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Homosexual's Film Quarterly - Sissy

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sissy Ausgabe<br />

Homosexual’s <strong>Film</strong> <strong>Quarterly</strong><br />

eins · März bis Mai 2009 · kostenlos<br />

s Cinema of Dreams: Tilda Swinton und Mark Cousins erfinden das <strong>Film</strong>festival neu s Reich mir Deine Hand: Zwillinge aus Frankreich<br />

s Bruce LaBruce: Gloria Swanson in Male Drag s Monika Treut: Drei Frauen. Zwei Kulturen. Eine Liebe. s Frisch ausgepackt: Alle neuen<br />

nicht-heterosexuellen DVDs s Landpartie: „Rückenwind“ von Jan Krüger s <strong>Film</strong>-Flirt mit Tim Staffel


Drei Frauen. Zwei Kulturen. Eine Liebe.<br />

Inga Busch Huan-Ru Ke Ting-Ting Hu<br />

Preview in der L-<strong>Film</strong>nacht · Kinostart am 30. April · www.l-fi lmnacht.de · www.salzgeber.de<br />

<strong>Sissy</strong> eins<br />

Unser Titelfoto zeigt Tilda Swinton und Mark Cousins im schottischen<br />

Nairn vor einer angemieteten Bingohalle, in der die beiden im<br />

Sommer 2008 ihr Festival Cinema of Dreams veranstalteten. Tilda<br />

trägt den Kilt in den traditionellen Familienfarben und eine Jacke<br />

aus dem lokalen Gebrauchtklamotten-Charity-Shop. Es könnte auch<br />

umgekehrt gewesen sein. Mark ist ein ganz bemerkenswerter Charakter<br />

und ein unermüdlicher Kämpfer für ein anderes Kino. Jemand,<br />

der das Kino immer wieder neu erfindet. Mark Cousins wird in diesem<br />

Jahr mit dem Manfred-Salzgeber-Preis ausgezeichnet und über<br />

Tilda und Mark ist ab Seite 28 mehr zu lesen.<br />

Wer oder was eine <strong>Sissy</strong> ist – das mit der österreichischen<br />

Kaiserin lassen wir jetzt mal weg<br />

– dürfte bei <strong>Film</strong>freundInnen kein Geheimnis<br />

sein. Diese in Hollywood erfundene Nebenfigur<br />

versinnbildlicht seit Stummfilmzeiten,<br />

dass die Personnage eines guten <strong>Film</strong>s im besten<br />

Fall aus mehr als nur einem romantischen<br />

Hetero-Liebespaar bestehen muss. Sie ist eine<br />

glamuröse, sich verschleudernde Alternative.<br />

Oder wie es die glbtq-Enzyklopädie ausdrückt:<br />

„Die <strong>Sissy</strong> steht für eine begehrenswerte Welt<br />

aus Raffinesse und purem Vergnügen, weit entfernt<br />

vom langweiligen Status Quo.“<br />

In der SISSy stellen wir vierteljährlich die<br />

kommenden nicht-heterosexuellen Kinofilme<br />

vor und erlauben uns gleichzeitig einen Blick<br />

zurück auf schon erhältliche nicht-heterosexuelle<br />

DVD-Erscheinungen. Dazwischen bleibt Gefunden: Kenneth Anger in Nairn.<br />

für uns und unsere Autoren genug Raum für<br />

freiere Erkundungen der homosexuellen <strong>Film</strong>kultur – und verstoßen<br />

damit gerne gegen jeden Trend. <strong>Film</strong> ist eben mehr als nur Lifestyle<br />

und Unterhaltung, und garantiert verschonen wir unsere Leser mit<br />

Fitnesstipps, Kosmetik, dem passenden Auto zur Frisur oder sonstigen<br />

Anleitungen zur Metrosexualität.<br />

Nicht-heterosexuelle <strong>Film</strong>kultur heißt etwas anderes: Blicke über die<br />

Grenzen der Konventionen zu werfen, nach neuen Erzählformen zu<br />

suchen, Impulse an das Weltkino auszustrahlen, Denkweisen infrage<br />

zu stellen, das Spektrum dessen zu vergrößern, was erzählt werden<br />

kann.<br />

Achten Sie auf die Nebenfiguren – Viel Spaß mit der ersten SISSy!<br />

vorspann<br />

3


mein dvd-regal<br />

Franz Dinda, Schauspieler<br />

4<br />

pRiVAT<br />

5


kino<br />

EDiTion SALZGEbER<br />

geiSter<br />

von Silvy Pommerenke<br />

Mit „Ghosted“ kommt endlich ein neuer Spielfilm von Monka Treut in die<br />

Kinos. Ein portrait der Regisseurin.<br />

s Die deutsche Regisseurin Monika Treut ist überwiegend<br />

als Dokumentarfilmerin bekannt und hat sich<br />

bereits in den achtziger und neunziger Jahren mit Themen<br />

wie Transgender, Bondage oder SM filmisch auseinandergesetzt.<br />

Das, was heute in den Blättern der yellow<br />

Press kaum noch für Aufsehen sorgt, verstörte vor zwanzig<br />

Jahren die Öffentlichkeit, und Monika Treut hat mit<br />

ihrem bisweilen surrealistischen – aber immer humorvollen<br />

– Stil diese Verstörung noch zusätzlich gefördert.<br />

Sie hatte immer schon ein Händchen für die originelle<br />

Darstellung von Menschen jenseits des Mainstreams.<br />

Beispielsweise produzierte sie den ungewöhnlichen<br />

Dokumentarfilm Didn’t Do It for Love über Eva Norvind<br />

aka Mistress Ava Taurel aka Eva Johanne Chegodaieva<br />

Sakonskaya: Adlige, Schauspielerin, Sexsymbol, Domina<br />

und Universitätsdozentin. Ein Leben, wie es eigentlich<br />

nur in einem Roman erfunden werden kann, und das<br />

Monika Treut wie keine Zweite in eindrucksvollen Bildern<br />

nacherzählte. Es tat gut, zu sehen, dass es solche<br />

unangepassten Menschen wie Eva Norvind gab, die sich<br />

bewusst gegen gesellschaftliche Zwänge stellten und<br />

ihr Leben kreativ und grenzüberschreitend inszenierten.<br />

Genau so individuell gestaltete sich allerdings auch<br />

der Tod der Dominatrix, denn sie ertrank eine Woche<br />

nach ihrem 62. Geburtstag an der Küste Mexikos, die für<br />

einige Jahre ihre Wahlheimat war und der sie sich immer<br />

zugehörig gefühlt hatte.<br />

Monika Treut hatte durch ihre internationale Arbeit<br />

– wobei die USA hier ihr bevorzugter Tummelplatz war<br />

– immer die Gender-Nase vorn, denn sie bearbeitete<br />

das Thema Trans* zu einem Zeitpunkt, als es hier in<br />

Deutschland in feministischen Kreisen eine absolute No-<br />

Go-Area war. Während ihr Dokumentarfilm Female Misbehavior<br />

dank eines geschickt eingesetzten Spekulums<br />

den tiefen Einblick in Annie Sprinkle gewährte, erklärte<br />

Schnellrednerin, Quasselstrippe und Frauentheoretikerin<br />

Camille Paglia: „Haltet euch raus aus unserem Sexualleben!“,<br />

und F2M Max Valerio war gerade mitten drin,<br />

sich zum Mann umbauen zu lassen. Sieben Jahre später<br />

konnte man in Gendernauts erfahren, dass in Los Angeles<br />

ein reger Transgender-Tourismus eingesetzt hatte,<br />

und bei Max wenigstens schon die Brüste ab waren, auch<br />

wenn der Schwanz erst eine Länge von fünf Zentimetern<br />

erreicht hatte – aber die Länge ist ja bekanntlich nicht so<br />

wichtig. Ach, und natürlich nicht zu vergessen die schrägen<br />

Spielfilme Die Jungfrauenmaschine oder My Father Is<br />

Coming. Was haben wir gelacht!<br />

Gerade hat Monika Treut ihren neuen Spielfilm Ghosted<br />

im Berlinale Panorama vorgestellt. Wie bereits in ihrer<br />

letzten Arbeit, Den Tigerfrauen wachsen Flügel, beschäftigt<br />

sie sich mit Taiwan, und plötzlich hat man das Gefühl,<br />

Treut ist sehr, sehr reif geworden. In schönen, bisweilen<br />

asketischen Bildern lässt sie ein Beziehungsdrama zwischen<br />

Hamburg und Taipeh, zwischen der Vergangenheit<br />

und der Gegenwart entstehen, das als Mixtur aus Krimi,<br />

Liebesfilm und Mystery-Thriller inszeniert ist. Erstaunlich<br />

brav werden hier zwar die Sexszenen zwischen der<br />

Video-Künstlerin Sophie Schmitt (Inga Busch) und der<br />

jungen Taiwanesin Ai-Ling (Huan-Ru Ke) gezeigt, die<br />

absolut nichts mit Bondage, SM oder Pornographie zu<br />

tun haben, aber das ist nicht weiter schlimm, denn Treut<br />

scheint sich an diesen Themen in der Vergangenheit mehr<br />

als abgearbeitet zu haben. Stattdessen ist ein spannender<br />

Spielfilm entstanden – Treut reloaded, aber mit anderer<br />

Munition. Die sieht nämlich eine zarte und dennoch leidenschaftliche<br />

Beziehung von zwei Frauen vor, die sehr<br />

märchenhaft und klischeehaft schön dargestellt wird.<br />

Allerdings trübt sich bald der Himmel voller Geigen, da<br />

Ai-Ling besessen von der Suche nach ihrem leiblichem<br />

Vater ist, und Sophie die Art ihres Zusammenlebens bald<br />

zu eng wird. Hier prallen unterschiedliche kulturelle<br />

Lebensentwürfe aufeinander, die auch durch die tiefe<br />

Liebe kaum aufgehoben werden können. Westlicher Individualismus<br />

versus östlichem Gemeinschaftsgefühl führt<br />

die beiden Liebenden in ihre erste große Krise. Während<br />

Sophie vor der einengenden Symbiose flieht, versucht Ai-<br />

Ling sich in ihrer neuen – ungewollten – Freiheit zurechtzufinden.<br />

Ein Ausflug in eine Lesbenbar lässt sie auch<br />

direkt auf die blondierte Rechtsanwältin Katrin Bendersen<br />

(Jana Schulz) treffen, die sofort von ihr entflammt ist.<br />

Auf dem gemeinsamen Heimweg geschieht jedoch etwas<br />

Unfassbares, und Sophies Anruf auf der Mailbox ist das<br />

Letzte, was Ai-Ling noch zu hören bekommt …<br />

Die neue Monika Treut tut richtig gut, und sie vermittelt<br />

– neben der spannenden und mystischen Rahmenhandlung,<br />

die die Grenze von Fiktion und Realität<br />

manches Mal verwischt, – ein tiefsinniges Porträt von<br />

Taiwan, das zwischen Moderne und Tradition hin- und<br />

hergerissen ist. Trotz aller kultureller Unterschiede zeigt<br />

der <strong>Film</strong> jedoch vor allem eines: Liebe ist universell und<br />

kümmert sich nicht um gesellschaftliche Normen.<br />

Monika Treut<br />

Monika Treut studierte in Marburg<br />

Germanistik und politik (Staatsexamen<br />

1978) und promovierte 1984 mit der<br />

Dissertation „Die grausame Frau. Zum<br />

Frauenbild bei de Sade und Sacher<br />

Masoch“. im selben Jahr gründete sie<br />

mit der Regisseurin und Kamerafrau<br />

Elfi Mikesch die Hyäne <strong>Film</strong>produktion<br />

in Hamburg. nach einer Theaterregie-<br />

Assistenz bei Werner Schroeter am<br />

Düsseldorfer Schauspielhaus lebte<br />

Monika Treut von 1989 bis 1992 in<br />

new York, wo u.a. der Spielfilm „My<br />

Father is Coming“ entstand. ihre<br />

Spiel- und Dokumentarfilme erhielten<br />

preise in italien, brasilien, England<br />

und Griechenland. Retrospektiven<br />

haben bisher in Cambridge, bologna,<br />

Los Angeles, Toronto, Mexiko City,<br />

Lissabon, Thessaloniki, Sao paolo,<br />

Helsinki, Taipeh, Warschau und prag<br />

stattgefunden. Sie unterrichtet an<br />

Universitäten in Kalifornien und new<br />

York und schreibt beiträge für bücher<br />

und Zeitschriften. Monika Treut<br />

ist inhaberin der produktionsfirma<br />

Hyena <strong>Film</strong>s in Hamburg.<br />

ghosted<br />

von Monika Treut<br />

D/TW 2009, 89 Min, OmU<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

im Kino<br />

Bundesstart 30. April 2009<br />

L-<strong>Film</strong>nacht im April<br />

www.l-filmnacht.de<br />

6 7<br />

kino


kino<br />

„Für mich ist der Reiz beim Dokumentarfilm immer das Abenteuer, eine Reise mit<br />

ungewissem Ausgang anzutreten.“<br />

sissy: Du hast Dich in den letzten Jahren ganz auf Deine Dokumentarfilmarbeit<br />

konzentriert. Warum hast Du Dich jetzt für einen Spielfilm<br />

entschieden?<br />

Monika treut: Für mich ist der Reiz beim Dokumentarfilm immer das<br />

Abenteuer, eine Reise mit ungewissem Ausgang anzutreten. Weil<br />

der Dokumentarfilm in Deutschland in den letzten Jahren durch die<br />

Fernseh-Sender – ohne deren Beteiligung ja fast nichts mehr geht –<br />

sehr formatisiert wurde, hatte ich wieder Lust im Spielfilmbereich<br />

zu arbeiten. Im Moment scheint mir im Low-Budget-Spielfilm mehr<br />

Freiheit zu sein, ungewöhnliche Geschichten zu erzählen.<br />

Wie entstand die Idee zu „Ghosted“?<br />

Die Idee zu Ghosted ist durch eine der Protagonistinnen meines Dokumentarfilms<br />

Den Tigerfrauen wachsen Flügel – die Schriftstellerin Li<br />

Ang aus Taiwan – an mich herangetragen worden. Li Ang hatte mich<br />

mit taiwanesischen Geistergeschichten bekannt gemacht und regte<br />

an, dass ich einen Roman von ihr verfilme. Das Projekt hat sich dann<br />

zerschlagen. Zurück in Hamburg ergab es sich durch eine glückliche<br />

Fügung, dass die junge Autorin Astrid Ströher mir eine Idee für eine<br />

Doppelgänger-Geschichte gab. Daraus hat sich etwas sehr Spannendes<br />

entwickelt: eine Vermischung des asiatischen Geistermotivs mit dem<br />

Motiv des Doppelgängers, das aus der deutschen Romantik stammt.<br />

Kannst Du das Motiv der asiatischen Geistergeschichten noch ein bisschen<br />

ausführen?<br />

In Asien, speziell auch in Taiwan, gibt es sehr viele Geistergeschichten.<br />

Sie beruhen auf der Ahnenverehrung. In Taiwan gibt es in fast<br />

allen Wohnungen Altäre mit Fotos der Ahnen. Sie werden besonders<br />

im Geistermonat geehrt. Dann versammeln sich die Familien mit<br />

Freunden und Nachbarn, um Geistergeld zu verbrennen und Opfergaben<br />

für die Verstorbenen darzureichen, Speisen und Früchte, die<br />

alle eine bestimmte Bedeutung haben. Es wird den Ahnen etwas<br />

gegeben, sodass sie friedlich gestimmt sind. Der Hintergrund für<br />

diese Rituale ist eine große Angst. Es ist die Angst, den Vorfahren<br />

nicht genug Liebe gegeben zu haben, sich nicht genug um sie gekümmert<br />

zu haben, die Angst, dass die Verstorbenen als Geister zurückkehren,<br />

um die Lebenden zu verfolgen und sich zu rächen. Mich<br />

fasziniert auch das Ritual des Verbrennens von Geistergeld. Es wird<br />

nicht nur taiwanesisches Papiergeld verbrannt, sondern auch chinesisches<br />

Festlandsgeld, falsche amerikanische Dollars und andere<br />

Währungen, die der verstorbene Geist benötigen könnte, um in seiner<br />

Zwischenwelt zu existieren.<br />

Die Geschichte von „Ghosted“ spielt auf verschiedenen Zeitebenen, die<br />

ineinander geschoben werden. Warum hast Du Dich für diese Struktur<br />

entschieden?<br />

Es geht es um den Tod einer Figur und es geht darum, wie die anderen<br />

damit umgehen. Wir beginnen mit der Vergangenheit der jungen<br />

Taiwanesin Ai-ling und springen dann mit Sophie in die Gegenwart,<br />

nachdem der Todesfall geschehen ist. Die Erinnerungen an die Tote<br />

kehren wie ein Trauma zurück und unterbrechen die Struktur der<br />

linearen Erzählung. Die Grenzen von Gegenwart, Vergangenheit und<br />

Zukunft werden dadurch aufgehoben und in einen Schwebezustand<br />

versetzt. Durch die Figur der geheimnisvollen Journalistin Mei-li<br />

entsteht zusätzlich etwas Mehrdeutiges und Geheimnisvolles, was<br />

sich nicht restlos aufklären lässt.<br />

Die Geschichte dreht sich aber auch um die Liebe. Aus Sophies<br />

westlicher Sicht geht es um den Verlust der Geliebten und dass ihr<br />

erst dadurch bewusst wird, was sie ihr bedeutet hat. Es geht um Versäumnisse<br />

und die Trauer, die aus der Erkenntnis entsteht, etwas<br />

nicht gelebt zu haben. Die asiatische Perspektive hat eher mit dem<br />

Tod zu tun: Ai-ling ist jung gestorben, sie hat in ihrem Leben noch<br />

nichts hinterlassen. Der „Geist“, der sich auf die Spur von Sophie<br />

heftet, möchte herausfinden, ob diese junge Frau geliebt wurde.<br />

Am Ende des <strong>Film</strong>s werden dann beide Aspekte zusammengeführt,<br />

sodass der „Geist“ wieder entschwinden kann: Sophie hat den Prüfungen<br />

des Geistes standgehalten – sie hat sich nicht verführen<br />

lassen – und der biologische Vater bekennt sich endlich zu seinem<br />

Kind. Nun kann die Tote in Frieden ruhen und der „Geist“ hat seine<br />

Aufgabe erfüllt. Und die deutsche Sophie kann von ihrer Geliebten<br />

Abschied nehmen und hat etwas von der fremden Kultur in sich aufgenommen.<br />

War es schwierig, die Liebesszenen zu drehen?<br />

In Taiwan gibt es ein spezielles Verhältnis zur Sexualität, und das war<br />

beim Drehen der Liebesszene besonders virulent. „Frontal nudity“<br />

war ein Reizwort bei den taiwanesischen Schauspieler-Agenten. Es<br />

ging immer sofort darum: Was ist mit „frontal nudity“, was müssen<br />

die Schauspielerinnen hier zeigen? Das war immer ein ganz heißes<br />

Eisen. Es hat zum Teil mit dem Konfuzianismus zu tun. Man zeigt<br />

seinen Körper nicht. Erotik und Sexualität spielen sich sehr privat ab,<br />

sehr intim. Man kann sich vorstellen, dass die Liebesszene, so zart sie<br />

in ihren Andeutungen ist, für die junge Schauspielerin Huan-Ru ein<br />

Problem darstellte. Inga Busch hat dann sehr geholfen mit ihrer entspannten<br />

