Artikel als PDF - Lindner Group
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db deutsche bauzeitung<br />
Schwerpunkt: Umnutzung<br />
1<br />
Leicht und transparent wirkt<br />
der Pavillonbau nach der<br />
Sanierung. Der Sputnik auf<br />
dem Dach symbolisiert(e)<br />
Fortschrittsoptimismus<br />
1<br />
Das Café Moskau vor dem Umbau:<br />
Blick Richtung Fernsehturm<br />
und zum 2. Bauabschnitt<br />
der ehemaligen Stalinallee<br />
(jetzige Karl-Marx-Allee)<br />
2<br />
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10<br />
2<br />
{ Architekten: HSH<br />
Hoyer Schindele Hirschmüller<br />
Tragwerksplanung: Peter Jockwer<br />
{ Kritik: Carsten Sauerbrei<br />
Fotos: Stefan Müller<br />
db-Ortstermin:<br />
Am 19. Juni um 14.00 Uhr laden<br />
wir Sie zu einer Besichtigung<br />
des Café Moskau gemeinsam mit<br />
dem Architekten ein. Anmeldungen<br />
bitte bis zum 31. Mai unter:<br />
www.db-ortstermin.de<br />
TRANSPARENT TAGEN<br />
BERLIN: CAFÉ WIRD TAGUNGSZENTRUM<br />
Das Café Moskau, ein herausragendes Beispiel der DDR-<br />
Moderne, wurde zum Veranstaltungszentrum umgebaut.<br />
Dabei stellten die Architekten die ursprünglichen<br />
Sichtbeziehungen und die Materialästhetik des Gebäudes<br />
wieder her. Mit einer Strategie des behutsamen<br />
Weiterbauens fanden sie vielfach, aber nicht überall<br />
überzeugende Lösungen für die neuen Anforderungen.<br />
Laut tost der Verkehr auf der vielbefahrenen Berliner Karl-Marx-Allee am<br />
sanierten Café Moskau vorbei. Der Architekt Josef Kaiser errichtete es<br />
1960–64 an der Vorzeige- und Paradestraße der DDR. Es bildet zusammen<br />
mit den gegenüberliegenden Gebäuden des Kino International, der einstigen<br />
Mokka-Milch-Eisbar und dem Neubau des Rathauses Berlin-Mitte –<br />
einer Referenz an das Hotel Berolina von 1963 – ein spannungsreiches<br />
städtebauliches Ensemble. Dies ist das Kernstück des zweiten Bauabschnitts<br />
der Straße, die <strong>als</strong> Stalinallee eher mit dem DDR-Neoklassizismus der 50er<br />
Jahre in Verbindung gebracht wird.<br />
Die Kultur sollte hier zeigen, wie gut es sich im Sozialismus leben lässt: Filmpremieren<br />
im Kino International, sowjetische Kochkunst im Café Moskau.<br />
Im Gebäude befanden sich neben dem großen Restaurant eine Wein- und<br />
Teestube sowie ein Konzertcafé und eine Nachtbar. Letztere blieb auch in<br />
Betrieb, <strong>als</strong> das Haus in den 90er Jahren zum Technoclub und Ziel der Berliner<br />
Musikszene wurde. Das neue Nutzungskonzept sieht vor, die Räume in<br />
Zukunft für Veranstaltungen zu vermieten – Tanzen und Speisen nicht<br />
ausgeschlossen.<br />
ZURÜCK ZU DEN SECHZIGERN<br />
Das zweigeschossige Café Moskau wirkt transparent mit der umlaufenden<br />
Glasfassade im OG. Das EG allerdings präsentiert sich von außen eher verschlossen,<br />
wenngleich große Glasfenster die Wandfelder regelmäßig durchbrechen.<br />
Nach dem Betreten des Gebäudes hingegen eröffnet sich dem Besucher<br />
ein weites Blickfeld vom Eingangsfoyer über das zentrale Atrium bis<br />
hin zum rückwärtigen Außenbereich, dem Rosengarten. Diese vielfältigen<br />
Sichtbeziehungen und die durchdachte Materialästhetik von 1964 – ein Zusammenspiel<br />
von hellen Holzdecken, rotem Marmor, grauem Schiefer,<br />
Buntsteinputz und matt schimmernden Aluminiumprofilen – wiederherzustellen,<br />
war eines der Ziele des Umbaus durch das Berliner Büro Hoyer<br />
Schindele Hirschmüller (HSH). Wurden doch beim letzten Umbau 1981-83<br />
Glaswände mit dunklem Holz verkleidet, großzügige Räume durch eine<br />
Vielzahl von Einbauten geteilt und die Leichtigkeit der 60er Jahre durch eine<br />
schwere, dunkle Innenausstattung aufgehoben. Dennoch stellten die<br />
Denkmalpfleger das Gebäude mitsamt den Einbauten nach 1989 unter<br />
Schutz. Sie stimmten der Entscheidung, diese Schicht des Gebäudes bis auf<br />
wenige Reste aufzugeben, nur unter der Bedingung zu, dass dafür die ursprüngliche<br />
Architektursprache soweit wie möglich wiederhergestellt würde.<br />
