokollserver, wobei die Kommunikation aus dem<br />
gesicherten „Sandkasten“ der jeweiligen Seite im Browser heraus erfolgt. Der<br />
Detaillierungsgrad der übermittelten Ereignisse wird je <strong>Web</strong>site, Seitenbereich<br />
oder Seite zentralisiert konfiguriert, so dass, im Gegensatz zu Page-Tags, die<br />
Geschäftslogik nicht mittels JavaScript-Parametern in <strong>Web</strong>seiten zu kodieren<br />
ist. Neben den üblichen Page-Tag-Informationen können zum Beispiel Klicks,<br />
Ladevorgänge, Metadaten, Tastatureingaben, verdeckte Formularfelder oder<br />
auch Mouse-Over-Ereignisse zur visuellen Sitzungsrekonstruktion aufgezeichnet<br />
werden. Dieses äußerst wartungsarme Verfahren ermöglicht neben datengetriebenen<br />
Usability-Studien insbesondere den Aufbau einer stets aktuellen, fehlerfreien und<br />
konsistenten Datenbasis für <strong>Web</strong>-Mining. Das gilt auch für Ajax-Applikationen,<br />
Flash-Inhalte oder mobile Endgeräte.<br />
Online-Protokolldaten hoher Qualität sind zwar eine wichtige Basis für <strong>Web</strong>-Mining,<br />
aber eben nur eine Seite der Medaille. Zu Gewinnung einer vollständigen Sicht auf<br />
Besucher und Kunden des Vertriebskanals Internet ist die Anreicherung dieser online<br />
erfassten Informationen mit Offline-Daten unerlässlich. Beispielsweise können<br />
URL-Parameter wie die Seitennummer in der Datenbank des Content-Management-<br />
Systems um ergänzende Informationen wie Seitentitel, Autor oder Inhaltskategorie<br />
angereichert werden. Warenwirtschaftssysteme verfügen zudem über vielfältige<br />
Zusatzinformationen, um Artikelnummern in Warenkorbdaten anzureichern. Die<br />
Integration von Daten der Offline-Welt in analytische Basistabellen für <strong>Web</strong>-<br />
Mining ermöglicht die Generierung von weitaus größeren analytischen Mehrwerten<br />
als bei alleinigem Fokus auf Online-Protokolldaten.<br />
Zusammenfassung und Ausblick<br />
Online-Marketing wird durch den gezielten Einsatz von <strong>Web</strong>-Mining sowohl<br />
effektiver, adressiert also die richtigen Zielgruppen mit passenden Botschaften,<br />
als auch effizienter, beispielsweise durch Senkung der Kommunikationskosten.<br />
Der Einsatz intelligenter Verfahren der Datenanalyse ermöglicht im Sinne von<br />
Davenports analytischen Geschäftsstrategien die Generierung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile<br />
im äußerst dynamischen Internet. Die Literaturhinweise am<br />
Schluss des Beitrags zeigen wichtige Quellen für den Einstieg in die Welt des<br />
<strong>Web</strong>-Mining.<br />
Aktuell diskutierte Themen in der <strong>Web</strong>-Mining-Community sind die Konvergenz<br />
von Online- und Offline-Welt, die Anwendung analytischer Modelle in Echtzeit<br />
sowie Aspekte des Datenschutzes. Trotz vieler Besonderheiten: Das Internet ist<br />
für die Mehrzahl der Unternehmen eben nur ein Kanal von vielen. Eine vielfach<br />
angestrebte ganzheitliche Kundenorientierung darf somit weder das Internet<br />
gänzlich ignorieren noch eine ausschließliche Konzentration von Maßnahmen auf<br />
583<br />
Klicks, Ladevorgänge,<br />
Metadaten,<br />
Tastatureingaben,<br />
verdeckte<br />
Formularfelder<br />
oder auch Mouse-<br />
Over-Ereignisse<br />
können aufgezeichnet<br />
werden
Anonymisierung<br />
der erfassten<br />
Daten oder<br />
transparente<br />
Einwilligung<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
dieses Medium zulassen. Die gegenwärtig verbreitete Schaffung von Insellösungen<br />
im Online-Marketing ist deshalb unter Konvergenzaspekten nicht überzeugend.<br />
Im <strong>Web</strong>-2.0-Zeitalter korreliert der Wert von Unternehmen stark mit der Kundenzufriedenheit.<br />
Deshalb gilt es, das Vertrauen von Interessenten und Kunden durch<br />
Einhaltung der Datenschutzbestimmungen langfristig zu sichern. Neben einer<br />
möglichen Anonymisierung der erfassten Daten gilt es insbesondere, Kunden<br />
durch deutlich wahrnehmbare Mehrwerte zur Einwilligung in die Speicherung<br />
und Verarbeitung personenbezogener Daten zu motivieren. Die vorgestellte speedtrap<br />
Dynamic Data Collection setzt zum Beispiel einen Hinweis in den jeweiligen<br />
Datenschutzrichtlinien voraus, respektiert im Browser hinterlegte P3P-Richtlinien,<br />
unterstützt SSL-Verschlüsselung und ermöglicht den Einsatz von Opt-in- oder Optout-Mechanismen.<br />
Literatur<br />
Patricia Cerrito: Introduction to Data Mining Using SAS Enterprise Miner. – 468 Seiten,<br />
ISBN 9781590478295, SAS Publishing, Cary, NC, 2006.<br />
Soumen Chakrabarti: Mining the <strong>Web</strong>: Discovering Knowledge from Hypertext Data.<br />
– 344 Seiten, ISBN 9781558607545, Morgan Kaufmann Publishers, San Francisco,<br />
CA., 2002.<br />
Thomas H. Davenport, Jeanne G. Harris: Competing on <strong>Analytics</strong>. The New Science of<br />
Winning. – 240 Seiten, ISBN 9781422103326, Harvard Business School Press, Boston,<br />
MA., 2007.<br />
Hajo Hippner, Melanie Merzenich, Klaus D. Wilde: Handbuch <strong>Web</strong> Mining im Marketing:<br />
Konzepte, Systeme, Fallstudien. – 509 Seiten, ISBN 9783528057947, Verlag Vieweg,<br />
Braunschweig/Wiesbaden, 2002.<br />
SAS Institute Inc.: Beyond <strong>Web</strong> <strong>Analytics</strong>: A New Generation of Customer Experience<br />
<strong>Analytics</strong>: Increasing Sales Revenue and Improving Service by Gaining Actionable<br />
Multi-Channel Intelligence. – White Paper. SAS Institute Inc., Cary, NC., 2007.<br />
SAS and all other SAS Institute Inc. product or service names are registered trade-marks<br />
or trademarks of SAS Institute Inc. in the USA and other countries. Other brand and<br />
product names are trademarks of their respective companies.<br />
584
Kundenkapitalbezogene<br />
Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />
Harald Eichsteller<br />
Was hat die Bewertung eines <strong>Web</strong> 2.0-Portals mit der Bewertung eines Heizölhandels<br />
gemeinsam? Vor der Akquisition eines Heizölhandels sind für den potenziellen<br />
Käufer die folgenden Faktoren besonders wichtig:<br />
A. Stärke der Marktposition (Zahl der Wettbewerber, relativer<br />
Marktanteil, Marktführerschaft)<br />
B. Kundenstamm (Zahl, Altersstruktur, Fassungsvermögen der Tanks)<br />
C. Bindung der Kunden (Tradition, Dauer der Kundenbeziehung,<br />
Loyalität/Wiederkaufsraten)<br />
D. Gefahr der Abwanderung von Kunden<br />
(Nachhaltigkeit, langfristige Sicherung)<br />
Daraus wird kundenbezogen das Heizölvolumen der nächsten 10 Jahre hochgerechnet<br />
und bepreist, mit der Methode der Diskontierten Cashflows (DCF)<br />
zu einem Barwert verdichtet und schließlich mit den eigenen Erwartungen und<br />
Vorgaben zu Rentabilität und Profitabilität abgeglichen.<br />
Zusätzlich wird betrachtet, ob es auf folgende Fragen positive Antworten gibt:<br />
E. Verschafft mir die Akquisition Zugang zu einem Markt,<br />
den ich bisher nicht hatte? (Segment, Region, Struktur)<br />
F. Erhöht sich durch die Akquisition die Effizienz meiner<br />
Kommunikationsmaßnahmen? (Anzeigen, Radio, Flyer, Internet)<br />
G. Erreiche ich durch die Akquisition eine höhere Marge?<br />
(Kostendegression, geringere Preissensitivität)<br />
H. Erreiche ich durch die Akquisition eine zusätzliche Marge,<br />
die über dem Invest liegt? (Return on Investment, Interner Zinsfuß)<br />
Das Einstiegsbeispiel aus einer Branche, die eindeutig eher zur „Very Old Economy“<br />
zählt, zeigt Historie, Qualität und Praxistauglichkeit von Kundenkapitalbetrachtungen<br />
bei der Bewertung von Geschäften. Man hätte auch die Bewertung einer<br />
Zahnarztpraxis heranziehen können – das hätte den Sprung zur Bewertung von<br />
<strong>Web</strong> 2.0-Portalen optisch etwas kürzer aussehen lassen, im Kern hätten sich aber<br />
kaum Unterschiede ergeben.<br />
585<br />
Marktposition,<br />
Kundenstamm,<br />
Kundenbindung<br />
und Nachhaltigkeit<br />
sind<br />
die wichtigsten<br />
Faktoren
Spielregeln der<br />
Finanzmärkte<br />
vernachlässigen<br />
kundenorientierteBetrachtungsweisen<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Return-on-Customer (ROC)<br />
Viele der im Einstiegsbeispiel genannten Aspekte haben Don Peppers<br />
und Martha Rogers Mitte 2005 in ihrem Buch „Return-on-Customer“<br />
aufgegriffen [1]. Sie appellieren dabei an Manager und Shareholder<br />
gleichermaßen, die Kunden und die Erhaltung ihres Wertes in den Mittelpunkt<br />
der Betrachtungen zu stellen und dabei die Nachhaltigkeit von<br />
(Marketing-)Aktionen als oberstes Beurteilungskriterium für positives Wirken zu<br />
etablieren. Der Begriff Return-on-Customer (ROC) ist mit Bedacht in Analogie<br />
zum allgemein anerkannten Konzept des Return on Investment (ROI) gewählt,<br />
das klassischerweise zur Beurteilung der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von<br />
Investitionen herangezogen wird.<br />
Die Finanzmärkte haben spätestens in den letzten zehn Jahren Spielregeln geprägt,<br />
die nicht immer optimale Voraussetzungen für kundenorientierte Betrachtungsweisen<br />
bieten; einige dieser Spielregeln sind im Folgenden kurz skizziert:<br />
1. Finanzmärkte funktionieren kurzfristig, maximal quartalsorientiert, und<br />
Manager sind tendenziell bereit, wichtige kundenorientierte Maßnahmen<br />
zugunsten der vorausgesagten Umsatz- und Ertragsziele zu opfern.<br />
2. Finanzmärkte belohnen stetiges überproportionales Wachstum mit einer<br />
höheren Notierung; Aktienoptionsprogramme für Manager können durchaus<br />
auch dazu führen, dass dieses Wachstum‚ ohne Rücksicht auf langfristige<br />
Verluste angestrebt wird. [2]<br />
3. Finanzmärkte hatten den Charme kundenorientierter Lebenswert-<br />