Haltung zu ihrem Körper, aber dennoch war es eine Schwierigkeit.<br />

Wir hatten ein „closed set“, wir haben ohne Ton gedreht, weil<br />

die beiden Tonmänner nicht dabei sein durften. Wir haben es so einfach<br />

wie möglich gemacht für die junge Schauspielerin aus Taiwan,<br />

die vorher große Angst hatte.<br />

Du gehörst zu den wenigen <strong>Film</strong>emachern, die von Drehbuch über Produktion<br />

bis zur Regie alle Funktionen übernehmen. Lassen sich Deine<br />

<strong>Film</strong>e nur so realisieren?<br />

Es ist aus der Not geboren, diese Personalunion zu übernehmen in<br />

diesem Fall, weil die Zutaten des <strong>Film</strong>s – die taiwanesischen Co-Produzenten,<br />

die taiwanesischen Mitarbeiter und Schauspieler, die ganze<br />

deutsche Seite und auch die Schwierigkeiten bei der Finanzierung –<br />

für den normalen deutschen Produzenten viel zu viel Arbeit gewesen<br />

und viel zu wenig honoriert worden wären. Und die Durststrecken,<br />

die man dabei zu überwinden hat, sind auch nur dann durchzustehen,<br />

wenn man von ganzem Herzen überzeugt ist, dass man einen solchen<br />

<strong>Film</strong> machen möchte. Also für junge Leute auf keinen Fall zu empfehlen<br />

und für die Älteren… Naja es gibt wahrscheinlich gar nicht mehr<br />

viele, die sich auf so etwas einlassen. Ich hab’s nicht bereut. Es gab<br />

schon ein paar extrem schwierige Situationen, aber ich bin mit dem<br />

<strong>Film</strong> sehr zufrieden und bin allen dankbar, die sich auf dieses Experiment<br />

eingelassen haben. Interview: Doris Bandhold s<br />

www.hyenafilms.com<br />

Honey in Action<br />

von Stefanie Denkert<br />

Endlich erscheint Lizzie bordens „born in Flames“ auf DVD und ist im Februar in der L-<strong>Film</strong>nacht<br />

wiederzuentdecken.<br />

s Der nun endlich ab März erhältliche lesbisch-feministische<br />

Klassiker Born in Flames von Lizzie Borden<br />

aus dem Jahre 1983 zelebriert den Kampfgeist und autonomen<br />

Aktionismus, wie wir ihn von den mutigen Frauenrechtlerinnen<br />

kennen, die ihren Protest in den späten<br />

1960ern auf die Straße trugen. Born in Flames entwirft<br />

allerdings ein utopisches Amerika, das zehn Jahre nach<br />

einer Revolution nun in einer sozialistischen Demokratie<br />

lebt.<br />

Auch in dieser angeblich gerechteren Gesellschaft<br />

sind Sexismus und Rassismus weiterhin im alltäglichen<br />

Leben fest verankert. Eine Krise auf dem Arbeitsmarkt<br />

macht das besonders deutlich: Die ersten, die entlassen<br />

werden, sind Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten.<br />

Eine militante Gruppe, die sich als die „Army“<br />

bezeichnet, hat sich bereits formiert, um für den Schutz<br />

von anderen Frauen zu sorgen. Sie patrouillieren in den<br />

Städten auf Fahrrädern und stellen sich den Tätern sexueller<br />

Übergriffe in den Weg. Fotos von Vergewaltigern<br />

veröffentlichen sie auf Plakaten in der ganzen Stadt,<br />

Gebäudemauern besprühen sie mit Wahrheiten über die<br />

Unterdrückung von Frauen.<br />

Zum zehnten Jahrestag der sozialistisch-demokratischen<br />

Revolution soll jedoch der Anschein einer glücklichen<br />

Bevölkerung öffentlich demonstriert werden. Der<br />

Regierung ist die selbstjustizübende Gruppe somit ein<br />

Dorn im Auge, schließlich zeigen die als „Terroristinnen“<br />

denunzierten Frauen die Fehler im System auf. Als<br />

deren Anführerin jedoch unter dem Druck der Regierung<br />

zusammenbricht und sich im Gefängnis das Leben nimmt,<br />

begreifen viele erst, wie ernst die Lage ist.<br />

Eine stetig wachsende Anzahl von Frauen will nicht<br />

mehr nur darauf hoffen, dass eines Tages Gleichberechtigung<br />

in allen Köpfen verankert sein wird, sondern aktiv<br />

werden. Immer mehr Frauen schließen sich daher den<br />

Aktionen der „Army“ an und beginnen, mit ihnen zu<br />

demonstrieren. Die Regierung versucht derweil, gegen<br />

die wachsende Unruhe mit einem neuen Programm<br />

anzugehen und schlägt als Lösung für die Massenarbeitslosigkeit<br />

von Frauen die Entlohnung von Hausarbeit vor.<br />

Die Frauen wollen sich jedoch nicht an den Herd zurückdrängen<br />

lassen.<br />

Mittlerweile sind Radiomoderatorin Honey und ihre<br />

Anhängerinnen auch davon überzeugt, den Kampf gegen<br />

die Machtinhaber aufnehmen zu müssen. Für Honey als<br />

lesbische Afroamerikanerin aus armen Verhältnissen<br />

steht dabei fest: Im Kampf gegen Unterdrückung müssen<br />

Frauen aller Hautfarben, sozialer Schichten und sexueller<br />

Orientierungen sich solidarisch vereinen. Die Revolution<br />

beginnt…<br />

Lizzie Borden ist es gelungen, einen feministischen<br />

Science-Fiction-<strong>Film</strong> zu drehen, der sämtliche Kritikpunkte<br />

innerhalb und außerhalb der Neuen Frauenbewegung<br />

behandelt. Es ist bemerkenswert, wie mit pointierten<br />

Dialogen und aussagekräftigen Bildern Rassismus,<br />

Klassismus, Sexismus und Heterosexismus thematisiert<br />

werden, ohne dass dabei nur an der Oberfläche gekratzt<br />

wird. Als Low-Budget-Produktion hat Born in Flames den<br />

authentisch anmutenden Look eines Zeitdokuments, der<br />

durch seinen dokumentarischen Stil weiter unterstrichen<br />

wird. Das utopische Setting des <strong>Film</strong>s ermutigt die<br />

ZuschauerInnen, mit einem frischen Blick den Stand der<br />

Gleichberechtigung in der Gesellschaft, in der sie leben,<br />

neu zu betrachten und zu überdenken.<br />

Es überrascht nicht, dass Born in Flames großen<br />

Einfluss auch auf spätere <strong>Film</strong>emacherinnen hatte. Beispielsweise<br />

beschäftigte sich der amerikanische Independentfilm<br />

A Gun for Jennifer (1996) mit Deborah Twiss<br />

ebenfalls mit feministischer Selbstjustiz. Darin schließt<br />

sich die Protagonistin Jennifer einer Frauen-Gang an, die<br />

es sich zur Aufgabe gemacht hat, Vergewaltigungsopfer<br />

zu rächen. Und zuletzt hat sich Jamie Babbit mit ihrem<br />

Politmärchen Itty Bitty Titty Committee, das 2008 in die<br />

deutschen Kinos kam, direkt auf Born in Flames bezogen.<br />

Babbit erklärte der L-Mag: „Ich liebe diesen <strong>Film</strong>. Und<br />

sie [Lizzie Borden] ist jemand, die lange vor mir kam und<br />

mich total inspiriert hat.“<br />

Itty Bitty Titty Committee greift den revolutionären<br />

Gedanken aus Bordens Klassiker auf und setzt dabei feministischen<br />

Aktivismus äußerst unterhaltsam in Szene. Im<br />

Zentrum des <strong>Film</strong>s steht die radikalfeministische Frauengruppe<br />

C(I)A. (Clits in Action), deren post-adoleszente<br />

Mitglieder mit jugendlichem Eifer den Kampf gegen das<br />

Patriarchat aufnehmen, um ein selbstbestimmtes Leben<br />

zu führen. Wie auch Babbits <strong>Film</strong> zeigt, kann man leider<br />

nur zu dem Schluss kommen, dass die Thematik von Born<br />

in Flames immer noch hochaktuell ist und auch heute<br />

noch zum Aktivismus inspirieren kann. s<br />

Born in Flames<br />

von Lizze Borden · USA 1983,<br />

80 Minuten, OmU<br />

itty Bitty tity Committee<br />

von Jamie Babbit · USA 2007,<br />

87 Minuten, OmU<br />

Beide Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

Lizzie Borden<br />

1958 als Linda Elizabeth borden<br />

geboren. borden machte ihren<br />

Abschluss am Wellesley College<br />

in Massachusetts, bevor sie nach<br />

new York zog, um als Künstlerin<br />

und Kritikerin zu arbeiten. 1976<br />

entstand „Regrouping“, das erste<br />

Werk der Autodidaktin, doch erst mit<br />

„born in Flames“ (1983) gelang ihr<br />

ein publikumshit. Drei Jahre später<br />

erschien „Working Girls“, ein <strong>Film</strong><br />

über die lesbische Fotografin Molly,<br />

die als prostituierte arbeitet, um<br />

ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.<br />

nach einigen Arbeiten für die<br />

Horrorfernsehserie „Monsters“ ging<br />

borden nach Hollywood und filmte mit<br />

Sean Young „Love Crimes“ (1991), der<br />

sich mit erotischen Fantasien befasst.<br />

Die weibliche Sexualität erkundete<br />

sie ebenfalls in der Serie „inside<br />

out“, einer playboy produktion,<br />

sowie in dem <strong>Film</strong>segment „Let’s<br />

Talk About Sex“ über eine Angestellte<br />

einer Telefonsex-Hotline.<br />

A gun for Jennifer<br />

von Todd Morris · USA 1996,<br />

91 Minuten, FSK 18<br />

Indigo, www.goodmovies.de<br />

8 9<br />

kino


kino kino<br />

LANDPArtie<br />

von thomaS abeltShauSer<br />

Mit „Rückenwind“ kommt der neue Spielfilm des berliner Regisseurs Jan Krüger ins Kino.<br />

SiSSY hat sich mit ihm getroffen.<br />

EDiTion SALZGEbER<br />

s Johann und Robin, zwei Berliner Jungs,<br />

fahren mit dem Zug nach Brandenburg, um<br />

ein paar Tage durch die einsame Waldlandschaft<br />

zu radeln und das Zelt aufzuschlagen,<br />

wo es ihnen gerade gefällt. Es ist Sommer, die<br />

Luft ist lau und das Leben ist ein Spiel. Zwischen<br />

Nacktbaden und Herumtollen wird ihr<br />

Ausflug bald zum Abenteuer, je tiefer sie in<br />

den Wald eindringen. Dort, wo Fuchs und<br />

Hase sich Gute Nacht sagen, passieren merkwürdige<br />

Dinge. Plötzlich sind ihre Räder<br />

weg, trotz Landkarte verlieren sie immer<br />

mehr die Orientierung. Sie nehmen es sportlich,<br />

lassen sich treiben, erkunden stattdessen<br />

ihre Körper, mal zärtlich, mal wild. Vor<br />

allem Robin testet, wie weit er gehen kann –<br />

und Johann liefert sich ihm lustvoll aus. Zu<br />

Fuß erreichen sie irgendwann einen alten<br />

Gutshof, den eine Mutter mit ihrem jugendlichen<br />

Sohn bewohnt. Überraschend freundlich<br />

werden sie willkommen geheißen und<br />

bleiben eine Weile, essen, trinken, erzählen<br />

sich Geschichten und machen kleine Ausflüge.<br />

Die Welt da draußen ist ganz weit weg,<br />

hier gibt es nur die vier. Als die drei Jungs<br />

mit dem Boot am Steg anlegen, isst Johann<br />

ein paar Beeren, die ihm die Wahrnehmung<br />

verschwimmen lassen. Was ist wirklich, was<br />

seine Fantasie? Wie nah kommen sich Robin<br />

und der Junge da im Gestrüpp? Fiebrig und<br />

eifersüchtig zieht sich Johann immer mehr<br />

zurück. Die Idylle scheint ein jähes Ende zu<br />

finden. Oder ist alles nur ein Spiel?<br />

Jan Krügers zweiter Langfilm nach dem<br />

preisgekrönten Unterwegs ist eine Reise mit<br />

leichtem Gepäck, ein Roadmovie mit kleinem<br />

Budget. In einer faszinierenden Mischung<br />

aus realistischen Alltagsbeobachtungen und<br />

märchenhaft anmutenden Momenten erzählt<br />

Rückenwind von einer schwulen Beziehung in<br />

einer Auszeit jenseits des Großstadtdschungels.<br />

Kurz vor der Weltpremiere auf der Berlinale<br />

und inmitten der Postproduktion hat<br />

sich Jan Krüger Zeit für ein Gespräch mit<br />

SISSy genommen.<br />

sissy: Wie ist die Idee zu RüCKenWInD<br />

entstanden?<br />

Jan Krüger: Das erste Exposé war noch sehr<br />

viel weniger narrativ, ich wollte ganz impressionistisch<br />

Bilder und Szenen eines Ausflugs<br />

parallel mit Aufnahmen aus der Großstadt<br />

zeigen. Im Club, nachts am Märchenbrunnen,<br />

so eine Art Reigen, aber ohne durchgehende<br />

Geschichte. Die erste Idee war auch<br />

gar nicht, einen Spielfilm mit geschlossener<br />

Handlung zu erzählen, sondern eher eine<br />

offene Collage, einfach aus der Not heraus,<br />

mit wenig Geld und Zeit einen <strong>Film</strong> zu drehen.<br />

Als zweite Ebene hätten Zeitungsausschnitte<br />

und Tagebucheinträge den <strong>Film</strong><br />

zusammengehalten. Das will ich auch noch<br />

mal probieren, aber so auf halbem Weg<br />

merkte ich, dass das über eine Länge von 70,<br />

10 11


EDiTion SALZGEbER (2)<br />

kino<br />

80 Minuten nicht trägt. Also habe ich angefangen, die Ausflugsgeschichte<br />

weiterzuspinnen. Da kamen dann das Haus und die anderen<br />

Figuren dazu und auch die Idee, den <strong>Film</strong> so psychedelisch enden zu<br />

lassen. Es wurde mir auch schnell klar, dass die Rückblenden in die<br />

Stadt irgendwie bemüht gewirkt hätten und ich habe sie dann ganz<br />

weggelassen. Ich habe mich mehr auf die Geschichte verlassen und<br />

auch auf das, was auf so einer Reise mit den Schauspielern passiert.<br />

Das hat so eine eigene Kraft entwickelt, dass die ganz abstrakten<br />

Momente – ursprünglich sollte man auch mal zehn Minuten nur Wassertropfen<br />

und krabbelnde Tierchen sehen, dazu Tagebuchaufzeichnungen<br />

vorgelesen – fast gar nicht mehr drin sind.<br />

Das ende ist aber noch ein überbleibsel von diesem ursprünglichen<br />

Konzept, oder?<br />

Ein bisschen, ja. Es gibt einen Roman von Hervé Guibert, „Das Paradies“,<br />

den ich in Motiven schon in dem Kurzfilm Hotel Paradijs verwendet<br />

habe. Eine magische Geschichte, die mit dem Tod der imaginierten<br />

Freundin beginnt und dem Versuch, diese Liebesgeschichte<br />

zu rekonstruieren. Und dabei löst sich die Gewissheit auf, dass das<br />

alles so passiert ist. Daraus hatte ich die Idee, die Geschichte nicht von<br />

A bis Z zu erzählen und auch diese Realitätsverschiebung am Ende.<br />

Wie detailliert war das Drehbuch?<br />

Es gab ein Treatment von 30 Seiten, mit großem Zeilenabstand. Das<br />

war nicht viel. Zu Beginn standen noch nicht mal alle Drehorte fest.<br />

Bei einer größeren Produktion wäre mir der Arsch noch mehr auf<br />

Grundeis gegangen, aber wir waren nur fünf Leute und ich habe auch<br />

schlecht geschlafen, aber ich wusste, ich muss nicht alles kontrollieren,<br />

sondern kann es auch mal laufen lassen und kucken, was passiert.<br />

Das Drehbuch war sehr fragmentarisch und es gab auch keinen Ausstatter,<br />

wir mussten also die Orte so nehmen, wie wir sie vorfanden<br />

und uns darauf einstellen. Da muss man schon ein Risiko eingehen<br />

und vertrauen, dass es am Ende zusammenpasst.<br />

Warum war es zeitlich und finanziell so knapp?<br />

Die Produktionskosten waren so niedrig, weil wir den Ehrgeiz hatten,<br />

einen wirtschaftlichen <strong>Film</strong> zu machen, also einen <strong>Film</strong>, der sich<br />

durch die Kino- und DVD-Erlöse rechnet. Das hieß in diesem Fall<br />

40.000 Euro. Und das bedeutet eine große Einschränkung, aber auch<br />

die große Freiheit, dass einem keiner reinredet und man keinen konventionellen<br />

Spielfilm erzählen muss. Ein Kompromiss war, dass es<br />

kein fertiges Drehbuch gab, denn das hätte mehr Zeit und auch mehr<br />

Geld gekostet. Ich habe dafür mehr Zeit fürs Casting verwendet.<br />

Mittlerweile habe ich dieses Selbstvertrauen, so zu arbeiten.<br />

Wie hast Du die Darsteller gefunden?<br />

Ich verfolge schon deutsches Kino und Fernsehen<br />

und da fallen mir Leute auf, die ich toll<br />

finde. Und ich kucke viel bei Casting-Agenturen.<br />

Jetzt hatte ich zunächst den Eindruck,<br />

dass ich mit diesem unfertigen Drehbuch<br />

und der schwulen Geschichte, in der es auch<br />

Nacktszenen geben sollte, Schwierigkeiten<br />

haben würde, gestandene Jungstars dafür zu<br />

finden. Die haben ja was zu verlieren und dem<br />

Druck wollte ich mich nicht auch noch aussetzen.<br />

Deswegen habe ich zuerst Laien gesucht,<br />

per Anzeige und im Internet, da haben sich 30<br />

Leute gemeldet und davon haben wir 20 eingeladen<br />

und Probeaufnahmen gemacht. Aber das<br />

war schwierig, so ganz ohne Erfahrung. Also<br />

habe ich bei Schauspielschulen Leute angeschaut<br />

und bei kleineren Agenturen. Sebastian<br />

Schlecht, der den Johann spielt, habe ich an der<br />

HFF Potsdam gefunden, wo er im zweiten Jahr<br />

Schauspiel studiert, und Eric Golub ist mir in<br />

einem Musikvideo aufgefallen. Ich habe sie<br />

dann eingeladen und im Park rumtoben und<br />

Tango tanzen lassen. Da zeigt sich schon sehr viel, ob jemand einen<br />

anderen, den er nicht kennt, souverän anfassen kann. Das ist keine<br />

Kleinigkeit. Und die beiden konnten das, das war eine gute Kombination,<br />

auch in ihrer Unterschiedlichkeit.<br />

Wussten sie, wie weit sie gehen müssen?<br />

Sie wussten, dass es um eine schwule Beziehung geht. Wir haben<br />

das Drehbuch zusammen gelesen und uns dann überlegt, dass sie<br />

seit 6 Wochen zusammen sind, also schon oft miteinander geschlafen<br />

haben. Und diese Vertrautheit sollte man auch vor der Kamera<br />

sehen, da mussten sie innerhalb von ein paar Tagen hinkommen. Sich<br />

küssen und anfassen können, wie zwei Jungs, die schon oft zusammen<br />

im Bett waren. Ich will keinen steifen Schwanz sehen, habe ich<br />

gesagt, aber ich will schon, dass ihr euch auch mal nackt auszieht und<br />

berührt, weil das zur Geschichte gehört. Da muss man einfach sehr<br />

konkret sein, dann verschwindet auch das Anrüchige daran. Ich habe<br />

sie sich vorher nackt fotografieren lassen. Das hat eine Nähe geschaffen<br />

und den beiden auch Selbstvertrauen gegeben.<br />

Wie schaffst du die Gratwanderung zwischen authentischer Intimität<br />

und Ausbeutung?<br />

Das muss jeder für sich entscheiden, denke ich. Man muss bestimmte<br />

Grenzen akzeptieren, wenn es den Beteiligten unangenehm ist. Ganz<br />

wichtig ist auch sich selbst einzubringen. Zu erzählen, wie es mit<br />

dem eigenen Freund ist, zum Beispiel. Man darf nicht glauben, dass<br />

man die Schauspieler vorschicken kann und selbst schön in Sicherheit<br />

bleibt. Im Gegenteil, man muss sich zumindest im Gespräch entblößen<br />

und damit ein paar Tabus brechen. Und sehr genau hinschauen<br />

und sie auch ein bisschen pushen. Und den Schauspielern Feedback<br />

geben, ihnen sagen, was sie schon gut machen, um so Vertrauen zu<br />

schaffen.<br />

Und deine eigenen Grenzen?<br />

Ich könnte in meinen <strong>Film</strong>en sicher noch viel weiter gehen, auch<br />