Die Architekten entfernten dazu zunächst diverse Einbauten und befreiten<br />
die Oberflächen von Übermalungen. Die ursprünglichen Materialien<br />
lassen sich heute wieder erleben. Einzelne Wandverkleidungen und Motive<br />
der 80er Jahre wurden an Ort und Stelle erhalten oder an anderer Stelle ›<br />
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db deutsche bauzeitung<br />
Schwerpunkt: Umnutzung<br />
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10<br />
› in neue Räume eingebaut. Mit dem Umbau konnten die Architekten<br />
das Raumerlebnis z. T. sogar noch steigern: Die Heizkörper, die ehem<strong>als</strong><br />
vor der raumhohen Verglasung den Blick störten, ersetzten sie durch Bodenkonvektoren.<br />
FLEXIBEL VERANSTALTEN<br />
Das zweite, wichtige Ziel des Umbaus war es, möglichst viele, flexibel nutzbare<br />
Veranstaltungsflächen zu erhalten. Dafür reduzierten die Architekten<br />
den Anteil der Nebenräume entscheidend – für die zukünftige, temporäre<br />
Nutzung reicht z. B. eine Vorbereitungsküche aus. Mit neuem, zusätzlichem<br />
Eingang und Foyer an der Westseite bekam das Gebäude außerdem eine<br />
zweite, unabhängige Erschließung. Der Betreiber erhält mit dieser Maßnahme,<br />
den zusätzlichen Sanitärräumen und mehrfach teilbaren Veranstaltungsflächen,<br />
große Flexibilität in der Nutzung des Gebäudes. Durch eine<br />
der Umbaumaßnahmen ist jedoch der große Saal im EG in<br />
seiner Raumqualität deutlich gemindert worden. Um einen<br />
größeren, ungeteilten Innenraum zu erhalten, wurde die ursprüngliche,<br />
mittlere Stützenreihe entfernt. Zwei neue Reihen entlang der Längsseiten<br />
des Raums nehmen jetzt die Deckenlast auf. Der Blick durch die großen<br />
Glasfenster wird dadurch beeinträchtigt; der Raum vor den Fenstern wirkt<br />
beengt.<br />
An vielen anderen Stellen gelang dagegen die Verbindung von Alt und Neu.<br />
So reflektiert die anthrazitfarbene Glaswand, die den neuen Eingang markiert,<br />
die historische Fassade des Café Moskau und setzt damit das schon<br />
1964 angelegte Verwirrspiel mit Durchsichten und Spiegelungen fort. Ihre<br />
minimalistische Ästhetik – Profile fehlen außen völlig, lediglich Türgriffe<br />
unterbrechen die Glasfläche – zeigt außerdem deutlich die eigene, zeitgenössische<br />
Handschrift der Architekten. Tagsüber tritt die Wand zurück,<br />
nachts wird sie zum Leuchtzeichen und in Zukunft mit Hilfe einer LED-<br />
Wand zur bewegten Antwort auf das re<strong>als</strong>ozialistische Mosaik an der Ostseite.<br />
Hinter der Glaswand weitet sich der Raum. Dort befindet sich das<br />
neue Treppenhaus. Die Architekten nehmen auch hier Motive des alten Gebäudes<br />
auf – die Oberlichter <strong>als</strong> Referenz an den ehemaligen Wirtschaftshof<br />
zum Beispiel – und finden ihren eigenen Materialausdruck: Helles Parkett<br />
für die Treppen, ein dunkler Magnesitestrich für die anderen Laufflächen,<br />
Glas und Edelstahl für Geländer und Brüstungen. Die Suche nach der zurückgenommenen<br />
Ästhetik des Eingangs bleibt an dieser Stelle jedoch vergebens.<br />
ALTE FASSUNG, NEUE TECHNIK<br />
Subtiler und gelungener ergänzen HSH Architekten die alte Fassade durch<br />
notwendige neue Öffnungen wie Lüftungsflügel oder Fluchttüren. Als<br />
Fassung dieser Elemente wählten sie schwarze Profile,<br />
ähnlich denen, die bereits 1964 verwendet worden waren,<br />
um die großen Glasflächen zu teilen. Damit fügen sich die<br />
neuen Bauteile wie selbstverständlich in die alte Fassade<br />
ein und beleben sie zusätzlich. Auch der neue Windfang<br />
am alten Eingang ist dafür ein überzeugendes Beispiel. Um eine bessere<br />
Wärmedämmung und einen besseren Sonnenschutz zu erreichen, wurde<br />
außerdem Isolier- und Sonnenschutzglas in die alten Profile eingesetzt. Da<br />
deren Anteil an der Fassadenfläche nur rund zehn Prozent beträgt, konnten<br />
gute Wärmewerte erreicht werden.<br />
Die Architekten überzeugen mit ihrer Strategie des Weiterbauens jedoch<br />
nicht überall. Die neuen Decken in den großen Veranstaltungsräumen wurden<br />