betrachtungen (Customer-Lifetime-Value – CLV) schon vor Jahren<br />
erkannt und Mergers & Akqui-sitions (M&A’s) in der Phase des<br />
Internet-Hypes um das Jahr 2000 mit CLVs bewertet – schade nur,<br />
dass die zu Grunde gelegten Kundenwerte in vielen Fällen nicht einmal<br />
ansatzweise realisiert waren, als die Unternehmen ihre Pforten wieder<br />
geschlossen haben.<br />
4. Finanzmärkte nehmen Brand-Equity und Customer-Equity bei M&A‘s<br />
als Residualwert wahr, der zusätzlich zu den Buchwerten bezahlt wird und<br />
den die Buchhalter als „Goodwill“ abschreiben. Es existieren eine Vielzahl<br />
unterschiedlicher Brand-Equity Modelle [3] – lediglich das Ranking der<br />
weltweiten Top-100 Brands von Interbrand, Zintzmeyer & Lux [4]<br />
wird öffentlich wahrgenommen; in den meisten Unternehmen werden solche<br />
Werte weder errechnet noch ausgewiesen.<br />
Doch die Betrachtung des Konzepts von Peppers und Rogers zur Berechnung des<br />
Return-on-Customer (ROC) lohnt sich dennoch, vor allem wenn man die nachhaltige<br />
Werthaltigkeit des Kundenkapitals beurteilen möchte. Hier das Rechenwerk in der<br />
Übersicht:<br />
Dabei ist das Kundenkapital (Customer-Equity) gleich der Summe der Kundenlebenswerte<br />
(CLV) aller Kunden. Dies bedeutet, dass nur ein positiver Return-on-<br />
Customer (ROC) erzielt werden kann, wenn nicht nur ein positiver Cashflow erreicht<br />
wird, sondern darüber hinaus die zukünftigen (abgezinsten) Erträge der Kunden<br />
586
Harald Eichsteller: Kundenkapitalbezogene Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />
nicht mehr abnehmen, als aktuell‚ aus ihnen heraus erwirtschaftet wird. Hier ist<br />
Marken- und Kunden-Management gefragt, nicht zu verkaufen, sondern gleichzeitig<br />
die Zukunft des Unternehmens zu stärken, also Wert zu schaffen. Kampagnen, die<br />
gerade mal einen kurzfristig positiven Cashflow erzeugen, aber gleichzeitig die<br />
Wahrscheinlichkeit reduzieren, dass ein Großteil der Kunden weiterhin Kunde<br />
bleibt, führen zu einem Wertverlust.<br />
πi + Δ CE i<br />
ROC = ______________<br />
CE i-1<br />
π i = Cashflow der Kunden im betrachteten Zeitraum i<br />
Δ CE = Zuwachs/Verlust von Customer-Equity im Zeitraum i<br />
CE i-1 = Customer-Equity zu Beginn des Zeitraums i<br />
Abb. 1: Berechnung des Return-on-Customer (ROC)<br />
Peppers und Rogers illustrieren dies am Beispiel einer Unternehmung, deren<br />
Responseraten im Direktmarketing (6 Mailings pro Jahr) von ursprünglich ein<br />
Prozent jeweils 0,05 Prozentpunkte jährlich zurückgehen. Das klingt nicht wirklich<br />
tragisch, Direktmarketingleute leben seit Jahren mit solchen Phänomenen. Doch<br />
diese „schleichende Erosion“ lässt das Kundenkapital erschreckend abschmelzen.<br />
Die Auswirkungen auf den ROC sind verheerend:<br />
Jahr 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr<br />
Responserate 1,00 % 0,95 % 0,90 % 0,85 %<br />
ROC + 20 % - 10 % - 20 % - 40 %<br />
Abb. 2: Entwicklung des Return-on-Customer (ROC) bei abnehmenden Responseraten<br />
Während eine gleichbleibende Zufriedenheit und Responserate von ein Prozent in<br />
diesem Beispiel kontinuierlich einen Return-on-Customer von 20 Prozent generieren<br />
würde, erodiert die Kundenbasis mit abnehmender Zufriedenheit und entsprechend<br />
abnehmenden Responseraten auf nur noch etwas mehr als ein Viertel (-10% -20%<br />
-40% = -70%) des Ursprungs.<br />
Peppers und Rogers beschäftigen sich im Hauptteil von „Return-on-Customer“ damit,<br />
wie man erfolgreich das Kundenkapital erhöht. So liegt die Basis kundenorientierter<br />
Strategien in der Segmentierung der Kunden nach Werthaltigkeit und Potenzial<br />
sowie der Berücksichtigung von Lebenszyklusphasen. Es ist empfehlenswert,<br />
sich besonders dem Segment mit dem größten Wachstumspotenzial zu widmen,<br />
Up- und Cross-Selling zu aktivieren und die Gewinnung von Neukunden durch<br />
Empfehlungen zu stimulieren.<br />
587<br />
Schleichende<br />
Erosion der<br />
Responseraten<br />
lässt das<br />
Kundenkapital<br />
abschmelzen<br />
Segmentierung<br />
der Kunden nach<br />
Werthaltigkeit<br />
und Potenzial
Geschäftsmodell<br />
beruht auf<br />
kostenpflichtigen<br />
Premium-<br />
Funktionen<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Kundenkapital und Return-on-Customer von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />
XING, ehemals openBC, ist eine Plattform, auf der Ende Dezember 2006 1,7<br />
Millionen Business-orientierte Menschen ihre Profildaten aktiv hinterlegt haben<br />
und über „Social Software“ Verknüpfungen zu anderen Mitgliedern dieser Plattform<br />
erstellt und optisch ersichtlich gemacht werden. Das Geschäftsmodell beruht auf<br />
attraktiven Premium-Funktionalitäten mit Such-, Verknüpfungs- und Kommunikationsmöglichkeiten,<br />
die gegenüber der kostenfreien Basisversion mit 5,95 Euro pro<br />
Monat bepreist werden.<br />
Die 5,2 Millionen Aktien mit einem Nennwert von 1 Euro wurden im Dezember<br />
2006 erfolgreich mit einer Erstnotierung von 30 Euro an der Börse eingeführt.<br />
Das entspricht einem Wert von über 150 Millionen Euro, der in den ersten sechs<br />
Monaten bei +/- 2 Euro pro Aktie stabil blieb.<br />
Im Februar 2007 waren circa 1,19 Millionen Unique-Visitors online und haben<br />
ungefähr 99 Millionen Seiten abgerufen (Page-Impressions). Circa sechzig Prozent<br />
der Basis-Mitglieder und 89 Prozent der Premium-Mitglieder sind pro Monat auf<br />
der Plattform eingeloggt. Ungefähr 13 Prozent (221.000) aller Mitglieder sind<br />
Premium-Mitglieder (Stand: 31. Dezember 2006).<br />
Die Jahresbilanz 2006 weist einen Umsatz von sechs Millionen Euro aus, ohne die<br />
Kosten für den Börsengang war ein operativer Gewinn vor Zinsen, Steuern und<br />
Abschreibungen (EBITDA) von 1,4 Millionen angefallen. Die EBITDA-Marge<br />
soll auf 30 bis 35 Prozent in 2007 steigen [5].<br />
Dank Publizitätsgesetz haben wir detaillierte Daten zur Beurteilung der<br />
Werthaltigkeit des Social-Networks XING vorliegen und können so die 150<br />
Millionen Euro „challengen“. Zunächst wären da die Faktoren A bis D, nach denen<br />
wir die potenzielle Heizölhandelsakquisition beurteilt haben. Klare Pluspunkte auf<br />
der ganzen Linie:<br />
588<br />
A. Absoluter Marktführer, LinkedIn & Co. in Deutschland<br />
klar abgeschlagen.<br />
B. Relevante Zahl der potenziellen Zielgruppe erfasst.<br />
C. Kundenbindung eher groß.<br />
D. Ausstiegsbarrieren eher klein (lediglich Gefahr des Ausstiegs<br />
aus Premium-Angebot).<br />
Da es sich um einen IPO (Initial-Public-Offering) und nicht um eine Akquisition<br />
handelt, sind die Fragen E bis H für die Bewertung hier nicht relevant. Bleibt die<br />
Berechnung des kundenbezogenen Umsatz- und Margenvolumens. Der maximale<br />
Umsatz ergibt sich aus einer einfachen Multiplikation der Premium-Kunden mit<br />
der Jahresgebühr (12 x 5,95 Euro).
Harald Eichsteller: Kundenkapitalbezogene Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />
Kunden Anteil Premium-Kd. max. Umsatz tats. Umsatz EBITDA in %<br />
1.700.000 13% 221.000 15.779.400 € 6.000.000 € 1.400.000 € 23%<br />
Abb. 3: Key Performance Indicator (KPI) von XING in 2006<br />
Setzen wir nun die prospektiven Daten rein hypothetisch in einer Modellrechnung auf<br />
3,5 Millionen aktive Kunden mit einem Premium-Anteil von 20 Prozent und gehen<br />
von der avisierten Marge von 35 Prozent aus, ergeben sich die folgenden Zahlen:<br />
Kunden Anteil Premium-Kd. max. Umsatz tats. Umsatz EBITDA in %<br />
3.500.000 20% 700.000 49.980.000 € 49.980.000 € 17.493.000 € 35%<br />
Abb. 4: Key Performance Indicator (KPI) von XING hypothetisch<br />
Um von einem Jahres-EBITDA von circa 17,5 Mio Euro auf den Wert von 150<br />
Millionen Euro zu kommen, wird hier ein Multiplikator von 8,6 angesetzt. In diesem<br />
sogenannten EBITDA-Multiple sind zukünftige Gewinnerwartungen einerseits sowie<br />
Risikoeinschätzungen und Diskontierungssätze andererseits mit einbezogen. Bei der<br />
im Sommer 2007 durchgeführten Übernahme der skandinavischen Mediengruppe<br />
SBS durch die ProSiebenSat.1 Media AG kamen EBITDA-Multiples von 12 bis<br />
14 zum Ansatz, was bei der kontrovers diskutierten Zukunft des werbefinanzierten<br />
Fernsehens als sehr ambitioniert betrachtet werden kann.<br />
Zurück zu XING: es sind offensichtlich noch viele wichtige Fragen unbeantwortet,<br />
die hilfreich sein können, um auf Basis der in Abbildung 4 skizzierten KPI den<br />
Wert von XING zu beurteilen:<br />
I. Wie groß ist das gesamte Zielgruppen-Potenzial?<br />
J. Kann das Angebot auf weitere Zielgruppen übertragen werden?<br />
K. Kann das Angebot auf weitere Länder übertragen werden?<br />
L. Wie groß ist der Unterschied zwischen EBITDA und EBIT?<br />
M. Wie groß ist die Churn-Rate: Wie viele Premium-Kunden kündigen?<br />
N. Welche Business-Modelle lassen sich zusätzlich andocken?<br />
O. Welche Strategischen Allianzen können Netz- und<br />
Margeneffekte verstärken?<br />
P. Welche EXIT-Szenarien sind möglich?<br />
Q. Ist ein Verkauf an die „üblichen Verdächtigen“ für diese attraktiv?<br />
(Google, eBay, Microsoft, News Corporation, Holtzbrinck, Private<br />
Equity Companies)<br />
Und zu guter Letzt bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit und langfristigen<br />
Sicherung des eingesetzten Kapitals. Der erste Aspekt kann mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
positiv bewertet werden – trotz niedriger Eintrittsbarrieren bei digitalen<br />
Konzepten werden es weitere Plattformen wie StayFriends oder LinkedIn schwer<br />
haben, sich in Deutschland erfolgreich und schnell zu etablieren. Mittelfristig bleibt<br />
589<br />
Wie groß ist<br />
die Churn<br />
Rate: Wie viele<br />
Premium-Kunden<br />
kündigen?
