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Demokratieförderung in der Deutschen Außenpolitik - Bibliothek der ...

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durch die Präsidialadm<strong>in</strong>istration entstehen so mehrere<br />

‚Standbe<strong>in</strong>e’ des Systems im parteiparlamentarischen<br />

Raum: Sie konkurrieren untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, bilden jedoch<br />

ke<strong>in</strong>e Opposition im S<strong>in</strong>ne politischer Alternativen.“ 179<br />

In diesen Kontext Die Resultate <strong>der</strong> von oben gelenkten<br />

russländischen Gesellschaft, als staatliche<br />

Veranstaltung organisiert, werden vielfältig thematisiert.<br />

180 Während historisch-geistesgeschichtlich<br />

Reformation, Renaissance-Humanismus und<br />

Aufklärung im europäischen Westen schließlich<br />

das Fundament legten für Individualität, Eigenmündigkeit,<br />

Herausbildung e<strong>in</strong>es Bürgertums,<br />

Rechtsstaatlichkeit, Regierungsverantwortlichkeit,<br />

Verwaltungsgesetzlichkeit, letzth<strong>in</strong> für das demokratische<br />

Geme<strong>in</strong>wesen, blieb Russland bekanntlich<br />

hiervon abgekoppelt. Aus diesem Mangel <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Erfahrungskanon könne es auch nur sehr<br />

bed<strong>in</strong>gt für sich den Wert politischer Demokratie<br />

objektivieren. So werden mitunter die Retardierungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> russischen Politik zu erklären o<strong>der</strong><br />

zu rechtfertigen versucht. Michail Gorbatschows<br />

postuliertes Axiom von 1987 „Wir brauchen die Demokratie<br />

wie die Luft zum Atmen“ sollte die verspätete<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung nachholen. Boris Jelz<strong>in</strong><br />

als erster gewählter Präsident des neuen Russland<br />

setzte dies dann <strong>in</strong> beachtenswerte politische<br />

Grundfreiheiten um. Durch massive, auf vielfältige<br />

Weise unterstützende Parte<strong>in</strong>ahme und<br />

Ratgebung aus (West-) Europa und den USA gewann<br />

er den Transformationskonflikt mit <strong>der</strong> KP<br />

Russlands und orientierte sich „als Dank“ nach<br />

Europa – jedoch eher deklarativ. Jelz<strong>in</strong>s radikaler<br />

Marktliberalisierung wurde zudem im Westen<br />

als „ökonomischer Befreiung“ applaudiert. Für<br />

die Mehrheit <strong>der</strong> Bürger h<strong>in</strong>gegen bedeutete sie<br />

Rubelabwertung, Verlust von Ersparnissen, Zusammenbruch<br />

<strong>der</strong> Sozialstaatlichkeit, korrupte<br />

Privatisierungen und chaotische adm<strong>in</strong>istrative<br />

Verhältnisse durch das Wegbrechen von „governance“,<br />

so dass Parallelen zur sogenannten Zeit<br />

<strong>der</strong> Wirren (smuta) unter Zar Boris Godunov und<br />

weiteren Anwärtern auf den Thron zu Anfang des<br />

17. Jahrhun<strong>der</strong>ts gezogen wurden.<br />

179 Petra Stykow, Russland vor <strong>der</strong> Wahl? Die Neuordnung des Parteiensystems,<br />

<strong>in</strong>: russland analysen, Nr. 127, 23.02.2007, S. 4<br />

180 Aus <strong>der</strong> umfangreichen wissenschaftlichen Publizistik hierzu beispielhaft:<br />

Lilija Ševcova, Garantiert ohne Garantie. Russland unter Put<strong>in</strong>, <strong>in</strong>:<br />

Osteuropa, 3/2006, S. 3-18 sowie Matthes Buhbe/Gabriele Gorzka (Hg),<br />

Russland heute. Rezentralisierung des Staates unter Put<strong>in</strong>, Wiesbaden<br />

2007.<br />

DeMokratieförDerung <strong>in</strong> Der <strong>Deutschen</strong> aussenpoLitik<br />