<strong>als</strong> Referenz an die ursprüngliche Gestaltung <strong>als</strong> Holzdecken aus Esche<br />
entworfen. Damit sollte der alte Raumeindruck wiederentstehen. Im Gegensatz<br />
zur homogenen Oberfläche von 1964 ist die Decke heute aber durch<br />
eine Vielzahl von Technikelementen perforiert. Der historische Raumeindruck<br />
kann sich so nicht einstellen, ein neuer, eigenständiger nur ›<br />
5<br />
6<br />
Berlin: Café wird Tagungszentrum<br />
Die Transparenz des Atriums<br />
wurde wieder hergestellt; in<br />
den 80ern verbaute Sichtachsen<br />
bestehen wieder<br />
3<br />
Nach dem Umbau: Vom großen<br />
Saal öffnet sich der Blick in<br />
das Atrium des Café Moskaus<br />
4<br />
Die Umgebung spiegelt sich in<br />
der neuen Glaswand. Nur die<br />
Türgriffe geben einen dezenten<br />
Hinweis auf den Eingang<br />
5<br />
Das neue, zusätzliche Treppenhaus<br />
zeichnet sich durch eine<br />
eigenständige, wenn auch etwas<br />
irritierende, Architektursprache<br />
aus<br />
6<br />
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db deutsche bauzeitung<br />
Schwerpunkt: Umnutzung<br />
Lageplan, M 1:20 000<br />
Weitere Informationen finden Sie<br />
auf dem Detailbogen, ab S. 86<br />
Grundriss UG, M 1:750<br />
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10<br />
Schnitt, M 1:750<br />
Grundriss OG, M 1:750<br />
Grundriss EG, M 1:750<br />
7<br />
› schwer. In diesem Punkt verharrt die Architektursprache in einer<br />
unentschiedenen Haltung dem Bestand gegenüber. Das zeigt auch die Verwendung<br />
der gleichen Decke im 1964 noch nicht bestehenden, neuen Veranstaltungsraum.<br />
Von diesem fällt der Blick auf den Rosengarten, dem im<br />
Vergleich zum Atrium kleineren der beiden Freiräume. Die Rosen werden<br />
sich sicher noch entwickeln; derzeit lockert lediglich eine ebenerdige Wasserfläche<br />
den Bereich auf. Hier, wie auch beim Atrium und den Flächen um<br />
das Gebäude herum, lassen sich kaum Gestaltungsabsichten erkennen.<br />
Dennoch wird beim Blick auf die andere Seite der Karl-Marx-Allee deutlich,<br />
dass es das Café Moskau mit seiner behutsamen Sanierung und der ganz<br />
überwiegend gelungenen Neugestaltung gegenüber seiner Nachbarn wirklich<br />
sehr gut getroffen hat. •<br />
{ Altbau: Café Moskau (1964) von Josef Kaiser; Innenraumumgestaltung in<br />
den 80er Jahren durch Gerd Pieper<br />
Bauherr: Nicolas Berggruen Berlin Three Properties, Berlin<br />
Betreiber: Moskau GmbH, Berlin<br />
Architekten: HSH Hoyer Schindele Hirschmüller Architektur, Berlin,<br />
Markus Hirschmüller, Harald Schindele, Florian Hoyer<br />
Projektteam: Lutz Tinius, Antonella Mauchigna, Tai Schomaker, Alexandra<br />
Buskühl, Hille Bekic, Michael Kohl, Thorsten Klafft, Yoichi Osaki<br />
Tragwerksplanung: Büro für Statik und Baukonstruktion<br />
Peter Jockwer, Berlin<br />
Haustechnikplanung: Ingenieurbüro Heimann, Berlin<br />
Brandschutz: Ingenieurbüro Peter Stanek, Berlin<br />
BGF: 5 500 m 2<br />
BRI: 22 900 m 3<br />
Baukosten: keine Angaben<br />
Planungsbeginn: Oktober 2007<br />
Bauzeit: April 2008 bis November 2009<br />
{ Beteiligte Firmen:<br />
Fassaden: SYSTAL, Goßlar, www.systal-metallbau.de; Roland Schulze<br />
Baudenkmalpflege, Potsdam, www.baudenkmalpflege.de<br />
Schlosserarbeiten: stahl + design, Berlin, www.stahl-design-berlin.de<br />
Aufzüge und Fahrtreppen: Schindler, Berlin, www.schindler.de<br />
Glastrennwände: <strong>Lindner</strong>, Arnstorf, www.lindner-group.com<br />
Mobile Trennwände: abopart Viol und Partner, Bad Zwischenahn,<br />
www.abopart.de<br />
Beleuchtung: ERCO, Lüdenscheid, www.erco.com<br />
Vorhangschienen: Silent Gliss, Weil am Rhein, www.silentgliss.de<br />
8<br />
Die historische raumhohe<br />
Verglasung, neue Holzdecken<br />
und Parkettböden prägen den<br />
großen Konferenzsaal im OG<br />
7<br />
Ebenfalls der Konferenzsaal:<br />
Die Einbauten der 80er Jahre<br />
(Decke, Boden, Bar) wurden<br />
im Zuge des Umbaus entfernt<br />
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