Auf einem<br />
Portal massiv<br />
Werbung zu<br />
schalten, könnte<br />
die Community<br />
verschrecken<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
nur die Frage, wie es StudiVZ, einem im jüngeren Zielsegment positionierten<br />
Social-Network, gelingt, den Übergang von der Studierenden-Plattform in die<br />
Business-Welt zu gestalten.<br />
StudiVZ ist eine Plattform, auf der Studierende die Möglichkeit haben, ihren<br />
Freundeskreis online abzubilden, sich mit Kommilitonen zu vernetzen und<br />
neue Kontakte zu knüpfen. Gemeinsam besuchte Vorlesungen, Interessen<br />
und Themengruppen werden verlinkt. Persönliche Profile, Fotoalben und<br />
Diskussionsgruppen zählen zu den Grundfunktionen.<br />
Die 1,8 Millionen Mitglieder sind zu 97 Prozent zwischen 18 und 29 Jahren alt<br />
und rufen monatlich über 1,8 Milliarden Seiten ab (Page Impressions). 51 Prozent<br />
sind täglich, 84 Prozent wöchentlich und 93 Prozent mindestens einmal im Monat<br />
eingeloggt. Es sind 1500 Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen vertreten,<br />
besonders BWL/VWL/Jura (20% + 6%), angehende Ingenieure und Informatiker<br />
(13% + 5%) sowie Pädagogen (7%).<br />
Die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck hat die Plattform, die im März 2006 noch<br />
3000 Mitglieder zählte, für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag gekauft, die<br />
Angaben schwanken zwischen 50 und 85 Millionen Euro. Vermarktet wird die Site<br />
nun über GWP media-marketing der Verlagsgruppe Handelsblatt.<br />
Die Financial Times Deutschland (FTD) schreibt am 3. Januar 2007: „Bei Holtzbrinck<br />
selbst wird der Preis für das Verluste schreibende Unternehmen als durchaus<br />
hoch bewertet.“ „Die größte Frage wird sein, wie das zu monetarisieren ist, da<br />
haben wir noch eine Menge Arbeit vor uns“, sagte ein Beteiligter. Auf dem Portal<br />
massiv Werbung zu schalten, könnte die Studenten-Community verschrecken. „Das<br />
wird man sicher sehr vorsichtig machen müssen“, hieß es. „Für die Nutzer soll das<br />
Angebot des Portals weiter kostenlos sein.“ [6]<br />
Es wird deutlich, dass unser Kriterienkatalog A bis D zwar auch durchaus sehr<br />
positive Antworten generiert, aber keinerlei monetarisierbare kundenbezogene<br />
Ansätze bietet. Das Vorbild Facebook mit über 20 Millionen Nutzern soll laut<br />
FTD im Jahr 2006 ca. 50 Mio. Dollar Umsatz mit Onlinewerbung und dem<br />
Verkauf virtueller Symbole erzielt haben. Die Gründer und Betreiber von<br />
Facebook setzen sich mit eigenen Wertansätzen immer wieder geschickt in Szene.<br />
Nach Brancheninformationen haben 2006 Angebote von Viacom und Yahoo<br />
über mindestens 750 Mio Dollar vorgelegen. Peter Thiel, Großaktionär und<br />
Aufsichtsratsmitglied sagte der „Financial Times“ Mitte Juli 2007, dass Facebook<br />
aktuell 2 bis 3 Mrd. Dollar bekommen könne, aber man an 8 bis 10 Milliarden Dollar<br />
Wert glaube. In einem Blog der Zeitschrift „Business 2.0 Magazine“ in den USA<br />
stand letztes Jahr der von Facebook schon damals in Umlauf gebrachte Wertansatz<br />
von 2 Milliarden Dollar heftig in der Diskussion; ein Blogger rechnete vor, dass<br />
jeder College-Student also 285 Dollar wert sein müßte. [6]<br />
Klassischen Verlagshäusern ist diese Art von Rechnung vertraut. Die Betrachtung<br />
fokussiert sich dabei allerdings nicht auf den kundenbezogenen Wert, sondern die<br />
kundenbezogenen Akquisitionskosten. Der FTD beispielsweise ist es 200 Euro<br />
wert, einen neuen Abonnenten zu gewinnen (Stand Mai 2007). Rechnet man die<br />
Akquisitionskosten für StudiVZ als Akquisitionskosten für die zahlreichen Produkte<br />
590
Harald Eichsteller: Kundenkapitalbezogene Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen<br />
der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck um, errechnet sich ein Wert von circa<br />
50 Euro. Frage E „Verschafft mir die Akquisition Zugang zu einem Markt, den ich<br />
bisher nicht hatte?“ und Frage F „Erhöht sich die Effizienz meiner Kommunikationsmaßnahmen?“<br />
treffen hier offensichtlich eher den Kern der Strategie bei von<br />
Holtzbrinck Networks. Laut FTD „erhofft sich der Konzern beizeiten Synergien mit<br />
dem Studienführer der zum Verlag gehörenden Wochenzeitung „Zeit“, die darüber<br />
hinaus das Magazin „Zeit Campus“ mit dazugehörigem Online-Portal an den Start<br />
gebracht hat“ [6]. Werbefinanzierten Portalen bleibt also definitiv der gleiche Weg<br />
wie allen medialen Werbeträgern – Erhöhung der Tausender-Kontakte, Etablierung<br />
einer hohen Kontaktqualität, Realisierung hoher Tausender-Kontakt-Preise. Mit dem<br />
Betrieb von lokalen Portalen in Frankreich, Spanien, Italien und Polen ist StudiVZ<br />
auf einem guten Weg zur weiteren Expansion. Mit einem Spin-Off für Schüler<br />
erschließt man die noch jüngeren Zielgruppen, die sich in ihren Peer Groups per<br />
SMS und Messenger verständigen. Bleibt die am Ende des letzten Kapitels gestellte<br />
Frage, wie es gelingt, den Übergang von der Studierenden-Plattform in die Welt<br />
der Werktätigen zu gestalten.<br />
Social Commerce ist ein erst in diesem Jahr an der Oberfläche sichtbar gewordenes<br />
Feld, das zusätzliche Perspektiven eröffnen könnte. Das auf Revenue-Sharing<br />
aufgebaute Business-Modell, was in Affiliate-Programmen erfolgreich zum<br />
Einsatz kommt, setzt darauf, dass die aktiven Meinungsführer in Communities ihre<br />
Empfehlungsmacht auch für Produkte und Dienstleistungen einsetzen. Dieser relativ<br />
kleine, auf 5 Prozent geschätzte Teil der Community Members, die bereits 1997<br />
von Hagel/Armstrong skizziert wurden [7], stellen in ihrem Bereich/Profil Produkte<br />
und Dienstleistungen dar und schaffen einen Direktzugang zu Commerce-Seiten.<br />
Für Unternehmen und Plattformbetreiber bedeutet dies, diese Meinungsführer als<br />
eigene Zielgruppe zu erfassen und es dieser besonders einfach zu machen, attraktive<br />
Links zu Produkten und Dienstleistungen in ihren Bereich/Profil zu integrieren.<br />
Dealjaeger.de beispielsweise ist eine Social-Commerce-Plattform, die dieses<br />
Business Modell betreibt und sich den Revenue-Share der Commerce-Betreiber<br />
mit den aktiven Usern teilt. Dieser Mechanismus könnte nach Einschätzung von<br />
Experten durchaus eine wertvolle Erweiterung der Business-Modelle der skizzierten<br />
Social-Network-Plattformen werden.<br />
Der Zugang zu technischem Knowhow und hochperformanter Informationstechnologie<br />
bei <strong>Web</strong> 2.0-Portalen und anderen digitalen Konzepten ist ein wichtiger<br />
Aspekt, der durch die Kundenfokussierung der dargestellten Wertansätze noch<br />
nicht betrachtet wurde. Die Gründergeneration von <strong>Web</strong> 1.0 hat immer noch die<br />
Nase vorn, wenn es gilt, den Nerv von interessanten Zielgruppen mit innovativen<br />
Angeboten und einem „Added Value“ zu treffen.[8]<br />
Die Applikationen sind durchweg web-basiert, schlank und skalierbar auf dem<br />
neuesten Stand der Technologie ohne Rücksichten auf bestehende IT-Infrastrukturen<br />
aufgebaut. Das gelingt in traditionellen Unternehmen nicht immer<br />
und so entsteht leicht ein zeitlich technologischer Gap von einem Jahr und mehr.<br />
Die Schlussfolgerung: „Nachbauen“ geht nicht so einfach, den „First-Mover-<br />
Advantage“ aufholen oftmals auch nicht. Strategische Alternativen sind somit<br />
lediglich: „Aufgeben“ oder „Kaufen“!<br />
591<br />
Zeitungen ist<br />
es bis zu 200<br />
Euro wert,<br />
einen neuen<br />
Abonnenten zu<br />
gewinnen<br />
First-Mover-<br />
Advantage durch<br />
Nachbauen<br />
aufzuholen ist<br />
schwer
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Diese Erkenntnis hat viele etablierte Unternehmen dazu bewegt, Gründerfirmen<br />
mit Eigenkapital auszustatten und somit einen alternativen Zugang zu innovativen<br />
Ansätzen und Technologien zu haben. Eine sehr stark vereinfachte Rechnung zeigt<br />
allerdings, dass auch hier das Investment erheblich sein kann: Ein <strong>Web</strong>-Arbeiter<br />
mit 75.000 Euro pro Jahr „all inclusive“ ausgestattet „verbrennt“ in einem Jahr<br />
mit 39 Kollegen ein Jahresbudget von 3 Millionen Euro – ein schlagkräftiges, gut<br />
überschaubares und hochmotiviert führbares Unternehmens-Setup. Berücksichtigt<br />
man zwei Jahre Entwicklungszeit und eine Erfolgsquote von 20 Prozent, errechnen<br />
sich 30 Millionen Euro. Zugegebenermaßen ist das einfach und konservativ<br />
gerechnet; jeder Fondsmanager von Private Equity und Venture Capital wird deshalb<br />
bestrebt sein, die Entwicklungszeit zu verkürzen und Erfolgsaussichten durch eine<br />
qualifizierte Vorauswahl der Investments zu erhöhen.<br />
Virtuelle Welten produzieren seit Second Life Schlagzeilen in Boulevard- und<br />
Fachpresse. Die Ankündigungen von Sony@home sowie Endemol mit Electronic<br />
Arts, weitere Welten zu kreieren, die sich grafisch zweifelsohne in einer anderen<br />
Qualitäts- und Performanzebene bewegen werden, müssten bei Linden Labs<br />
die Alarmglocken läuten lassen. Second Life hat es nicht geschafft, schnell und<br />
nachhaltig genug die Zielgruppe zu binden.<br />
So sind die Investitionen der werbetreibenden Wirtschaft in ihre jeweilige virtuelle<br />
Selbstdarstellung auf Second Life nicht als Commitment für die Plattform, sondern<br />
für das Genre zu sehen. Virtuelle Showrooms und Ingame-Advertising sind<br />
Werbeformen der Zukunft, für die sich die Unternehmen von American Apparel<br />
bis Adidas, von Reuters bis Springer, von IBM bis Vodafone rüsten.<br />