im sexuellen Bereich. Es gab in den letzen Jahren ja einige renommierte<br />

Regisseure, die echten Sex gezeigt haben, ob Lars von Trier<br />

oder Michael Winterbottom. Da ist aber nicht viel übrig geblieben,<br />

finde ich. Sex als expliziter Akt war weder ein ästhetischer Durchbruch<br />

noch eine besondere Befriedigung beim Kucken. Larry Clark<br />

hat immer was Schlüpfriges, aber auch sehr Hochglanz, diese glatten<br />

Jungs, wie eine Art Dirty-„Bravo“. Ich bin noch ziemlich weit davon<br />

entfernt, Leute bei echtem Sex zu zeigen. Es hat für mich auch nichts<br />

mit Schauspiel zu tun, sondern mit der Kontrolle von Körperfunktionen.<br />

Ist das die große Herausforderung? Ich will keine erigierten<br />

Schwänze sehen und nichts, was irgendwo reingesteckt<br />

wird. Man kann auch ohne das erotisch erzählen. Der<br />

Schlüssel liegt doch darin, spielerischer zu sein, auszuprobieren<br />

und nicht darin, immer noch expliziter zu werden.<br />

Wie bist du überhaupt zum <strong>Film</strong> gekommen? Du hast zuerst<br />

ein sehr unschwules Physikstudium absolviert.<br />

Ach ja? Da müsstest du erstmal eine statistische Erhebung<br />

in einem Physikjahrgang machen! Ich habe schon immer<br />

gern gelötet – falls du einen Kalauer für die Überschrift<br />

brauchst. Im Ernst: Zu Beginn des Studiums hatte ich mein<br />

Coming-Out und es hatte viel mit Sendungsbewusstsein<br />

zu tun, sich auseinanderzusetzen und mitzuteilen. Es war<br />

dann aber eher Zufall, dass ich von der Kunsthochschule<br />

in Köln hörte. Die Bewerbung war ziemlich aus dem Bauch<br />

heraus und auch blauäugig, weil ich zuvor noch nie was<br />

mit <strong>Film</strong> gemacht hatte. Ich glaube, ich wurde ausgewählt,<br />

weil ich bereit war, mich sehr persönlich einzubringen.<br />

Das waren dann vier nicht leichte Jahre, weil ich künstlerisch<br />

nicht vorgebildet war. Ich habe mich dann aber<br />

ganz bewusst gegen die Technik entschieden, ich habe bis<br />

heute glaube ich nie einen Special Effect verwendet. Ich<br />

wollte ja eben nicht Ingenieur werden und das sieht man<br />

als Gegenbewegung auch meinen <strong>Film</strong>en an.<br />

Deine <strong>Film</strong>e handeln oft von schwulen Beziehungen, die<br />

ambivalent sind. Was interessiert dich daran?<br />

Ich lasse sie oft wie bei einem Laborversuch durch eine<br />

dritte Person in Frage stellen, will sehen, was da passiert.<br />

Ich versuche, in Menschen reinzukucken, auch in die<br />

Schauspieler selbst, lege auch ihre Gefühle jenseits der<br />

Figur offen. Die sind oft sehr nah an ihnen selber, teilweise<br />

tragen sie ihre eigenen Klamotten. Vielleicht auch,<br />

um es mit mir abzugleichen. Das Zeigen von schwulen<br />

Beziehungen hat wie ich finde auch eine politische Komponente,<br />

da steht schon eine gesellschaftliche Haltung<br />

dahinter. Schwules Leben ist in der öffentlichen Darstellung<br />

und Wahrnehmung furchtbar normiert. Als müsste<br />

man einen Glücksbeweis antreten, aus der Kränkung des<br />

Coming-Outs heraus. Aber es schränkt total ein, wenn<br />

man immer stark und selbstbewusst sein muss in seinem<br />

Auftreten. Auch als Schwuler hat man Schwächen und<br />

Krisen, selbst wenn man in einer funktionierenden Beziehung<br />

ist. Aber dahinter kuckt man im populären <strong>Film</strong><br />

nicht, da endet es eben damit, dass zwei zusammenkommen,<br />

aber was danach passiert, wird selten gezeigt. Mir<br />

geht es nicht darum zu zeigen, dass es keine Diskriminierung<br />

mehr gibt – das würde ich auch nie behaupten. Aber<br />

es interessiert mich ganz persönlich mehr, was nach einer<br />

ersten ‚Befreiung‘ kommt. Was für spezifische Themen<br />

und Schwierigkeiten es auch in ‚emanzipierten‘ schwulen<br />

Beziehungen gibt.<br />

Zum Beispiel?<br />

In Rückenwind sind es zum Beispiel zwei Jungs, die ihre<br />

Rollenverteilung finden müssen. Die gleiche Geschichte<br />

mit einem Jungen und einem Mädchen würde vielleicht<br />

anders aussehen. Ich glaube, Fragen der Macht und Überlegenheit<br />

werden unter Jungs anders verhandelt. Oder<br />

Sex. Es gibt z.B. kaum Geschichten, in denen es darum<br />

geht, dass zwei Jungs vielleicht ganz unterschiedlich Lust<br />

auf Sex (oder Lust auf unterschiedlichen Sex) haben. Das<br />

sind spezifische Themen jenseits der Frage, ob es richtig<br />

und gut ist, schwul zu sein. s<br />

www.jank-home.de<br />

rückenwind<br />

von Jan Krüger<br />

D 2009, 75 Min<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

im Kino<br />

Bundesstart 4. Juni 2009<br />

Gay-<strong>Film</strong>nacht im Mai<br />

www.gay-filmnacht.de<br />

Verführung von engeln<br />

Kurzfilme von Jan Krüger<br />

D 1998–2007, 70 Min<br />

Unterwegs<br />

von Jan Krüger<br />

D 2004, 80 Min<br />

Jan-Krüger-Box<br />

beide DVDs im Schuber<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

Jan Krüger<br />

Der am 23. März 1973 in Aachen<br />

geborene Jan Krüger studierte<br />

zunächst Elektrotechnik, physik<br />

und Sozialwissenschaften an der<br />

RWTH Aachen, bevor er sich an<br />

der Kunsthochschule für Medien<br />

Köln bewarb, wo er ab 1996 <strong>Film</strong>-/<br />

Fernsehregie bei Horst Königstein<br />

studierte. Sein erster Kurzfilm<br />

„Verführung von Engeln“ war ein<br />

Musikvideo mit Udo Lindenberg,<br />

der das bekannte Gedicht von<br />

bertold brecht vertonte („verzieh<br />

ihn einfach in den Hauseingang,<br />

steck ihm die Zunge in den Hals…“).<br />

Sein Abschlussfilm „Freunde“<br />

(2001) über zwei 16-jährige Jungs,<br />

deren Freundschaft zunehmend<br />

erotische Züge annimmt, lief auf<br />

dem internationalen <strong>Film</strong>fest in<br />

Venedig und wurde dort mit dem<br />

„Silbernen Löwen“ als bester<br />

Kurzfilm ausgezeichnet und war für<br />

den Deutschen und Europäischen<br />

<strong>Film</strong>preis nominiert. Für seinen ersten<br />

Langspielfilm „Unterwegs“ (2004)<br />

über ein junges Heteropärchen, das<br />

beim Zelten im Sommer einen Jungen<br />

kennen lernt, der für kurze Zeit ihr<br />

Leben auf den Kopf stellt, erhielt er<br />

den „Tiger Award“ des internationalen<br />

<strong>Film</strong>festivals in Rotterdam. Sein<br />

gesammeltes Werk mit weiteren<br />

Kurzfilmen wie „Tango Apasionada“<br />

über das Ende einer schwulen<br />

beziehung (oder auch nicht?) und<br />

„Hotel paradijs“ über einen jungen<br />

Deutschen in Amsterdam, der<br />

aus seiner schwulen beziehung<br />

ausbricht, als er ein Mädchen trifft,<br />

ist als Doppel-DVD-box in der<br />

Edition Salzgeber erschienen.<br />

12 13<br />

kino


geschichte film-flirt<br />

Harvey Milk – ein Leben für<br />

die Community<br />

von Randy Shilts<br />

Bruno Gmünder,<br />

www.brunogmuender.com<br />

the times of Harvey Milk<br />

von Robert Epstein<br />

und Richard Schmiechen<br />

USA 1984, 90 Min, OmU<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

Harvey, die erste<br />

von Paul Schulz<br />

Die ganze, die wahre Geschichte über den offen schwulen Stadtverordneten<br />

Harvey Milk erscheint im März auf DVD.<br />

Harvey Milk: Eitel, medienhörig, jähzornig, starrsinnig – und liebenswürdig.<br />

s The Times of Harvey Milk gewann 1985 den Oscar<br />

für „Best Documentary“. Damals wurden Oscars noch<br />

„gewonnen“ und „gingen“ nicht einfach an jemanden.<br />

Während Produzent Richard Schmiechen die Dankesrede<br />

hielt, stand Regisseur Rob Epstein lächelnd hinter<br />

ihm auf der Bühne und freute sich wohl schon auf den<br />

Fortgang seiner Karriere: Er erhielt nur fünf Jahre später<br />

für Common Threads: Tales from the Quilt seinen zweiten<br />

Acadamy Award und seitdem viele, viele weitere <strong>Film</strong>preise,<br />

unter anderem zwei TEDDys für The Celluloid<br />

Closet und Paragraph 175.<br />

Dass Epstein als Dokumentarfilmer nicht so berühmt<br />

geworden ist wie Michael Moore, liegt wohl an seinen<br />

Themen: Alle seine <strong>Film</strong>e handeln von der Sichtbarkeit<br />

schwulen Lebens oder deren Notwendigkeit, egal ob in der<br />

Politik, im Alltag oder im Medium <strong>Film</strong> selbst. Zusammen<br />

mit seinem Produktionspartner Jeffrey Friedman dreht<br />

Epstein seit 20 Jahren kulturelle und historische Steine<br />

um, unter denen schwules Leben zum Vorschein kommt.<br />

The Times of Harvey Milk war Epsteins erste Großtat.<br />

Der Dokumentarfilm über den ersten offen schwulen<br />

Mann der Welt in einem bedeutenden politischen Amt ist<br />

auch heute noch beeindruckend und von erstaunlicher<br />

Aktualität. Große Teile von Milk mit Sean Penn lassen<br />

sich direkt auf Epsteins Rekonstruktion zurückführen,<br />

was Milk-Mastermind Gus van Sant unumwunden zugibt:<br />

„Ohne Epsteins <strong>Film</strong> wür de es meinen wahrscheinlich<br />

nicht geben“, sagte der Oscarkandidat in Interviews.<br />

Eigentlich wollten Schmiechen und Epstein 1978 eine<br />

Dokumentation über Milks Kampf gegen „Proposition 6“<br />

drehen, einen Zusatz zur San Franciscoer Stadtverordnung,<br />

der es möglich gemacht hätte, offen schwule Stadtangestellte,<br />

Lehrer und Erzieher auf Grund ihrer sexuellen<br />

Orientierung fristlos zu entlassen. Dass die Mehrheit<br />

der Bevölkerung letztendlich gegen den Zusatz stimmte,<br />

war ursächlich Harvey Milks Verdienst und ist sein politisches<br />

Vermächtnis. Den Mann dahinter auf Zelluloid<br />

zu bannen, machte sich Epstein zur Aufgabe, als Milk erschossen<br />

wurde. Das scheint für die Ewigkeit gelungen.<br />

Wo van Sant in Milk seinen Hauptprotagonisten zu<br />

einem kämpferischen Helden stilisiert, der sich für die<br />

Seinen umbringen lässt, blitzen in The Times of Harvey<br />

Milk auch die anderen Seiten des Mannes auf: seine Eitelkeit,<br />

seine Medienhörigkeit, sein Jähzorn, sein Starrsinn,<br />

aber auch sein Sinn für Humor und seine Liebenswürdigkeit.<br />

Milk ist ein Denkmal, The Times of Harvey Milk ein<br />

Dokument, das Milks Leben in einen größeren Zusammenhang<br />

stellt. s<br />

EDiTion SALZGEbER<br />

EDiTion SALZGEbER<br />

Der Moment<br />

von Tim STaffel<br />

Tim Staffel, geboren 1965, ist Schriftsteller und Theaterregisseur. Zuletzt von ihm erschienen:<br />

„Jesús und Muhammed. Eine Liebesgeschichte.“<br />

s Seattle. Nick sitzt im Sessel, hat sein T-Shirt ausgezogen, die Jeans<br />

noch an. Sieht in Richtung der Tür, die zum Bad führt, aus dem Jesse<br />

kommt, nackt. Hat sich geduscht, hält sich das Handtuch vor. Nicks<br />

Augen können nirgendwo hin, nur zu Jesse. Jesse wendet sich ab, das<br />

Handtuch fällt auf den Boden. Jesse zieht sich Shorts an, tut so, als<br />

gäbe es Nicks Augen, als gäbe es Nick nicht. Dabei ist seine Selbstverständlichkeit<br />

nicht selbstverständlich; Jesse ist verschämt, weil Jesse.<br />

Nick liegt so gut es geht im Sessel, fragt nach einer Decke, zieht sie<br />

über sich. Nicks Blick umarmt Jesse. Der nimmt es nicht wahr. Als<br />

wäre da nichts oder nie, doch Nicks Augen sind nicht stumm. Nur<br />

still. Jesse liegt auf dem Bett. Nicks Augen legen sich zu ihm. Nichts<br />

passiert. Neuer Tag.<br />

Nick sprayt. Lebt in Portland, manchmal in einer Wohnung, vielleicht<br />

seiner. Nick ist der Graffiti Artist, sonst zählt nichts. Sprayen.<br />

Schreiben. Rapture sein Zeichen, seine Schrift. Und später dann, da<br />

hat er Jesse schon getroffen, ELUSivE. Jesse ist Flip, und Jesse hat<br />

Geld, eine Mutter, bei der er lebt, auch noch eine Wohnung in Seattle<br />

von der Mutter für ihn und eine vorstellung davon, wie das abzulaufen<br />

hat, mit dem Durch-die-Nacht-laufen. Die Nacht sprayen, den Tag mit<br />

seinen Tags beschriften. innerhalb der Ordnung. Gefahr berechenbar.<br />

Ziel ist Kunst. Kunst hat einen Rahmen, ist käuflich. Kunst macht<br />

keinen Ärger. Jesse will keinen, ist beschützt durch seine vorsicht,<br />

durch sein Einverständnis. Jesse ist mit Nick in einem Skateboard-<br />

Laden, da sind sie schon in Seattle. Nick soll sich ein Skateboard aussuchen.<br />

Jesse schenkt es ihm. Nick klaut Lebensmittel, da ist er noch<br />

in Portland, hat Jesse noch nicht getroffen. Wenn er Hunger hat,<br />

besorgt er sich das, was er braucht. Wenn er Farben braucht, besorgt<br />

er sich Farben. Wenn er die Nacht gesprayt hat, schläft er oft auf dem<br />

Boden, draußen, dort, wo er müde wird. Nick ist allein, vielleicht<br />

weiß er es nicht, kennt das Gefühl überhaupt nicht, aber dann sieht<br />

er Jesse. Reist wie Jesse nach Seattle. Entdeckt Jesse in Seattle, ruft<br />

ihm hinterher. Jesse wartet auf Nick, dann ziehen sie zusammen los,<br />

und Nick besorgt ihnen das, was sie brauchen, wenn sie hungrig sind,<br />

wenn sie sprayen wollen. Jesse staunt, findet es aufregend und fürchtet<br />

die Gefahr, respektiert die Ordnung, die Nick durchbricht. ‚Weil<br />

er nur so leben kann‘, denkt Jesse nicht. Keine Ahnung, ob Jesse Nick<br />

liebt, als er ihn berührt, aber Nick liebt Jesse, auch als der ihn nicht<br />

mehr berühren will. Liebt ihn mit seinen Augen, nur dass der Blick auf<br />

einmal traurig ist. vielleicht, weil Nick auf einmal weiß, was traurig<br />

ist. Und einsam. Jesse soll es erklären, längst ist jeder für sich zurück<br />

in Portland. Warum er ihn wie Scheiße behandelt, warum Nick nicht<br />

mehr für ihn existiert, selbst wenn er vor ihm steht. Weil du lebst<br />

wie du lebst, sagt Jesse. Weil Nick nicht zahlt für Nicks Leben. Wenn<br />

Jesse sprayt und skatet, hat ihn das nicht gewählt. Er atmet noch,<br />

auch ohne Farben, ohne Board. Was bleibt. Nicks Augen. Jesse, der in<br />

der Menge untergeht. Nick, der sich umdreht, vor einer Wand steht,<br />

mit den Farben in der Hand, FREE ART, sein Leben zeichnet. verzückung,<br />

Freudentaumel, nenn mich RAPTURE. ich bin ELUSivE,<br />

flüchtig, schwer zu fassen. ich hinterlasse mich, siehst in meine<br />

Augen – nichts. Hast keine Ahnung, Antrag schreiben, du darfst,<br />

darfst nicht, wirst sanktioniert, weil du dich sanktionierst. ich träum<br />

nicht von verträgen, bin öffentlich, wo, wann immer ich will. Meine<br />

Hand auf jeder Wand, freie Fläche, hab dich mal gekannt, dachte ich,<br />

warst einer von mir, bin immer noch hier. Du surfst durchs Wohnzimmer<br />

deiner Eltern, zeichnest den Gehaltscheck gegen, auch wenn<br />

du keine Arbeit hast. Myspace, facebook, zähl deine Freunde, kennen<br />

sich alle, keiner erkennt dich, Stromausfall. Bist dabei, solange keiner<br />

sich beschwert. Freies Netz, spray mal das Netz, idiot. Stellst deine<br />

digitalen Bilder rein, bist digital, ich leg die Decke über dich, auch<br />

wenn du mich nicht willst, das ist real. Stromausfall. FREE ART. Bist<br />

immer schön korrekt. Und gut bezahlt, was denn, deine Arbeit? Kunst<br />

ist elitär, machen sie dir weis, bist borniert und intellektuell, weil sie<br />

dich nicht verstehen. Will nicht für mich bezahlen, bin also kriminell.<br />

FREE ART. Kunst hat mit verstehen nichts zu tun. Warum kapierst<br />

du’s nicht? Weil du nichts kapierst. ist deine Ordnung, schon kapiert.<br />

Schön. Affirmativ. irgendwo muss das Fressen ja herkommen. Schon<br />

okay, FLiP. verhunger nicht, mein Herz. Fragst dich, was ist in fünf<br />

Jahren, oder zehn. Frag mich danach. Kannst nicht lesen, bin nicht<br />

im Netz, hab keine Freunde, die Programme für mich zählen. Hab<br />

keine Jahre. Gibt Sprachen, die benutzen dasselbe Wort für gestern<br />

und morgen. Meine Augen. Was ist mit deinen? Hängen als Ausdruck<br />

an der Tapete deiner Mutter. Dreh dich nicht um. Bin schon weg.<br />

Hast mich nie gesehen. Bin flüchtig wegen dir. An meinem Fenster<br />

klebt ein Zettel, von außen. Kam angeflogen, ist hängengeblieben‚ ein<br />

roter Stempel drauf – „Mach’s online! Einfach schnell und sicher“.<br />

Stromausfall. irgendwann werden sie uns beide kriegen. Sind nicht<br />

schnell genug, haben sie zu spät gesehen. Werden übermalt, weggewischt,<br />

gesäubert. Als hätt’s uns nie gegeben. War trotzdem hier. Bin<br />

immer noch da. Keine Ahnung, wo du bist. s<br />

the graffiti Artist<br />

von Jimmy Bolton<br />

USA 2004, 80 Min, OmU<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

Jesús und Muhammed<br />

von Tim Staffel<br />

Transit Verlag, www.transit-verlag.de<br />

14 15


film-flirt<br />

GM FiLMS<br />

Lizzie Borderline<br />

von Paul Schulz<br />

Eine Hommage an einen Helden des internationalen independentfilms.<br />

Den Kanadier bruce Labruce.<br />

s Ein moderner Held ist einer, dem der Rest der Menschheit eher fremd ist. Ausgestattet<br />

mit abnormalen, geheimnisvollen Kräften und in voller, wenn auch meist nach außen hin gut<br />

getarnter Kenntnis seiner völligen Absonderlichkeit, durchstreift er die Gegenden der Welt,<br />

in die Normalsterbliche aus Angst vor Verletzung nie vorzudringen wagen. Schon früh entwickelt<br />

er dabei eine ganz eigene Sicht der Dinge, weil es ihm durch seine Fähigkeit zum geistigen<br />

Höhenflug gelingt, Blickwinkel auf das Leben einzunehmen, die dem Rest der Menschheit<br />

nicht gegeben sind. Versucht er, seine Ansichten mit anderen zu teilen, wird er oft missverstanden.<br />

Nicht mit Absicht, sondern einfach, weil die ihm zugängliche Erfahrungsregion halt<br />

nur von seinesgleichen vollständig nachvollzogen werden kann. Das macht Helden einsam.<br />

Mehrwert erzeugende Gesellschaften und ihre künstlerischen Zweige, dürstet nach nichts<br />

so sehr wie nach Helden. Obwohl die, die am lautesten nach dem außergewöhnlichen, ganz<br />

und gar einzigartigen Individuum schreien, wohl am Besten wissen, wie unfähig sie in Wirklichkeit<br />

sind, mit der Nichtnormiertheit und Monstrosität echten Heldentums umzugehen.<br />

Und wie weit sie selber davon entfernt sind. Das, was sie aushalten, sind Ersatzhelden, die<br />

man verpacken, vermarkten und verarbeiten kann. Alles andere geht nicht gut. Denn die so<br />

genannten „Normalen“ stehen dem echten Helden genauso furchtsam gegenüber, wie der Held<br />

ihnen. Sie wissen, sie können ihn nicht begreifen und werden ihn irgendwann genau dafür<br />

hassen. Und er weiß, dass er ihre Zuneigung aus genau diesem Grund fürchten sollte, obwohl<br />

er nichts mehr ersehnt als von der breiten Masse geliebt zu werden. Die das auch tut, bis sie<br />

ihn mit ihrer Zuneigung erdrückt hat oder lange und oft genug Zugang zu seiner besonderen<br />

Beschaffenheit hatte, um den Helden in einem geistig osmotischen Akt Teil ihrer Normalität<br />

werden zu lassen. Daran gehen Helden dann ein, weil sie aufhören, ihre eigene Sprache zu verstehen<br />

und glauben, sie wären jetzt wirklich normal. Weil es ihnen andauernd gesagt wird. Sie<br />

begreifen: Erfolg auf breiter Basis nivelliert immer auch. Dann werden Helden Säufer, Zyniker<br />

oder Wim Wenders.<br />

Damit ihnen das nicht passiert, verbringen schlaue Helden ihre Zeit mit den Ihren. In der<br />

