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destination kanada<br />
Oben: Dudelsack und Kilt – der Einfluss<br />
schottischer Einwanderer ist geblieben. Unten:<br />
ausgewaschene Felsen am Cape Hopewell<br />
Foto: Canadian Tourism Commission Foto: Frommer<br />
Yarmouth führende Route beileibe nicht. In Nova Scotias Hinterland stößt man<br />
mitunter erst zu den Mahlzeiten wieder auf andere Reisende. Etwa bei einladend<br />
preiswerten Hummergerichten auf der zum winzigen Hafen gewandten Sonnenterrasse<br />
des rustikalen und beliebten Lobster Pound & Restaurants (www.hallsharbourlobster.ns.ca)<br />
im Liliput-Fischernest Hall’s Harbour, direkt am Südostufer der<br />
Bay of Fundy. Die hier gefangenen Hummer wiegen zwischen 250 und 7.000<br />
Gramm und werden in alle Welt exportiert.<br />
Am Kai liegen die Fischkutter bei Ebbe auf Grund. Schon hier beträgt der Tidenhub<br />
mehrere Meter. Klein aber fein sind die teils in Pensionen umgewandelten<br />
Holzhäuschen im 1605 gegründeten Städtchen Annapolis Royal, der ältesten europäischen<br />
Siedlung in Kanada. Die relativ flache Umgebung ähnelt dem südschwedischen<br />
Schonen und der beschauliche Ort wirkt wie vom Rest der Welt vergessen<br />
– der letzte »Royal« übernachtete hier 1884: Prince George of Wales, der spätere<br />
König Georg V. Im weiter nordwestlich an der Bay of Fundy gelegenen Digby<br />
herrscht, zumindest am Hafen, mehr Betrieb: Schon frühmorgens legen die ersten<br />
Kutter an. Ihr Fang – Digby<br />
ist für seine Jakobsmu-<br />
Nichts für Warmduscher:<br />
Auch im Sommer bleibt<br />
das Wasser unter 15 Grad<br />
scheln berühmt – wird<br />
direkt auf bereits wartende<br />
Trucks gehievt. Etwas<br />
außerhalb des Orts legt<br />
die Princess of Acadia ab,<br />
die Fähre nach Saint John,<br />
auf der anderen Seite der<br />
an dieser Stelle 72 Kilo-<br />
meter breiten Bay of Fundy. Die einzige Fähre zwischen Nova Scotia und New<br />
Brunswick wird von Einheimischen und Touristen genutzt. Als sie unlängst dem<br />
Rotstift geopfert werden sollte, setzte sich die Bevölkerung dagegen so energisch<br />
zur Wehr, dass die Sparkommissare das Feld schleunigst wieder räumten.<br />
Coastal Drive in New Brunswick. Saint John, die größte Stadt am nördlichen<br />
Ufer der Bay of Fundy, zeigt der Sonne und den Ankommenden ein freundliches<br />
Gesicht: Blühende Bäumchen, mehrarmige Straßenlaternen, unter denen sich Kaffeeterrassen<br />
mit bunten Schirmen ausbreiten, lockern das Stadtbild auf. Die Passanten<br />
scheinen ohne erkennbare Eile durch die kleine Universitätsstadt zu schlendern.<br />
Mehrstöckige Backsteingebäude säumen Straßen und Plätze des Zentrums;<br />
mit weißer Farbe sind an manchen Fassaden noch alte Rettungshinweise für die<br />
Feuerwehr aufgepinselt – 1877 hatte eine große Feuersbrunst das gesamte Geschäftsviertel<br />
der Stadt zerstört.<br />
Östlich von Saint John erreicht die schmale Landstraße 111 beim winzigen Ort<br />
Saint Martins wieder die Küste der Bay of Fundy. Selbst im Hochsommer verharrt<br />
die Wassertemperatur unter 15 Grad Celsius. Dennoch machen mehrere Bootsverleiher<br />
mit mutigen Kajakfahrern gute Geschäfte. Durch eine überdachte Holzbrücke<br />
führt die Straße zum Fundy Trail Parkway, einem besonders spektakulären<br />
Abschnitt der hier sehr hohen Steilküste.<br />
Noch spektakulärer präsentieren sich Natur und unverbaute Landschaft nur am<br />
Cape Hopewell: Die bis zu 20 Meter hohen »Flower Pot Rocks«, ausgewaschene<br />
Felsnadeln, auf deren Gipfel Büsche und Bäume wachsen, erinnern bei Ebbe tatsächlich<br />
an XXL-Blumentöpfe von Goliaths Lebensgefährtin. Eindrucksvoller wird<br />
der höchste Tidenhub der Welt nirgendwo in der Bay of Fundy dokumentiert. Nur<br />
sechs Stunden später, bei Flut, werden diese Felsen zu Inselchen und man kann sie,<br />
dann allerdings 14 Meter höher, mit dem Kajak umpaddeln. Über 100 Milliarden<br />
Tonnen Salzwasser presst der Atlantik bei Flut in die sich landeinwärts verjüngende<br />
Bay of Fundy, das ist mehr Wasser als zusammen in allen Flüssen der Welt fließt. Je<br />
enger die Bucht und die Täler ihrer Zuflüsse werden, umso dynamischer prescht die<br />
mächtige Flutwelle landeinwärts. Ihr Grollen eilt ihr voraus.<br />
Robin Daniel Frommer<br />
36 TRAVEL ONE 14.5.2008