Abschließend kann man sagen, dass für die Bewertung von <strong>Web</strong> 2.0-Portalen nicht<br />
mehr oder weniger strukturiertes Vorgehen gefragt ist als bei der Bewertung von Old<br />
und Very Old Economy Geschäften. Das Risiko kann nur dann besser eingeschätzt<br />
werden, wenn man enger und näher an Zielgruppen und Technologie ranrückt,<br />
um potenzielle Erfolgsaussichten einschätzen zu können. Kundenkapitalbezogene<br />
Ansätze sind auf jeden Fall hilfreich, fantasievolle und zugleich realistische<br />
Einschätzungen zukünftiger Erträge zu erhalten.<br />
Literatur<br />
[1] Marta Rogers, Don Peppers: Return-on-Customer: Creating Maximum Value from<br />
Your Scarcest Resource. – 304 Seiten, ISBN 9780385510301, Cyan Books, 2005.<br />
[2] Harald Eichsteller, Michael Lorenz, Stephan Wecke: Fit für die Geschäftsführung.<br />
– Aufgaben und Verantwortung souverän meistern. – 256 Seiten, ISBN 9783593376622,<br />
Campus, 2005.<br />
[3]) Brand Equity Review, Göttgens, Bauer, BBDO 2001. http://www.bbdo.de/de/home/<br />
studien.download.Par.0008.Link1Download.File1Title.pdf<br />
[4] http://www.interbrand.ch/d/presse/presse_d.asp?anc=bestglobalbrands06<br />
[5] http://corporate.xing.com/<br />
[6] Financial Times Deutschland unter www.ftd.de; diverse Abrufe Mai-Juli 2007.<br />
[7] John Hagel, Arthur G. Armstrong: Net Gain: Profit im Netz. – 344 Seiten, ISBN<br />
9783636013941, Redline Wirtschaftsverlag, 2006.<br />
[8] Die 50 interessantesten Gründer, Wirtschaftswoche, 3. April 2007.<br />
592
Klickbetrug und<br />
Affiliate-Hopping<br />
Christian Bennefeld<br />
Müssen sich Privatkunden mit kriminellen Auswüchsen wie Phishing, URL-<br />
Spoofing und Dialern herumschlagen, so werden Internetunternehmen von Klickbetrug<br />
und Affiliate-Hopping heimgesucht. Diese beiden Ausprägungen illegaler<br />
<strong>Web</strong>-Aktivitäten richten genau da Unheil an, wo es viele Unternehmen besonders<br />
schmerzt: im Online-Marketing. Denn so effizient die unterschiedlichen Instrumente<br />
der virtuellen Absatzförderung auch sind, betrügerische Geldmacherei ist auch<br />
hier längst keine Seltenheit mehr – und dabei geht es häufig um beträchtliche<br />
Summen.<br />
Entsprechend häuft sich auch die Zahl der Werbetreibenden, die gegen ihre<br />
Marketingpartner vor Gericht ziehen. Ein prominentes Beispiel: Im Rahmen einer<br />
Sammelklage gegen Google wurde im Juli 2006 ein Vergleich geschlossen, der<br />
den Internetkonzern zur Zahlung von 90 Millionen US-Dollar an seine Kunden<br />
verpflichtete. Diese beträchtliche Summe resultiert ausschließlich aus Schäden, die<br />
auf Klickbetrug zurückzuführen sind. Auf Kundenseite ist man sich einig, dass<br />
Suchmaschinenbetreiber und Affiliate-Plattformen weitreichendere Maßnahmen<br />
ergreifen müssen, um sich und ihre Werbepartner vor der kriminellen Energie von<br />
Internetbetrügern zu schützen. Doch wie lässt sich Betrug im Internet systematisch<br />
aufdecken? Ist es vielleicht sogar möglich, kriminelle Handlungen zu verhindern?<br />
Mit welchen Mitteln können die tatsächlichen Betrüger identifiziert und darüber<br />
hinaus auch haftbar gemacht werden?<br />
Um diesen Fragestellungen auf den Grund zu gehen, werden im Folgenden drei<br />
wesentliche Formen von Betrügereien im E-Business unterschieden: Klickbetrug<br />
im Keyword-Advertising und bei Google-AdSense sowie betrügerische Machenschaften<br />
im Affiliate-Marketing. Dieser Artikel liefert Informationen zu den<br />
technischen Hintergründen und bietet wertvolle Hinweise, wie sich illegale<br />
Machenschaften erkennen und sogar vermeiden lassen.<br />
Betrug im CPC-Geschäft<br />
Ein Großteil der Klickbetrügereien spielt sich rund um die Marketingmaßnahmen ab,<br />
bei denen pro Klick abgerechnet wird. Diese spezielle Form der Online-Werbung,<br />
das Cost-per-Click- oder kurz CPC-Modell, kommt sowohl im klassischen<br />
Keyword-Advertising als auch beispielsweise bei Google-AdSense zum Einsatz.<br />
593<br />
Was für Privatkunden<br />
Phishing<br />
ist, sind für<br />
Unternehmen<br />
Klickbetrug und<br />
Affiliate-Hopping
Mitbewerber<br />
klickt mehrfach<br />
auf Sponsored<br />
Links seines<br />
Konkurrenten<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Klickbetrug im Keyword-Advertising<br />
Die simpelste Variante des Klickbetrugs im Keyword-Advertising zielt auf die<br />
finanzielle Schädigung der Konkurrenz ab. Dazu klickt ein Mitbewerber meist<br />
manuell mehrfach auf den Sponsored-Link seines Konkurrenten – dieser muss<br />
deshalb letztlich auch für Klicks zahlen, die nicht von seiner Zielgruppe stammen.<br />
Regelrecht professionell wird der Klickbetrug, wenn sogenannte Robots oder<br />
Click-Bots zum Einsatz kommen. Bei ihnen handelt es sich um Software-Tools,<br />
die automatisch und mit hoher Frequenz auf Sponsored Links und Werbeanzeigen<br />
klicken. Automatisiertes Klicken ist für Betrüger insbesondere dann ein probates<br />
Mittel, wenn die Werbeanzeige, die ein Mitbewerber geschaltet hat, komplett<br />
aus der Liste der Sponsored Links verschwinden soll. Die Robots klicken hierzu<br />
einfach so lange auf einen gut gelisteten Link, bis dessen festgelegtes Tagesbudget<br />
ausgeschöpft ist. Häufig wird so das CPC-Budget durch die Robots bereits in den<br />
frühen Morgenstunden aufgebraucht. Die Folge: Die Anzeige des Mitbewerbers<br />
erscheint an diesem Tag gar nicht mehr. Inzwischen bieten sogar organisierte Banden<br />
ihre Dienste an, wenn es darum geht, die Konkurrenz entweder durch manuelles<br />
oder durch automatisiertes Klicken auf die Sponsored Links zu schädigen.<br />
Beispiel: Ein namhafter Anbieter von Krankenversicherungen wird bei einer<br />
Suchmaschine in den Sponsored Links an erster Stelle gelistet, sobald ein Internetnutzer<br />
die Suchbegriffe „Krankenversicherung Vergleich“ eingibt. Er zahlt dafür<br />
den Betrag von 7,50 Euro pro Klick; das Tagesbudget ist auf 11.250 Euro, also<br />
exakt 1.500 Klicks festgelegt. Nun beauftragt ein Konkurrenzunternehmen einen<br />
Klickbetrüger mit dem Wegklicken des Mitbewerbers. Mit einer speziell zu<br />
diesem Zweck entwickelten Robot-Software ist es für den Betrüger ein Leichtes,<br />
in kürzester Zeit 1.500 Klicks zu tätigen. Er beginnt damit kurz nach Mitternacht,<br />
und am folgenden Morgen ist der Krankenversicherungsanbieter aus der<br />
Liste der Sponsored Links verschwunden. Dem Werbetreibenden ist dabei ein<br />
doppelter Schaden entstanden: Zum einen hat er mehrere tausend Euro in eine<br />
Marketingmaßnahme investiert, die absolut keinen Nutzen erzielt, zum anderen<br />
entgehen ihm für den entsprechenden Tag Neukundengewinne, Interessenten geraten<br />
an die Konkurrenz.<br />
Klickbetrug bei Google-AdSense<br />
Die Motivation zum Klickbetrug bei Google-AdSense liegt weniger in der<br />
Schädigung der Konkurrenz als darin, dass ein <strong>Web</strong>sitebetreiber, der Google-<br />
AdSense auf seiner <strong>Web</strong>site schaltet, durch zahlreiche Klicks mehr Geld verdienen<br />
kann. Deshalb geht ein Großteil der Betrügereien bei Google-AdSense auf das Konto<br />
von Werbepartnern, die – manuell oder automatisiert – auf die Links der bei ihnen<br />
gelisteten Unternehmen klicken. Die Zahl der Betrüger, die scheinbar thematisch<br />
relevante <strong>Web</strong>sites erstellen, nimmt inzwischen beträchtliche Ausmaße an.<br />
Beispiel: Ein Online-Händler von Trekking-Ausrüstungen definiert in Google-<br />
AdWords unter anderem die Keywords „Zelten“, „Camping“ und „Trekking“ für<br />
seine Werbeanzeigen. Gleichzeitig aktiviert er Google-AdSense für die zusätzliche<br />
Werbeeinblendung auf themenspezifischen <strong>Web</strong>sites. Dadurch erscheint der Link<br />
zu seinem Online-Shop jetzt automatisch beispielsweise auch auf Special-Interest-<br />
594
Portalen zum Thema Trekking und auf <strong>Web</strong>sites von Individualreiseanbietern. Eine<br />
der Special-Interest-Seiten, ein Forum zum Thema „Camping in Skandinavien“,<br />
ist ausschließlich erstellt worden, um als Werbeplattform Gewinne zu erzielen.<br />
Der Betreiber des Campingforums begnügt sich jedoch nicht mit den regulären<br />
Einnahmen, die er durch die Klicks seiner <strong>Web</strong>sitebesucher auf die Links des<br />
Trekkingausrüsters erzielt. Er steigert seine Erträge dadurch, dass er mehrfach<br />
am Tag selbst auf die entsprechenden Links klickt, intelligente Robots zur Klickgenerierung<br />
einsetzt oder professionelle Klickbetrüger beauftragt. Hier entstehen<br />
für den Werbenden je nach Höhe des Klickpreises ebenfalls erhebliche finanzielle<br />
Schäden – ganz abgesehen davon, dass vielleicht seine gesamte Online-Marketing-<br />
Kampagne ohne Wirkung verpufft.<br />
Betrug im Affiliate-Marketing<br />
Christian Bennefeld: Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />
Neben den professionellen Klickbetrügern, die sich durch die Manipulation von Costper-Click-Programmen<br />
bei Google, Yahoo und Co. bereits bis zu dreißig Prozent<br />
der eingesetzten Budgets unter den Nagel reißen, erschleichen sich sogenannte<br />
Affiliate-Hopper mit unlauteren Mitteln Provisionen und Gewinnbeteiligungen.<br />
Im Affiliate-Marketing wird nur selten über Einzelklicks auf Banner oder Links<br />
betrogen, da CPC-Modelle hier keine große Verbreitung haben. Die geringen<br />
Klickpreise bieten – anders als im Keyword-Advertising – keinen großen Anreiz<br />
für Betrüger. In den meisten Fällen erschleichen sich sogenannte Affiliate-Hopper<br />
unrechtmäßig Provisionen, indem sie für denselben Merchant auf mehreren Affiliate-<br />