Gemeinschaft der gesellschaftlichen Missfits wird das Ungewöhnliche zum Maßstab. Wer<br />

nicht abnormal ist, verirrt sich nie hierher und täte er es, er wandte sich in unverständigem<br />

Grauen ab. Einige merken aber auch erst, dass sie Helden sind, wenn sie auf einen anderen<br />

Helden treffen. Das ist dann schön für alle Helden, sie sind einer mehr.<br />

Bruce LaBruce ist ein großer moderner Held.<br />

Was wenig verwundert, wenn man weiß, dass er Kanadier ist. Ein Land, das es in nur<br />

wenigen Jahrzehnten schafft, Margaret Atwood, Pamela Anderson, Leonard Cohen, Douglas<br />

Coupland, Keanu Reeves, Jeremy Podeswa, k.d. lang und Holly Cole hervorzubringen, ist<br />

nichts Anderes als die ideale Heldenbrutstätte der modernen Popkultur.<br />

„Canadians could easily dominate the world. But why would you want to do something<br />

that boring, when you can paint instead?“ bestätigt Joni Mitchell eine Vermutung, die sittsame<br />

Menschen nur hinter vorgehaltener Hand äußern: Wollten sie es, Kanadier könnten mit ihren<br />

ungewöhnlichen Fähigkeiten die Welt beherrschen, aber sie haben Besseres zu tun: Kunst.<br />

Und sie sind, wie alle echten Helden, egozentrisch und selbstzufrieden genug, sich dafür vor<br />

niemandem zu rechtfertigen.<br />

LaBruce bringt noch eine andere wichtige Vorraussetzung zum Heldentum mit: er ist<br />

schwul und ein bisschen tuntig. Was der moderne Held immer ist, außer er ist eine Frau. (Die<br />

Ausnahme ist Tilda Swinton, die einzig Erbberechtigte von Quentin Crisps Vermächtnis. Die<br />

ist schwul, ein bisschen tuntig und eine Frau: also das perfekte Lebewesen.) Und er heißt<br />

Bruce. (Wayne, anyone?)<br />

16 17<br />

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Otto: Von der kulturellen Interpretationsmaschine verschluckt. Regisseur Bruce LaBruce: Gloria Swanson in male drag.<br />

Flatterhafte Lebewesen sind auf dem Vormarsch. Sexualität und<br />

Geschlecht sind die letzten echten Schlachtfelder. Weil heterosexuelle<br />

Männer sich ihres Sieges an diesen Fronten immer sicher sind,<br />

werden sie letztendlich verlieren. Sie sind zu faul geworden, um aus<br />

der Haut zu fahren, geschweige denn, sich nach gelungener Häutung<br />

in Spantex und Cape zu werfen, um die Welt zu retten. Deswegen<br />

wird sich ihre heterosexuell maskuline Ganzkörperkostümierung<br />

irgendwann um sie schließen und sie werden, darin gefangen, bei<br />

lebendigem Leibe verrotten. Vielleicht werden sie als metrosexuelle<br />

Zombies wieder auferstehen. Bis dahin jedoch sind Zombies schwul<br />

und ein bisschen tuntig, wie bei LaBruce.<br />

In dessen Werk gibt es keine waschechten Heterosexuellen. Deren<br />

Körper und Selbstbild wäre gar nicht formbar genug, um dem Meister<br />

Genüge zu tun. Der heterosexuellste Mann in einem von LaBruces<br />

<strong>Film</strong>en ist Tony Ward, ein Exgeliebter von Madonna, der seine ersten<br />

bescheidenen Lorbeeren damit verdient hat, sich als Jugendlicher vor<br />

der Linse von Männern auszuziehen, die sehr nett zu ihm waren.<br />

Seine Hauptrolle in Hustler White machte Ward weltweit zu einem<br />

schwulen Helden, so heterosexuell er auch sein mochte. Schuld war<br />

Bruce LaBruce, der das Männermodel als hübsches, freundliches und<br />

sehr nacktes Stück Fleisch in das Schaufester seines ersten Underground-Hits<br />

gehängt hatte. Hustler White ist Sunset Boulevard auf<br />

Speed. LaBruce schrieb das Drehbuch, führte Regie und spielte auch<br />

die zweite Hauptrolle: Gloria Swanson in male drag. Mit seiner zutiefst<br />

unwichtigen Handlung, aber angefüllt mit spektakulären sexuellen<br />

Abweichungen und einem Geschwader schwuler Pornostars, hatten<br />

der <strong>Film</strong> und sein Regisseur vor allem Eins: Spaß am Werteverfall in<br />

der westlichen Welt, der sich auf’s Publikum übertrug. Hustler White<br />

wurde im Fahrwasser von Indie-Hits wie My own private Idaho auch<br />

ein kommerzieller Erfolg für LaBruce.<br />

Als der Kanadier damit zum Underground-Star geworden war,<br />

hatte er schon ein heldenhaft künstlerisch unabhängiges Stück Leben<br />

hinter sich. Sein amerikanischer Wikipedia-Eintrag gibt bekannt,<br />

er wäre als „Bryan Bruce“ geboren worden, der deutsche nennt den<br />

Namen „Justin Stewart“. (Was stimmt? Warum ist Ihnen das nicht<br />

völlig egal?) Der Held studierte an der <strong>Film</strong>hochschule Toronto Regie<br />

ohne Abschluss und in New york <strong>Film</strong>theorie. Irgendwann begann<br />

er seine erste Karriere: Er wurde Fotograf. Während er das queere<br />

Punkzine „J.D.s“ herausbrachte, schlief sich sein Auge, immer auf<br />

GM FiLMS<br />

der Suche nach dem originellsten Schmutz, im Blätterwald vergnügt<br />

nach oben. Heute rufen der englische „Guardian“ und das New yorker<br />

„index“-Magazin genauso bei LaBruce an, wenn sie gute Fotos interessanter<br />

Körper brauchen, wie „Honcho“ oder „Inches“, zwei sehr<br />

bekannte schwule Pornohefte.<br />

Was Prüde als Wahllosigkeit begreifen würden, betrachtet<br />

LaBruce als größtmögliche künstlerische Freiheit: Sein Geschmack<br />

und sein künstlerischer Output ignorieren die Pornografie-Grenze<br />

geflissentlich und bewusst.<br />

Wofür John Cameron Mitchell 2006 mit Shortbus gefeiert wurde,<br />

hatte LaBruce schon 1999 mit Skin Flick/Skin Gang vorgemacht: echter<br />

Sex als erzählerisches Mittel. Das kam nur deshalb nicht so spektakulär<br />

gut beim heterosexuellen Feuillton an wie Mitchells <strong>Film</strong>, weil es<br />

in Skin Flick nicht um die Orgasmusschwierigkeiten und Seelennöte<br />

der New yorker Bohème, sondern um die Politik hinter Sex und die<br />

durch deren Strukturen erzeugte Gewalt unter Männern geht. Kein<br />

Stoff für Weichlinge. Dass der <strong>Film</strong> außerdem eine Satire ist, die mit<br />

den Symbolen des Nationalsozialismus hantiert wie andere <strong>Film</strong>e mit<br />

Stadtansichten und Sonnenuntergängen, machte die Sache nicht einfacher.<br />

Skin Flick/Skin Gang ist, wie fast alles, was LaBruce macht,<br />

eine bewusste Provokation, die mehr Spaß am Fragenstellen als am<br />

Antwortengeben hat.<br />

Spätestens an dieser Stelle seiner Berufsbiografie wurde Bruce<br />

LaBruce von den Seinen auf breiter Front als Held erkannt und freudig<br />

schwanzwedelnd vom queeren Underground als die sexuell aktive<br />

Version von Andy Warhol adoptiert.<br />

Den bisherigen Höhepunkt seines Schaffens lieferte der Kanadier<br />

2004 mit The Raspberry Reich ab: Eine ungeduldige und etwas<br />

schlampige RAF-Parodie, für die sich der Bilderstürmer eine Horde<br />

deutscher schwuler Pornostars von seinem Produzenten Jürgen Brüning<br />

auslieh. Die durften dann, angeleitet von der furchtlosen Susanne<br />

Sachße als Gudrun, hübsch kämpferische Texte aufsagen und die<br />

sexuelle Revolution ad absurdum führen, indem sie den Klassengedanken<br />

nieder zu vögeln versuchen. Das Feuillton war begeistert und<br />

<strong>Film</strong>festivals rissen sich um den Streifen und seinen Regisseur.<br />

Mit The Raspberry Reich erregte LaBruce genügend weltweite Aufmerksamkeit,<br />

um für seinen letzten <strong>Film</strong>, der jetzt auf DVD erscheint,<br />

zum ersten Mal <strong>Film</strong>förderung von der kanadischen Regierung zu<br />

erhalten. Er hat sich von der Finanzierung durchs Establishment aber<br />

The Raspberry Reich: Schlampige RAF-Parodie mit einer Horde schwuler Pornostars.<br />

nicht einfangen lassen. Otto; Or, Up with Dead People ist ein (wieder<br />

von Jürgen Brüning produzierter) schwuler Zombiefilm. Keine reine<br />

Parodie, sondern auch die vielleicht logischste Fortführung des Genres<br />

seit langer Zeit. Die Geschichte um Otto, einen jungen Zombie,<br />

der sich in einem unwirklich inszenierten Berlin auf die Suche nach<br />

seiner Todesursache begibt und dabei fast von der kulturellen Interpretationsmaschine<br />

geschluckt wird, ist ein wahres Heldenepos. Das<br />

Publikum dringt in Welten vor, die ganz vertraut aber doch unwirklich<br />

erscheinen, und kann nie sicher sein, was der Künstler eigentlich<br />

genau sagen will, ob es den <strong>Film</strong> falsch versteht oder ob man Otto…<br />

überhaupt richtig verstehen kann. Und ob es nicht vielleicht einzig<br />

und allein um das shock-value der Bilder geht, wenn LaBruce seinen<br />

essgestört dürren, aber ätherisch schönen Hauptdarsteller an scheinbar<br />

echten Hasenleichen herumnagen lässt oder Untote sich in erst<br />

durch Verwesung entstandene Körperöffnungen hinein begatten.<br />

So sieht heldenhafte Konsequenz aus: für Durchschnittsaugen eben<br />

immer auch ein bisschen nach Lizzie Borderline.<br />

Schön ist: Mit der Adaption des Horrorgenres, dessen Fans ohnehin<br />

gesellschaftlich nicht gelitten sind, gibt der Held den seinen wieder<br />

einmal etwas zurück und wird dafür mit Verehrung überhäuft.<br />

Schlecht ist: Wie alle <strong>Film</strong>e von LaBruce ist auch Otto… so begeistert<br />

von den eigenen guten Ideen, dass er sie nicht immer zu Ende denkt.<br />

Aller Anfang ist schwer, aber das heißt ja nicht, dass man aufhören<br />

kann, wenn man den geschafft hat. Der Held wird weitermachen<br />

müssen, bis er irgendwann mal fertig ist mit der Weltrettung. Das ist<br />

eine gute Sache. s<br />

Otto; or, up with…<br />

von Bruce LaBruce<br />

D/CA 2008, 94 Min, OmU<br />

GM <strong>Film</strong>s, www.gmfilms.de<br />

Skin Flick<br />

von Bruce LaBruce<br />

D/CA 1999, 67 Min, OmU<br />

Pro-Fun Media, www.pro-fun.de<br />

18 19<br />

GM FiLMS (L); JüRGEn bRüninG FiLMpRoDUKTion (R)


kino<br />

BrUDer²<br />

von thomaS abeltShauSer<br />

Roadmovie auf Französisch: Regisseur pascal-Alex Vincent schickt in „Reich mir deine Hand“<br />

ein Zwillingspaar auf eine gemeinsame Reise zu sich selbst.<br />

EDiTion SALZGEbER<br />

s Antoine und Quentin sind 18 Jahre alt und Zwillingsbrüder, die<br />

sich fast zum Verwechseln ähnlich sehen. Gemeinsam hauen sie von<br />

zu Hause ab, um nach Spanien zur Beerdigung ihrer Mutter zu trampen,<br />

die sie nicht gekannt haben. Vom Norden Frankreichs, wo sie<br />

bei ihrem Vater, einem Bäcker, aufgewachsen sind, fahren die beiden<br />

Jungs per Anhalter, als blinde Passagiere auf einem LKW und im Zug<br />

Richtung Süden. Doch ihre Reise verläuft alles andere als harmonisch,<br />

immer wieder kriegen sich die zwei grundverschiedenen Brüder in<br />

die Haare, provoziert einer den anderen. Diese Aggressionsausbrüche<br />

wechseln sich ab mit Momenten der tiefen Verbundenheit, die ganz<br />

ohne Worte auskommt. Wenn einer vom Laufen müde ist, trägt der<br />

andere ihn ein Stück auf dem Rücken. Sie sind Rivalen und Vertraute,<br />

vereint in inniger Hassliebe. Lange Zeit erwecken sie den Eindruck,<br />

als bräuchten sie nur sich auf der Welt.<br />

Zugleich üben sie auf die Mädchen, Jungs und Männer, denen<br />

sie begegnen, einen eigenartigen Reiz aus. So wie Clementine, das<br />

Mädchen, mit dem Quentin im Laderaum eines LKWs schläft, während<br />

Antoine vorne bei der Fahrerin sitzt und schmollt. Abends, am<br />

Lagerfeuer, als Quentin verschwindet, schläft Clementine auch mit<br />

Antoine. Was zwischen den Brüdern läuft, ist von außen nicht klar<br />

zu erkennen. Als Antoine am nächsten Tag nackt im Fluss badet,<br />

beobachtet ihn Quentin dabei. Sie lernen weitere Menschen kennen,<br />

haben flüchtigen Sex mit Mädchen, streiten und vertragen sich wieder,<br />

bis Antoine keine Lust mehr hat zu trampen und sie schließlich<br />

bei einer Heuernte mithelfen, um Geld für ein Zugticket zu verdienen.<br />

Ein anderer Erntehelfer, Hakim, flirtet mit Quentin, der sich darauf<br />

einlässt. Als sie nachts miteinander schlafen, beobachtet sie Antoine<br />

heimlich dabei. Am nächsten Morgen schweigen sich die Brüder an,<br />

die letzte Nacht wird nicht thematisiert. In einer Kneipe wird Antoine<br />

von einem Mann angemacht und Antoine bietet ihm für 100 Euro Sex<br />

mit dem nichtsahnenden Quentin, der auf der Toilette von dem Alten<br />

überrumpelt wird und flüchtet. Antoine findet nur noch den Rucksack<br />

seines Bruders. Er fährt allein weiter nach Spanien, trifft im Zug eine<br />

mysteriöse Frau (Katrin Saß in ihrer ersten Nebenrolle in einem französischen<br />

<strong>Film</strong>) und kommt gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung<br />

der Mutter. Dort sieht er Quentin wieder, der verändert wirkt. Später,<br />

am Strand, versucht Antoine seinen Bruder zur Rückkehr zu überreden,<br />

sie prügeln sich wieder. Doch Quentin weiß, dass ihr Bündnis ein<br />

Ende hat, für ihn ist es Zeit zu gehen.<br />

Reich mir Deine Hand, das poetisch-atmosphärische Langfilmdebüt<br />

des französischen <strong>Film</strong>emachers Pascal-Alex Vincent, ist auch<br />

eine Hommage an die amerikanischen <strong>Film</strong>e der 70er Jahre, dem<br />

so genannten „New Hollywood“, und wie diese ein Roadmovie. Das<br />

Unterwegssein der Figuren ist dabei ganz wörtlich zu verstehen: Sie<br />

gehen auf eine Reise, sind auf der Suche – nach Liebe, nach Orientierung,<br />

nach Glück, nach dem Leben und nach sich selbst. Am Ende<br />

werden die Erfahrungen sie verändert haben. Wie bei jedem Roadmovie<br />

geht es nicht um das Ziel der Reise, sondern um die Reise selbst,<br />

geprägt von zufälligen Begegnungen und Erlebnissen. Die Landschaft<br />

wird fast zu einer dritten Hauptfigur, die die Reisenden einverleibt,<br />

abstößt, ihre Gefühle spiegelt und sie immer wieder herausfordert.<br />

Die beiden Jungs müssen sich selbst behaupten und hinterfragen,<br />

gegen den anderen durch- und absetzen. „Wer bin ich?“ – diese Frage<br />

wird für die beiden auf dieser Reise existenziell. Auf der Suche nach<br />

einer Antwort werden sie ein Stück weit erwachsen.<br />

Reich mir Deine Hand ist geprägt von der ambivalenten, widersprüchlichen<br />

Beziehung der Zwillingsbrüder, die zwischen wortlosem<br />

Vertrauen und dem Wunsch nach Emanzipation vom Anderen<br />

pendelt und dabei immer wieder gewaltsam aufbricht. Zwillinge<br />

üben auf ihr Umfeld oft eine eigenartige Faszination aus, zumal<br />

wenn sie eineiig sind, sich also sehr ähnlich sehen. Für viele, wie die<br />

Mädchen oder den Mann in der Kneipe, sind sie eine erotische Fantasie.<br />

Aus schwuler Sicht kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: Das<br />

Brüderpaar spiegelt in Vielem Aspekte einer Beziehung zwischen<br />

20 21<br />

kino


kino<br />

zwei Männern – den Wunsch, im Anderen sich selbst zu entdecken,<br />

Gemeinsames zu teilen und sich dabei trotzdem nicht selbst aufgeben.<br />

Überhöht wird das Zwillingsthema, etwa im schwulen Porno, dann<br />

sogar zum Fetisch. Zwei Jungs, die sich bis aufs Haar gleichen, verheißen<br />

zumindest in der Fantasie auch doppelten Genuss. Und es kommt<br />

noch etwas dazu: Der Reiz des Verbotenen, die Möglichkeit, dass die<br />

beiden Jungs einander begehren.<br />

Zwillinge sind ein Mythos – im doppelten Sinn. In der griechischen<br />

Sagenwelt z.B. Castor und Pollux, die Söhne Ledas, von denen<br />

aber nur Pollux der Sohn des Zeus und somit unsterblich ist. Als Castor<br />

stirbt, bittet Pollux seinen Vater, ebenfalls sterblich und so im<br />

Tod mit seinem geliebten Bruder vereint zu sein. Zeus ist so gerührt<br />

von dem Wunsch, dass er Castor ins Leben zurückholt und die beiden<br />

unzertrennlich zwischen Hades und Olymp wandern lässt. Die<br />

Verbundenheit ist also weniger eine biologische als eine emotionale,<br />

nicht das Blut verbindet sie, sondern die Liebe zueinander.<br />

Vor diesem Hintergrund entwickelte Pascal-Alex Vincent die<br />

Geschichte seines ersten langen Spielfilms. Am 18. Oktober 1968 im<br />

französischen Montargis geboren und in Rochefort an der Atlantikküste<br />

aufgewachsen, studierte Pascal-Alex <strong>Film</strong>geschichte in Paris<br />

und arbeitete im Anschluss bei einem <strong>Film</strong>verleih für japanisches<br />

Kino in Frankreich. Ab 2001 drehte er sechs Kurzfilme, darunter Far<br />

West, mit dem er 2003 beim Kurzfilmfest in Oberhausen den Nachwuchspreis<br />

gewann, Candy Boy, einem 15-minütigen Anime als Hommage<br />

an die japanische Kultserie Candy der Siebziger Jahre und Baby<br />

Shark, der auf dem <strong>Film</strong>fest in Cannes Premiere feierte und in dem<br />

bereits Victor und Alexandre Carril, die Hauptdarsteller aus Reich<br />

mir Deine Hand, mitspielen. In diesen Jahren entwickelt Pascal-Alex<br />

Vincent seine Themen, denen er nun auch in seinem Kinodebüt treu<br />

bleibt: Das Erwachsenwerden, sexuelles Erwachen und schwules<br />

Begehren. Und auch sein Faible für Animationen findet sich im <strong>Film</strong><br />

wieder: Reich mir Deine Hand beginnt mit einer Zeichentricksequenz,<br />

in der die Brüder von zu Hause ausreißen. Und wie sich später herausstellt,<br />

sind sie auch ein Verweis auf die Comics, die Quentin zeichnet.<br />

Pascal-Alex, der auch das Drehbuch geschrieben hat, hat sich dabei<br />

von der Bruderbeziehung seiner Hauptdarsteller und ihren Erfahrungen<br />

inspirieren lassen. Die 1988 geborenen eineiigen Zwillinge Victor<br />

und Alexandre sind in Paris aufgewachsen, in der Nachbarschaft von<br />

Pascal-Alex, wo sie mit ihren lautstarken und gewalttätigen Auseinandersetzungen<br />

berühmt-berüchtigt waren. SISSy hat die beiden<br />

Brüder und ihren Regisseur in Berlin getroffen.<br />

Pascal-Alex, Du hast mit „Reich mir Deine Hand“ einen <strong>Film</strong> über<br />

das intensive, oft problematische Verhältnis zweier Zwillingsbrüder<br />

gedreht, von denen einer schwul ist. Was hat Dich an dem Thema so<br />

gereizt?<br />

Pascal-Alex: Mich interessiert die Frage, warum zwei Brüder, die<br />

genau gleich aufgewachsen sind, die gleiche Erziehung, dieselben<br />

Eltern haben, so grundverschieden sein können. Bei Zwillingen ist<br />

das noch deutlicher, es war also ein Glücksfall, dass ich Victor und<br />

Alex gefunden habe. Schon 2005 habe ich einen Kurzfilm mit ihnen<br />

gedreht, Baby Shark, und ich wurde immer wieder auf die beiden<br />

angesprochen, die Leute waren genauso fasziniert von den Zwillingen<br />

wie ich. Und ich lasse mich von ihnen inspirieren, von ihren Persönlichkeiten,<br />

ihren Erlebnissen.<br />

Hast Du selbst Geschwister?<br />

Pascal-Alex: Eine jüngere Schwester. Aber unsere Eltern ließen sich<br />

früh scheiden und haben beide neue Familien gegründet. Wir sind<br />

also eine große Patchworkfamilie. Nur ich bin der einzige Schwule,<br />

was mich schon auch beschäftigt. Warum gerade ich? Warum nicht<br />

auch meine Schwester? Ich finde das spannend.<br />

Alex und Victor, könnt Ihr diese Faszination verstehen, die Zwillinge<br />

auf viele ausüben?<br />

Alex: Versteh ich gut, weil es mich selbst fasziniert, was für eine Bindung<br />

ich zu meinem Zwilling habe. Unser Verhältnis ist so tief, dass<br />

vieles selbst uns ein Geheimnis bleibt.<br />

Victor: Eine der ersten Fragen, die uns Leute stellen, ist: Was unterscheidet<br />

euch? Darauf haben wir selbst noch keine Antwort.<br />

erkennt Ihr euch im <strong>Film</strong> wieder? Oder sind eure erfahrungen ganz<br />

andere?<br />

Victor: Es ist eher eine Mischung aus dem, was wir sind und welches<br />

Bild sich Pascal-Alex von uns macht. Vieles stimmt, in einigen Teilen<br />

erkennen wir uns aber gar nicht wieder.<br />

Was ist wahr daran?<br />

Victor: Im <strong>Film</strong> ist Alex’ Figur sehr viel selbstbewusster, er ist der<br />