Die sich hier aufdrängende und nach Antwort heischende<br />

Frage lautet: Warum baut nun das „System<br />

Put<strong>in</strong>“ Schritt für Schritt Zentralisierung und<br />

Autoritarismus auf, obwohl durch e<strong>in</strong>e Hausse<br />

<strong>der</strong> Weltenergiepreise Russlands Bruttosozialprodukt<br />

und se<strong>in</strong>e Devisenvorräte auf nie gekannten<br />

Höhen steigen und das ökonomische Chaos <strong>der</strong><br />

Jelz<strong>in</strong>-Ära überwunden ist? Für die Anwälte von<br />

Michail Chodorkowski, Robert Amsterdam und<br />

Dean Peroff, hat Russland den Charakter e<strong>in</strong>es<br />

Doppelstaates, wie ihn klassischerweise se<strong>in</strong>erzeit<br />

Ernst Fraenkel als „das Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>bestehen von<br />

Legalismus und nichtliberalen politischen Regimen <strong>in</strong><br />

autokratischen Staaten beschrieb.“ E<strong>in</strong>er „Komb<strong>in</strong>ation<br />

des ‚Normenstaates’, den er als von klar formulierten<br />

Rechtsnormen regierten Staat def<strong>in</strong>iert, mit dem<br />

‚Maßnahmenstaat’, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Macht willkürlich und<br />

ohne Kontrolle durch das Recht e<strong>in</strong>setzt. Das ganze<br />

Rechtssystem“ ist „zu e<strong>in</strong>em Instrument <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hand<br />

<strong>der</strong> politischen Macht geworden.“ 181 Nach dieser Erklärung<br />

verantworten die Macht gestaltenden Akteure<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger voluntativ den Staatsdualismus<br />

– also das russische Elitenkartell damit<br />

letztlich auch ihr Interessenpr<strong>in</strong>zipal, Präsident<br />

Put<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> prom<strong>in</strong>entes Stichwort <strong>in</strong> diesem Kontext<br />

lautet „souveräne Demokratie“. 182 Russland soll<br />

und will damit „souverän“, d.h. ohne westliche<br />

Vorhaltungen, E<strong>in</strong>wirkungen und E<strong>in</strong>mischungen<br />

alle<strong>in</strong> über se<strong>in</strong>e Politikgestaltung entscheiden.<br />

E<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Erklärung zufolge steht für die „gelenkte<br />

Demokratie“ <strong>in</strong> Russland demgegenüber<br />

eher die Spezifik des Institutionensystems Pate.<br />

Weil hiernach „Bauste<strong>in</strong>e <strong>der</strong> parlamentarischen und<br />

präsidentiellen Demokratie mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>“ verzahnt<br />

s<strong>in</strong>d, „so kann dies offenbar (z.B. wenn es noch dazu<br />

auf überlebende Elemente <strong>der</strong> ebenso zentralisierten<br />

wie fiktiven ‚sowjetischen Demokratie’ trifft) e<strong>in</strong> politisches<br />

System hervorbr<strong>in</strong>gen, das se<strong>in</strong>es demokratischen<br />

Charakters verlustig gegangen ist, weil es e<strong>in</strong>e übermächtige<br />

Exekutive hervorgebracht hat und perpetuiert.“<br />

183 .<br />

181 Weissbuch zum Missbrauch staatlicher Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Russischen Fö<strong>der</strong>ation.<br />

Die neuen politisch motivierten Anklagen gegen Michail Chodorkowski,<br />

o.O. 7.Februar 2007, S. 94<br />

182 Diese Denkfigur schöpfte im Februar 2006 <strong>der</strong> stellv. Leiter <strong>der</strong> Präsidialadm<strong>in</strong>istration<br />

und „Chefideologe“ des Kremls, Wladislaw Surkow.<br />

Vgl. Margareta Mommsen, Surkows „Souveräne Demokratie“<br />

– Formel für e<strong>in</strong>en russischen Son<strong>der</strong>weg?, <strong>in</strong>: russland analysen, Nr.<br />

114, 20.10.2006, S. 2-5<br />

183 Petra Stykow, E<strong>in</strong>e destruktive Mischung. Warum demokratische Institutionen<br />

die Demokratie zerstören können, <strong>in</strong>: russland analysen Nr.<br />

127, 23.02. 2007, S. 12<br />

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