Plattformen als Publisher registriert sind. So ist es möglich, dass dem Publisher ein<br />
und derselbe Einkauf beim selben Merchant durch die unterschiedlichen Plattformen<br />
mehrfach vergütet wird. Da die einzelnen Affiliate-Plattformen autark arbeiten<br />
und einen Cookie einer anderen Plattform nicht auslesen können, ist es technisch<br />
für die Plattformbetreiber nicht möglich, diesen Betrug festzustellen. Diese<br />
Betrugsvariante funktioniert immer dann, wenn Merchants ihr Partnerprogramm<br />
auf mehreren Affiliate-Plattformen betreiben und auf ihnen dieselben Affiliate-<br />
Partner teilnehmen.<br />
Die technische Umsetzung von Affiliate-Hopping ist simpel: Schaltet ein Merchant<br />
im Rahmen seiner Kampagne Werbemittel auf verschiedenen Affiliate-Plattformen,<br />
veröffentlicht der Publisher diese zwar auf seiner <strong>Web</strong>site, er verlinkt sie jedoch so<br />
geschickt, dass der Besucher Cookies von jeder der Affiliate-Plattformen gesetzt<br />
bekommt – auch wenn er nur auf ein einziges Werbemittel klickt. So geht bei<br />
Abschluss einer Transaktion dieses Besuchers jeweils eine Rückmeldung an die<br />
einzelnen Affiliate-Plattformen, auf denen der Merchant sein Programm betreibt,<br />
obwohl es nur einen Kaufabschluss gab. Resultat: Der Betrüger kassiert die<br />
Provision für eine einzelne Transaktion gleich mehrfach.<br />
Beispiel: Ein Modehaus möchte die Besucherzahl und damit gleichzeitig die<br />
Verkaufsrate in seinem Online-Shop erhöhen. Dazu betreibt es sowohl bei affilinet<br />
und TradeDoubler als auch bei zanox ein Affiliate-Programm. Nun erstellt ein<br />
<strong>Web</strong>master ein <strong>Web</strong>portal zum Thema „Mode und Lifestyle“ und meldet sich bei<br />
den drei Plattformen als Publisher für das Modehaus an. Er schaltet das aktuelle<br />
595<br />
Wenn Partnerprogramme<br />
auf mehreren<br />
Affiliate-<br />
Plattformen<br />
gleichzeitig<br />
betrieben werden
Kein Rückkanal<br />
zwischen<br />
Warenwirtschaft<br />
und Affiliate-<br />
Plattform wichtig<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Werbemittel des Modehauses jedoch nur einmal und verknüpft dieses so geschickt<br />
mit den einzelnen Programmen der Plattformen, dass ein Werbemittelklick bei<br />
allen drei Plattformen registriert wird. Deshalb wird nicht nur ein Cookie gesetzt,<br />
wenn ein Besucher seiner <strong>Web</strong>site über das Werbemittel in den Online-Shop des<br />
Modehändlers gelangt, sondern gleich drei. Bestellt der Kunde jetzt ein Produkt,<br />
so wird bei Bestellung ebenfalls für jede der drei Plattformen je ein unsichtbares<br />
Pixel geladen. Die Folge: Jede Plattform registriert die Bestellung und ordnet den<br />
Verkauf dem betrügerischen Publisher zu. Der Betrüger streicht so für nur eine<br />
Bestellung die vereinbarte Gewinnbeteiligung dreifach ein.<br />
Doch damit nicht genug: Um seine unrechtmäßigen Erträge weiter zu erhöhen,<br />
macht sich der Affiliate-Betrüger den fehlenden Rückkanal zwischen Warenwirtschaft<br />
und Affiliate-Plattform zu Nutze. Hierzu bestellt er zunächst sehr<br />
kostspielige Produkte selbst, beispielsweise teure Herrenanzüge und Abendkleider.<br />
Diese Bestellungen storniert er jedoch umgehend. In Ermangelung einer<br />
Schnittstelle zwischen der Warenwirtschaft, in der die Stornierungen verwaltet<br />
werden, und den Affiliate-Plattformen, die den Verkauf registriert haben, ist keine<br />
Transparenz darüber gegeben, ob eine Bestellung widerrufen wurde. So kann das<br />
Modehaus im Affiliate-System nicht detailliert erkennen, welche Waren tatsächlich<br />
gekauft und welche Bestellungen storniert wurden. Der Affiliate-Betrüger nutzt<br />
diesen blinden Fleck und streicht lukrative Provisionen für Verkäufe ein, die<br />
faktisch nicht zu Stande gekommen sind. Weil ein Rückkanal zur Stornomeldung<br />
an die Affiliate-Plattform nicht vorhanden ist, nimmt das Modehaus jeden Monat<br />
eine pauschale Provisionsbereinigung vor, die sich an der aktuellen Stornoquote<br />
bemisst. Die Abzüge, die durch diese Provisionsbereinigung entstehen, sind für den<br />
Affiliate-Hopper jedoch praktisch irrelevant, denn er fährt nach wie vor enorme<br />
Provisionssummen ein – und das bei geringstem Aufwand.<br />
E-Business-Betrüger: Eine anonyme Masse<br />
Betrüger, die sich in der Unterwelt des Online-Marketings besonders wohlfühlen,<br />
zeichnen sich durch ein ganz spezielles Merkmal aus: Sie verstehen es, sich<br />
weitestgehend unerkannt im Internet zu bewegen. Dabei wächst die geschätzte<br />
Dunkelziffer über Häufigkeit und Ausmaß von E-Business-Betrügereien von Jahr<br />
zu Jahr dramatisch.<br />
Wie E-Business-Betrüger ihre Spuren verwischen<br />
Egal ob Klickbetrug oder Affiliate-Hopping, die wenigsten Internetgauner gehen so<br />
ungeschickt ans Werk, dass sie über ihre IP-Adresse oder Cookies ausfindig gemacht<br />
werden können. Hinter dieser kleinen Gruppe von Amateur-Betrügern verbergen<br />
sich in den meisten Fällen vermutlich Unternehmer, die durch manuelle Klicks auf<br />
Sponsored-Links oder Werbebanner ihrem Konkurrenten auf die Schnelle Schaden<br />
zufügen wollen. Der Großteil der professionellen Klickbetrüger bedient sich jedoch<br />
wesentlich ausgereifterer Methoden.<br />
Inzwischen ist es selbst für Laien kein Problem mehr, sich im Internet völlig anonym<br />
zu bewegen. Viele Maßnahmen schützen jedoch nicht nur die Privatsphäre von<br />
596
aufrichtigen Nutzern, sie ermöglichen es auch Online-Betrügern, nahezu unentdeckt<br />
zu bleiben. Üblicherweise kann spätestens durch einen richterlichen Beschluss über<br />
die IP-Adresse, die an jeden Internetnutzer vergeben wird, festgestellt werden,<br />
wer sich hinter dem Besucher einer <strong>Web</strong>site verbirgt. Das lässt sich jedoch leicht<br />
umgehen: Durch sogenannte Proxies ist es so gut wie unmöglich, einen Nutzer zu<br />
identifizieren. Proxy heißt „Stellvertreter“ und bezeichnet einen Netzwerkserver, der<br />
anstelle eines Client-Rechners Netzwerkverbindungen aufbaut und so die Rolle des<br />
Internetnutzers übernimmt. Ähnlich einem Boten führt der Proxy die Anweisungen<br />
des Internetnutzers stellvertretend durch und verwendet dabei eine eigene IP-Adresse.<br />
Bei sogenannten offenen Proxies handelt es sich zumeist um Server, die fehlerhaft<br />
konfiguriert sind. Sie nehmen im Gegensatz zu regulär eingestellten Proxy-Servern<br />
jegliche externe Anfrage entgegen und reichen diese in ihrem Namen weiter. So wird<br />
die Identität der anfragenden Person nicht sichtbar. Letztlich kann jedermann einen<br />
offenen Proxy als virtuelle Zwischenstation verwenden. Auf diesem Weg bleiben<br />
Internetbetrüger, die auf einzelne Links klicken, in der Regel völlig unentdeckt. Und<br />
auch die vorgetäuschte Bestellung von Produkten eines Affiliate-Merchants bleibt<br />
so anonym. Erschwerend kommt hinzu, dass professionelle Betrüger ausländische<br />
Proxies nutzen oder direkt aus dem Ausland heraus agieren. Sie können also häufig<br />
selbst dann nicht rechtlich belangt werden, wenn ihre Identität aufgedeckt wurde.<br />
Häufigkeit von E-Business-Betrug<br />
Der Betrug über den Verbrauch des Tagesbudgets, also Klickbetrug im Keyword-<br />
Advertising, ist in Europa zurzeit noch nicht so stark verbreitet; in den USA ist er aber<br />
längst ein großes Thema. Klickbetrug über Google-AdSense bewegt sich inzwischen<br />
auch in Europa in manchen Branchen deutlich im zweistelligen Prozentbereich.<br />
Ebenso wächst die Zahl der Affiliate-Hopper. Bei großen Unternehmen, die ihre<br />
Online-Marketingaktionen über mehrere Affiliate-Plattformen laufen lassen,<br />
können in Deutschland schon jetzt bis zu zwanzig Prozent der Provisionen auf<br />
betrügerische Maßnahmen zurückgeführt werden.<br />
Anbieter von CPC-Abrechnungsmodellen wie Google, Yahoo! Search Marketing<br />
und Miva sehen im Gegensatz zu vielen Experten den Klickbetrug in Deutschland<br />
und Europa im zu vernachlässigenden Promillebereich. Diese Aussage wird durch<br />
eigene Messungen der Betreiber unterstrichen. Jedoch sind die CPC-Anbieter<br />
technisch gar nicht in der Lage, die wirkliche Größenordnung zu messen. Den<br />
Anbietern stehen in der Regel nur Daten über den Besucher zur Verfügung, die<br />
bei der Einblendung der Werbeanzeige und beim Klick erfasst wurden. Ob der<br />
Besucher jemals die <strong>Web</strong>site des Werbetreibenden erreicht und sich auf dieser wie<br />
ein regulärer Nutzer verhält, bleibt ihnen verschlossen.<br />
Maßnahmen gegen Betrug im E-Business<br />
Christian Bennefeld: Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />
Das wirksamste Mittel, um Betrügereien im Internethandel zu erkennen, ist ein<br />
durchgängiges Tracking des Besucherverhaltens durch ein <strong>Web</strong>-Controlling<br />
System. Kennt ein Online-Verantwortlicher das natürliche Verhalten auf seiner<br />
<strong>Web</strong>site, so kann er Abweichungen im Nutzerverhalten, die auf Klickbetrug<br />
597<br />
Klickbetrug<br />
im Keyword<br />
Advertising, ist<br />
in Europa zurzeit<br />
noch nicht stark<br />
verbreitet<br />
Grundsätzliche<br />
Maßnahmen<br />
gegen E-Business-Betrug
Tracking des<br />
Besucherverhaltens<br />
durch ein <strong>Web</strong>-<br />
Controlling<br />
System<br />
notwendig<br />
Bei nachgewiesenem<br />
Betrug<br />
werden<br />
Vergütungen<br />
nicht ausschüttet<br />
sondern dem<br />
Werbetreibenden<br />
automatisch<br />
rückerstattet<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