Anführer der beiden. Im realen Leben ist es viel ausgeglichener, eher<br />

wie bei einer Waage: Wenn einer mal dominanter ist, lässt sich der<br />

andere mitziehen.<br />

Lebt Ihr zusammen?<br />

Alex: Ich habe das letzte Jahr in Buenos Aires Architektur studiert. Es<br />

war die längste Zeit, die wir jemals getrennt waren. Mir hat das richtig<br />

gut getan, mich mal auf mich zu konzentrieren. Ich bin dadurch<br />

gewachsen.<br />

Victor: Die Trennung war für uns beide wichtig, aber nach einer Weile<br />

habe ich gemerkt, wie mir die Kräfte schwinden, weil mein Bruder so<br />

weit weg war. Ich musste ihn wieder sehen.<br />

Alex: Als er mich dann nach sechs Monaten besuchen kam, half er mir<br />

bei einem Projekt, das ich alleine so gar nicht geschafft hätte. Wir<br />

ergänzen uns perfekt.<br />

Inwiefern?<br />

Victor: Alex hat immer tausend Ideen, aber er weiß nicht, wie er sie<br />

umsetzen soll. Ich bringe da Struktur rein.<br />

Der Kreative und der Rationale?<br />

Victor: Ja.<br />

Alex: Nein.<br />

Seid Ihr euch oft uneinig? Im <strong>Film</strong> kriegt Ihr euch ja regelmäßig in die<br />

Haare.<br />

Pascal-Axel: Die beiden wohnen in meiner Nachbarschaft und dort<br />

sind sie berühmt-berüchtigt für ihre lautstarken Streitereien und brutalen<br />

Kämpfe.<br />

Victor: Die Fights im <strong>Film</strong> sind nichts dagegen.<br />

Ist das der Mythos, den Ihr euch zurechtgelegt habt, um noch interessanter<br />

zu wirken?<br />

Alex: Nein, das ist alles wahr.<br />

Pascal-Alex: Die Nachbarn haben richtig Angst, wenn sie kämpfen,<br />

weil es wirklich gefährlich wird. Sogar ihre Eltern machen sich große<br />

Sorgen, dass mal etwas furchtbar schief läuft. Einmal hat Victor<br />

seinen Bruder mit einer Schere angegriffen und sie ihm ins Genick<br />

gerammt. Alex hat heute noch eine Narbe dort.<br />

Ihr kommt mir vor wie ein altes ehepaar, das nicht mit und nicht ohne<br />

einander kann. Ist da überhaupt Platz für jemand anderen?<br />

Victor: Jeder macht auch sein eigenes Ding. Im Grunde sind wir doch<br />

wie alle Geschwister, die sich mal in die Haare kriegen.<br />

Alex: Aber weil wir Zwillinge sind, ist alles ein bisschen größer und<br />

dramatischer.<br />

Pascal-Alex, siehst Du Dich als eine Art großer Bruder der beiden?<br />

Pascal-Alex: Das sagen ihre Eltern auch immer. Sie sind froh darüber,<br />

dass ich den <strong>Film</strong> mit ihren Söhnen gemacht habe, denn seitdem<br />

kämpfen sie nicht mehr so viel. Ich kenne sie einfach seit Jahren, wir<br />

wohnen alle im schwulen Viertel von Paris, im Marais, und sie gehen<br />

bei mir ein und aus, fragen mich um Rat.<br />

Wie habt Ihr euch kennen gelernt?<br />

Pascal-Alex: Sie waren einfach die bildhübschen Zwillingsbrüder im<br />

Viertel, die sich dauernd prügeln. Ich habe eines Tages meinen Mut<br />

reich mir deine Hand<br />

von Pascal-Alex Vincent<br />

FR/D 2008, 80 Min,<br />

DF oder OmU<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

im Kino<br />

Bundesstart am 26. Februar<br />

Gay-<strong>Film</strong>nacht im Februar<br />

www.gay-filmnacht.de<br />

Jungs von nebenan<br />

schwule Kurzfilme<br />

D, F, NOR, USA 2002–2003,<br />

61 Min, dt. OF und OmU<br />

Mit „Far West“<br />

von Pascal-Alex Vincent<br />

Junge rebellen<br />

schwule Kurzfilme<br />

FR/D/AU/USA/UK 2005–<br />

2006, 83 Min,<br />

dt. OF und OmU<br />

Mit „Baby Shark“<br />

von Pascal-Alex Vincent<br />

Beide Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

zusammengenommen und sie angesprochen. Und sie haben einfach<br />

„Ja, klar!“ gesagt.<br />

Hattet Ihr Bedenken wegen der schwulen Geschichte?<br />

Alex: Wir sind hetero, aber wir sind im Marais aufgewachsen. Das war<br />

nie ein Problem.<br />

Pascal-Alex: Aber es war ein Riesending, wer von beiden den schwulen<br />

Bruder spielen soll.<br />

Wer hat es entschieden?<br />

Pascal-Alex: Ich natürlich! Ich habe die Rolle Victor gegeben, weil er<br />

ein bisschen weicher, sensibler wirkt als sein Bruder. Die beiden sind<br />

straight, aber sie werden dauernd auf der Straße angesprochen. Vielleicht<br />

haben sie ihre Erfahrungen, aber darüber reden wir nicht.<br />

Hat einer von euch eine Beziehung außerhalb?<br />

Alex: Klar, so symbiotisch sind wir auch nicht. Wir haben unterschiedliche<br />

Freundeskreise.<br />

Braucht ihr bei einer ernsthaften Liebesbeziehung die Zustimmung des<br />

anderen?<br />

Victor: Wenn ich jemanden liebe, ist mir egal, was mein Bruder davon<br />

hält.<br />

Alex: Das stimmt doch überhaupt nicht!<br />

Im <strong>Film</strong> tauscht Ihr mal Rollen und gebt euch für den anderen aus.<br />

Macht Ihr das im realen Leben auch, um etwas oder jemanden zu<br />

bekommen?<br />

Alex & Victor: Nein!<br />

Alex: Was der andere hat, kann man nicht stehlen. Aber man kann teilen.<br />

Victor: Aber nicht alles.<br />

Im <strong>Film</strong> geht es viel um eifersucht. Seid Ihr auch oft neidisch auf das,<br />

was der andere hat oder macht?<br />

Alex: Das Wichtigste für uns ist, das wir gleichberechtigt sind, es muss<br />

immer eine Balance herrschen. Es wird sofort zum Problem, wenn<br />

einer von uns etwas hat oder macht und der andere nicht.<br />

Treibt euch das an oder behindert es euch eher?<br />

Alex: Mit der Eifersucht wird erst Schluss sein, wenn einer von uns<br />

beiden irgendwann einmal völlig unabhängig vom anderen seine<br />

eigene Identität entwickelt hat und glücklich ist.<br />

Victor: Das wird nicht passieren, denn dann wird der andere kommen<br />

und seinen Anteil daran haben wollen. Einer allein kann nicht glücklich<br />

werden.<br />

Alex: Da hast Du Recht. s<br />

22 23<br />

kino


pRo-FUn MEDiA<br />

kino<br />

Women, have more drama!<br />

von Sharon aDler<br />

„out at the Wedding“ von Lee Friedlander in der L-<strong>Film</strong>nacht.<br />

s Dieser <strong>Film</strong> ist beste Screwball-Comedy. Regisseurin Lee Friedlander<br />

und ihre Autorin und Produzentin Paula Goldberg wissen<br />

genau, wie man sich in diesem Genre bewegt. Mittlerweile auf diversen<br />

großen Festivals weltweit gezeigt und preisgekrönt, wird das<br />

deutsche Publikum zur L-<strong>Film</strong>nacht im März in den Genuss dieser<br />

filmischen und emotionalen Achterbahnfahrt kommen.<br />

Erzählt wird die rasante Story um Alex „Lexie“ Houston (Andrea<br />

Marcellus) und deren jüngere Schwester Jeannie (Desi Lydic). Einen<br />

nicht unwesentlichen Einfluss auf den Verlauf des Geschehens nehmen<br />

ferner der Verlobte der älteren Schwester, der frischgebackene<br />

Ehemann der jüngeren, der schwule Freund von Alex, schließlich der<br />

Familienclan der jeweils Beteiligten und deren skurrile Eigenarten.<br />

Allen voran aber eine äußerst anziehende lesbische Künstlerin!<br />

Eigentlich führt Lexie ein gesetteltes Leben, sie lebt in Manhattan,<br />

ist beruflich erfolgreich und unabhängig. Dass sie mit ihren<br />

dreißig Jahren noch nicht verheiratet ist, wird sich bald ändern, denn<br />

ihr Freund Dana steckt ihr beim Dinner im Restaurant überraschend<br />

einen Verlobungsring an den Finger und stellt die entscheidende<br />

Frage.<br />

Es könnte alles so schön sein. Wäre da nicht die Tatsache, dass<br />

Dana schwarz ist. Schlimmer noch: Er ist der Sohn eines Afroamerikaners<br />

und einer jüdischen Mutter. Felsenfest davon überzeugt, dass<br />

es zwischen seiner unkonventionellen New yorker und ihrer konservativen<br />

South-Carolina-Mischpoche nur Probleme geben wird,<br />

hat Lexie dem Verlobten gegenüber während ihrer immerhin schon<br />

dreimonatigen Beziehung ihre eigene Familie kurzerhand für tot<br />

erklärt.<br />

Richtig kompliziert wird es aber erst auf der Hochzeit von Lexies<br />

jüngerer Schwester Jeannie, zu der sie von ihrem schwulen Freund<br />

Jonathan begleitet wird. Ein kleiner Scherz reicht, und Lexie gilt in<br />

ihrer Familie plötzlich als Lesbe, Dana als ihre neue „Freundin“ und<br />

das Familienfoto hält eine äußerst pikiert dreinschauende Hochzeitsgesellschaft<br />

fest.<br />

Zurück in New york wird die unfreiwillig geoutete Hetera Lexie<br />

erneut mit ihrer vermeintlichen lesbischen Identität konfrontiert,<br />

denn Jeannie will sie nach ihrem Tahiti-Honeymoon besuchen und<br />

unbedingt ihren Lebensstil begutachten. Verzweifelt sucht Lexie<br />

nach einer Lösung und findet sie in Gestalt der attraktiven Risa, die<br />

ihr buchstäblich vor die Füße fällt und kurzerhand von Lexie und<br />

Jonathan als Alibi-Geliebte angeheuert wird. Risa, eine echte Vorzeigelesbe,<br />

liebt das Risiko und lebt das Motto „I can’t even think<br />

straight“.<br />

Die zwangsläufig folgenden Verwicklungen stellen alle vor große<br />

Herausforderungen, und ausgerechnet während ihres ersten ‚Ausflugs‘<br />

als Lesbe läuft Lexie ihrem zukünftigen Schwiegervater in die<br />

Arme. Katastrophe! Da hilft nur eins: das Spiel mit noch größerem<br />

Einsatz weiterspielen…<br />

Geistreich, selbstironisch, turbulent, scharf beobachtend und<br />

herrlich schräg spielt Out at the Wedding mit Klischees und entlarvt<br />

genau diese äußerst charmant. Besonders deutlich wird dies, als Alex<br />

bei ihrem Debut in der Szene versucht, wie eine Lesbe auszusehen und<br />

dabei leider total danebenliegt. Wirklich dramatisch aber wird das<br />

Ganze, als Jeannie auf Risa trifft, und die beiden (un)glücklicherweise<br />

magnetisch voneinander angezogen werden…<br />

Bevor der <strong>Film</strong> auf sein fulminantes Ende und einen großartigen<br />

Showdown zusteuert, müssen noch einige Klippen umschifft und<br />

harte Schläge eingesteckt werden, bis am Ende alle etwas Elementares<br />

dazu gelernt haben und jede das bekommt, was sie immer schon<br />

wollte, auch wenn das nicht vorhersehbar war.<br />

Regisseurin Lee Friedlander hatte zuvor bereits mit dem genialen<br />

Survival-Guide für Lesben Die zehn Regeln (The Ten Rules) und der<br />

tragisch-komischen Liebesgeschichte Girl Play eindrucksvoll bewiesen,<br />

dass Dyke-Drama erstens zum (lesbischen) Leben dazu gehört,<br />

und dass das zweitens nicht unbedingt bierernst sein muss.<br />

Out at the Wedding funktioniert jedenfalls wie ein heißes Schaumbad<br />

im Winter: Man muss nur eintauchen und genießen. s<br />

Out at the Wedding<br />

von Lee Friedlander<br />

USA 2007, 96 Min, OmU<br />

Pro-Fun Media<br />

www.pro-fun.de<br />

www.outatthewedding.com<br />

im Kino<br />

L-<strong>Film</strong>nacht im März<br />

www.l-filmnacht.de<br />

Kurz und gut.<br />

von eDina lautenSchläger<br />

Kurzfilme bei der L-<strong>Film</strong>nacht.<br />

s Ein ganzer Abend mit Kurzfilmen, wollen das<br />

die Frauen sehen? Und dann das: eine komplett<br />

ausverkaufte Vorstellung, der Umzug in größere<br />

Säle und eine super Stimmung. Die Bilanz<br />

der ersten L-<strong>Film</strong>nacht: 700 Berliner Lesben in<br />

einem Raum, wann hat man schon mal soviel<br />

Auswahl…<br />

Bevor es in die Sommerpause geht, findet<br />

im Mai die fünfte L-Kurzfilmnacht in den CinemaxX-Kinos<br />

statt. Das Programm, zusammengestellt<br />

von Mitarbeitern der L-Mag und der<br />

Edition Salzgeber, stand zum Redaktionsschluss<br />

noch nicht fest, aber man ist entspannt, denn<br />

man kann aus einer Fülle von <strong>Film</strong>en auswählen<br />

und vielleicht auch den einen oder anderen <strong>Film</strong><br />

frisch von der Berlinale mitbringen.<br />

Was ist so faszinierend an Kurzfilmen? Liegt<br />

es daran, dass für jeden Geschmack etwas dabei<br />

ist? Oder dass nicht ganz so gelungene <strong>Film</strong>e<br />

einfach schnell vorbei sind und der nächste<br />

gleich hinterher kommt? Kurzfilme erzählen<br />

ihre Geschichten im Idealfall frisch, kompakt<br />

und pointiert und verdienen es, als eigene Gattung<br />

begriffen zu werden. Wenn überhaupt,<br />

zeigt das Fernsehen Kurzfilme zu nachtschlafender<br />

Zeit und selbst Festivals fällt die<br />

Beschäftigung mit dem Genre immer schwerer.<br />

Groß war der Schock, als die Berlinale mit ihre<br />

Tradition, vor dem Langfilm einen Kurzfilm zu<br />

zeigen, brach. Meist am Anfang der Karriere<br />

gedreht, mit wenigen Mitteln, ist das Genre<br />

Kurzfilm auch ein Experimentierfeld, um den<br />

eigenen Stil zu entwickeln und eigene Themen<br />

aufzugreifen. Schwierig wird es allerdings,<br />

wenn gerade Frauen (die es in der Medienbranche<br />

immer noch schwerer haben als Männer)<br />

den gewünschten Schritt von der kurzen zur<br />

langen Form aus rein ökonomischen Gründen<br />

nicht schaffen. Aber das wäre ein ganz weites<br />

Feld, das wir sicherlich noch in einer der folgenden<br />

Ausgaben der SISSy aufgreifen werden.<br />

Bis auf weiteres darf sich die Besucherin einer<br />

L-Kurzfilmnacht als innovative Konsumentin<br />

begreifen, die sich völlig entgegen eines jeden<br />

Marktgeschehens verhält und sich hoffentlich<br />

einfach an guten, spannenden und eben kurzen<br />

Geschichten erfreut. s<br />

24 25<br />

kino<br />

L-<strong>Film</strong>nacht<br />

Das monatliche <strong>Film</strong>event für Lesben.<br />

Augsburg, berLin, bieLeFeLD, bremen, DresDen, essen,<br />

Freiburg, HAmburg, KieL, mÜnCHen, OLDenburg,<br />

regensburg, stuttgArt, trier, WuppertAL, WÜrzburg<br />

Karten unter www.cinemaxx.de<br />

www.l-filmnacht.de<br />

gay-<strong>Film</strong>nacht<br />

Das monatliche <strong>Film</strong>event für schwule.<br />

Augsburg, berLin, bieLeFeLD, bremen, DresDen,<br />

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www.gay-filmnacht.de<br />

Wir bedanken uns bei unseren partnern:


kino<br />

Dass auch Liebende ertrinken<br />

von Jan gymPel<br />

„Mit geschlossenen Augen“ von bodewijn Koole in der Gay-<strong>Film</strong>nacht.<br />