hinweisen, schnell erkennen. Um eine <strong>Web</strong>site und ihr natürliches Verhalten zu<br />
messen, empfiehlt es sich, zunächst nur jene Nutzer zu beobachten, die nicht über<br />
Affiliate-Maßnahmen oder Sponsored Links auf die <strong>Web</strong>site gelangen. Bei dieser<br />
Messung werden im regulären <strong>Web</strong>sitetraffic unter anderem folgende Kennzahlen<br />
betrachtet:<br />
Geografie: Aus welchen Ländern, Regionen und Städten kommen die Besucher?<br />
IP-Adressen: Haben die Besucher Proxies genutzt? Wurde ein Großteil der<br />
Werbemittelklicks und Abverkäufe von offenen Proxies aus getätigt?<br />
Technische Daten: Welche Betriebssysteme, Browser, Provider et cetera verwenden<br />
die Besucher?<br />
Verweildauer: Wie lange haben sich die Besucher auf der <strong>Web</strong>site aufgehalten?<br />
Seitenaufrufhäufigkeiten: Wie viele und welche Seiten wurden aufgerufen?<br />
Zeitverhalten: Zu welcher Uhrzeit und mit welcher Frequenz wird auf Anzeigen<br />
geklickt?<br />
Konversionsraten: Wie viele Käufe oder Transaktionen wurden korrelierend zur<br />
entsprechenden Werbemaßnahme getätigt?<br />
Werbemittelkontakte: Mit welchem Werbemittel hatte der Besucher den letzten<br />
und damit zu wertenden Werbemittelkontakt?<br />
Nachdem die <strong>Web</strong>site und das natürliche Verhaltensmuster der Besucher durch das<br />
<strong>Web</strong>-Controlling System analysiert und eingemessen sind, kann eine Betrugsanalyse<br />
sämtlicher Besucher – inklusive der Kampagnenbesucher – erfolgen, also auch<br />
derjenigen, die über CPC-Modelle und Affiliate-Kampagnen auf die <strong>Web</strong>site gelangt<br />
sind. Weichen nun einer oder mehrere der Parameter erheblich von den zuvor<br />
analysierten Mustern ab, ist es mehr als wahrscheinlich, dass der Werbetreibende<br />
Klickbetrügern zum Opfer gefallen ist.<br />
Gerade bei Click-Bots, die das betrügerische Klicken automatisieren, werden<br />
Abweichungen vom Verhalten realer <strong>Web</strong>sitebesucher schnell deutlich. Besonders<br />
auffällig sind in solchen Fällen beispielsweise Seitenzugriffe, bei denen<br />
der mutmaßliche Besucher nach dem Aufruf der Startseite die <strong>Web</strong>site direkt<br />
wieder verlässt. Häuft sich ein derartiges Verhalten, liegt auch hier wieder der<br />
Betrugsverdacht nahe. Selbst bei intelligenteren Click-Robots, die sich dem<br />
menschlichen Verhalten entsprechend mit mehreren Klicks über eine <strong>Web</strong>site<br />
bewegen, lassen sich mit einem übergreifenden <strong>Web</strong>-Controlling über kurz oder<br />
lang Abweichungen vom natürlichen Traffic feststellen.<br />
Ein spezieller Indikator für systematischen Klickbetrug ist das verstärkte Aufkommen<br />
von IP-Adressen, hinter denen sich offene Proxies verbergen. Um auf Klickbetrüger<br />
aufmerksam zu werden, die sich auf diese Weise anonymisieren, abonnieren die<br />
Suchmaschinenbetreiber Listen offener Proxies und gleichen diese mit den bei<br />
Werbemittelklicks gemessenen IP-Adressen ab. Decken sich die IP-Adressen der<br />
Liste mit denen verdächtiger Werbemittelklicks, kann es vorkommen, dass der<br />
598
Betreiber die entsprechenden Vergütungen im Verdachtsfall nicht ausschüttet und<br />
dem Werbetreibenden automatisch rückerstattet.<br />
Spezielle Maßnahmen im Affiliate-Marketing<br />
Um Affiliate-Hopping zu verhindern, können Online-Händler selbst ein aufwändiges<br />
Cookie-Tracking auf ihrer <strong>Web</strong>site implementieren. Die Krux an dieser Idee:<br />
Eine derartige Lösung zu entwickeln und zu betreiben, ist für den Merchant<br />
mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden – und häufig ist dies nur mit<br />
externem Know-how zu bewältigen. Daher ist in den meisten Fällen der Einsatz<br />
einer intelligenten <strong>Web</strong>-Controlling Lösung, die Affiliate-Betrüger aktiv abwehrt,<br />
die wesentlich kostenfreundlichere Alternative.<br />
Beim Affiliate-Betrug ist eine Form des <strong>Web</strong>-Controlling besonders wirkungsvoll:<br />
Mittels Pixel-Technologie lässt sich exakt feststellen, welcher Käufer<br />
über welche Affiliate-<strong>Web</strong>site in einen Online-Shop gelangt ist. Durch solch<br />
ein übergreifendes <strong>Web</strong>-Controlling lassen sich Affiliate-Maßnahmen unabhängig<br />
von den erhobenen Daten der Affiliate-Plattformen kontrollieren. Im<br />
Gegensatz zu den Plattformbetreibern, die Werbemaßnahmen lediglich im<br />
unmittelbaren Zusammenhang mit ihrem Affiliate-System überprüfen, erfasst ein<br />
übergeordnetes <strong>Web</strong>-Controlling den Traffic einer <strong>Web</strong>site in einem wesentlich<br />
weitreichenderen Kontext. So können durch die Pixel-Technologie mehrfache<br />
Provisionsausschüttungen von vornherein vermieden werden, denn der letzte<br />
Kontakt mit der Werbemaßnahme und die tatsächliche Konversion erscheinen in<br />
ihrem unmittelbaren Zusammenhang. Der Shopbetreiber sieht hier den tatsächlichen<br />
Abverkauf nur einmal, weil nicht mehr mehrere Pixel statisch in das Bestellbestät<br />
igungsformular eingebunden sind, sondern das Pixel der Plattform dynamisch mit<br />
dem letzten Kontakt eingeblendet wird.<br />
Vom Betrug durch Affiliate-Hopper sind besonders große Unternehmen betroffen,<br />
die aufgrund ihrer umfangreichen Marketingmaßnahmen die Affiliate-Programme<br />
auf mehreren Plattformen parallel betreiben. Unternehmen, deren Marketingerfolg<br />
nicht zwingend davon abhängt, dass sie auf mehrere Plattformen zurückgreifen,<br />
sollten sich ausschließlich auf ein Affiliate-Programm beschränken. Diese<br />
Maßnahme bietet als einzige eine hundertprozentige Sicherheit gegen Betrug<br />
durch Affiliate-Hopper.<br />
Fazit<br />
Christian Bennefeld: Klickbetrug und Affiliate-Hopping<br />
Viele Klicks, keine Kunden, hohe Kosten – Klickbetrüger und Affiliate-Hopper<br />
verderben inzwischen vielen Werbetreibenden die Freude am Online-Marketing.<br />
Dabei sind die Instrumente der Internetwerbung die ideale Basis für preiswerte und<br />
höchst effektive Marketingkampagnen. Gerade deshalb sind die Forderungen der<br />
Werbenden nach verstärkten Kontrollen und transparenteren Abrechnungsmodellen<br />
durch die Suchmaschinenbetreiber und Affiliate-Plattformen mehr als verständlich.<br />
Wenn es auch grundsätzlich sehr schwer ist, die verschiedenen Varianten des<br />
599<br />
Mehrfache<br />
Provisionsausschüttungen<br />
können von<br />
vornherein<br />
vermieden<br />
werden
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Klickbetrugs aufzudecken, eines gilt für alle betroffenen Parteien: Ohne ein<br />
übergreifendes <strong>Web</strong>-Controlling ist es schlicht unmöglich, dem Betrug im E-<br />
Business beizukommen. Wer sich vor illegalen Machenschaften im Internethandel<br />
schützen und Betrüger dingfest machen will, kann dies nur durch <strong>Web</strong>-Controlling<br />
tun.<br />
600
Online-<br />
Marktforschung<br />
Axel Theobald<br />
Zwei Trends, zum einen die immer weiter steigende digitale Vernetzung auch unter<br />
Privatpersonen und zum anderen ein stetig steigender Bedarf der Unternehmen<br />
an aktuellen empirischen Daten, treffen im Internet zusammen und gewinnen eine<br />
neue Dynamik. Beide zusammen umrahmen die noch relativ junge Disziplin der<br />
Online-Marktforschung und führen dazu, dass Online-Befragungen immer beliebter<br />
werden. Ihr Einsatzspektrum ist mannigfaltig, man begegnet ihnen beinahe auf<br />
Schritt und Tritt im Internet. Bekannt sind vor allem die kleinen Abstimmungen<br />
oder Votings auf <strong>Web</strong>seiten, für die teilweise sogar Teilnehmer über andere Medien<br />
wie TV oder Radio angeworben werden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um<br />
wirkliche Marktforschung. Im Gegenteil: Aktionen dieser Art bringen seriöse und<br />
sinnvolle Online-Befragungen eher in Verruf beziehungsweise sorgen latent für ein<br />
schlechteres Image derselben. Belastbare Daten zur Entscheidungsunterstützung<br />
erfordern wenigstens eine irgendwie kontrollierte Teilnehmerauswahl sowie einen<br />
intelligenten Fragenkatalog mit aufeinander abgestimmten Inhalten und einer<br />
durchdachten Dramaturgie, der verschiedene Fragestellungen auch zueinander in<br />
Beziehung setzen und damit Erkenntnisgewinne gewährleisten kann.<br />
Einführung einer neuen Befragungsform<br />
Die Durchführung von Befragungen zum Zweck der Markt- und Sozialforschung<br />
ist gängige Praxis in Wissenschaft und Unternehmen. Man bedient sich dabei<br />
verschiedener Methoden. Im Allgemeinen werden bezüglich der Vorgehensweise<br />
drei als eigenständige unterschieden: die schriftliche, die mündliche sowie die<br />
telefonische Befragung. Noch bis Mitte der 1990er-Jahre waren persönlichmündliche<br />
Befragungen die bevorzugte Methode der Marktforscher zur<br />
Datenerhebung. Der Anteil dieser Methode sank jedoch kontinuierlich zugunsten<br />
von schriftlichen Umfragen, die günstiger sind, sowie telefonischen Befragungen,<br />
die schneller sind.<br />
Ungefähr zur Jahrtausendwende trat dann die Online-Marktforschung auf den Plan<br />
und entledigte sich langsam aber sicher ihres eher experimentellen Charakters, den<br />
sie bis zu diesem Zeitpunkt noch hatte. Mittlerweile werden von den Marktforschungsinstituten<br />
gut ein Viertel aller getätigten Interviews online durchgeführt,<br />
ein noch vor wenigen Jahren undenkbarer Wert. Der einfache Grund für diese<br />
Entwicklung ist, dass Online-Befragungen die beiden treibenden Faktoren „geringe<br />
Kosten“ und „hohe Geschwindigkeit“ in nahezu idealer Weise in sich vereinen.<br />
601<br />
Online-<br />
Befragungen<br />
werden immer<br />
beliebter<br />
Schriftliche, die<br />
mündliche und<br />
telefonische<br />
Befragung
Online-<br />
Befragungen<br />
vereinen geringe<br />
Kosten und hohe<br />
Geschwindigkeit<br />
Innerhalb<br />
weniger<br />
Stunden auch<br />
komplexeste<br />
Fragebögen<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Mit keiner anderen Methode können gleichzeitig die Meinungen vieler tausend<br />
Personen zu solch geringen Kosten erfasst werden.<br />
Vor allem der Faktor Geschwindigkeit hat sich bei der Anwendung des Internet im<br />
Bereich der Marktforschung als zunehmend kritisch erwiesen. Manager benötigen<br />
traditionell sehr häufig – und mit der allgemein stark steigenden Dynamik<br />
des Marktgeschehens immer häufiger – aktuelle Daten als Grundlage ihrer<br />
Entscheidungen. Im Optimalfall hätte der Manager die Ergebnisse zu seinen<br />
Fragen am liebsten „noch während der gerade laufenden Sitzung“. Dies ist bei<br />
ausgewählten Zielgruppen beziehungsweise Fragestellungen mit Hilfe des Internet<br />
durchaus realisierbar.<br />
Aus den vorherigen Ausführungen wird deutlich, dass das Internet mit seinen<br />
spezifischen Eigenschaften ein sinnvolles Alternativmedium für Befragungen sein<br />
kann. Es dient mittlerweile vielen Menschen als eine Art Treffpunkt und kann<br />
dazu benutzt werden, Eigenschaften, Einstellungen und Meinungen von Personen<br />
zu studieren, die auf andere Weise nie ökonomisch sinnvoll erfasst werden<br />
könnten. Die Internetnutzung ist heute für einen Großteil der Bevölkerung bereits<br />
selbstverständlich. Die weitere Entwicklung ist voraussehbar, und mittelfristig<br />
werden fast alle Menschen, zumindest in den industrialisierten Nationen, über<br />
irgendeine Art von Netzwerk erreichbar sein.<br />
Vorteile der Online-Marktforschung<br />
Selbst die konservativsten Marktforschungsinstitute haben in den vergangenen<br />
Jahren anerkannt, dass sich im Online-Bereich ein neuer Markt entwickelt hat und<br />
bieten Online-Forschung in der einen oder anderen Form an. Als besondere Vorteile<br />
der neuen Methode sind die im Folgenden angeführten herauszustellen.<br />
Schnelligkeit: Bei der Messung von Kundenzufriedenheiten zum Beispiel ist ein<br />
sofortiges Feedback vom Kunden mit eventueller Reaktionsmöglichkeit oftmals<br />
entscheidend. Mit entsprechender Software lassen sich innerhalb weniger Stunden<br />
auch komplexeste Fragebögen entwickeln, und die Einladung zur Teilnahme kann<br />
sofort per E-Mail an den Kundenstamm beziehungsweise an eine Stichprobe daraus<br />
verschickt werden. Die Erfahrung zeigt, dass in diesem Fall bereits in den ersten<br />
zwei Tagen ein Großteil des gesamten Rücklaufs eingebracht und entsprechend<br />
zeitnah auf die Ergebnisse reagiert werden kann.<br />
Wirtschaftlichkeit: Gegenüber traditionellen Methoden der Marktforschung ist die<br />
Online-Erhebung von Daten vor allem dann weit überlegen, wenn es sich um sehr<br />
große oder weit verteilte, zum Beispiel internationale, Stichproben handelt. Diese<br />
Voraussetzungen sind zum Beispiel bei Onlinedienstleistern häufig gegeben.<br />
Datenverfügbarkeit: Alle Daten liegen bereits in elektronischer Form vor.<br />
Mühsames Abtippen wie zum Beispiel vom Papierfragebogen entfällt. Auch dies<br />
erhöht die Geschwindigkeit des gesamten Forschungs- und Reaktionsprozesses.<br />
602
Axel Theobald: Online-Marktforschung<br />
Multimedia-Fähigkeit: Dem Teilnehmer können auch Vorlagen und Stimuli in<br />
verschiedener Form präsentiert werden, zum Beispiel zur Beurteilung neuer Produkte<br />
und Verpackungen oder zur Bewertung von TV- und Radio-Werbespots.<br />
Möglichkeit komplexer Fragebögen: Online-Befragungen ermöglichen es wie<br />
in kaum einer anderen Methode, die technischen Möglichkeiten zur Steuerung des<br />
Fragebogens voll auszuschöpfen. Im einfachsten Fall ist dies eine Filterführung, um<br />
Teilnehmer nicht mit Fragen zu belästigen, die sie aufgrund der zuvor gegebenen<br />
Antworten gar nicht betreffen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit der zufälligen<br />
Anordnung von Fragen oder Antworten, auch Randomisierung genannt, um<br />
Reihenfolgeeffekte zu vermeiden. Ein weiteres Beispiel ist die Zufallsauswahl<br />
von Bewertungsobjekten, um den Aufwand für den Teilnehmer möglichst gering<br />
zu halten.<br />
Direkte Kontrolle von Fehleingaben: Neben der möglichen Komplexität sorgen<br />
Online-Befragungen auch von vornherein für eine einheitliche und konsistente<br />
Datenbasis. Die Teilnehmer können so kontrolliert werden, dass sie die gestellten<br />
Fragen auch in korrekter Art und Weise ausfüllen müssen. Dies betrifft zum Beispiel<br />
die Anzahl auswählbarer Antworten, die Summe von vergebenen Prozentwerten<br />
oder das Erzwingen von Antworten, falls dies geboten ist. Hiermit ist keine<br />
Beeinflussung der Teilnehmer gemeint, sondern es wird lediglich eine formal<br />
stimmige Eingabe und damit die direkte Verwertbarkeit der erhobenen Daten ohne<br />
besondere Datenpflege gewährleistet.<br />
Kein Interviewereinfluss: Gerade wenn es um die Messung von Zufriedenheiten<br />
und Einstellungen geht, ist der Einfluss eines Interviewers nicht selten beachtlich,<br />
da die Teilnehmer oftmals nicht offen ihre Meinung, zum Beispiel eine mögliche<br />
Unzufriedenheit, zum Ausdruck bringen möchten. Die Erfahrungen der Online-<br />
Marktforscher zeigen, dass über das Internet in der Regel ehrlichere und „extremere“<br />
Antworten von den interviewten Personen zu erwarten sind.<br />
Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit gewinnt an zusätzlicher Relevanz, wenn<br />
bedacht wird, dass im Zuge der Globalisierungstendenzen auch der internationalen<br />
Marktforschung entscheidende Bedeutung zukommt. So müssen zum Beispiel<br />
Entscheidungen über die Entwicklung einer Marketingstrategie beziehungsweise das<br />
Marketing-Mix in der heutigen Zeit häufig vor dem Hintergrund einer international<br />
ausgerichteten Unternehmenstätigkeit getroffen werden. Bisher leisteten sich im<br />
Wesentlichen nur große und finanzstarke Unternehmen eine solche Form der<br />
Marktforschung, da die Erhebungsdesigns durch technische oder wirtschaftliche<br />
Restriktionen meist auf bestimmte Regionen beschränkt waren. Mit dem Internet<br />
steht nun auch kleineren Firmen ein kostengünstiges Medium für diesen Zweck<br />
zur Verfügung, mit dem effizient mehrsprachige Untersuchungen durchgeführt<br />
werden können.<br />
603<br />
Möglichkeit<br />
der zufälligen<br />
Anordnung von<br />
Fragen oder<br />
Antworten
Online-Panels<br />
sind ein Stamm<br />
von Befragungspersonen,<br />
die<br />
regelmäßig zu<br />
unterschiedlichen<br />
Themen befragt<br />
werden können<br />
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Einsatzgebiete für Onlinebefragungen<br />
Die Möglichkeiten der Verwendung von Onlinebefragungen sind mittlerweile<br />
mannigfaltig und erweitern sich ständig. Die häufigsten Einsatzgebiete und<br />
Themenstellungen sind zur Zeit die folgenden:<br />
• Kundenzufriedenheit • <strong>Web</strong>sitebefragung<br />
• Beschwerdemanagement • Nutzeranalyse<br />
• Produkt-/Konzepttest • Expertenbefragung<br />
• Bedarfs-/Potenzialanalyse • Business-to-Business-Befragung<br />
• Werbewirksamkeitsanalyse • Mitarbeiterbefragung<br />
• Preistest • Führungskräfte-Feedback<br />
• Imageanalyse • 360-Grad-Befragung<br />
• Qualitätsmanagement • Messebefragung<br />
• Onlinepanel<br />
Was die derzeit häufigsten Anwendungsbereiche betrifft, so dominieren naturgemäß<br />
jene Einsatzgebiete, in denen die jeweilige Zielgruppe am besten über das Medium<br />
Internet erreichbar ist. Zum einen sind dies Befragungen direkt auf einer <strong>Web</strong>site,<br />
bei denen die Teilnehmer mittels Pop-up oder Layer zufallsgesteuert ausgewählt<br />
werden können. Zum zweiten sind es Mitarbeiterbefragungen, bei denen durch die<br />
heute in den meisten Fällen vorhandene interne Vernetzung beziehungsweise PC-<br />
Ausstattung hohe Abdeckungsraten anzutreffen sind, was die Verfügbarkeit von<br />
Internet oder Intranet angeht. Und zum dritten geht es um Kundenbefragungen von<br />
Unternehmen im Business to Business-Bereich, bei denen die häufig vorhandenen<br />
Kundenlisten direkt verwendet werden können, um die Teilnehmer einzuladen.<br />
Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Zusammenhang sind die sogenannten<br />
Onlinepanels. Hierbei handelt es sich um einen Stamm von Befragungspersonen,<br />
die in gewissen zeitlichen Abständen zu unterschiedlichen Themen befragt werden<br />
können. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anbieter auf dem Markt, die Stichproben aus<br />
solch großen Teilnehmer-Pools zur einmaligen Verwendung quasi vermieten. Großer<br />
Vorteil dieser Vorgehensweise ist es, dass die gewünschte Stichprobe bereits vorab<br />
nach bestimmten Merkmalen, wie zum Beispiel Alter, Geschlecht, Konsumvorlieben<br />
et cetera, ausgesucht werden kann. Nachteilig sind die damit verbundenen Kosten,<br />
die in der Regel zwischen fünf und fünfzehn Euro pro Teilnehmer liegen.<br />
604
Software-Unterstützung<br />
Zur Durchführung von Online-Marktforschung bietet sich die Verwendung<br />
spezieller Software an, die auch den methodischen Anforderungen der Erstellung<br />
von komplexen Fragebögen Rechnung trägt. Hierfür gibt es bereits verschiedene<br />
etablierte Anbieter, die sich allerdings in Bezug auf ihre Ausrichtung sowie den<br />