s Die Suche nach dem verschollenen Vater<br />

scheint ein sehr bewegender Stoff zu sein.<br />

Jedenfalls sollte es allen Erfahrungen nach<br />

keine großen Probleme bereiten, öffentliches<br />

Geld zu erhalten für einen schönen, langen<br />

<strong>Film</strong>: Über die Suche nach dem Mann,<br />

der eigentlich nur Ihr Miterzeuger ist, und<br />

mit dem Sie nicht mehr verbindet als ein paar<br />

Gene.<br />

Da die Fahndung nach dem unbekannten<br />

Samenspender ein so beliebtes Kinothema<br />

ist, erwartet man von diesem fünfzigminütigen<br />

Werk des Niederländers Boudewijn<br />

Koole wenig Neues. Doch der Regisseur, der<br />

bislang mit Dokumentationen auf sich aufmerksam<br />

gemacht hat, schildert in seinem<br />

ersten Spielfilm eine ungewöhnliche Vatersuche<br />

auf ungewöhnliche Art.<br />

Felix, vermutlich in seinen frühen Zwanzigern<br />

und bei seiner Oma lebend, will vor<br />

Antritt einer langen, gefährlichen Motorradtour<br />

in ferner Fremde endlich seinen Vater<br />

kennenlernen und so eine Leerstelle in seiner<br />

Biographie ausfüllen – auf eigenwillige<br />

Weise, wie sich bald zeigt. Er weiß: Johan,<br />

der mit Felix’ verstorbener Mutter nur eine<br />

kurze Affäre hatte, führt eine kleine Kneipe,<br />

in der viel Jazz gespielt und dazu, wie es sich<br />

gehört, viel geraucht wird. Und er ist schwul,<br />

wohl im Gegensatz zu Felix, der zwischendurch<br />

mit einer Arbeitskollegin im Bett landet.<br />

Letzterer versucht, seinem alten Herrn<br />

– der von seiner Vaterschaft gar nichts weiß,<br />

geschweige denn, wer der junge Biker ist,<br />

welcher da seine Aufmerksamkeit erregen<br />

möchte – zunächst durch demonstratives<br />

Interesse an Jazz und alten Vinylscheiben<br />

nahezukommen. Und dann, als dies nicht<br />

recht fruchtet, ihn zu verführen.<br />

Oder ist vielleicht alles ganz anders? Boudewijn<br />

Koole erzählt seine Geschichte eher<br />

bruchstückhaft und deutet vieles nur an. So<br />

bleibt Raum für die Fantasie des Zuschauers,<br />

der andererseits womöglich auf falsche<br />

Fährten gelockt und dazu gebracht wird,<br />

Verbindungen herzustellen, die es gar nicht<br />

gibt, und sich Falsches zusammenzureimen.<br />

Ist Johan beispielsweise wirklich allein und<br />

will er dies womöglich bleiben, zumal nach<br />

dem zwanzig Jahre zurückliegenden Tod<br />

eines Jazzmusikers, mit dem er eng befreundet<br />

war – auf welche Weise auch immer?<br />

Dessen Ertrinken spielt an auf das Schicksal<br />

des bedeutenden Free-Jazz-Saxophonisten<br />

Albert Ayler, der 1970 aus New yorks East<br />

River gezogen wurde, wobei die näheren<br />

Umstände seines Ablebens nie geklärt werden<br />

konnten. Von Ayler gespielte Musik ist<br />

in Mit geschlossenen Augen zu hören, von<br />

einem ertrunkenen Liebespaar wird erzählt,<br />

William Butler yeats’ Gedicht „Die Nixe“<br />

von Johan rezitiert. Andererseits trifft dieser<br />

sich wiederholt mit einem netten, nicht mehr<br />

ganz jungen Schwarzen. Nur auf geschäftlicher<br />

Basis?<br />

Letztendlich bleibt vieles offen in diesem<br />

<strong>Film</strong> und die Neugierde des Zuschauers<br />

in mancher Hinsicht ungestillt. Immerhin<br />

bekommt Felix nicht nur höchst intimen<br />

Kontakt mit Johan. Er kann auch erleben,<br />

wie dieser sich bei einem Mädchen aus der<br />

Nachbarschaft doch als guter Vater erweist,<br />

und so seine Suche zu einem befriedigenden<br />

Ende bringen. s<br />

Mit geschlossenen Augen<br />

von Bodewijn Koole<br />

NL 2007, 52 Minuten, OmU<br />

Edition Salzgeber,<br />

www.salzgeber.de<br />

im Kino<br />

Gay-<strong>Film</strong>nacht im März<br />

www.gay-filmnacht.de<br />

s Zu entspannten Gitarrenklängen rollt ein<br />

junger Mann mit seinem Skateboard durch<br />

eine amerikanische Vorstadtlandschaft. Hier<br />

und da bleibt er stehen und sprüht Graffiti an<br />

Hauswände – mit Hilfe einer Schablone, die,<br />

wie sich herausstellt, den Ausblick von dem<br />

Haus zeigt, in dem er lebt: auf die Vincent<br />

Thomas Bridge von San Pedro, im Hafenareal<br />

von Los Angeles.<br />

Diese Aussicht scheint allerdings auch<br />

schon das Schönste am Leben des jungen<br />

Mannes, weshalb sie im weiteren Verlauf<br />

des <strong>Film</strong>s keine Rolle mehr spielt. Auch kann<br />

jener Zach nicht das Leben eines unbekümmerten<br />

US-Westküstenteenagers führen: Der<br />

kleine Junge im Haus ist zwar nur sein Neffe,<br />

doch Zachs Schwester hat mit Männern so<br />

ihre Probleme, deshalb hat ihr Bruder nicht<br />

nur häufig als Babysitter herzuhalten, sondern<br />

wird konsequenterweise von dem Kind<br />

auch als Vater betrachtet.<br />

Zachs Dasein, das dahindümpelt zwischen<br />

dem Job als Küchenhilfe in einem<br />

Diner, etwas mutlos verfolgten zeichen-<br />

Zuflucht<br />

von Jan gymPel<br />

„Shelter“ von Jonah Markowitz in der Gay-<strong>Film</strong>nacht.<br />

künstlerischen Ambitionen und eben der<br />

ständigen Sorge um den Neffen, erfährt eine<br />

entscheidende Wendung, als er beim Surfen<br />

einen alten Bekannten trifft: Der große Bruder<br />

seines wohlhabenderen besten Freundes<br />

will in der alten Heimat Abstand von seinen<br />

Problemen als Autor finden. Eigentlich ist<br />

Zach gewarnt oder könnte es zumindest sein:<br />

Shaun, hat man ihn wissen lassen, steht auf<br />

Männer. Trotzdem hängt Zach viel mit ihm<br />

herum, und so geschieht schließlich, was<br />

unvermeidlich scheint, zumal nach einem<br />

langen Abend mit viel Bier.<br />

Zunächst reagiert Zach verstört, zumal<br />

er spürt: Was er für Shaun empfindet, ist<br />

etwas ganz anderes als die zunehmend lustlos<br />

verfolgte Beziehung zu seiner Freundin.<br />

Dann gibt er seiner frisch entfachten Leidenschaft<br />

nach. Und bei einem romantischen<br />

Abendessen, zu welchem Zach notgedrungen<br />

seinen Neffen mitbringt, erweist sich<br />

Shaun als hervorragender zweiter Ersatz-<br />

Daddy. Doch allzu lang bleibt die Romanze<br />

der beiden Männer ihrer Umgebung nicht<br />

verborgen. Und Zachs Schwester zeigt sich<br />

wenig begeistert von der neu entdeckten<br />

Neigung ihres Bruders, zumal dieser seinem<br />

Neffen als Vorbild dienen soll. Allerdings<br />

hat sie ihrerseits gerade einen neuen Mann<br />

gefunden und dieser bald darauf eine Stelle<br />

im fernen Oregon.<br />

Wie sich schließlich alles für alle Beteiligten<br />

trefflich fügt, mag man als große<br />

Gunst des Schicksals betrachten – oder auch<br />

als unbedingten Willen des Drehbuchautors<br />

Jonah Markowitz zu einem umfassenden<br />

Happy End. Doch darüber sieht man gern<br />

hinweg, nicht nur wegen der – zumal in<br />

den von Kulturkämpfen geschüttelten USA<br />

– ausgesprochen politischen Botschaft, derzufolge<br />

Familie und ein ideales Umfeld für<br />

Kinder nicht unbedingt aus Mama und Papa<br />

zu bestehen brauchen. Auch erzählt Markowitz<br />

in seinem Spielfilmregieerstling seine<br />

Geschichte von einem Coming out, generellem<br />

Selbstfinden und Erwachsenenwerden,<br />

Aufopferung und Verantwortung einfühlsam<br />

und mit einer schönen Balance aus Zurückhaltung<br />

und Direktheit. Am Ende können<br />

Zach und seine Schwester das enge, wenig<br />

behaglich wirkende Heim verlassen, welches<br />

nichtsdestoweniger Sicherheit vermittelte.<br />

Als Ort des Schutzes und der Zuflucht, von<br />

dem der Titel des <strong>Film</strong>s spricht, hat nicht nur<br />

Zachs Neffe etwas Besseres gefunden. s<br />

Shelter<br />

von Jonah Markowitz<br />

USA 2007, 90 Minuten<br />

Pro-Fun Media,<br />

www.pro-fun.de<br />

im Kino<br />

Gay-<strong>Film</strong>nacht im April<br />

www.gay-filmnacht.de<br />

26 27<br />

kino


wir verreisen<br />

tobi in<br />

Wonderland<br />

von tobiaS rauScher<br />

pathos und politik, Liebe und Lametta: Eine Liebeserklärung an das <strong>Film</strong>festival<br />

Cinema of Dreams von Tilda Swinton und Mark Cousins.<br />

Pretty in pink. Tilda Swinton beim TEDDY Award 2008 (links), unser Autor Tobias Rauscher in Nairn (rechts).<br />

s Am 14. August 2008 besuchen drei von vielen BesucherInnen aus aller Welt das erste Mal in ihrem Leben das Dorf<br />

Nairn an der schottischen Atlantikküste. Sie verlassen die sonnendurchflutete High Street, um an einer kleinen Straßenkreuzung<br />

zwischen einem Buchladen und einem schmucklosen Friseursalon ein altes viktorianisches Reihenhaus<br />

zu betreten, dessen Frontfenster mit langen Lamettafäden geschmückt sind. „Welcome“ ist an der Fassade in wehenden<br />

Plastikbuchstaben befestigt. „Das hat ein Pfund gekostet“, wird Mark Cousins später noch lachend erzählen und<br />

gibt schon vor Betreten des Ballrooms einen Eindruck von dem, was in den nächsten Tagen passieren soll: mit wenig<br />

Geld und einer Menge Begeisterung etwas schaffen, das auf den ersten Blick ziemlich provisorisch wirkt, aber danach<br />

seine volle Magie entfaltet.<br />

Mark Cousins ist Dokumentarfilmer, <strong>Film</strong>kritiker, ehemaliger Leiter des Edinburgh <strong>Film</strong> Festivals, <strong>Film</strong>journalist<br />

und vor allem leidenschaftlicher Kinoliebhaber. Aufgewachsen in einer irischen Arbeiterfamilie hat er sich als kleiner<br />

Junge in das Kino verliebt. Dass Cousins mit „The Story of <strong>Film</strong>“ ein Standardwerk der <strong>Film</strong>geschichte verfasst hat<br />

und für die BBC mit seiner Interviewreihe Scene by Scene Maßstäbe für den <strong>Film</strong>journalismus gesetzt hat, spielt in den<br />

nächsten 8 ½ Tagen keine Rolle. Er ist vielmehr wieder der kleine Junge, dessen Augen bei jeder <strong>Film</strong>vorführung aufs<br />

Neue funkeln. Sein Charme ist ansteckend und seine Energie wird höchstens noch von Tilda Swinton überboten.<br />

Als wir die Räume das erste Mal betreten und sich nach dem langen Eingangsflur der Hauptraum erstreckt, riecht<br />

es nach neuem Teppich und frischer Farbe. Eine Heerschar von freiwilligen HelferInnen schwirrt durch die Räume.<br />

John Byrne malt noch im Nebenraum in naiv-expressionistischer Manier die letzten Namen an die Wand, während<br />

bRiGiTTE DUMMER (L); SEHR pRiVAT (R)<br />

Staubsauger die letzten Sägespäne beseitigen und die riesigen Spiegelblitze<br />

an die bunten Wände geklebt werden. Am Ende des Raumes<br />

ist eine Leinwand aus Bettlaken aufgespannt, davor erstrecken sich<br />

drei Reihen aus großen Samtkissen und quietschbunten Sitzsäcken,<br />

Spenden von Ikea. Nach zwei Reihen mit gestreiften Strandliegestühlen<br />

beginnen die Plastikstuhlreihen, die auf einer kleinen mit silbernen<br />

Heliumballons geschmückten Erhöhung enden, wo Matt Lloyd,<br />

der einzige bezahlte Mitarbeiter und Festivalmanager, die Technik<br />

verwaltet. Björn und Stefan von der Edition Salzgeber installieren an<br />

der Decke einen riesigen Projektor, mit dessen Hilfe alle <strong>Film</strong>e in den<br />

nächsten Tagen zum Leben erweckt werden. Nach wenigen Minuten<br />

beginnt der Testlauf. Das Licht geht aus. Nur das rote Schimmern der<br />

chinesischen Lampions leuchtet noch matt von den Seiten. Gene Kellys<br />

Singin’ in the Rain strahlt durch den Raum. Das Bild wird kurz<br />

justiert, der Ton ist klar. „It’s fantaaaaastic!“ schallt es schrill durch<br />

den Raum. Nach einem Hund und zwei Kindern betritt eine mit Tupperdosen<br />

beladene Frau in alten Jeans, Holzfällerhemd, Turnschuhen<br />

und übergroßer weißer Strickjacke den Raum.<br />

Tilda Swinton ist Schauspielerin, nennt sich selbst aber lieber<br />

Aktivistin oder Performerin. Bekannt wurde sie durch Derek Jarmans<br />

<strong>Film</strong>e Caravaggio, edward II und The Last of england. Mit unabhängigen<br />

<strong>Film</strong>emacherinnen wie Cynthia Beatt, Lynn Hershmann oder<br />

Sally Potter drehte sie Kunst- und Experimentalfilme. Später produzierte<br />

sie in den USA unabhängige <strong>Film</strong>e wie Thumbsucker oder Ste-<br />

„einen Lieblingsfilm zu haben,<br />

ist wie einen neuen <strong>Film</strong> zu<br />

entdecken, einer der wahren<br />

reichtümer des Lebens. egal in<br />

welchem Alter man ihn entdeckt<br />

und egal aus welchem grund.<br />

So ein Schatz währt ewig.“<br />

phanie Daley. Mit den Chroniken von narnia oder Danny Boyles The<br />

Beach „spielte sie in Hollywood Spion“. Ach ja, und einen Oscar hat<br />

sie im letzten Jahr auch gewonnen – und ihn gleich an ihren Agenten<br />

verschenkt. Tilda Swinton gehört einer der ältesten Familien Schottlands<br />

an, studierte in Cambridge Politik- und Sozialwissenschaften<br />

und war 2009 die Präsidentin der Berlinale-Jury. Das alles spielt aber<br />

in den nächsten 8 ½ Tagen keine Rolle. Eher wirkt Tilda Swinton wie<br />

ein kleines Mädchen, wenn sie vor lauter Aufregung durch den Raum<br />

rennt und ihr Gesicht bei jeder <strong>Film</strong>vorführung zu lächeln beginnt.<br />

Tildas positive Energie ist überwältigend, ihre Großzügigkeit und ihr<br />

Elan sind beneidenswert.<br />

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und man bekommt<br />

das Gefühl, als sei man mitten in die Generalprobe zu einer Schulfete<br />

geplatzt. Bis jetzt ist nicht klar, wie die nächsten Tage ablaufen werden.<br />

Dass fast jede Vorstellung ausverkauft sein und es beinahe täglich<br />

Zusatzvorstellungen geben wird, weiß momentan noch niemand.<br />

„I’m so excited“ ruft Tilda, „I feel a bit shaky, I feel a bit frightened“<br />

antwortet Mark. John Byrne malt die letzten Buchstaben des „State<br />

of Cinema“-Schriftzuges auf eine blau-rote Stoffplane, die Tilda und<br />

Mark vor jeder <strong>Film</strong>vorführung als Ersatz für einen richtigen Vor-<br />

hang fallen lassen. Dazu klettern sie auf zwei alte Leitern, die links<br />

und rechts vom weißen Laken aufgestellt sind und es bis zum Ende<br />

des Festivals auch bleiben werden. Der Charme des Improvisierten<br />

könnte nicht deutlicher strahlen als hier. Nichts ist perfekt und nichts<br />

soll perfekt sein. Als „big mish-mash“ bezeichnet Tilda später das<br />

Konzept der Inneneinrichtung und dieses große Mish-Mash trägt<br />

wesentlich zum Zauber dieses <strong>Film</strong>festivals bei, das auf alles verzichtet,<br />

was große Festivals in den Augen vieler auszeichnet: die neuesten<br />

<strong>Film</strong>e, der rote Teppich, Glamour und Glanz, Ego und Prestige,<br />

Stars und Preise. Zwei Dinge sind im „Cinema of Dreams“ wichtig: die<br />

<strong>Film</strong>e und die Menschen, die sie sehen und vor allem sehen wollen.<br />

Hier haben sich zwei Enthusiasten und Aktivisten einen Traum<br />

erfüllt, das wird schon vor dem ersten, oder besser gesagt „einhalbten“<br />

Tag deutlich. Dass ein kleiner Traum vom großen Kino von so<br />

vielen Menschen und allen voran den BewohnerInnen eines kleinen<br />

Rentnerdomizils im schottischen Hochland so breite Unterstützung<br />

findet und ein kleines, kulturelles Großereignis als kommunales Projekt<br />

möglich ist, verlangt schon sehr viel ideellen Enthusiasmus. Und<br />

sicherlich eine große Portion Naivität, die das Träumen erst zulässt.<br />

Am 15. August 2008 werden die Pforten geöffnet. Die Spielregeln<br />

stehen fest und haben sich herumgesprochen: Wer keine drei Pfund<br />

oder ermäßigt zwei Pfund zahlen will, backt einen Kuchen und kommt<br />

umsonst rein. Früh bildet sich eine lange Schlange, die mit britischer<br />

Disziplin verharrt und ausgestattet mit Törtchen, Pies und Muffins<br />

auf Einlass wartet. Es wird voll und schließlich ausverkauft. Der erste<br />

<strong>Film</strong> am einhalbten Tag, Peter Ibbetson (1935) von Henry Hathaway<br />

mit Cary Grant, gibt gleich die Richtung für das Festival vor. Die<br />

magische Liebesgeschichte von zwei Menschen, die nicht zueinander<br />

dürfen und nur über Träume und halluzinoide Fantasien vereint werden<br />

können, stammt aus der frühen Zeit des Tonfilms und ist einer<br />

der Lieblingsfilme von Tilda Swinton. Die anfangs konventionelle<br />

Geschichte kippt in der zweiten Hälfte in einen surrealistischen Bildersturm,<br />

und macht gleich zu Anfang deutlich, welche Magie Kinobilder<br />

auf einer großen Leinwand entfalten können – selbst wenn der<br />

<strong>Film</strong> von einer DVD kommt und die Leinwand ein Bettlaken ist.<br />

Doch bevor der <strong>Film</strong> beginnt, als sich das Publikum endlich eingefunden<br />

hat, und die letzen Wartenden von Tilda und Mark vertröstet<br />

werden, beginnt die Prozedur, die sich zu jeder <strong>Film</strong>vorführung und<br />

jeder Zusatzvorstellung wiederholen soll. Das Hauptlicht geht aus,<br />

ein Raunen erfüllt den Saal, das Licht der roten Lampions erlischt<br />

und Musik ertönt. Heute ist es Over The Rainbow, später sollen Space<br />

Oddity und sogar Personal Jesus von Marilyn Manson folgen. Hauptsache,<br />

die Lieder passen nicht zu gut zum entsprechenden <strong>Film</strong>, sagt<br />

Mark Cousins spätabends, als die Diskussionen um die Eröffnungssongs<br />

voller Ironie und Erleichterung über den ersten Tag in eine<br />

Grundsatzdebatte ausarten.<br />

An einer bestimmten Stelle jedes Liedes setzt dann ein schwerfälliger<br />

Scheinwerfer ein, der zuerst das Publikum und dann den Raum<br />

abtastet, dem richtigen Takt immer ein bisschen hinterher hinkt und<br />

schließlich bei Tilda und Mark stehen bleibt, die nie ganz unbemerkt<br />

auf ihre Leitern klettern können, um mit dem bemalten Vorhang das<br />

magische noch weiße Viereck zu verstecken. „Welcome to the State<br />

of Cinema“, sagt Tilda Swinton und hält heute – wie an allen anderen<br />

Tagen – eine kleine Begrüßungsrede, die von Mark Cousins übernommen<br />

und meist um einige historische Anekdoten zum <strong>Film</strong> ergänzt<br />

wird.<br />

Der „State of Cinema“ ist im Ballerina Ballroom zweideutig. Einmal<br />

ist es ein Staat, der keine Grenzen kennt und niemanden ausschließt.<br />

Die cineastische Utopie der Blackbox als Traumland, in<br />

dem alle willkommen sind und in das alle hinein können, wenn sie<br />

wollen. Sicherlich auch der Gedanke einer Gruppe, deren Identität<br />

sich über das Kino und ihre Liebe dazu definiert, nicht aber über<br />

Staatsbürgerschaft, Nationalität, Klasse, Rasse, Alter oder Sexualität.<br />

Betrachtet man die internationale <strong>Film</strong>auswahl, das Weltkino, das in<br />

28 29<br />

wir verreisen


wir verreisen<br />

den nächsten Tagen präsentiert wird mit einer Parabel aus dem Senegal,<br />

einem Kinderfilm aus Kanada, einem ukrainischen Liebesdrama<br />

oder einem Thriller aus Japan, wird deutlich, dass wir uns im Land<br />

des Kinos befinden und mit den <strong>Film</strong>en und in die <strong>Film</strong>e reisen. Zum<br />

anderen heißt „state“ Zustand und verweist damit auf eine Einstellung<br />

oder einen Seelenzustand. Dass es hier um die Seele des Kinos<br />

im romantischen Sinne gehen muss, ist allen Beteiligten spätestens<br />

nach Betreten des Ballerina Ballrooms klar. Dass es Tilda und Mark<br />

um die Erhaltung einer Seele geht, unterstreichen sie in den folgenden<br />

Tagen mehrfach. Denn so positiv das Festival in seiner altmodischen<br />

Essenz auch ist, geht es sehr deutlich und politisch auch gegen etwas.<br />

Gegen Multiplexe zum Beispiel und gegen hypermoderne, aseptische<br />

Kinosäle und Kino als Kommerzfest. Es geht um das gemeinsame<br />

Erleben und gegen eine anonyme, gewinnorientierte Industrie. Es<br />

geht um alte und vergessene <strong>Film</strong>e, und gegen den neuesten Blockbuster,<br />

der gesehen werden muss, um mitreden zu können. Es geht um<br />

das Genießen und gegen den Konsum. Es geht um die Liebe zum Kino<br />

und gegen das Profitieren am Kino. „Einen Lieblingsfilm zu haben, ist<br />

wie einen neuen <strong>Film</strong> zu entdecken, einer der wahren Reichtümer des<br />