Umfang der erhältlichen Features teilweise deutlich unterscheiden. Die Verwendung<br />
solcher Software bietet klare Effizienzvorteile gegenüber der Eigenprogrammierung<br />
mit Hilfe von HTML-Formularen und CGI-Skripten oder Ähnlichem. Diese<br />
Vorteile sind naturgemäß weniger relevant, wenn es nur um eine geringe Anzahl<br />
von Fragen beziehungsweise Teilnehmern geht. Je mehr Fragen jedoch gestellt<br />
werden sollen, je komplexer die Anforderungen an die Filterführung, das Design<br />
oder die Ablaufkontrolle sind und je kritischer der Aspekt der Datensicherheit ist,<br />
desto eher empfiehlt es sich, dies Spezialisten zu überlassen, die tagtäglich mit<br />
Projekten dieser Art zu tun haben.<br />
Wie in vielen anderen Bereichen gibt es auch hier einerseits sehr billige sowie<br />
andererseits relativ hochpreisige Software-Lösungen. Die vermeintlich günstigeren<br />
Anbieter offenbaren jedoch häufig sehr schnell ihre Schwachpunkte wie geringe<br />
Belastbarkeit bei hohen Teilnehmerzahlen, nicht ausgereifte Features, mangelnder<br />
Service und Support bei Problemfällen, geringer Erfahrungshintergrund et cetera.<br />
Do’s and Don’ts<br />
Im Folgenden soll noch auf einige wichtige Aspekte bei der Anlage und<br />
Durchführung von Online-Befragungen verwiesen werden:<br />
Organisation<br />
Axel Theobald: Online-Marktforschung<br />
• Eine seriöse Umfrage darf nie einen anderen Zweck als den der<br />
Datenerhebung und Umfrageforschung beinhalten, also keine<br />
Verkaufs- oder Werbeabsicht.<br />
• Gewähren Sie nach Möglichkeit die Option, ein Interview zu<br />
unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzuführen.<br />
Dies erhöht den Komfort für den Teilnehmer und bringt<br />
höhere Rücklaufquoten.<br />
• Nutzen Sie im Fall der Teilnehmerrekrutierung per E-Mail<br />
die Möglichkeit, eine Erinnerungs-E-Mail (Reminder) zu versenden,<br />
um die Rücklaufquote zu erhöhen.<br />
605<br />
Je mehr Fragen<br />
jedoch gestellt<br />
werden sollen,<br />
je komplexer die<br />
Anforderungen<br />
an die Filterführung
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
Rekrutierung<br />
Gestaltung<br />
606<br />
• Die Befragten sollten über den Zweck der Umfrage<br />
sowie die Verwendung der Daten soweit wie möglich und<br />
wahrheitsgemäß aufgeklärt werden.<br />
• Weisen Sie auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an Ihrer Umfrage hin.<br />
• Der Hinweis, dass die erhobenen Daten lediglich in aggregierter und<br />
anonymisierter Form ausgewertet beziehungsweise weitergeleitet<br />
und nicht für forschungsfremde Zwecke verwendet werden,<br />
sollte nicht fehlen.<br />
• Sprechen Sie keine Person direkt mit der Bitte um Teilnahme<br />
an einer Umfrage an, die zuvor ausdrücklich bekundet hat, dass<br />
sie dies nicht wünscht. Erlaubt ist die direkte persönliche Einladung<br />
nur bei einem bereits vorhandenen Firmenkontakt oder vorheriger<br />
Einwilligung.<br />
• Belästigen Sie die Personen, die Sie mit Ihrer Umfrage ansprechen,<br />
so wenig wie möglich. Jede kontaktierte Person sollte jederzeit<br />
ohne großen Aufwand die Möglichkeit haben, das Interview<br />
zu beenden beziehungsweise die Teilnahme zu verweigern.<br />
• Die Bereitschaft zur Teilnahme an einer Umfrage darf nicht<br />
absichtlich erhöht werden durch unrealistische Angaben<br />
bezüglich der wahrscheinlichen Dauer der Befragung.<br />
• Wählen Sie das Design so, dass die Teilnehmer klar erkennen,<br />
von wem sie befragt werden beziehungsweise, wer die Umfrage<br />
durchführt (Firmenlogo, Firmenfarben et cetera).<br />
• Beachten Sie, dass nicht jeder Teilnehmer über die gleiche<br />
PC-Ausstattung verfügt. Optimieren Sie die Befragung auf eine<br />
relativ geringe Auflösung – heutiger Standard ist 1024x768.<br />
Vermeiden Sie das Auftreten von Scrollbalken bei dieser Auflösung.<br />
• Setzen Sie multimediale Elemente wie kleine Filme, animierte GIF-<br />
Bilder oder Töne nur dann ein, wenn sie dem Umfragezweck dienen.<br />
• Informieren Sie die Teilnehmer über den aktuellen Ausfüllgrad<br />
ihres Fragebogens mit einer Fortschrittsanzeige.
Incentives<br />
Literatur<br />
Axel Theobald: Online-Marktforschung<br />
• Platzieren Sie auf den Umfrageseiten keine Werbebanner oder<br />
andere Formen der Werbung, falls dies nicht aufgrund des Unter-<br />
suchungsdesigns erforderlich ist. Unauffällige Hinweise auf die<br />
durchführende Institution sind gestattet.<br />
• Geben Sie den Probanden ausreichende Hinweise über sich selbst<br />
als durchführende Institution. Als Mindestanforderung sollten Sie<br />
auf der Einführungs- und Schluss-Seite den Firmennamen<br />
inklusive Kontaktmöglichkeit via E-Mail-Adresse oder Telefon-<br />
nummer nennen.<br />
• Gewähren Sie den Teilnehmern bei persönlichen Fragen<br />
die Möglichkeit, keine Angabe zu machen beziehungsweise<br />
nicht zu antworten. Gleiches gilt für Fragestellungen, bei denen<br />
nicht sicher ist, ob alle Teilnehmer diese überhaupt sinnvoll<br />
beantworten können.<br />
• Vermeiden Sie zu hohe Incentives, also Belohnungen der<br />
Teilnehmer für die Bearbeitung eines Fragebogens, zum Beispiel<br />
in Form von Verlosungen. Diese bergen immer die Gefahr der<br />
Verzerrung der Untersuchungsergebnisse. Geringwertige Incentives<br />
haben dagegen nachweislich keine ergebnisrelevanten Einflüsse,<br />
können sich jedoch positiv auf die Antwortquoten auswirken.<br />
• Falls Sie Incentives verwenden, sollten Sie keinen der Teilnehmer<br />
von der Chance zum Erhalt der Belohnung ausschließen.<br />
• Ausgelobte Incentives müssen auch tatsächlich ausgegeben werden.<br />
Axel Theobald, Marcus Dreyer, Thomas Starsetzki (Hrsg.): Online-Marktforschung<br />
– Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen. – 430 Seiten, ISBN: 978-<br />
3409217811, Gabler Verlag, 2003.<br />
607<br />
Geben Sie die<br />
Möglichkeit,<br />
keine Angabe<br />
zu machen<br />
beziehungsweise<br />
nicht zu<br />
antworten
T. Schwarz: Leitfaden Online Marketing / Kap. 11 <strong>Web</strong>-<strong>Analytics</strong><br />
608
Buchinformation<br />
Leitfaden Online-Marketing<br />
Herausgeber: Torsten Schwarz<br />
850 Seiten, Preis: 39,90 Euro, gebunden<br />
ISBN: 978-3000209048, September 2007,<br />
Verlag: marketing-BÖRSE.<br />
http://www.amazon.de/dp/3000209042<br />
Online-Werbung wächst derzeit zehnmal schneller als alle anderen Werbemedien. Kein<br />
anderes Medium ist so preisgünstig und effizient bei der Ansprache neuer Kunden und<br />
Zielgruppen. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen bei der Neukundengewinnung auf<br />
Suchmaschinenmarketing, Kontextwerbung oder Viral Marketing. In diesem Buch erläutern<br />
die einhundert renommiertesten deutschsprachigen Online-Marketing-Experten, was sich<br />
bewährt hat. Es bündelt das aktuelle praxisrelevante Wissen einer jungen Branche. Von<br />
Affiliate- über Suchmaschinenmarketing bis zum <strong>Web</strong> 2.0 werden Strategien erläutert und<br />
praktische Tipps gegeben.<br />
Keine Werbeform entwickelt sich so schnell weiter wie Online-Werbung. Während TV-,<br />
Print- und Außenwerbung 2006 um maximal sieben Prozent zulegten, stiegen die Ausgaben<br />
für Online-Werbung laut Branchenverband BVDW um sagenhafte 84 Prozent. Fast eine<br />
Milliarde Euro wurde 2006 für klassische Online-Werbebanner ausgegeben. Dazu kommen<br />
noch einmal über eine Milliarde Euro für Suchmaschinenanzeigen. Aber auch Bereiche wie<br />
Suchmaschinenoptimierung oder E-Mail-Marketing boomen. Unter dem Sammelbegriff <strong>Web</strong><br />
2.0 schießen Mitmach-Angebote und soziale Netzwerke wie Pilze aus dem Boden.<br />
Verbraucher informieren sich via Internet über Preisvergleichs- und Meinungsportale. Dort<br />
schreiben Menschen offen, was sie von Produkten und Firmen halten. Hier als Unternehmen<br />
Präsenz zu zeigen, erfordert Fingerspitzengefühl.<br />
Dieses Buch bündelt das aktuelle Wissen einer ganzen Branche. Als Standardwerk ist es ein<br />
absolutes Muss für Online-Marketing-Spezialisten und solche, die es werden wollen. Die<br />
Autoren sind die führenden Köpfe der Online-Branche. Es sind erfolgreiche Fachbuchautoren,<br />
hochrangige Experten aus renommierten Unternehmen sowie anerkannte Wissenschaftler.<br />
Zum Herausgeber:<br />
Dr. Torsten Schwarz gilt als Fachmann für Online-Marketing in Deutschland. Er ist<br />
Herausgeber des Beratungsbriefs "Online-Marketing-Experts", Autor diverser Fachbeiträge<br />
und Bücher sowie mehrfacher Lehrbeauftragter. Laut "acquisa" gehört er zu den Vordenkern<br />
in Marketing und Vertrieb. Der Online-Pionier war Marketingleiter eines Softwareherstellers<br />
und berät heute internationale Unternehmen. Er ist Geschäftsführer des Dienstleisterportals<br />
marketing-BÖRSE und leitet den Arbeitskreis Online-Marketing im Verband der deutschen<br />
Internetwirtschaft.<br />
marketing-BÖRSE GmbH – Melanchthonstr. 5 – 68753 Waghäusel – www.marketing-boerse.de
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Firma<br />
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Telefon<br />
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E-Mail<br />
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++49 (0) 7254 / 95773-90<br />
Ja, ich bestelle das Buch<br />
Leitfaden Online-Marketing<br />
850 Seiten, gebunden<br />
ISBN: 978-3000209048, September 2007<br />
Preis: 39,90 Euro*<br />
(*zzgl. 3,- Euro Versandkosten innerhalb Deutschlands,<br />
für den internationalen Versand werden die<br />
tatsächlichen Portokosten erhoben)<br />
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