Lebens. Egal in welchem Alter man ihn entdeckt und egal aus welchem<br />

Grund. So ein Schatz währt ewig“, steht einleitend auf jedem<br />

Programm. Das Pathos ist hier politisch, die Nostalgie nie konservativ<br />

und immer ernst gemeint.<br />

Mit ihrer <strong>Film</strong>auswahl von yasujiro Ozu bis Bill Douglas über<br />

Roman Polanski zu Akira Kurosawa, Derek Jarman und Rainer Werner<br />

Fassbinder werden Tilda Swinton und Mark Cousins Bildungsbeauftragte<br />

in eigener Sache und Leidenschaft.<br />

Denn wer in Nairn wohnt, ist von <strong>Film</strong>geschichte weit entfernt.<br />

Vor circa 20 Jahren haben die beiden letzten Kinos geschlossen und<br />

neue wurden nicht eröffnet. Die Anekdote, die einem als Tourist hier<br />

ständig erzählt wird, von Charlie Chaplin, der regelmäßig in Nairn<br />

Kururlaub gemacht hat, wirkt fast wie blanker Zynismus angesichts<br />

des mangelnden Kulturangebotes im Ort. Gerade mal eine Videothek<br />

und eine Stadtbücherei gibt es, die nächst größere Stadt ist Inverness<br />

und begrüßt jeden Besucher mit einem Geschwür aus Shopping<br />

Malls, das dem amerikanischen Vorbild in nichts nachsteht. Multiplex<br />

inklusive. „Diese Stadt ist tot!“, sagt ein betrunkener Passant im<br />

Vorbeigehen, „Die Leute kommen hier doch zum Sterben hin!“ Und<br />

tatsächlich gibt es außerhalb der High Street kaum noch Straßenleben.<br />

Verlassene Läden und verwahrloste Schaufenster an allen Ecken.<br />

Alte Menschen prägen das Stadtbild.<br />

Umso dankbarer zeigen sich die BewohnerInnen für ein bisschen<br />

Abwechslung und einen neuen Impuls. Viele der älteren BesucherInnen<br />

kennen die <strong>Film</strong>e wie All About eve oder I Know Where I’m Going<br />

noch von früher, sind aber umso begeisterter, alte Klassiker noch einmal<br />

auf einer großen Leinwand zu sehen. „Es ist so schön wie beim<br />

ersten Mal“, sagt eine Seniorin gerührt.<br />

Viele kennen den Ballerina Ballroom auch noch als Bingohalle<br />

oder Festsaal, in dem in den 1960ern und 70ern Pink Floyd und The<br />

Who spielten.<br />

„Das hier ist jeden Tag besser als Kirche!“<br />

In den 8 ½ Tagen im August 2008 spielen hier Federico Fellini<br />

und Joseph Mankiewicz, Franceso Stefani und Michael Powell. Das<br />

Programm setzt sich aus persönlichen Lieblingsfilmen (The Adventures<br />

of Sherlock Holmes), und internationalem Arthaus („Shadows of<br />

Our Forgotten Ancestors / Feuerpferde“) zusammen.<br />

Am Tag 2 ½ wird für Tilda Swinton ein Traum war, wie sie später<br />

noch einem ungläubigen David Letterman vor laufenden Kameras<br />

erzählen wird. Das „Cinema of Dreams“ verspricht freien Eintritt<br />

für alle, die zur 10.30 Uhr Vorstellung von Miss Marple: Murder Most<br />

30<br />

Foul / Vier Frauen und ein Mord im Schlafanzug kommen. Den besten<br />

Preis verleiht Tilda schon vor dem finalen Gruppenfoto an zwei<br />

betagte Damen in aufwändigen Zweiteilern („Das beste, was Marks &<br />

Spencer zu bieten hat!“). Eine kleine Gruppe pastellfarben gekleideter<br />

Rentnerinnen versammelt sich vor dem Eingang und unterhält sich:<br />

„Nun Ethel, jetzt wissen aber alle, dass du heute nicht in der Kirche<br />

bist!“ – „Das hier ist jeden Tag besser als Kirche!“.<br />

Um die Flamme der Kinomagie über 8 ½ Tage am Lodern zu halten,<br />

denken sich Tilda und Mark noch weitere Sondervorführungen<br />

aus. Eine davon ist allerdings nicht abgesprochen. Am dreieinhalbten<br />

Tag steht plötzlich Kenneth Anger vor der Leinwand. Der Pionier des<br />

Underground Cinema, der als Zwanzigjähriger mit Fireworks (1947)<br />

queere <strong>Film</strong>geschichte schrieb und durch Experimentalfilme wie<br />

Scorpio Rising oder Invocation of My Demon Brother bekannt wurde,<br />

kam von einer Ausstellung in Dundee spontan vorbei und signierte<br />

im Gehen gleich noch die Ausgangstür mit den Worten „This is like<br />

Caligari in Technicolor“. Um am nächsten Tag sicher zu sein, dass sie<br />

es nicht geträumt haben, lackieren sich Tilda und Mark abends am<br />

Küchentisch noch einen Nagel mit Glitzerlack.<br />

Doch bevor das Programm am letzten Tag mit Fellinis Otto e<br />

mezzo / 8 ½ schließt, wird der siebeneinhalbte Tag – passend zu<br />

Angers Kommentar – zum Technicolor-Day erklärt. Um zwei Uhr<br />

nachmittags beginnen die Farbexplosionen auf der Leinwand mit<br />

dem deutschen Märchenklassiker Das singende, klingende Bäumchen<br />

/ The Singing Ringing Tree von 1957, in der deutschen Originalversion,<br />

über die aber eine englische Erzählstimme gelegt wurde, welche die<br />

Dialoge wiedergibt. „Das macht den <strong>Film</strong> noch merkwürdiger als er<br />

ohnehin schon ist“, merkt Mark Cousins dazu lachend an. Die Spezialeffekte<br />

zum Publikumsliebling Singin’ In the Rain / Du sollst mein<br />

Glücksstern sein am Abend werden von allen Beteiligten bereits am<br />

Vortag einstudiert. Pünktlich zu Gene Kellys Titelnummer positionieren<br />

sich Tilda und Mark neben der Leinwand und öffnen vor sich<br />

zwei Regenschirme, die von zwei Taschenlampen angeleuchtet werden.<br />

Das Publikum applaudiert wild. Lamettafäden wehen als Kunstregen<br />

ums Publikum und silbernes Konfetti regnet magisch auf die<br />

Zuschauerschar. Der charmante Dilletantismus des <strong>Film</strong>festivals hat<br />

seinen Höhepunkt erreicht und die sprühenden Funken der <strong>Film</strong>liebe<br />

haben bei den BesucherInnen endgültig ein Feuer entfacht.<br />

Dementsprechend bedrückt ist die Atmosphäre am letzten Abend,<br />

nachdem ein wildgewordener Regisseur mit Identitätskrise über die<br />

Leinwand getobt ist und auf den Punkt bringt, worum es beim <strong>Film</strong><br />

eigentlich geht: um alles und nichts. Mit 8 ½ findet das „Cinema of<br />

Dreams“ zu seinem Anfang zurück, zu seinem Titel, zur Reflexion<br />

über das Kino im Kino zum <strong>Film</strong> im <strong>Film</strong> über den <strong>Film</strong> und zu einer<br />

Dokumentation, die bereits am einhalbten Tag gezeigt wurde. The<br />

Right to Freedom of Thought von Tilda Swinton und Mark Cousins.<br />

Ein <strong>Film</strong> über die Entstehung des „Cinema of Dreams“ und gleichzeitig<br />

eine endgültige Liebeserklärung an das Medium, den Ort und<br />

seine Magie. Mit 8 ½ Jahren wurde Tilda Swinton von ihrem Sohn<br />

gefragt, wovon die Leute geträumt haben , bevor es <strong>Film</strong>e gab. Tilda<br />

antwortete in einem Brief, den sie vor laufender Kamera vorliest.<br />

Mark schreibt als Antwort einen Brief an sein achteinhalbjähriges Ich<br />

und liest den Brief ebenfalls vor. Zusammen haben sie sich überlegt<br />

die „8 ½ Foundation“ ins Leben zu rufen, um Kindern an ihrem achteinhalbten<br />

Geburtstag mit Hilfe einiger Kinderfilmklassiker auf DVD<br />

die Liebe zum <strong>Film</strong> und somit zum Kino zu wecken.<br />

Am Ende, lange nachdem Tilda Swinton gesagt hat, dass wir noch<br />

viele Ballerina Ballrooms in der Welt brauchen, und lange nachdem<br />

Überraschungsgast Brian Cox gefordert hat, das Kino zu den Menschen<br />

zurück zubringen, noch bevor die Musik laut wird und die ersten<br />

Weinkorken auf dem Boden liegen, sagt Tilda den entscheidenden<br />

Satz: „I don’t see this as an end, I see it as a beginning.“ s<br />

Neu auf DVD<br />

von Jan künemunD<br />

DREAM BOY<br />

USA 2008, Regie: James bolton, pro-Fun Media<br />

Das Schönste ist die<br />

erste halbe Stunde.<br />

Da verliebt sich der<br />

schüchterne Nathan in<br />

Roy, den Jungen von<br />

der Nachbarfarm. Roy<br />

fährt den Schulbus und<br />

sammelt jeden Tag die<br />

Kids in der schwülen<br />

Einöde North Carolinas<br />

ein. Und so haben die beiden am Anfang und<br />

am Ende eines jeden Schultages zwei verzauberte<br />

Momente allein in dem großen Bus. Wie<br />

sich das langsam aufbaut als Choreographie<br />

linkischer Gesten und heimlicher Blicke in den<br />

Rückspiegel, wie Nathan langsam von den hinteren<br />

Busreihen auf den Platz direkt hinter Roy<br />

aufrückt, wie sie Mathe- gegen Englischaufgaben<br />

tauschen, sich heimlich treffen, zum Sound<br />

von Grillenzirpen und Kirchengesängen – das<br />

ist schon ein ganz klein wenig herzzerreißend.<br />

Später dringt dann die ganze Schwere des Südstaatendramas<br />

in die zarte Romanze ein, der<br />

Soundtrack von Richard Bruckner erigiert und<br />

die schwülstige Sinnlichkeit der Natur kippt<br />

ins Gespenstische. Doch wie immer in den <strong>Film</strong>en<br />

von James Bolton (eban und Charly, The<br />

Graffiti Artist – siehe S. 15) ist die Melancholie,<br />

die die Jungs umgibt, nicht ganz greifbar, nicht<br />

restlos zu entschlüsseln. Boltons Jugendliche<br />

leben in einem prekären Zustand, sind verletzlich,<br />

gefährdet, und haben kaum eine Sprache<br />

für ihre Welt. Ein fragiles Kino der Gesten und<br />

Blicke. Vorlage für Dream Boy ist der großartige<br />

Roman von Jim Grimsley. Und man sollte<br />

noch erwähnen, dass man in einer kleinen<br />

Rolle Ricky Lee Jones bewundern kann.<br />

FERFIÁKT – DER NACKTE JUNGE<br />

HU 2006, Regie: Károly Esztergályos, pro-Fun<br />

Media<br />

In diesem Drama aus<br />

Ungarn, bislang ein leerer<br />

Fleck auf der Landkarte<br />

des homoerotischen<br />

<strong>Film</strong>s, betritt<br />

man eine vertraute,<br />

doch lange nicht mehr<br />

bereiste Welt – jene der<br />

feingeistigen Künstler,<br />

die ihre verheimlich-<br />

ten Gefühle in ihren Werken ausleben, sich in<br />

großbürgerlichen Verhältnissen einen Platz<br />

für ihr Doppelleben einrichten – und dann<br />

plötzlich vor einer erotischen Herausforderung<br />

kapitulieren. Der schöne Junge, der den<br />

beinahe 50-jährigen Schriftsteller aus seiner<br />

Welt aus Mann-Tagebüchern, Schubertliedern<br />

und Viscontischer Melancholie herausreißt, ist<br />

eine moderne Budapester Variante Tadzios,<br />

Franz Westermeiers und Helmut Bergers. Und<br />

so bricht all das über den Mann herein, was er<br />

vorher sorgsam künstlerisch sublimiert hatte.<br />

Regisseur Károly Esztergályos gehört noch<br />

einer Generation an, die weiß, welches Potential<br />

diese Geschichten einer nicht ausgelebten<br />

Homosexualität haben – und er ist klug genug,<br />

selbst nicht auf der sicheren Ebene feingeistiger<br />

Verschämtheit zu bleiben. Wenn der<br />

alternde Dichter dem Stricher, der ihn gerade<br />

oral befriedigt, laut aus dem „Tod in Venedig“<br />

vorliest, dann ist das ein selbstironisches und<br />

dabei sehr komplexes Bild der schwulen Kulturgeschichte…<br />

FRISK<br />

USA 1995, Regie: Todd Verow, CMV Laservision,<br />

FSK 18<br />

Endlich ist dieser <strong>Film</strong><br />

auf DVD raus, endlich<br />

kann man Todd Verows<br />

Bebilderung von Dennis<br />

Coopers Roman fernab<br />

seiner Skandalwirkung<br />

betrachten (bekanntlich<br />

gab es ja wüste<br />

Szenen anlässlich seiner<br />

Premiere beim SF<br />

G&L <strong>Film</strong> Festival 1996). Ein Versuch über<br />

die dunklen Aspekte der schwulen Sexualität,<br />

ein Set an wüsten Phantasien, das gleichermaßen<br />

unscharf mal als „cold porn“, mal als<br />

„queercore“ bezeichnet wurde. Dabei belässt<br />

es Verow genau wie Cooper in Andeutungen,<br />

die so kompliziert verschachtelt sind, dass man<br />

eben nie weiß, was davon Fantasie und was<br />

davon Serienkillerrealität sein soll. Worum es<br />

nämlich eigentlich geht, sind mit Sex, Gewalt<br />

und Geheimnissen aufgeladene Bilder, die man<br />

nicht mehr los wird. Und die mit einfachsten<br />

Mitteln eher heraufzubeschwören als zu<br />

zeigen, gelingt Verow in seinem Debüt ganz<br />

großartig. Dazu gibt es als Extras den schönen<br />

Kurzfilm nob Hill und den informativen<br />

Audiokommentar mit Produzent und Regis-<br />

frisch ausgepackt<br />

seur, der u.a. erzählt, dass er Coopers Roman<br />

beim ersten Lesen so widerwärtig fand, dass er<br />

ihn erst mal durch den Raum geschleudert hat.<br />

lIChT UND SChATTEN –<br />

BETwEEN SOMEThING AND NOThING<br />

USA 2008, Regie: Todd Verow, Edition Salzgeber<br />

Gleichzeitig zu seinem<br />

Erstling Frisk<br />

erscheint auch Todd<br />

Verows aktueller <strong>Film</strong><br />

Licht und Schatten<br />

auf DVD. Und es ist<br />

schön zu sehen, dass<br />

da jemand bei seiner<br />

Underground-Ästhetik<br />

geblieben ist. Denn bei<br />

Verow hat die Verweigerung von Glätte und<br />

schöner Oberfläche System – der Ton ist direkt,<br />

das Licht ist natürlich, die Schauspieler sind<br />

Freunde und alles wird schnell abgedreht,<br />

damit erst gar keine filmischen Überhöhung<br />

der dreckigen kleinen Geschichte stattfinden<br />

kann. Man ist nah dran, und das ist hierbei<br />

insbesondere ein Geschenk, da Verow nach<br />

Vacationland zum zweiten Mal die Geschichte<br />

seiner eigenen Jugend erzählt – ein atemloses<br />

Dahintreiben zwischen Kunstakademie,<br />

Strich und Nachtleben, das sich genauso atemlos<br />

im <strong>Film</strong> überträgt. Man möchte hier nicht<br />

von „Authentizität“ sprechen – eher von einer<br />

sehr persönlichen Art, eine sehr persönliche<br />

Geschichte zu erzählen.<br />

BUTTERFlY – hU DIE<br />

Cn 2004, Regie: Yan Yan Mak, Edition Salzgeber<br />

Das ist ein bekanntes<br />

poetisches Bild für einen<br />

Emanzipationsprozess:<br />

den (gesellschaftlichen)<br />

Kokon aufbrechen und<br />

als schöner Schmetterling<br />

in die Welt hinausflattern.<br />

Das erzählt die<br />

junge <strong>Film</strong>emacherin<br />

yan yan Mak in ihrem<br />

zweiten Spielfilm Butterfly – Hu Die. Verwoben<br />

ist das lesbische Coming-Out ihrer Heldin<br />

allerdings mit einer zweiten Zeitebene, in der<br />

ihr dieses Schmetterling-Werden nicht gelingt,<br />

und mit einer präzisen Kokon-Beschreibung,<br />

die auf allgemeine politische Unterdrückung<br />

und den Kampf um Menschenrechte verweist.<br />

31


frisch ausgepackt<br />

Eine kritische Untersuchung Hongkong-chinesischer<br />

Verhältnisse, nach einer taiwanesischen<br />

Kurzgeschichte, eine doppelte lesbische<br />

Liebesgeschichte, die als Sinnbild für die<br />

Selbstverständlichkeit von Menschenrechten<br />

inszeniert ist – darin entwickelt Butterfly seine<br />

äußerst filmisch aufgelöste Komplexität, die<br />

nicht von ungefähr mit einer Einladung zu<br />

den <strong>Film</strong>festspielen von Venedig im Jahr 2004<br />

belohnt wurde.<br />

lANDlIEBE – JUNGS IN DER PROvINz<br />

CH & D 2004–2008, Edition Salzgeber<br />

Fünf deutschsprachige<br />

Kurzfilme, die eine Fantasie<br />

umkreisen – um in<br />

ihrer Unterschiedlichkeit<br />

und Vielschichtigkeit<br />

dann sehr konkret<br />

zu werden. Das Leben<br />

von Jungs außerhalb<br />

der schwulen Szenen ist<br />

ja aus der Großstadtperspektive<br />

oft unvorstellbar oder – wie in vielen<br />

Fällen – mit unangenehmen eigenen Erinnerungen<br />

verbunden. Aber wo die meisten dieser<br />

filmischen Peripheriebegehungen tatsächlich<br />

zu der Erkenntnis kommen, dass man als<br />

Schwuler dort, wo man aufwächst, zwar seine<br />

Freunde hat, für alles, was darüber hinaus<br />

gehen soll, aber dort weg muss – steigt Cowboy<br />

von Til Kleinert tief in die schwulen Projektionen<br />

einer versauten Landjugend ein – und<br />

geht dann weit über alles Vorstellbare hinaus.<br />

Da wo angeblich nichts passiert, ist in Wahrheit<br />

die Hölle los, kann man daraus schließen.<br />

Oder genau hinsehen, wie es die anderen <strong>Film</strong>e<br />

tun. Mit den <strong>Film</strong>en Landleben (Lukas Egger),<br />

nachmittage (Nicholas Hessenkamp), Anfänger!<br />

(Nicolas Wackerbarth), Freunde die du<br />

hast (Haik Büchsenschuss) und Cowboy (Till<br />

Kleinert).<br />

ThE hOUSEBOY<br />

USA 2007, Regie: Spencer Schilly, bildkraft<br />

Ein kleiner aufregender<br />

<strong>Film</strong>, mit einfachsten<br />

Mitteln hergestellt.<br />

Über Ricky, der einem<br />

älteren schwulen Paar<br />

als Spielzeug dient und<br />

über Weihnachten ihr<br />

Haus hüten soll. Und<br />

eigentlich schon weiß,<br />

dass er bald durch<br />

einen neuen Jungen ersetzt wird. Jetzt sitzt er<br />

in einem mit bunter Weihnachtsdekoration aus<br />

allen Nähten platzenden Apartment, unter Katzen,<br />

Kaninchen, Schildkröten und Fischen, und<br />

bestellt sich ein gefühlloses Sexdate nach dem<br />

nächsten in das fremde Apartment. Eigentlich<br />

32<br />

sucht er nur etwas menschliche Wärme. Und<br />

beschließt schließlich aus lauter Enttäuschung,<br />

am Weihnachtsabend aus dem Leben zu scheiden<br />

(wobei seine eigentliche Traurigkeit daher<br />

rührt, dass es niemandem auffallen wird). Das<br />

alles ist tragisch und komisch zugleich, hingebungsvoll<br />

von Nick May gespielt, mit sehr<br />

vielen skurrilen Episoden angereichert und im<br />

Ton völlig originell. Ein <strong>Film</strong>, der wunderbar<br />

ohne großes Budget auskommt und dafür ganz<br />

bei sich bleibt.<br />

ANOThER GAY SEQUEl –<br />

GAYS GONE wIlD<br />

USA/D 2008, Regie: Todd Stephens, pro-Fun<br />

Media<br />

Noch ein schwuler <strong>Film</strong>,<br />

noch eine <strong>Film</strong>-Fortsetzung,<br />

another gay<br />

sunshine day. Zweite<br />

Runde für Nico, Andy,<br />

Jarod und Griff auf dem<br />

Spielplatz der schwulen<br />

Nischenproduktionen.<br />

Dieser <strong>Film</strong> ist, wie sein<br />

Vorgänger Another Gay<br />

Movie, der Versuch, SCHWUL SEIN in filmischen<br />

Großbuchstaben zu schreiben. Also hat<br />

ein Spektrum schwuler Jungs ein Spektrum<br />

an schwulem Sex, alle Nebenfiguren kommen<br />

aus der schwulen Kult-Ecke (Ru Paul, Amanda<br />

Lepore), es hagelt Zitate zu anderen schwulen<br />

<strong>Film</strong>en – und das Ganze ist vor allem eins: eine<br />

Komödie. Eine, vor allem was die Ausstattung<br />

und die Präzision der geschriebenen Gags<br />

angeht, ziemlich liebevoll produzierte. Und<br />

sie ermöglicht die Befriedigung zweier Grundbedürfnisse<br />

des schwulen Mannes: über sich<br />

selbst zu lachen und 99 Minuten lang auf pralle<br />

Badehosen zu schauen. Die ‚unbeschnittene‘<br />

DVD-Ausgabe hat sich die Mühe einer deutschen<br />

Fassung gemacht und kann außerdem<br />

umfangreiches Bonusmaterial bieten.<br />

IN ThE BlOOD – DIE DUNKlE GABE<br />

USA 2007, Regie: Lou peterson, Edition Salzgeber<br />

Ein neuer Aspekt des<br />

Queer Cinema ist, dass<br />

es nach und nach auch<br />

in die klassischen <strong>Film</strong>genres<br />

eindringt. Das<br />

Interessante an diesem<br />

Psychothriller mit seinen<br />

Mystery- und Horror-Elementen<br />

ist, dass<br />

er dort, wo er am tiefsten<br />

in den Genregesetzen steckt, seinen narrativen<br />

Auslöser in einem rein schwulen Thema<br />

findet. Es sind die Coming-Out-Probleme Cassidys,<br />

die bei ihm blutige Visionen auslösen<br />

und erst über den schwulen Sex kann er her-<br />

ausfinden, was es damit auf sich hat. Ansonsten<br />

werden hier Genre-Fans bedient – Serienkiller<br />

gehen um, mit unerwarteten narrativen Twists<br />

werden immer dann neue Aspekte präsentiert,<br />

wenn man sich schon zu sicher ist, und mit<br />

großer Lust verfolgt man, wie die kleine Welt<br />

eines College-Studenten in einem Strudel von<br />

Verdrängung, Wahn, Ängsten und Verdächtigungen<br />

versinkt.<br />

XXY<br />

AR 2007, Regie: Lucía puenzo, Kool<br />

Das junge argentinische<br />

Kino macht gerade sehr<br />

auf sich aufmerksam.<br />

In einer Gesellschaft,<br />

in der in den letzten<br />

Jahren fast sämtliche<br />

Sicherheiten ins Wanken<br />

gekommen sind,<br />

scheinen auch die Konzepte<br />

der Sexualität zu<br />

schweben (man denke an Glue von Alexis dos<br />

Santos oder La León von Santiago Otheguy).<br />

Der Festivalerfolg XXY ist ein außergewöhnlich<br />

sinnlicher <strong>Film</strong> über die Gefühlswelt von<br />

Teenagern, von denen eine(r) intersexuell ist.<br />

Mit diesem medizinischen Begriff sind Leidensgeschichten<br />

vieler Menschen verbunden, deren<br />

Geschlecht nach der Geburt operativ vereindeutigt<br />

wurde, auf Betreiben der Eltern und – indirekt<br />

– der Gesellschaft. Lucía Puenzos Zugang<br />

zu dieser Problematik führt tief in die Erlebniswelt<br />

der Jugendlichen, die sexuelles Erwachen<br />

mit dem Neuentdecken des eigenen Körpers in<br />

Einklang zu bringen versuchen. Und stellt die<br />

gewagte These auf, dass sich Menschen ineinander<br />

verlieben, nicht biologische Geschlechtsträger.<br />

Und die phänomenale Kamera von Natasha<br />

Braier stellt eine Nähe zu den nicht minder<br />

phänomenalen Gesichtern der Schauspieler her,<br />

die jeglichen medizinischen Identitäts-Diskurs<br />

lebensfremd erscheinen lässt.<br />

ChANSON DER lIEBE –<br />

lES ChANSONS D’AMOUR<br />

FR 2007, Regie: Christoph Honoré, pro-Fun<br />

Media<br />

Das fängt alles sehr<br />

nervig an – eine großbürgerliche<br />

Familie<br />

trifft sich und es wird<br />

bis zur Schmerzgrenze<br />

geplaudert. Ein junges<br />

Paar hat mit einem<br />

anderen Mädchen eine<br />

Dreierkiste (wie französisch!).<br />

Außerdem<br />

wird in diesem <strong>Film</strong> viel gesungen und gelesen.<br />

Doch plötzlich gibt es einen Riss. Eins<br />

der beiden Mädchen stirbt – und plötzlich ver-<br />

schieben sich die Konstellationen, die Gefühle<br />

und die bürgerlichen Grundfesten. Christoph<br />

Honorés <strong>Film</strong> ist ausgesprochen mutig in seiner<br />

Verbindung von Leichtigkeit und Ernst, von<br />

Pop und Drama. Er scheut weder Emotionen<br />

noch Kitsch. Alles dreht sich um die Frage (wie<br />

sie in einem Chanson gestellt wird), ob man<br />

bei der Liebe nicht immer in das Verliebtsein<br />

selbst verliebt ist. Und in seinen künstlichsten<br />

Augenblicken, wenn die heftigsten Gefühle auf<br />

die klarsten Bilder und die naivsten Poplieder<br />

treffen, ist Chanson der Liebe am meisten bei<br />

sich und genau so schön wie rätselhaft.<br />

SEBASTIANE<br />

UK 1976, Regie: Derek Jarman, Edition Salzgeber<br />

Man weiß das mittlerweile<br />

alles: Sebastiane<br />

ist das Debüt von<br />

Derek Jarman, der einzige<br />

jemals auf Latein<br />

gedrehte <strong>Film</strong>, ein<br />

Softporno, ein schwuler<br />

Kultfilm über einen<br />

schwulen Mythos. Wie<br />

bei Jarman üblich,<br />

wird kein Historiendrama inszeniert, sondern<br />

Vergangenes mit aktuellem Interesse aufgeladen.<br />

Ganze 70 Minuten davon langweilen<br />

sich die römischen Soldaten unter sengender<br />

Sonne und treiben laszive Späße miteinander.<br />

Dazwischen trifft der Sadist Severus auf den<br />

Masochisten Sebastian, der zeitgemäß seine<br />

Qualen als Zeichen göttlicher Liebe versteht.<br />

Wir lernen etwas über Männergruppen im<br />

Ausnahmezustand, sehen diese heute wieder<br />

so attraktiven 70er-Jahre-Männerkörper und<br />

verstehen, warum der Heilige Sebastian durch<br />

die schwule Bildertradition wandert. Einen<br />

schönen Vergleich bietet der Kurzfilm Saint<br />

von Bavo Defurne, als Bonusmaterial in der<br />

DVD enthalten. Ein nicht weniger ästhetisierender<br />

Zugang, in poetischem Schwarzweiß,<br />

in dem die Hinrichtung als geheimnisvolle<br />

Sexszene mitten im Wald inszeniert ist. Hier<br />

lassen die Soldaten im Angesicht von männlicher<br />

Schönheit sogar die Bogen wieder sinken<br />

und aus gewittrigem Himmel regnet es auf den<br />

nicht tot zu kriegenden Sebastian nieder.<br />

DEREK<br />

UK 2007, Regie: isaac Julien, Edition Salzgeber<br />

Dafür Sorge tragen, dass Derek Jarman nicht<br />

vergessen wird – das ist das Anliegen seiner<br />

ehemaligen Freunde, Mitstreiter und Nachfolger.<br />

Tilda Swinton, Isaac Julien, Colin McCabe,<br />

Simon Fisher Turner und andere haben ein<br />

Porträt über den 1994 verstorbenen Künstler<br />

gemacht, das weit über ein handelsübliches<br />

Biopic hinausgeht. Ein Medium wählen, es mit<br />

Wut, Liebe und Witz aufladen, die üblichen<br />

Produktionsbedingungen<br />

ignorieren, sich eine<br />

Familie suchen und einfach<br />

machen. Dass ist<br />

das, was dieser <strong>Film</strong> als<br />

den lebendigen Spirit<br />

des Künstlers herausarbeitet<br />

– und weiterträgt.<br />

Wie einst Jarman<br />

hält Tilda Swinton in<br />

ihrem Off-Kommentar ein pointiertes Pamphlet<br />

gegen die bürokratische <strong>Film</strong>industrie.<br />

Wie einst Jarman lässt Isaac Julien assoziative<br />

Bildmontagen den <strong>Film</strong>rhythmus bestimmen,<br />

lädt die ‚guten alten‘ Jarman-Zeiten mit<br />

einem aktuellen Blick auf. Wie in Jarmans <strong>Film</strong>en<br />

erzeugt Simon Fisher Turners Musik eine<br />

atmosphärische Tiefe, ist harmoniesüchtig und<br />

gebrochen zugleich. Dieses Jarman-Porträt ist<br />

voll und ganz in dessen Sinn. Es ist Erinnerung<br />

und Aufruf, Archiv und kreatives Störmoment<br />

zugleich. Aber vor allem: eine Liebeserklärung.<br />

ThE TIMES OF hARvEY MIlK<br />

USA 1985, Regie: Robert Epstein, Edition Salzgeber<br />

Rob Epsteins Dokumentarfilm<br />

war schon<br />

zu Milks Lebzeiten<br />

geplant. Seine Ermordung<br />

fiel in die Dreharbeiten<br />

und ließ den<br />

<strong>Film</strong> zu einem einflussreichen<br />

Porträt eines<br />

Helden der Schwulenbewegung<br />

werden –<br />

mittlerweile selbst schon ein filmgeschichtlicher<br />

Klassiker. Mehr dazu auf Seite 14.<br />

STRAIGhT<br />

D 2007, Regie: nicolas Flessa, Edition Salzgeber<br />

Wenn Deutschtürken<br />

und deutsche Schwule<br />

aufeinander treffen,<br />

kol lidieren traditionell<br />

die Vorstellungen von<br />

Männlichkeit. Vorurteile,<br />

Ängste, erotische<br />

Fantasien entstehen,<br />

wo man nah beieinander<br />

ist, sich aber trotzdem<br />

kaum kennt. In St. Georg oder Kreuzberg<br />

z.B. ist man im selben Kiez unterwegs. Nicolas<br />

Flessa siedelt seine Dreiecks-Liebesgeschichte<br />

um zwei Männer und eine Frau, um straighten<br />

und schwulen Sex, um drei verschiedene<br />

kulturelle Hintergünde in Berlin-Neukölln<br />

an. Meist nachts und auf der Straße, wo Blicke<br />

unterwegs sind und Fremde sich treffen.<br />

Und so hat ein Hetero plötzlich eine Affäre mit<br />

einem Mann, ist eine Frau mit zwei Liebha-<br />

frisch ausgepackt<br />

bern plötzlich fünftes Rad am Wagen und ein<br />

deutschtürkischer Dealer erlebt etwas, das er<br />

seinen Kumpels verheimlichen muss. Großes<br />

Kapital des <strong>Film</strong>s ist natürlich, dass Teenie-<br />

Idol Eralp Uzun sich auf eine solche Rolle<br />

einlässt. Aber darüber hinaus weiß auch der<br />

Regisseur, wie man eine solche Story erzählen<br />

kann: vor Ort, direkt, und mit Raum für Improvisation.<br />

(Inklusive Kurzfilm The City von<br />

Nicolas Flessa.)<br />

FRÜhSTÜCK MIT SCOT<br />

CA 2007, Regie: Laurie Lynd, pro-Fun Media<br />

Familienunterhaltung.<br />

Und Familie selbst ist<br />

auch das Thema. Allerdings<br />

wird hier in Form<br />

einer mainstreamigen<br />

Feel-Good-Komödie<br />

der Familienbegriff<br />

nicht nur erweitert (es<br />

geht um ein schwules<br />

Paar, das plötzlich Verantwortung<br />

für ein Kind übernehmen muss),<br />

sondern eigentlich ein rein schwules Problem<br />

thematisiert. Da sind zwei Männer, die ihr<br />

ganzes Leben damit verbracht haben, straight<br />

zu wirken, auf dem Eishockeyplatz und in der<br />

Anwaltskanzlei den Heteromännern gegenüber<br />

nicht zurückzustecken. Und dann steht<br />

da ein schwuler Junge auf der Matte, der sich<br />

offensichtlich selbst noch nie die Frage gestellt<br />

hat, ob er ausreichend männlich wirkt. Scot ist<br />

bunt, unangepasst und gender-resistent. Was<br />

prekärerweise dazu führt, dass die schwulen<br />

Ersatzeltern erst mal versuchen, einen richtigen<br />

Jungen aus ihm zu machen – bzw. zu dem,<br />

was sie darunter verstehen. Man enthüllt kein<br />

Geheimnis, wenn man verrät, dass der Erziehungsprozess<br />

schließlich umgekehrt verläuft.<br />

So erscheint das traditionelle Thema der fehlenden<br />

Akzeptanz von Homosexuellen in der<br />

heteronormativen Gesellschaft auf interessante<br />

Weise variiert: als schwule Selbstbespiegelung<br />

und Selbstkritik. Das gleichwohl produziert für<br />

ein so breit wie möglich gedachtes Publikum.<br />

BORN IN FlAMES<br />

USA 1983, Regie: Lizzie bordon, Edition Salzgeber<br />

Lizzie Bordons radikalfeministischerKlassiker<br />

aus einem revolutionär-utopischen<br />

US-Amerika erscheint<br />

nach seinem L-<strong>Film</strong>nacht-Einsatz<br />

natürlich<br />

auch auf DVD. Mehr<br />

dazu auf Seite 9.<br />

33


service<br />

BeZUgSqUeLLeN<br />

Nicht-heterosexuelle DVDs erhalten Sie unter anderem in den folgenden Läden.<br />

Die Auswahl wird laufend ergänzt. Bitte helfen Sie uns dabei!<br />

BerLiN B_BOOKS Lübbenerstraße 14 · BrUNO’S Bülowstraße<br />

106, 030/61500385 · BrUNO’S Schönhauser Allee 131,<br />

030/61500387 · DUSSMANN Friedrichstraße 90 · gALerie JANS-<br />

SeN Pariser Straße 45, 030/8811590 · KADeWe Tauentzienstraße<br />

21–24 · MeDiA MArKt ALexA Grunerstraße 20 · MeDiA MArKt<br />

NeUKöLLN Karl-Marx-Straße 66 · NegAtiVeLAND Dunckerstraße<br />

9 · PriNZ eiSeNHerZ BUCHLADeN Lietzenburger Straße<br />

9a, 030/3139936 · SAtUrN eUrOPACeNter Tauentzienstraße 9 ·<br />

ViDeO WOrLD Kottbusser Damm 73 · ViDeODrOM Fürbringer<br />

Straße 17 DOrtMUND LitFASS Der BUCHLADeN Münsterstraße<br />

107, 0231/834724 DüSSeLDOrF BOOKxxx Bismarckstraße<br />

86, 0211/356750 · MeDiA MArKt Friedrichstraße 129–133<br />

· SAtUrN Königsallee 56 · SAtUrN Am Wehrhahn 1 FrANK-<br />

FUrt/MAiN OSCAr WiLDe BUCHHANDLUNg Alte Gasse 51,<br />

069/281260 · SAtUrN Zeil 121 HAMBUrg BUCHLADeN<br />

MäNNerSCHWArM Lange Reihe 102, 040/436093 · BrUNO’S<br />

Lange Reihe/Danziger Straße 70, 040/98238081 · CLeMeNS<br />

Clemens-Schultz-Straße 77 · eMPire MegAStOre Bahrenfelder<br />

Straße 242–244 · MeDiA MArKt Paul-Nevermann-Platz<br />

15 KöLN BrUNO’S Kettengasse 20, 0221/2725637 · MeDiA<br />

MArKt Hohe Straße 121 · SAtUrN Hansaring 97 · SAtUrN Hohe<br />

Straße 41–53 · ViDeOtAxi Ebertplatz 9 · ViDeOtAxi Salierring 42<br />

· ViDeOtAxi Hohenzollernring 75–77 MANNHeiM Der ANDere<br />

BUCHLADeN M2 1, 0621/21755 MüNCHeN BrUNO’S Thalkirchner<br />

Straße 4, 089/97603858 · LiLLeMOr’S FrAUeNBUCHLA-<br />

DeN Barerstraße 70, 089/2721205 · MAx & MiLiAN Ickstattstraße<br />

2, 089/2603320 · SAtUrN Schwanthalerstraße 115 · SAtUrN<br />

Neuhauser Straße 39 StUttgArt BUCHLADeN erLKöNig<br />

Nesenbachstraße 52, 0711/639139 tüBiNgeN FrAUeNBUCH-<br />

LADeN tHALeStriS Bursagasse 2, 07071/26590 WieN BUCH-<br />

HANDLUNg LöWeNHerZ Berggasse 8, + 43/1/13172982<br />

KiNOS<br />

Nicht-heterosexuelle <strong>Film</strong>e können Sie unter anderem in den folgenden Kinos<br />

sehen. Die Auswahl wird laufend ergänzt. Bitte helfen Sie uns dabei!<br />

ASCHAFFeNBUrg CASiNO FiLMtHeAter Ohmbachsgasse 1,<br />

06021/4510772 AUgSBUrg CiNeMAxx Willy-Brandt-Platz<br />

2, 0821/3258080 BerLiN KiNO iNterNAtiONAL Karl-Marx-<br />

Allee 33, 030/24756011 · xeNON KiNO Kolonnenstraße 5–6,<br />

030/78001530 · CiNeMAxx POtSDAMer PLAtZ Potsdamer Straße<br />

5, 030/25922111 BieLeFeLD CiNeMAxx Ostwestfalenplatz<br />

1, 0521/5833583 BreMeN KiNO 46 Waller Heerstraße 46,<br />

0421/3876731 · CiNeMAxx Breitenweg 27, 0421/3010101 DreS-<br />

DeN KiD – KiNO iM DACH Schandauer Straße 64, 0351/3107373<br />

· CiNeMAxx Hüblerstraße 8, 0351/3156868 eSSeN CiNeMAxx<br />

Berliner Platz 4–5, 0201/8203040 eSSLiNgeN KOMMUNA-<br />

LeS KiNO Maille 4–9, 0711/31059510 FrANKFUrt/MAiN MAL<br />

SeH’N Adlerflychtstraße 6, 069/5970845 FreiBUrg KOM-<br />

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50, 0761/20281410 göttiNgeN KiNO LUMière<br />

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Dammtordamm 1, 040/34847610 HANNOVer APOLLO StU-<br />

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Andreasstraße 28, 0941/2980963 · CiNeMAxx Friedenstraße<br />

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34<br />

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Impressum<br />

Herausgeber Björn Koll<br />

Verlag Salzgeber & Co. Medien GmbH<br />

Mehringdamm 33 · 10961 Berlin<br />

Telefon 030 / 285 290 90<br />

Telefax 030 / 285 290 99<br />

Redaktion Jan Künemund, presse@salzgeber.de<br />

Art Director Johann Peter Werth, werth@salzgeber.de<br />

Autoren dieser Ausgabe Thomas Abeltshauser, Sharon Adler, Doris Bandhold, Stefanie Denkert, Franz<br />

Dinda, Jan Gympel, Jan Künemund, Edina Lautenschläger, Silvy Pommerenke,<br />

Tobias Rauscher, Paul Schulz, Tim Staffel<br />

Lektorat Rut Ferner<br />

Anzeigenleitung Jan Nurja, nurja@salzgeber.de<br />

Druck Westermann, Braunschweig<br />

Rechte Digitale oder analoge Vervielfältigung, Speicherung, Weiterverarbeitung oder<br />

Nutzung sowohl der Texte als auch der Bilder bedürfen einer schriftlichen<br />

Genehmigung des Herausgebers.<br />

Verteilung deutschlandweit in den schwul-lesbischen Buchläden, in den CinemaxX-Kinos<br />

in Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bremen, Dresden, Essen, Freiburg, Hamburg,<br />

Kiel, München, Mülheim, Offenbach, Oldenburg, Regensburg, Stuttgart, Trier,<br />

Wuppertal, Würzburg und weiteren ausgewählten Orten.<br />

Haftungsausschluss Für die gelisteten Termine und Preise können wir keine Garantie geben.<br />

Alle Angaben entsprechen dem Stand des Drucklegungstages.<br />

Bildnachweise Die Bildrechte liegen bei den jeweiligen Anbietern.<br />

Erscheinungsweise SISSy erscheint alle drei Monate, jeweils für den Zeitraum Dezember/<br />

Januar/Februar – März/April/Mai – Juni/Juli/August – September/Oktober/<br />

November. Auflage: 40.000 Exemplare (Druckauflage).<br />

Anzeigen Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 1 vom Januar 2009.<br />

Abo Sie können SISSy kostenfrei abonnieren. E-Mail genügt: abo@sissymag.de<br />

Foto: iStockphoto<br />

• 1.200 Seiten<br />

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